RAUS AUS DEM BEWEGUNGSNOTSTAND - LSB NRW
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2 Vorab Breakdance wird 2024 olympisch. Einer, der schon heute von einer Teilnahme in Paris träumt, ist Bboy Mayo (Mario Eckel). „Wir im Sport“ stellt unter „WestLotto Toptalente NRW – initiiert vom Landessportbund NRW“ einen jungen Mann vor, der wilde Stunts draufhat und trotzdem auf dem Boden bleibt SIEHE SEITE 21 „Wer rastet, der rostet“, sagt Eric Grützenbach (62). Er verwirklichte sich schon in jun- Fotos Andrea Bowinkelmann gen Jahren seinen sportlichen Traum, wurde Footballer und ist bis heute dabei geblieben. „Wir im Sport“ stellt Zeit*Zeugen im Ehrenamt vor, die eine Menge zu erzählen haben, die zeitlebens sportlich aktiv waren und sich stets für die Gemeinschaft eingebracht haben bzw. bringen. SIEHE SEITE 6-12
3 Inhalt 6 Zeit*zeugen im Ehrenamt // Erzähl doch mal! 10 Statements // Professor Dr. Marcel Erlinghagen: „War früher eigentlich alles besser?“ und Dr. Eva Selic über den Nutzen von Geschichten 13 Vereinsjournalismus // Schreibtraining für den Nachwuchs NAH DRAN 16 Interview // Vereinsberater Patrick Busse: „Seit über 15 Jahren fotografiere „Vereinsgründung ist keine Raketenwissenschaft“ ich für den Sport in NRW. Seitdem hat sich unglaublich viel verändert“ 18 Im Gespräch // „Startpaket für den Breitensport“ Interview mit den CDU- und FDP-Fraktionsvorsitzenden im Landtag Andrea Bowinkelmann LSB-Fotografin 21 Toptalent NRW // Bboy Mayo (Mario Eckel) 22 Titel // Raus aus dem Bewegungsnotstand. Reportage aus sozialen Brennpunkten Meine erste Kamera war die Fuji Finepix. Ein Schätzchen, das ich immer noch aufbewahre. Das war damals auf der Schwelle zum digita- len Zeitalter. Fotos, die man auf riesige Pla- katwände bringen kann, waren damit noch LICHTBLICKE nicht möglich. Wir haben mit der Sport- artenfotografie begonnen: Daraus hat sich die Bilddatenbank mit mittlereweile 74.000 Fotos ( bilddatenbank.lsb.nrw) entwickelt. Vereinsgründung in Corona-Zeiten // Thematisch hat sich auch enorm viel ge- Petros Petropoulus stellte einen neuen Verein auf die Beine tan. Irgendwie war der Sport früher weniger 14 politisch, nicht so nah dran am gesellschaft- lichen Geschehen. Vielleicht begann alles, als 2015 die Sporthallen für Geflüchtete bereit- 28 Bodyismus // Körperbilder junger Menschen und was das mit Sport zu tun hat gestellt wurden. Dann kam das Thema „Kli- makrise“ mehr in den Fokus, jetzt „Corona“. 31 Aus dem Netz gefischt // Web-Auftritte als LSB-Service für Fachverbände Ich hätte nie gedacht, dass all das auch den Sport so verändert und damit auch meine 32 Lesenswert Fotografie. Wir waren jetzt für eine Corona- Reportage in Köln-Chorweiler (ab Seite 22). 34 Sportmedizin // Knorpelschäden im Knie: Sport hilft Vielleicht veranschaulichen meine Fotos über Sport in diesem sozialen Brennpunkt, 35 Sportmanagement // Hege und Pflege von Mitarbeiter*innen im Sport was ich meine... Übrigens. Was geblieben ist: Ich trage im- 39 Zur Sache // Sebastian Finke, Leiter LSB-Kompetenzzentrum Integration mer noch bei allen Terminen Jogginghosen und Inklusion, über soziale Benachteiligung – egal, ob in der Staatskanzlei oder beim Ver- ein vor Ort. Ich glaube, das ist mein Marken- 39 Impressum zeichen geworden. Unsere Förderer und Wirtschaftspartner
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5 Kurz notiert WILDOR HOLLMANN VERSTORBEN STRAHLKRAFT SOMMERSPIELE LSB UNTERSTÜTZT LANDESKURS Foto: DSHS Dem klaren Bekenntnis von Landesregierung und beteiligten Kom- munen zur Aufrechterhaltung einer Bewerbung für Olympische und Paralympische Spiele an Rhein und Ruhr hat der Landessportbund NRW seine volle Unterstützung zugesagt. „Wir haben immer auf Noch im Wintersemester 2019/2020 hat er mit die außergewöhnliche Strahlkraft von nachhaltigen Sommerspielen seinem Wissen und seinem Charme junge Stu- hingewiesen“, sagt LSB-Präsident Stefan Klett. dierende der Deutschen Sporthochschule Köln Im Zusammenspiel mit den 16 Bewerberstädten und der Initiati- begeistert. Jetzt ist Professor Wildor Holl- ve Rhein Ruhr City bieten sich herausragende Chancen, das Sport- mann am 13. Mai im Alter von 96 Jahren im land NRW mit seinen begeisterungsfähigen Bürger*innen sowie Kreise seiner Familie gestorben. Der Nestor seinen vielfach vorbildhaften Sportstätten als würdigen Gastgeber der deutschen Sportmedizin hat Generationen in der ganzen Welt zu positionieren“, begrüßt Klett eine verabschie- von Sportwissenschaftler*innen begleitet und dete gemeinsame Erklärung von Ministerpräsident Armin Laschet auch zum Beispiel Leistungssport-Trainer*in- und den Stadtspitzen aus allen beteiligten Städten sowie der schles- nen das nötige Know-how in vielen Standard- wig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel. werken vermittelt. REDAKTIONELLE ANZEIGE WENN’S MAL WIEDER LÄNGER DAUERT… Dauert eine sportliche Belastung mehr als 90 Minuten, ist es ratsam die Glykogen- speicher in den Muskeln schnellstmöglich wieder aufzufüllen. Dies passiert durch eine zusätzliche Zufuhr von Kohlenhydraten während oder kurz nach dem Training. So kann die Ermüdung bei längeren Trainingseinheiten möglichst lange verhindert werden. Umso früher die Reserven wieder aufgefüllt werden, desto schneller und besser kann sich der Körper regenerieren. Allerdings sollte die Aufnahme in Relation zum Verbrauch stehen. Während einer 90-minütigen Trainingseinheit mit mehreren kurzen Pausen empfiehlt sich eine geringere Aufnahme von Kohlenhydraten, als bei dauerhaft hohen Trainings- belastung, wie z. B. langen Ausdauerläufen bis zu 2,5 Stunden. Eine Zufuhr von 30-60 Gramm Saccharose, pro Stunde ist hier hilfreich. Bei Trainingseinheiten ab 2,5 Stunden wird eine Zufuhr von bis zu 90 g Zucker pro Stunde empfohlen. Um bei intensiven Sporteinheiten eine hohe Leistung länger beizubehalten, eignet sich während oder kurz nach dem Training Saccharose, also klassischer Rübenzucker. Saccharose besteht aus den Einfachzuckern Glukose und Fruktose. Der Körper kann diese Kombination besonders gut und schnell aufnehmen, da die Resorptionsrate deutlich höher ist als bei Aufnahme von Glukose allein. So steht die nötige Energie schneller wieder zur Verfügung und die Speicher können wieder aufgefüllt werden. Leckere Rezepte zum Auffüllen des Energie- speichers bietet die Website von Diamant Zucker auf www.diamant-zucker.de PL_AD_Wir_im_Sport_210x132,5_210507.indd 1 07.05.21 16:31
6 Zeit*zeugen ERZÄHL DOCH MAL! Text Nicole Jakobs // Fotos Andrea Bowinkelmann, Privat (S.7) SIE HABEN DIE ERSTEN INKLUSIVEN SPORT-LEHRGÄNGE INS LEBEN GERUFEN, WAREN BEI DEN OLYMPISCHEN SPIELEN 1972 INVOLVIERT, HABEN NACH DER WENDE DEUTSCH-DEUTSCHE MANNSCHAFTEN GEFÜHRT ODER WAREN EINFACH VON ANFANG AN DABEI. SIE SIND ZEITZEUG*INNEN: DIE EHRENAMTLICHEN „Ü50“. EIN GANZES JAHR LANG ERZÄHLEN SIE IHRE GESCHICHTEN UND ERFAHRUNGEN. IN KOOPERATION MIT GEFÖRDERT DURCH
