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raffiniert 01 | 2021 IWO-Fachmagazin für Wärme und Mobilität KRAFTSTOFFE Regierung strebt höhere THG-Quote an EEG-NOVELLE Neue Regeln für den Ausbau der Erneuerbaren GRÜNER WASSERSTOFF Industrieprojekte nehmen Fahrt auf NEUES EU-KLIMAZIEL Mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030 NEUAUSRICHTUNG Total will 2050 klimaneutral sein
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MEINUNG Klimaziele Verkehr Kein Klimaschutz ohne alternative Kraftstoffe Damit Deutschland seine Klimaziele im Verkehrssektor erreicht, muss die Politik laut der BDI-Analyse „Klimapfade Verkehr 2030“ alle geeigneten technischen Hebel ergreifen. Bei ambitioniertem Ausbau der Infrastruktur verlagern sich zusätzliche Verkehrsmengen auf Schiene, ÖPNV und Wasserstraße. Gleichzeitig müssten die Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen in die Höhe schnellen, um die 10-Millionen-Marke bis 2030 zu erreichen. Doch selbst mit diesem Kraftakt bliebe noch immer eine erhebliche Klimaschutzlücke von rund 20 Millionen Tonnen CO2. Das Reduktionsziel von 60 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 erreicht Deutschland nur, wenn wir die heutigen Mengen CO2-neutraler Kraftstoffe nahezu vervierfachen. Dazu gilt es, den Markthochlauf dieser Kraftstoffe intelligent zu gestalten. Unstrittig ist, dass auf dem Weg zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 für den Flug- und Seeverkehr langfristig fortschrittliche Biokraftstoffe, Biomethan sowie strombasierte Kraftstoffe und Wasserstoff bereitstehen müssen. Da die Herstellungs- kosten für strombasierte Kraftstoffe etwa das Fünffache derjenigen fossiler Brennstoffe Jürgen Hasler ausmachen, ist der Markthochlauf dieser teuren Technologie in einem wettbewerbs- Leiter Abteilung Mobilität und Logistik beim Bundesverband der Deutschen intensiven Umfeld wie dem Flug- und Seeverkehr eine enorme Herausforderung. Industrie (BDI) Daher ist der Einsatz alternativer Kraftstoffe für die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs zentral. Er bietet durch hohe Steuern, Abgaben und Regulierungen Spielraum für intelligente Steuerungsinstrumente. Ähnlich wie in Schweden wäre beispielsweise die Energiesteuer auf Kraftstoffe in den europäischen Mindeststeuersatz und einen am CO2-Gehalt des Kraftstoffs ausgerichteten CO2-Preis aufzusplitten. In Summe bliebe die finanzielle Belastung gleich; die in der Herstellung teureren CO2-neutralen Kraftstoffe würden aber steuerlich begünstigt. Das deutsche Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) bietet durch seine Aus‑ richtung auf den CO2-Ausstoß zusätzliches Anreizpotenzial für CO2-arme und CO2-neutrale Kraftstoffe. Sinnvoll wäre es, diese Kraftstoffarten in der nach jetzigem Stand bis zum Jahr 2026 dauernden linearen Anstiegsphase der CO2-Preise des BEHG mehrfach anzurechnen. Das würde auch bei niedrigen CO2-Preisen eine größere Hebelwirkung schaffen, die mittelfristig eine stabile Vermarktung alternativer Kraft‑ stoffe sicherstellt. Die Lenkungswirkung des CO2-Preises würde dadurch nicht geschmälert. Bei weiterer Kostensenkung strombasierter Kraftstoffe und erfolgreichem Markt‑ hochlauf der Elektromobilität könnten diese Kraftstoffe über das Jahr 2030 hinaus als Beimischung dem Flug- und Seeverkehr zugeführt werden. Statt planwirtschaftlicher Zuteilungen kämen alternative Kraftstoffe dort kosteneffizient zum Einsatz, wo sie ihre beste Wirkung zum Klimaschutz entfalten. Foto: Die Hoffotografen GmbH Berlin Ihre Meinung ist uns wichtig: raffiniert@iwo.de raffiniert 1 l 2021 3
I N H A LT NEWS 6 » VERKEHR Die THG-Minderungsquote für Kraftstoffe soll bis zum Jahr 2030 auf 22 Prozent steigen. 10 14 » EEG-NOVELLE » WASSERSTOFF Neue Förderregeln Der Bund fördert Effektiver Klimaschutz MWV und IWO plädieren für Umbau für Ökostromanlagen: diverse große Für Eigenverbraucher Elektrolyseanlagen- entfällt die EEG-Umlage. projekte und Energie- partnerschaften. der Energiesteuer auf Kraftstoffe » Um die Klimaziele im Verkehr und im Wärmemarkt zu erreichen, sind aus Sicht der Mineralölwirtschaft flüssige und speicherbare Energieträger 16 HÖHERES EU-KLIMAZIEL Statt um 40 Prozent sollen die Treibhausgas- unverzichtbar. Diese müssten aber zunehmend klimafreundlich werden. emissionen um 55 Prozent bis 2030 sinken. „Ein wesentliches Instrument ist dabei die Einführung eines substanziellen CO2-Preises auf fossile Kraftstoffe“, sagt Christian Küchen, Hauptgeschäfts- 19 NEUAUSRICHTUNG führer des Mineralölwirtschaftsverbands. Die heutige Energiesteuer Total wird zum Multi-Energie-Konzern. 2050 besteuere klimafreundliche Kraftstoffe genauso wie fossile. Das sei nicht will das Unternehmen klimaneutral sein. mehr zeitgemäß, so Küchen. Die Umwandlung in eine Steuer, die sich an den 22 ISH DIGITAL fossilen CO2-Emissionen orientiert, sei rechtlich möglich. Von dieser Steuer Übersicht Öl-Brennwertgeräte und würden nur die fossilen Kraftstoffe erfasst. Moderne Biokraftstoffe und mit passende Hybridoptionen. Ökostrom hergestellte synthetische Kraftstoffe dagegen würden steuerbe- günstigt oder sogar steuerfrei. Küchen: „Damit wäre ein echter Anreiz gegeben, solche Kraftstoffe herzustellen, zu importieren und anzubieten.“ Die Mehrkosten für die Verbraucher blieben überschaubar, auch wenn die Titel: adempercem/stock.adobe.com; Fotos: vladstar/stock.adobe.com klimafreundlichen Kraftstoffe in der Herstellung dauerhaft teurer seien als IMPRESSUM die im Vergleich günstigen fossilen Kraftstoffe. „Der Einstieg in alternative raffiniert Kraft- und Brennstoffe in großem Maßstab ist klimapolitisch eine „No-Re- IWO-Fachmagazin für Wärme und Mobilität gret-Maßnahme“, betont IWO-Geschäftsführer Adrian Willig. Für den HERAUSGEBER Institut für Wärme und Mobilität e. V. (IWO), Markthochlauf biete sich der Straßenverkehr an, da hier die Zahlungsbereit- Süderstraße 73a, 20097 Hamburg, Tel. 040/23 5113-0, Fax schaft der Verbraucher größer sei als in anderen Sektoren. Zudem sei der 040/23 5113-29, E-Mail: raffiniert@iwo.de VERANTWORTLICH Vorteil der Steuerfreiheit für alternative Kraftstoffe aufgrund der hohen FÜR DEN INHALT Adrian Willig CHEFREDAKTION Alexander Fack REDAKTION Alexander Fack, Christine Engel, Frank Urbansky Energiesteuer besonders hoch. Mittelfristig würden auch andere Anwen- ANZEIGEN Andreas Fallinski LAYOUT Laura Münch VERLAG/DRUCK dungsbereiche profitieren, so Willig. Dass ein solcher Umbau der Energie- Druck- und Verlagshaus FROMM GmbH & Co. KG, 49074 Osnabrück. steuer den Klimaschutz im Straßenverkehr voranbringen würde, belegt eine Der Stückpreis beträgt 4,00 Euro. Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Nachdruck, auch auszugsweise, aktuelle Studie der Forschungsinstitute Frontier Economics und Fifo Köln. nur mit Erlaubnis des Herausgebers und Quellenangabe. Die Ergebnisse sind unter www.zukunftsheizen.de/studien zusammengefasst. 4 raffiniert 1 l 2021
