Resilienz Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie - www.vbw-bayern.de
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Die bayerische Wirtschaft Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft Resilienz Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie Handlungsempfehlungen www.vbw-bayern.de
Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft Resilienz Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie Handlungsempfehlungen
2 vbw Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft Vorwort Die Corona-Pandemie trifft Wirtschaft und Gesellschaft hart. Wie drastisch die direkten und indirekten Folgen tatsächlich sein werden, lässt sich gegenwärtig noch nicht sicher abschätzen: weder für die Gesundheit noch für die Volkswirtschaften oder gar das ganze Weltwirtschaftssystem. Klar ist aber, dass sowohl das Ausmaß der Krise als auch die zu ihrer Bewältigung getroffenen Maßnahmen von einer Inten- sität sind, die wir noch vor wenigen Monaten für unvorstellbar gehalten hatten. Zwei Monate, nachdem die WHO die Atemwegserkrankung Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat innerhalb von Covid-19 offiziell zur Pandemie erklärt hatte, lag die Anzahl nur drei Monaten seine Prognose zum weltweiten Wirt- der weltweit bestätigten Infektionen bereits bei mehr als schaftswachstum 2020 von plus 3,3 Prozent (Januar 2020) vier Millionen und die Anzahl der Todesfälle bei rund auf minus drei Prozent (April 2020) korrigiert. Das wäre der 300.000, jeweils mit einer hohen angenommenen Dunkel- stärkste Einbruch seit der großen Depression 1929. Zum ziffer. Seither sind die Zahlen weiter stark angestiegen. Vergleich: Während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 Zum Vergleich: Im Rahmen der SARS-Pandemie 2002/2003 ging das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,1 Pro- wurden weniger als 10.000 Infizierte und unter 1.000 Todes- zent zurück. Bei allen Unsicherheiten, die solchen Progno- fälle verzeichnet. sen anhaften, zeigen die Wirtschaftsdaten jedenfalls ein- deutig, wie wichtig es ist, die Pandemie jetzt bestmöglich einzudämmen und damit eine Phase der wirtschaftlichen Erholung zu ermöglichen. Deutschland im internationalen Vergleich Bisher sieht es danach aus, als seien Deutschland und Bayern bei den Infektionszahlen überdurchschnittlich betroffen, bei der Bewältigung der Krise aber im internationalen Vergleich eher gut aufgestellt. So liegt die Sterberate deutlich unter dem weltweiten und europäischen Durchschnitt. Zurückgeführt wird das auf verschiedene Aspekte, darunter auch eine relativ gute Ausstattung des Gesundheitssystems (Kapazitäten in den Kliniken, Intensivbetten, Zugang zu Medikamenten, Behandlung von Vorerkrankungen etc.). Zugleich hatten wir die Gelegenheit, zu einem relativ frühen Zeitpunkt des Pandemieverlaufs mit Maßnahmen reagie ren zu können, als die möglichen Pandemie-Folgen in Nachbarländern schon deutlich sichtbar wurden. Bei den Maßnahmen zum Infektionsschutz haben wir uns im Hinblick auf die Lockdown-Maßnahmen (Um- fang, Dauer, Lockerungen) im Mittelfeld bewegt. Einige Länder glaubten, ohne massive Einschnitte wie vollständige Schulschließungen oder Kontaktbeschränkungen auszukommen, während eine Mehrheit der Regierungen in den Industrienationen sich gezwungen sah, deutlich restriktivere Regelungen zu erlassen, beispielsweise Frankreich, Spanien oder Italien. Beim elektronischen Tracing liegt Europa insgesamt deutlich hinter Asien, nicht zuletzt aufgrund des Stellenwerts, den wir dem Datenschutz einräumen. Bei der Anzahl der durchgeführten Tests dagegen befinden sich Deutschland und Bayern international in der Spitzengruppe.
Resilienz – Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie Handlungsempfehlungen 3 Während der IWF für Deutschland einen überdurchschnitt- Resilienz ist nach unserem Verständnis nicht mit Autarkie lichen Rückgang des BIP im Jahr 2020 prognostiziert, geht er oder Renationalisierung gleichzusetzen. Sie stellt nicht gleichzeitig davon aus, dass wir uns unter den Industrienatio grundsätzlich den Sinn weltweiter Wertschöpfungsnetz- nen am schnellsten wieder erholen können. Die deutschen werke und Arbeitsteilung oder unseres exportorientierten Unterstützungsmaßnahmen und -zusagen (Soforthilfe, Kredit Geschäftsmodells infrage. Die Corona-Pandemie verändert programme, Beteiligungsfonds etc.) summierten sich schon aber unsere Sicht auf die Globalisierung und sollte zum An- nach wenigen Wochen auf haushaltswirksame Maßnahmen lass genommen werden, Risiken neu zu bewerten sowie von mehr als 350 Milliarden Euro und Garantien in Höhe von Strukturen und Prozesse daran auszurichten. mehr als 800 Milliarden Euro, allein beim Bund. Das ent- spricht ganz grob etwa einem Drittel des BIP. Wenige ande- Aus Sicht des Zukunftsrats steht Resilienz für die Fähigkeit, re Länder können sich Maßnahmen