REPORT - Hans-Böckler-Stiftung

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REPORT
Nr. xxx · Mitbestimmungs-Report
Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019

UNTERNEHMENSMITBESTIMMUNG
IN FRANKREICH
Neuere Entwicklungen und Debatten
Udo Rehfeldt

AUF EINEN BLICK
– Frankreich ist eines von 18 EU-Ländern mit Mitbe-         sieht. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse ist die
  stimmung im Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat. Seit          Umsetzung derzeit aber wenig wahrscheinlich.
  2013 ist sie auch im Privatsektor für Unternehmen
  mit mehr als 1.000 Beschäftigten in Frankreich          – Die Frage der Mitbestimmung wird zunehmend
  bzw. 5.000 weltweit obligatorisch.                        nicht nur im Zusammenhang mit den wirtschaftli-
                                                            chen und sozialen Erfordernissen diskutiert, son-
– Durch das traditionelle Misstrauen zwischen Ar-           dern auch unter dem Gesichtspunkt ökologischer
  beitgebern und Gewerkschaften hat die Unterneh-           Nachhaltigkeit.
  mensmitbestimmung in Frankreich traditionell ei-
  nen schweren Stand. Die (meisten) Gewerkschaf-
  ten befürworten sie aber mittlerweile und fordern
  eine paritätische Mitbestimmung.

– In den letzten Jahren hat sich die wissenschaftli-
  che, gewerkschaftliche und politische Debatte in
  Frankreich zum Thema Mitbestimmung spürbar
  intensiviert. Sie führte u. a. zu einem viel beachte-
  ten Aufruf in der Zeitung LeMonde.

– Selbst Präsident Macron hatte im Wahlkampf eine
  Ausweitung der Mitbestimmung versprochen.
  Umgesetzt wurde dies bisher aber nur sehr be-
  grenzt.

– Die sozialistische Fraktion hat einen Gesetzesvor-
  schlag eingebracht, der u. a. ab 5.000 Arbeitneh-
  mer / innen eine paritätische Mitbestimmung vor-
INHALT

                        Vorwort – 3                                              5   Die Vorschläge des Collège des
                                                                                     Bernardins – 9
                        1      Einleitung – 6
                                                                                 6   Die Forderungen der Gewerkschaften – 11
                        2      Das historische Erbe – 6
                                                                                 7   Bescheidene Verbesserung in der
                        3      Erste Schritte zur gesetzlichen Mitbestim-            Unternehmensreform 2017 bis 2019 – 13
                               mung im Privatsektor unter Hollande – 7
                                                                                 8   Politischer Ausblick – 13
                        4      Die Versprechungen von Staatspräsident
                               Macron – 9

AUTOR

                        Udo Rehfeldt
                        ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut de
                        Recherches Economiques et Sociales (IRES), dem wirt-
                        schafts- und sozialwissenschaftlichen Forschungsinsti-
                        tut der französischen Gewerkschaften.
                        udo.rehfeldt@ires.fr

Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019 Seite 2
VORWORT                                                     gezeichnet und mit europäischen Wettbewerbern ver-
                                                            glichen. Das Ergebnis war eindeutig: Unternehmen,
In 18 der (derzeit noch) 28 EU-Länder sowie in Norwe-       bei denen die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat mitbe-
gen haben Beschäftigte das Recht, ihre Vertreterinnen       stimmen, haben sich während der Finanzkrise und in
und Vertreter in den Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat         den Jahren danach wirtschaftlich signifikant besser
des Unternehmens zu entsenden. Die Unternehmens-            entwickelt als Firmen ohne Mitbestimmung. Offen-
mitbestimmung ist in vielen europäischen Ländern            sichtlich sind mitbestimmte Unternehmen robuster
ein grundlegender Bestandteil der Unternehmensfüh-          und zukunftsorientierter.
rung und der Interessenvertretung. Die deutsche Mit-            Sicher trägt dies dazu bei, dass das Interesse an der
bestimmung ist also keineswegs ein „Solitär“ – wie          Mitbestimmung im Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat
bisweilen behauptet wird, sondern eine starke Refe-         (Board of Directors) in mehreren Ländern derzeit grö-
renz unter mehreren in Europa.                              ßer wird. Selbst dort wo es bisher keine ausgeprägte
    Jedes nationale System der Unternehmensmitbe-           Tradition der Unternehmensmitbestimmung gab, ent-
stimmung ist auf seine Art einzigartig. Es ist historisch   stehen interessante Debatten.
gewachsen und in ein Gesamtsystem der Arbeitsbe-                Die Akteure und politischen Kontexte unterschei-
ziehungen und Unternehmenskultur eingebettet. Dies          den sich. Und doch steht im Kern meist die gleiche
macht es schwierig, sie miteinander direkt zu verglei-      große Herausforderung: Ein Gegengewicht zu einem
chen oder gar zu versuchen, ein System in ein ande-         entfesselten Finanzkapitalismus zu setzen, in dem Ar-
res Land zu übertragen. Die institutionell-rechtlichen      beitnehmer- und gesamtgesellschaftliche Interessen
Strukturen mögen sich von Land zu Land unterschei-          allzu oft das Nachsehen haben gegenüber einem kurz-
den. Gleichzeitig scheint die Stimme der Arbeitnehmer       fristigen Renditedruck, der nur wenigen dient.
(Workers‘ Voice) an der Spitze von Unternehmen ein              Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass – an-
Element der länderspezifischen Antworten auf ähnli-         ders als noch 2008 – die Mitbestimmung offensicht-
che Herausforderungen zu sein. Als „funktionale Äqui-       lich in vielen Ländern als eine mögliche Antwort dis-
valente“ betrachtet werden Unterschiede erfahrbar           kutiert wird, um die großen Fragen unserer Zeit anzu-
und vergleichbar (mehr dazu im Mitbestimmungsre-            gehen. Im Rahmen einer kleinen „Länderreihe“ werfen
port Nr. 52).                                               wir den Blick auf die aktuellen Debatten und Entwick-
    Aus diesem Grund lohnt sich der Blick über den          lungen in Frankreich und in Großbritannien. Wir haben
nationalen Tellerrand: Zum einen um voneinander zu          die beiden renommierten Experten Udo Rehfeldt (IRES
lernen und die eigene Tradition „zukunftsfest“ zu ma-       Paris) und Lionel Fulton (Labour Research Depart-
chen. Zum anderen um zu einem gemeinsamen euro-             ment, London) gewinnen können, in ihrem Land die
päischen Verständnis zu gelangen, was gute Unter-           spannenden Diskussionen für uns nachzuzeichnen, sie
nehmensführung ausmacht und welche Rolle Mitbe-             zu analysieren und vor dem Hintergrund des spezifi-
stimmung hierbei spielt. Mitbestimmung sorgt dafür,         schen nationalen Kontexts zu verorten.
dass Unternehmen eben nicht nur den Shareholdern
eindrucksvolle Renditen bescheren. Sie hat mehr im
Blick als Börsenwert, Dividende und Investorenrendi-
te. Sie steht für ein breiteres Verständnis von Unter-
nehmensführung, das sich am nachhaltigen Erfolg des            REPORT                                                                        REPORT
Unternehmens ausrichtet. In Zeiten, in denen Unter-             Mitbestimmungsreport Nr. 52, 09.2019

                                                                                               Nummer fehlt uns noch
                                                                                                                                              Mitbestimmungsreport Nr. 51, 06.2019

nehmen oft zur reinen Handelsware geworden sind, ist
                                                                                                                                            STARKE MITBESTIMMUNG –
sie ein immer wichtigeres Korrektiv: Um Perspektiven            WORKERS’ VOICE
                                                                                                                                            STABILE UNTERNEHMEN
für Arbeit und Standorte zu sichern und um den lang-            Die Stimme der Arbeitnehmer in der europäischen Corporate Governance –
                                                                eine Einladung, neue Perspektiven für die Mitbestimmung zu eröffnen         Eine empirische Analyse vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise

fristigen Unternehmenserfolg im Einklang mit seiner
                                                                                                                                            Marc Steffen Rapp / Michael Wolff

Umwelt sicherzustellen.                                                                                                                       AUF EINEN BLICK

    Historisch gesehen waren es in Europa meist (Ver-                                                                                         – Mitbestimmte Unternehmen waren nicht nur
                                                                                                                                                robuster während der Finanz- und Wirtschafts-
                                                                                                                                                krise, sie erholten sich auch schneller von den
                                                                                                                                                                                                  – Mitbestimmte Unternehmen initiierten während
                                                                                                                                                                                                    der Finanz- und Wirtschaftskrise weniger stra-
                                                                                                                                                                                                    tegische Änderungen. Simultan engagieren sich

trauens-) Krisen und große Herausforderungen, die
                                                                                                                                                Auswirkungen der Krise.                             mitbestimmte Unternehmen weniger stark im
                                                                                                                                                                                                    Bereich Unternehmensübernahmen.
                                                                                                                                              – Mitbestimmte Unternehmen entließen während
                                                                                                                                                und nach der Krise weniger Beschäftigte als       – Mitbestimmte Unternehmen verzeichneten im
                                                                                                                                                Unternehmen ohne Mitbestimmung.                     Betrachtungszeitraum höhere Renditen und

dazu führten, dass Mitbestimmungsgesetze einge-                                                                                               – Während der Krise hielten mitbestimmte Un-
                                                                                                                                                ternehmen ihre Investitionen in Forschung und
                                                                                                                                                                                                    wiesen geringere Kapitalmarktschwankungen
                                                                                                                                                                                                    auf. Die Unternehmensbewertungen unterlagen
                                                                                                                                                                                                    einem weniger drastischen Verfall, als bei Unter-
                                                                                                                                                Entwicklung und in das Anlagevermögen auf           nehmen ohne Mitbestimmung.

