Relevant - Nah dran Welche Rolle die Zeitungen in der Region spielen - BDZV

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Relevant - Nah dran Welche Rolle die Zeitungen in der Region spielen - BDZV
relevant.
Das Magazin des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger   Nr 2 | 2021

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   ZE IT
 Z A H I T U NG S
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 Bran N 202
      chen        1
    des bericht
       BDZ
           V

Nah dran
Welche Rolle die
Zeitungen in der
Region spielen.
Relevant - Nah dran Welche Rolle die Zeitungen in der Region spielen - BDZV
MANIFEST

         Zeitungen sind und
          bleiben relevant.
            Unabhängige Zeitungen
           sind unerlässlich für eine
           pluralistische Meinungs-
             und Haltungsbildung
            in der Demokratie. Ihre
              Existenz ermöglicht
             verantwortungsvollen
                 Journalismus.

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VORWORT

                                                             Liebe Leserinnen und Leser,
                                                             Abstand halten. In der Pandemie ein Schlüssel,             schaft des Handballvereins, die edelfedernde Kul-
                                                             um die Ausbreitung von Covid-19 zu vermeiden.              turredakteurin oder die immer wieder aufs Neue
                                                             Und wie schwer es uns gefallen ist, Abstand zu             überraschend amüsante Glosse des Redaktions-
                                                             halten, auf das Beisammensein zu verzichten,               leiters. All das ist ein Stück Heimat, das uns die Ta-
                                                             zeigt, wie wichtig uns das Gegenteil ist: Nähe. Sel-       geszeitungen nahebringen und damit Menschen
                                                             ten war die Sehnsucht nach ihr größer. Seitdem             und Regionen zusammenhalten. Auch, wenn wir
                                                             immer mehr Menschen geimpft sind, können wir               nicht immer zwingend mit dem übereinstimmen,
                                                             sie wieder mehr erleben.                                   was wir in der Tageszeitung sehen und lesen, so
© Fotos: Bernd Brundert/BDZV, Coverfoto: AdobeStock/fottoo

                                                             Ein Anker für Nähe, Vertrautheit und Zugehörig-            ist sie für uns identifikationsstiftend, ein wichti-
                                                             keit sind und waren schon immer die örtlichen              ger Demokratieverstärker und Wohlfühlfaktor in
                                                             Tageszeitungen. In der andauernden Ausnahme-               unserem Alltag – ganz ohne Abstand.
                                                             situation Pandemie ein Stück Normalität zum
                                                             Anfassen. Vertraute Gesichter der Gemeinde: die            In diesem Sinne: Wir wünschen eine anregende
                                                             Bürgermeisterin, der kultige Fischhändler vom              Lektüre. Bleiben Sie gesund!
                                                             Wochenmarkt, das unterschätzte Jazz-Quartett,
                                                             die stets bemühte erste, zweite und dritte Mann-           Ihre Redaktion

                                                             Alexander von Schmettow                     Dr. Andrea Gourd                           Hans Hendrik Falk

                                                                                                                    3                                    relevant. 2|2021 INTRO
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INHALT

 DIE KERNFRAGEN

           Schätzen wir den Wert von Nähe jetzt anders?
           Wie wichtig ist es, nah an den Menschen und
           dem lokalen Geschehen zu sein?

 POLITIK

           06 M
               EINUNG „DIE ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN
              MISSACHTEN DIE FREIE PRESSE“
                   Wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den privaten Pressemarkt
                   eingreift und den Zeitungen damit das Leben schwer macht.

           12 WISSEN DREI FRAGEN AN AXEL VOSS
                   Das noch junge Leistungsschutzrecht könnte zum Wendepunkt für
                   Verlage werden. Wie, beantwortet Europaparlamentarier Axel Voss.

           14 ANWENDUNG GLEICHWERTIGE LEBENSVERHÄLTNISSE
              IN STADT UND LAND FÖRDERN
           	Regionale Daseinsvorsorge ist hochaktuell – und ein Thema, bei dem die
             Zeitungen vielfältige Lösungen bieten.

 MARKT

           18 MEINUNG NAH DRAN
           	Warum Demokratie lokalen Journalismus braucht und die Tageszeitungen
             dafür unverzichtbar sind.

IMPRESSUM Herausgeber: Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V., Haus der Presse, Markgrafenstraße 15, 10969 Berlin,
Telefon: +49 (0) 30 72 62 98-0, E-Mail: bdzv@bdzv.de, www.bdzv.de Inhaltlich verantwortlich: Alexander von Schmettow Redaktion: Alexander von
Schmettow (Chefredakteur), Hans Hendrik Falk, Dr. Andrea Gourd Konzept, Design & Produktion: Starmühler Agentur & Verlag GmbH, www.starmuehler.at
Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit wird teilweise auf geschlechtsspezifische Formulierungen verzichtet.

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INHALT

   24 WISSEN ZUR WIRTSCHAFTLICHEN LAGE
       DER DEUTSCHEN ZEITUNGEN
        Die BDZV-Umsatzerhebung zeigt, wie es nach dem Pandemie-Jahr
        um die Situation der Verlage im Werbe- und Lesermarkt steht.

   28 ANWENDUNG I AM LIEBSTEN AUS DER REGION
   	Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und räumliche Nähe für Verbraucher?
     Und was bedeutet das für ihren täglichen Einkauf?

   32 ANWENDUNG II „LOKALE NÄHE IST EIN ECHTES
       PFUND IN DER VERMARKTUNG“
   	Wie zahlt lokale Nähe auf das Werbegeschäft der Zeitungen ein?
     Antworten gibt Score-Media-Geschäftsführer Carsten Dorn.

PERSPEKTIVEN

   36 MEINUNG „BASIS DER AUSBILDUNG WIRD IMMER
       EXZELLENTER JOURNALISMUS BLEIBEN“
        Wie Zeitungen um qualifizierten Nachwuchs werben und ihre
        Volontärsausbildung wandeln.

   40 WISSEN KEIN WEG ZU WEIT
        Logistisch leisten Zeitungen weit mehr als die Zustellung ihrer Blätter.
        Mit ihrer ausgefeilten Infrastruktur sind sie auch Versorger der Region.

ZEITUNGSZAHLEN 2021

   48 DER BRANCHENBERICHT DES BDZV
   	Ein Wissenskompendium zur Zeitungsbranche mit aktuellen Daten, Leistungswerten
     und Kennziffern. Von A wie Auflage bis Z wie Zielgruppen finden sich hier kompri-
     miert und übersichtlich dargestellte Zahlen und Fakten.

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„Die Öffentlich-Rechtlichen
missachten die freie Presse“
MEINUNG ARD und ZDF sollen reformiert
werden. Die Medienpolitik will ihnen noch
mehr Spielraum geben, vor allem im Internet.
Dabei überziehen die Sender schon jetzt ihre
Rolle im dualen System. Ein Gastbeitrag.
VON DAVID KOOPMANN

                                                 Mit ihren Strukturen greifen
                                                die Öffentlich-Rechtlichen er-
                                               heblich in den privaten Presse-
                                                        und Medienmarkt ein.

POLITIK relevant. 2|2021           6
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W
            ie sähe sie aus, die Welt       Demokratie Schaden nehmen könne.
            ohne freie Presse, in der       Entdecken die Öffentlich-Rechtlichen
            einzig und allein der öffent-   den Graswurzeljournalismus?
lich-rechtliche und der private Rund-
funk die Bevölkerung informierten?          Die meisten Zeitungstitel weltweit
Wie sähe es in den Städten und Dör-         Das mag sein, allerdings füllen sie da-
fern aus, in denen es keine Lokal- und      mit keine Lücke, sondern sie schaffen
Regionalzeitungen mehr gibt? Traurig,       eine und befördern damit den besag-
so viel steht fest. Denn es gibt Orte und   ten Ausverkauf: Bundesweit berichten
Regionen, um die sich die Sender bis-       über 300 Lokal- und Regionalzeitungen
her nicht kümmern, nicht kümmern            bis in die und über die kleinsten Orte,
können, jedenfalls in den Flächen-          bis in die Stadtteile. Deutschland ge-
ländern. Es sind Orte und Regionen,         hört zu den Nationen mit den meisten
in denen private Verlagshäuser seit         Zeitungstiteln weltweit – noch.
Jahrhunderten dazu da sind, die Men-
schen zu informieren – über Kommu-
nalpolitik und Ereignisse in der Nach-
barschaft, über Vereine und Verbände,
über Schulen und Kindergärten, über
                                                   Es wäre vermessen zu glauben, dass
die Menschen, die dort leben, ihre Sor-         allein der öffentlich-rechtliche Rundfunk
gen und Nöte.                                   Garant der Demokratie sein könnte.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk              DAVID KOOPMANN, VORSTAND DER BREMER TAGESZEITUNGEN AG
soll weiter ausgebaut werden – obwohl
er sich in den vergangenen Jahrzehn-
ten aufgeplustert hat, mit Spartenpro-
grammen von ARDalpha bis ZDFneo, in
21 Fernsehsender und 74 Radiowellen.        Denn die Öffentlich-Rechtlichen ma-          Der BDZV konnte mit
Er muss lokaler und regionaler werden,      chen ihnen seit einigen Jahren das Le-       der Novellierung des
                                                                                         Medienstaatsver-
darin sieht Yvette Gerner, Intendantin      ben schwer, durch die Ausweitung ihres       trags durchsetzen,
von Radio Bremen, die Zukunft von           Informationsangebots auf digitalen Ka-       dass die Öffent-
ARD und ZDF. In einem Zeitungsbei-          nälen. Die von Yvette Gerner beklagten       lich-Rechtlichen in
                                                                                         ihren telemedialen
trag schrieb sie von einer Reform der       Lücken werden wachsen, wenn man es
                                                                                         Angeboten Audio
Öffentlich-Rechtlichen zu „regiona-         Verlagen weiterhin erschwert oder gar        und Video in den
len Ankern in der Welt“. Vermieden          unmöglich macht, wirtschaftlich trag-        Vordergrund stellen
werden müsse eine Situation wie in          fähige Digitalangebote im Netz und auf       müssen.