zur Stabilisierung der tatsächliche oder potenziell widrige Ereignisse einzukalku- Wirtschaft überhaupt in einer vergleichbaren Größenord- lieren, sich darauf vorzubereiten, sie abzuwehren oder sie nung leisten. zu verkraften, sich davon zu erholen, aus den Erfahrungen zu lernen, sich anzupassen und sich deshalb immer erfolg- Noch nicht messbar sind die Auswirkungen der weltweiten reicher aufzustellen. Rezession einschließlich der veränderten nationalen Stra- tegien auf unser exportorientiertes Geschäftsmodell oder Die anzustrebende Resilienz hat daher viele Facetten: die mittel- bis langfristigen Folgen durch Veränderungen in – die Fähigkeit von Systemen (Gesundheitssystem, den Wertschöpfungsketten, etwa aufgrund von Insolvenzen Energieversorgung, digitale Infrastruktur, Logistik, aus l ändischer Zulieferer oder verstärkten Bemühungen Wertschöpfungsnetze etc.), bei einem Teilausfall nicht der Unternehmen, Klumpenrisiken in den Lieferketten zu vollständig zu versagen und schnell wieder zu einer eliminieren. vollen Funktionsfähigkeit zurückzukehren, – die Fähigkeit von Unternehmen und Wertschöpfungs- Bei den technologischen Lösungen ist das Bild uneinheit- netzwerken, auf Störungen flexibel zu reagieren, also lich. Deutschland steht bei den Tests gut da. Wann ein breit beispielsweise kurzfristig neue Bezugsquellen, neue einsetzbares effektives Medikament oder ein sicherer Vertriebswege oder neue Geschäftsmodelle zu Impfstoff zur Verfügung steht, ist noch nicht absehbar, erschließen, wenngleich in einigen deutschen Firmen und Instituten da- – die Fähigkeit des Staates, in der Krise dynamisch, ran geforscht wird. Bei sonstigen technologischen Lösun- flexibel und trotzdem stringent zu agieren, gen – etwa im Bereich verstärkter Automatisierung von – die Fähigkeit der Gesellschaften, abrupte Veränderungen Tests – gibt es großes Potenzial, aber noch keine echte ohne Vertrauensverlust zu verkraften; dazu gehört Strategie, um dieses für den Ernstfall nutzbar zu machen. spiegelbildlich die Gewissheit, dass Krisen nicht genutzt werden, um insbesondere mit Grundrechtseingriffen Die Pandemie deckt in einigen Bereichen schon länger be- verbundene Veränderungen als Notfalllösung durchzu- stehende strukturelle Schwächen auf. In der akuten Phase setzen, die danach nicht mehr revidiert werden. der Krise haben Staats- und Bundesregierung unter hohem Zeitdruck in einem von großer Komplexität und Unsicher- Generell bedeutet Resilienz, dass wir aus jeder Krise ler- heit geprägten Umfeld nicht nur Entscheidungsstärke be- nen, wie wir uns auf eine ungewisse Zukunft noch besser wiesen, sondern gute Entscheidungen für unser Land ge- vorbereiten können, und das als notwendig Erkannte auch troffen. Es geht hier nicht darum, sie infrage zu stellen. Ziel umsetzen. ist es vielmehr, den Standort insgesamt noch resilienter und weiterhin wettbewerbsfähig aufzustellen, auch um Vorsorge für andere mögliche Katastrophenszenarien zu treffen. Deren Eintrittswahrscheinlichkeit gilt es zugleich zu verringern.
4 vbw Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft Handlungsempfehlungen im Überblick Seite Prävention und Prädiktion nachhaltig verbessern Chancen der Digitalisierung für Gesundheitsbereich nutzen 7 Resilienz des Gesundheitssystems deutlich stärken 8 → Versorgung mit zentralen Medizinprodukten und Schutzausrüstung gewährleisten → PP-Projekte für die Lösung aktueller Herausforderungen nutzen → Testkapazitäten weiter massiv ausbauen → Tracking und Tracing mit digitalen Methoden optimieren Forschung intensivieren, Daten- und Wissensbasis verbreitern 10 → Öffentlich zugängliche Wissensbasis schaffen → Infektionsforschung stärken Entscheidungsfindung und -strukturen optimieren 11 → Prädiktion mit digitalen Tools verbessern → Unsicherheit in Planungen stärker berücksichtigen → Notfallpläne verbessern → Auswirkungen verschiedener Maßnahmen / Strategien analysieren Sicheren Hochlauf, insbesondere in der Arbeitswelt, organisieren Infektionsschutz im Betrieb sicherstellen 12 Arbeitsabläufe gestalten 12 → Räumliche und zeitliche Distanzierung etablieren → Auf Eigenverantwortung der Beschäftigten setzen Rahmenbedingungen für Arbeit im Lockdown schaffen 13 → Kinderbetreuung ermöglichen → Matching-Plattformen für die vorübergehende Vermittlung von Fachkräften einsetzen → Homeoffice fördern → Glasfaser- und Mobilfunknetz beschleunigt ausbauen → Digitale Transformation stärker in die Breite tragen: Angebote und Prozesse auf digitale Lösungen umstellen Neustart beim Arbeitsrecht 4.0 15 Physische Distanz und Mobilität 15 → Physische Distanz in der beruflichen / betrieblichen Mobilität umsetzen → Neue (digitale) Ansätze für den öffentlichen Verkehr nutzen Potenzial des E-Governments für einen Reboot des Arbeitslebens ausschöpfen 16