7 Der Zeitzeug*innen-Teppich: Er wird über das Jahr 2021 aus den Geschichten und Erinnerungen von rund 40 Menschen gewebt
8 Zeit*zeugen „Als wir im Februar die Mitgliedsorganisationen aufgerufen – manche in Kurzform, manche etwas länger. Vier Geschich- haben, uns Zeitzeugen zu nennen, haben wir nicht mit diesem ten werden mündlich aufgezeichnet: als Podcast, im Gespräch Rücklauf gerechnet“, lacht Dr. Eva Selic. Die LSB-Vizepräsi- mit den Mitarbeiter*innen der Stabsstelle Presse und unter- dentin für Breitensport hatte zusammen mit LSB-Präsident stützt durch LSB-Präsident Stefan Klett oder LSB-Vizepräsi- Stefan Klett die spontane Idee, die Basis nach Ehrenamt- dentin Dr. Eva Selic. Und zuletzt werden die Storys in einem ler*innen zu fragen, die von ihren außergewöhnlichen Erfah- Magazin gesammelt, das zum Abschluss des Ehrenamts- rungen im Sport erzählen können und wollen. Jahres JETZT ERST RECHT! erscheinen soll – garniert mit Gemeldet haben sich sowohl die Ehrenamtlichen selbst staunenswerten Fotos von früher. „Damit wollen wir nicht oder sie wurden von ihren Mitgliedsorganisationen anerken- nur den Menschen Respekt erweisen, die sich Jahrzehnte nend nominiert. Eine Übungsleiterin ist dabei, die seit Jahr- ihres Lebens ehrenamtlich engagiert haben, sondern auch zehnten – und inzwischen in hohem Alter – immer noch deren wertvollen Erfahrungsschatz teilen, von dem der Sport Seepferdchen-Kurse leitet. Ein Surfer, der das Windsurfen in NRW und wir alle profitieren.“ olympisch gemacht hat. Ein Vorstand, der die erste inklusi- Der Geschichtsteppich besteht nicht nur aus individuel- ve Skifreizeit in NRW organisiert hat. „So viele Geschichten len Erfahrungen. Vielmehr berührt jede einzelne Geschich- kamen herein. Und wir haben gemerkt, dass wir nicht aus- te die Geschichte des Sports in NRW. Als in den Achtzigern wählen können und das auch nicht wollen. Wir wollen je- die Fitness-Bewegung aufkam, als inklusiver Sport für Men- der und jedem Einzelnen eine Bühne bieten“, so Dr. Selic. schen mit Behinderung flächendeckend angeboten wurde, als in den Neunzigern die Geflüchteten aus Bosnien in un- So entstand das Zeit*zeugen-Projekt. Über die nächs- ser Land kamen und 2015 die Geflüchteten aus dem Nahen ten Wochen und Monate wird sich der LSB all ihre Ge- Osten. Der Sport war immer dabei – und die Zeitzeug*innen schichten erzählen lassen. Diese Geschichten werden auf der erzählen davon. #sportehrenamt-Seite ( sportehrenamt.nrw) veröffentlicht Ich bin eine von einer Million „Das Ehrenamt erfüllt mich mit Zufrie- zigern. Mit 200 Kindern und Jugend- denheit. Ich übernehme gerne Verant- lichen auf dem Eis realisieren wir das, wortung, das habe ich als Jugendliche für 8.000 Zuschauer je Vorstellung. in meinem Heimatverein schon gerne Darauf sind wir sehr stolz. getan. Da man das Ehrenamt ja freiwil- Ohne die Basis könnten wir Funk- lig ausübt, führt das zu viel Integrität tionäre nichts erreichen. Wir wären und Verbundenheit mit dem Verein. überflüssig. Deshalb ist mir die Team- Ich komme aus der Hotellerie und arbeit so wichtig. Als Vorbild emp- habe anschließend BWL studiert. Ich finde ich mich nicht, ich bin halt eine kann neben meiner Leidenschaft zum von einer Million Ehrenamtlichen in Sport also mein betriebswirtschaft- Vorständen. Aber ich will mich auch in liches Fundament einbringen, aber 20 Jahren noch engagieren. Seit etwa auch meine Liebe zu Veranstaltungen. fünf Jahren arbeite ich zusätzlich auf Und darin ist unser Team sehr er- Bundes- und Verbandsebene, da habe folgreich: 2015 haben wir das „Grüne ich im Bereich Sportentwicklung für Band“ erworben. Ein Grund für die alle Geschlechter und alle Altersklas- Auszeichnung war unter anderem sen noch viel vor. Ich sehe mit Ü50 unsere erfolgreiche Neuausrichtung aber auch, dass die Motivation für das CORDULA MEISGEN (54) des Krefelder „Weihnachtsmärchens Ehrenamt nicht leiden darf, dafür ist EISSPORT-VEREIN KREFELD on Ice“. Das ist eine Krefelder Institu- die Zeit zu kostbar.“ STADTSPORTBUND KREFELD tion unter Vereinsregie seit den Fünf- EISSPORT-VERBAND NRW
9 DER GESCHICHTSTEPPICH Über das Jahr hinweg werden auf SPORTEHRENAMT.NRW die Geschichten der Zeitzeug*innen in konzentrierter Kurzform veröffentlicht. DER PODCAST ERIC GRÜTZENBACH (62) Geschichten sind am eindrücklichsten, wenn die AMERICAN FOOTBALL Menschen sie selbst erzählen. Der Zeit*zeugen- CLUB TROISDORF JETS Podcast lässt vier Ehrenamtliche zu Wort kom- men, die in ihrer langen Sport-Geschichte eini- ges erlebt haben. Den Anfang macht Wilfried Nährboden Cleven (*1943), noch amtierender Vorsitzender des Stadtsportbundes Mülheim. Der gebürtige meiner Motivation war Winterberger widmet sich seit über fünf Jahr- zehnten in verschiedenen Aufgaben dem orga- immer der Sport nisierten Sport und ist seit seiner Tätigkeit im Organisationskomitee bei den Olympischen Spielen 1972 in München ein echter Zeitzeuge. „Die ersten zehn Lebensjahre habe Der Sport an sich, ob als Spieler Im Gespräch mit dem „Überzeugungstäter“ Cle- ich in den USA verbracht. Zurück oder Coach, war immer meine größ- ven und dem LSB-Präsidenten Stefan Klett geht in Deutschland habe ich lange nach te Motivation. Die Vorstandstätigkeit es um das sportliche Ehrenamt als besondere einer geeigneten Sportart gesucht. hat, um ehrlich zu sein, nicht immer Faszination. Aber auch um mögliche Belastung 1979 kam American Football in Spaß gemacht. Trotzdem bin ich seit sowie um Veränderungen, Motivation, Anforde- Deutschland auf. Football war im- über 41 Jahren ehrenamtlich tätig, rungen oder Kommerzialisierung rund um frei- mer mein Traum, so habe ich 1980 zwölf davon als Vereinspräsident. Die williges Engagement. mit Freunden den Verein gegründet. Coronazeit hat mir gezeigt, wie ein Eigentlich wollte ich nur Football spie- Leben ohne Verein aussehen kann: len, musste dann aber mit 20 direkt Ich hatte plötzlich Zeit für mich. Mein Verantwortung auf ganz anderer Ebe- wichtigster, langjähriger Mitstreiter ne übernehmen, zum Beispiel mit Äm- Heinz Sauer und ich denken natürlich tern kommunizieren. Unsere Sportart darüber nach, wann es Zeit ist, aufzu- wurde oft nicht ernst genommen. hören. Wir können nicht ewig weiter- Das war nicht immer einfach, doch machen. Die nächste Generation hat zum Glück hat sich das über die frische Ideen und arbeitet teilweise DAS MAGAZIN Jahrzehnte geändert. Heute können innovativer als wir. Aber wenn so viel Ende 2021 wird ein Magazin alle Zeitzeug*innen wir auf die Kontinuität der Jets stolz Herzblut am Verein hängt, fällt die gesammelt vorstellen: mit Interviews, sein, denn wir gehören zu den ältesten Entscheidung nicht leicht.“ Reportagen oder Steckbriefen – Footballteams in Deutschland. und natürlich mit wunderbaren alten Fotos.