30,9 Klimaschutzgesetz Hamburg Ölheizungsverbot unwirksam » Ab dem 1. Juli 2021 müssen bei Heizungsmodernisierungen in Hamburg 15 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs über erneuerbare MILLIARDEN EURO: Energien gedeckt werden. So legt es das Hamburgische Klimaschutzge- setz fest und nennt als eine Erfüllungsoption den Einbau einer Rekordwert bei Solarthermieanlage. Weitere Optionen definiert eine vom Senat im Ökostromförderung vergangenen Dezember verabschiedete Rechtsverordnung. Nach dieser kann die Vorgabe beispielsweise auch durch einen Anteil von 15 Prozent erneuerbarer Energie im eingesetzten Brennstoff (etwa durch Die Ökostromförderung nach dem Bioheizöl) sowie durch Kombinationen von Maßnahmen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) war erfüllt werden. Damit können die ölbeheizten Haushalte 2020 so teuer wie nie zuvor. 30,9 Milliarden Hamburgs auch künftig bei ihrem Heizsystem bleiben. Euro flossen im vergangenen Jahr an die Genau dies wollte der rot-grüne Betreiber von EEG-geförderten Wind-, Senat der Hansestadt mit einem im Solar- und Biomasseanlagen. Die Mittel Klimaschutzgesetz vom April 2020 dafür kommen aus der EEG-Umlage, die verankerten Modernisierungsverbot nahezu alle Stromkunden zahlen. Sie ist ein (§ 12) ab dem Jahr 2026 ausschlie- Grund dafür, dass Deutschland im ßen. Da allerdings das neue EU-Vergleich den höchsten Strompreis Gebäudeenergiegesetz (GEG) des aufweist. Die EEG-Umlage soll schrittweise Bundes ein solches Verbot nicht sinken und bis 2025 vollständig abgeschafft vorsieht und den Bundesländern werden. Ab 2022 soll zunächst die Förde- keine derartigen Kompetenzen über rung für neue Ökostromanlagen komplett eine Öffnungsklausel einräumt, ist über Steuergelder finanziert werden. die weitgehende Verbotsregelung des Hamburgischen Klimaschutzgeset- zes unwirksam. CO2-Bepreisung Mieter sollen Kosten nicht alleine tragen » Im Jahr 2019 konnten laut Statistischem Bundesamt zwei Millionen Menschen in Deutschland aus finanziellen Gründen ihre bezüglich der zum Jahreswechsel eingeführten CO2-Bepreisung im Wärmemarkt neue Nahrung gegeben. Nach derzeitiger Lage tragen Wohnung nicht angemessen warm halten. Das hat der Diskussion allein die Mieter die Kosten. Wie der Mieterbund sieht auch die um die Kostenverteilung zwischen Mietern und Vermietern Bundestagsfraktion der Linken darin eine ungerechte Lastenvertei- lung und fordert, dass Vermieter für die durch den CO2-Preis bedingten Kosten komplett aufkommen. Über die Frage der Aufteilung der CO2-Abgabe wird in der Regierungskoalition seit Monaten gestritten. Die SPD will die Kosten zur Hälfte auch den Vermietern aufbürden, da nur diese über energetische Sanierungen und die Art der Beheizung entscheiden. Die Union sieht das mit Foto: IWO; PANORAMO/stock.adobe.com Skepsis. Die Wohnungswirtschaft ist dagegen und schlägt vor, die Höhe der umlagefähigen Kosten von der energetischen Qualität des Gebäudes abhängig zu machen. In gut sanierten Häusern müssten dann die Mieter die CO2-Kosten tragen, in schlecht sanierten anteilig die Vermieter. Union und SPD müssen sich bald einigen, wenn die nötige Mietrechtsänderung noch vor Ende der Legislatur- periode in Kraft treten soll. raffiniert 1 l 2021 5
Die Bundesregierung hat beschlossen, die Treibhausgasminderungsquote für Kraftstoffe im Verkehr bis 2030 auf 22 Prozent zu erhöhen. D er Anteil erneuerbarer Energien im Verkehr soll in Deutschland bis 2030 auf 28 Prozent steigen – und damit doppelt so hoch sein wie von der EU vorgegeben. Das sieht eine Gesetzesnovelle zur Weiterent- wicklung der Treibhausgasminderungsquote unter Federführung des Bun- desumweltministeriums (BMU) vor, welche die Bundesregierung nach lang- wierigen Ressortverhandlungen Anfang Februar beschlossen hat. Damit sollen stärkere Anreize gesetzt werden für grünen Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe (E-Fuels), für neue Stromladesäulen sowie für fortschrittliche Bio- kraftstoffe, die aus Reststoffen statt aus Nahrungsmitteln gewonnen werden. Gleichzeitig sieht das Gesetz den schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung von Biokraftstoffen aus Palmöl vor. Verbrauch erneuerbarer Energien im Verkehr 2019* Biodiesel 22,1 Mrd. kWh Bioethanol 61,4 % 8,4 Mrd. kWh 23,3 % 36 Mrd. kWh (entspricht 5,6 % des gesamten Biomethan Energiebedarfs 0,6 Mrd. kWh im Verkehr) 1,6 % * Pflanzenöl wegen zu Erneuerbarer Strom geringer Mengen (0,01 Mrd. 4,9 Mrd. kWh kWh bzw. 0,028 %) nicht dargestellt. 13,6 % Quelle: Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat); Stand: Dez. 2020 Mit der Gesetzesnovelle will der Bund die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (Renewable Energy Directive II, 2018) in nationales Recht umsetzen. Die Frist dafür läuft Ende Juni aus. Die EU-Richtlinie sieht unter anderem vor, dass der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch im Verkehrs- sektor der EU im Jahr 2030 bei mindestens 14 Prozent liegen muss. Die Bun- desregierung will diese Vorgabe deutlich übertreffen und einen doppelt so hohen Erneuerbaren-Anteil von 28 Prozent erreichen. THG-Quote verpflichtet die Mineralölwirtschaft Das Instrument, mit dem Deutschland die EU-Vorgaben erfüllt, ist die Treib- hausgasminderungsquote (kurz: THG-Quote), die im Bundesimmissions- schutzgesetz verankert ist. Mit der THG-Quote werden Mineralölunterneh- men seit dem Jahr 2015 verpflichtet, die Treibhausgasemissionen ihrer in Verkehr gebrachten Kraftstoffe zu senken. Die THG-Quote startete mit einer » raffiniert 1 l 2021 7
KLIMASCHUTZ & VERKEHR Vorgabe von 3,5 Prozent. Bis 2030 soll der Beschlossene Anpassungen CO2-Ausstoß der Kraftstoffe um 22 Prozent im Vergleich zu 2015 sinken. Aktuell liegt die der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) Quote bei 6 Prozent. Sie steigt zunächst mo- derat: auf 6,5 Prozent (2022), auf 7 Prozent (2023) und auf 10 Prozent (2026). Im Jahr 2028 soll die THG-Quote dann bei 14,5 Pro- zent liegen und im Jahr 2030 bei 22 Prozent. Dazu können die Mineralölunternehmen klimafreundliche Produkte wie Biokraftstof- fe, grünen Wasserstoff, strombasierte synthe- tische Kraftstoffe (E-Fuels) einsetzen oder Strom für Elektrofahrzeuge anrechnen lassen. Für die einzelnen Kraft- stoffarten sieht das Gesetz unterschiedliche Quoten vor Biokraftstoffe Innerhalb der THG-Quote wird der Anteil von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Fut- termitteln beim Status quo eingefroren. Die aktuelle Obergrenze von 4,4 Prozent soll nicht mehr überschritten werden. Palmöl darf ab 2026 nicht mehr als Biokraftstoff ver- wendet werden. Für Kraftstoffe auf der Basis Quelle: BMU von Abfällen und Reststoffen wie Altspeise- ölen und tierischen Fetten liegt die