Rassismus Report 2020 - Ausgabe März 2021
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Ausgabe März 2021 Rassismus Report 2020 Analyse zu rassistischen Übergriffen & Strukturen in Österreich
MITEINANDER SO ” WEIL WIR VIEL MEHR SIND.“ {MITEINANDER} MENSCH SEIN. So sehr wir starke, eigenständige Persönlichkeiten schätzen, so sehr zählt auch der Respekt gegenüber anderen. Im Miteinander liegt das Wesen unseres Menschseins. Deshalb unterstützen wir in unserem 45. Jubiläumsjahr Initiativen, die Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Alt und Jung, Gesunde und Kranke miteinander in Kontakt bringen. Mehr dazu unter dm-miteinander.at dm.at
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T E RS CH R E IB E N ! U N JETedZeTm Gemeinde- bzw. Bezirksamt in j andysignatur d er online per H o www.blackvoices.at @blackvoicesvolksbegehren Black Voices Volksbegehren
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Sensibler Sprachgebrauch: Im vorliegenden Report wird der Begriff sellschaft. Im Sinne des sensiblen Um- Schwarz großgeschrieben und der gangs mit Sprache verwendet ZARA das Begriff weiß kleingeschrieben und kursiv sogenannte Gender-Sternchen (z. B. gesetzt. Diese Vorgehensweise wurde Berater*innen) und die rassistischen gewählt, um aufzuzeigen, dass es sich Wörter N****, Z******* und M*** sowie hier nicht um biologische Einteilungen N-Wort, Z-Wort und M-Wort werden nur oder gar um reelle Hautfarben handelt, angedeutet, um diese bewusst nicht zu sondern um soziale Konstrukte – siehe reproduzieren. Wir wissen, dass in letzter "Wir haben kein Rassismusproblem!" Zeit mehr darüber diskutiert wird, ob der von Dilber Dikme, S. 34. Bei dem Begriff Ersatzbegriff Z******* vermieden werden Schwarz handelt es sich um eine Selbst- sollte, da auch dieser Begriff retraumati- bezeichnung, die sich auf gemeinsame sierend sein kann, bzw. ob er überhaupt Erfahrungen bezieht. Der Begriff weiß vermieden werden kann, da diese Form wird kursiv geschrieben, um bewusst zu von Rassismus weiterhin benannt werden machen, dass er sich auf soziale, wirt- muss. Zu Redaktionsschluss gab es dazu schaftliche sowie politische Privilegien noch keinen Konsens, wir werden diese von Menschen bezieht, ebenso wie auf Diskussion aber weiter mitverfolgen und deren machtvollere Position in der Ge- unseren Sprachgebrauch anpassen. Impressum Medieninhaber und Herausgeber: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung Verein ZARA – Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit der Autor*innen und nicht zwingend die des Medieninha- bers wieder. Chef*innenredaktion: Meike Kolck-Thudt, Philippe Schennach Der Druck des Rassismus Report 2020 wird durch das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Datenanalyse: Karin Bischof, Samuel Hafner, Meike sowie durch den Verkauf von Inseraten finanziert. Kolck-Thudt Mit freundlicher Unterstützung von: Redaktion: Nina Augustin, Karin Bischof, Dilber Dikme, Theresa Exel, Lukas Gottschamel, Samuel Hafner, Sophie Haidinger, Katarina Hollan, Caroline Kerschbaumer, Barbara Liegl, Meysara Majdoub, Bianca Schönberger, Leo Urlesberger Gastbeiträge: Asma Aiad, Efua, Mugtaba Hamoudah, Melanie Kandlbauer, Jenny Simanowitz Lektorat: Natascha Ettenauer, Dieter Schindlauer, Pia Zhang Die ZARA-Beratungsstelle für Betroffene und Zeug*innen von Rassismus sowie der Rassis- Anzeigenverkauf und Medienkooperationen: mus Report 2020 werden gefördert durch: Beata Bartha, Hannah Dobler, Philippe Schennach Illustration und Grafik: Ulrich Frey & Fabian Lang, DERGESTALT, Studio für Mediengestaltung Druck: Gugler GmbH, Melk/Donau Fotos: wenn nicht anders angegeben: Asma Aiad, Johannes Zinner 10
Inhalt 12 Editorial 14 Datenanalyse 2020 16 Schwerpunktthema: Black Lives Matter 16 Jahrzehntelanger Kampf gegen Rassismus – Mugtaba Hamoudah 18 Liken, Teilen, Kommentieren: Soziale Mittel gegen Rassismus – Samuel Hafner 20 Interview: „2020 war das Jahr der unangenehmen Gespräche“ – Noomi Anyanwu, simon INOU, Noreen Mughal 24 Black Voices: Rassismus den Kampf ansagen! – Melanie Kandlbauer, Asma Aiad 26 White Privilege – Bedeutung, Mechanismen und Wege zur Dekonstruktion – Efua 28 Mit Kindern über Rassismus sprechen – Jenny Simanowitz 30 Special: Corona 30 Rassismus und die Corona-Krise – Caroline Kerschbaumer 32 Lebensbereiche 2020 34 „Wir haben kein Rassismusproblem!“ – Dilber Dikme 36 ZARA Berater*innen 2020 38 Rassistische Vorfälle 38 Internet 44 Öffentlicher Raum 49 Beschmierungen 52 Güter & Dienstleistungen 53 Wohnen & Nachbarschaft 56 Handel, Gastronomie & sonstige Dienstleistungen 60 Staatliche Behörden & Institutionen 64 Politik & Medien 68 Polizei 74 Arbeitswelt 78 Reaktionen auf Anti-Rassismus-Arbeit 79 Zivilcourage 80 ZARA Training 80 Verbündete sein ist ein Tunwort – Bianca Schönberger 81 Trainingsmaterial: Bildermemory 85 Glossar 91 Partner*innen 11
Editorial Caroline Liebe Leser*innen, Kerschbaumer, Barbara Liegl & wir freuen uns, Ihnen den 21. Rassismus geführt. Das Format hat sich inzwischen Bianca Schönberger Report für das Jahr 2020 zu präsentieren. zu einem festen Bestandteil unserer Prä- Geschäftsführung 2020 war ein Jahr der Krise, das rassisti- ventionsarbeit etabliert. ZARA & ZARA sche Strukturen noch stärker als sonst Training aufgezeigt hat. Der Schwerpunkt dieses Auch ZARA hat 2020 intensiv nach innen Rassismus Reports liegt daher heuer bei geschaut: einerseits um die Auseinander- Caroline Kersch- Black Lives Matter, denn diese Bewe- setzung mit strukturellem Rassismus baumer ist Juristin, gung ist nicht nur in den USA, sondern und der Rolle weißer Menschen in der Absolventin des Eu- auch in Österreich präsent und wich- Anti-Rassismus-Arbeit zu vertiefen und ropean Master for tig. Bei ZARA hat sich das gesteigerte andererseits, um sich damit zu befassen, Human Rights and Bewusstsein für Rassismus etwa durch wie wir als Organisation bestmöglich Democratisation einen deutlichen Anstieg an Meldungen unsere Expertise und Ressourcen in die und war Mitglied im zu Rassismus im Internet gezeigt. Allei- Black Lives Matter-Bewegung einbrin- Menschenrechts- ne im Juni 2020, dem Monat, in dem die