10 Zeit*zeugen // Statements VON ZAHLEN UND VORURTEILEN Professor Dr. Marcel Erlinghagen vom Lehrstuhl für empirische Sozialstrukturanalyse an der Universität Duisburg-Essen mit einigen Einordnungen Journalistische Protokolle Nicole Jakobs, Foto Andrea Bowinkelmann (Porträt Dr. Selic), Privat VON PIONIEREN UND KLUGEN RATSCHLÄGEN Dr. Eva Selic, LSB-Vizepräsidentin Breitensport, über die eigenen Ehrenamts-Erfahrungen und den Nutzen der Zeitzeugen-Geschichten für den Sport „Ich bin ja selbst lang- findet Dr. Eva Selic mit Anfang 90-jährigen Hans Hass auf der „boot 2009“. „Solche Be- sam eine Zeitzeugin“, 50. Ihre Geschichte schließt naht gegnungen nimmt mir keiner mehr weg. Ohne das Ehren- los an andere Geschichten an: amt hätte ich das alles nicht erlebt.“ Als kleiner Stöpsel mit acht Jahren in den Tauchverein Dr. Eva Selic wird präsidial: „Ich denke, dass wir im eingetreten, seit 1997 ehrenamtlich tätig, die Trainer C- Sport den Blick zurück brauchen, um zu sehen, wohin wir Lizenz für Sporttauchen erworben, dann Schriftführe- gehen können. Wir müssen nicht alle Räder neu erfinden, rin geworden. Zehn Jahre lang erste Vorsitzende ihres sondern können Erfahrungen nutzen, die andere vor uns Vereins. Dann hat sie Verbandsgeschichte geschrieben, schon gemacht haben.“ Viele „Altvordere“ berichteten indem sie als erste Frau in den Vorstand des Tauchsport- sehr offen von ihren Fehlern, so ihre Erfahrung. „Wenn verbandes NRW gewählt wurde. „Meine Geschichte illus- die sagen, das würde ich nicht noch mal machen, lerne ich triert die Karriere, die viele Menschen im Sport gemacht daraus mehr als aus allem anderen.“ Die Zeitzeug*innen haben. Aber ich hatte auch Teil an etwas Besonderem: sind Vorbilder. Sie zeigen, welche lebenserfüllende Auf- Immer mehr Frauen nehmen Führungsaufgaben in Ver- gabe das Ehrenamt sein kann. Aber man sollte nicht nur einen und Verbänden wahr, und ich bin eine von ihnen.“ drüber reden, meint Dr. Eva Selic, sondern auch groß und Egal, auf wie viele Jahrzehnte Ehrenamt man zurück- breit zeigen: „Wir kämpfen im Sport doch um jede und blickt, sie sind voller Erlebnisse: Die Führung über jeden Einzelnen. Darum wollen wir offensiv zeigen, wie die Gorch Fock. Oder das Kennenlernen des damals erfüllend das Engagement ist. Klar ist das auch Akquise!“
11 War früher eigentlich Professor Dr. Marcel Erlinghagen vom ren mit dem Sport um Freiwillige. Umweltschutz, Fridays alles besser? Lehrstuhl für empirische Sozialstruktur for Future, Flüchtlingshilfe, Quartiershilfe – drängende analyse an der Universität Duisburg- gesellschaftliche Herausforderungen verlangen nach Essen muss lachen: „Ja, das hört man immer wieder. Aber Bürgerbeteiligung. Und je mehr zu tun ist, desto mehr darüber gibt es keine Daten: Wir wissen sehr wenig über Posten entfallen auf eine letztlich endliche Zahl an Hel- das Engagement vor 1980.“ Seit Mitte der 1980er Jahre fer*innen. Diese Erfahrungen machen auch Vereine und jedoch – seit Beginn der Datenerhebungen – nimmt der Verbände: Sie berichten von immer weniger Ehrenamt- Anteil der Engagierten kontinuierlich zu. Die stärkste lichen. Tatsächlich stieg ihre Zahl stetig. Doch obwohl Wachstumsgruppe sind die Älteren. Ihr Treiber ist die das wichtigste Betätigungsfeld immer noch der Sport ist, Bildung, denn für ein Leitungsamt benötigt man Quali- nehmen doch andere Bereiche Ehrenamtler „weg“. fikation sowie Kommunikationsgeschick. Die Forschung Ältere im Ehrenamt arbeiteten nicht agil, seien weni- belege dies eindeutig, so Erlinghagen: „Mehr freie Zeit ger digital: Das sind Vorurteile gegenüber Menschen Ü50, im Alter spielt für ein Engagement nur eine geringe Rolle. die sich hartnäckig halten. Vor solchen Aussagen warnt Wichtig ist vielmehr die Engagement-Erfahrung sowie der Forscher. Erlinghagen meint vielmehr, der*die typi- Bildung.“ Also: Schafft man es, die Jugend für das Eh- sche besserqualifizierte ältere Ehrenamtliche werde mit renamt zu gewinnen, erhöht das die Chancen auf ein der Digitalisierung kaum Probleme haben, und altersge- lebenslanges Engagement. mischte Teams seien auch in der Erwerbswelt besonders Wer die Jugend rekrutiert, bindet sie nicht auf alle erfolgreich. „Das Bild von Älteren ist meist defizitär, aber Ewigkeit an den eigenen Verein. Wechsel im Ehrenamt dies wird durch keine Zahlen belegt.“ sind normal. Andere Vereine und Initiativen konkurrie- ANZEIGE EINFACH EFFEKTIV Copyright © 2021 Husqvarna AB (publ). Alle Rechte vorbehalten. HUSQVARNA AUTOMOWER® PRO DER ZWÖLFTE SPIELER AUF DEM FELD Husqvarna Automower® mähen Ihr Spielfeld automatisch, damit Sie sich anderen Aufgaben zuwenden können. Dabei arbeiten sie sehr leise und emissionsfrei. Die Mähzeiten passen Sie flexibel Ihrem Trainings- und Spielplan an. Der vielleicht wichtigste Vorteil: Ihre Mannschaften Automower® 550 können ihre Fähigkeiten auf einem perfekt gemähten Sportplatz noch besser ausspielen. für den professionellen Einsatz Erfahren Sie mehr unter husqvarna.de/sportrasen auf Fußballplätzen
12 Man kann Einfluss Zeit*zeugen auf die Richtung nehmen ALEXANDER MAUCHER (72) DEUTSCHE TANDEMSURFER KLASSENVEREINIGUNG „Als ich in den Siebzigern gerade mit verband betrieben, bin bis ins Präsidi- sind gerade dabei, ein neues Tandem zu entwickeln, außer- dem Staatsexamen fertig war, kam um aufgerückt und habe in Köln einen dem veranstalten wir Regatten in NRW – es gibt also viel das Windsurfen auf. Da war ein Nach- erfolgreichen Verein gegründet. zu tun! bar, der das erste Brett in Europa ge- Im Segelsport spielen so genannte Als Ehrenamtlicher habe ich mich immer um Strukturen baut hat. Der stand auf einem Brett Klassenvereinigungen eine wichtige bemüht, in die andere hineinsteigen können. Ich war ein mit Segel, das war völlig neu und die Rolle. Eine von mir geleitete interna- Pionier – übrigens auch in meinem Beruf – und bin darauf Geburtsstunde eines neuen Sports. tionale Klassenvereinigung gewann sehr stolz. Das Ehrenamt habe ich immer als Ehre angese- Das hatte ich noch nie gesehen! Aber die Wahl zur olympischen Klasse für hen, denn man wird gewählt und berufen. Man kann Ein- was machen wir jetzt mit dem Sport? Olympia 1984. Das war sicher mein fluss darauf nehmen, in welche Richtung es geht. Und ja, ein Das war anfangs noch völlig unorga- wichtigster Meilenstein. Aktuell bin bisschen Eitelkeit gehört sicher auch dazu.