Rechte & Privilegien Herrschaftspraxis in - Museumsverband Baden-Württemberg
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
1|2020 Einzelverkaufspreis 7,50 m Rechte & Privilegien Herrschaftspraxis in Stadt und Land STADTRECHT – Vor 500 Jahren PRIVILEGIEN – In Mannheim HERRSCHERIN – Wie Franziska war Freiburg vorbildlich galten besondere Freiheiten von Hohenheim regierte 1 MOMENTE 1|2020
RUBRIK: MUSEUMSLAND NEUES AUS DER MUSEUMSSZENE BADEN-WÜRTTEMBERGS Fotos für die Stadt Frühjahrstagung zur Digitalisierung Die Rubrik Museumsland berichtet in Zusammenarbeit mit dem Museumsverband Auf der Frühjahrstagung des Museumsverbands Baden-Württemberg e.V. regelmäßig über die Arbeit der Museumsleute im Südwesten – Baden-Württemberg geht es um digitale Strategien diesmal über die produktiven Folgen eines Coachingprogramms für Museen im ländlichen Raum. für die Zukunft. Zwei Museen aus Baden-Württem- berg sind Projektpartner im bundesweiten Programm „museum4punkt0“. In diesem Programm entwickeln Kultureinrichtungen neue Wege, um sich mit ihren Ein Vierteljahrhundert kleinstädtischen Lebens in über 30.000 eigener Geschichten anhand der Bilder, durch den Einsatz von Besucherinnen und Besuchern auszutauschen. Die Fotos: Der Gengenbacher Fotograf Friedrich Strohm hinterließ Medienboxen oder beim interaktiven Überarbeiten von Fotos. Anwendungen stehen nachher anderen Museen zur sie in Tausenden von Negativstreifen. Nun kann dieser Schatz Schließlich dringt das Erarbeitete durch öffentliche Präsentatio- Verfügung. Das Museum Narrenschopf Bad Dürrheim endlich gehoben werden: Denn das Museum Haus Löwen- nen aus der Grundschule hinaus in den Stadtraum. So entsteht Negativstreifen aus der Fotosammlung Strohm und das Fasnachtsmuseum Schloss Langenstein wer- berg in Gengenbach gehört zu den vier Museen im Sonder- Zugang zu Vergangenheit und Gegenwart der Heimatstadt, so mit Szenen aus den 1950er-Jahren: Martinimarkt, den auf der Tagung am 6./7. März 2020 in Radolfzell programm „Digitaler Wandel an nichtstaatlichen Museen im wachsen die Bildungs- und Kulturorte Schule und Museum mit Straßenszene, Grundsteinlegung, Tanzstunde, ihre Projekte vorstellen, von denen die ersten bereits ländlichen Raum“. Das individuelle Coaching durch die MFG dem Gemeinwesen enger zusammen. Küferhandwerk. online sind. Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg begann www.museum4punkt0.de im Februar 2018. Außer Gengenbach profitierten davon das Das „Stro(h)mern durch die Stadtgeschichte“ ist ein pionier- www.museumsverband-bw.de Hans-Thoma-Kunstmuseum in Bernau, das Franziskanermuse- haftes Vorhaben, das die Entwicklung einer Vermittlungsplatt- Element der Stadtentwicklung. Die Bilanz von bislang 150 Aus- www.virtuelles-fastnachtsmuseum.de um in Villingen-Schwenningen und das Erwin Hymer Museum form an der Schnittstelle von Schule und Museum zum Inhalt stellungen mit 500.000 Besuchern zeugt von der Richtigkeit in Bad Waldsee. hat. Die Motive der Fotos werden systematisch gesichtet und des Konzepts und vom besonderen Engagement des ehren- daraufhin getestet, ob sie für die schulische Bildungsarbeit und amtlichen Teams. Neue Regeln für das Volontariat Das Gengenbacher Projekt „Stro(h)mern durch die Stadt- die Identifikation mit dem Ort und seiner Geschichte nutzbar Seit 1. Juni 2019 gilt eine neue Verwaltungsvorschrift geschichte“ wird bis Ende 2021 umgesetzt. Es wird Teile der sind. Die Erschließung ist gleichzeitig Voraussetzung für die