Resilienz – Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie Handlungsempfehlungen 5 Seite Innovationsprogramm für die Wirtschaft umsetzen Prioritären Handlungsbedarf (Kriterien und Auswahl) definieren 18 Kurzfristig Resilienz erhöhen 19 → Energieversorgung → Mobilität → Gesundheitssystem → Digitalisierung → Ernährung Resilienz von Unternehmen mit F+E und Unterstützung im Wandel stärken 20 → Impulse für Erneuerung setzen und bewahren → Staatliche Beteiligung und Rolle im Innovationssystem verantwortungsvoll nutzen Innovationsstandort zukunftsfest aufstellen 21 → Innovationen zur Krisenbewältigung anreizen → Start-ups nicht abhängen → Vorhandene Innovationsmodelle stärken, damit sie schneller und nachhaltiger wirken Neue Technologien im Dienst einer resilienten Gesellschaft nutzen Grundlagen für evidenzbasierte Entscheidungen weiterentwickeln 24 → Entscheidungsgrundlagen und -wege weiterentwickeln: Rolle der Wissenschaft → Auswirkungen konkreter Maßnahmen analysieren → Mehr Daten erheben und verknüpfen → Systematische Datenauswertung vorsehen Juristische und ethische Grenzen abstecken 26 → Rahmen außerhalb der akuten Krisensituation abstecken → Entscheidungskriterien entwickeln Vorsorge durch Einsatz von Technologien stärken 27 → Bildung durchgängig gewährleisten → Versorgung und Wertschöpfung sichern, auch im Lockdown → Medizinisches Personal schützen Gesamtgesellschaftliche Potenziale der Digitalisierung jetzt heben 28
6 vbw Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft Prävention und Prädiktion nachhaltig verbessern Zum jetzigen Zeitpunkt ist festzustellen, dass Bayern besser als viele anderen Staaten und Weltregionen mit der Corona-Krise zurechtgekommen ist. Das ist als große Gemeinschaftsleistung von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft einzuordnen. Die Covid-19-Erkrankung und ihre Folgen sind allerdings Zu berücksichtigen sind dabei neben der akuten Infektions noch zu einem erheblichen Teil unverstanden. Eine kausale welle allerdings auch gezielte Vorsorgemaßnahmen im Hin- Therapie gibt es nicht. Mit einem Impfstoff kann wahr- blick auf scheinlich erst 2021 gerechnet werden, und dann wäre – m ögliche spätere Infektionswellen noch zu klären, wie die erforderlichen vielen Milliarden – Infektionen mit anderen Erregern bzw. „Verschleppen“ Dosen weltweit produziert und verteilt werden können. Die ganz anderer Krankheiten wegen der Fokussierung auf Entwicklung eines spezifischen Therapeutikums zur breiten Covid-19 Anwendung ist nicht abzusehen. Erste klinische Tests zum – Grundsätzliches Risiko von Zoonosen (Infektionskrank- Einsatz bekannter Substanzen (Remdesivir, Emergency Use heiten, die zwischen Mensch und Tier übertragen Authorization, 01. Mai 2020) bei der Behandlung Schwerst werden können), Resistenzen von Bakterien und Viren erkrankter zeigen bisher nur schwache Effekte. gegen Medikamente; ggf. Zusammenhang mit Faktoren wie dem Klimawandel Daraus folgen kurz- bis mittelfristig Maßnahmen auf – Neben Pandemien auch weitere Katastrophenszenarien drei Feldern: unterschiedlichster Art (Bewältigung von Naturkatas – Infektionsketten unterbrechen, Ansteckungen trophen, Vermeidung lang andauernder großflächiger eindämmen und Risikogruppen schützen; Stromausfälle oder nuklearer Zwischenfälle etc.), die zu räumliche Distanz, Schutz, Hygiene, Nachverfolgung einer Unterbrechung der Versorgung mit kritischen – K apazitäten vorhalten, um schwere Fälle intensiv Gütern und Dienstleistungen führen behandeln zu können – Normalversorgung sicherstellen Für alle diese Fälle müssen Prävention und Prädiktion nachhaltig verbessert werden. Diese Maßnahmen haben erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, Hand- Für etwaige weitere „Wellen“ gilt es, auf Basis der Erfahrun- lungsoptionen für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Ge- gen zu definieren, welche Maßnahmen in jedem Fall erneut sellschaft auf einer gesicherten Wissensbasis zu entwi- greifen müssten, welche ggf. (auch mit Blick auf „Neben- ckeln und auf dem neuesten Stand halten, um gleichzeitig wirkungen“) angepasst werden müssten, welche unterblei- bestmöglich die gesundheitlichen Risiken der akuten Pan- ben sollten und welche ggf. zusätzlich ergriffen werden demie zu beherrschen und die durch entsprechende Maß- müssten. Vor allem auf regionaler und lokaler Ebene ist in nahmen verursachten Nebeneffekte so gering wie möglich der jetzigen Phase größte Aufmerksamkeit notwendig, um zu halten. sehr schnell lokale Infektionsgeschehen unterbrechen zu können. Eine Strategie vorsichtiger, schrittweiser und ggf. lokal differenzierter Lockerungen ist nicht nur gesundheits politisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich vorzuziehen. Zu schnelles Öffnen kann für die Unternehmen sehr teure Rückschläge verursachen. Ganz allgemein – über den speziellen Fall SARS-CoV-2 bzw. Pandemien hinaus – müssen die Risikovorsorge erhöht und die Systemresilienz gestärkt werden.