energeti- bis 2030 steigen. Dazu zählen Kraftstoffe aus Strombasierte Kraftstoffe sche Obergrenze von 2022 bis 2030 durch- Reststoffen wie Gülle, Klärschlamm, Stroh, Kraftstoffe auf Basis von grünem Wasser- gängig bei 1,9 Prozent. Der energetische Waldrestholz. Mengen von diesen Kraftstof- stoff sollen einen wichtigen Beitrag zu den Mindestanteil von fortschrittlichen Biokraft- fen oberhalb des Mindestanteils sollen mit Klimazielen im Verkehr leisten. Im Flug- stoffen (derzeit: 0 %) soll ab 2022 (0,2 %) in einer doppelten Anrechnung innerhalb der verkehr soll strombasiertes Kerosin einen kleinen Schritten auf mindestens 2,6 Prozent THG-Quote gefördert werden. Anteil von 0,5 Prozent im Jahr 2026 und von 2 Prozent im Jahr 2030 haben. Weil die nötigen Produktionskapazitäten für flüssi- Klimaschutz im Verkehr ge Kraftstoffe aus Ökostrom (Power-to-Li- Die Treibhausgasminderungsquote für Kraftstoffe quid) erst noch geschaffen werden müss- ten, wolle die Bundesregierung grünen Wasserstoff zuerst im Luftverkehr einset- zen, wo es keine klimafreundlichen Alter- nativen zur direkten Stromnutzung gebe, so das Bundesumweltministerium (BMU). Ein Mindestanteil für strombasierte Kraftstoffe im Straßenverkehr sieht die Novelle nicht vor. Ihr Einsatz wird aber doppelt auf die THG-Quote angerechnet und damit stärker gefördert. Das soll auch für grünen Wasserstoff gelten, der in Raffi- nerien verwendet wird. Laut BMU könne grüner Wasserstoff hier dazu dienen, Treibhausgasemissionen in anderen Ver- Quelle: Bundesumweltministerium; Grafik: MWV/IWO kehrssektoren zu reduzieren. 8 raffiniert 1 l 2021
Strom für E-Mobilität Der direkte Einsatz von Strom in Elektroau- tos wird von 2022 an mit einer dreifachen Anrechnung innerhalb der THG-Quote ge- fördert. Für die an Ladesäulen geladenen Strommengen erhalten die Betreiber auf Antrag Emissionsgutschriften, die von den verpflichteten Unternehmen zur Erfüllung der THG-Quote genutzt werden können. Um bis zum Jahr 2030 die Klimaziele im Verkehr zu erreichen, müsse der Bundes- Raffinerien können durch Mitverarbeitung (Co-Processing) von Bio-Rohstoffen zum Klimaschutz beitragen. tag die von der Regierung verabschiedete Gesetzesnovelle nach Ansicht verschiede- ner Branchenverbände nachbessern. Für die Biokraftstoffwirtschaft Damit würde indirekt die Nutzung effizi- enterer Fahrzeuge angereizt und der Wett- steigt die Quote zu langsam bewerb zwischen den Antriebsalternati- MWV: Nutzungsoption für ven gestärkt. Ziel sollte es nicht sein, Dass die THG-Quote in den ersten Jahren biobasierte Rohstoffe fehlt nur wenig ansteigt und erst ab 2028 einen einzelne Technologien querzufinanzieren. deutlichen Sprung machen wird, stößt in Aus Sicht der Mineralölindustrie fehlt in der Gesetzesnovelle die Option, nachhaltig er- der Biokraftstoffwirtschaft sowie bei den Autohersteller vermissen Inverkehrbringern auf Kritik. So haben die Unterquote für E-Fuels zeugte Biomasse sowie recycelte Abfall- und Verbände BDBe (Bioethanolwirtschaft), Reststoffe anstelle von Erdöl mitzuverarbei- UFOP Union zur Förderung von Oel- und Der Verband der Automobilindustrie ten. „Damit würden wir sofort mehr Klima- Proteinpflanzen, Uniti (Mineralölhandel) (VDA) begrüßt grundsätzlich die neue schutz in der Produktion von Kraftstoffen und VDB (Biokraftstoffindustrie) gemein- THG-Quotenregelung. Die Doppelan- ermöglichen“, sagt Christian Küchen, Haupt- sam eine deutlichere und stetigere Steige- rechnung für Wasserstoff und E-Fuels sei geschäftsführer des Mineralölwirtschaftsver- rung der CO2-Minderung bereits in der ein wichtiges Signal. Allerdings bleibe die bands. Das erhöhte Treibhausgasminde- ersten Hälfte der 2020er-Jahre und eine neue THG-Quote von 22 Prozent für rungsziel für 2030 von 22 Prozent im Verkehr jährliche Revision zur Anpassung an die 2030 immer noch hinter den Möglichkei- sei der richtige Weg zu mehr Klimaschutz. Marktentwicklung gefordert. Es dürfe zu- ten zurück. Mit einer ambitionierten Um- Für die Umsetzung dieses Ziels müssten dem nicht dazu kommen, dass die ver- setzung der EU-Richtlinie könne ein aber auch alle Technologieoptionen genutzt schiedenen erneuerbaren Energieträger Drittel der erforderlichen Treibhausgas- werden können. Bislang sei nur die Mitver- sich gegenseitig verdrängen. Die Verbände einsparung bis 2030 im Verkehr erreicht arbeitung (Co-Processing) von Rohstoffen befürchten aufgrund der Dreifachanrech- werden. Dazu sind aus VDA-Sicht eine nicht-biogenen Ursprungs, etwa von grü- nung von Ladestrom eine technologische THG-Quote von 23 Prozent und eine nem Wasserstoff oder synthetischem Rohöl, Vor-Festlegung auf die E-Mobilität, die bei Mindestquote von 5 Prozent für Wasser- in Raffinerien möglich. Küchen: „Das muss der Quotenerfüllung den größten Anteil stoff und E-Fuels bis 2030 nötig. „Fest aber auch für nachhaltig erzeugte biogene stellen würde. Es würden die Biokraftstoffe steht: Wir brauchen E-Mobilität und Komponenten rechtlich ermöglicht wer- aus dem Markt gedrängt und ein Markt- E-Fuels gleichermaßen“, so VDA-Präsi- den.“ Bestehende Anlagen könnten dann hochlauf bei Wasserstoff oder E-Fuels ver- dentin Hildegard Müller. Ohne erneuer- genutzt werden, um diverse erneuerbare hindert. Die Mehrfachanrechnung sollte bare Kraftstoffe blieben die Klimaziele für und recycelte Einsatzstoffe weiterzuverarbei- daher entfallen. den Verkehr außer Reichweite, schon weil ten und zunehmend klimafreundliche Kraft- Foto: naka/stock.adobe.com; poo_worawit/stock.adobe.com auch die Bestandsflotte einen Beitrag leis- stoffe zu produzieren. In vielen EU-Ländern Die Deutsche Energie-Agentur bemängelt, ten müsse. werde das Co-Processing biobasierter Roh- dass der Gesetzentwurf keine Vorgaben stoffe bereits auf die Verpflichtungen der zum Grünstrombezug der E-Mobilität lie- Nach dem Beschluss durch das Bundeska- Kraftstoffanbieter angerechnet. Der Gesetz- fert. Dies sei mit Blick auf den noch hohen binett muss der Gesetzentwurf nun noch geber müsse hier Wettbewerbsgleichheit Kohlestromanteil am deutschen Strommix vom Bundestag beschlossen werden und herstellen. „Denn aus einer an sich guten bedauerlich. Zudem stört sich die dena den Bundesrat passieren. Ob es zu Ände- Treibhausgasminderungs-Verpflichtung an der Mehrfachanrechnung. Ziel der rungen kommt, bleibt abzuwarten. Die darf durch fehlende Optionen kein Stand- THG-Quote müsse es sein, „den realen An- Erfahrung hat gezeigt: Bis auf wenige Aus- ortnachteil für die Raffinerien in Deutsch- teil an erneuerbaren Energieträgern zu er- nahmen hat kein Gesetz den Bundestag so land werden“, so Küchen. höhen“, so dena-Chef Andreas Kuhlmann. verlassen, wie es hineingekommen ist. ■ raffiniert 1 l 2021 9