gen können, um gemeinsam wirksam zu beirat. Seit 2009 ist Black Lives Matter-Demonstrationen sein und die rassistischen Strukturen in sie bei ZARA aktiv: in Wien stattgefunden haben, gingen in Österreich zu überwinden. viele Jahre als Trai- der Beratungsstelle über 400 Meldungen nerin, zuletzt leitete von Rassismus ein – so viele wie noch Dass die Black Lives Matter-Bewe- sie die Beratungs- niemals zuvor in über 20 Jahren! Rassis- gung im Frühsommer so große Reso- stellen und seit tische Polizeigewalt kam 2020 als Thema nanz fand, lag zum Teil sicher auch an September 2019 ist endlich auch in den Mainstreammedien der Pandemie. Denn die Coronakrise sie eine der beiden an und Diskussionen zu strukturellem manifestierte schnell strukturelle Dis- Geschäftsführerin- Rassismus, der unsere Gesellschaft prägt, kriminierungen und machte Rassismen nen des Vereins. werden seither nicht mehr ausschließlich sicht- und spürbarer. Nicht nur Anti- von den „üblichen Verdächtigen“ geführt. Schwarzer Rassismus, sondern auch Barbara Liegl ist Po- Es begann in unterschiedlichen gesell- Rassismus gegen als chinesisch gelesene litikwissenschaftle- schaftlichen Bereichen eine verstärkte Menschen, und in weiterer Folge Rassis- rin und Menschen- Auseinandersetzung mit Themen wie mus gegen geflüchtete Menschen, anti- rechtsexpertin. Seit White Supremacy, White Privilege und muslimischer Rassismus, antisemitische November 2006 ist W hite Fragility. bzw. allgemein rassistische Verschwö- sie Mitarbeiterin am rungstheorien sowie Antiziganismus Ludwig Boltzmann Diese Entwicklung schlug sich auch in kamen im Jahr 2020 noch stärker als Institut für Grund- der Präventionsarbeit bei ZARA Trai- sonst zum Vorschein. Das Coronavirus und Menschen- ning nieder. So fragten in den Tagen und wurde von vielen teilweise systematisch rechte, sie leitet Wochen nach der Tötung von George genutzt, um rassistische Vorurteile zu die Programmlinien Floyd zahlreiche Menschen bei ZARA schüren und Ängste zu mobilisieren. (Un)gleichheiten nach einem Workshopformat für „Ver- & Nicht-Diskrimi- bündete“ an, um mehr über strukturellen Der Terroranschlag in Wien am 2. No- nierung und Asyl & Rassismus zu erfahren, sich in die Black vember – ein Angriff auf demokratische Migration. Zudem Lives Matter-Bewegung einzubringen Werte und Solidarität in unserer Gesell- ist sie seit Septem- und die von ihr angestoßenen Themen in schaft – hat ebenso dazu beigetragen, ber 2019 eine der den (Arbeits-)Alltag weiterzutragen. Dar- Vorurteile gegen Muslim*innen, antimus- beiden Geschäfts- aufhin wurde im Juli der erste Workshop limischen Rassismus wie auch Islamfeind- führer*innen „How to be An Ally – Verbündete sein lichkeit zu schüren. Die Politik trägt hier von ZARA. ist ein Tunwort“ entwickelt und durch- große Verantwortung, dass ein solches 12
ttentat nicht zur Bekräftigung von Vor- A etwa eine Ausweitung des Verhetzungs- urteilen und damit zu einer Spaltung un- paragraphen in Gesetze gegossen, was serer Gesellschaft missbraucht wird. deutliche Verbesserungen im Schutz von Betroffenen mit sich bringt. Dazu zählt Das Jahr 2020 hat für ZARA aber auch ei- auch die Möglichkeit für von Hass im nige positive Entwicklungen mit sich ge- Netz Betroffene, Prozessbegleitung in bracht: Die Präsenz des Themas Rassismus Anspruch zu nehmen – eine Leistung hat zu einer erhöhten Spendenbereitschaft die ZARA 2021 in Zusammenarbeit mit für die Arbeit der Beratungsstelle für Be- dem WEISSEN RING anbieten wird. troffene und Zeug*innen von Rassismus Als nächster Schritt müssen diese neuen geführt. Wir möchten uns an dieser Stelle gesetzlichen Möglichkeiten bekannt ge- bei allen Mitgliedern und Spender*innen macht werden und es muss in Prävention herzlich bedanken! Gerade in so heraus- investiert werden, um Hass im Netz ef- fordernden Jahren wie diesem mit einem fektiv zu bekämpfen. deutlich erhöhten Arbeitsaufwand sind Bianca Schönberger wir sehr stark auf Spenden angewiesen, Das Thema struktureller Rassismus wird hat in O xford und um unsere Arbeit in der gewohnten Pro- auch im Jahr 2021 ein zentrales sein. Wir Tübingen Zeit- fessionalität weiterzuführen. brauchen weiterhin viele Mitstreiter*in- geschichte und nen, die sich klar gegen Rassismus und Politikwissenschaf- Ein weiterer Meilenstein für unsere Diskriminierung positionieren und sich ten studiert und Arbeit sind eine Reihe von gesetzlichen in die Anti-Rassismus-Arbeit einbringen. anschließend für Änderungen im Rahmen des Gesetzes- Auch Zivilcourage ist heute wichtiger internationale und pakets gegen „Hass im Netz“, welches am denn je, um die Betroffenen von Vorurtei- entwicklungspoli- 1. Jänner 2021 in Kraft trat. Im Rahmen len und Hetze nicht alleine zu lassen und tische Organisatio- des Gesetzgebungsprozesses konnten ein Zeichen für Menschlichkeit zu setzen. nen gearbeitet. Seit wir unsere Erfahrungen aus der Arbeit Und wir blicken gespannt auf die Regie- Februar 2014 leitet mit Betroffenen von rassistischem Hass rung, von der wir heuer jedenfalls eines sie als Geschäfts- erfolgreich einbringen. Erstmals wurden erwarten: die Umsetzung des Nationalen führerin ZARA zentrale Forderungen von ZARA wie Aktionsplan gegen Rassismus. Training. Was hat ZARA 2020 sonst noch erlebt? Wie viele telefonische Beratungen wurden durchgeführt? Welche Social Media-Beiträge waren am beliebtes- ten? Wie viele Online- Meetings haben wir Jetzt reinschauen und nachlesen: abgehalten? In unserem Jahresbericht finden Sie Jahresbericht 2020 Antworten auf diese und zara.or.at Wissen Jahresberichte viele weitere Fragen. 13
DATENANALYSE 2020 Internet Öffentlicher Raum 303 Güter & 227 Dienstleistungen Staatliche Behörden & 3.039 mal haben 92 Menschen im Jahr Institutionen 2020 Rassismus erlebt, Politik & Medien 85 wahrgenommen und an Polizei 83 ZARA gemeldet. Arbeitswelt 72 Das sind 1.089 Meldun- gen mehr als im Vorjahr. Gegen 29 Anti-Rassismus-Arbeit 0 100 200 300 400 500 24% Meldungen aufgrund Ein Viertel der gesamten Meldungen ist der Hautfarbe Rassismus, der sich explizit aufgrund der Hautfarbe gegen Schwarze Menschen und People of Colour richtet. In der Arbeitswelt und beim Zugang zu Gütern & Dienstleistungen ist es sogar ein Drittel der Meldungen. 76% Meldungen aus anderen Gründen BLM Viele Menschen waren 2020 aufmerksam gegenüber Rassismus und Hass im Netz: 86% der Meldungen von Rassismus stammen von Zeug*innen, 14% 14% 86% wurden von direkt Betroffenen gemeldet. Betroffene Zeug*innen 14