Resilienz – Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie Handlungsempfehlungen 7 Chancen der Digitalisierung für Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur – einschließlich Gesundheitsbereich nutzen der notwendigen Software, der Verfügbarkeit von Daten und eines sicheren Datenaustauschs – ist elementar für eine Der Zukunftsrat hat in seinen Handlungsempfehlungen von bessere Prävention und Prädiktion. 2018 Gesundheit und Medizin – Herausforderungen und Chancen deutlich aufgezeigt, welche Chancen in einer Die digitale Transformation muss nun schnellstmöglich Digitalisierung des Gesundheitsbereichs liegen – von deut- vorangetrieben werden. Neben den genannten Beispielen lichen Effizienzgewinnen über klar verbesserte Analysen betrifft das im Gesundheitsbereich unter anderem auch bis hin zur Erschließung komplett neuer Handlungsoptionen den flächendeckenden Einsatz von zum Wohl des Einzelnen und der Gesellschaft. – Telemedizin und Videosprechstunden für Diagnose, Intervention und Nachbetreuung, Die Realität des Covid-19-Ausbruches in Deutschland hat – technischen Assistenzsystemen (z. B. intelligente schmerzlich gezeigt, dass im Gesundheitssystem erhebliche Maschinen und Roboter) zur Unterstützung der Digitalisierungspotenziale noch ungenutzt sind. Das beginnt Patientenversorgung mit der Nachverfolgung von Infektionswegen und erstreckt – o der die kontaktlose Versorgung mit wichtigen sich über die Krankheitsverläufe und Folgeerscheinungen. Medikamenten auf Basis eines elektronischen Rezepts Das RKI beklagt die Defizite bereits in den Meldeketten. und beispielsweise mit Botendiensten der regionalen Die Auswertung von Massentests und Infektionsausbrüchen Apotheken. in Verbindung mit individuellen Krankheitsverläufen, bei- spielsweise in bestimmten Regionen und unter Berück- Praktisch untrennbar damit verbunden ist aber auch die sichtigung von Klimafaktoren, sind nicht oder nur mit aller- Stärkung der digitalen Entscheidungs- und Handlungsf ähig- größtem Aufwand an Zeit und Ressourcen durchführbar. keit von Verwaltungen und Bürgern, wie bereits in den Die zwischenzeitlich erfolgte Aufstockung des Personals Handlungsempfehlungen, insbesondere von 2017 (Neue in der Gesundheitsverwaltung im Freistaat und Umstruktu- Wertschätzung durch Digitalisierung), beschrieb en. Gleich- rierungen im Verwaltungsbereich ermöglichen zwar spür- zeitig ist eine schnell vorangetriebene digitale Transforma- bare Verbesserungen bei Tracing und Containment, erfor- tion elementar, um neue Wertschöpfungspotenziale und dern aber einen erheblichen Ressourceneinsatz. Effizienzreserven in der Wirtschaft – gerade auch der Ge- sundheitswirtschaft – heben zu können (vgl. Handlungs- Analysen von Krankheitsdaten sowie internationale Ver- empfehlungen 2017 und 2018), was eine Finanzierung der gleiche sind mit digitalen Instrumenten und Plattformen notwendigen Maßnahmen z. B. für die Vorsorge überhaupt besser und schneller durchzuführen. Die Vorteile der Digi- erst ermöglicht. talisierung im Gesundheitssystem lassen sich allerdings nur bei größtmöglichem Vertrauen der Nutzer in den Daten Die bestehenden Möglichkeiten einer Nutzung von (anony- schutz voll realisieren. misierten) Daten im Allgemeininteresse müssen deutlich intensiver genutzt werden. Würden Daten, beispielsweise Digitalisierung im Gesundheitssystem ist nicht nur für Ge- aus einer Tracing-App, zentral gespeichert, hätte das Vor- sundheitsämter und weitere Behörden relevant. Beson- teile für den Erkenntnisgewinn. Dabei wäre eine daten- ders die Kliniken müssen ins digitale Zeitalter überführt schutzkonforme Ausgestaltung durchaus möglich gewe- werden. Es fehlt häufig noch an grundlegender Datenhal- sen. Jetzt muss mindestens eine freiwillige „Datenspende“ tung und -nutzung im Klinikalltag. Dies kann nicht neben- vorges ehen werden, wie sie der Zukunftsrat bereits 2018 her geschehen. Kliniken brauchen eigene Datenzentren vorgeschlagen hatte. Um die Handlungssicherheit im medi- und Abteilungen für Digitalisierung – auch, um einfache zinischen Bereich zu erhöhen, wären zudem klare und pra- Prozesse wie die Dokumentation digital abbilden zu kön- xisgerechte Handreichungen sinnvoll. nen und um damit sowohl im Normalbetrieb als auch im Krisen- und Katastrophenfall besser arbeiten zu können. Ein Ausbau und eine Unterstützung des Bereichs Medizin- informatik sind notwendig.