Di- Um diesen Zustand für die Zukunft zu sichern, ruht die Mu- des Wissenschaftsministeriums für die Ausbildung der Strohm’schen Foto-Sammlung für die Grundschule und mit der gitalisierung der gesamten Fotosammlung. Schritt für Schritt seumsarbeit auf vier Pfeilern. Erstens auf der Verbindung von wissenschaftlichen Volontärinnen und Volontäre in den Grundschule zum Leben erwecken, um Gengenbacher Stadt- und über die Projektlaufzeit hinaus wird in Gegenbach an der Ehrenamt (Förderverein Haus Löwenberg) und hauptamtlicher staatlichen Museen Baden-Württembergs. Sie enthält geschichte erlebbar zu machen. Dabei werden unterschiedli- museal-digitalen Nachhaltigkeit gearbeitet. Arbeit (Stadt Gengenbach). Zweitens auf der Verknüpfung lo- detaillierte Vorgaben für die praktische Umsetzung und che Wege zur Auseinandersetzung mit dem geschichtlichen kaler Kräfte mit überregionalen, ja internationalen Kontakten. unterstreicht den Ausbildungscharakter des wissen- Stoff auf einer digitalen Plattform gesammelt, erprobt und Es ist ein Meilenstein in der ohnehin bemerkenswerten Biogra- Dies wurde beispielhaft praktiziert in der Kooperation mit dem schaftlichen Volontariats. Auch regelt sie die Struktur Zeitzeugen (Eltern beziehungsweise Großeltern) interviewt. Die fie dieser Einrichtung: In über 40 Jahren entstand am Museum in Gengenbach geborenen Sammler Frieder Burda und dessen und den Ablauf der Ausbildung, um einseitige Schwer- „Strohmer“, engagierte Bürgerinnen und Bürger, stehen in Kon- Haus Löwenberg in Gengenbach ein Zentrum der Kultur- und Museum. Dadurch konnten hochrangige Kunstwerke gezeigt punkte zu vermeiden. Die Vorgaben der Verwaltungs- takt mit den Kindern: ob beim „Erzählcafé“, ob beim Schreiben Bildungsarbeit. Zugleich erwies es sich als ein wesentliches werden, etwa von Baselitz, Richter, Polke und Warhol. Dritter vorschrift können (und sollten) auch für Volontariate in Pfeiler ist die Bündelung lokaler Kräfte, quasi als „Zellteilung“ nichtstaatlichen Museen beispielhaft sein. bürgerschaftlichen Engagements. Dafür steht vor allem der Gengenbacher Adventskalender, der eng mit dem Museum https://kurzelinks.de/vwvvolontariat Haus Löwenberg verknüpft ist. Seit über 20 Jahren stellt der Adventskalender ein „Open- Air-Kunstprojekt“ dar; bis 2021 strahlen die Illustrationen zur Saint-Exupéry-Geschichte „Der Museumsreise 2020 kleine Prinz“ von den Fenstern des Gengenbacher Rathauses. jetzt buchbar Der Brückenschlag zwischen den Generationen mit pädagogi- In Zusammenarbeit mit den Schwäbischen Heimatbund schen Projekten ist der vierte Grundpfeiler im Gesamtkonzept veranstaltet der Museumsverband Baden-Württemberg des Museums. Das Stadt-Projekt etwa, das ganzjährig mit al- im Oktober 2020 eine Museumsreise nach Bayern. Vom len Gengenbacher Kindergärten durchgeführt wird, erhielt 2015 8. bis 11. Oktober führt die von Museumsspezialisten den Deutschen Lesepreis. Insgesamt leistet das Museum Haus konzipierte Fahrt zu spannenden Neugründungen Löwenberg mit seiner Stadtpädagogik einen wichtigen Beitrag und wichtigen Gedenkstätten im Nachbarland. Dort Die Ausstellung zur Identifikation der Einwohner mit ihrer Stadt. gewähren Kuratorinnen und Kuratoren museumsspe- „Wunderland zifische Blicke hinter die Kulissen, unter anderem des Löwenberg“ im Textil- und Industriemuseums Augsburg, des Hauses Gengenbacher Reinhard End hat Germanistik, Geschichte und Politik studiert und der Bayerischen Geschichte in Regensburg sowie der Museum 2019 mit ist künstlerischer Leiter des Museums Haus Löwenberg und des KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Stationen der Reise sind Exponaten aus Gengenbacher Adventskalenders sowie Vorsitzender des Fördervereins Augsburg, Regensburg und Bamberg. der Sammlung Haus Löwenberg e.V. Cohnen. http://schwaebischer-heimatbund.de/ » Reise 42 24 MOMENTE 1|2020 25 MOMENTE 1|2018 1|2020