2148 gemeldete Fälle 1.000 1.500 2.000 Die Meldungen von Online-Rassismus haben sich im Vergleich zum Jahr 2019 verdoppelt. Die enorme Zunahme von Meldungen aus dem Internet lässt sich auf folgende Gründe zurückführen: → Starke mediale Präsenz der Phänomene Rassismus und Hass im Netz → Covid-19-bedingte Verlagerung des Lebens in die Online-Welt → Melden von Online-Rassismus ist relativ unkompliziert (Screenshot inklusive Zeitangabe und genaue Quelle/URL sind ausreichend) Institutioneller Rassismus: Verbündete gesucht! „Häufig berichten uns Menschen von unverhohlen ras- sistischen Äußerungen und Abwertung im Kontakt mit staatlichen Behörden und Bildungsinstitutionen. Das persönliche Gespräch mit ZARA-Berater*in- nen schafft Entlastung, vor weiteren Schritten wird aber sehr oft zurückgeschreckt, weil rassistisches Verhalten in Institutionen schwer abzustellen ist. Es ist nicht Aufgabe der Betroffenen, sondern die Verantwortung der Institutionen, ras- sistischem Fehlverhalten und damit Machtmissbrauch vorzubeugen und beides abzustellen.“ Dilber Dikme, Leiterin der ZARA-Beratungsstellen 1.298 rechtliche und nicht- Neben der Beratung und Falldokumentation haben die ZARA-Berater*in- nen 2020 zusätzlich 1.298 rechtliche und nicht-rechtliche Maßnahmen gesetzt, wie zum Beispiel Anzeigen, Beschwerden, Interventionsschreiben rechtliche Maßnahmen und Aufforderungen zur Entfernung rassistischer Inhalte auf Plattformen. 15
Thema Black Lives Matter Jahrzehntelanger Kampf gegen Rassismus Am 4. Juni 2020 gingen in Wien zu klopfen und ohne sich als Polizist*in- 50.000 Menschen auf die Straße, um nen zu erkennen zu geben. Dieser Fall ver- sich mit Schwarzen Menschen weltweit tiefte bestehende Wunden, die auf Grund zu solidarisieren, sich gegen Rassismus der wiederkehrenden Polizeigewalt gegen und White Supremacy (weiße Vorherr- PoC nicht verheilen konnten. Angesichts schaft) einzusetzen und den Tod von vie- dieses Vorfalls fühlte man sich hilflos, vor len Schwarzen Menschen, die unserem allem in Österreich, da man sich weit weg rassistischen System zum Opfer gefallen von den Geschehnissen befand und nicht sind, zu betrauern. Obwohl in Österreich wusste, wie man sich solidarisieren sollte. seit Jahrzehnten antirassistische Arbeit Zudem entstanden neue Wunden, als geleistet wird, handelte es sich um eine Ahmaud Arbery, ein junger Schwarzer der größten Demonstrationen der ver- Mann auf offener Straße von zwei weißen gangenen Jahre. Der Auslöser dafür war Männern erschossen wurde. Es stellte der Mord an George Floyd, der von vier sich die Frage, was er denn getan haben weißen Polizisten solange die Luft ab- könnte, um die Mörder zu solchen Mit- geschnitten bekommen hat, bis er das teln greifen zu lassen. Die Antwort war, Bewusstsein verlor und kurz danach ver- dass Schwarz-Sein anscheinend Grund starb. Dass Schwarze Personen aufgrund genug ist, um Gewalt zu erfahren. Er war rassistischer Polizeigewalt ihr Leben ver- joggen. Am helllichten Tag. lieren, ist nicht nur in den USA eine lei- Nach diesem Mord wurde der Un- der übliche Sache, sondern weltweit eine mut immer größer und das Gefühl der der härtesten Gewaltausprägungen, die Hilflosigkeit, zumindest meinerseits ver- unser rassistisches System ausmacht. schlimmerte sich. Um dem entgegenzu- Mugtaba Die Black Lives Matter-Bewegung be- wirken und um sich zu solidarisieren, Hamoudah ist 20 gann 2013, als es sich drei starke Frauen sind Schwarze Menschen in Wien zu- Jahre alt, Akti- zur Aufgabe machten, gegen strukturelle sammen laufen gegangen. Der Schriftzug vist und studiert Gewalt an Schwarzen Menschen und PoC auf den weißen T-Shirts war zwar sim- Wirtschaft. In (People of Colour) einzustehen. Alicia pel, aber sehr aussagekräftig: „I run with seiner Kolumne Garza, Patrisse Cullors und Opal Tometi Ahmaud Arbery“. Denn Ahmaud lief "Blickwechsel" im protestierten damit gegen den Freispruch nicht allein. Schwarze Menschen werden Magazin Datum - von George Zimmerman, der Trayvon seit jeher benachteiligt, herabgesetzt und Seiten der Zeit teilt Martin ermordete, während dieser am angegriffen. Ein System, das viel zu vie- er Perspektiven, Heimweg mit seiner Freundin telefonier- len Leben ein frühes Ende bereitet hat. die im Diskurs der te. Der Hashtag #BlackLivesMatter war George Floyd war ein Schwarzer Mehrheitsgesell- geboren. Doch vor allem das Jahr 2020 Mann, der in ein Geschäft hineinspazier- schaft keinen Platz war besonders grausam. Es begann mit te – soweit, so unauffällig. Der Kassierer Foto: Minitta Kandlbauer finden. Außerdem Breonna Taylor, die schlafend in ihrem warf ihm vor mit falschen Geldscheinen war er Mitorganisa- Bett, von drei weißen Polizist*innen wäh- bezahlen zu wollen und rief die Polizei. tor einer Black Lives rend einer „Durchsuchung“ erschossen Die vier Polizisten, die ihn daraufhin Matter Demonstra- worden war. Mitten in der Nacht stürm- festnahmen, befestigten ihn gewaltsam tion in Wien. ten die Beamt*innen ihre Wohnung, ohne am Boden. Mehrere Zeug*innen began- 16