8 vbw Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft Resilienz des Gesundheitssystems deutlich stärken Außerhalb der akuten Krise muss sorgfältig geprüft werden, ob und, wenn ja, welche staatlichen Maßnahmen zusätzlich 2018 hat der Zukunftsrat betont, wie wichtig es ist, die Arznei erforderlich sind, um eine Produktion zu wirtschaftlichen mittelproduktion am Standort zu stärken, um die bestehen- Bedingungen aufrechtzuerhalten. Generell müssen die Rah- den massiven Abhängigkeiten, insbesondere von Asien, zu menbedingungen jetzt zügig angepasst werden, die eine verringern. Im Bereich der Arzneimittel sind es neben den Produktion in Deutschland erschweren (z. B. Senkung der generell höheren Kosten der Produktion (Energiekosten, Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum, Arbeitskosten etc.) vor allem auch die Preisfestsetzungs- Modernisierung des Arbeitsrechts, Arbeitskosten auf ei- mechanismen und Zulassungsverfahren, die die Herstel- nem international wettbewerbsfähigen Niveau). Gleichzeitig lung am Standort unattraktiv machen. Eine reine Reserve muss – nicht nur im Bereich der medizinischen Versorgung kann nicht den gleichen Effekt erreichen, da die Haltbar- – in lokale und dadurch von der Funktionsfähigkeit intern a keit begrenzt ist und eine Bevorratung bei gleichzeitig unge- tion aler Lieferketten unabhängigere Produktion investiert decktem Bedarf in anderen Regionen ethisch bedenklich werden. Automatisierte Produktions- und Logistiksysteme sein kann. (z. B. intelligente Fahrzeuge, Roboter und andere Systeme) ermöglichen eine wettbewerbsfähige Produktion vor Ort. Impulsgeber und Standort entsprechender Maschinen kön- → Versorgung mit zentralen Medizinprodukten nen im Bereich der für die Daseinsvorsorge notwendigen und Schutzausrüstung gewährleisten Güter zum Beispiel Bildungseinrichtungen / Ausbildungs- stätten sein, wo der konkrete Einsatzzweck der Maschine In der aktuellen Krise bestätigt sich diese Analyse. Gleich- eine untergeordnete Rolle für das „Geschäftsmodell“ spielt. zeitig wird deutlich, dass weitere Schutzprodukte betroffen sind. Prominenteste Beispiele waren zumindest zu Beginn Es ist eine Staatsaufgabe, Richtwerte für eine strategische der Pandemie Atemschutzmasken (FFP 2, FFP 3), aber auch Reserve wichtiger Schutz- und Medizinprodukte zu definie bei anderen Gütern bestanden oder drohen Engpässe. Auch ren und auf dieser Basis so kosteneffizient wie möglich anzu- wenn eine vertiefte Analyse noch aussteht, kann man anneh- legen. Gegebenenfalls ist hier auch eine enge Kooperation men, dass eine gezielte Vorsorge durch Investitionen in hö- mit der Industrie hilfreich, z. B. wenn Gegenstände der per- here Reserven (z. B. auch Rahmenbedingungen für Produk- sönlichen Schutzausrüstung wie Masken gleichzeitig als tionskapazitäten vor Ort) langfristig profitabel ist. Arbeitsschutz und für den Infektionsschutz nutzbar sind. Eine Stärkung der nationalen Versorgungssicherheit auf Basis einer strategischen Vorsorge ist für Schutzausrüstung, → PP-Projekte für die Lösung aktueller Tests, Impfstoffe, Arzneimittel etc. erforderlich. Herausforderungen nutzen Die Beschaffung beispielsweise von Schutzprodukten ist Es sollte eine neue Basis für die Zusammenarbeit mit Fir- während des Katastrophenfalls abweichend von der üblichen men geschaffen werden, wenn es um die Entwicklung von dezentralen Organisation durch den Staat erfolgt. Die nor- Lösungen für aktuelle Herausforderungen geht. Erforder- malen Marktverhältnisse waren und sind weitgehend außer lich sind vor allem eine höhere Dynamik, Zielorientierung Kraft gesetzt. Klare Signale an den Markt bzw. für die mög- und Zusammenarbeit. In der akuten Krisensituation hat liche Herstellung von Schutzprodukten vor Ort gingen aller sich gezeigt, dass es zwar den Willen gibt, gemeinsam die dings auch von den staatlichen Stellen nicht aus. Es ist jetzt Entwicklung voranzutreiben, aber noch keine klare Strate- genau zu prüfen, welche Anreize für die Aufnahme einer Pro- gie und Maßstäbe. Es fehlt an der Konsequenz bei der duktion vor Ort der Staat setzen kann, indem er beispiels Überwindung der vorhandenen – in normalen Zeiten oft gut weise frühzeitig vertraglich zusagt, bestimmte Mengen begründeten – Hürden. Ein Beispiel ist die Frage, wer ein abzunehmen. Dauerhaft wird eine Produktion allerdings für Notsituationen entwickeltes Produkt in Verkehr bringt nur Bestand haben, wenn die üblichen Absatzkanäle (z. B. oder auch nur bei der Zertifizierung wirkungsvoll unter- Pharma-Großhandel) erschlossen werden. Produktion vor stützt. Dafür sollte ein klarer Rahmen definiert werden. Ort ist zu unters tützen, ohne allerdings jedes unternehme- rische Risiko abzunehm en.
Resilienz – Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie Handlungsempfehlungen 9 → Testkapazitäten weiter massiv ausbauen → Tracking und Tracing mit digitalen Methoden optimieren Die Testkapazitäten müssen weiter deutlich hochgefahren werden. Es müssen aussagekräftige robuste Tests für Virus Ergänzend zur geplanten Tracing-App muss in eine stärkere und Antikörper zur Verfügung stehen. Massentest werden Digitalisierung der Testverfahren investiert werden, die benötigt, um die Virusausbreitung feststellen zu können. permanent und flächendeckend zur Verfügung stehen. Ziel Die Testergebnisse müssen unter Beachtung des Daten- sollte eine automatisierte Auswertung der Tests mit einem schutzes digital erfasst werden und mit Zusatzinformationen hohen digital erfassten Durchsatz sein. Die Testergebnisse verknüpft sein (z. B. Gesundheitszustand, Vorerkrankungen, der einzelnen Teststellen sollten anonymisiert in einem Medikation, Ansteckungsvermutungen etc.), um ein vollstän zentralen sicheren Netzwerk zur Verfügung stehen, um eine diges Bild zu vermitteln. angemessene Online-Aus- und -bewertung zu ermöglichen. So könnten