Großbritannien oder in den USA, ein         mobilen Geräten aufzubauen. Es wäre
„Ausverkauf der Lokalblätter“, wo An-       vermessen zu glauben, dass allein der
gebotslücken im lokalen, regionalen         öffentlich-rechtliche Rundfunk Garant
Bereich entstanden seien, woran die         der Demokratie sein könnte – die »

                                                    7                                 relevant. 2|2021 POLITIK
Relevant - Nah dran Welche Rolle die Zeitungen in der Region spielen - BDZV
Vor allem die ARD agiert gewisserma­
ßen als öffentlich-rechtliche Presse im
Netz. Das Digitalangebot ist kaum von
dem der Verlage zu unterscheiden, was
den Wort- und Fotoanteil betrifft.
DAVID KOOPMANN, VORSTAND DER BREMER TAGESZEITUNGEN AG

                           »  Öffentlich-Rechtlichen, über deren        Mit ihrer Zustandsbeschreibung kann
                           Einnahmen die Parlamente und damit           die Intendantin von Radio Bremen
                           Parteien zu entscheiden haben, wenn          vor allem nicht das eigene Sendege-
                           das am Rande erwähnt sein darf, und in       biet gemeint haben: Dort existiert ein
                           deren Gremien Parteien vertreten sind.       umfangreiches redaktionelles Ange-
                           Gerners Beitrag untermauert, wie sehr        bot einer freien Presse, das bis tief in
                           sich Teile des öffentlich-rechtlichen        die Stadtteile und die niedersächsi-
                           Rundfunks und die Verlage entfrem-           schen Nachbargemeinden reicht. Al-
                           det haben. Das schmerzt – vor allem          lerdings ist es in den vergangenen
                           Verfechter des öffentlich-rechtlichen        Jahren mehr und mehr unter Druck
Der BDZV wird in der       Rundfunks, wie es die Verlage sind. Es       geraten: Facebook, Google und Ama-
laufenden Debatte          ist nicht leicht, sein oft großartiges An-   zon haben den Werbemarkt massiv
über den Auftrag der
Sender auf eine wei-       gebot zu loben, wenn er sich zum Platz-      verändert, zum Nachteil der Verlage.
tere Begrenzung zum        hirsch macht und die Leistungen der          Radio Bremen macht – trotz des Me-
Schutz der freien          freien Presse nicht nur ignoriert, son-      dienstaatsvertrags – ihnen das Leben
Presse hinwirken.
                           dern auch unterminiert. Jeder Verlag         auf dem Lesermarkt schwer. Das liegt
                           kann nur voller Neid auf die Kollegen        auch am Radio-Bremen-Berichtsgebiet,
                           in den Rundfunkanstalten schauen:            das bundesweit einzigartig ist. Während
                           Sie müssen nicht um jede Kundin und          der NDR über drei Flächenländer und
                           jeden Kunden ringen, um ihre Exis-           Hamburg berichtet, ist Radio Bremen
                           tenz zu sichern. Sie können sich auf         selbstständig geblieben und mit vier
                                                                                                                   © Foto: Frank Thomas Koch

                           ihre jährlichen Einnahmen in Höhe            Vollprogrammen im Hörfunk, mit sei-
                           von rund acht Milliarden Euro (!) ver-       nem regionalen TV-Fenster im Dritten
                           lassen. Sie zahlen Gehälter, mit denen       und für die ARD ausschließlich für die
                           die meisten Verlage nicht konkurrieren       Menschen in Bremen, Bremerhaven
                           können. Welch ein Luxus.                     und teilweise dem Umland da.

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Relevant - Nah dran Welche Rolle die Zeitungen in der Region spielen - BDZV
Auch dagegen wäre nichts einzuwen-
den, wenn der Sender seinen Schwer-
punkt auf die ihm eigene, spezifische
                                                  ZUR PERSON David Koopmann
Berichterstattung legte – in Ton und
Bewegtbild. Aber in den vergangenen               ist Vorstand der Bremer Tageszeitungen AG, Verlag von We-
                                                  ser-Kurier und Bremer Nachrichten, sowie Vorsitzender des
Jahren hat eine andere Entwicklung
                                                  Zeitungsverlegerverbandes Bremen e.V. Der Artikel ist in dieser
eingesetzt: Mit seinem Onlineauftritt             Form in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 16. Juni 2021
und seiner Nachrichten-App hat sich               erstmals veröffentlicht worden.
quasi ein fünftes Programm entwi-
ckelt, das sich als „Info-Programm“
präsentiert. Es besteht aus Artikeln
und Meldungen, für die nicht immer,
aber oft ein Programmbezug konstru-        Rundfunkanstalten beginnen, es ihnen
iert wird. Die Nachrichten bestehen        vollständig gleichzutun – wie soll die
aus – umfangreichen – Texten und           freie Presse überleben können? Was
aus Bildern, Audio und Bewegtbild          wird aus der Vielfalt – im übertragenen
werden als Zusatznutzen angehängt.         Sinne aus der Meinungsvielfalt, für die
Man könnte auch sagen: Sie werden          das duale System sorgt?
angefügt, um den Anschein zu erwe-         Vor allem die ARD agiert gewisserma-
cken, dass es sich bei den Meldungen       ßen als öffentlich-rechtliche Presse
um eine Ergänzung zum Video- und           im Netz. Das Digitalangebot ist kaum
Audio­angebot handelt. Das Verhältnis      von dem der Verlage zu unterscheiden,
entspricht nicht etwa einem Drittel        was den Wort- und Fotoanteil betrifft.
Text und zwei Dritteln Video und Au-       Damit macht es deren lokalen und re-
dio, wie es eigentlich sein sollte, son-   gionalen digitalen Inhalten massiv
dern etwa halbe-halbe.                     und bewusst Konkurrenz – eine Kon-                Der BDZV wird auch
                                           kurrenz mit ungleichen Mitteln, da die            weiterhin sehr genau
                                                                                             darauf achten, dass
Radio Bremens fünftes Programm             Verlagsinhalte sich über Abonnements              die Aktivitäten des
Der Medienstaatsvertrag geht davon         finanzieren müssen, um aufrechter-                öffentlich-rechtlichen
aus, dass jeder Bundesbürgerin und         halten werden zu können, auch online.             Rundfunks konform
                                                                                             mit dem nationalen
jedem Bundesbürger ein Medienan-           Der öffentlich-rechtliche Rundfunk
                                                                                             und europäischen
gebot zur Verfügung steht, wie man         und die Zeitungen ergänzen sich also              Wettbewerbsrecht
es für die Teilhabe am Diskurs der         nicht, wie es der Grundgedanke des                sind.
Gesellschaft braucht. Es besteht aus       Medienstaatsvertrags ist. Dieser Ge-
Nachrichten und Informationen, um          danke fußt allerdings auf der klaren
sich zurechtzufinden, sich zu orien-       Rollenverteilung der Vergangenheit:
tieren, sich eine Meinung zu bilden        Die einen berichteten in Ton und Film,
und Manipulationen widerstehen zu          die anderen in Text und Bild. Die digi-
können. In Bild und Ton leisten das        tale Revolution hat diese Grundlagen
die Öffentlich-Rechtlichen. In Texten,     massiv verändert – vor wenigen Jah-
gedruckt auf Papier und online, leisten    ren war nicht absehbar, dass Rund-
dies private Verlagshäuser. Wenn die       funkanstalten und Verlage quasi in »