2|2020 Einzelverkaufspreis 7,50 m Gedenken & Erinnern Arbeiten mit der Geschichte SIGMARINGEN – 1944/45 residierte INTERVIEW – Der Geschmack der DENKMÄLER – Ein vergessener hier Frankreichs Regierung Freiheit im Rosgartenmuseum Produktionszweig der WMF 1 MOMENTE 2|2020
RUBRIK: MUSEUMSLAND NEUES AUS DER MUSEUMSSZENE BADEN-WÜRTTEMBERGS Erfolgsrezept Vernetzung!? aus eigener Initiative. Grundlegend ist eine einfache, unkompli- zierte Zusammenarbeit. Behindernd wirken zu viel Bürokratie sowie zu enge und zu strenge Vorgaben. Ein gutes Netzwerk ist flexibel, damit man sich je nach Thema und Anforderung Coaching Eine für Museen Headline mit unterschiedlichen Partnern zusammentun kann. Die Part- im Wandel zweizeilig Die Rubrik Museumsland berichtet in Zusammenarbeit mit dem Museumsverband ner sind gleichberechtigt. Personalkosten für die Netzwerkar- Erneut bietet die Medien- und Filmgesellschaft Xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx beit müssen mitgedacht werden. Hier gab es einen konkreten Baden-Württemberg e.V. regelmäßig über die Arbeit der Museumsleute im Südwesten – Wunsch an die Politik: Bisher ist die staatliche Förderung meist Baden-Württemberg xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx (MFG) mittelgroßen Museen im Land ein Paket an Coachings, Netzwerkveranstal- diesmal über Vorteile und Hindernisse beim „Networking“ sehr kurzfristig angelegt, was die Gefahr der „Projektitis“ birgt. tungen und Workshops an. Von Mai 2020 bis Mai Um Netzwerke aufbauen zu können, bedarf es längerer Lauf- 2021 unterstützt das Programm „Museen im Wandel zeiten. Eine Headline II“ vier ausgewählte nichtstaatliche Museen dabei, Vernetzung ist ein „Zauberwort“ – für genen Jahren mit grenzüberschreitender anders gestalten will. Nicht außer Acht Was ist der Mehrwert, wenn sich Ehrenamtliche und Förderer zweizeilig digitale Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Diese Maßnahmen können sich auf die bestehende Akteure in der Museums- und Kultursze- Netzwerkarbeit in der Region sein Profil zu lassen sind personelle und finanziel- für das jeweilige Museum engagieren? Diese Frage bestimmte Xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Sammlung, auf aktuelle Ausstellungen oder sonstige ne ebenso wie für die Politik. Sie bietet nachhaltig geschärft hat. In drei Arbeits- le Ressourcen und politische Unterstüt- das dritte Diskussionsforum. Zu den wichtigsten Erfolgsbedin- xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Initiativen beziehen. Das Programm bietet 10.000 die Chance, die Qualität der Arbeit zu gruppen konnten die Teilnehmer ihre zung. Hinderlich für gute Zusammenar- gungen zählen klare Absprachen, die rechtliche Absicherung Euro Anschubfinanzierung sowie ein maßgeschnei- verbessern, neue Zielgruppen zu gewin- vielfältigen Vernetzungserfahrungen ein- beit können dagegen zu viele Partner, der Ehrenamtlichen, ein gutes Konfliktmanagement und eine dertes Coaching. Alle anderen Museen im Land kön- nen, Synergien zu nutzen und Menschen bringen. eine zu lange Laufzeit einzelner