führt oder ausgeweitet wurden. Vor diesem Hinter-
                                                                                                                                                einem höheren Niveau als Unternehmen ohne
                                                                                                                                                Mitbestimmung.                                    – Die Rentabilität (Return on Assets) bei mitbe-
                                                                                                                                                                                                    stimmten Unternehmen fiel (während und nach
                                                                                                                                              – Für die Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise       der Finanz- und Wirtschaftskrise) weniger stark,

grund kann es nur verwundern, wie wenig in Folge
                                                                                                                                                wiesen Unternehmen ohne Mitbestimmung               als bei Unternehmen ohne Mitbestimmung. Die
                                                                                                                                                weniger Fremdkapitalaufnahme und mehr               Umsatzrentabilität (Return on Sales) blieb bei
                                                                                                                                                Aktienrückkäufe auf, während bei mitbestimm-        mitbestimmten Unternehmen während der Krise
                                                                                                                                                ten Unternehmen ein gegenläufiger Trend zu          ceteris paribus auf Vorkrisenniveau.

der großen Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2008
                                                                                                                                                erkennen ist.

unternommen wurde, um Mitbestimmungsrechte zu
stärken. Offenbar hat der Schock nicht lange genug
angehalten, um nicht doch wieder zu einem Business-
                                                            Die Stimme der Arbeitnehmer in der eu-                                       Starke Mitbestimmung – Stabile Unterneh-
as-usual überzugehen. Welches Potenzial hierbei             ropäischen Corporate Governance – eine                                       men. Eine Empirische Analyse vor dem Hin-
verschenkt wurde, zeigte zuletzt die beeindruckende         Einladung, neue Perspektiven für die Mitbe-                                  tergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise.
Studie von Prof. Dr. Marc Steffen Rapp von der Uni-         stimmung zu eröffnen.                                                        Reihe: Mitbestimmungsreport, Nr. 51.
versität Marburg und Prof. Dr. Michael Wolff von der        Reihe: Mitbestimmungsreport, Nr. 52.                                         Düsseldorf: 2019, ISSN: 2364-0413
Universität Göttingen. Sie haben für den Zeitraum von       Düsseldorf: 2019, ISSN: 2364-0413
2006 bis 2013 die Entwicklung von 280 deutschen
Börsengesellschaften aus dem Prime Standard nach-

                                                                                                                                          Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019 Seite 3
Interessanterweise beschränkt sich die Entwick-             nur auf Ebene einzelner Länder beschränkt bleiben.
                        lung keineswegs auf den europäischen Kontinent.                Nicht zuletzt die Entwicklungen im europäischen Ge-
                        Auch in den USA stößt die Unternehmensmitbestim-               sellschaftsrecht zeigen: Mitbestimmungsrechte sind
                        mung „plötzlich“ auf Interesse. So tragen US-Wissen-           heute nur dann gesichert, wenn ein starkes nationa-
                        schaftler / innen seit einiger Zeit auf der Website code-      les Fundament mit einem funktionierenden Schutz
                        terminationfacts.com Informationen und Fakten rund             auf europäischer Ebene einhergeht. Mitbestimmung
                        um die Mitbestimmung zusammen. Prominenteste                   gehört auf die EU-Agenda. Nachhaltige Unterneh-
                        Befürworterin der Mitbestimmung ist die demokrati-             mensführung und stärkere Kollektivrechte müssen in
                        sche US-Senatorin und Präsidentschaftskandidatin               den nächsten fünf Jahren zu einer Priorität der neuen
                        Elizabeth Warren. Ihr Gesetzesentwurf sieht vor, dass          EU-Kommission werden. Ein Vorschlag für eine Euro-
                        die Beschäftigten 40 % der Mitglieder des Board of             päische Rahmenrichtlinie zu Unterrichtung, Anhörung
                        Directors wählen. Er ist eingebettet in ein Maßnah-            und Unternehmensmitbestimmung – wie sie etwa der
                        menpaket, dass die einseitigen Marktanreize des „Ak-           Europäische Gewerkschaftsbund fordert, wäre hier ein
                        tionärskapitalismus“ verändern soll, die Unternehmen           wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
                        dazu verleiten, ihren Fokus auf die Maximierung des                Ob Klimawandel, erodierender gesellschaftlicher
                        Shareholder Value zu legen statt in ihre Beschäftigten         Zusammenhalt, digitaler Wandel oder exzessiver Fi-
                        und die Gesellschaft zu investieren. Der US-Journalist         nanzkapitalismus: Wir brauchen mehr denn je zuver-
                        und Buchautor Steven Hill hat die amerikanische De-            lässige Mechanismen der Aushandlung guter und
                        batte in einem Beitrag für das Mitbestimmungsportal            fairer Lösungen mit Beteiligung aller Betroffenen auf
                        anschaulich analysiert.                                        Augenhöhe. Genau dafür stand und steht die Mitbe-
                           Selbstverständlich geht es nicht darum, die deut-           stimmung. Nach Jahren des mitbestimmungspoliti-
                        sche Mitbestimmung eins zu eins zu übernehmen. Ge-             schen Stillstands in Deutschland wie in Europa sollten
                        meinsam mit anderen europäischen Modellen ist sie              wir offensiv und selbstbewusst dafür kämpfen, dass
                        aber eine wichtige Referenz, um die Diskurse in ande-          wieder mehr in die „Mitbestimmungsinfrastruktur“
                        ren Ländern zu inspirieren und Initiativen zu unterstüt-       investiert wird. Sonst droht der „Vorteil Mitbestim-
                        zen, die Workers’ Voice stärken wollen. Und auch in            mung“ verloren zu gehen.
                        Deutschland lohnt es sich, die Debatten aus anderen
                        Ländern aufzugreifen und sie für den eigenen Kontext                                    Norbert Kluge, I.M.U. Direktor
                        fruchtbar zu machen. Wichtig ist auch, dass sie nicht                           Michael Stollt, Referatsleiter am I.M.U.

                                               Fokus > Mitbestimmung & Europa

                                               Unternehmen agieren mühelos über Grenzen hinweg. Auch die Mitbestimmung muss
                                               sich also europäisch aufstellen. Zumal über ihre Zukunft auch in Brüssel, Straßburg und
                                               Luxemburg entschieden wird. Im Mitbestimmungsportal stellen wir auf unserer FOKUS-
                                               Seite aktuelle Entwicklungen und praxisnahe Informationen zusammen.

                                               https://www.mitbestimmung.de/html/thema-mitbestimmung-europa-7076.html

Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019 Seite 4
Wo Arbeitnehmer in der EU mitentscheiden

Das Recht auf Mitbestimmung in Führungsgremien gibt es …

in privaten und staatlichen Unternehmen
in staatlichen Unternehmen
nur in Ausnahmefällen
in der Regel ab einer Beschäftigtenzahl von …                                                 Schweden
                                                                                               >25
                                                                                                              Finnland
                                                                                                              >150

                                                                                                                Estland

                                                                                                                Lettland
                  Irland                                         Dänemark
                                                                         >35
                                                                                                             Litauen
                                               Groß-    Niederlande
                                             britannien >100

                                                              Belgien                              Polen
                                                                             Deutschland
                                                                             >500
                                                          Luxemburg*
                                                         >1.000                         Tschechien
                                                                                                  Slowakei
                                                  Frankreich*                         Österreich** >50
                                                  >1.000                              >300       Ungarn
                                                                              Slowenien           >200
                                                                                                                Rumänien
                                                                                   >50      Kroatien
                                                                                            >200

                                                                                 Italien
                      Spanien                             Liechten-
                                                              stein                                              Bulgarien

    Portugal

                                                                                 Malta           Griechenland                             Zypern

* andere Schwellenwerte für staatliche Unternehmen
** nur GmbHs, bei AGs kein Schwellenwert, sofern ein Betriebsrat existiert

Quelle: ETUI 2015 (Download: bit.do/impuls1558)

    Wer mehr wissen möchte
    Basisinfos zu Mitbestimmung in den einzelnen
    EU-Ländern im Mitbestimmungsportal:
          https://www.mitbestimmung.de/html/
          mitbestimmung-in-europa-166.html