                                                  9                                      relevant. 2|2021 POLITIK
Relevant - Nah dran Welche Rolle die Zeitungen in der Region spielen - BDZV
Ist die Balance            »  demselben Verbreitungskanal zu            produzieren Verlage mehr und mehr
zwischen privatwirt-       Konkurrenten werden könnten.                 Bewegtbild, Podcasts und Multime-
schaftlichen und
öffentlich-rechtlichen     Dabei lag der programmliche Schwer-          dia-Angebote. Das stimmt, allerdings
Angeboten zuneh-           punkt der Hörfunkwellen jahrzehn-            finanzieren die Verlage ihr Angebot
mend in Gefahr?            telang auf U- oder E-Musik, ergänzt          eben anders, und ein zentraler Gedan-
                           durch stündliche oder halbstündliche         ke des staatlichen Beihilferechts ist,
                           Nachrichten sowie dreimal am Tag             dass durch die finanzielle Unterstüt-
                           eine etwas längere Nachrichtensen-           zung funktionierende private Märkte
Angesichts der             dung. Darüber hinaus bestand und             nicht gestört werden sollen. Es ist die
aktuellen Gebühren­        besteht das Programm aus Sendun-             Aufgabe der Politik, dass die Spielre-
entscheidung des
Bundesverfassungs-         gen, die sich mit bestimmten The-            geln des Medienstaatsvertrags einge-
gerichts (siehe            menschwerpunkten auseinanderset-             halten werden. Es ist ihre Aufgabe, das
Infobox) haben die         zen. Radio Bremen war und ist eine           duale System auf eine Grundlage zu
Bundesländer nur
                           wichtige Säule des kulturellen Lebens        stellen, die tragfähig ist – für beide Sei-
noch die Möglichkeit,
über eine sehr klare       und hat gerade hier segensreich ge-          ten. Es ist ihre Aufgabe, das Programm
und begrenzte Auf-         wirkt. Wer sich das heutige Angebot im       des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
tragsdefinition die        Internet und in der App anschaut, kann       entsprechend zu regulieren. Jeden-
Höhe des Beitrags
steuern.                   erkennen, dass sich der Schwerpunkt          falls, wenn ihnen daran gelegen ist,
                           verschoben hat, er liegt im Verbreiten       ein zentralistisches Mediensystem zu
                           von Nachrichten mit Text und Bild. Das       verhindern. Das würde die Demokratie
                           nennt man presseähnliche Angebote.           nicht stärken, eher im Gegenteil.
                           Sie machen es Verlagshäusern schwer,         Es ist nicht so, dass die Öffent-
                           Portale zu etablieren, auf denen Nutzer      lich-Rechtlichen sich nicht gegen
                           zahlen. Sie drohen das duale System          Konkurrenz zu verteidigen hätten.
                           zu zerstören. Wobei fairerweise zu er-       Doch das sind nicht die privaten Ver-
                           gänzen ist, dass es vor allem die ARD        lage. Die Gefahr droht von anderer Sei-
                           ist, die alles daransetzt, in Konkurrenz     te, von Netflix, Joyn, Youtube und Co.
                           zu den Verlagen zu treten.                   Der Bewegtbild-Wettbewerb ist hart,
                                                                        aber es ist wichtig, dass der öffent-
                           Kein zentralistisches Mediensystem           lich-rechtliche Rundfunk nicht den
                           Na und?, könnte man sagen. Der Rund-         Anschluss verliert, vor allem bei jun-
                           funk veröffentlicht digital Artikel, dafür   gen Menschen.

POLITIK relevant. 2|2021                                 10
INFO Weg frei für Gebührenerhöhung: Das Karlsruher Urteil
             Mit der am 5. August 2021 veröffentlichten Entscheidung                          funkanstalten (KEF) nicht erhöht werden sollte.
             hat das Bundesverfassungsgericht die Ablehnung der                               Nach dieser Entscheidung erscheint es praktisch nicht
             Rundfunkgebühren-Erhöhung durch den Landtag von                                  möglich, im laufenden Verfahren auf die Finanzierung
             Sachsen-Anhalt für verfassungswidrig erklärt. Die Richter                        des öffentlich-rechtlichen Rundfunks parlamentarischen
             in Karlsruhe stellten fest, dass die angemessene Finanzie-                       Einfluss zu nehmen – mit Ausnahme einer deutlichen
             rung der Rundfunkanstalten ein Gebot ihrer Rundfunkfrei-                         Begrenzung des Rundfunkauftrags an sich. Ministerpräsi-
             heit nach dem Grundgesetz sei. Demnach habe das Land                             dent Haseloff bezeichnete dies als „Demokratieproblem“
             Sachsen-Anhalt keine tragfähige Begründung geliefert,                            und als Dilemma, da frei gewählte Abgeordnete im Grunde
             wonach der Beitrag abweichend von den Vorgaben der                               nicht über die von der KEF vorgegebenen Empfehlungen
             Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rund-                            entscheiden könnten.

          Die Millennials-Studie des Bundesver-                           mehr professionalisieren, auch gerade
          bands Digitalpublisher und Zeitungs-                            in diesem Feld, und gezielt Stimmung
          verleger hat veranschaulicht, dass                              machen. Dagegen wird noch viel zu
          dieser Zielgruppe Bewegtbild wichtig                            wenig unternommen. Wenn es den
          ist, auch im Netz. Es kann nicht sein,                          Öffentlich-Rechtlichen gelänge, diese
          dass Schülerinnen und Schüler mei-                              Zielgruppe wieder an sich zu binden,
          nen, sich über mysteriöse Quellen auf                           zu informieren und zu bilden – das
          den Plattformen TikTok oder Youtube                             wäre fürwahr ein großer Dienst für die
          umfassend informieren zu können,                                Demokratie. Damit stellten sie sich,
          ohne zu erkennen, was Fake News                                 wie es die Radio-Bremen-Intendantin
          sind und was verfälschte Beiträge, weil                         formuliert hat, „den Herausforderun-
          sich Rechts- oder Linksextreme und                              gen einer sich verändernden Gesell-
          Verschwörungstheoretiker mehr und                               schaft“. «

                   Nicht nur an sich
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3                          Fragen an
                           Axel Voss, MdEP
WISSEN Im Juni 2021 ist das neue Leistungsschutzrecht in Kraft getreten.
Damit rückt für die Medienhäuser eine faire finanzielle Beteiligung an den
Werbeeinnahmen der Internetplattformen in greifbare Nähe.
VON WOLFRAM A. ZABEL

                           D
                                   er Europaparlamentarier Axel      werbsrecht Zahlungsverpflichtungen
                                   Voss bewertet, warum das          auferlegt werden können. Diese wett-
                                   Jahr 2021 einen Wendepunkt        bewerblichen     Rahmenbedingungen
                           für Google, Facebook & Co. darstellen     sollten nun zusätzlich in Europa in
                           könnte; er skizziert, welche Chancen      dem sogenannten Digital Markets Act
                           sich Zeitungsverlegern und Digitalpu-     (DMA) verankert werden. Das Jahr 2021
                           blishern jetzt bieten und warum vor       ist damit für sie ein echter Wende-
                           allem mittelständische Medienhäuser       punkt: in der Haftung, bei der Nutzung
                           vom neuen Leistungsschutzrecht pro-       und finanziell.
                           fitieren können:
                                                                     Die Politik hat die Rahmenbedingun-
                           Das Leistungsschutzrecht ist jetzt        gen geschaffen, was müssen die Me-
                           Gesetz. Markiert das Jahr 2021 einen      dienhäuser jetzt selbst leisten?
                           Wendepunkt für die GAFAs?                 Die große Frage ist nun, ob diese Ver-
                           Axel Voss: In jedem Fall, und zwar in     änderung von den Medienhäusern
                           doppelter Hinsicht: Zum einen hat die     auch so genutzt werden kann, dass
                           EU im Urheberrecht eine Grundlage         sie dadurch eine solide finanzielle
                                                                                                              © Fotos: Privat, Axel Voss MdEP