Projekte, angemessene Anerkennungskultur. Nötig ist auch eine gute aktiv an der Kulturarbeit zu beteiligen. die Vereinnahmung eines Partners oder dauerhafte Betreuung, die Ansprechpartner verlangt und Zeit Eine nen Headline von den allgemein zugänglichen Workshops und Webinaren zweizeilig im Rahmen des Programms profitieren. Doch sind Netzwerke immer ein Erfolgs- Im ersten Workshop ging es um die Ver- Lobbyismus sein. braucht. rezept? Kritisch gefragt: Wann kippt die netzung mit der Stadtgesellschaft als https://www.digital-bw.de/-/museen-im-wandel Xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Abwägung der Kosten-Nutzen-Frage zu wichtige Möglichkeit, um die Museen in Den Netzwerken zwischen Museen galt Das Potenzial der Ehrenamtlichen gilt es richtig einzuschätzen, xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Ungunsten von Netzwerkarbeit? Oder der Öffentlichkeit zu verankern. Abge- die Diskussion in der zweiten Arbeits- man darf sie nicht überfordern. Daher sollte auch die Erwar- andersherum: Was sind die Vorausset- sehen von der umsichtigen Auswahl ist gruppe. Sie benannte vier Erfolgsfakto- tungshaltung nicht zu hoch sein und das Engagement der Per- Kunstwerke digital zungen, damit Netzwerke erfolgreich es entscheidend, sich auf spartenüber- ren: eine vertrauensvolle Kommunikation sonen nicht überstrapaziert werden. Zahlreiche Ehrenamtliche sein können? greifende Partner aus Kultur und Gesell- zwischen den handelnden Personen, ei- schätzen Routine, während sich vor allem jüngere Ehrenamtli- präsentieren schaft einzulassen. Unabdingbar ist es, nen konkreten Nutzen für jeden Partner che nicht mehr dauerhaft binden möchten. Für diesen Perso- Die Kunsthalle Mannheim und das Kunstmuseum Diese Fragen standen im Mittelpunkt der sich gegenseitig zu schätzen, das eigene aus der Zusammenarbeit, eine klare Ar- nenkreis bieten sich zeitlich überschaubare Projekte an. Ein Stuttgart erhalten gemeinsam 880.000 Euro aus Arbeitstagung des Museumsverbandes Handeln zu reflektieren, die Bedürfnisse beitsteilung und die Nutzung von Syner- Beispiel aus dem Technoseum Mannheim verbindet beides: dem Fonds Digital der Kulturstiftung des Bundes. Baden-Württemberg am 18. Oktober des anderen zu erkennen und konfliktfä- gieeffekten. Schülerinnen und Schüler aus Kooperationsschulen evaluieren Finanziert wird damit ein vierjähriges Projekt namens 2019 im Dreiländermuseum Lörrach. hig zu sein. Scheitern zuzulassen ist da- im Schülerbeirat einzelne Ausstellungen. Dieser Beirat schafft „Vom Werk zum Display“. Dahinter steckt der Ganz bewusst wurde das Haus als Ta- bei ebenso wichtig wie die Evaluierung, Im Idealfall ist das Netzwerk nicht „von zugleich eine Struktur, um junge Menschen dauerhaft für die Anspruch, für jedes Werk auch im digitalen Raum die gungsort gewählt, weil es in den vergan- wenn man künftige Projekte besser oder oben“ aufgezwungen, sondern entsteht Arbeit des Museums zu interessieren. optimale Präsentationsform zu finden. Denn wäh- rend im Museum Skulpturen, Grafiken oder Gemälde Als zentrale Erkenntnisse der Tagung, die auch für die Kulturpo- jeweils optimal in ihrer jeweiligen Beschaffenheit litik wichtig sein können, lassen sich fünf Punkte festhalten: Er- präsentiert werden, sind digitale Datenbankeinträge folgreiche Netzwerkarbeit erwächst am besten aus sich selbst. bislang stets gleich formatiert. Sie kann von höherer Stelle angeregt, aber kaum explizit ge- fordert werden. Sie benötigt Freiräume, um