ENERGIERECHT Erneuerbare Energien EEG-Novelle in Kraft Der Staat setzt neue Rahmenbedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und für den Weiterbetrieb von ausgeförderten Anlagen. Die EEG-Umlage soll schrittweise sinken. D ie 7. Novelle des Erneuerbare-Ener- Novelle setzt neue Rahmenbedingungen lage eines prognostizierten Bruttostromver- gien-Gesetzes (EEG) ist am 1. Ja- für deren Ausbau. Ziel des EEG 2021 ist es, brauchs von 580 Terawattstunden jährliche nuar 2021 in Kraft getreten. Das den Anteil des aus erneuerbaren Energien Ausbauziele für Photovoltaik-, Wind- und EEG bildet seit mehr als 20 Jahren den erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch Biomasseenergieanlagen fest und schafft ei- Rahmen für den Ausbau der erneuerbaren auf 65 Prozent im Jahr 2030 zu steigern nen rechtlichen Rahmen, durch den der Energien im deutschen Stromsektor. Rund und die Stromerzeugung in Deutschland weitere Ausbau der erneuerbaren Energien 45 Prozent beträgt heute der Anteil der Er- noch vor dem Jahr 2050 klimaneutral angereizt werden soll. Wie komplex die Ma- neuerbaren an der Stromerzeugung. Die zu machen. Dazu legt es auf Grund- terie geworden ist, verdeutlichen die insge- 10 raffiniert 1 l 2021
samt 109 Paragrafen des EEG 2021 samt da in der Industrie, im Gebäude- und im EEG-Umlage und folglich der Strompreise. umfänglichem Anhang, während das EEG Verkehrssektor immer mehr strombasierte Das gelte es unbedingt zu verhindern. Wie zum Start vor 20 Jahren mit ein paar weni- Anwendungen zum Einsatz kommen und viel rechnerisch zugebaut werden muss, gen Seiten im Gesetzesblatt auskam. gleichzeitig Kohle- und Atomstromkapazi- hängt wesentlich vom für das Jahr 2030 täten wegfallen. Dieser wachsende Strom- prognostizierten Stromverbrauch ab. Hier- bedarf sei in den Ausbauzielen der über besteht jedoch Uneinigkeit. Das Wirt- Klärung strittiger Punkte EEG-Novelle nicht genügend berücksich- schaftsministerium rechnet mit 580 Tera- steht noch an tigt. Zudem hat die EU die europäischen wattstunden, das entspricht in etwa der Klimaschutzziele für 2030 höher gesetzt derzeitigen Erzeugung. Die Schätzung be- Weil sich die Regierungskoalition bei ver- (siehe Beitrag S. 16 ff.). ruht auf der Annahme, dass der Mehrbe- schiedenen Themen jedoch nicht einigen darf an Elektrizität, der sich durch die zu- konnte, wurden diverse offene Streitpunkte nehmende Elektromobilität, den Betrieb Den richtigen in einer Entschließung zum EEG 2021 ge- von Wärmepumpen und die Wasserstoff- parkt. Darin wird die Bundesregierung Stromverbrauch finden produktion ergibt, durch Effizienzsteige- aufgefordert, ein Konzept zu erarbeiten, rungen kompensiert werden kann. das die schrittweise Absenkung der Bundesumweltministerin Svenja Schulze Das Umweltministerium rechnet mit EEG-Umlage mittels eines haushaltsneut- (SPD) hat gefordert, das Ausbauziel 2030 rund 680 Terawattstunden für 2030. Ver- ralen Finanzierungsmodells gewährleistet. bei Photovoltaik von 100 auf 150 Gigawatt schiedene Branchenverbände und Exper- Noch im ersten Quartal 2021 sollen zudem und bei Windkraft von 71 auf 95 Gigawatt tenkreise gehen ebenfalls von einem deut- weitergehende Ausbauziele bei den erneu- zeitnah zu erhöhen. Bundeswirtschaftsmi- lichen Anstieg des Stromverbrauchs bis erbaren Energien definiert werden. Damit nister Peter Altmaier (CDU) lehnt das in 2030 aus. Wirtschaftsminister Altmaier eng verknüpft ist die Festlegung des zu er- diesem Umfang bislang ab und verweist zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass es wartenden Stromverbrauchs im Jahr 2030, auf den damit verbundenen Anstieg der zu einer Einigung kommt. » raffiniert 1 l 2021 11
ENERGIERECHT Wichtige Regelungen der EEG-Förderung fallen, Regelungen ge- sei der geringe Aufwand bei dieser „Einspei- troffen. Für diese „ausgeförderten Anla- severgütung light“, so Zukunft Altbau. Die EEG-Novelle im Überblick* gen“ gibt es übergangsweise eine neue Alternative dazu sei, den Eigensolarstrom so Einspeisevergütung, die einen wirtschaft- weit wie möglich selbst zu nutzen und den Keine EEG-Umlage für Rest an den Netzbetreiber zu verkaufen. Der lichen Weiterbetrieb ermöglichen und Eigenverbraucher Eigenverbrauch „spart im Vergleich zum den Wegfall von Erzeugungskapazität ver- Für die Eigenversorgung gibt es deutliche meiden soll (§ 23b EEG 2021). Unter- netto 26 Cent teuren Netzstrom durch- Änderungen im EEG 2021. Betreiber von schieden wird dabei zwischen kleineren schnittlich 23 Cent/kWh ein und ist damit Photovoltaik-, Wind- und Biomasseanla- Anlagen (PV, Biomasse, Wasserkraft) von deutlich lukrativer als die Einspeisung“, er- gen mit einer Leistung von bis zu 30 kWp maximal 100 Kilowatt Leistung und läutert Zukunft Altbau. (vorher: bis zu 10 kWp) müssen künftig Windenergieanlagen an Land (ohne Leis- keine EEG-Umlage für den selbst ver- tungsobergrenze). Für Betreiber von ausgeförderten Wind brauchten Strom mehr bezahlen. Werden energieanlagen an Land sieht das EEG 2021 mehr als 30 Megawattstunden selbst ver- So können die Betreiber von PV-Altanlagen die Möglichkeit vor, im Rahmen der über braucht, werden wie bisher 40 Prozent der zunächst bis 2027 vom Netzbetreiber eine Marktprämien geförderten Direktvermark- EEG-Umlage auf den gesamten Eigenver- feste Vergütung in Höhe des Jahresmarkt- tung an Ausschreibungen für eine An- brauch fällig (§ 61b EEG 2021). Die Rege- wertes für den eingespeisten Solarstrom er- schlussförderung teilzunehmen. Das Aus- lung gilt sowohl für Neuanlagen als auch halten. Laut dem Informationsprogramm schreibungsvolumen wurde zunächst auf für Anlagen, die vor dem 1. Januar 2021 in Zukunft Altbau, gefördert durch das Land 1.500 Megawatt für 2021 und auf 1.000 Me- Betrieb genommen worden sind. Somit ist Baden-Württemberg, lag dieser Wert in den gawatt für 2022 festgelegt. Der Gebots- auch der Eigenverbrauch bei ausgeförder- letzten Jahren zwischen drei und vier Cent/ höchstwert muss zwischen 3,0 und 3,8 Cent/ ten Anlagen mit bis zu 30 kWp Leistung kWh. Davon abzuziehen seien Vermark- kWh liegen. Die Bundesnetzagentur soll bis von der EEG-Umlage befreit. tungskosten des Netzbetreibers in Höhe von spätestens 30. Juni 2021 diese Ausschrei- 0,4 Cent/kWh. Je nach Größe der PV-Anla- bungen aufsetzen. Unabhängig von diesen Keine EEG-Umlage für ge und den jährlichen Betriebskosten könne Ausschreibungen gibt es im Jahr 2021 für grünen Wasserstoff dieses Modell kostendeckend sein, viel Ge- Anlagenbetreiber eine gesetzlich festgelegte winn sei jedoch nicht möglich. Vorteilhaft Anschlussvergütung. Unternehmen, die grünen Wasserstoff aus Ökostrom herstellen, können nach § 69b EEG 2021 für den Strom zur Wasserstoff- herstellung vollständig von der EEG-Um- Entwicklung der Zahlungen nach dem EEG lage befreit werden. Die Inanspruchnahme dieser Befreiung gilt branchenunabhängig (in Mrd. Euro) und setzt keine bestimmte Verwendung 30,9 des Wasserstoffs voraus. Was genau aber unter grünem Wasserstoff zu verstehen ist, soll erst im Wege einer Rechtsverordnung Solare Strahlungsenergie 24,2 (nach § 93 EEG 2021) bis Ende Juni 2021 Biomasse* konkretisiert werden. Erst dann ist die Windenergie an Land Umlagebefreiung anwendbar. Im Rahmen Windenergie auf See der Umsetzung der Nationalen Wasser- stoffstrategie gilt die EEG-Umlagebefrei- Wasserkraft ung als wichtige Rahmenbedingung für Deponie-, Klär- & Grubengas 13,2 den Aufbau einer Wasserstoffproduktion, deren Kosten in allererster Linie vom Strompreis abhängen. 5,8 Anschlussregeln für ausgeförderte EE-Anlagen Neben den Regelungen für neue Anlagen zur Ökostromerzeugung hat der Gesetzge- 2006 2010 2015 2020 ber in der EEG-Novelle auch für Bestands- anlagen, die nach 20 Jahren aus der Quelle: Bundesnetzagentur, 2020: Übertragungsnetzbetreiber Amprion, Tennet, 50Hertz und TransnetBW 12 raffiniert 1 l 2021