                           dafür geschaffen, dass die GAFAs nicht    Absicherung erreichen können. Die
Das Interview              mehr ohne Bezahlung Presseerzeug-         Medienhäuser wären nun gut beraten,
führte Wolfram A.          nisse auf ihren Plattformen nutzen        nicht allein, sondern im Verbund den
Zabel, Journalist          dürfen. Zum anderen zeigt der Streit      GAFAs gegenüberzutreten, um erfolg-
und Kommunikati-
onsberater, Inhaber        mit Google und Facebook in ­Australien,   reich verhandeln zu können. Sonst
74z Consult.               dass ihnen auch über das Wettbe-          ziehen sie den Kürzeren. Idealerweise

POLITIK relevant. 2|2021                               12
Die Medienhäuser
     wären nun gut beraten,
        nicht allein, sondern
     im Verbund den GAFAs
     gegenüberzutreten, um
      erfolgreich verhandeln
    zu können. Sonst ziehen
            sie den Kürzeren.
                        AXEL VOSS, MDEP

würde man das europaweit machen,
damit auch Medienhäuser in kleine-
ren Mitgliedstaaten am Ende nicht leer
ausgehen. Zumindest sollte man sich
aber mitgliedstaatlich organisieren.
Vielleicht gelingt es in dem schon er-
                                                                                       Als Berichterstatter
wähnten DMA sicherzustellen, dass                                                      der EVP-Fraktion
einzelne oder kleinere Verlagshäuser                                                   arbeitete der Europa-
bei Verhandlungen nicht außen vor ge-     die freie Nutzung dieser Inhalte durch       parlamentarier Axel
                                                                                       Voss unter anderem
lassen werden können und genau wie        diese Plattformen kommt damit nicht          an der Reform des
größere Medienhäuser von den neuen        mehr zum Tragen, der umfänglichen            Urheberrechts.
Rechten profitieren.                      Wiedergabe einzelner Artikel durch
                                          Verlinkung sind Grenzen gesetzt. Damit
Welche Chancen sehen Sie besonders        sollten auch diese Medienhäuser mehr
für kleine und mittlere Inhaber von       Internet-Traffic haben und dadurch hö-
Urheberrechten im Verhältnis zu glo-      here Einnahmen bei der Werbung ak-
balen Playern?                            quirieren. Leider konnten wir aufgrund
Kleinere und mittlere Medienhäuser        der Widerstände aus der eigenen Bran-
haben durch den neuen Rechtsrahmen        che diese Medienhäuser gegenüber den
nun die Chance, selbstbewusster ihre      großen Plattformen nicht noch besser
urheberrechtlich geschützten Inhalte      absichern, denn der Wunsch auf Ver-
gegenüber den großen Plattformen zu       breitung ihrer Inhalte durch die Platt-
verteidigen und vergüten zu lassen;       formen bleibt ja bestehen. «

                                                 13                                 relevant. 2|2021 POLITIK
Wie Zeitungen gleichwertige
Lebensverhältnisse in Stadt
und Land fördern können
ANWENDUNG Das Thema regionale Daseinsvorsorge steht aktuell wieder
auf der politischen Tagesordnung. Denn nicht erst seit der Pandemie stellt
E-Commerce die Innenstädte vor Herausforderungen. Warum die Zeitungs-
verlage als vielseitige Lösungsanbieter unbedingt gefördert werden sollten.
VON HELMUT VERDENHALVEN UND BENEDIKT LAUER

                           R
                                   obert Habeck ordnet bei einer      tige Lebensverhältnisse in unserem
                                   Pressekonferenz am 7. Juni         Land sorgen.“ Der Lösungsvorschlag
                                   2021 das für die Grünen ent-       von Annalena Baerbock und Robert
                           täuschende Ergebnis bei den Land-          Habeck: „Gemeinsam mit Bund und
                           tagswahlen in Sachsen-Anhalt vom           Ländern wollen wir eine neue Gemein-
                           Vorabend ein. Nur 5,9 Prozent, mini-       schaftsaufgabe ‚regionale Daseinsvor-
                           male Zugewinne. Ganz anders als die        sorge‘ im Grundgesetz einführen. Der
                           furiosen Umfrageergebnisse auf Bun-        verfassungsrechtliche Grundsatz der
                           desebene zu diesem Zeitpunkt. „Wäh-        gleichwertigen      Lebensverhältnisse    © Foto: Bernd Feil/dpa Picture Alliance/picturedesk.com

                           ler verfehlt“, könnte man die Analyse      muss für alle Menschen in unserem
Ein Großteil der
Mitglieder des BDZV        des Parteivorsitzenden zusammen-           Land auch Realität werden.“
ist mittelständisch        fassen. „Wir werden und müssen uns         Zu diesem Zeitpunkt sind die meisten
geprägt. Etwa zwei         intensiv mit den Punkten jenseits des      Wahlprogramme schon fertig oder kurz
Drittel sind mit 307
                           Klimaschutzes beschäftigen“, sagt er.      vor der Vollendung. Die Union etwa
lokalen und regio-
nalen Abonnement-          Nun soll also die „Daseinsvorsorge im      hält fest, dass „gleichwertige Lebens-
zeitungen im Land          ländlichen Raum“ zentrales Thema des       verhältnisse zu erreichen […] eine zen-
unterwegs. Damit           Bundestagswahlkampfes werden.              trale Aufgabe für eine funktionierende
sind sie wesentlicher
Garant für gesell-         Drei Tage vorher hatten die Grünen         Gesellschaft“ sei. Die SPD möchte für
schaftliche Teilhabe.      festgestellt: „Wir müssen für gleichwer-   „gleichwertige L­ebensverhältnisse in

POLITIK relevant. 2|2021                                14
Auch in der nächsten
                                                                                     Legislaturperiode
                                                                                     bleibt die Sicherung
Stadt und Land“ sorgen und die FDP       vor Ort“ als entscheidend für die Le-       der Infrastruktur
                                                                                     der Zustellung ein
„die Lebensqualität in städtischen und   bensqualität der Einwohner sieht, will      Topthema für den
ländlichen Räumen verbessern“. Flä-      sie „Innenstädte, Stadtteilzentren und      BDZV.
chendeckende Digitalisierung, Mobili-    Ortskerne erhalten“. Ähnliches stellen
tät, Nahversorgung, Infrastruktur und    die Grünen fest. Auch auf schließen-
demokratische Teilhabe sind entschei-    de und fehlende Ortszentren, Handel
dende Stichworte.                        und Schwimmbäder soll die Idee der
In diesem Zusammenhang hat auch          grundgesetzlich verankerten „regiona-
ein weiteres Thema Eingang in die        len Daseinsvorsorge“ die Antwort sein.
Wahlprogramme gefunden. Die Aus-         Geht es nach der SPD, soll der Struk-
wirkungen, die der Onlinehandel –        turwandel in den Städten bezogen auf
verstärkt durch die vergangenen ein-     Einzelhandel, aber auch in der Gast-
einhalb pandemischen Jahre – auf die     ronomie, im Hotelgewerbe und in der
Innenstädte der kleineren und größe-     Kultur positiv gestaltet und insbeson-
ren Ortschaften hat, sind unübersehbar   dere auch gegen unfaire Praktiken von
geworden. Da die Union diese als „Orte   Onlinehandel und P ­ lattformökonomie
der Begegnung und Vielfalt“ identifi-    geschützt werden. Die Bedeutung die-
ziert und „lebendige Fußgängerzonen,     ser Themen ist groß, darum werden
Marktplätze und den Einzelhandel         den Ankündigungen in der nun »

                                                15                                relevant. 2|2021 POLITIK
>100.000
Zusteller kommen täglich an den
deutschen Haushalten vorbei.
                           »  beginnenden zwanzigsten Legisla-        Geschäfte), Dokumenten- und Produkt-
                           turperiode sicher Taten folgen. Das ist    lieferung vom Arbeitgeber ins Homeof-
                           zugleich eine große Chance, neu darü-      fice, Versorgung mit Medikamenten,
                           ber zu diskutieren, welchen Beitrag die    Lebensmittelversorgung, lokale digita-
                           Zeitungen in Deutschland hier leisten      le Netzwerke, Punkt-zu-Punkt E-Com-
                           können.                                    merce, Fulfillment etc. sind bereits
                                                                      möglich. Und mehr Dienstleistungen
                           Teil der Lösung                            sind denkbar. Denn mehr als 100.000
                           Gerade die Verlage haben eine Infra-       Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
                           struktur aufgebaut, die viele Antwor-      Verlage kommen an jedem Haushalt
                           ten zur Bewältigung dieser Heraus-         und Unternehmen in Deutschland
                           forderungen anbieten kann. In den          vorbei. Zusätzlich organisieren die
                           vergangenen Jahren wurde diese Inf-        Zeitungen mit mehr als 2.000 digitalen
                           rastruktur völlig zu Unrecht als förder-   und mehr als 300 gedruckten redakti-
                           bedürftiger Problemfall angesehen. Die     onellen Produkten Informationsaus-
                           Infrastruktur der Zeitungszustellung,      tausch, örtliche Meinungsbildung und
 Siehe auch A
            ­ rtikel
 „Kein Weg zu              auch verbunden mit den vielen redak-       Teilhabe. Lösungen, die Verlage für
 weit“ auf S.40            tionellen Dienstleistungen der Verlage,    gesellschaftliche und wirtschaftliche
 in diesem Heft            ist das Gegenteil eines Problemfalls.      Probleme auf dem Land und in den Or-
                           Und sie ist vielmehr förderwürdig als      ten anbieten können, sind Legion.
                           förderbedürftig. Denn sie kann viel        Die Zeitungsverlage können ihre Ex-
                           mehr, als Zeitungen auszuliefern.          pertise und ihre Leistungen bei der Si-
                           Postzustellung, Organisation und Aus-      cherung einer wesentlichen ländlichen
                           lieferung lokaler Handelsplattformen       Infrastruktur, der Organisation von Ge-
                           (zum Beispiel Hofläden und örtliche        meinwohl und der Belebung von Orten