sich zu entwickeln. Darüber hinaus zeichnet sich erfolgreiche Netzwerkarbeit durch langen Atem aus: Langjährig gewachsene Beziehungen, Museumsdepot für die Vertrauen und langfristige Ziele sind entscheidend. Zum dritten Öffentlichkeit in Wangen werden Netzwerke schwieriger, je größer das thematische oder 2019 erhielt Wangen im württembergischen Allgäu räumliche Gebiet ist. Auch zu viele Partner können ein Hemm- ein neues Museumsdepot. Die Räume in einem nis sein. Viertes Schlagwort: wenig Bürokratie. Netzwerkarbeit ehemaligen Möbelhaus ermöglichen ein besonderes benötigt eine einfache Verwaltung und Kostenabrechnung. Und Konzept: Parallel zur professionellen Unterbringung schließlich: Förderinstrumente, Formate und Ausschreibungen der Objekte entsteht unterstützt durch EU-Förder- sollten möglichst offen angelegt sein, damit auch bereits be- mittel und Gelder der Landesstelle für Museumsbe- stehende Ansätze und das vorhandene vielfältige Potenzial an treuung ein Schaudepot für die Öffentlichkeit. Erste Akteuren davon profitieren können. Führungen für interessierte Gruppen haben bereits stattgefunden, ein regelmäßiger Betrieb ist für 2021 geplant. Jan Merk ist Präsident des Museumsverbands Baden-Württemberg und leitet das Markgräfler Museum Müllheim, Silke Höllmüller ist Engagiert diskutiert wurde auf der Herbsttagung des Museumsverbandes am 18. Oktober 2019 in Lörrach über konkrete Erfahrungen Vorsitzende des Landesverbands Museumspädagogik und arbeitet am mit Chancen und Hemmnissen von Netzwerkarbeit. Stadtmuseum in der Tonofenfabrik Lahr. 28 MOMENTE 2|2020 29 MOMENTE 1|2018 2|2020
3|2020 Einzelverkaufspreis 7,50 m Momente kennenlernen: kostenloses Probeexemplar Weite Welt unter Südwestdeutsche Geschichten www.staatsanzeiger.de/ shop von Ferne und Entfernung BRIEFWECHSEL – Eine Gräfin INTERVIEW – Die Wilhelma war SPURENSUCHE – Wie Kolonial- korrespondierte mit ganz Europa ein exotisches Refugium objekte nach Offenburg kamen 1 MOMENTE 3|2020
RUBRIK: MUSEUMSLAND NEUES AUS DER MUSEUMSSZENE BADEN-WÜRTTEMBERGS Museen digital erleben Museumspreis 2020 wird verlost Die Rubrik Museumsland berichtet in Zusammenarbeit mit dem Museumsverband Der Lotto-Museumspreis wird in diesem Jahr in sechs Baden-Württemberg e.V. regelmäßig über die Arbeit der Museumsleute im Südwesten – diesmal Teile à 5.000 € geteilt und verlost (die Verlosung fand während des Drucks dieser Momente-Ausgabe statt). darüber, wie es Museen gelingen kann, ihr Publikum auf digitalen Wegen anzusprechen. Alle nichtstaatlichen Museen in Baden-Württemberg mit einem hohen Anteil ehrenamtlicher Kräfte konnten sich bewerben. Lotto Baden-Württemberg und der Museumsverband als die Auslober des Preises verzich- Die Museumswelt steht vor einem tief- zeit waren digitale Angebote – virtuelle jekt museum4punkt0, gefördert von der Das Museum Narrenschopf Bad Dürrheim macht mit VR-Brillen teten wegen der Corona-Pandemie auf einen qualitati- greifenden Wandel: Immer mehr Be- Live-Stream-Führungen auf Instagram, Beauftragten der Bundesregierung für und einer Kuppelprojektion die Fastnacht ganzjährig erlebbar. ven Wettbewerb. Wie alle anderen Kulturinstitutionen sucher – längst nicht mehr nur die Ge- 360°-Rundgänge oder 3-D-Sammlungen Kultur und Medien (BKM). Hieran sind sind die Museen vom Shutdown und den noch andau- neration der Digital Natives – sind es – der einzige Weg, um das Publikum zu auch Museen aus Baden-Württemberg ernden Einschränkungen massiv