                                                                                                                  Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019 Seite 5
1 EINLEITUNG                                              Unternehmen beschränkt. Sie wurde erstmals 1937
                                                                                  in den Staatsbahnen (SNCF) eingeführt, dann massiv
                        Frankreich befindet sich in einer paradoxen Situation.    nach den Verstaatlichungen von 1944 bis 1945. Die
                        Als erstes europäisches Land führte es bereits 1945       Zusammensetzung der Verwaltungsräte (VR)1 war
                        in wirtschaftlichen Angelegenheiten die überbetrieb-      dabei „tripartistisch“, entsprechend einer Forderung
                        liche Mitbestimmung von Arbeitnehmern ein, aller-         der Gewerkschaft CGT von 1918. Ein Drittel der Sitze
                        dings zunächst nur im öffentlichen Sektor. Seit 2013      ging an Arbeitnehmervertreter (administrateurs salari-
                        ist sie auch im privaten Sektor obligatorisch – jedoch    és). Sie wurden in der Regel von den Gewerkschaften
                        mit der höchsten Schwelle hinsichtlich der Beschäf-       vorgeschlagen und von der Regierung entsprechend
                        tigtenzahl und mit der niedrigsten Anzahl von Arbeit-     dem Ergebnis der betrieblichen Wahlen ernannt.
                        nehmervertretern aller Länder mit Mitbestimmung               Erst in den 1960er Jahren begann die Debatte
                        in Europa. Die Hindernisse für eine Ausweitung der        über die überbetriebliche Mitbestimmung in den Pri-
                        Mitbestimmung wurzelten in der französischen Kultur       vatunternehmen. Die Protagonisten dieser Debatte
                        der Arbeitsbeziehungen. Diese war gekennzeichnet          kamen aus „modernistischen“ Zirkeln wie dem poli-
                        durch Misstrauen zwischen Arbeitgebern und Ge-            tischen Club Jean Moulin, in dem sozialkatholische
                        werkschaften sowie durch Ablehnung der Mitbestim-         und linksgaullistische Technokraten dominierten. Die-
                        mung seitens der Arbeitgeberverbände und lange            se Projekte waren stark vom deutschen Modell der
                        auch seitens der Mehrheit der Gewerkschaftsorgani-        Mitbestimmung beeinflusst. In einem 1963 vom Club
                        sationen. Wie schon Staatspräsident Hollande im Jahr      Jean Moulin veröffentlichten Buch über die Unterneh-
                        2012 versprach auch sein Nachfolger, Staatspräsident      mensreform sprach sich François Bloch-Lainé für die
                        Macron, während des Wahlkampfes eine Auswei-              Einführung eines dualen Unternehmensmodells mit
                        tung der Mitbestimmung. Dieses Versprechen wur-           Beteiligung von Arbeitnehmervertretern aus. Diese
                        de jedoch nur sehr begrenzt umgesetzt. In der wis-        Idee wurde 1975 von der von Staatspräsident Giscard
                        senschaftlichen, gewerkschaftlichen und politischen       d‘Estaing eingesetzten Sudreau-Expertenkommission
                        Debatte gewinnt das Thema seither an Dynamik, wo-         weiterentwickelt. Ihr Bericht schlug ein Modell der
                        durch der Druck auf den Gesetzgeber wächst. Diese         „Mitaufsicht“ vor mit einem Drittel Arbeitnehmerver-
                        neueren Entwicklungen werden hier nachgezeichnet.         treter ohne Stimmrecht im VR oder Aufsichtsrat (AR).
                                                                                  Diese Beteiligung sollte für Unternehmen mit 1.000
                                                                                  bis 2.000 Beschäftigten fakultativ sein, ab 2.000 Be-
                                                                                  schäftigten obligatorisch. Der Vorschlag blieb auf po-
                                                                                  litischer Ebene folgenlos, denn er wurde abgelehnt:
                        2 DAS HISTORISCHE ERBE                                    nicht nur von den Arbeitgeberverbänden (mit Aus-
                                                                                  nahme einiger fortschrittlicher Unternehmerzirkel),
                        Im März 1944, noch unter deutscher Besatzung, erar-       sondern auch von den drei großen Gewerkschafts-
                        beite der Nationalrat der Résistance, in dem Parteien     bünden CGT, FO und CFDT (zu den Gewerkschaften
                        und Organisationen des Widerstands, darunter auch         siehe Infobox 3). Seitens der Gewerkschaft stimmten
                        die Gewerkschaften vertreten waren, ein Programm          ihm nur die kleine christliche Gewerkschaft CFTC und
                        der „Wirtschafts- und Sozialdemokratie“. Es sollte        die Gewerkschaft der leitenden Angestellten CGC zu.
                        den Arbeitnehmern die Beteiligung an der Unterneh-        Damals engagierte sich die CFDT für ein alternatives
                        mensleitung ermöglichen. Dieses Ziel wurde in der         Modell der „Selbstverwaltung“ (autogestion), das sie
                        noch heute gültigen Präambel der Verfassung von           aber nach 1978 wieder aufgab.
                        1946 bekräftigt. Darin heißt es: „Jeder Arbeitnehmer          Nach dem Wahlsieg der Vereinigten Linken im Jahr
                        beteiligt sich durch seine Delegierten an der kollekti-   1981 und weiteren Verstaatlichungen wurde 1983 das
                        ven Festlegung der Arbeitsbedingungen sowie an der        Gesetz zur Demokratisierung des öffentlichen Sektors
                        Führung der Unternehmen.“ In der Privatwirtschaft         verabschiedet. Es weitete die Beteiligung im VR / AR
                        wurde dieses Ziel zunächst durch die Einrichtung von      auf alle Unternehmen des öffentlichen Sektors aus.
                        Betriebsausschüssen (comités d’entreprise) erreicht       Gleichzeitig wurde damit das Prinzip der Bestellung
                        (vgl. Rehfeldt 2019). Laut Alexandre Parodi, Arbeits-     der Arbeitnehmervertreter im VR / AR durch direkte
                        minister der ersten Nachkriegsregierung, sollte so        Wahlen auf der Grundlage von gewerkschaftlichen
                        schrittweise eine „Arbeiterelite“ geschaffen werden,      Vorschlagslisten verallgemeinert. Das Gesetz führte
                        die „den finanziellen und industriellen Problemen         jedoch auch Beschränkungen ein: Einer der Sitze war
                        der Unternehmen größere Aufmerksamkeit entge-             nunmehr den Vertretern der leitenden Angestellten
                        genbringt“. Gemäß dem schließlich verabschiedeten         (cadres) 2 vorbehalten. Die gewählten Arbeitnehmer-
                        Gesetz hatten die Betriebsausschüsse jedoch nur           vertreter müssen sämtliche Vertretungsmandate im
                        das Recht auf Unterrichtung und Anhörung. Vom ur-         Unternehmen aufgeben.
                        sprünglichen Ziel der Beteiligung an der Geschäfts-
                        führung blieb nur die Teilnahme von zwei bis vier Ver-    1   Damals gab es nur Unternehmen mit monistischer Struktur.
                                                                                      Heute haben zahlreiche Unternehmen eine duale Struktur,
                        tretern an den Sitzungen des Verwaltungsrats übrig            also einen Aufsichtsrat und einen Vorstand (directoire).
                        – allerdings ohne Stimmrecht.                             2   Diese Kategorie ist im französischen Recht weiter gefasst
                                                                                      als die der leitenden Angestellten in Deutschland. Sie um-
                           Die überbetriebliche Mitbestimmung in wirtschaft-          fasst auch Ingenieure sowie technische und kaufmännische
                        lichen Angelegenheiten war zunächst auf öffentliche           Angestellte.

Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019 Seite 6
1986 / 87 und erneut nach 1993 nahm die an die                   3 ERSTE SCHRITTE ZUR GESETZLICHEN
Macht zurückgekehrte Rechte eine Reihe von Priva-
                                                                       MITBESTIMMUNG IM PRIVATSEKTOR
tisierungen vor. Das Privatisierungsgesetz von 1994
verpflichtete Unternehmen, die Arbeitnehmervertre-                     UNTER HOLLANDE
tung zum Zeitpunkt der Privatisierung aufrechtzuer-
halten: In VR / AR mit weniger als 15 Mitgliedern muss-              Während der Kampagne für die Präsidentschaftswah-
ten mindestens zwei Arbeitnehmervertreter beteiligt                  len 2012 versprach der sozialistische Kandidat Fran-
sein, in den anderen Fällen mindestens drei. Einer                   cois Hollande, die Arbeitnehmerbeteiligung im VR / AR
Aktionärshauptversammlung steht es jedoch frei,                      auf alle großen Privatunternehmen auszuweiten. Nach
die Zahl der Arbeitnehmervertreter nach Ablauf ihrer                 seiner Wahl wurde zur Einlösung dieses Versprechens
Mandate zu verringern. Ein Gesetz von 2006 sah für                   Louis Gallois5 mit einem Bericht über die französische
die 1986 privatisierten Unternehmen, die freiwillig Ar-              Wettbewerbsfähigkeit betraut. Sein Bericht vom No-
beitnehmervertreter unterhielten, die Mindestanzahl                  vember 2012 beklagte den Verlust der industriellen
von einem Vertreter in einem VR / AR mit weniger als                 Substanz der französischen Wirtschaft, wonach die
15 Mitgliedern vor; in den anderen Fällen die Mindest-               Industrie nur noch etwa ein Zehntel der Wertschöp-
zahl von zwei Vertretern. Dieses Gesetz unterschied                  fung und der Beschäftigung repräsentiere. Für diesen
jedoch nicht zwischen Vertretern der Arbeitnehmer-                   Rückgang wurde die Unterwerfung der französischen
aktionäre und den Vertretern aller Arbeitnehmer im                   Unternehmen unter die kurzfristige Renditelogik des
Unternehmen.3 Bis zur Verabschiedung eines neuen                     Finanzkapitalismus verantwortlich gemacht. Um die
Gesetzes im Jahr 2013 war es daher rechtlich mög-                    industriellen Investitionen anzukurbeln und die Unter-
lich, letztere vollständig zu beseitigen.                            nehmensstrategien auf langfristige Ziele auszurichten,
    Dennoch behielten etwa zwei Drittel der privati-                 forderte der Bericht einen „Pakt für die Wettbewerbs-
sierten Unternehmen ihre Arbeitnehmervertretungen                    fähigkeit“ und empfahl, in Unternehmen mit mehr als
bei, allerdings mit einer jeweils geringeren Anzahl von              5.000 Beschäftigten mindestens vier Arbeitnehmer-
Vertretern. Im Jahr 2007 gab es in Frankreich ca. 160                vertreter im VR / AR (bis zu einem Drittel) obligatorisch
Unternehmen mit mindestens einem Arbeitnehmer-                       zu machen. Der Bericht beruft sich dabei ausdrücklich
vertreter im VR / AR. 61 % von ihnen gehörten dem                    auf das deutsche Mitbestimmungsmodell als ein Bei-
öffentlichen Sektor an, 39 % dem privaten Sektor.                    spiel für gute Praxis, die zur Wahrung der internatio-
87 % Letzterer waren privatisierte Unternehmen. Seit                 nalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie
1986 ist es zwar im Privatsektor gesetzlich zulässig,                beitrage (vgl. Gallois 2012). Premierminister Ayrault
freiwillig eine Arbeitnehmervertretung bis zu einer                  bewertete den Vorschlag zwar positiv, reduzierte ihn
Höchstanzahl von einem Viertel des VR / AR einzu-                    aber sogleich auf „mindestens zwei“ Arbeitnehmer-
führen, doch hat hiervon kaum ein Unternehmen Ge-                    vertreter. Auch wurde er nicht in einen Gesetzentwurf
brauch gemacht. Die Anzahl der Arbeitnehmervertre-                   umgeformt, sondern seine Umsetzung den bereits
ter betrug zu dieser Zeit in allen Unternehmen durch-                zwischen den Sozialpartnern laufenden Verhandlun-
schnittlich 3,4 bei einer durchschnittlichen Größe der               gen zur Beschäftigungssicherung überlassen. Sie
VR / AR von 17 Mitgliedern. Aufgrund der höheren ge-                 einigten sich im Januar 2013 auf ein Sozialpartner-
setzlichen Verpflichtungen in öffentlichen Unterneh-                 abkommen, das von den Arbeitgeberverbänden und
men war die durchschnittliche Anzahl der Arbeitneh-                  den drei Gewerkschaften CFDT, CFTC und CFE-CGC
mervertreter pro VR / AR hier doppelt so hoch (4,1) wie              unterzeichnet wurde, nicht jedoch von der CGT und
in den privaten Unternehmen (2,3). 4                                 der FO (zur „sozialen Konzertierung“ s. Rehfeldt 2018).
                                                                     Das Abkommen enthält einige Themen, zu denen die
                                                                     Verhandlungsführer gegenseitige Zugeständnisse
                                                                     vereinbarten. In dem kurzen Artikel 13 gestanden die
                                                                     Arbeitgeberorganisationen zu, in Unternehmen mit
                                                                     mehr als 5.000 Beschäftigten in Frankreich (oder mehr
                                                                     als 10.000 weltweit) einen Arbeitnehmervertreter im
3   Viele große Unternehmen haben solche Arbeitnehmerakti-
                                                                     VR / AR einzuführen bzw. zwei Arbeitnehmervertreter,
    onäre. Frankreich ist das europäische Land, in dem Beleg-        falls der VR / AR mehr als zwölf Mitglieder hat. Das Ver-
    schaftsaktienbesitz am weitesten entwickelt ist – vor allem
    dank der Privatisierungen. Sie ermöglichten es den Arbeit-
    nehmern, Aktien ihres Unternehmens zu sehr günstigen             4   Anders als für die anderen Formen der Arbeitnehmervertre-
    finanziellen Konditionen zu kaufen. Seit 2002 muss ein oder          tung, für die das Arbeitsministerium regelmäßig Statistiken
    müssen mehrere Arbeitnehmervertreter von der Hauptver-               veröffentlicht, gibt es keine öffentlichen Erhebungen über
    sammlung bestellt werden, wenn die Belegschaftsaktien                die Anzahl der mitbestimmten Unternehmen, der Arbeit-
    3 % des Aktienkapitals überschreiten. Diese Verpflichtung            nehmervertreter und über die Verteilung der Sitze. Die hier
    besteht nicht, wenn es bereits gewählte Arbeitnehmerver-             genannten Zahlen stammen aus den Arbeiten von Aline
    treter gibt. In der Praxis gibt es häufig ein Nebeneinander          Conchon, die 2014 eine Dissertation zu diesem Thema
    dieser beiden Arten der Arbeitnehmervertretung. Ein Ge-              abgeschlossen hat (vgl. Conchon 2014). Ein Teil ihrer quan-
    setz zur finanziellen Beteiligung von 2006 sieht vor, dass die       titativen Erhebung ist auf der HBS-Webseite sowie in der
    Vertreter der Arbeitnehmeraktionäre von Letzteren gewählt            Zeitschrift Mitbestimmung deutschsprachig verfügbar (vgl.
    werden müssen. In der Regel stellen die Gewerkschaften               Conchon 2006 und 2008).
    Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl der Arbeitneh-         5   Zuvor Leiter mehrerer großer öffentlicher Unternehmen,
    mervertreter der Anteilseigner vor. Die großen Gewerk-               insbesondere der Staatsbahnen SNCF und von EADS-
    schaften wie CGT und FO stehen der Entwicklung dieser                Airbus. Seit 2014 ist Gallois Aufsichtsratsvorsitzender des
    Mitarbeiterbeteiligung sehr kritisch gegenüber.                      Automobilkonzerns PSA.

                                                                                                                   Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019 Seite 7
bot der Kumulation mit anderen Vertretungsmandaten       direkte Tochterunternehmen sind von dieser Verpflich-
                        sollte beibehalten werden.                               tung ausgenommen, auch wenn sie die Größenanfor-
                           Wie versprochen, setzte die Regierung diese Ver-      derungen erfüllen. Holdinggesellschaften mit weniger
                        einbarung um: in Form eines Gesetzes über die Siche-     als 50 Mitarbeitern wurden zunächst ebenfalls ausge-
                        rung der Beschäftigung. Es wurde im Juni 2013 ver-       schlossen. Das Gesetz betrifft Aktien- und Komman-
                        abschiedet. Die Ministerialbürokratie hat jedoch noch    ditgesellschaften, einschließlich SEs, hingegen nicht
                        eine Reihe von Einschränkungen und Modifikationen        GmbHs, „vereinfachte Aktiengesellschaften“ oder
                        für die Benennung der Arbeitnehmervertreter hinzu-       Genossenschaften.
                        gefügt. Man kann vermuten, dass diese Änderungen            Die Ernennung der Arbeitnehmervertreter ist nicht
                        das Ergebnis einer intensiven Lobbyarbeit der Arbeit-    mehr durch Direktwahl vorgeschrieben. Dafür beste-
                        geberverbände und der eventuell betroffenen Unter-       hen jetzt vier alternative Möglichkeiten: Ernennung
                        nehmen sind: Nunmehr müssen Kapitalgesellschaf-          durch
                        ten mit 5.000 und mehr Beschäftigten in Frankreich
                        oder 10.000 Beschäftigten weltweit, die ihren Sitz in    – Direktwahl,
                        Frankreich und noch keine Arbeitnehmervertretung im      – den Betriebsausschuss (ggf. durch den Zentralbe-
                        VR / AR haben, eine solche einführen. Direkte oder in-     triebs- oder Konzernausschuss),