POLITIK relevant. 2|2021                                16
sehr viel stärker in die politische Debatte   Säule für lebendige Innenstädte und
einbringen. Sie können mit guten Grün-        Orte und spielt beim Neustart nach der
den darlegen, dass der Erhalt und die         Pandemie eine wesentliche Rolle.
staatliche Förderung dieser Infrastruk-       Das Wahlprogramm der Union ver-
tur nachhaltig zur Sicherung regionaler       spricht: „Alle Bürgerinnen und Bürger
Versorgung und Teilhabe beitragen.            sollen sich gut darüber informieren
Es gibt zahlreiche Infrastrukturen, die       können, was bei ihnen vor Ort ge-
der Staat als förderwürdig ansieht. Hier      schieht. Dabei kommt es wesentlich auf
geht es aber zusätzlich zur Infrastruk-       Abonnementzeitungen und Anzeigen-
tur um mehr. Es geht um die Sicherung         blätter an. Wir werden zielgerichtete In-
verfassungsrechtlicher Garantien: Mei-        strumente zur Förderung des Absatzes,
nungsvielfalt, Meinungsbildung und            der weiteren Unterstützung und des
Pressefreiheit. Die Zustellinfrastruktur      Vertriebs entwickeln, die neben finanzi-
der Zeitungen sichert Teilhabe für je-        eller Unterstützung auch Erleichterun-
den, der keine digitale Presse nutzen         gen für die Beschäftigung von Zustel-
kann oder will.                               lern und Zustellerinnen umfassen.“
Man könnte es auch weiter zuspitzen:          Dem könnte hinzugefügt werden: Ins-               Es sind vor allem die
Flecken auf der Deutschlandkarte, die         trumente zur Förderung der Zeitungs-              Zeitungen, die durch
etwa Extremisten Nischen für die Ent-         zustellung werden immer auch ein                  ihre engmaschige
                                                                                                Verbreitung und
faltung medialer Aktivitäten bieten,          Beitrag zu gleichwertigen Lebensver-
                                                                                                ihr hohes Vertrau-
dürfen nicht zugelassen werden. Das           hältnissen und gesellschaftlicher Teil-           en mit Fake News
Zustellnetz der deutschen Zeitungen           habe sein. Sie zahlen auf die wertvolle           aufräumen und für
ist in diesem Sinne ein existenzieller        Infrastruktur ein, die von den Verlagen           Anschluss an die
                                                                                                freiheitlich-demokra-
Demokratieverstärker.                         geschaffen wurde, und wirken so viel-             tische Grundordnung
                                              fach positiv. «                                   sorgen.
Post zieht sich immer weiter zurück
Und auch auf eine weitere politische
Frage kann die Infrastruktur der Pres-
severlage eine Antwort geben. Die Zei-
tungen haben erfolgreiche Postdiens-
te im Markt etabliert. Unter richtigen               INFO Mehr als Logistik
Rahmenbedingungen könnten so auch                    Die Dienstleistungen der Zeitungen für die regionale Daseinsvor-
Probleme der Deutschen Post AG, wie                  sorge gehen oftmals über die reine Logistik hinaus. Die Verlage
zum Beispiel eine reduzierte Anzahl an               organisieren lokale digitale Plattformen, die das Zusammenle-
                                                     ben vor Ort vernetzen.
Zustelltagen, ausgeglichen werden.                   Auf der Website www.lokalportal.de, die die Lüneburger Lan-
Eine gut abgesicherte Infrastruktur der              deszeitung maßgeblich mitverantwortet, wird der Austausch
Zeitungen bietet zugleich viele Möglich-             von Nachbarn, Organisationen, Vereinen, aber auch Behörden
                                                     ermöglicht. Parallel dazu bringt das Kaufhaus Lüneburg, ein
keiten, örtlichen Handel, Gastronomie
                                                     Angebot des Medienhaus Lüneburg und einer lokalen Agentur,
und Dienstleister bei der Kommunikati-               Onlinegeschäfte und Tourismusanbieter, aber auch Restaurants,
on mit und der Belieferung von Kunden                Cafés, Hotels und mehr zusammen.
zu unterstützen. Sie ist eine wichtige

                                                     17                                     relevant. 2|2021 POLITIK
dran

MEINUNG Lokalredaktionen sind nah dran: Sie schauen
den Menschen über die Schulter und dem Bürgermeister
auf die Finger. Damit halten Tageszeitungen nicht nur das
 gemeinsame Gespräch am Laufen. Sie füllen auch die
              Demokratie vor Ort mit Leben.
                      VON ANDREA GOURD
O
        hne Heimat sein heißt leiden“,     Sehnsucht nach Nähe
        wusste schon der russische         Während die Globalisierung mitunter
        Schriftsteller Dostojewski. Aber   ein Gefühl zwischen Allmacht und
was ist Heimat? Für neun von zehn          Ohnmacht vermittelt, stehen die Hei-
Menschen jedenfalls ein Begriff von        mat und das Lokale für Nähe, Vertraut-
Bedeutung. Von räumlicher, vor al-         heit, Zugehörigkeit. Es sind die Themen
lem aber von emotionaler Bedeutung.        aus ihrer unmittelbaren Lebenswelt,
„Meine Heimat ist dort, wo ich mich        die die Menschen am meisten bewe-           Wie wichtig örtliche
wohlfühle“, sagen neun von zehn Deut-      gen. Wie steht es um den Ausbau der         Tageszeitungen
                                                                                       für die regionale
schen. Aber auch dort, „wo ich das Ge-     Kita-Plätze? Wie um das ortsansässige       Identität sind, zeigt
fühl habe, dazuzugehören“.                 Gewerbe? Welche Maßnahmen sieht             die Heimatstudie
Dieses Wohlfühlen hat klare Bedin-         der kommunale Haushaltsplan vor,            des BDZV. Lokal-
                                                                                       zeitungen fördern
gungen. Neben individuellen Faktoren       welche nicht – und warum? Lokale
                                                                                       die Zufriedenheit
sind es maßgeblich die vor Ort vor-        Redaktionen informieren und überset-        am Wohnort und
handenen Infrastrukturangebote, die        zen, was diese Fragen für die Lebens-       sind ein wichtiges
zufrieden machen. Eines davon: lokale      wirklichkeit der Menschen bedeuten.         gesellschaftliches
                                                                                       Bindeglied.
Informationsmedien. Tatsächlich ist        „Wer sich in der Welt zurechtfinden
das Vorhandensein von lokalen Medi-        will, muss wissen, was zu Hause ge-
en für die meisten Menschen ein wich-      schieht“, hat der ehemalige Minister-
tiges Element von Lebensqualität. Um       präsident Bernhard Vogel einmal ge-
sich in einem Gemeinwesen zugehörig        sagt. Und angesichts einer immer »
zu fühlen – um also „heimisch“ zu wer-
den –, muss man schließlich wissen,
was dort vor sich geht. Entsprechend
geben sieben von zehn Deutschen
an, dass sie sich über die lokalen Er-
eignisse auf dem Laufenden halten.                Zuverlässige Informationen und gut
Wo sie das in erster Linie tun, ist laut
                                                recherchierte Hintergründe über das
ZMG-Studie „Zeitungsqualitäten 2021“
ebenso eindeutig: 68 Prozent nutzen             lokale Geschehen leisten einen wert-
dafür das Infoangebot ihrer regiona-            vollen Beitrag für unsere Demokratie,
len Tageszeitung. Sie ist die wichtigs-         denn vor Ort wird Demokratie von den
te und meistgenutzte Quelle für das
                                                Bürgerinnen und Bürgern tagtäglich
Geschehen am Wohnort und in der
näheren Umgebung. Nur drei Prozent
                                                gelebt und erlebt.
der Bürgerinnen und Bürger geben an,            MALU DREYER, MINISTERPRÄSIDENTIN RHEINLAND-PFALZ
sich gar nicht über regionale Themen
zu informieren. Das heißt umgekehrt:
Lokales interessiert quasi jeden.