“ nisiert, es gab noch keine Strukturen. ich Vorsitzender der Deutschen Tan- Ich habe die Organisation im Segler- demsurfer Klassenvereinigung. Wir Der Mann, der will, dass andere wollen „Als ich 1953 als leichtathletikbegeis- dem neu gegründeten Universitäts- terter 16-Jähriger zum TuS Queren- sportclub Bochum beigetreten sind. burg kam, gab es kaum Kinder und Ju- 1982 wurde ich Vorsitzender des Ge- gendliche im Verein. Ich besuchte also samtvereins. Meine Aufgabe war, für die Eltern im Stadtteil und überzeug- gute Strukturen zu sorgen. Als Vorsit- te sie, Kinder zu uns zu schicken. Und zender geht es nicht immer um Auf- sie kamen, aus jedem Haushalt! Das stieg und gute Ergebnisse – man will, war der Einstieg in mein Ehrenamt, dass der Verein als Ganzes solide und das ich bis zum heutigen Tag ausübe. zukunftsfähig aufgestellt ist. Zu Anfang trainierten wir unter Bis 2020 habe ich die Stabhoch- primitiven Bedingungen. Wir haben springerinnen trainiert. Mir war sogar die Sprunggrube selbst gebaut: immer wichtig, alle Neuerungen in Alle Kinder haben mitgeholfen und Theorie und Praxis in das Training ein- Sand geschleppt. Trotzdem waren wir fließen zu lassen. Wir sind gemeinsam damals schon sehr erfolgreich: Unse- gewachsen, meine Athleten und ich. re Jugendmannschaft wurde Deut- Vorsitzender bin ich schon seit GERD WEISSPFENNIG (84) scher Meister im Zehnkampf. Jahren nicht mehr, aber als Ehrenvor- USC BOCHUM Die Bedingungen verbesserten sich, sitzender und Pressewart bleibe ich als wir 1969 mit der ganzen Abteilung dem Verein treu.“
13 Vereinsjournalismus Kostenloses Schreibtraining LSB und Fachhochschule des Mittelstands fördern den Nachwuchs Ob für die eigene Vereinswebsite, für das Anzeigenblatt oder die Lokalredaktion: Wir bitten um die Einsendung von Artikeln und Be- Artikel zum Vereinsgeschehen sollten nicht nur informieren. Mit einer guten Struktur, richten aus dem Breitensport als Link oder als pdf- gekonnten Formulierungen und dem Einsatz von O-Tönen und Bildern gelingen Texte, Dokument zusammen mit folgenden Angaben: Ver- die man gerne liest und mit denen man auch potenzielle Vereinsmitglieder für sich einsname, Name Autor*in mit Kontaktdaten sowie gewinnen kann. Gemeinsam mit der Fachhochschule des Mittelstands, Köln, will der Angaben dazu, wann und wo der entsprechende Landessportbund NRW vor allem den schreibenden Nachwuchs fördern, indem wir Beitrag veröffentlicht wurde. gelungene Praxisbeispiele zeigen und Tipps für eine bessere Schreibe geben. Unser Kooperationspartner ist der Fachbereich Medien der Fachhochschule des Bitte sendet Eure Mittelstands. Prof. Dr. Michael Groll wird mit seinen Studierenden des Studiengangs Texte bis zum 13. Juli an: Sportjournalismus & Sportmarketing die eingegangenen Beiträge sichten und be- Prof. Dr. Michael Groll werten. Gemeinsam mit dem Referat Marketing/Kommunikation des LSB erstellen Fachhochschule des Mittelstands wir eine Top-10-Liste und stellen die besten drei Beiträge online. Alle Einsendungen Fachbereich Medien bekommen zudem ein Feedback mit konkreten Tipps. Groll@fh-mittelstand.de ANZEIGE RASENPFLEGE Copyright © 2021 Husqvarna AB (publ). Alle Rechte vorbehalten. ZUM QUADRATMETERPREIS PERFEKTER RASEN OHNE INVESTITON Nutzen Sie unsere Automower® PRO zu günstigen monatlichen Raten*. Husqvarna kümmert sich gemeinsam mit seinen Service-Partnern um alles, vom Messerwechsel bis zur Winterwartung – alles inklusive. Die niedrigen Monatsraten und mehr freie Zeit Automower® 550 eröffnen Ihnen neue Spielräume für Ihren Verein. für den Erfahren Sie mehr unter www.smart-lawn-service.de professionellen Einsatz * 12 Monate Laufzeit, jährlich kündbar auf Fußballplätzen
14 Vereinsgründung LICHT BLICKE Text Michael Stephan // Fotos Andrea Bowinkelmann, Thomas Meyer, Ringerverband NRW (S.16) // Illustration Adobe Stock © quicklinestudio (S.15) Schon in der Antike gehörte Ringen zu den olympischen Disziplinen. Traten die Athleten damals noch nackt an, bevor- zugt Vereinsgründer Petros Petropoulus Alltagskleidung für ein Foto an einer Säule im LVR-Archäologischer Park Xanten, die zwar römisch und nicht griechisch ist, aber antik Foto (S.14) mit freundlicher Genehmigung des LVR-Archäologischer Park Xanten Text Name // Foto Name
15 Auch in Zeiten, in denen manche graue Wolke über den Sport hinweggeschwebt ist, gab es Lichtblicke. Wie die Neugründung eines Vereins und einer Abtei- lung für das Ringen in NRW. Engagierte Sportfans und ein zielorientierter Verband machten es vor. Sein Vorname, Petros, bedeutet „Fels“. In der Tat hat dieser VEREINSGRÜNDUNG Mann Gewicht. 97 Kilogramm bringt Petros Petropoulus auf die Waage und hat damit in seiner Ringerkarriere in den „schwers- LEICHT GEMACHT: ten“ Klassen gekämpft. Geboren im Norden Griechenlands trägt \ Um einen Verein zu gründen, braucht es er sein Heimatland in seinem Herzen, auch wenn er schon lange mindestens sieben Mitglieder, die gemeinsam in Velbert lebt. „Von Petros kannst Du alles über die griechische ausschließlich ideelle Zwecke verfolgen wollen. Götterwelt und deren Mythen erfahren, und dass die Griechen natürlich bei allem die Ersten waren“, schmunzelt sein Freund \ Satzung erarbeiten (Name, Zweck, Beiträge, Tim van Voorst: „Vielleicht musste er deshalb der Erste sein, der Regelungen zur Bestimmung des Vorstandes in Velbert einen Ringerverein auf die Beine stellen wollte.“ etc.) \ Finanzamt überprüfen lassen, ob Satzung gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften entspricht. Seit 1896, mit Beginn der Olympischen \ Gründungsversammlung abhalten: Spiele der Neuzeit, ist Ringen olympisch Verabschiedung der Satzung, Namensgebung und Wahl des Vereinsvorstands. Unterschrif- ten aller Gründungsmitglieder unter Protokoll und Satzung. \ Satzung und Protokoll beim Notar einreichen. Eine Neugründung in diesen Zeiten? Oder gerade dann? „Die Dieser meldet die Eintragung in das Vereins- Idee bestand schon länger, aber der Lockdown verschaffte erst register beim zuständigen Amtsgericht an. die Zeit, uns darum zu kümmern“, sagt Petropoulos und lacht: „Ja. Wir wollten Geschichte schreiben, denn in Velbert gab es \ Aufnahmeantrag für die Mitgliedschaft im noch nie einen Ringerverein.