                                                                                                                                   Infobox 1

                        Die wichtigsten politischen Parteien Frankreichs

                        La République en Marche (LREM) ist die 2016 ge-          Partei 13 % der Stimmen und bei den Europawahlen
                        gründete Partei von Staatspräsident Macron, der zu-      im Mai 2019 23 %. In der Nationalversammlung ist der
                        vor Berater des Staatspräsidenten Hollande und dann      RN mit 8 Abgeordneten vertreten und erreichte keine
                        Wirtschaftsminister im Kabinett Valls war. Gemeinsam     Fraktionsstärke.
                        mit der Zentrumspartei MoDem (Mouvement démo-
                        crate) erhielt LREM im ersten Wahlgang der Parla-        Die Sozialistische Partei Parti Socialiste (PS) stellte
                        mentswahlen 2017 32 % der Stimmen. Aufgrund des          in der Legislaturperiode 2012 bis 2017 unter Staats-
                        Mehrheitswahlrechtes erhielt LREM nach dem zweiten       präsident Hollande die absolute Mehrheit in der Na-
                        Wahlgang mit 306 der 577 Sitze die absolute Mehrheit     tionalversammlung. Sie erhielt 2017 gemeinsam mit
                        in der Nationalversammlung. Dazu kommen 46 Sitze         den Grünen und der Linkspartei PRG (Parti radical de
                        des MoDem. Die Regierung setzt sich vor allem aus        gauche) nur noch 11 % der Stimmen. Bei der Europa-
                        Überläufern anderer Parteien (LR, UDI, PS, Grüne)        wahl im Mai 2019 sank die PS weiter auf 6 % ab. In der
                        und Vertretern der „Zivilgesellschaft“ zusammen. Bei     Nationalversammlung bildet sie, zunächst unter dem
                        den Europawahlen im Mai 2019 erhielt die gemeinsa-       Namen Nouvelle Gauche und jetzt wieder als PS, eine
                        me Liste von LREM und MoDem nur noch 22 % der            Fraktion mit 31 Abgeordneten.
                        Stimmen.
                                                                                 Die französischen Grünen Europe Ecologie Les Verts
                        Les Républicains (LR) entstand 2015 aus der Um-          (EELV) konnten 2017 nur einen Abgeordneten ins Par-
                        benennung der UMP (Union pour un mouvement po-           lament bringen, der mit Unterstützung von LREM ge-
                        pulaire), die bis 2012 die politische Landschaft domi-   wählt wurde und daraufhin zu dieser Partei übergetre-
                        nierte. Bei den Parlamentswahlen 2017 erhielt diese      ten ist. Bei der Europawahl 2019 erhielten sie 14 % der
                        Partei der traditionellen Rechten gemeinsamen mit        Stimmen.
                        der Mitte-Rechts-Partei UDI (Union des démocrates
                        et indépendants) 18 % der Stimmen. Bei der Europa-       La France Insoumise (LFI) ist die Partei der extremen
                        wahl im Mai 2019 erhielt die Liste von LR nur noch       Linken von Jean-Luc Mélenchon, der bei den Präsi-
                        9 % der Stimmen, die von UDI 3 %. In der Nationalver-    dentschaftswahlen 2017 mit knapp 20 % der Stim-
                        sammlung hat LR 104 Sitze. Die 16 Abgeordneten von       men den vierten Platz belegte. Seine Partei erzielte
                        UDI bilden mit Dissidenten von LR eine gemeinsame        bei den Parlamentswahlen 2017 gemeinsam mit eini-
                        Fraktion.                                                gen Kandidaten der Kommunistischen Partei 11 % der
                                                                                 Stimmen, jedoch bei der Europawahl 2019 nur noch
                        Rassemblement National (RN) ist seit 2018 der            6 % – wiederum gleichauf mit der Liste der PS, wäh-
                        neue Name des Front National, der Partei der extre-      rend die Kommunistische Partei 2,5 % und die Liste
                        men Rechten, geführt von Marine Le Pen. Diese er-        Génération.s des PS-Dissidenten Benoît Hamon 3,3 %
                        hielt bei den Präsidentschaftswahlen 2017 im ersten      erhielten. In der Nationalversammlung ist LFI mit 17
                        Wahlgang 21 % der Stimmen, 34 % im zweiten Wahl-         Abgeordneten vertreten, die Kommunistische Partei
                        gang. Bei den Parlamentswahlen 2017 erzielte ihre        mit 13 Abgeordneten.

Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019 Seite 8
– die Gewerkschaft oder die beiden Gewerkschaften       Aufhebung des Vorranges der Branchentarife und
  mit den meisten Stimmen bei den Belegschafts-         die Erweiterung der Möglichkeiten, betriebliche Ab-
  wahlen im Unternehmen,                                kommen auch ohne Gewerkschaften abzuschließen.
– den Europäischen Betriebsrat (oder den SE-Be-         Beides hatte der französische Arbeitgeberverband
  triebsrat) im Falle eines zweiten Vertreters.         MEDEF seit dem Jahr 2000 gefordert. Die Verord-
                                                        nungen enthalten noch weitere Verschlechterungen
Gibt es zwei Arbeitnehmervertreter, müssen sie nach     für die Arbeitnehmer. Sie erfüllen die Forderung der
dem Prinzip der Gleichstellung der Geschlechter er-     Arbeitgeber nach einer „Vereinfachung“ der betrieb-
nannt werden.                                           lichen Vertretungsstrukturen, an der die Sozialpart-
    Die Hauptversammlung des jeweiligen Unterneh-       nerverhandlungen 2015 gescheitert waren. Durch die
mens hat nach Anhörung des Konzernbetriebsaus-          Macron-Reform wird nunmehr die Zusammenlegung
schusses zwischen diesen vier Wahlmodalitäten zu        sämtlicher gesetzlicher Vertretungsgremien, mit
wählen. Fasst die Versammlung keinen Beschluss,         Ausnahme der Gewerkschaftsdelegierten, zu einem
werden die Vertreter durch eine Wahl ernannt. Nach      „Sozial- und Wirtschaftsausschuss“ für alle Betriebe
bisher vorliegenden Informationen bevorzugen die        obligatorisch.
meisten Unternehmen die Ernennung durch den Be-            Wie schon zuvor das El-Khomri-Gesetz, wurden
triebsausschuss bzw. den Euro-Betriebsrat.              die Macron-Verordnungen ohne Mitwirkung der Ge-
    Im Jahr 2013 wurde aufgrund einer Initiative der    werkschaften erarbeitet. Sie führten daher erneut
sozialistischen Abgeordneten (und gegen den erklär-     zu gewerkschaftlichen Protestdemonstrationen. Auf
ten Willen des sozialistischen Arbeitsministers) die    mysteriöse Weise war in diesen Verordnungen das
Schwelle für die Unternehmensmitbestimmung auf          Thema Unternehmensmitbestimmung verschwun-
1.000 Mitarbeiter in Frankreich bzw. 5.000 weltweit     den. Dies provozierte eine erklärte „Enttäuschung“
herabgesetzt. Hingegen konnte sich der Arbeitsminis-    des Generalsekretärs der CFDT. In der Tat war die
ter gegen einen Antrag der sozialistischen Abgeord-     CFDT die einzige Gewerkschaft, die nicht nur zur
neten im Parlamentsausschuss durchsetzen: Sie hat-      Wahl von Macron aufgerufen hatte, sondern auch
ten gefordert, die Mindestanzahl der Arbeitnehmer-      bereit war, einige der in den Verordnungen enthal-
vertreter auf zwei zu erhöhen. Der Antrag wurde in      tenen Verschlechterungen der Arbeitnehmerrechte
der Plenarsitzung des Parlaments von einer Mehrheit     mitzutragen – in der Hoffnung, dass die Regierung
bestehend aus Abgeordneten der sozialistischen Par-     im Gegenzug die versprochene Ausweitung der Un-
tei und der rechten Opposition abgelehnt. Holding-      ternehmensmitbestimmung zugesteht. Zwar hat die
gesellschaften mit weniger als 50 Beschäftigten sind    CFDT sich nicht an den Protestaktionen der anderen
nun nicht mehr von der Mitbestimmungspflicht be-        Gewerkschaften beteiligt. Doch die folgende Ent-
freit – außer es handelt sich um Finanzholdinggesell-   wicklung zeigte: Nunmehr stehen sämtliche Gewerk-
schaften, die keine Entscheidungsbefugnis hinsicht-     schaften in Opposition zu den verabschiedeten und
lich der Geschäftsstrategie von Tochtergesellschaften   noch geplanten Arbeitsrechtsreformen.
haben, die ihre Mitbestimmungspflicht erfüllen.            Immerhin kündigte Macron in einem Fernsehinter-
                                                        view am 15. Oktober 2017 an, dass eine „zweite Welle
                                                        von Reformen“ folgen werde; sie werde die erste Re-
                                                        formwelle in Richtung einer Verbesserung der Arbeit-
                                                        nehmerbeteiligung ergänzen. Allerdings erwähnte er
4 DIE VERSPRECHUNGEN VON STAATS-                        nur die finanzielle Beteiligung ausdrücklich.

  PRÄSIDENT MACRON
Mit der Wahl von Emmanuel Macron zum Staatprä-
sidenten im Jahr 2017 schien sich eine neue Phase
der Erweiterung der Mitbestimmungsrechte zu er-         5 DIE VORSCHLÄGE DES COLLÈGE DES
öffnen. Im Wahlkampf hatte Macron seine Absicht
                                                          BERNARDINS
verkündet, die Macht der Verwaltungsräte zu stärken
und Anreize für eine bessere Vertretung der Arbeit-     Zwischenzeitlich hat sich die wissenschaftliche, ge-
nehmer in den Verwaltungsräten zu schaffen. Das         werkschaftliche und politische Debatte zum Thema
Thema „Verbesserung der Arbeitnehmervertretung          Mitbestimmung intensiviert. Begonnen hat sie zu-
im VR“ tauchte so im Ermächtigungsgesetz vom            nächst in einem kleinen Kreis wissenschaftlicher Ex-
2. August 2017 auf. Mit diesem Gesetz sollte die im     perten. Eine zentrale Rolle spielte dabei das Collège
El-Khomri-Gesetz von 2016 begonnene Reform des          des Bernardins6, das seit 2009 ein multidisziplinari-
Arbeitsrechtes beschleunigt und ohne lange Debat-       sches Forschungsprogramm über Unternehmensfüh-
ten im Parlament in Form von Verordnungen (ordon-       rung und die soziale Verantwortung von Unterneh-
nances) fortgesetzt werden (vgl. Rehfeldt 2017). Auf    men durchführt. Das Collège veranstaltete bereits im
seiner Grundlage erließ die Regierung im September
2017 fünf Verordnungen, denen das Parlament im
                                                        6   Kulturelle und wissenschaftliche Einrichtung der Diözese
Dezember 2017 Gesetzeskraft verlieh. In der Haupt-          von Paris. Sie ist in einem ehemaligen Kolleg des Zisterzien-
sache verfolgen diese Verordnungen zwei Ziele: die          serordens beheimatet.