                                                  19                                 relevant. 2|2021 MARKT
sierung werde in den nächsten Jah-
                                                                  ren einer neuen Vitalität des Lokalen
                                                                  weichen, prognostiziert der Zukunfts-
                                                                  forscher Matthias Horx. Wenn aber
                                                                  Dörfern, Kleinstädten und ländlichen
                                                                  Regionen neues Leben eingehaucht
                                                                  und ihre Attraktivität gesteigert wer-
                                                                  den soll, dann braucht es dort die
                                                                  entsprechende Infrastruktur. Neben
                                                                  einem Wohnungs-, Verkehrs- und Frei-
                                                                  zeitangebot zählen dazu auch vitale
                                                                  lokale Medien.

  Für die Zukunft des Lokaljournalis-                             Lokalpresse als Scharnier
mus ist entscheidend, dass journalisti-                           zwischen Politik und Bürger
sche Arbeit unabhängig vom konkreten                              Nur wer gut informiert ist, kann sich
                                                                  sinnvoll einmischen, engagieren, das
Verbreitungsweg an den Leser und die                              Leben vor der eigenen Haustür mitge-
Leserin kommt. Unser Ziel ist, dass                               stalten. Alles das, was sich eine leben-
regionale Vielfalt journalistischer Ange-                         dige Demokratie wünscht und was sie
bote auch in Zukunft flächendeckend                               auch braucht. „Guter Journalismus ge-
                                                                  hört zur Infrastruktur der Demokratie“,
erhalten bleibt. Sie sind wichtig für
                                                                  bringt es Journalistikprofessor Klaus
eine lebendige Gemeinschaft vor Ort                               Meier auf eine eingängige Formel.
und für eine stabile Demokratie.                                  Lokalredaktionen erfüllen dabei eine
MALU DREYER, MINISTERPRÄSIDENTIN RHEINLAND-PFALZ                  wichtige Scharnierfunktion, bestätigt
                                                                  die Konrad-Adenauer-Stiftung: „Sie
                                                                  bringen den Menschen Politik nahe,
                                                                  machen sich zum Anwalt der Bürger,
                                                                  erklären und hinterfragen demokrati-
                                                                  sche Entscheidungen und setzen sich
                                                                  kritisch damit auseinander“, so der
                         »  ­unübersichtlicher   erscheinenden    Vorsitzende der Konrad-­      Adenauer-
                                                                                                             © Foto: Staatskanzlei RLP/Elisa Biscotti

                         Welt erfährt das Lokale gerade eine      Stiftung und frühere Präsident des
                         Renaissance. Von der „Progressiven       Deutschen Bundestages Norbert Lam-
                         Provinz“ und dem „leisen Comeback        mert. Seit 40 Jahren zeichnet die Stif-
                         des Landes“ spricht die neueste Trend-   tung mit dem Deutschen Lokaljourna-
                         studie des Thinktanks Zukunftsinstitut   listenpreis Zeitungsredaktionen aus,
                         in Frankfurt am Main. Die Leuchtkraft    die genau das in hervorragender Weise
                         der Städte und der Trend zur Urbani-     tun. Jüngster Preisträger ist der Süd-

MARKT relevant. 2|2021                              20
INFO Zeitungen sind die lokale Informationsquelle Nummer eins
Unverzichtbar und sinnvoll für lokale und regionale Themen: Zeitung ist der Local Hero

lokale/regionale Tageszeitung
76 %
Internet
71 %
lokaler Hörfunk
47 %
Amts-/Gemeindeblätter
43 %
kostenlose Anzeigenblätter
32 %

Stadtmagazine/Szeneblätter                                                                       Basis: Bevölkerung ab
                                                                                                 14 Jahren; Quelle: ZMG
27 %                                                                                             Bevölkerungsumfrage 2019

kurier aus Konstanz. Er erhält viel Lob             Wettbewerbsbedingungen, sinkende
für seine Corona-Berichterstattung zur              Werbeeinnahmen und Printauflagen.
Grenzschließung im Dreiländereck am                 Das sind die Herausforderungen, vor
Bodensee. „Mit der Vielfalt der Aspek-              denen die rund 14.000 festangestellten
te, der Tiefe der Recherche, der gelun-             Zeitungsjournalistinnen und -journa-
genen optischen Umsetzung und der                   listen in Deutschland täglich stehen.
crossmedialen Aufbereitung hat der                  Trotzdem und erst recht braucht es an
Südkurier Außergewöhnliches geleis-                 allen Orten eine unabhängige und fun-
tet“, urteilt die Jury. Die Redaktion habe          diert berichtende Lokalpresse.
sich als Verbündeter der Leserinnen                 Eine Erkenntnis, die es auch auf die po-
und Leser verstanden, ihre alltäglichen             litische Bühne geschafft hat. Zumindest      Ausgezeichneten
Sorgen und Nöte aufgegriffen, Fragen                in den Verlautbarungen. Mit den Taten        Journalismus würdigt
beantwortet und Service geliefert. Kurz:            hat es – zumindest was die Presseför-        auch der BDZV:
                                                                                                 Mit dem Theodor-
„Lokaljournalismus vom Feinsten“.                   derung anbelangt – noch nicht so recht       Wolff-Preis verleiht
Natürlich: In den Redaktionen zwi-                  geklappt. Ohne Lokalzeitungen könne          der Verband der
schen Aachen und Görlitz, Flensburg                 er sich einen lebendigen Qualitätsjour-      Digitalpublisher und
                                                                                                 Zeitungsverleger die
und Konstanz werden nicht jeden Tag                 nalismus nicht vorstellen, äußerte der       renommierteste Aus-
ausschließlich preisverdächtige Bei-                niedersächsische      Ministerpräsident      zeichnung, die die
träge produziert.                                   Stephan Weil im Juni anlässlich der          Zeitungsbranche zu
                                                                                                 vergeben hat. Dem
Viel Terminjournalismus, zu große                   Mitgliederversammlung des Verban-
                                                                                                 lokalen Journalismus
Nähe zu den örtlichen Entscheidern,                 des Deutscher Lokalzeitungen. Gerade         gilt bei den Preis-
zu wenig Einordnung und Kritik,                     in der Corona-Zeit habe sich gezeigt,        kategorien „Bestes
knappe Zeit für gründliche Recher-                  wie wichtig verlässliche und aktuelle        lokales Stück“ und
                                                                                                 „Bestes lokales Digi-
che – auch das gibt es. Aber ebenso:                Informationen vor Ort seien. Das be-         talprojekt“ besonde-
steigenden Kostendruck, ungleiche                   stätigt auch seine SPD-Kollegin aus »        res Augenmerk.

                                                            21                                 relevant. 2|2021 MARKT
»  ­Rheinland-Pfalz: „Die Corona-Pande-         Dreyer gegenüber relevant. Dabei ist ihr
                                  mie hat gezeigt, wie wichtig lokale und         der wirtschaftliche Druck, unter dem
                                  regionale Medien für die Menschen               die Regionalzeitungen stehen, durch-
                                  sind. Zuverlässige Informationen und            aus bewusst. Das in der Pandemie ge-
                                  gut recherchierte Hintergründe über             rade bei den lokalen Zeitungen einge-
                                  das regionale und lokale Geschehen              brochene Anzeigengeschäft mit dem
                                  leisten einen wertvollen Beitrag für            regionalen Einzelhandel hat diesen
Vergleich Bevölkerung (Index
= 100) und Zeitungsleser;         unsere Demokratie, denn vor Ort wird            Druck weiter verschärft. Dreyer bedau-
­Basis: alle Befragten n=3.048,
 Zeitungsleser: WLK; Angaben:
                                  unsere Demokratie von den Bürgerin-             ert daher, dass der Bund die angestrebte
 Index der Zeitungsleser in       nen und Bürgern tagtäglich gelebt und           Presseförderung nicht umgesetzt habe.
 Bezug auf Gesamtbevölke-
 rung (Index =100)                erlebt“, so Ministerpräsidentin Malu            Für die Zukunft des Lokaljournalismus
                                                                                  sei entscheidend, dass journalistische
                                                                                  Arbeit unabhängig vom konkreten
                                                                                  Verbreitungsweg an den Leser und die
                                                                144
                                                                                 Leserin kommt. „Unser Ziel ist, dass re-
                                                                                  gionale Vielfalt journalistischer Ange-
Zeitungsleser sind hoch engagiert am Wohnort | Aktivitätsindex:
überdurchschnittliches Engagement oder Aktivität in Verein                        bote auch in Zukunft flächendeckend
                                                                                  erhalten bleibt. Sie sind wichtig für eine
                                                                                  lebendige Gemeinschaft vor Ort und für
                                                            138                  eine stabile Demokratie“, so Dreyer.
Zeitungsleser fühlen sich sehr gut informiert über Ereignisse
und Geschehen am Wohnort oder in der näheren Umgebung
                                                                                  Zeitung leistet Integration
                                                                                  Dass es einen signifikanten Zusam-
                                                       124                        menhang zwischen dieser lebendigen
Zeitungsleser informieren sich immer/häufig über Ereignisse                       Gemeinschaft und der Zeitungslektüre
und Geschehen am Wohnort oder in der näheren Umgebung
                                                                                  gibt, zeigt auch die BDZV-Heimatstudie.