“ Kein Wunder, dass er daher selber zuständigen Sportbund und Fachverband seit Jahren für einen Verein in Essen kämpfte. Dabei leitet er in stellen. Velbert eine eigene Kampfsportschule. „Dort biete ich verschie- dene Kampfsportarten an. Als immer mehr meiner Schüler mit nach Essen wollten, um zu ringen, haben wir gesagt: Dann ma- chen wir das doch hier.“ Unterstützung fand Petropoulos in van Voorst, mehrfacher Landesmeister, sowie beim Ringerverband Nordrhein-West falen. Deren Geschäftsführer Carsten Schäfer: „Von der Satzung über die Qualifizierung bis zur Beschaffung des Equipments för- dern wir Neugründungen mit Rat und Tat. Nichts geht aber ohne engagierte Leute vor Ort. Die braucht man.“ Ausführliche Informationen: Petropoulos erinnert sich: „Das Schwierigste im Prozess wa- ren die Besprechungstermine für die Satzung. Irgendeiner hatte GO.LSB.NRW/VEREINSGRUENDUNG immer gerade keine Zeit.“ Jetzt wartet man nur noch auf den Be- scheid des Amtsgerichts. „Wir beginnen mit rund 80 Mitgliedern und zwei Trainingseinheiten in meiner Schule. Wenn es Corona erlaubt, starten wir in der Bezirksliga. Die Stadt Velbert stellt uns für die Wettkämpfe eine Halle zur Verfügung.“ Stadtentwick- lung einmal anders...
16 Vereinsgründung // Interview Drei Fragen an Keine Raketenwissenschaft Patrick Busse, Dipl. Sozialwissenschaftler, Worauf ist bei einer Vereinsgründung zu achten? Sportmanager und VIBSS-Vereinsberater Die Gründung eines Sportvereins ist keine Raketenwissenschaft. Aber es gibt Einiges zu beachten, zum Beispiel im Bereich Recht, Haftung, Gemeinnützigkeit etc.. Aber selbst wenn man einfach drauf losgelegt hat und später merkt, nicht alles vorausgeahnt zu Interview Michael Stephan // Foto Privat haben, ist das keine Katastrophe. Man kann nachjustieren. Auf der sicheren Seite ist, wer sich Unterstützung holt, zum Beispiel durch die VIBSS-Vereinsberatung. Wie sieht der Prozess aus? Je klarer sich die Gründungsmitglieder über Ziele, Struktur und Phi- losophie ihres Vorhabens sind, um so einfacher sind die nachfolgen- den Schritte. Ich spreche gerne vom Dreiklang ‚Setzung, Satzung, Sitzung’. Hatte man die wesentlichen Grundüberlegungen gut ‚zu- sammengesetzt’, sich beraten und informiert, fließt das Ergebnis in die ‚Satzung’ ein. Dort gilt es wiederum, einiges zu beachten. Den Abschluss bildet dann die Gründungsversammlung, die ‚Sitzung’, die wiederum Formalitäten gerecht werden muss. Was ist besser: Die Gründung eines neuen Vereins oder einer neuen Abteilung? Beides hat seine Vorteile – und seine Nachteile, falls man sie denn so empfindet. Wer einen eigenen Verein gründet, kann völlig autark bestimmen, welchen Weg er geht. Andererseits trägt er die kom- plette Verantwortung, muss gegebenenfalls Strukturen aufbauen, Räume und Material besorgen, eine Mitgliederverwaltung instal- lieren etc.. Wer unter das Dach eines etablierten Vereins schlüpft, kann dagegen auf Strukturen zurückgreifen, muss sich aber in den Gesamtverein einpassen. Das ist eine Frage der Abwägung. Fakt ist aber: Wer sich im oder als Verein zusammenschließt, dessen Stim- me wird zum Beispiel in einer Kommune ganz anderes wahrgenom- men denn als lose Gruppe. Und man kann von vielen Förderungen und Hilfestellungen des organisierten Sports profitieren.
17 Vereinsgründung Ortswechsel. In Kleve waren es Zufall und Glück, die der Stadt das Ringen bescherte. Der nächste Verein mit diesem Sport ist immerhin 80 Kilometer entfernt! Eine Abteilungsgründung der DJK Rhenania Kleve ändert das jetzt. Der Zufall: „Ich bringe Menschen aus anderen Ländern deutsch bei“, erzählt Elisabeth Liebeton, „eines Tages fragte die Caritas an, welchen Sport meine Kursteilnehmenden mögen. So kamen wir auf Ringen.“ Weiterer Zufall: Einer der Kursteilnehmer, Pejman Amiri, war iranischer Profitrainer. Und da Liebeton mit Helmut Vehreschild, Vor- sitzender der DJK Rhenania Kleve, befreundet war, nahm eine Gründungsstory ihren Lauf… „ // Ein Deutschkurs und ein iranischer Profitrainer entpuppen sich als Glücksfall „Wir haben die beiden zu einer Vorstandsitzung eingeladen. Wir waren sofort überzeugt und haben eine neue Abteilung gegrün- Wir wollen die weißen det“, erzählt Vehreschild. Dem Zufall sprang dann das Glück zur Seite. Man konnte Gelder aus dem Projekt „Integration im Kreis Flecken auf der Landkarte Kleve – Zusammen leben und wachsen“ beantragen. Der Vorsit- in NRW füllen, wo es zend lobt: „Schon nach drei Tagen hatten wir fast 15.000 Euro auf dem Konto!“ Geld, das man dringend benötigte. „Ringermat- keinen Ringersport gibt. ten sind teuer und was nützt eine Ringerabteilung ohne Matten?“ Dazu sprechen wir einer- seits Vereine an, um sie zu motivieren, eine Abteilung zu gründen. Andererseits unterstützen wir jene, die einen eigenen Verein gründen wollen. Es ist toll, dass die Strategie in „ diesen Zeiten für Zuwachs im Verband sorgt. Gähnende Leere: Trainingshalle mit Ringermatte in Lockdown-Zeiten. Die Ringer*innen wünschen sich nichts mehr als einen Restart für ihre Kämpfe Jens-Peter Nettekoven Präsident des Ringerverbandes Nordrhein- Rund 30 männliche und weibliche Mitglieder zwischen zehn Westfalen und Sportpolitischer Sprecher und 40 Jahren füllten schnell die Abteilung, die meisten mit Zu- der CDU-Landtagsfraktion wanderungs- und Fluchtgeschichte. „Nur durch Mundpropagan- da, ohne Werbung“, freut sich Vehreschild, „wenn Corona wie- der Trainingsbetrieb erlaubt, bin ich sehr zuversichtlich für die Zukunft.“ Hilfe kam zudem vom Kreissportbund. „Wir wurden anerkannter Stützpunktverein im Programm ‚Integration durch Sport‘. Wir erhalten Gelder, mit denen wir den Übungsleiter finanzieren können.“ Und Abteilungsleiterin wurde Elisabeth Liebeton...