Regelungen für Bruttostrom- neue PV-Anlagen erzeugung 2020 in Deutschland » Betreiber von neuen PV-Anlagen er- in Terawattstunden halten weiterhin 20 Jahre lang eine gleich hohe Einspeisevergütung für jede eingespeiste Kilowattstunde So- larstrom. Wie hoch die Vergütung aus- 573,6 TWh fällt, hängt davon ab, in welchem Mo- nat die Anlage angemeldet wurde. Die Vergütungssätze sinken monatlich in Abhängigkeit vom PV-Zubau. Sie wer- den von der Bundesnetzagentur regel- mäßig veröffentlicht. 134,5 Windenergie 23,4 % Betreiber von PV-, Wind- und Biomasseanlagen bis zu 30 kWp » PV-Bestandsanlagen mit einer Leistung müssen künftig keine EEG-Umlage für den selbst verbrauchten Strom mehr bezahlen. bis zu 7 Kilowatt müssen keine teuren intelligenten Messsysteme (Smart Me- ter) installieren. Windenergie an Land: » Damit auch Mieter und Wohnungs Kommunen können künftig eigentümer den PV-Strom stärker 91,7 Braunkohle 16,0 % nutzen können, wird der sogenannte finanziell profitieren Mieterstromzuschlag erhöht. » Der Ausbau der Windenergie erfolgt weiterhin über Ausschreibungen der » PV-Anlagen (u.a. auf Dach, an Außen- Bundesnetzagentur. Im Jahr 2021 liegt wand) müssen erst ab einer Leistung von das Ausschreibungsvolumen bei 4.500 750 Kilowatt im Rahmen der Direktver- Megawatt zu installierender Leistung. marktung an Ausschreibungen mit defi- 91,6 Erdgas 16,0 % Bis 2028 sollen die jährlichen Mengen niertem Ausschreibungsvolumen der bis auf 5.800 Megawatt steigen. Bundesnetzagentur teilnehmen. » Betreiber von Windenergieanlagen » Für PV-Dachanlagen von 300 bis sollen die Standortgemeinden an den 750 Kilowatt gibt es künftig die Erträgen aus dem Betrieb beteiligen können (§ 36k EEG 2021). Ein Betrei- 64,3 Kernenergie 11,2 % Option, entweder mit ihrer Erzeu- gungskapazität an einer Ausschrei- ber kann Gemeinden, in denen eine bung teilzunehmen oder eine Festver- Windenergieanlage errichtet wird, auf gütung für 50 Prozent des erzeugten freiwilliger Basis bis zu 0,2 Cent/kWh Stroms in Anspruch zu nehmen. zahlen. Sind mehrere Gemeinden in 51,0 Photovoltaik 8,9 % einem Umkreis von 2,5 Kilometern be- troffen, ist die Zahlung nach Flächen- » Die „Agri-PV“ (eine Doppelnutzung anteilen pro Gemeinde aufzuteilen. Da von Flächen zur Energiegewinnung 44,4 Biomasse 7,7 % Anlagenbetreiber die Zahlungen voll- und landwirtschaftlichen Produktion) ständig durch den Netzbetreiber aus und die „Floating-PV“ (schwimmende der EEG-Umlage erstattet bekommen, Solarkraftwerke auf Binnengewässern) ist davon auszugehen, dass die meisten 42,5 Steinkohle 7,4 % Fotos: Soonthorn/stock.adobe.com; IWO werden in die Innovationsausschrei- Betreiber von der Möglichkeit Ge- bungen aufgenommen. Für den einge- brauch machen werden. speisten Strom gibt es höchstens 34,8 Sonst./Mineralöl 6,0 % 7,5 Cent/kWh aus dem EEG-Topf. * Eine umfassende Übersicht zu den Rege- 18,7 Wasserkraft 3,3 % lungen der EEG-Novelle 2021 findet sich unter: www.energieagentur.nrw ■ Quelle: AG Energiebilanzen raffiniert 1 l 2021 13
WASSERSTOFF Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft nimmt weiter Fahrt auf Die Zahl großer Wasserstoff-Anlagenprojekte wächst und erste Energiepartnerschaften mit dem Ausland werden konkret. Quelle: NOW GmbH 14 raffiniert 1 l 2021
Schlüssel zur Klimaneutralität N eben diversen Forschungspro- Wirtschaft biete grüner Wasserstoff auch die Grüner Wasserstoff gilt als Schlüssel jekten in Deutschland, die sich Möglichkeit, die Bereiche Industrie, Verkehr zur Klimaneutralität. Er wird mittels bereits seit einiger Zeit im La- und Wärmeversorgung klimafreundlich zu Strom aus erneuerbaren Quellen durch bormaßstab und in kleineren Demonstra- gestalten. Über 230 Partner aus Wissenschaft Elektrolyse hergestellt und ist tionsanlagen mit der Wasserstofferzeugung und Wirtschaft aus allen 16 Bundesländern klimaneutral. Der Stahl- und und der Verarbeitung zu Produkten wie beteiligen sich bereits an den Leitprojekten. der Chemieindustrie, aber auch dem synthetischen Energieträgern beschäftigen, Die drei industriegeführten Konsortien wol- Schwerlast- und Flugverkehr sowie gibt es eine Reihe neuer, größerer Anlagen- len Lösungen zu zentralen Herausforderun- dem Straßenverkehr eröffnet grüner projekte, die Unternehmenskonsortien ge- gen der grünen Wasserstoffwirtschaft schaf- Wasserstoff die Möglichkeit, CO2-neut- startet haben oder in naher Zukunft starten fen: Das Projekt H2Giga widmet sich den ral zu werden. In der Nationalen wollen. Dazu zählen Elektrolyseure im Technologien für eine serienmäßige Herstel- Wasserstoffstrategie beziffert die zweistelligen Megawattbereich, Power-to- lung von Wasser-Elektrolyseuren. Das Pro- Bundesregierung unter günstigen X-Anlagen und Wasserstoffnetze. Es kommt jekt H2Mare erforscht Möglichkeiten, Was- Bedingungen für den Markthochlauf für Bewegung in die Weiterentwicklung von serstoff und seine Folgeprodukte direkt auf das Jahr 2030 einen Wasserstoffbedarf Wasserstofftechnologien und den Aufbau See mithilfe von Windrädern zu produzie- von 90 bis 110 TWh (ohne Straßenver- einer grünen Wasserstoffwirtschaft in ren. Das Projekt TransHyDE entwickelt, be- kehr). Aktuell werden in Deutschland Deutschland wie auch andernorts. Neben wertet und demonstriert Technologien zum 55 bis 60 TWh pro Jahr verarbeitet. Der den investitionswilligen Unternehmen, die Wasserstofftransport. Hauptteil ist hierbei „grauer“ Wasser- an diesem Zukunftsmarkt gern partizipie- stoff, der auf Basis von Erdgas via ren wollen, haben auch die nationalen Was- Erste Förderbescheide für Dampfreformation hergestellt wird. serstoffstrategien Deutschlands und weite- rer Länder sowie der Europäischen Union Projekte im Ausland Anteil an dieser Entwicklung. Sie beinhal- ten neben Aufbauzielen für Elektrolyseka- In puncto Erzeugung sieht die Nationale Wasserstoffstrategie inländische Produkti- rad mit 3,4 Megawatt auf bis zu 700 Wind pazitäten und wichtigen regulatorischen räder mit insgesamt 2.500 Megawatt. Der Aspekten meist auch beträchtliche För- onskapazitäten von rund 10.000 Megawatt bis 2040 vor. Weil damit der künftige Be- E-Fuel-Kraftstoff soll per Schiff nach dermittel. Deutschland geliefert werden. „Das Schöne darf nicht gedeckt werden kann, braucht es Die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) Energiepartnerschaften mit Ländern mit an Synfuels ist ja, dass die benötigten Liefer- Deutschlands, verabschiedet im Juni 2020, günstigen Produktionsbedingungen für ketten für Kraftstoffe bereits existieren“, so zielt auf ein umfassendes Wasserstoffsys- Ökostrom. Auch hierfür will die Bundes- Siemens-Energy-Chef Christian Bruch in tem aus Erzeugung, Transport und Spei- regierung Fördergelder in Milliardenhöhe einer Pressekonferenz. Siemens liefert mit cherung. 