sich sichere und generalisierbare Daten für die – Erforderlich sind Virus-Schnelltests, idealerweise Entscheidung über mögliche Interventionsmaßnahmen ge- ähnlich wie etwa ein Schwangerschaftstest auch für nerieren lassen: Laien handhabbar (direct to consumer, Abgabe z. B. über Apotheken). Solange diese nicht zur Verfügung stehen, – Infizierte Personen können schneller behandelt werden, muss jedenfalls gewährleistet sein, dass die Testergeb- gleichzeitig können nicht infizierte Personen proaktiv nisse spätestens am nächsten Tag vorliegen, nicht erst vor möglichen Infektionsrisiken geschützt werden. nach mehreren Tagen. – Sind sogenannte „Ausbruchs-Hotspots“ genau erfasst, – D ie Bezahlbarkeit / Erstattungsfähigkeit darf kein können Ausgangsbeschränkungen und andere Schutz- Hinderungsgrund für die Durchführung von Tests sein. maßnahmen viel gezielter erfolgen und deren Wirksam- – A n der Entwicklung und Produktion von Antikörpertests keit und Dauer ermittelt werden. mit sehr hoher Sensitivität und Spezifität muss weiter – D ie Bevölkerung kann gezielt über lokal angemessene intensiv geforscht und gearbeitet werden. Verhaltensweisen informiert werden. – Intelligente, vernetzte und automatisierte Test- und Auswertungsstationen können die Kapazitäten enorm Vielversprechend erscheint auch hier, der Bevölkerung erhöhen. Mobile Laborkonzepte mit Automatisierungs- eine freiwillige Beteiligung an den entsprechenden Verfah- technik (z. B. intelligente Roboter, Maschinen oder ren zu ermöglichen. Fahrzeuge) ermöglichen eine schnelle Erhöhung der Kapazität an bestimmten Hotspots. – Um das von Infektionen besonders betroffene medizini- sche Personal besser zu schützen, müssen auch für die eigentliche Probenentnahme Automatisierungslösungen gefördert werden. Erste Versuche zeigen hier sehr vielversprechende Ergebnisse. – D ie Ergebnisse der Tests sollten vollständig erfasst und ausgewertet werden. Künftig müssen von Anfang an auch negative Ergebnisse mittels einer digitalen Infrastruktur erfasst und gemeldet werden. Wichtig sind gerade im Hinblick auf Breitentests auch die Möglichkeiten der Hochleistungssequenzierung von Geno- men. Die infrastrukturelle Ausstattung dafür ist allerdings in Bayern noch nicht vorhanden (vgl. Handlungsempfehlun gen von 2018 Gesundheit und Medizin – Herausforderungen und Chancen).
10 vbw Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft Forschung intensivieren, Daten- und Sie ist auf dem neuesten Stand zu halten und bildet die Basis Wissensbasis verbreitern für Handlungsoptionen, Einführung von Check-Listen und SOPs (Standard Operating Procedures, also Standard Die Bekämpfung des Virus und der Schutz der Menschheit vorgehensweisen). Besonderes Augenmerk ist auf die Eva- erfordern internationale, langfristig ausgerichtete, massive luierung der getroffenen Maßnahmen zu richten (lessons Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen in Wissen- learned), auch mit den Methoden der Gesundheitsökono- schaftseinrichtungen und in der Wirtschaft. mie. Intelligente Auswertungssysteme können den geziel- ten lokalen Einsatz unterstützen. Die Informationen müs- sen auch der Wirtschaft zur Verfügung stehen. → Öffentlich zugängliche Wissensbasis schaffen Sinnvoll sind ferner Informationsangebote für den Einzel- Derzeit gibt es unstrukturierte Daten, oftmals nur anekdoti- nen, möglichst in Echtzeit, zum Beispiel über aktuelle Ge- sche Befunde und sich teilweise widersprechende Meinun- fährdungslagen. Das dient auch einem besseren Verständ- gen in der Wissenschaft. Wesentliche Erkenntnisse sind nis und damit einer höheren Akzeptanz für die getroffenen nicht übergreifend verfügbar, Erfassungskriterien nicht ein Maßnahmen. heitlich. Deshalb muss eine gesicherte und vernetzte digi- tale Wissensbasis geschaffen werden. Die gemeinsame Analyse von Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemein- → Infektionsforschung stärken schaft, Leibniz-Gemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft mit Bewältigungsstrategien aus Sicht der Modellierung Die Forschungsaktivitäten wurden sowohl in akademischen weist insoweit in die richtige Richtung. Eine Gesamtschau Einrichtungen als auch in der Industrie in den letzten Jahren der Daten und des Wissens ist notwendig, um medizini- heruntergefahren. In Deutschland hat Infektionsforschung sche Zusammenhänge herzustellen, verlässliche Simulati- keine Priorität. Hier müssen die Schwerpunkte neu justiert onen durchzuführen und Handlungssicherheit zu schaffen. werden. Gegebenenfalls sind zusätzliche Programme erfor Sie kann nur durch Zusammenarbeit verschiedener Fach- derlich, jedenfalls aber eine Überprüfung der derzeitigen richtungen erreicht werden. Strukturen. Die Einbeziehung anderer Fachdisziplinen (bei- spielsweise der Medizininformatik) ist zwingend, ebenfalls Gleichzeitig müssen möglichst viele reale Daten einfließen, die Berücksichtigung der Arbeits- und Umweltmedizin. die nicht nur verfügbar, sondern auch verarbeitbar sein müssen. Auch internationale Daten müssen eingebunden Konkret mit Blick auf die aktuelle Pandemie muss die Erfor- werden. schung des Erregers, der Krankheit und der Übertragungs- wege weiter intensiviert und breit aufgestellt werden. Ziel Die Wissensbasis muss öffentlich zugänglich sein unter ist neben der Entwicklung von Impfstoffen und Therapien Berücksichtigung des Datenschutzes (Open Data, Open auch die Schaffung einer verlässlichen Entscheidungs- Science), im Sinne eines „Cockpits“ oder Dashboards für grundlage für Maßnahmen, die Infektionsketten unterbre- Gesundheitsämter, Krisenstäbe, Ärzte und weitere Stake- chen sollen. Ein Beispiel hierfür ist die Frage, wie groß das holder. Sie muss auch die Erfahrungen anderer Länder Risiko einer Übertragung über Aerosole (Tröpfchenkerne, beinhalten. kleiner als fünf Mikrometer) in der Raumluft ist.