18 Im Gespräch „STARTPAKET FÜR DEN ZWEI SPITZENPOLITIKER IM GESPRÄCH. ZWEI MÄNNER, DIE DEM SPORT SEHR VERBUNDEN SIND. „WIR IM SPORT“ TRAF DIE FRAKTIONSVORSITZENDEN BODO LÖTTGEN (CDU) UND CHRISTOF RASCHE (FDP). Interview Theo Düttmann, Frank-Michael Rall // Fotos Andrea Bowinkelmann Entspannte Runde im Düsseldorfer Landtag: (v.l.) Theo Düttmann (LSB), Christof Rasche, Bodo Löttgen und Frank-Michael Rall (LSB) Herr Löttgen, Herr Rasche, wohl LÖTTGEN: Für mich ist das Spazieren niemand ist unberührt von einer gehen zu einer täglichen Beschäftigung Zeit, die ihresgleichen sucht...In geworden. Mich draußen eine halbe bis Bezug auf Sport: Wie sind Ihre per- dreiviertel Stunde zu bewegen, das ist Teil „Wir mussten uns sönlichen Erfahrungen in der Pande- meiner Routine und ein sehr wichtiger mie-Zeit? Ausgleich im Alltag. der Kritik stellen, RASCHE: Wir haben mit der gesamten FDP-Fraktion am digitalen LSB-Bewe- Der Sport war monatelang im Lock- warum Öffnungen gungs-Teamwettbewerb teilgenommen. down. Der Landessportbund NRW Das war eine tolle Idee. Ich persönlich habe hat immer wieder gesagt, dass und Einschränkungen mich in dieser Zeit mit einem Crosstrainer Sport Teil der Lösung ist… und einem Laufband im Hometraining fit RASCHE: Sport ist Gesundheitsschutz. wechselten“ gehalten. Und ich gehe so viel spazieren Da sind wir uns mit der Wissenschaft ei- BODO LÖTTGEN wie noch nie. Der Sport hat für mich in nig. Aber es ist Pandemie und wir müssen dieser Zeit einen noch höheren Stellenwert mit den Einschränkungen leben. Gott sei bekommen als je zuvor. Dank zeichnet sich mit dem Rückgang der
19 BREITENSPORT“ Inzidenzzahlen eine positive Entwicklung der Pandemie sind und welche Zukunfts- Herr Löttgen, Herr Rasche: Dem ab und wir formulieren in der Koalition chancen sich mit dem Ende der Pandemie organisierten Sport kommen – wie angemessene Regelungen, die dem Sport ergeben könnten. Was ich schon sagen auch anderen Institutionen – zusätz- mehr Möglichkeiten geben werden. kann: Wir wollen ein Startpaket für den liche Millionen aus den Erträgen des LÖTTGEN: Sport ist noch mehr als kör- Breitensport schnüren! Gerade das ehren- Glücksspiels zu. Die Summe für alle perlicher Gesundheitsschutz. Er bietet auch amtliche Engagement muss gestärkt wer- Destinatäre wurde deutlich auf 100 geistige Entspannung – „man kriegt den den, die Menschen müssen den Weg zurück Millionen Euro erhöht. Dafür haben Kopf frei“, wie es so schön heißt. Gerade in die Vereine finden. Sie gesorgt. Warum war Ihnen das für Kinder und Jugendliche, aber auch für Auch im Spitzensport ist die Situation besonders wichtig? alle anderen Altersgruppen ist er von un- bescheiden, das weiß jeder, der am Wo- LÖTTGEN: Der Landessportbund ist ja schätzbarem Wert. Seit mittlerweile fast einer der höchst dotierten Begünstigten 14 Monaten fehlt der Mannschaftssport zu des Glücksspiels. Die Sportorganisationen großen Teilen. Deshalb haben wir immer müssen in die Lage versetzt werden, die wieder versucht, Sport in Gruppen und da, Herausforderungen nicht nur in der Pan- wo es möglich war, auch im Mannschafts- demie, sondern auch danach meistern zu wettbewerb zu ermöglichen, soweit es die Pandemie zuließ. Dabei mussten wir uns „Mache mir Sorgen, können. Mit diesem Geld muss ja insbe- sondere Personal finanziert werden, wir der Kritik stellen, warum Öffnungen und Einschränkungen wechselten. Wir sind wie es gelingt, die wollten mit der Aufstockung unbedingt Personalabbau vermeiden. uns bewusst, wie groß die Pandemie-Schä- den insbesondere bei Kindern und Jugend- Engagierten zurück RASCHE: Wir als Koalition sind absolut verlässliche Partner des Sports. Die Aufsto- lichen durch die Bewegungseinschränkun- gen sind. zu gewinnen“ ckung von bislang 87 Millionen Euro nun in den dreistelligen Bereich war ein gewalti- RASCHE: Ich habe viel Kontakt zu CHRISTOF RASCHE ger Schritt und honoriert insbesondere die Sportvereinen und höre, dass Betreuer und Arbeit des Sports – gerade auch im ehren- Trainer den Kontakt zu den Kindern und amtlichen Bereich. Jugendlichen verlieren. Aber sie verlieren auch den Kontakt zum Verein selbst. Sie Herr Rasche: Sie sind verkehrspo- schaffen sich andere Möglichkeiten, den litischer Experte. Daher: Die Men- Tag zu gestalten. Ich mache mir Sorgen, chenende zum Beispiel Handball, Fußball schen bewegen sich sehr viel mehr wie es gelingen kann, diese Engagierten oder Eishockey geschaut hat. Sport ohne draußen. Diese Intensivnutzung wieder zurück zu gewinnen. Wir hatten ja Zuschauer ist nichts, an das sich irgend- führt zu Engpässen. Zum Beispiel schon vorher das personelle Problem beim jemand gewöhnen möchte. Die Leistung sind die Fuß-, Wald-, Park- und ehrenamtlichen Engagement. Deshalb der Sportlerinnen und Sportler – ich denke Fahrradwege gerade am Wochenen- müssen wir gemeinsam, Landessportbund, auch zum Beispiel an Wettbewerbe in der de hoffnungslos überfüllt. Muss die Politik insgesamt, auch unsere Koalition Leichtathletik im Stadion – bleibt ohne Politik hier infrastrukturell nach- auf Landesebene dafür werben, dass sich Resonanz. Das muss so schnell wie möglich justieren? diese Menschen wieder engagieren. wieder anders werden, und da versuchen RASCHE: Wir haben tatsächlich mehr LÖTTGEN: Wir beschäftigen uns damit, wir, die notwendigen Voraussetzungen zu in infrastrukturelle Verbesserungen zum wie die Konsequenzen für die Vereine in schaffen. Beispiel bei Rad- und Fußwegen investiert