                                             112
Zeitungsleser fühlen sich mit dem Wohnort und
der Region verbunden | sehr stark/stark verbunden

INFO Regionale Verbundenheit mit der Zeitung
Zeitungsleserinnen und -leser informieren sich nicht               in Vereinen, lokalen Institutionen und Initiativen an den
nur häufiger über das Geschehen vor Ort (Index 124 im              Tag als der Durchschnitt der Bevölkerung (Index 144). Für
                                                                                                                                 © Foto: BDZV/Bernd Brundert

Vergleich zur Gesamtbevölkerung), sie empfinden sich               96 Prozent ihrer Leser ist die regionale Tageszeitung eine
auch qualitativ deutlich besser mit Nachrichten über die           feste Größe an ihrem Wohnort, die kompetente Redakteure
Ereignisse am Wohnort versorgt (Index 138) und sind                hat (97 Prozent), glaubwürdig und umfassend informiert
stärker mit der Region verbunden (Index 112). Das schlägt          (96 Prozent), ein Sprachrohr für die Menschen in der Re-
sich nieder in einem besonders hohen Aktivitätsindex:              gion ist (88 Prozent) und klar Stellung zu lokalpolitischen
Wer Zeitung liest, legt ein deutlich stärkeres Engagement          Themen bezieht (85 Prozent).

MARKT relevant. 2|2021                                            22
Heimat und Zeitung
                                             gehören zusammen.
                                             Aber regionale Zeitun-
                                             gen sind mehr als ein
                                             Wohlfühlfaktor – sie
                                             fördern auch wesent-
                                             lich Integration und
                                             Identifikation mit der
                                             Wohnumgebung.
                                             DIETMAR WOLFF, HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER DES BDZV

Sich heimisch zu fühlen, hat viele Be-   der Bundesbürger. Unverzichtbar, das
dingungen. Eine davon ist eine gute      meint auch Benjamin Piel, selbst Chef-
Infrastruktur und die Versorgung mit     redakteur der Lokalzeitung Mindener
lokalen News aus der persönlichen        Tageblatt: „Ich will nicht leben in einer
Lebenswelt. Das leisten die 344 ge-      Welt ohne Lokaljournalismus. Es wäre
druckten Titel für ihre 40 Millionen     eine Welt, in der niemand den Lokal-
                                                                                       Lokales interessiert
Leserinnen und Leser genauso wie         politikern auf die Finger schaut, in der
                                                                                       so gut wie jeden und
die 2.800 digitalen journalistischen     niemand Behördenwillkür öffentlich            die große Mehrheit
Angebote der Zeitungen. Sie sind ein     macht, in der es keine gemeinsame Ba-         (71 %) informiert sich
gesellschaftliches Bindeglied – und      sis gibt, an der alle teilhaben können.       regelmäßig über die
                                                                                       Ereignisse am Wohn-
schlicht unverzichtbar für lokale und    Es wäre eine andere Welt und sie wäre         ort (ZMG-Zeitungs-
regionale Themen, meinen 76 Prozent      schlechter.“ «                                qualitäten 2021).

                                                23                                   relevant. 2|2021 MARKT
Branchenbericht
2021: So kamen die
deutschen Zeitungen
durchs Pandemie-Jahr.

Zur wirtschaftlichen Lage
der deutschen Zeitungen
WISSEN Auf Basis der BDZV-Umsatzerhebung bietet der Beitrag zur
wirtschaftlichen Lage der deutschen Zeitungen von Südwest-Presse-
Korrespondent Dieter Keller (Text) und BDZV-Verlagswirtschaftsleiter
Christian Eggert (Statistik) einen umfassenden und einzigartigen
Überblick zur Situation der Branche. Hier eine Zusammenfassung.

                         M
                                   it einem Schlag beendete       eine große Herausforderung. Publizis-
                                   die Corona-Pandemie im         tisch war 2020 durchaus ein erfolgrei-
Der Zugewinn                       März 2020 den mehr als ein     ches Jahr: Die Zeitungen konnten mehr
gelang mit digita-       Jahrzehnt währenden Wirtschaftsauf-      als drei Millionen zusätzliche Leserin-
len Angeboten, die
63 % wöchentlich         schwung in Deutschland. Sie führte zu    nen und Leser pro Woche gewinnen.
ansehen, während         einer der schwersten Rezessionen der     Fast 60 Millionen Deutsche ab 14 Jah-
56 % regelmäßig die      Nachkriegszeit. Und so war und ist die   ren lesen regelmäßig die gedruckte Zei-
gedruckte Zeitung
                         Corona-Pandemie journalistisch und       tung oder nutzen mindestens wöchent-
lesen.
                         wirtschaftlich für die Zeitungsverlage   lich ein digitales Zeitungsangebot.

MARKT relevant. 2|2021                              24
Die Umsätze: Stabiler Vertrieb gleicht          # NO.              sich innerhalb von vier Jahren ver-
Anzeigenverluste teilweise aus                                     doppelt. Bei den zusätzlichen Erlösen,
Zugleich zog die Rezession die Zei-                                537 Millionen Euro, machten digita-
tungsverlage in erster Linie bei den
Anzeigenerlösen in Mitleidenschaft:        -16‚9 %                 le Zeitungsangebote rund 83 Prozent
                                                                   aus, den Rest davon unabhängige
                                          bei den Anzeigenerlö-
Sie gingen um 16,9 Prozent auf 1,82                                Aktivitäten wie Rubrikenportale und
                                           sen waren 2020 vor
Milliarden Euro zurück und steuerten      allem der pandemie-      Web-Dienstleistungen. Von den Zei-
nur noch 26 Prozent zu den Einnah-        bedingten Rezession      tungsangeboten entfielen 30 Prozent
men bei. Dagegen erhöhten sich die             geschuldet.         auf redaktionelle Inhalte, die etwa mit
Vertriebsumsätze um 4,1 Prozent auf                                Paid Content gemacht werden. Den
5,17 Milliarden Euro. Der Gesamtum-                                Löwenanteil brachte mit 70 Prozent
satz erreichte 6,99 Milliarden Euro,       + 4‚1 %                 Werbung – ein Verhältnis, das es vor
2,3 Prozent weniger als 2019. Hinzu        bei den Vertriebs­      Jahren auch noch bei der gedruckten
kamen 537 Millionen Euro weitere di-        umsätzen glichen       Zeitung gab.
                                          den Anzeigenverlust
gitale Umsätze. Der Umsatz bei den         teilweise aus. 5,17
regionalen und überregionalen Titeln      Milliarden Euro setz-    Der Lesermarkt: Abonnements erwei-
blieb weitestgehend stabil. Dagegen         ten die Zeitungen      sen sich als tragende Stütze
                                                 hier um.
erlitten die Kaufzeitungen deutlich hö-                            Obwohl die Corona-Pandemie im
here Verluste, was mit ihren anhaltend                             März/April 2020 zu einem weitgehen-
hohen Einbußen bei den Auflagen zu
erklären ist. Sie verloren mit 116 Mil-   785 Mio.                 den Lockdown der Wirtschaft führ-
                                                                   te, gelang es den Zeitungsverlagen,
lionen Euro nicht nur ein Viertel ihrer    Euro an Digitalum-      die Belieferung der Leser jederzeit
                                            sätzen machten
Anzeigeneinnahmen, sondern mit 307                                 sicherzustellen. Was im Nachhinein
                                             2020 gut zehn
Millionen Euro auch 16 Prozent der        Prozent der gesam-       selbstverständlich klingt, war schon
Vertriebsumsätze.                           ten Umsätze der        angesichts von 100.000 Zustellern, die
                                          Zeitungsverlage aus.     an jedem Erscheinungstag die Blät-
Digitale Angebote steuern ein                                      ter frühmorgens austragen, ein großer
Zehntel zum Umsatz bei                                             Kraftakt. Die Zeitungsverlage wurden
Mit digitalen Angeboten erzielten die
Zeitungsverlage 2020 gut zehn Prozent          1/3                 ebenso als systemrelevant anerkannt
                                                                   wie die Vertriebswege.
ihrer Umsätze. Insgesamt kamen die        davon, 248 Millionen     Die Abonnements erwiesen sich als
                                           Euro, entfiel auf die
Zeitungsverlage auf Digitalumsätze        Vertriebsumsätze mit     stabiles Standbein. Zwar setzte sich
von 785 Millionen Euro. Davon entfiel            E-Paper.          die Erosion der Absatzzahlen fort, aber
knapp ein Drittel, 248 Millionen Euro,                             sie verstärkte sich nicht. Bei den Re-
auf die Vertriebsumsätze mit E-Paper,                              gionalzeitungen nahm die Zahl der
die als einzige in den gesamten Ver-                               Abonnements im Westen um drei Pro-
triebsumsätzen berücksichtigt sind.                                zent auf 7,55 Millionen ab. Im Osten ist
Insgesamt überstieg die verkaufte                                  das Minus überzeichnet, da ein Verlag
E-Paper-Auflage dank eines Zuwach-                                 der IVW keine Daten übermittelte. Das
ses von 20,8 Prozent erstmals die                                  schlug auch auf die Gesamtauflage in
Zwei-Millionen-Grenze. Damit hat sie                               ganz Deutschland durch, die mit 10,3 »