5 Gigawatt Elektrolyseleistung bereitstellen. Erste Projekte in Chile, Sau- den Windrädern und dem PEM-Elektroly- sollen bis 2030 hierzulande entstehen. di-Arabien und Tunesien haben bereits seur die wesentlichen Komponenten für das Rund 9 Milliarden Euro an Fördergeldern Förderbescheide erhalten. PtX-Projekt. will allein der Bund dafür aufwenden. Da- Der Autohersteller Porsche möchte in der von sind 7 Milliarden für inländische Was- ersten Phase den Kraftstoff für Motorsport Power-to-X-Projekt Haru Oni und Erprobung nutzen. Auch der Mine- serstoffprojekte und 2 Milliarden für Pro- jekte im Ausland vorgesehen. in Chile ralölgroßhändler Mabanaft will mittelfristig größere Mengen der in Chile hergestellten Rund 8 Millionen Euro erhält das Power- E-Fuels abnehmen und in Deutschland ver- Leitprojekte sollen technolo- to-X-Projekt Haru Oni in Chile. An der treiben. Dazu hat das Hamburger Unter- gische Hürden abbauen windreichen Südküste wollen der chileni- nehmen mit der AME-Tochter HIF (Highly sche Energieversorger AME sowie Siemens, Innovative Fuels) in einem Memorandum Insgesamt 700 Millionen Euro stellt das ExxonMobil und weitere Partner aus Wind- of Understanding (MOU) den Kauf und Bundesforschungsministerium (BMBF) strom Wasserstoff gewinnen und diesen zu Verkauf von jährlich bis zu 500 Millionen bis 2025 für die drei Leitprojekte H2Giga, synthetischem Treibstoff weiterverarbeiten. Litern E-Fuels vereinbart. „Mabanaft möch- H2Mare und TransHyDE zur Verfügung. Die Anlage soll ab 2022 zunächst etwa te eines der ersten Unternehmen in Sie sind das Ergebnis des im Juni 2020 ge- 130.000 Liter E-Fuels erzeugen, in zwei Deutschland und Europa sein, das seine starteten Ideenwettbewerbs „Wasserstoff Schritten soll die Kapazität bis 2026 auf Kunden mit CO2-neutralen E-Fuels über republik Deutschland“. Das Ziel: technolo- rund 550 Millionen Liter pro Jahr steigen. sein umfangreiches Netzwerk von Tankstel- gische Hürden zügig abbauen. Neben Parallel soll die installierte Windkraftleis- len und Großhandelsstandorten versorgt“, erheblicher Wertschöpfung für die deutsche tung wachsen – von anfangs einem Wind- so Mabanaft-Chef Jonathan Perkins. ■ raffiniert 1 l 2021 15
KLIMASCHUTZ Der Green Deal für ein klimaneutrales Europa im Jahr 2050 D er Green Deal ist eines der wich- gliedstaaten noch. Ebenso über die Frage, Die Einnahmen sollen in den EU-Haushalt tigsten politischen Vorhaben der ob jedes einzelne Land oder die EU als fließen, um Schulden aus dem Corona- neuen EU-Kommission. Bis zum Ganze bis 2050 klimaneutral sein muss. Konjunkturprogramm abzubauen. Jahr 2050 soll Europa zum ersten klima- Ausgehend vom 55-Prozent-Ziel, will die Die Überarbeitung der Lastenteilungs- neutralen Kontinent werden. Auf Vor- Kommission eine Reihe von Richtlinien verordnung (Effort Sharing Regulation schlag der Kommission haben die EU-Mit- und Verordnungen aus dem Bereich Ener- oder Non-ETS), der zweiten Säule der gliedstaaten Ende letzten Jahres auch ein gie und Klima anpassen beziehungsweise EU-Klimaschutzarchitektur neben dem neues Zwischenziel für das Jahr 2030 be- erlassen. Die Vorhaben sind unter den Titel Emissionshandel, dürfte eine der größten schlossen. Die Treibhausgasemissionen der „Fit für 55“ zusammengefasst und sollen Hürden sein, welche die EU-Kommission EU sollen nun bis 2030 statt um 40 Prozent noch in diesem Jahr bearbeitet werden. zu überwinden hat. In der Verordnung ist um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken. Ob Dazu zählen unter anderem: nach einem Schlüssel, der bislang auf dem es bei minus 55 Prozent bleibt oder ein Die Revision des EU-Emissionshandels Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beruht, für 60-Prozent-Ziel im geplanten EU-Klima (EU ETS) für die Bereiche Energie und In- jedes EU-Mitgliedsland festgelegt, wie viele gesetz festgelegt wird, darüber streitet das dustrie soll künftig auch den CO2-Ausstoß Emissionen in den nicht vom EU-Emissi- EU-Parlament mit Kommission und Mit- von Schiffen und Flugzeugen bepreisen. onshandel abgedeckten Bereichen Verkehr, 16 raffiniert 1 l 2021
55 Prozent weniger Treibhausgase – mit dem neuen Zwischenziel für 2030 hat die EU ein schärferes Klimaziel festgelegt. Um es zu erreichen, müssen diverse Richtlinien und Verordnungen angepasst werden. Gebäude und Landwirtschaft vermieden Neu ist der CO2-Grenzausgleichsmecha- CO2-Grenzwerten von neuen Pkw und klei- werden müssen. Für das Ziel der Klima- nismus (Carbon Border Adjustment Me- nen Transportern. Hier wird die Anerken- neutralität 2050 gilt es, die nationalen Bei- chanism), eine CO2-Grenzsteuer, welche nung und Anrechenbarkeit von alternativen träge neu zu diskutieren und zu entschei- die heimische Industrie vor Wettbewer- erneuerbaren Kraftstoffen wie E-Fuels von den. Laut einem Positionspapier des bern aus Ländern mit geringeren Klima- großer Bedeutung sein. Die derzeitige Flot- Wirtschaftsbeirats Bayern würde das EU- schutzanforderungen schützen soll. tengrenzwertsystematik bezeichnen Kritiker Ziel von minus 55 Prozent nach dem bishe- als verkappte Quote für Elektroautos. rigen Verteilungsschlüssel für Deutschland knapp minus 70 Prozent weniger CO2-Aus- CO2-Flottengrenzwerte und Bei der Überarbeitung der Erneuerba- stoß bedeuten. Das würde die deutsche alternative Kraftstoffe re-Energien-Richtlinie und der Energieef- Volkswirtschaft überfordern. Deshalb fizienzrichtlinie ist der Rahmen bereits ab- müsse bei einer Erhöhung des europäi- Für den Verkehrsbereich stehen auf dem Ar- gesteckt. Der Anteil der Erneuerbaren am schen Minderungsziels der Verteilungs- beitsprogramm: die Revisionen der Richtli- Gesamtenergieverbrauch in der EU soll bis schlüssel zugunsten von Deutschland ver- nie für die Infrastruktur von alternativen zum Jahr 2030 von aktuell 32 Prozent auf ändert werden. Kraftstoffen und der Verordnung zu 38 bis 40 Prozent steigen. Damit sollen » raffiniert 1 l 2021 17