beeinträchtigt. gewohnt, digitale Medien zu nutzen und erreichen. Nicht nur weil Social Distan- beteiligt. Über die Grenzen der einzelnen selbst digitale Inhalte zu schaffen. Vor cing weiterhin wichtig bleibt, sollten die Häuser hinweg werden gemeinsam inno- len Wandel in der musealen Vermittlung aktiv zu gestalten und Ort im Museum können Menschen in an- Museen digitale Angebote dauerhaft im vative digitale Angebote für neue Arten dauerhaft zu etablieren. Wer mit der (digitalen) Inventarisierung derer Weise angesprochen und einbezo- Blick behalten. des Lernens, Erlebens und Partizipie- seiner Sammlung hoffnungslos hinterherhinkt, wer die Öffent- Umfragen zur aktuellen gen werden als bisher. rens in Museen entwickelt. So arbeitet lichkeitsarbeit „nebenbei“ erledigen muss, bei wem eine Aus- Seit einigen Jahren fördern Land und beispielsweise das Fasnachtsmuseum stellung die nächste jagt – für den scheinen innovative digitale Situation der Museen Weitergehende Angebote im Netz haben Bund verschiedene Projekte, die die Ent- Schloss Langenstein an einem virtuel- Vermittlungsangebote außerhalb jeder Reichweite. Der Museumverband Baden-Württemberg startete inzwischen gute Chancen, wirklich ge- wicklung, Erprobung und Realisierung len Guide, der eine personalisierte und Anfang Mai eine Blitzumfrage zur aktuellen Situation nutzt zu werden, nicht nur wegen der Co- einzelner digitaler Vermittlungsangebote individualisierte Form der Wissensver- Auf der Frühjahrestagung des Museumsverbands Baden-Würt- der Museen. 112 Häuser antworteten. Die Moment- rona-Pandemie. Während der Schließ- ermöglichen. Eines ist das Verbundpro- mittlung bietet. Unabhängig von einem temberg am 6. und 7. März 2020 wurden daher Bedingungen aufnahme im Monat der Wiederöffnungen ergab unter physischen Gerät interagiert der Guide für erfolgreiche Digitalisierungsvorhaben diskutiert. Unter dem anderem, dass Kurzarbeit vor allem von den privaten mit den Besuchern über einen vernetz- Titel „Digitale Vermittlungsideen für das Museum der Zukunft. Museen und nur selten von kommunalen Trägern ten, in die Ausstellung integrierten Tech- Das Verbundprojekt museum4punkt0“ nahmen Vorträge und genutzt wurde. Die Erfahrungen aus den ersten Öff- nologiemix aus festinstallierten Displays, Workshops bisherige Erfahrungen in den Blick und suchten nungswochen fragt die Landesstelle für Museumsbe- Projektionen, Augmented-Reality- und nach Wegen in die Zukunft. treuung in einer zusätzlichen Umfrage ab. Im Fasnachtsmuseum Mixed-Reality-Anwendungen. Unsicht- Schloss Langenstein wird ein Chatbot bar im Hintergrund wirken Sensoren, Wollen die Museen im Land flächendeckend und über alle Un- den Museumsbesuch der Gäste ein komplexes Datenbanksystem und terschiede hinweg ihre Vermittlungsarbeit weiter digitalisieren, individuell gestalten. Machine-Learning-Algorithmen (Künstli- sind Vernetzung, Wissenstransfer und offener fachlicher Aus- Hackathon nutzte Daten che Intelligenz). Auf einem persönlichen tausch unerlässlich. Nicht jedes Museum muss bei der Ent- aus Museen und Archiven Avatar in Form einer Fasnachtsmaske wicklung eines digitalen Vermittlungsangebots zwangsläufig Auf einem Hackathon am 16./17. Mai haben mehr werden Informationen und Interessen- von vorne beginnen. Denkbar und gewünscht sind Plattformen, als 80 Studierende mit offenen Kulturdaten aus schwerpunkte gespeichert, die die Be- auf denen die Museen ihre Erfahrung mit konkreten digitalen baden-württembergischen Museen und Archiven sucher an einer Initialisierungsstation Vermittlungsangeboten teilen und dahinterliegende Quellcodes gearbeitet. Das Veranstaltungsformat vereint die und während des Ausstellungsbesuchs – sofern rechtlich zulässig – anderen Häusern zur Verfügung Begriffe Hacken und Marathon und wurde von der MFG preisgeben. Dadurch kann das Besuchs- stellen. Baden-Württemberg im Rahmen ihrer Initiative „Open erlebnis über entsprechend persona- Culture BW meets VR“ angeboten. 