Resilienz – Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie Handlungsempfehlungen 11 Entscheidungsfindung und -strukturen → Auswirkungen verschiedener Maßnahmen / optimieren Strategien analysieren → Prädiktion mit digitalen Tools verbessern Die Effekte bestimmter epidemiologisch begründeter Stra- tegien z. B. auf Wertschöpfungsketten, andere Krankheits- Big-Data-Methoden können bei der Prädiktion nachdrücklich faktoren etc. müssen sorgfältig analysiert werden und dann helfen, zum Beispiel bei einer automatisierten Auswertung den dadurch erreichten Erfolgen im Gesundheitsbereich mit künstlicher Intelligenz für das frühzeitige Aufspüren gegenübergestellt werden. Zu untersuchen sind dabei auch potenziell relevanter Muster, die dann näher untersucht die Auswirkungen der Pandemie und der Reaktionen dar- werden müssen. Die Datenlage ist zu verbessern, um Ma- auf auf andere Krankheitsbilder. So halten englische For- chine Learning sinnvoll einsetzen zu können. Auch außer- scher unter anderem des University College London einen halb von akuten Krisenszenarien müssen Szenarienberech- Anstieg der krebsbedingten Todesfälle im Jahr 2020 in nungen zum Standard werden. Sie dienen zusätzlich dazu, Großbritannien um knapp 18.000 aufgrund zurückgefahrener der Gesellschaft zu verdeutlichen, was passieren kann, Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten für möglich. In wenn keine Maßnahmen getroffen werden. Deutschland – wo Krebs mit rund 235.000 Fällen pro Jahr Todesursache Nummer zwei hinter den Herz-Kreislauf-Erkran kungen ist – sehen Einrichtungen wie das Deutsche Krebs- → Unsicherheit in Planungen stärker berücksichtigen forschungszentrum zwar noch keine bedrohlichen Versor- gungsengpässe, warnen aber deutlich vor den Folgen eines Generell – nicht nur im Zusammenhang mit Pandemien – länger andauernden Ausnahmezustands. muss Bedrohungslagen ein höherer Stellenwert bei der Pla nung (und Finanzierung) eingeräumt und nicht vom Normal Ziel sollte es sein, Strategien dafür ebenso wie für den Um- fall oder gar Best Case ausgegangen werden. Dazu gehör en gang mit anderen Viren bzw. Bedrohungsszenarien zu ent- auch regelmäßige Simulationen mit den entsprechenden wickeln. Der interdisziplinäre Ansatz von Public Health (öf- Reaktionen (Vorsorge) auf deren Ergebnisse. fentliche Gesundheitspflege) muss weiter ausgebaut und genutzt werden. → Notfallpläne verbessern Angesichts der eingangs skizzierten Lage (Virus ist keine kurzfristige Angelegenheit) ist dabei von besonderem Inte- Die Erfahrungen aus der aktuellen Krise müssen evaluiert resse, welche Strategien man längerfristig durchhalten kann: und genutzt werden, um für die Zukunft die Strukturen in- Es geht also um solche, die einen nachweisbaren positiven nerhalb der Verwaltung (Abläufe, Prozesse, Verantwortlich- Effekt auf die Gesundheitsversorgung haben, gleichzeitig keiten) zu definieren: im Sinne eines klaren Notfallkonzepts, aber mit relativ geringen Einschränkungen verbunden sind. das im Katastrophenfall nur aktiviert zu werden braucht. Ein Beispiel kann ein neues Hygieneverständnis sein: So Dazu gehört beispielsweise auch, dass an zentraler Stelle wie sich vor rund anderthalb Jahrhunderten der Nutzen der hinterlegt werden kann (z. B. mithilfe eines intelligenten Desinfektion im Klinikbereich nach anfänglicher Ablehnung Log istiksystems), wo im Notfall auch Produkte bezogen durchgesetzt hat, könnte auch das Tragen von Masken in werden können, die normalerweise nicht benötigt werden bestimmten Situationen zum Standard werden. Forciert wer (beispielsweise Notfall-Beatmungssysteme, Krankenbetten den darf das allerdings nur evidenzbasiert. mit den wesentlichen Funktionen, Ersatzteile aus dem 3D- Drucker etc.). Insgesamt sollte die Krise auch als Chance begriffen wer- den, Fehlentwicklungen zu korrigieren und eine neue Nor- Ganz grundsätzlich ist zu klären, wo das gesamte Wissen malität zu schaffen. gebündelt und abgewogen wird und wer im Rahmen der Entscheidungsfindung – auch in Notfallsituationen – zu be- teiligen ist.