nen zu filmen. Ihre Videos zeigen, wie Die Demo in Wien selbst war enorm ein Polizist mit seinem Knie auf Floyds emotional. Auf der Bühne standen Akti- Hals drückte. George Floyd flehte sechs vist*innen, die rund um die Jahrtausend- Minuten lang vergeblich um Hilfe, bevor wende dafür gekämpft hatten, dass das er keine Luft mehr bekam, das Bewusst- Marcus-Omofuma-Denkmal errichtet sein verlor und schlussendlich erstickte: wird. Neben ihnen viele junge Gesich- “Bitte ich kann nicht atmen. Mein Bauch ter, die teilweise zu dieser Zeit noch gar tut weh. Mein Hals tut weh. Alles tut nicht auf der Welt waren. Mit auf der weh. Sie werden mich umbringen.” Ob- Bühne war Mireille Ngosso, von der ich wohl dies kein Einzelfall war, schockier- heute stolz sagen kann, dass sie die erste ten die sich rasch verbreitenden Videos Schwarze Wiener Gemeinderätin ist. Aus besonders viele Menschen. Besonders der Energie dieser Demonstration heraus viele weiße Menschen. Das Video, in dem ist das Black Voices Volksbegehren ent- die Amtshandlung bzw. der Mord zu se- standen. Dieses fordert einen längst über- hen war, wurde überall in den sozialen fälligen Nationalen Aktionsplan gegen Medien geteilt. Es ist enorm problema- Rassismus, um Schwarzen Menschen und tisch, dass es dieses Video überhaupt ge- PoC endlich eine gleichberechtigte Teil- braucht hat, um weiße Menschen auf jene habe an unserer Gesellschaft zu ermög- Erfahrungen aufmerksam zu machen, lichen und alte Strukturen aufzubrechen. von denen Aktivist*innen und Schwar- Obwohl diese Geschichte aus vielen ze Menschen seit jeher sprechen. Dabei Grautönen gemalt ist, ist sie trotzdem eine geht es nicht einmal um Wohnungslosig- hoffnungsvolle, empowernde und aus- keit, Hürden am Arbeitsmarkt oder im sichtsreiche. Als der erste Rassismus Re- Gesundheitswesen, sondern um Mord. port von ZARA veröffentlicht worden ist, Es hat ein Video gebraucht, in dem ein habe ich noch einen Schnuller im Mund Schwarzer Mann am Boden fixiert für gehabt. Anti-Rassismus-Arbeit hat in Ös- sechs Minuten um sein Leben fleht, um terreich Geschichte und hoffentlich tra- Schwarzen Menschen Glauben zu schen- gen wir bald die Früchte aus die- ken. Glauben zu schenken, dass sie die sem langen harten Kampf! Auswirkungen unseres rassistischen Sys- tems täglich zu spüren bekommen. Daraufhin gingen überall erneut Menschen auf die Straße, in den USA aber auch weltweit. So kam es in Wien dazu, dass innerhalb weniger Tage Schwar- ze Aktivist*innen und weiße Verbündete eine Demonstration organisierten, die für maximal 2.000 Menschen geplant war. Wie gesagt, bislang hat sich gewohnter- weise niemand um die Anliegen Schwar- zer Menschen gekümmert. Doch Wien hat an jenem Tag ein unglaublich starkes Zeichen gesetzt. 50.000 Menschen gin- gen auf die Straße, um ihre Wut kund- zutun. In Österreich blieb es aber nicht dabei, weitere Proteste gab es in Graz, Linz und weiteren Städten. Wenn wir alle Demonstrationen zusammenrechnen, kommen wir auf ca. 100.000 Demonst- rant*innen in ganz Österreich. 17
Thema Black Lives Matter Liken, Teilen, Kommentieren: Soziale Mittel gegen Rassismus Soziale Netzwerke haben unsere „Wenn ich nicht gewesen wäre, hätten vier Gesellschaft in den letzten Jahren mas- Polizisten noch immer ihre Jobs und wären siv verändert. In vielen Bereichen leider eine Gefahr für andere. Mein Video ging auch negativ. Hass im Netz, Polarisie- um die Welt, damit alle sehen konnten, was rung, Hetze und Fake News sind hier wirklich passiert ist.“ nur ein paar Stichworte. Auch bei ZARA Darnella Frazier bekommen wir durch die Beratungs- stelle #GegenHassimNetz die Schatten- Genau das ist ein sehr wichtiger seiten von sozialen Medien tagtäglich Punkt, denn nur mit Hilfe sozialer mit. Doch im Jahr 2020 haben sich vor Medien konnte dieser Vorfall so stark allem durch die außerordentliche Dyna- verbreitet werden. Daraus resultierten mik der Black Lives Matter-Bewegung die größten Anti-Rassismus-Proteste seit wieder einige positive Facetten und Ent- langem. Und auch diese setzten auf sozia- wicklungen auf den diversen Online- le Medien und nutzten beispielsweise ge- Plattformen gezeigt. wisse Hashtags, um Polizeigewalt gegen Im vergangenen Jahr stellten sich Schwarze Demonstrant*innen weiter Samuel Hafner viele die Frage, warum gerade die ras- aufzuzeigen und zu dokumentieren. Im engagiert sich beim sistisch motivierte Tötung von George Allgemeinen ermöglichen niederschwel- Black Voices Volks- Floyd durch einen Polizisten so immen- lig zugäng liche Online-Kommunika- begehren und ist se gesellschaftliche Reaktionen hervor- tionskanäle das einfache Organisieren dort hauptverant- gerufen hat, denn leider verlieren Black, a ktiver politischer Beteiligung. Jedoch wortlich für den So- Indigenous und People of Colour (BIPoC) darf hierbei nicht vergessen werden, cial Media-Auftritt. nicht selten aufgrund von Polizeigewalt dass auch rechtsextreme und rassistische Aktuell absolviert ihr Leben. Eine Erklärung dafür ist, dass Gruppierungen diese Möglichkeiten er seinen Zivildienst der Tod von George Floyd mit Hilfe von nutzen. Das Institute for Strategic Dia- bei ZARA. Die aktuellen Dokumentations- und Kom- logue bestätigt in einer Studie zum Bei- Arbeit gegen Diskri- munikationsmöglichkeiten weltweit spiel, dass im deutschsprachigen Raum minierung war ihm sichtbar gemacht wurde, da der gesamte rechtsextreme Gruppierungen im Ver- bereits im Rahmen Vorfall von der damals 17-jährigen Dar- lauf der Corona-Pandemie die meisten seiner Tätigkeit in nella Frazier aufgezeichnet und ungefil- digitalen Follower*innen dazugewon- der Aktion kriti- tert veröffentlicht wurde. nen haben1. scher Schüler*innen Foto: Benno Kossatz sowie in der Wiener 1 Landesschüler*in- Institute for Strategic Dialogue: Crisis and Loss of Control. German-Language Digital Extremism nenvertretung ein in the Context of the COVID-19 Pandemic. https://www.isdglobal.org/wp-content/uploads/2020/12/ zentrales Anliegen. ISD-Mercator-Report-English.pdf (2020) 18
Durch die Entwicklungen der Black Li- Außerdem kann dank sozialen Me- ves Matter-Bewegung im weiteren Verlauf dien heute jede*r Einzelne persönlich des Jahres 2020 wurde auch anti-rassisti- auch online einen Beitrag im Kampf sche Bildungsarbeit immer relevanter. Das gegen Rassismus leisten. Zum Beispiel Thema Rassismus war in den Köpfen vieler lässt sich mit wenigen Klicks in Sekun- nun deutlich präsenter und so stieg auch denschnelle ein Beitrag mit wichtigen die Nachfrage an einfach zugäng lichen Inhalten teilen. Bestenfalls können da- Informationen. Es gab viele Neugründun- mit Personen erreicht werden, die sich gen von Infoseiten und bereits bestehen- zuvor noch wenig mit gewissen The- de bekamen eine größere Reichweite. Als matiken auseinandergesetzt haben oder Beispiele hierfür gelten in Ö sterreich die eine bestimmte Seite zuvor einfach noch Instagram-Seiten @redefineracism von nicht kannten. Und in weiterer