                                                   25                                 relevant. 2|2021 MARKT
10
Die Autoren              »  ­Millionen um etwa vier Prozent ab-
                         nahm. Auf den Zeitungsverkauf hatte
                         die Corona-Pandemie an zwei Stellen
                         allerdings gravierende Auswirkungen:
                         Die Bordexemplare brachen praktisch
                         völlig weg. Die Tageszeitungen hatten
                         im zweiten Quartal 2020 einen Ein-
                         bruch von 85 Prozent – der Flugverkehr
                         war weitgehend zum Erliegen gekom-
Dr. Dieter Keller
                         men. Zudem gab es im Einzelverkauf
ist Wirtschaftspoliti-
scher Korrespondent      teilweise empfindliche Verluste, was

                                                                           Mrd. Euro
der Südwest Presse       mit dem Stillstand vieler Betriebe, Ar-
in Berlin. Seit 1995     beit im Homeoffice und wenig Dienst-
verfasst er jedes
Jahr den Beitrag         reisen zu erklären ist. Dies traf die über-
zur wirtschaftlichen     regionalen Zeitungen besonders hart,               Das Internet ist der mit Abstand umsatz-
Lage der deutschen       die 40 Prozent weniger im Einzelver-               stärkste Werbeträger. Die Werbung im
Zeitungen.                                                                  Internet legte um knapp elf Prozent zu
                         kauf absetzten, sowie die Kaufzeitun-
                                                                            und erreichte mit 9,95 Milliarden Euro
                         gen, die 22 Prozent einbüßten.                     fast die Zehn-Milliarden-Marke.

                         Corona bremst den Werbemarkt aus
                         Wie der Zentralverband der deutschen
                         Werbewirtschaft (ZAW) in seiner Jah-          nahmen nahmen um fünf Prozent auf
                         resbilanz betonte, wurde die Werbe-           23,8 Milliarden Euro ab. Das war al-
                         wirtschaft 2020 im Vergleich zu an-           lerdings nur der kräftig wachsenden
                         deren Branchen überdurchschnittlich           Werbung im Internet zu verdanken: Sie
Christian Eggert ist
Leiter Verlagswirt-      hart getroffen. Ihr Marktvolumen ging         legte um knapp elf Prozent zu und er-
schaft beim BDZV. Er     um sieben Prozent auf 45 Milliarden           reichte mit 9,95 Milliarden Euro fast die
ist dort unter ande-     Euro zurück. Die vom ZAW erfass-              Zehn-Milliarden-Marke.
rem auch verantwort-
lich für die jährliche   ten Werbeträger kamen etwas besser            Am größten waren die Einbußen bei
Umsatzerhebung.          durch die Krise: Ihre Netto-Werbeein-         den Anzeigenblättern, was systembe-
                                                                       dingt war: Mangels Inseraten stellten
                                                                       insbesondere zahlreiche der zur Wo-
                                                                       chenmitte erscheinenden Titel zeit-
                                                                       weise ihr Erscheinen ganz ein. Die
                                                                       Gesamtauflage der kostenlosen Wo-
                                                                       chenblätter ging um knapp 30 Prozent
INFO Datenbasis
                                                                       zurück. Ein Fünftel der Einstellungen
Die Datenbasis für den Beitrag zur wirtschaftlichen Lage der Branche   sei dauerhaft, schätzt der Bundes-
bildet die BDZV-Umsatzerhebung. Befragt werden deutsche Zeitungs-
                                                                       verband Deutscher Anzeigenblätter
verlage, unabhängig von ihrer Verbandszugehörigkeit zum BDZV.
Basierend auf der verkauften Auflage des zweiten Quartals 2020         (BVDA). Der Gesamtumsatz der Anzei-
repräsentiert die Umfrage rund 85 Prozent aller Zeitungstitel.         genblätter schrumpfte um 24 Prozent
                                                                       auf 1,19 Milliarden Euro.

MARKT relevant. 2|2021                                     26
INFO Kosten- und Erlösstruktur: Durchschnittswerte der
                                       regionalen Abonnementzeitungen 2020
                                       Quelle: BDZV-Umsatzerhebung; Angaben: in Prozent (gerundet)

                                       8,8 % Anzeigen                                35,4 % Vertrieb                                                27 % Anzeigen

                                       10,3 % Unternehmens-                                                                                         73 % Vertrieb
                                       leitung/Verwaltung

                                                                        Kosten                                       Erlöse

                                       20 % Herstellung

                                                                                   25,6 % Redaktion

                                       Daran gemessen schlugen sich die Ta-             die C
                                                                                            ­ orona-Pandemie noch verstärkt,
                                       geszeitungen mit ihrem Minus von 17,6            weil die Werbeeinnahmen stärker
                                       Prozent auf 1,71 Milliarden Euro noch            einbrechen als befürchtet und viel da-
                                       verhältnismäßig gut. Etwas geringere             fürspricht, dass die Verluste im Jahr
                                       Verluste hatten die Fach- und die Pu-            2021 nicht ausgeglichen werden. Den-
                                       blikumszeitschriften. Zusammen ka-               noch steigt bei den Zeitungsverlagen
                                       men die Printmedien ohne Digital auf             die Zuversicht, dass sie Rückgänge im
                                       5,49 Milliarden Euro. Das waren 17,4             Printbereich in fünf Jahren durch die
                                       Prozent weniger als im Jahr zuvor.               Digitalerlöse kompensieren können,
                                       Aber auch der lineare Rundfunk erlitt            ergab die BDZV/SCHICKLER-Trend-                     Lesen Sie den
                                       deutliche Einbußen: das Werbefernse-             umfrage zu Jahresbeginn: Für 2026 er-               vollständigen Bericht
                                       hen knapp neun Prozent auf 4,01 Milli-           warten dies 58 Prozent der Teilnehmer.              mit allen Zahlen und
                                                                                                                                            Daten im Browser
                                       arden Euro, das Radio ähnlich stark auf          Für das Jahr 2030 rechnen 60 Prozent                oder zum Download
                                       713 Millionen Euro.                              der Verlage damit, dass die digitalen               auf www.bdzv.de
© Fotos: Privat, BDZV/Bernd Brundert

                                                                                        Abo-Umsätze die redaktionellen Kos-
                                       Aussicht                                         ten decken. «
                                       Der Strukturwandel durch die Digi-
                                       talisierung und das sich ändernde
                                       Nutzerverhalten ist für die Zeitungs-            Der Beitrag zur wirtschaftlichen Lage der deut-
                                                                                        schen Zeitungen erschien im BDZV-Jahrbuch
                                       verlage eigentlich schon genug an                „Zeitungen“ bis zu dessen Einstellung 2019.
                                       Herausforderung. Doch er wird durch              Seitdem erscheint der Beitrag online.

                                                                                                 27                                       relevant. 2|2021 MARKT
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