17 neuartige Virtu- lisierte Dialoge individuell angepasst Wichtig ist es für die einzelnen Häuser, eine Gesamtstrategie al- und Augmented-Reality Anwendungen entstanden, werden. für digitale Vermittlung zu erarbeiten. Sonst besteht die Gefahr deren ausgearbeitete Versionen im Oktober 2020 prä- kleiner, unzusammenhängender und doch ressourcenintensi- sentiert werden. Die Daten stammten vom Landesar- Doch wie können die Museen jenseits ver Inselprojekte, die keine klare Ausrichtung erkennen lassen. chiv Baden-Württemberg, dem Museum der Universität solcher zeitlich befristeter, staatlich ge- Digitalisierung muss – in allen Bereichen eines Museums – zu Tübingen, der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, dem förderter „Leuchtturmprojekte“ digitale einer Kernaufgabe werden, nicht zu einer zusätzlichen „Be- Stadtmuseum Tübingen sowie dem Zeppelin Museum Wege konsequent und mit Erfolg be- lastung“. Hierfür sind weitreichende und langfristige Verände- Friedrichshafen. schreiten? Gerade kleine und mittlere rungsprozesse notwendig, die zu beschreiten es sich jedoch Häuser stehen bei der Umsetzung digi- für die Museen lohnt. taler Vermittlungsangebote oft vor gro- ßen Schwierigkeiten. Sie verfügen in der Christina Reichl-Gulde M.A. ist Projektkoordinatorin des von Regel nicht über die personellen und der BKM geförderten Projekts „Kulturelle Vielfalt im Donauraum“ finanziellen Ressourcen, um den digita- am Donauchwäbischen Zentralmuseum in Ulm. 26 MOMENTE 3|2020 27 MOMENTE 1|2018 3|2020
4|2020 Einzelverkaufspreis 7,50 m Identifikation Wenn die Vergangenheit Gemeinschaft stiftet TRACHTEN – Warum sie immer KELTEN – Wie ihre Metropole ORDEN – Was es mit dem Bundes- schon Identität schufen auf der Heuneburg erlebbar wird verdienstkreuz auf sich hat
RUBRIK: MUSEUMSLAND NEUES AUS DER MUSEUMSSZENE BADEN-WÜRTTEMBERGS Wenn Losglück die Die Corona-Pandemie fordert auch von den Museumsleuten viel Flexibilität. Dass der frühere Museumsbetrieb bald wieder aufge- nommen werden kann, ist eher unwahrscheinlich. Auch der gut eingeführte Museumspreis, mit dem Lotto Baden-Württemberg Pandemie trifft Museen Motivation befeuert seit sechs Jahren nichtstaatliche Museen fördert, konnte 2020 Im Sommer 2020 erhob die Landesstelle für Museums- nicht wie geplant verliehen werden, da ein qualitativer Wettbe- betreuung die Folgen des Lockdowns für Museen. Die werb nicht möglich war. Lotto Baden-Württemberg hat den Preis finanziellen Verluste sind enorm und viele freie Mitarbeiter daher in eine Verlosung umgewandelt und den Fokus auf ehren- von komplettem Einnahmeausfall betroffen. Oft kann das amtliche Museumsarbeit gelenkt: Für „MuseumsGlück“ konnten Museum nur mit deutlich höherem Aufwand betrieben wer- Die Rubrik Museumsland berichtet in Zusammenarbeit mit dem Museumsverband sich Museen bewerben, in denen mindestens zwei Drittel des den, da etwa Aufsichtskräfte zur Risikogruppe gehören. Personals ehrenamtlich tätig ist. Rund 240 Häuser haben