20 Im Gespräch als jemals zuvor. Aber natürlich muss Schwimmen gilt als eine Kulturtech- man sich die aktuellen Entwicklungen an- nik wie Lesen und Schreiben. Die schauen und beobachten, ob sich die Ent- Schwimmbäder waren bzw. sind seit wicklung des geänderten Bewegungs-Frei- Monaten geschlossen – Schwimmen zeitverhaltens der Bevölkerung nach der lernen fällt aus. Wie lange kann man Pandemie verstetigt. Dann müssen wir si- das hinnehmen und sehen Sie Licht cherlich noch einmal bedarfsgerecht nach- am Ende des Tunnels? justieren. Mir geht es darum, die Menschen LÖTTGEN: Wir werden sehr zeitnah zu motivieren, dass sie aufgrund der guten hier für Öffnungsperspektiven sorgen – Erfahrungen dabei bleiben und körperlich sobald es Corona zulässt. Darüber hinaus aktiv sind. ist mir wichtig, dass dafür gekämpft wird, dass auf keinen Fall irgendwo in einer Kommune eventuell das letzte verbliebene Schwimmbad geschlossen wird. Das darf einfach nicht geschehen. Christof Rasche (FDP) Gerade für Menschen mit Migra tionshintergrund ist Schwimmen Darüber hinaus gibt es ja im Rahmen des lernen und Schwimmen können Städtebau-Förderungsprogramms weitere ein Problem… Unterstützungsmöglichkeiten für Bewe- RASCHE: Schwimmen genauso wie gung, auch gerade für schwierigere Stadt- Bildung generell darf niemals eine Frage teile. Stadtentwicklung und Sport werden der Herkunft sein. Es darf auf keinen Fall hier zusammengedacht. durch die Pandemie eine Generation der RASCHE: Im Mai nächsten Jahres sind Nichtschwimmer entstehen. Um durch die Landtagswahlen. Und wenn diese Koali- Pandemie verpassten Schwimmunterricht tion bestätigt wird, hat der Sport weiterhin nachzuholen, haben wir auch im Haushalt einen absolut verlässlichen Partner. zusätzliche Mittel eingestellt. Jeder Grund- Bodo Löttgen (CDU) schüler muss am Ende dieser Schulphase Können Sie sich vorstellen, dass es Schwimmen gelernt haben. Das ist unsere Das 300 Millionen-Euro-Programm bei einer Neuauflage Schwerpunkt- Maxime. der Landesregierung „Sportstätte setzungen wie zum Beispiel energe- 2022“ kommt bei den Vereinen tische Sanierungen geben wird? sehr gut an. Das Programm endet RASCHE: Da sollten wir gemeinsam im Wahljahr… Kann der Sport mit überlegen, was der richtige Weg ist. Ich weiterer Unterstützung rechnen, halte viel davon, nicht zu viele Vorgaben gesetzt Sie bleiben in Regierungs- für Förderprogramme zu machen, weil die verantwortung? Verantwortlichen vor Ort oft viel besser LÖTTGEN: Zuerst einmal: Wir in NRW wissen, was zu tun ist. Darin sehe ich den legen ein besonderes Augenmerk auf die besseren Weg, als dass wir hier in Düssel- Breitensportvereine. Das zeigt unsere Wert dorf vom grünen Tisch aus entscheiden. Das ganze Interview mit weiteren schätzung. Mit diesem Programm, das übri- LÖTTGEN: Ich teile die Meinung von Statements zu „Bürokratie und Sport“, gens deutschlandweit in der Summe einzig- Christof Rasche. Hätten wir das Programm Olympia an Rhein Ruhr, artig ist, können wir den Vereinen wirklich zum Beispiel auf energetische Sanierung zu nachhaltigem Sport und helfen. Ich will einem neuen Koalitions- beschränkt: Wie viele Maßnahmen hätten den Wahlen 2022: vertrag nicht vorgreifen. Aber ich denke dann nicht in Angriff genommen werden einmal: Wir werden uns dafür einsetzen, können? Das ist mein Politikverständnis: dass wir ein ähnliches Programm in Gang Wir nehmen die Wünsche der Basis auf: MAGAZIN.LSB.NRW setzen. Zuhören, entscheiden, handeln.
Foto Andrea Bowinkelmann WestLotto TOPTALENTE NRW Initiiert vom Landessportbund Nordrhein-Westfalen Breaking: Bboy Mayo (Mario Eckel) Verein: No Limits e.V., Trainer*in: Juzz (Julian Süßengut) Interview im magazin.lsb.nrw // Video go.lsb.nrw/2021toptalent3
Text Michael Stephan // Fotos Andrea Bowinkelmann (S.22, 24), Michael Stephan Bewegungsmangel bei Kindern 22 BEWEGUNGSNOTSTAND RAUS AUS DEM
23 DIE ALARMGLOCKEN SCHRILLEN. KINDER UND JUGENDLICHE LEIDEN MASSIV UNTER DEM LANGEN LOCKDOWN. DER MANGEL Semih-Can Oruc, Toptalent des DJK AN SPORT, BEWEGUNG UND Wiking Köln, hielt sich trotz Lockdown fit SOZIALEM KONTAKT HINTERLÄSST SPUREN AN KÖRPER UND PSYCHE. MIT UNABSEHBAREN FOLGEN. BE- SONDERS BETROFFEN SIND SOZIAL Der Wochenmarkt auf dem Liverpooler Platz in Köln-Chorweiler. Gele- gen unter endlosen Geschossreihen der umgebenden Hochhäuser prei- BENACHTEILIGTE JUNGE MEN- sen Händler ihre Ware an: Früchte, Gemüse, Kleidung. Ein bunter Mix SCHEN. ES IST ALTERNATIVLOS: DER aus Nationalitäten und Sprachen. Hier steht ein Basketballkorb, in des- sen Umfeld im Mai ein mobiles Impfzentrum installiert wurde. Eine BEWEGUNGSNOTSTAND MUSS EIN Notfallaktion, um in dem von Corona besonders betroffenen Stadtteil ENDE HABEN. DIE VEREINE TUN IHR akut zu helfen – teilweise lag die Inzidenz bei über 500. Nur wenige Kilometer weiter im Villenviertel Hahnwald näherte sich dieser Wert BESTES. EIN ZUSTANDSBERICHT übrigens der Null. Sozialer Gegensatz in Deutschland… AUS KÖLN-CHORWEILER UND BONN BAD GODESBERG. KONTAKT HALTEN IST SCHWIERIG „Wir verstehen uns als Verein mit einer sozialen Verantwortung“, sagt Lars Görgens, Geschäftsführer des DJK Wiking Köln, dem größten Ver- ein im Norden der Stadt und somit auch in Chorweiler. „Die Hälfte unserer Mitglieder hat einen Zuwanderungshintergrund. Aber es ist sehr schwierig, in diesen Zeiten den Kontakt zu halten. Gerade auch aufgrund sprachlicher Probleme ist in sozialen Brennpunkten der di- rekte, persönliche Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen vor Ort besonders wichtig. In Köln-Chorweiler zum Beispiel werden über 20 Sprachen gesprochen. “ 30 Online-Kurse biete der Verein an, immer- hin sechs Outdoor-Frisbee-Kurse mit je fünf Kindern liefen selbst im