                                                                                                       Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019 Seite 9
Infobox 2   Agency-Theorie, die die Vorherrschaft der Aktionäre
                                                                                           auf der Grundlage der Eigentumsrechte legitimiert.
   Aufruf zur Ausweitung und Verankerung der Mitbestimmung                                 Die Aktionäre sind jedoch nicht die Eigentümer des
                                                                                           Unternehmens, sondern nur der Aktienanteile. Das
    Der Aufruf ist auf dem Mitbestimmungsportal der Hans-Böckler-                          Unternehmen hingegen funktioniert auf der Grund-
    Stiftung in deutscher Übersetzung verfügbar:                                           lage der Zusammenarbeit mehrerer Stakeholder. Um
    https://www.mitbestimmung.de/html/die-mitbestimmung-muss-                              einen Ausgleich zu gewährleisten zwischen den Ge-
    gesetzlich-6192.html#hintergrund [18.7.2019].                                          winninteressen der Anteilseigner und den Interessen
    Die Langfassung in französischer Sprache findet sich auf der Web-                      der Arbeitnehmer, der Umwelt sowie der Gesellschaft
    seite der Le Monde:                                                                    als ganzer, bedarf es einer Reform des Gesellschafts-
    https://www.lemonde.fr/idees/article/2017/10/05/la-codeterminati-                      rechtes. Die Forschergruppe schlägt konkret vor, das
    on-est-une-idee-porteuse-d-avenir-qui-doit-trouver-sa-place-dans-                      im Artikel L1833 des Code Civil (des französischen
    la-loi_5196511_3232.html [18.7.2019].                                                  Bürgerlichen Gesetzbuches aus der Zeit Kaiser Napo-
                                                                                           leons I.) definierte Statut des Unternehmens zu modi-
                                                                                           fizieren. Dieser Artikel bestimmte bisher: Das Unter-
    Kampagne „Mehr Demokratie am Arbeitsplatz“                                             nehmen hat allein dem gemeinsamen Gewinninteres-
                                                                                           se der Teilhaber der von ihnen geschaffenen Kapital-
    Informationen zur Kampagne sowie eine Liste der Erstunterzeich-                        gesellschaft zu dienen. Hingegen müsse klargestellt
    ner finden sich unter https://www.etuc.org/en/pressrelease/euro-                       werden: Es gibt ein Eigeninteresse des Unternehmens
    pean-appeal-companies-and-employees-blazing-new-european-trail                         an seiner Dauerhaftigkeit; es muss daher sozialver-
    [18.7.2019].                                                                           antwortlich im Einklang mit den Interessen der an-
    Eine deutsche Fassung des europäischen Aufrufs findet sich unter                       deren Stakeholder handeln. Zu diesem Zweck sollten
    http://european-appeal.org/app_ge.pdf [18.7.2019] und eine aktuali-                    die Unternehmen ihre wirtschaftlichen Ziele, ihre
    sierte Liste der Unterzeichner unter http://european-appeal.org/se-                    „Mission“ klar definieren. Dabei sollte ihnen gestattet
    lect.php [18.7.2019].                                                                  sein, im Rahmen einer zu definierenden „erweiterten
                                                                                           Mission“ auch kollektive, gesamtgesellschaftliche
                                                                                           Ziele zu verfolgen. Unter den Stakeholdern des Un-
                                                                                           ternehmens spielen zwei Akteure eine besondere,
                                                                                           „konstituierende“ Rolle: die Anteilseigner und die Ar-
                        März 2015 und im März 2017 in Zusammenarbeit mit                   beitnehmer. Beide tragen gemeinsam die Risiken des
                        dem Institut Français des Administrateurs (IFA) zwei               Unternehmens; sein Erflog beruht in erster Linie auf
                        Tagungen mit dem Titel Assises des Administrateurs                 ihrem Engagement und ihrer Zusammenarbeit. Dies
                        Salariés (Versammlung der Arbeitnehmervertreter im                 rechtfertigt ihre gleichberechtigte Vertretung in Form
                        VR / AR). Daran nahmen sowohl Arbeitnehmervertre-                  der Mitbestimmung im VR / AR.
                        ter teil als auch Vertreter der Gewerkschaften und der                 Zwei Mitglieder der Arbeitsgruppe Mitbestim-
                        Arbeitgeberverbände sowie einige mitbestimmungs-                   mung, Olivier Favereau und Christophe Clerc, ergriffen
                        freundliche Unternehmensleiter.7                                   2017 die Initiative zu einem Aufruf für die gesetzliche
                           Der letzte der jeweils dreijährigen Zyklen des For-             Ausweitung und Verankerung der Mitbestimmung. Er
                        schungsprogramms des Collège hatte 2015 bis 2018                   wurde am 6. Oktober 2017 von der Zeitung Le Monde
                        die Corporate Governance zum Thema. Es wurde                       veröffentlicht (siehe Infobox 2). Zu den Erstunterzeich-
                        ausgearbeitet von drei Arbeitsgruppen; eine von ih-                nern gehörten Vertreter der Gewerkschaften, darun-
                        nen behandelte – koordiniert vom Ökonomen Olivier                  ter der Generalsekretär der CFDT, Laurent Berger9,
                        Favereau – die wirtschaftliche Mitbestimmung im                    und der Präsident der CFE- CGC, François Hommeril,
                        Unternehmen. Die Ergebnisse und Vorschläge der                     sowie Akademiker und Experten aus Frankreich und
                        Arbeitsgruppen wurden am 16. / 17. März 2018 der                   anderen europäischen Ländern. Der Aufruf fand auch
                        Öffentlichkeit vorgestellt in einem abschließenden                 das Interesse und die Unterstützung des Europäi-
                        Kolloquium, auf dem auch Vertreter der Gewerk-                     schen Gewerkschaftsbundes (EGB). Er erweiterte ihn
                        schaften, der Arbeitgeber und der Politik Stellung                 zu einem europäischen Aufruf und integrierte ihn in
                        nahmen.8 Der Kern der Aussagen der Forschergruppe                  seine Kampagne „Mehr Demokratie am Arbeitsplatz“
                        besteht in einer Zurückweisung der angelsächsischen                (siehe Infobox 2).
                                                                                               Der Aufruf und die Arbeiten des Collège des
                        7   Die Programme der beiden Tagungen sowie Filmaufnahmen          Bernardins inspirierten mehrere weitere Initiativen.
                            der Beiträge der ersten Tagung sind auf der Webseite des
                            Collège des Bernardins verfügbar: https://www.collegedes-      Im November 2017 brachte die sozialistische Fraktion
                            bernardins.fr/recherche/les-assises-des-administrateurs-       der Nationalversammlung unter der Federführung des
                            salaries [18.7.2019]. Dokumente der zweiten Tagung und
                                                                                           Abgeordneten Dominique Potier einen Gesetzesent-
                            eine Liste der Teilnehmer sind abrufbar unter https://media.
                            collegedesbernardins.fr/content/pdf/Recherche/secondes-        wurf ein. Dessen Ziel war es, eine codétermination à
                            assises-syntheses-enquetes.pdf [18.7.2019].                    la française (Mitbestimmung auf Französisch)10 zu eta-
                        8   Zum Programm vgl. https://www.collegedesbernardins.fr/
                            recherche/programme-du-colloque-gouvernement-partici-
                            pation-et-mission-de-lentreprise [18.7.2019]. Die Ergebnisse   9  Er wurde im Mai 2019 zum Präsidenten des Europäischen
                            des Zyklus sind zusammengefasst in Segrestin/Vernac               Gewerkschaftsbundes (EGB) gewählt.
                            2018. Die Beiträge der Arbeitsgruppe Mitbestimmung er-         10 So lautete bereits der Titel der programmatischen Broschü-
                            scheinen in Favereau 2019.                                        re von Beffa / Clerc 2013.

Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019 Seite 10
blieren. Er sieht in Unternehmen mit mehr als 5.000           aus dem Unternehmen selbst kommen solle, sondern
Mitarbeitern eine paritätische Mitbestimmung vor              als externer Gewerkschaftsvertreter auch die Interes-
und eine Drittelbeteiligung in Unternehmen mit mehr           sen anderer Arbeiternehmer, insbesondere der Zulie-
als 1.000 Mitarbeitern. In Unternehmen mit mehr als           ferunternehmen, vertreten soll.13
500 Mitarbeitern soll es mindestens zwei Arbeitneh-              Die CGT fordert eine paritätische Mitbestimmung
mervertreter im VR / AR geben. In der Begründung des          in allen Unternehmen, gleich welcher Größe. Nur in
Entwurfes beziehen sich die Autoren explizit auf die          den öffentlichen Dienstleistungen sollen die Arbeit-
Arbeiten des Collège des Bernardins sowie auf den             nehmervertreter wie zuvor auf ein Drittel beschränkt
Aufruf von Olivier Favereau und Christophe Clerc.11           sein, während die beiden anderen Drittel im VR / AR
Der Gesetzesentwurf sieht ebenfalls eine Umformu-             die öffentliche Hand sowie die Nutzer vertreten sollen
lierung von Art. L1833 des Code Civil vor, in der erst-       (vgl. CGT 2016). Die CGT fordert eine Abschaffung des
mals das „Interesse des Unternehmens“ (und nicht              Verbots der Kumulation verschiedener Vertretungs-
nur der Anteilseigner) und die Berücksichtigung der           mandate, da es zur Isolation der wenigen Arbeitneh-
„wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen           mervertreter im VR / AR führt und die Koordination
seiner Aktivität“ zu den Aufgaben der Unternehmens-           mit Betriebsräten und Gewerkschaftsvertretern er-
führung gemacht werden.                                       schwert. Diese Koordination ist ein Schlüsselfaktor
    Mit seinem Gesetzesentwurf möchte Poitier in              für das gute Funktionieren des deutschen Mitbestim-
erster Linie die Debatte über die Mitbestimmung be-           mungsmodells.14 Um die Isolierung zu überwinden,
einflussen. Eine Annahme des gesamten Vorschlags              organisieren CGT, CFDT und CFE- CGC regelmäßige
durch das Parlament ist angesichts der Mehrheitsver-          Treffen ihrer Arbeitnehmervertreter in den VR / AR. Die
hältnisse in der laufenden Legislaturperiode 2017 bis         CFE- CGC bedauert die Abschaffung des reservierten
2022 wenig wahrscheinlich. In der Nationalversamm-            Sitzes für die leitenden Angestellten und fordert seine
lung verfügt die Partei des Staatspräsidenten LREM            Beibehaltung, wenn sich der Anteil der Arbeitnehmer-
über die absolute Mehrheit der 577 Abgeordneten,              sitze im VR / AR wie gefordert auf ein Drittel erhöht
während die sozialistische Fraktion nur noch 29 Ab-           (vgl. CFE- CGC 2015). In der Vergangenheit wurden die
geordnete umfasst (siehe Infobox 1).                          Sitze in der Regel von Gewerkschaftern der CFE- CGC
                                                              und der CFDT besetzt. Sämtliche Gewerkschaften for-
                                                              dern eine Rückkehr zum Prinzip der Direktwahl der
                                                              Arbeitnehmervertreter.
                                                                 Im Januar 2019 griff die CFDT den Gedanken einer
6 DIE FORDERUNGEN DER                                         codétermination à la française auf und erstellte unter
                                                              dieser Überschrift einen Forderungskatalog für ge-
  GEWERKSCHAFTEN
                                                              setzliche Reformen.15 Er enthält genau dieselben Mit-
Mittlerweile befürworten vier der fünf repräsentati-          bestimmungsproportionen wie der Gesetzesentwurf
ven Gewerkschaften die überbetriebliche Mitbestim-            der sozialistischen Fraktion. Auch fordert die CFDT,
mung auf dem Privatsektor. Nur FO lehnt die Mitbe-            dass nunmehr auch Genossenschaften unter die Mit-
stimmung nach wie vor ab und beruft sich dabei auf            bestimmungspflicht fallen. Darüber hinaus stellte sich
die syndikalistische Tradition. André Bergeron, FO-           die CFDT hinter die anderen Vorschlägen des Collège
Generalsekretär von 1963 bis 1989, fasste diese Ab-           des Bernardins zur Änderung des gesetzlichen Sta-
lehnung zusammen mit der Formel: „Man kann nicht              tuts der Kapitalgesellschaften.
gleichzeitig regieren und regiert werden“. CFDT und              Die Forderungen des Collège des Bernardins, der
CGT haben ihre Positionen schrittweise verändert. Sie         sozialistischen Partei und der Gewerkschaften wer-
fordern seit 2006 eine Ausweitung der überbetrieb-            den zum Teil von Think Tanks unterstützt, darunter
lichen Mitbestimmung auf den Privatsektor, wobei              – nicht überraschend – von der Jean-Jaurès-Stiftung.
allerdings nur die CFDT ausdrücklich den Begriff Mit-         Diese steht der Sozialistischen Partei nahe und prä-
bestimmung (codétermination) verwendet.12 Innerhalb           sentierte im Februar 2018 einen Bericht zum Thema
der CFDT wird die Ausweitung der Mitbestimmung
insbesondere von der Teilorganisation der leitenden
Angestellten (CFDT Cadres) unterstützt, in deren Be-          13 Dies Forderung wird übrigens, aus teilweise unterschiedli-
                                                                 chen Motivationen, auch von Jean-Louis Beffa unterstützt,
reich die Mehrzahl der CFDT-Arbeitnehmervertreter
                                                                 einem der wenigen französischen Top-Manager, die sich für
im VR / AR angesiedelt ist. CFDT Cadres fordert unter            die Ausweitung der Mitbestimmung einsetzen (vgl. Beffa /
anderem, dass einer der Arbeitnehmervertreter nicht              Clerc 2013).
                                                              14 Die Forderung nach Abschaffung des Kumulationsver-
                                                                 botes wird auch von der Arbeitsgruppe der Fabrique de
                                                                 l’Industrie unterstützt. In ihrem Bericht über die Umsetzung
11 Vgl. http://www.assemblee-nationale.fr/15/propositions/       der Mitbestimmung aufgrund des in Kapitel 3 behandelten
   pion0476.asp [18.7.2019].                                     Gesetzes von 2013 bewertet sie das deutsche Mitbestim-
12 In der öffentlichen und gewerkschaftlichen Debatte in         mungsmodell positiv (vgl. Gauron / Charlet 2014). Die Fab-
   Frankreich wurde bisher (und wird auch heute noch viel-       rique de l’Industrie ist ein von der Arbeitgeberorganisation
   fach) der Begriff Mitbestimmung mit cogestion übersetzt,      der Metallindustrie UIMM gegründeter Think Tank, an dem
   was „gemeinsame Unternehmensführung“ oder „Co-                unter der Co-Präsidentschaft von Louis Gallois auch Ge-
   Management“ bedeutet. Dies hat zweifellos zu einem Miss-      werkschafter und Ökonomen beteiligt sind.
   verständnis des deutschen Modells und zu der erwähnten     15 Vgl. https://www.cfdt.fr/portail/actualites/economie-/-deve-
   Ablehnung durch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbän-         loppement-durable/-video-construire-une-codetermination-
   de beigetragen.                                               a-la-francaise-srv1_580098 [18.7.2019].

                                                                                                           Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019 Seite 11
Infobox 3

                         Frankreichs gewerkschaftliche Akteure

                        Die Confédération Française Démocratique du                     Arbeitgeberverbänden und Regierungen, verfolgt
                        Travail (CFDT) ist zurzeit der größte französische Ge-          FO seit den 1990er Jahren eine autonome Gewerk-
                        werkschaftsbund. Bei den betrieblichen Wahlen im                schaftspolitik. Antikommunismus ist noch immer,
                        Privatsektor 2013 bis 2016 erhielt er 26 % der Stim-            zusammen mit dem Antiklerikalismus, der wichtigste
                        men. Er entstand 1964 durch die Umbenennung des                 ideologische Zement von FO. Neuerdings praktiziert
                        1919 gegründeten christlichen Gewerkschaftsbundes               die Gewerkschaft punktuell eine Aktionseinheit mit
                        CFTC. In den 1970er Jahren verstand sich die CFDT               der CGT. FO erhielt 16 % der Stimmen bei den betrieb-
                        als linke sozialistische Gewerkschaft mit dem Ziel der          lichen Wahlen im Privatsektor 2013 bis 2016.
                        Selbstverwaltung (autogestion). 1978 initiierte sie eine
                        Neuorientierung hin zu rein gewerkschaftlichen Me-              Die 1944 gegründete Confédération Générale des
                        thoden und Zielen, die sie durch soziale Konzertierung          Cadres (CGC) wurde 1981 in Confédération françai-
                        und Tarifverhandlungen verwirklichen will. Mit dieser           se de l‘Encadrement- CGC (CFE- CGC) umbenannt.
                        Umorientierung sollte die „Modernisierung“ der Wirt-            Sie versteht sich als unpolitische Vertretung der lei-
                        schaft und der Arbeitsbeziehungen gefördert werden.             tenden Angestellten (cadres). Sie erhielt bei den be-
                                                                                        trieblichen Wahlen 2013 bis 2016 11 % der Stimmen
                        Die Confédération Générale du Travail (CGT) ist der             insgesamt und 19 % im Wahlkollegium der leitenden
                        älteste Gewerkschaftsbund, gegründet 1895. Nach                 Angestellten (wo die CFDT mit 30 % der Stimmen die
                        dem Zweiten Weltkrieg besetzten Kommunisten die                 stärkste Gewerkschaft ist).
                        führenden Positionen. In den 1990er Jahren setzte
                        sich die CGT offiziell von der Kommunistischen Par-             Die Confédération Française des Travailleurs
                        tei ab. Unter Bernard Thibault, Generalsekretär von             Chrétiens (CFTC) setzt seit 1964 setzt die christliche
                        1999 bis 2013, unternahm die CGT eine strategische              Tradition unter dem alten Namen der CFTC fort. Sie
                        Umorientierung mit einer Doppelidentität: sowohl als            erhielt 9 % der Stimmen bei den betrieblichen Wah-
                        soziale Bewegung als auch als Verhandlungsgewerk-               len im Privatsektor 2013 bis 2016 und konnte damit
                        schaft. 2014 kam sie in eine schwere interne Krise,             knapp die gesetzliche 8-Prozent-Hürde überspringen,
                        aus der bisher keine neue strategische Ausrichtung              um ihren Status als repräsentative Gewerkschaft auf
                        führte. Sie erhielt 25 % der Stimmen bei den betriebli-         nationaler Ebene zu wahren.
                        chen Wahlen im Privatsektor 2013 bis 2016.
                                                                                        Die Union Nationale des Syndicats Autonomes
                        Force Ouvrière (FO) wurde 1948 gegründet und ist                (UNSA) ist ein 1993 gegründeter Zusammenschluss
                        eine antikommunistische Abspaltung der CGT. Ihre                autonomer Gewerkschaften vor allem des öffent-
                        Generalsekretäre waren meist Mitglieder der Sozia-              lichen Sektors. Sie erreichte bei den betrieblichen
                        listischen Partei, aber es gibt auch syndikalistische,          Wahlen 2013 bis 2016 5 % der Stimmen und damit
                        trotzkistische und gaullistische Strömungen. FO ist             nicht den Status einer repräsentativen Gewerkschaft
                        im öffentlichen Sektor stärker präsent als in der Pri-          auf nationaler Ebene, den sie jedoch im öffentlichen
                        vatwirtschaft. Lange Zeit bevorzugter Partner von               Sektor hat.