Folge Camila Schmid und @zu.oft.gehoert von können diese Personen ihre Reichweite Barbara Abieyuwa Adun. Auf diesen Sei- nutzen, um noch mehr Leute zu errei- ten finden interessierte Leser*innen ein- chen. Denn eines ist klar: Bildung und fache Begriffserklärungen, historische Sensibilisierung sind zwei essenzielle Informationen, Handlungstipps ebenso Schlüssel, um eine rassismuskritische wie Geschichten von Betroffenen. Be- und bestenfalls rassismusfreie Gesell- sonders wichtig ist auch, dass diese Seiten schaft zu erreichen. von Betroffenen von Rassismus betrieben Abschließend dürfen wir aber nicht werden. So bekommen BIPoC den Raum vergessen, dass trotz der vielen positi- in der Öffentlichkeit, der ihnen in klassi- ven und einfach zugänglichen Möglich- schen Medien leider viel zu oft verwehrt keiten in sozialen Netzwerken nie die bleibt. Zusätzlich ist durch den gestiege- Gefahren und negativen Aspekte verges- nen Einflussbereich von digitaler Anti- sen werden dürfen. Bei den Plattformen Rassismus-Arbeit durch Betroffene auch handelt es sich schließlich immer noch ein Trend in Richtung bewussterem und um riesige profitorientierte Konzerne, aktiverem Zuhören seitens nicht Betroffe- die ihre eigenen Regeln machen und oft ner bemerkbar. Denn viel zu oft wird beim die Durchsetzbarkeit gesetzlicher Rege- Thema Rassismus in der Gesellschaft über lungen zum Schutz der User *innen er- Betroffene und nicht mit ihnen geredet. schweren. Soziale Medien sind ein Ort, Diese Veränderung ist zum Teil dem nie- an dem Hass, Rassismus und Hetze stark derschwelligen Zugang zu sozialen Me- präsent sind – viele Betroffene bekom- dien zu verdanken. men das täglich zu spüren. So wie bei vielen großen technischen Errungen- „Ich bekomme sehr viel Zuspruch und Unter- schaften kommt es auch bei dieser da- stützung. Viele sagen, dass sie erst durch meine rauf an, wie sie von uns genutzt wird. Seite die Augen geöffnet bekommen haben. Ich Daher muss ein Bewusstsein dafür ge- bin dankbar für die mittlerweile sehr große schaffen werden, dass der Kampf gegen Community, die ich mir aufbauen konnte, Rassismus online ebenfalls aktiv und Werde aktiv gegen und freue mich, wenn diese auch noch weiter konsequent geführt werden muss. Hass Hass im Netz – mit wächst und die Message so auch mehr Men- und Rassismus müssen auch online Kon- unserem neuen schen erreicht. Jedoch würde ich mir wün- sequenzen haben. Und: Wir alle sind ge- Gegenrede-Tool schen, dass Menschen auch realisieren, wie fragt, auch im Internet Zivilcourage zu Schneller Konter. viel Arbeit - und zwar unbezahlte und emo- zeigen. Aber wenn uns das Internet in tional zerstörerische Arbeit - dahintersteckt.“ den letzten Jahren eines gelehrt hat, ist Schneller Konter Camila Schmid es das: Wir alle können etwas tun! 19
Thema Black Lives Matter „2020 war das Jahr der unangenehmen Gespräche“ Schon seit langem wird in Österreich für die Änderung rassistischer Markennamen, Lo- gos, Straßennamen – kurz rassistischer Benennungen im öffentlichen Raum – gekämpft. Denn die Reproduktion rassistischer Stereotype in Form von Filmen, Werbungen, Mar- kennamen, Getränke- und Speisenamen trägt zur weiteren Verfestigung von Rassismus bei. 2020 kam endlich etwas Bewegung in die Sache, aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns. Samuel Hafner und Katarina Hollan (ZARA) sprechen mit Noreen Mughal (Akti- vistin), Noomi Anyanwu (Black Voices Volksbegehren) und simon INOU (Herausgeber von fresh Magazin) über die langsam mahlenden Mühlen der Veränderung und Teilerfolge bei der Umgestaltung bzw. Umbenennung von rassistischen Markenlogos und -namen. Rassistische Markennamen und Logos für positionieren und nichts dagegen tun, spiegeln eine gesellschaftliche Toleranz dann ist das eine Bestärkung für einige gegenüber Rassismus wider. Sie sind Menschen, diese Bezeichnungen zu ver- Träger von Werthaltungen. Welche Aus- wenden. Es gibt seit Jahrzehnten Initiati- wirkungen haben eurer Meinung nach ven, die sich dafür einsetzen, rassistische rassistische Markennamen und Logos? Straßennamen, Unternehmensnamen etc. umzubenennen, aber verschiedene Ent- Noomi Anyanwu Noreen Mughal: Gerade in Vorarlberg ist scheidungs- oder Handlungsträger*innen ist Sprecherin und Rassismus generell ein großes Problem. stellen sich teilweise dagegen. In der Be- Initiatorin des Es wird einfach nicht thematisiert, da es völkerung denken sich viele dann, dass ersten anti-rassisti- nicht als Problem angesehen wird. Spe- das ja nicht rassistisch ist, und meinen: schen Volksbegeh- ziell sieht man das bei der M*Bräu-Debat- „Ok, aber diese Person in der Politik ist ja rens in Österreich, te: Der Name und auch das Logo werden auch dafür. Es heißt ja auch immer noch des Black Voices dadurch gerechtfertigt, dass der Besitzer M*Bräu oder M*Apotheke. Dann ist es ja Volksbegehrens, und Gründer der Firma das M*Wort als nicht so schlimm. Das gehört zu unserer das einen natio- Nachname trägt. Durch diese Argumen- Tradition.“ Das ist sehr gefährlich, denn nalen Aktionsplan tation wird in der Vorarlberger Gesell- es normalisiert diese rassistische Sprache. gegen Rassismus als schaft dieses Wort, die Verwendung einer Vision hat. Die Stu- karikierten Darstellung einer ganzen Be- simon INOU: „Tradition ist die Bewah- dentin ist seit ihrem völkerungsgruppe und diese Beleidigung rung des Feuers, nicht die Anbetung 15. Lebensjahr poli- relativiert. Daher werden Name und der Asche“ – das ist ein Lieblingsspruch tisch aktiv, dabei Logo auch nicht als Problem angesehen. von Gustav Mahler. Er reflektiert, was Foto: Minitta Kandlbauer waren die Themen die Zivilgesellschaft unter „Tradition“ Anti-Rassismus Noomi Anyanwu: Wenn man bestimmte versteht und was die konservative Ge- und Feminis- Strukturen, Namen oder Bezeichnungen sellschaft unter „Tradition“ versteht. Es mus immer schon im öffentlichen Raum sieht, sich Men- geht hier um eine Vernachlässigung der eine Motivation. schen auf politischer Ebene ganz klar da- Traditionen von nicht-weißen Menschen. 20