KLIMASCHUTZ auch höhere EE-Anteile in den Sektoren Zähe Verhandlungen sind nationalen Klimaziele überprüfen und er- Gebäude und Verkehr einhergehen. Die höhen. Dabei gilt das aktuelle deutsche Erneuerbare-Energien-Richtlinie will die absehbar Klimaziel bereits als sehr ambitioniert. Die Kommission bis Juni an das neue EU-Kli- Bundesregierung hatte sich schon im nati- Eine Menge Arbeit, die sich die Kommissi- maziel angepasst haben. Der Primärener- onalen Klimaschutzplan von 2016 zum on vorgenommen hat. Zum UN-Klimagip- gieverbrauch soll um 36 bis 39 Prozent sin- Langfristziel einer Klimaneutralität bis fel im November 2021 will die EU nicht nur ken statt nur um 32,5 Prozent. 2050 bekannt und für das Jahr 2030 eine mit ihrem neuen Klimaziel für 2030 auf- Hier muss auch der Gebäudesektor einen Reduktion der Treibhausgasemissionen warten, sondern auch konkrete Maßnah- höheren Beitrag leisten, weshalb die Revi Deutschlands um mindestens 55 Prozent men präsentieren, die zur Zielerreichung sion der Gebäudeeffizienzrichtlinie eben- gegenüber dem Niveau von 1990 als Zwi- führen. Ein anspruchsvolles Unterfangen falls auf dem Programm der Kommission schenziel festgelegt. Bei Zielerreichung angesichts der vielfältigen nationalen In steht. Die Mindestanforderungen an die Ef- würden die Emissionen bis Ende 2030 auf teressenlagen bei den 27 EU-Mitgliedern. fizienz von Gebäuden sollen erhöht werden. 560 Millionen Tonnen CO2-Aquivalente Danach steht dann die Umsetzung der neu- Das seit November 2020 geltende deutsche sinken. Ende 2019 betrugen die Emis en Regelungen in den Mitgliedsländern an. Gebäudeenergiegesetz müsste entsprechend sionen rund 810 Millionen Tonnen Nach einer Analyse des Klimaforschers novelliert werden. CO2-Aquivalente. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Auch die Richtlinie für die Energiebesteu- Die Diskussion darüber, ob und in wel- Klimafolgenforschung (PIK) reicht das erung soll überarbeitet werden. Die Ener- chem Umfang das nationale Klimaziel 55-Prozent-Ziel der EU zwar nicht für giesteuer bei fossilen Energien soll durch strenger werden muss, ist in Deutschland eine Begrenzung der Erderwärmung auf Preissignale größere Wirkung entfalten, um seit Monaten im Gange. Bundeswirt- 1,5 Grad, aber immerhin für eine auf deut- eine effizientere und umweltfreundlichere schaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat lich unter 2 Grad, womit die Mindestvor Energienutzung voranzutreiben. Der Bun- sich zuletzt für eine Anhebung der Reduk- gabe des Pariser Klimaabkommens von desverband der Deutschen Industrie, der tionen auf 60 Prozent bis 2030 ausgespro- 2015 eingehalten würde. Mineralölwirtschaftsverband und weitere chen. Für diese Zielgröße plädiert auch die Verbände sprechen sich für eine Änderung CSU-Landesgruppe. Hingegen wollen der EU-Energiesteuerrichtlinie aus. Grund- Folgen für die nationale Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) lage sollten die von Kraft- und Brennstoffen Klimaschutzpolitik sowie Bündnis 90/Die Grünen eine Ab- verursachten CO2-Emissionen sein. So senkung der Emissionen um mindestens würde der Markthochlauf der erneuerbaren Damit das höhere Treibhausgasminde- 65 Prozent bis 2030. Viele Branchenver- Kraftstoffe unterstützt (siehe MEINUNG rungsziel der EU bis 2030 erreicht werden bände befürchten eine Überforderung der und NEWS in dieser Ausgabe). kann, müssen die EU-Mitgliedstaaten ihre Wirtschaft. ■ UN-Klimaschutzabkommen – viele Staaten müssen noch liefern Foto: rcfotostock/stock.adobe.com; C. Schüßler/stock.adobe.com Der UN-Klimagipfel (kurz: COP 26) soll vom 1. bis 12. für schärfere Klimaziele verstreichen. Im Paris-Proto- November 2021 im schottischen Glasgow stattfinden. koll wurde vereinbart, im Fünf-Jahres-Rhythmus, also Bis dahin sind viele Staaten gefordert, ihr Klima- bis Ende 2020, die nationalen Klimaziele jeweils nach- schutzziel für 2030 zu verschärfen und Maßnahmen- zubessern, um die Erderwärmung auf deutlich unter pläne vorzulegen. Der UN-Klimagipfel wur- 2 Grad zu begrenzen. Die EU hat noch frist- de wegen der Corona-Pandemie um gerecht ein höheres Treibhausgasmin- ein Jahr verschoben. Daraufhin lie- derungsziel für 2030 vereinbart. ßen zahlreiche Vertragsstaaten Zahlreiche Staaten, darunter alle des Pariser Klimaabkommens großen Volkswirtschaften, müs- von 2015 den Abgabetermin sen das noch tun. 18 raffiniert 1 l 2021
BRANCHE IM WANDEL Getting to Net Zero Total will 2050 klimaneutral sein Mineralölkonzerne sind wie andere Wirtschaftszweige gefordert, ihre Produktion und ihre Produkte klimaneutral zu machen. Mit der Reihe „Branche im Wandel“ gibt raffiniert einen Einblick, wie die Unternehmen die nötige Neuausrichtung angehen. E iner der großen Player, die französi- ten erreicht werden. Die durchschnittliche fast 250 Projekte, die darauf abzielen. Für sche Total Gruppe, will ihre Treib- CO2-Bilanz von Energieprodukten von die Verbesserung der Energieeffizienz und hausgasemissionen bis 2050 auf Total soll weltweit bis 2050 um 60 Prozent die Elektrifizierung von Prozessen im Be- netto null absenken. Bei der Neuausrich- sinken, mit Zwischenschritten bis 2030 reich Refining & Chemicals sind bis zum tung setzt die Total Gruppe neben verflüs- (15 %) und 2040 (35 %). In Europa will das Jahr 2025 Investitionen in Höhe von sigtem Erdgas (LNG) vor allem auf erneu- Unternehmen unter Einbeziehung des Ins- 450 Millionen US-Dollar eingeplant. Die- erbare Energien. „Wir wollen weltweit zu truments der CO2-Kompensation bis spä- ser Bereich steht bisher für 66 Prozent des den Top 5 der größten Produzenten von testens 2050 Klimaneutralität erreichen. Energieverbrauchs des Unternehmens. erneuerbaren Energien gehören“, so Total- Alle übrigen und aktuell nicht vermeidba- Vorstandsvorsitzender und CEO Patrick ren Emissionen will Total durch andere Pouyanné. Der Weg zum Ziel „Netto Null“ Produktion soll Maßnahmen kompensieren, etwa durch soll bei Total schrittweise in den Bereichen energieeffizienter werden Investition in die Aufforstung von Wäldern eigene Emissionen, Produkte und Nach und in die Kohlenstoffabscheidung und frage der Kunden erfolgen. Bis 2050 oder Total strebt zunächst Klimaneutralität im -speicherung (CCS). Dazu gehören auch eher sollen null Treibhausgasemissionen eigenen Geschäft und bei den Emissionen Forschung und Entwicklung im Bereich innerhalb der Betriebsabläufe und der ge- in den Produktionsstätten an. Insgesamt der CO2-Abscheidung aus der Luft (Direct samten Produktion und bei allen Produk- gibt es innerhalb der Unternehmensgruppe Air Capture). » raffiniert 1 l 2021 19