                        (vgl. Schmite / Valiergue / Victoria1 6 2018). Er will sich     von Staatspräsident Macron. Der Autor des Berichts,
                        jedoch zur Höhe des Anteils der Arbeitnehmerver-                Martin Richer, ist Unternehmensberater und war
                        treter im VR / AR nicht festlegen. Im März 2018 folgte          Mitglied in der Mitbestimmungsarbeitsgruppe des
                        ein Bericht des Think Tanks Terra Nova (vgl. Richer             Collège des Bernardins. Sein Bericht fordert zwei Ar-
                        2018). Dieser befürwortet ebenfalls eine Reform des             beitnehmervertreter im VR / AR in Unternehmen mit
                        Gesellschaftsrechtes und eine Ausweitung der Mit-               500 bis 1.000 Mitarbeitern, darüber eine Drittelbetei-
                        bestimmung. Terra Nova stand früher der Sozialisti-             ligung, aber keine paritätische Mitbestimmung in den
                        schen Partei nahe und unterstützt jetzt die Reformen-           Großunternehmen.

                        16 Pierre Victoria ist CFDT-Arbeitnehmervertreter im VR eines
                           Großunternehmens.

Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019 Seite 12
7 BESCHEIDENE VERBESSERUNG IN                               kapitalstärksten Unternehmen 111 Arbeitnehmer im
                                                            VR / AR vertreten, so wird sich diese Zahl nur um zwölf
  DER UNTERNEHMENSREFORM 2017
                                                            erhöhen; der durchschnittliche Arbeitnehmeranteil in
  BIS 2019                                                  jedem VR / AR nur von 7,5 % auf 8 %.
                                                                Die Gewerkschaften intensivierten daraufhin ihre
Nach seiner Fernsehansprache im Oktober 2017 be-            Bemühungen und bildeten neue Allianzen. Im März
auftragte Staatspräsident Macron den Wirtschafts-           2019 legten die CFDT, CFTC, UNSA gemeinsam mit
und Finanzministerminister Bruno Le Maire mit der           einigen NGOs „66 Vorschläge für einen sozialen und
Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs zur Unterneh-             ökologischen Pakt“ vor, der unter Nr. 63 erneut die
mensreform. Er trägt den Namen Loi PACTE (Plan              paritätische Mitbestimmung in den VR / AR fordert.17
d’action pour la croissance et la transformation des        Eine zentrale Rolle spielte hierbei die Allianz zwischen
entreprises = Aktionsplan für das Wachstum und die          dem CFDT-Vorsitzenden, Laurent Berger, und Nicolas
Transformation der Unternehmen). Le Maire ist ein           Hulot, der im August 2018 als Umweltminister zurück-
Überläufer der traditionellen Rechten Les Républi-          getreten war, nachdem er das liberale Abdriften der
cains (LR) (zu den politischen Akteuren siehe Infobox 1).   Regierung und die Behinderung seiner Arbeit durch
Transformation bezeichnet hier sowohl die Umwelt-           mächtige Lobbys angeprangert hatte.
verträglichkeit als auch die Digitalisierung. Weiterhin         Macron selbst äußerte schon verschiedentlich
sollte das Gesetz die Vereinfachung der gesetzlichen        seine Abneigung gegen die früher unter Hollande
Auflagen für Firmengründungen und Unternehmens-             praktizierte Abstimmung mit den „intermediären Kör-
führung behandeln sowie die Förderung von Innovati-         perschaften“ wie den Gewerkschaften, von denen er
on und internationaler Wettbewerbsfähigkeit und die         eine Blockierung seiner Reformpläne befürchtet. Die
gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen.            Umgehung der Gewerkschaften führte zu deren wei-
Das Thema Partizipation wurde zunächst wieder nur           teren Schwächung; ihre Protestaktionen blieben wir-
durch die finanzielle Beteiligung aufgegriffen.             kungslos und konnten die Verabschiedung der Refor-
   Das änderte sich schlagartig, als der Umweltminis-       men nicht verhindern. Überraschenderweise führte
ter Nicolas Hulot im Dezember 2017 forderte, dass das       im November 2018 eine geplante Erhöhung der Mine-
Gesetz auch eine Reform des Gesellschaftsrechtes im         ralölsteuer und eine Geschwindigkeitsbeschränkung
Sinne der Vorschläge des Collège des Bernardins ent-        auf Landstraßen zu spontanen Demonstrationen der
halten müsse, um eine Verträglichkeit der Unterneh-         sogenannten Gelbwesten, die sowohl die Regierung
mensführung mit den Bedürfnissen der Umwelt und             als auch die Gewerkschaften überraschten. Nach
der Arbeitnehmer sicherzustellen. Der Wirtschafts-          anfänglicher Ratlosigkeit reagierte die Regierung ge-
minister beauftragte daraufhin Nicole Notat (1992 bis       schickt mit einer Einberufung dezentralisierter Foren
2002 Generalsekretärin der CFDT und seither Leiterin        im Rahmen einer „nationalen Debatte“. Die zur De-
der Rating-Agentur Vigeo) und Jean-Dominique Sé-            batte unterbreiteten Themen betrafen vor allem steu-
nard (damals Präsident des Michelin-Konzerns, heu-          erliche Erleichterungen und neue Formen der politi-
te Präsident des Renault-Nissan-Konzerns) mit der           schen Beteiligung (etwa durch Bürgerinitiativen und
Erarbeitung von Vorschlägen. Der von den beiden             Referenden), nicht aber die Beteiligung an betriebli-
im März 2018 vorgelegte Bericht (vgl. Notat / Sénard        chen und wirtschaftlichen Entscheidungen.
2018) übernimmt fast vollständig die Vorschläge des
Collège des Bernardins zur Umgestaltung des Gesell-
schaftsrechtes und insbesondere die Neuformulie-
rung von Art. L1835 aus dem Potier-Gesetzentwurf.
Bezüglich der Mitbestimmung fordert der Bericht             8 POLITISCHER AUSBLICK
bescheiden, die Zahl der Arbeitnehmervertreter im
VR / AR zu erhöhen: und zwar auf zwei in VR / AR mit        Das PACTE-Gesetz sieht vor, dass die Regierung nach
mehr als acht Mitgliedern und auf drei in VR / AR mit       drei Jahren einen Bericht über seine Umsetzung hin-
mehr als 14 Mitgliedern.                                    sichtlich der Mitbestimmung vorlegt. Er soll die volks-
   Der Wirtschaftsminister folgte diesen Vorschlägen        und betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Mit-
nur zum Teil. Das im Mai 2019 endgültig verabschiede-       bestimmung evaluieren und erwägen, ob a) die Anzahl
te PACTE-Gesetz enthält eine Neuformulierung von Art.       der Arbeitnehmervertreter erhöht wird und b) eventuell
L1835, der nunmehr lautet: „Das Unternehmen wird in         auch Arbeitnehmervertreter aus den Niederlassungen
seinem sozialen Interesse geführt, unter Berücksich-        im Ausland in die VR / AR aufgenommen werden. Der
tigung der sozialen und ökologischen Aspekte seiner         Bericht wird im Jahr 2022 mit den Präsidentschafts-
Tätigkeit.“ Außerdem wird die Mitbestimmungspflicht         und Parlamentswahlen zusammenfallen.
auf Genossenschaften ausgeweitet. Doch die Anzahl              Es ist zweifellos verfrüht, über den Ausgang dieser
der Arbeitnehmervertreter wird noch bescheidener            Wahlen zu spekulieren. Allerdings stehen die Chancen
als im Notat-Senard-Bericht vorgeschlagen auf nur           für eine Wiederwahl von Emmanuel Macron und sei-
zwei in AR / VR mit mehr als acht Mitgliedern erhöht.       ner Parlamentsmehrheit zurzeit sehr gut. Trotz des ra-
Nach Berechnungen des Institut Français des Admi-
nistrateurs (IFA) wird dies nur zu geringen quantitati-     17 Vgl. https://www.cfdt.fr/upload/docs/application/pdf/2019-
ven Auswirkungen führen: Waren bisher in den 120               03/pacte_pouvoir_de_vivre.pdf [18.7.2019].

                                                                                                        Mitbestimmungsreport Nr. 53, 10.2019 Seite 13
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