Wenn wir nicht aufzeigen, dass Öster- tegration gesprochen, aber nie von Inklu- reich kein weißes Land mehr ist, geht die sion. Es wird komplett übersehen, dass Politik weiterhin davon aus. Wir wissen schon 300 Jahre lang Schwarze Men- schon seit mindestens 300 Jahren, dass schen genauso in Österreich leben und es nicht mehr so ist, aber in den Schul- dass das auch unsere Tradition ist. büchern wird dieses Wissen nicht ver- mittelt. Wenn wir als Zivilgesellschaft INOU: Im Ausland werde ich aber als Ös- aufzeigen, dass diese Sichtweise falsch terreicher wahrgenommen, als ich z.B. ist, und dagegen ankämpfen, sollten die eine Auszeichnung im Namen Öster- Mehrheit der Gesellschaft und die Ent- reichs bekam. Der Nationalsozialismus scheidungsträger*innen verstehen, dass und Hitler gehören auch zur Geschich- es hier Herausforderungen gibt, die wir te Österreichs und sind somit auch Teil nur gemeinsam lösen können. dieses „als Österreicher wahrgenommen“ Werdens. Ob wir wollen oder nicht, als Wie viel ist Tradition wert, wenn sich an- Österreicher*innen teilen wir alle diese dere dadurch beleidigt fühlen? Warum Geschichte. Wir müssen in der Lage sein, werden Verletzungen und Herabwürdi- zu sagen: „Liebe Leute, dieses Land ist ras- gungen von Menschen in Kauf genom- sistisch und wir müssen gemeinsam etwas men, um vermeintliche Traditionen auf- dagegen tun.“ Black Voices thematisiert rechtzuerhalten? das gut: Es geht nicht darum, dass nur Schwarze gegen Rassismus kämpfen, son- Noreen: Manche Menschen fühlen sich dern dass „wir alle gemeinsam“ das tun. schon verletzt, wenn man ihre Tradition nur irgendwie anzweifelt, weil sie sich Wie ist die Situation in Vorarlberg? War- in ihrer Identität angegriffen fühlen. Für um polarisiert das Thema so stark? mich gibt es da keine schlüssige Erklärung, warum manche darauf beharren, dass die- Noreen: Das liegt meiner Meinung nach se Traditionen, auch wenn sie Menschen an dem seit Jahrhunderten stark verfes- verletzen, beibehalten werden müssen. Ich tigten konservativen Gedankengut, das glaube, es liegt sehr viel an Unsicherheit, schwer aufzubrechen ist. Viele Menschen simon INOU ist dass man sich durch solche Traditionen in Vorarlberg wollen nicht neu, weltoffen Journalist, Me- definiert. Der Schmerz anderer Menschen denken und halten an ihren alten Tradi- dienkritiker und wird da komplett außen vor gelassen. tionen und Sitten fest. Ausbildungsleiter von Radio ORANGE Noomi: Es geht um die grundsätzliche INOU: Sie wollen nicht neu denken, wenn 94.0. Er ist auch He- Angst der Menschen vor Veränderung, es um Rassismus geht. Wenn wir auf die rausgeber von fresh davor, die Lebens- oder Denkweise zu Technologieebene gehen, dann denken Magazine, dem ers- verändern. Gleichzeitig beruht das Fest- in Vorarlberg sehr viele Menschen und ten Black Austrian halten an Traditionen auch stark auf dem Firmen neu, aber nicht im Kampf gegen Lifestyle Magazine. generellen rassistischen System und da- Rassismus. Als ich 2009 diese Diskussion INOU thematisiert mit zusammenhängend auf der Angst begonnen habe, 2012 dann den No Mohr- seit langem Rassis- vor Machtverlust oder -verschiebung. Logo Vorschlag gemacht habe, wurde ich mus im öffentlichen Fangen Menschen an, Zweifel an die- medial fertig gemacht. Dabei wollte ich Raum, initiierte z.B. sem System zu äußern, fühlen sich jene nur darauf aufmerksam machen, dass die Kampagnen zur angegriffen, die in einer machtvolleren M*Brauerei eine einmalige Chance hat, Änderung des Logos Position sind. Zusätzlich besteht die Er- in ganz Vorarlberg antirassistische Pro- von Meinl und des Foto: Luciana Siegenthaler wartung, dass sich Menschen anpassen, gramme zu entwickeln. In den USA wäre M*Bräus und bekam statt voneinander zu lernen. Es ist für die das ganz anders. Dort würden sie die Kri- für seine Arbeit weiße Mehrheitsgesellschaft schwierig, tik respektieren, ein Komitee gründen, im nationale wie inter- von Menschen zu lernen, die man nicht ganzen Land aktiv gegen Rassismus in Be- nationale Auszeich- als gleichwertig ansieht. Oft wird von In- zug auf das Logo vorgehen und eine Dis- nungen. 21
kussion initiieren. Das hätte ich mir er- mein über Rassismus in Österreich. Am wartet. Ich freue mich, dass im Jahre 2020 Verlauf des Gespräches erkennt man gut, die Diskussion von innen kommt, von wie Nicht-Betroffene über Rassismus innerhalb Österreichs, nicht von mir, der diskutieren. Sie war zu Beginn sehr skep- ich “aus Afrika” stamme, wie ich immer tisch, wollte den Namen auf keinen Fall gehört habe. Junge Österreicher*innen ändern und hat sich gewundert, warum müssen diese Fragen, diese Diskriminie- gerade sie direkt kritisiert wird, da sie ge- rungen, thematisieren und kritisieren, sprächsbereit ist. Sie dachte zunächst, der und gleichzeitig sagen: „Wir wollen in Name sei eine Wertschätzung, kein dis- einer Gesellschaft leben, in der wir nicht kriminierender Kolonialbegriff. Da sie mehr tagtäglich diskriminiert werden.“ aber gemerkt hat, dass sie nur von rechts- konservativen Personen Rückhalt be- Noreen: Das stimmt! Es ist das erste Mal, kommt, war sie offen, ihre Einstellung zu dass diese Diskussion tatsächlich inner- überdenken. Thema waren aber auch die halb von Vorarlberg entstanden ist. Ich Angst vor Profitverlust und die Kosten, würde mich gerne dazuzählen zu dem die mit der Namensänderung einherge- Inneren von Vorarlberg, aber gerade hen. Es war einerseits ein langer Prozess, durch diese Diskussion wurde uns erneut aber dann eigentlich doch relativ kurz: bewusst, dass nicht nur ich, mit meinem in vier Stunden hat sich die Meinung der offensichtlich nicht-weißen Aussehen, Besitzerin gewandelt und jetzt wird sie sondern auch andere Menschen, die die ihre Apotheke umbenennen. Ein erfolg- Brauerei offen kritisieren, explizit aus reiches Gespräch. dem Inneren von Vorarlberg herausge- nommen werden. Wir werden als etwas INOU, du hast so lange für die Verände- Fremdes angesehen. Die Innovationen rung von Logos und Markennamen ge- Vorarlbergs sollen nur der Mehrheits- kämpft. Wie siehst du die Entwicklungen gesellschaft zugutekommen, nicht den im Jahr 2020? Minoritäten. Denn viele denken: Warum sollte man den Minoritäten überhaupt INOU: Ich bin sehr glücklich, weil ich den