BRANCHE IM WANDEL Jan Petersen, Direktor Mobilität & Neue Energien bei Total Deutschland (siehe auch Kurzinterview). Bei der E-Mobilität stellt sich das Unter- nehmen auf ein „enormes Wachstum“ ein. In Deutschland betreibt Total bereits rund 1.400 Ladestationen mit über 2.400 Lade- punkten an B2B-Standorten außerhalb der Tankstellen. Weitere Ladesäulen befänden sich an rund 30 Tankstellen, darunter auch die ersten fünf Stationen mit Schnellla- desäulen (175 kW). Bis Ende 2022 sollen es knapp 100 Standorte mit rund 300 La- depunkten sein – vorrangig entlang von Autobahnen. Und da weiterhin viele Ver- brennerautos genutzt würden, werde Total sein Biokraftstoffangebot bis 2030 aus bauen, so Petersen. Total ist zudem an dem Joint Venture „H2 Mobility Deutschland“ beteiligt, das den Aufbau von Wasserstoff- stationen vorzugsweise in bestehenden Tankstellen zum Ziel hat. Am Raffineriestandort La Mède in Südfrankreich will Total künftig auch grünen Wasserstoff herstellen. Aus Erdölraffinerien werden Biokraftstoffraffinerien Im Bereich Wasserstoff hat Total gemein- sam mit dem ebenfalls französischen Ener- gieversorger Engie ein Projekt zur Herstel- lung von grünem Wasserstoff am Raffineriestandort La Mède in Südfrank- reich gestartet. Dieser wird mittels Elekt- rolyse erzeugt. Der erzeugte Wasserstoff soll zur Produktion von Biotreibstoff verwendet werden. Die ehemalige Erdölraffinerie La Total verfügt aktuell Mède ist zu einer Anlage für „neue Energien“ weltweit über 3 Giga- mit einer Kapazität von 500.000 Tonnen watt Kapazitäten zur Ökostromerzeugung. HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) pro Jahr geworden. Der geplante Elektrolyseur soll mit einer Leistung von 40 Megawatt pro Jahr rund 1.800 Tonnen grünen Wasserstoff tung der LNG-Produktion mit Großpro- produzieren. Nach aktuellem Stand wäre Treibhausgasarme Produkte jekten in Nordwest-Sibirien. Schon 2025 die Anlage die bisher größte ihrer Art in für die Mobilität der Zukunft rechnet Total mit einem eigenen LNG-Ab- Frankreich. Den Strom liefern Solarparks satz von 50 Millionen Tonnen. mit einer Leistung von 100 Megawatt. Die Total strebt eine Diversifizierung des Port- Die zukünftige Mobilität wird aus Sicht Produktion könnte 2024 starten. Auch die folios hin zu weniger CO2-intensiven Al- von Total ein Mix verschiedener Techno- Total-Raffinerie in Grandpuits bei Paris soll ternativen an: Im Jahr 2030 sollen Öl logien sein. „Wir sind bereits seit Jahren im grüner werden. Statt Rohöl sollen hier ab 35 Prozent (2019: 55 %), Erdgas 50 Prozent Aufbau von Ladeinfrastruktur für die 2024 Biokraftstoffe produziert werden. Ent- (2019: 40 %) und Ökostrom 15 Prozent E-Mobilität beziehungsweise Tankinfra- stehen sollen Kapazitäten von 170.000 Ton- (2019: 5 %) ausmachen. Das Unternehmen struktur für alternative Kraftstoffe wie nen pro Jahr. Als Rohstoffe dienen vor plant dafür unter anderem eine Auswei- Wasserstoff, CNG oder LNG aktiv“, sagt allem tierische Fette und Altspeiseöle. 20 raffiniert 1 l 2021
Investments in regenerative lärsten Projekte soll vor Südkorea entste- Stromerzeugung. Bis zum Jahr 2025 soll es hen – und zwar drei insgesamt 2 Gigawatt mehr als das Zehnfache sein, nämlich Energien leistende schwimmende Windparks. Vor 35 Gigawatt. Ein wichtiger Baustein der Transformation der britischen Küste soll ein ähnliches sind Investments in die regenerative Ener- Projekt mit 400 Megawatt entstehen. Da- Von dieser Art der Stromerzeugung sollen gieerzeugung. In den kommenden fünf mit geht Total einen bereits vor gut zehn auch die Investitionen in die Elektromobi- Jahren werden dafür 2,6 Milliarden Euro Jahren eingeschlagenen Weg weiter. Aktu- lität profitieren. Bis 2030 sollen 850 Milli- eingeplant. Ein Schwerpunkt ist dabei die ell verfügt das Unternehmen weltweit onen Euro in die Ladeinfrastruktur ge- Offshore-Windkraft. Eines der spektaku- über 3 Gigawatt Kapazitäten regenerativer steckt werden. ■ Nachgefragt bei Jan Petersen Direktor Mobilität & Neue Energien bei Total Deutschland Welche sind die wesentlichen Eckpunkte struktur für die E-Mobilität beziehungsweise Wird die klassische Total-Tankstelle auch des Konzernumbaus bei der Neuausrich- Tankinfrastruktur für alternative Kraftstoffe wie deswegen überleben? tung hin zu „Netto Null“? Wasserstoff, CNG oder LNG aktiv. Angesichts der hohen Anzahl an Verbrennerfahrzeugen, die wei- Es zeichnet sich ab, dass es zukünftig nicht nur Die Total Gruppe hat sich das Ziel gesetzt, bis terhin auf den Straßen unterwegs sein werden, eine dominierende Antriebs- oder Kraftstoffart spätestens 2050 CO2-Neutralität zu erreichen, baut Total sein Angebot an Biokraftstoffen aus geben wird. Viele unserer Tankstellen sind schon gemeinsam mit der Gesellschaft und für alle und strebt ein Wachstum von mehr als 10 Pro- heute Multi-Energie-Tankstellen, mit verschie- Aktivitäten des Unternehmens – von der Her- zent bis 2030 an. In Südfrankreich betreibt Total denen Kraftstoff- und Betankungsarten. In ei- stellung bis zur Nutzung der verkauften Ener- mit La Mède bereits eine große Bioraffinerie mit nem sich ändernden Markt werden wir das An- gieprodukte durch den Kunden. Hier wird der Biokraftstoffen, die die Nachhaltigkeitskriterien gebot sukzessive anpassen. So werden an einer Ausbau von Wind- und Solarenergie eine immer der Europäischen Union erfüllen. Darüber hinaus Tankstelle, die etwa in der Nähe von Autobahnen wichtigere Rolle einnehmen. Bis zum Jahr wird die Total Gruppe ihre Raffinerie in Grand- liegt, zukünftig neben den klassischen Kraftstof- 2050 wird sich unser Energie-Produktportfolio puits bei Paris in eine erdölfreie Plattform mit fen auch ultraschnelles Laden für Pkw oder LNG stark ändern. Wir werden bis zu 40 Prozent einer Biokraftstoffanlage umwandeln, die 2024 und Wasserstoff für den Schwerlastverkehr an- Strom, vorwiegend erneuerbar, verkaufen so- in Betrieb genommen werden soll. Diese Anlage geboten. Bei Tankstellen im Innenstadtbereich wie 40 Prozent gasförmige Produkte (Erdgas, wird hauptsächlich mit Abfall- und Reststoffen sehen wir den Trend zu „Mobility Hubs“: Unsere „ Biogas und grüner Wasserstoff) und nur noch wie tierischen Fetten europäischen Ursprungs Kunden können Strom laden oder klassische 20 Prozent flüssige Energieträger (mit einem und gebrauchten Speiseölen betrieben. Palmöl Kraftstoffe tanken, Wechselakkus austauschen Biokraftstoffanteil von 25 Prozent). wird nicht und nebenbei ihr Paket an einer Abholstation verarbeitet abholen. Auch in der Zukunft wird es also Tank- Im Jahr 2030 dürften allein in Deutsch- werden. stellen geben, sie werden sich allerdings je nach land noch 30 bis 40 Millionen Verbren- Standort stärker ausdifferenzieren. nerfahrzeuge unterwegs sein. Werden vor diesem Hintergrund auch biogene oder strombasierte Kraftstoffe im Angebot von Total eine Rolle spielen? Dekarbonisierung des Straßenverkehrs gelingt nur mit Erklärtes Ziel von Total ist, die Energie für die Mo- Fotos: Total Group bilität der Zukunft bereitzustellen, welche ein Mix verschiedener Technologien sein wird. Wir sind bereits seit Jahren im Aufbau von Ladeinfra- allen Optionen. raffiniert 1 l 2021 21
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