24 Bewegungsmangel bei Kindern 80 PROZENT DER KINDER GEHT ES GUT, 20 PROZENT SIND ABER EBEN MIT BESONDEREM UNTERSTÜTZUNGSBEDARF, DAS SIND SEHR VIELE KINDER MIT MIGRATIONSHINTERGRUND. UND DIESE SCHERE WIRD NATÜRLICH DURCH DIE PANDEMIE VERSTÄRKT Franziska Giffey, ehemalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Der Medienkonsum hat in der Pandemie enorm zugenommen Lockdown. Deren Übungsleiter Jörg Benner beob- gesellt sich ein „Trägheitsfaktor“. Hatten diese jun- achtet: „Bei den Kindern, die länger nicht da waren, gen Menschen auf den ersten Lockdown mit ver- zeigen sich Schwierigkeiten mit der Koordination, stärkter Aktivität reagiert, so waren sie später ledig- Kondition und Technik. Außerdem droht Überge- lich noch 75 Minuten in der Woche in Bewegung. Die wicht zum großen Problem zu werden. Erst Recht Hälfte der Vor-Corona-Zeit. verloren ist die Generation älter als 14, die bekom- „Kinder konnten kaum noch zusammenkommen, men am wenigsten Bewegung.“ nicht mehr zusammen spielen, und das führte am „Untersuchungen zeigen, dass Kinder aus so- Ende dazu, dass gar kein Sport mehr für Kinder statt- zial schwachen Familien weniger aktiv, gesund- fand.“ Mit deutlicher Kritik reagierte Dr. Christoph heitlich stärker beeinträchtigt und weniger häufig Niessen, LSB-Vorstandsvorsitzender, im Deutsch- Vereinsmitglied sind, sowohl im Sport als auch im landfunk auf das Infektionsschutzgesetz der Bun- Bereich Kultur“, so der 4. Kinder- und Jugendsport- desregierung. Mit der „Notbremse“ war draußen bericht. Und die Freiburger Sportpädagogin Prof. zwar Vereinssport möglich, aber nur äußerst einge- Dr. Petra Gieß-Stüber warnte schon nach dem ers- schränkt. Dabei bestätigten alle wissenschaftlichen ten Lockdown: „Insbesondere Kinder und Jugend- Erkenntnisse, dass man draußen Sport durchaus so liche mit schwierigen ökonomischen und sozialen gut wie gefahrlos machen könne. Dr. Niessen: „Und Lebensbedingungen sind gefährdet, den Zugang da fragen wir uns, warum passiert das nicht, warum zum Sport zu verlieren und damit von gesundheits- werden Kinder hier regelrecht weggesperrt?“ bezogenen und sozialen Funktionen nicht profitie- ren zu können.“ „WIR VERMISSEN DICH“ KINDER: Mangel auch in Bonn. In Bad Godesberg steht Aziz MEHR KILOS Acharki, ehemaliger Bundestrainer der Deutschen Taekwondo Union und Vorsitzender des OTC-Bonn Der Wegfall dieser „Funktionen“ hinterlässt Spuren. in der Trainingshalle. Breitensportler*innen hatten Psychisch, sozial und körperlich (siehe Interview mit zum OSP-Leistungsstützpunkt lange keinen Zu- Dr. Matthias Marckhoff im magazin.lsb.nrw). Fast gang mehr. „Wir vermissen Dich Aziz!“ Ilyas und De- ein Drittel der vier- bis 17-Jährigen, die an einer nis Keskiner sind für den Pressetermin der „Wir im Studie des Karlsruher Instituts für Technologie teil- Sport“ gekommen und warten draußen. Sie haben nahmen, gaben an, zugenommen zu haben. Dazu ihren Trainer lange nur noch sonntags online gesehen.
25 Kinder sozial benachteiligter Familien leben oft in beengten Wohnverhältnissen
26 ABSTURZ* Bewegungsmangel bei Kindern GESAMTBEWEGUNGSZEIT in und außerhalb Verein (Minuten / Tag) -66,6 NACH DEM 2. LOCKDOWN VOR PANDEMIE: 142,4 ORGANISIERTES SPORTTREIBEN (Minuten / Tag) -24,7 „Das Zuhause-Sein hat genervt“, sind sich die Brü- der einig. Mutter Sabine wird deutlicher. „Kinder ha- ben in der Politik keine Lobby“ schimpft sie. „Sie ha- ben sonst sechsmal in der Woche Sport. Lange Zeit NACH DEM 2. LOCKDOWN hockten sie zu Hause, konnten nichts machen. Sie VOR PANDEMIE: 28,5 waren oft unausgeglichen und haben ein paar Kilo zugelegt.“ Auch die Eltern kamen an ihre Grenzen: „Normales Arbeiten war fast nicht mehr möglich und die Ferienangebote der Vereine, die uns immer entlastet haben, fielen auch noch aus.“ BILDSCHIRMNUTZUNG IN DER FREIZEIT „ES GIBT KINDER, (Minuten / Tag) DIE HABEN DAS WORT FÜR „HÜPFEN“ VERGESSEN“ Dabei hatten Denis und Ilyas noch Glück. Die Eltern +89,1 stehen finanziell solide da und zuhause haben sie einen kleinen Garten. Nicht selbstverständlich. Mit dem Umzug der Bundeshauptstadt nach Berlin hat sich auch die soziale Struktur des ehemaligen NACH DEM 2. LOCKDOWN Diplomatenviertels verändert. Heute ist das Bild wie VOR PANDEMIE: 133,3 selbstverständlich von arabischen Schriftzeichen und muslimischen Frauen mit Kopftuch mitgeprägt. Im Ortsteil Pennefeld, der Heimat des OTC ist, ha- ben sich soziale Hotspots entwickelt. In Zusammen- * Lt. Studie (2021) des Karlsruher Instituts für arbeit mit der AWO führt der OTC Hausaufgaben- Technologie (KIT) für Kinder und Jugendliche betreuung durch, aber: „Die Räumlichkeiten waren zwischen vier und 17 Jahren
27 DIE RATE DES ADIPOSITASRISIKOS WAR VOR ETWA EINEM JAHRZEHNT BEI KINDERN AUS SOZIOÖKONOMISCH BENACHTEILIG- TEN FAMILIEN ETWA DREIFACH HÖHER ALS IN FAMILIEN MIT HOHEM SOZIOÖKO NOMISCHEM STATUS. NUR EIN JAHRZEHNT SPÄTER IST DER UNTERSCHIED AUF DAS 4,1-4,4-FACHE ANGESTIEGEN (STAND 06.2020) Prof. Dr. Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender Ernährungskommission, Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin geschlossen. „Wir haben Flüchtlingskinder, die lernen hier deutsch, weil das daheim nicht gesprochen wird, das fehlte denen“, stellt Acharki fest. AWO-Mitarbeiterin An- gelika Weiß ergänzt: „Es gibt Kinder, die das Wort für „Hüpfen“ vergessen haben, oder nicht mehr richtig rückwärts gehen können.“ Das Dilemma: „Wir erreichten nicht alle“, sagt Acharki, „manche Kinder machten das Online-Training nicht mit, weil sie keinen Zugang hatten oder es ih- nen unangenehm war.“ Den Kindern fehlte zudem der Kontakt. „Man merkte das am Online-Training, wie die sich aufeinander gefreut haben.“ * Bemerkung: Bei Redaktionsschluss traten auf- grund rückläufiger Inzidenz Lockerungen in Kraft. „Abwärtsspirale ins Fitnesstief“ Interview mit Dr. Matthias Marckhoff, Universitätsklinikum Münster: MAGAZIN.LSB.NRW
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