Raum geben? Sie bringen ja – blöd nicht mehr allein bin. Es kam Bewegung gesagt – der Wirtschaft nix. ins Spiel. Es ist ermutigend, wenn wir solche Beispiele wie z. B. die M*Apotheke Noomi: Besonders sollte man sich an- in Wien sehen. Frau Marosi ist wirklich Noreen Mughal ist schauen, dass sich auch vorarlbergische eine sehr mutige Person. In der gleichen Schülerin und gera- Akteur*innen stark am transatlantischen Woche hat in Graz der Besitzer einer de im Maturajahr. Sklav*innenhandel beteiligt haben und M*Apotheke die Änderung abgelehnt. Er Sie wurde in Vorarl- davon profitiert haben. Das ist eine Dis- meint, allein das Logo zu ändern, würde berg geboren und kussion, für die einige Leute noch nicht ihn zu viel Geld für CI (Corporate Iden- lebt aktuell noch bereit sind, v. a. solche Unternehmen wie tity) kosten. Frau Marosis Schritt ist ein dort. Noreen leistet die M*Brauerei. Sie sind nicht bereit, sich wichtiger, der vielleicht der Mehrheits- Aufklärungsarbeit mit der Geschichte Vorarlbergs und ihrer gesellschaft hilft, die Strukturen besser über Rassismus und eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. zu verstehen. leitet zahlreiche Anti-Rassismus- Noomi, kannst du uns die Gespräche rund Warum ist es so schwer, sich mit der Ver- Workshops. Im Juni um die Änderung des Logos und des Na- gangenheit auseinanderzusetzen und Feh- 2020 war sie die mens der M*Apotheke schildern? ler einzugestehen? Hauptorganisatorin Foto: Gerold Wehinger der Black Lives Noomi: Mireille Ngosso und ich wurden Noomi: Niemand will unangenehme Ge- Matter-Solidari- von der Besitzerin, Frau Marosi, zum spräche führen, aber sie sind notwendig, tätskundgebung in Gespräch eingeladen. Dabei ging es um um diese Strukturen aufzubrechen. Man Vorarlberg. die Geschichte der Apotheke und allge- muss sich hinsetzen und sich selbst re- 22
flektieren. Viele wollen sich dem nicht würde sagen, dass Schmerz, Macht und öffnen, sich nicht so verletzlich zeigen. fehlendes Bewusstsein für die Proble- Es ist auch schmerzhaft, wenn du dir dei- matik die primären Punkte sind, warum ne Privilegien eingestehst und vielleicht das so schwierig ist. Raum für andere Leute machst. 2020 ist das Jahr der unangenehmen Gespräche, INOU: Die Black Lives Matter-Bewegung eben durch Black Lives Matter. Das habe in Österreich hat sehr viel bewegt. 1999 ich auch bei der Diskussion im Zuge der gab es in Wien die erste Demonstration M*Apotheke gesehen. Am Ende aber, und der Black Communities im Zuge des To- das ist das Wichtige, war bei uns das Ge- des von Marcus Omofuma. Teilgenom- fühl da, dass das jetzt wirklich ein Zu- men haben eher Schwarze und Leute aus sammenhalt ist. Und es war schön zu NGOs. Zwei Wochen nach dieser Demo sehen, dass wir drei aus verschiedenen gab es die Operation Spring, die größte Altersgruppen und eben eine weiße Per- polizeiliche Razzia der 2. Republik gegen son mit zwei Schwarzen Frauen daste- Menschen afrikanischer Herkunft, die hen und diesen neuen Schritt gemein- durch die Medien als Drogendealer vor- sam gehen. verurteilt wurden. Wenn ich die Situa- tion heute betrachte und sehe, dass im Das Interview Noreen: Es ist extrem viel Mut gefragt. ganzen Land 100.000 Menschen auf die ist hier in einer Es ist schmerzhaft und unangenehm, Straße gehen, um für Black Lives Matter gekürzten, verdich- sich das erste Mal mit der eigenen Ge- zu protestieren, dann hat sich viel verän- teten Form abge- schichte zu beschäftigen und sich selber dert. Vor 20 Jahren war das unmöglich. druckt - Sie können einzugestehen, dass sie Teil eines struk- Wir können nicht mehr leugnen, dass das ganze Interview turellen, rassistischen Konstrukts ist es eine junge Generation gibt, die sagt: auch als Podcast und wir in so einer Gesellschaft sozia- „Nein, nicht mehr mit uns. Wir wollen nachhören. lisiert wurden. Ich bezweifle, dass dann ein anderes Österreich.“ Und das ist das auch der Mut da ist, um die entsprechen- Entscheidende, was mich zum Weiter Interview nachhören den Veränderungen voranzutreiben. Ich machen motiviert. i Maßnahmen von ZARA gegen rassistische Markennamen und -logos Im Jahr 2020 gingen rund 30 Meldungen zu rassistischen Logos, Marken-, Firmen-, Straßen- oder Produktnamen bei ZARA ein. In vielen Fällen wurde gemeinsam mit dem*der Melder*in beschlossen, ein Interventionsschreiben (→ Glos- sar, S. 85) an die zuständige Stelle zu richten. Rassistische Firmen-, Restaurant- oder Hotelnamen zeigte ZARA nach dem EGVG (Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen → Glossar, S. 85) an. Dieses Gesetz verbietet es, Personen aufgrund der Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Zugehörigkeit und anderer geschützter Merkmale daran zu hindern, Orte zu betreten oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. ZARA ist der Ansicht, dass Black, Indigenous and People of Colour in Lokalitäten, die etwa ein rassistisches Logo führen, mit einer schlechteren Behandlung rechnen müssen und dadurch daran gehindert werden, diese zu betreten oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Bei rassistischen Logos in Werbungen wurden Beschwerden beim Werberat eingereicht. Der Werberat kann Sensibilisie- rungsarbeit leisten und das Unternehmen auffordern, eine Werbekampagne zu stoppen. Im Zuge der Black Lives Matter-Bewegung haben auch internationale Unternehmen angekündigt, ihre Logos sowie Marken- und Produktnamen zu ändern, weil sie an die Geschichte von jahrhundertelanger Unterdrückung und Abwertung erinnern. Auch in Österreich wurden von Lebensmittelhersteller*innen bereits ein Schokoladenkuchen und Chips umbenannt. 23