mitge- Baden-Württemberg e.V. regelmäßig über die Arbeit der Museumsleute im Südwesten – macht, sechs davon erhielten bei der Ziehung im August jeweils https://kurzelinks.de/358t diesmal über die coronabedingte Umwandlung des Lotto-Museumspreises 5.000 Euro (siehe Abb. links). Jan Merk, Präsident des Muse- in eine Verlosung und deren Wirkung auf ehrenamtlich unterstützte Museen. umsverbandes Baden-Württemberg, meint dazu: „Die hohe Be- Preis 2021 wieder geplant teiligung in diesem Jahr zeigt, dass wir mit der Verlosung genau die Richtigen angesprochen haben.“ 2021 wollen Lotto Baden-Württemberg und der Museums- verband den Lotto-Museumspreis wieder als quali- Im Museum am Lindenplatz in Weil am Rhein etwa konzipiert tativen Wettbewerb ausschreiben. Prämiert werden her- und erarbeitet ein ehrenamtlicher Museumskreis sämtliche Aus- ausragende Ausstellungskonzepte, gelungene Kooperatio- stellungen. „Wir entscheiden gemeinsam und die Leute bringen nen oder museumspädagogische Angebote in nichtstaatli- je nach Hintergrund ihre unterschiedlichen Fähigkeiten ein“, lobt chen Museen. Museumsleiterin Barbara Brutscher die Zusammenarbeit. Die meisten Ehrenamtlichen sind schon im Ruhestand und daher sensibilisiert für das Thema Barrierefreiheit. Die Corona-Pande- ANZEIGE mie hat die Arbeit sehr beeinträchtigt, da viele zur Risikogruppe gehören und sich nicht mehr treffen können. Ganz andere Folgen hat die Pandemie im Weinbaumuseum in Er- lenbach bei Heilbronn. Das Museum ist gerade geschlossen, weil Bücher das Dach des Gebäudes von 1574 saniert wird. Der Förderver- ein, der das Museum betreibt, hatte währenddessen ein Muse- E-Books umskonzept sowie ein Handbuch mit Entwicklungsmöglichkeiten des Hauses erarbeitet. Wegen der Corona-Krise hat die Gemein- de ihre Finanzierungszusage aber zurückgestellt. „Wir können Zeitschriften Das Muschelkalkmuseum Hagdorn in Ingelfingen kauft neue Objekte an. Das Jüdische Museum Emmendingen plant ein Forschungsprojekt. Das Weinbaumuseum Erlenbach erneuert nach der Sanierung seine Ausstellung. jetzt nur mit kleinen Schritten starten“, sagt der Vereinsvorsitzen- de Thomas Herrmann, der Ende 2021 wiedereröffnen möchte. Spiele „Die 5.000 Euro sollen in eine Multimedia-Station fließen, die wir uns im ersten Abschnitt sonst nicht geleistet hätten.“ Lernmedien Das Archäologische Hegau-Museum Singen kostet keinen Ein- Materialien tritt und ist damit einer der wenigen nicht-kommerziellen Auf- enthaltsorte in der Stadt. Nach dem Lockdown kamen deshalb sehr viele Familien. „Wir verstehen uns als Bürgermuseum“, sagt Museumsleiter Ralph Stephan. „Auch wenn es Zeit kostet, Eh- Besuchen Sie unsere LpB-Shops! renamtliche zu schulen und einzubinden – es ist eine ungeheure Freiburg | Heidelberg | Stuttgart Bereicherung.“ Die Beispiele zeigen, wie sehr Museumsarbeit dem gesell- schaftlichen Zusammenhalt dient und wie sehr gerade klei- ne Häuser die Kulturarbeit in der Fläche übernehmen. Nicht umsonst diskutierte der Museumsverband Baden-Württemberg auf seiner Herbsttagung Mitte Oktober „Die gesellschaftliche Bedeutung von Museen in und nach der Krise“: Man will für die kommenden Verteilungskämpfe gewappnet sein. Das Hagnauer Museum im Hof Das Archäologische Hegau-Museum Das Museum am Lindenplatz in Weil am lpb-bw.de/shop modernisiert sein Vermittlungskonzept. Singen plant neue Mitmachstationen. Rhein erhält einen barrierefreien Zugang. Meike Habicht 26 MOMENTE 4|2020 27 MOMENTE 1|2018 4|2020
Sie können auch lesen