Thema Black Lives Matter Rassismus den Kampf ansagen! “Wie viele Fälle muss eine Initiative wie Zugleich werden die Stimmen in der ZARA Jahr für Jahr verzeichnen, damit Zivilgesellschaft lauter, die Rassismus Rassismus endlich von diesem Land ernst nicht mehr tolerieren möchten. So ver- genommen wird? Wie lange müssen Peop- sammelten sich im Zuge der Black Lives le of Colour den rassistischen Populismus Matter-Demos und Solidaritätsbekun- von Politiker*innen, die unsere Gesellschaft dungen schätzungsweise 100.000 Men- spalten, noch aushalten?” schen, um gegen Polizeigewalt und Ras- sismus zu protestieren. Emmeraude Banda, Sprecher des Black Voices Aus diesem Momentum heraus ent- Volksbegehrens stand die Idee und Vision des Black Voi- ces Volksbegehrens, um den Diskurs Die Ermordung des Afroamerikaners über dieses Thema in Österreich weiter- George Floyd am 25. Mai löste weltweit hin am Laufen zu halten. Aber auch, um Erschütterung und eine Welle von Protes- konkrete Maßnahmen zu entwickeln, ten und Debatten aus, die in Erinnerung wie wir als Gesellschaft diesen struk- rufen, wie tief rassistische Strukturen und turellen Ungerechtigkeiten entgegen- Denkmuster gegenwärtig in unserer Ge- treten können. sellschaft verankert sind. Nicht nur in den Melanie Kandl USA, sondern auch in Österreich sind vie- “Das Black Voices Volksbegehren ist der bauer ist zuständig le Menschen in verschiedensten Bereichen Ort für alle Menschen, denen immer gesagt für die inhaltliche ihres Lebens täglich Rassismus ausgesetzt. wurde, sie gehören hier nicht her, und alle Leitung des Black Es sind nicht nur Alltagsrassismen anderen, die gegen diese Ungerechtigkeiten Voices Volksbegeh wie rassistische Beschimpfungen, Wand- ankämpfen wollen.“ rens und engagiert beschmierungen oder physische Angrif- sich für die BAYO- fe, unter denen Betroffene leiden. Viel- Noomi Anyanwu, Sprecherin des Black Voices Empowerment mehr ist Rassismus auch strukturell und Volksbegehrens Schule für Schwar- institutionell in Österreich verankert ze Kinder. Sie und drückt sich etwa in Racial Profiling, Bei Black Voices handelt es sich um studierte Bildungs- ungleichen Bildungschancen oder ras- eine überparteiliche Initiative, die ur- wissenschaft und sistischen Gesetzen, wie dem vom Ver- sprünglich aus der Schwarzen Bewegung Philosophie und fassungsgerichtshof gekippten Kopftuch- Österreichs hervorgegangen ist. Doch absolviert aktuell verbot, aus. Rassistische Denkmuster und nicht nur Schwarze Menschen leiden in Foto: Minitta Kandlbauer ihren Master in Haltungen werden in Österreich aktuell Österreich unter Rassismus. Rassismus Ethik mit Schwer- selbst in der Politik offen ausgelebt und zeigt sich in vielen Formen, etwa als An- punkt auf Anti-Ras- damit von jenen Menschen und Institutio- tisemitismus, antimuslimischer Rassis- sismus und Anti- nen, die eigentlich die Aufgabe haben sich mus, Antiziganismus oder antiasiatischer Diskriminierung. gegen Rassismus einzusetzen. Rassismus. Deshalb ist das Volksbegeh- 24
ren von und für alle, die von Rassismus Unsere zentralen Anliegen lauten: betroffen sind und Rassismus in unserer Gesellschaft beenden wollen. Bildung Lehrkräfte und Schüler*innen müssen “Bei der BLM Demo waren österreichweit Rassismus verlernen und Anti-Rassismus Asma Aiad ist schätzungsweise 100.000 Menschen dabei. erlernen. Sprecherin des Menschen, die selber Rassismus erleben, Black Voices aber auch viele, die ihre Solidarität zeigen Repräsentation und Öffentlichkeit Volksbegehrens. wollten. Es ist Zeit, diese Solidarität in Ta- Schwarze Menschen und PoC sind ge- Ihren Bachelor ten umzusetzen und sie zum Gesetzgeber zu nauso Teil der Gesellschaft wie alle an- absolvierte sie in tragen. Es ist Zeit dranzubleiben und Ver- deren in Österreich lebenden Menschen. Politikwissenschaft. änderung und Gleichheit einzufordern!“ Dazu müssen wir uns bekennen! Sei es in Zurzeit studiert sie den Medien, der Politik oder im Stadt- an der Akademie Asma Aiad, Sprecherin des Black Voices und Ortsbild. für bildende Künste Volksbegehrens und schließt ihren Gesundheit Master in Gender Um ein diskriminierungsfreies Mit- Das Gesundheitswesen muss gesundheit- Studies ab. Sie ist einander in unserer Gesellschaft zu er- liche Chancengerechtigkeit und eine ad- Aktivistin, Jugend- reichen, muss viel getan werden und zwar äquate gesundheitliche Versorgung aller arbeiterin und gezielt. Bereits 2001 verpflichtete sich Menschen sicherstellen. Die medizini- Künstlerin. In ihrer Österreich bei der Weltkonferenz gegen sche Forschung und Lehre muss deshalb aktivistischen und Rassismus in Südafrika zur Einführung auf alle Personengruppen fokussieren. künstlerischen eines Nationalen Aktionsplans gegen Arbeit beschäftigt Foto: Minitta Kandlbauer Rassismus. Bis heute wurde dieser nicht Arbeitsmarkt sie sich mit Anti- umgesetzt. Deshalb fordern wir die Ein- Arbeitgeber*innen, Firmen und Unter- rassismus, Femi- führung eines Nationalen Aktionsplans nehmen müssen Diversität als Teil der Un- nismus und der gegen Rassismus und die Umsetzung an- ternehmenskultur etablieren und ein ras- Dekonstruktion von ti-rassistischer Maßnahmen in den Berei- sismusfreies Arbeitsumfeld sicherstellen. Stereotypen. chen Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Polizei, Repräsentation und Öffentlich- Polizei und Justiz keit sowie Flucht und Migration. Innerhalb der Polizei und Justiz müssen Gemeinsam mit Schwarzen Men- rassistische Vorfälle konsequent geahn- schen, People of Colour (PoC) und An- det und Betroffene adäquat unterstützt ti-Rassismus-Expert*innen soll sich das werden. Parlament, den strukturellen Heraus- forderungen und Barrieren stellen, die Flucht und Migration durch Rassismus verursacht werden und Eine humane Migrationspolitik ist die das Ziel des Volksbegehrens umsetzen: Basis für eine inklusive Gesellschaft. Um die gleichberechtigte Teilhabe Schwar- dies zu erreichen, sind folgende Zielset- zer Menschen, PoC und Menschen mit zungen wichtig: Einhaltung der Men- Migrationsgeschichte in allen Bereichen schenrechte, aktive Hilfestellung für ge- Die konkreten For- der österreichischen Gesellschaft sicher- flüchtete Personen und Unterlassung von derungen finden Sie zustellen. Hetze gegen Migrant*innen. auf der Webseite Aus diesem Grund und weil Rassis- des Black Voices mus in Österreich nur mit der gesamten Volksbegehrens. Gesellschaft bekämpft werden kann, ist Sag nein zu Rassismus, unterschreibe das das Black Voices Volksbegehren eine Be- Black Voices Volksbegehren: Ab sofort im Black Voices Volksbegehren wegung von und mit allen! Gemeindeamt oder per Handysignatur. 25
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