12 vbw Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft Sicheren Hochlauf, insbesondere in der Arbeitswelt, organisieren Von der Wirtschaftsleistung hängt ab, was wir uns auch künftig – jenseits der akuten Bewältigung der Pandemie – in der Gesundheitsvorsorge und für deren weitere Optimierung leisten können. Unabhängig davon, welche Einschränkungen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens gerade gelten, muss es immer darum gehen, Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, die Produktivität und Beschäftigung bestmöglich erhalten und gleichzeitig die Gesundheit der Mitarbeiter optimal sicherstellen. Infektionsschutz im Betrieb sicherstellen matisierungslösungen auch mit dem Ziel, Unternehmen bei Bedarf ein Labor für den Eigenbedarf vermieten oder Sicherheit im Sinne eines bestmöglichen Infektionsschut- auch verkaufen zu können. Gerade dann, wenn Schnell- zes ist Grundlage für die Leistungsentfaltung im Arbeits- tests verfügbar sind, kann das eine interessante Lösung umfeld. acatech hat dazu grundsätzliche Überlegungen sein. Diese Systeme sind grundsätzlich auch für andere vorgelegt (Arbeiten im Physical Distancing), auf denen denkbare Erkrankungen einsetzbar oder können in andere aufgebaut werden sollte. Die Arbeitgeberverbände unter- Krisenregionen transportiert werden, wenn sie nicht mehr stützen die Unternehmen mit Informationen (Leitfäden, erforderlich sind. Der Einsatz solcher Lösungen muss ge- Merkblättern, Webinaren), individueller Beratung und Mus- fördert werden, bei Bedarf auch mit einer gezielten Unter- terbetriebsvereinbarungen zur Umsetzung präventiver Maß- stützung der Entwickler beim Erlangen der notwendigen nahmen zum Infektionsschutz am Arbeitsplatz in Zeiten der Zulassungen. Corona-Pandemie. Aktuelle Versionen stehen zum Down- load bei den jeweiligen Fachverbänden bereit. In den Betrieben gibt es bereits viele überzeugende Kon- zepte, die über den eigentlichen Arbeitsplatz hinaus auch Arbeitsabläufe gestalten den Umgang mit Umkleideräumen, Parkplätzen, Pausenräu men, zentralen Kopierern, Pforte etc. regeln. Checklisten → Räumliche und zeitliche Distanzierung etablieren helfen zum Beispiel beim Umgang mit Verdachtsfällen und bei der Identifizierung von Kontaktpersonen, basierend auf Ersteres ist umso eher möglich, als betriebsmittelunabhän den aktuellsten verfügbaren Informationen offizieller Stel- giges Arbeiten stattfindet. Je weniger diese physische Ent- len wie des RKI. Darin sind auch die jeweiligen Ansprech- zerrung durch Homeoffice und Vergrößerung der Abstände partner und Informationswege sowie weitere Aspekte wie im Betrieb stattfinden kann, desto relevanter werden die Desinfektionsstrategien geregelt. Zu bedenken sind bei- Möglichkeiten einer Eingrenzung und Nachverfolgung von spielsweise auch regelmäßige Wartungsintervalle bei den Infektionsketten. Lüftungs- und Klimaanlagen gemäß VDI 6022 „Raumluft- technik, Raumluftqualität“. Wer noch keinen entsprechenden Die zeitliche Entzerrung ist vor allem dort wichtig, wo es Pandemieplan hat, ist gefordert, diesen umgehend zu er- einen großen Maschinenbestand gibt. Wichtige Elemente stellen. Bei dieser Gelegenheit sollten Überlegungen auch sind der Schichtbetrieb – einschließlich der notwendigen zum Umgang mit anders gelagerten Ausnahmesituationen Zwischenzeiten für Desinfektion und zur Vermeidung direk- angestellt werden, sofern noch nicht vorhanden. ter Kontakte –, längere Arbeitszeitkorridore und die ver- stärkte Nutzung auch des Wochenendes. Die durch Zu- Nach gegenwärtigem Stand müssen wir uns auf eine län- schläge entstehenden Mehrkosten können eine erhebliche gere Phase großer Vorsicht einstellen. Um frühzeitig Neu- Belastung darstellen; gleichzeitig ist eine solche Organisa- infektionen in der Belegschaft oder auch möglicherweise tion oft ohne Alternative, um Termine halten, Lieferbeziehun infizierte Besucher identifizieren zu können, wird zu Recht gen langfristig sichern und Konventionalstrafen vermeiden an neuen technischen Lösungen für Routinekontrollen zu können. Hier sind Lösungen erforderlich, damit die Pro- gearbeitet. Eine Option ist die kontaktlose Messung aus duktion nicht aus rein finanziellen Gründen zum Stillstand siche rer Entfernung (ca. 2 m) von Vitalparametern wie Kör- kommt. Denkbar wäre unter anderem eine staatliche För- pertemperatur und Atemfrequenz mit Thermokamera und derung dieser Zuschläge. Radar. Andere arbeiten an mobilen Teststationen und Auto
Resilienz – Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie Handlungsempfehlungen 13 → Auf Eigenverantwortung der Beschäftigten setzen Rahmenbedingungen für Arbeit im Lockdown schaffen Es zeigt sich auch in der aktuellen Krise, dass – innerhalb eines abgesteckten Rahmens, der Sicherheit gibt – Flexibi- → Kinderbetreuung ermöglichen lität nichts ist, was generell „von oben“ eingefordert wer- den müsste, sondern nur von informierten und eigenver- antwortlichen Arbeitnehmern gelebt werden kann. Präsenzarbeit setzt ebenso wie konzentriertes Arbeiten im Homeoffice jedenfalls bei Eltern kleinerer Kinder das Vor- Wo das der Fall ist, sollte zur Stärkung der Resilienz in handensein von Betreuungsmöglichkeiten voraus. Gerade künftigen Krisen mehr auf ein Miteinander, eine Mitwir- die Industrie ist hier im Hinblick auf die Verfügbarkeit von kung im Planungsstadium gesetzt werden. Letztlich erhöht Arbeitskräften in Phasen vergleichsweise intensiver Kontakt sich dadurch auch die Akzeptanz von Maßnahmen, wie der beschränkungen doppelt betroffen: Ein nicht unerheblicher Zukunftsrat bereits in seinen Handlungsempfehlungen 2019 Teil der Arbeitsplätze lässt sich von vornherein nur bei phy- (TechCheck 2019. Technologien für den Menschen) gezeigt sischer Präsenz durchführen und die Bestimmungen für die hat: Ob es um neue Technologien oder um neue Abläufe Kinderbetreuung im Ausnahmefall griffen zunächst nur für geht, wichtigste Hemmnisse sind neben einem unklaren sehr kleine Ausschnitte des produzierenden Gewerbes. Es Nutzen eine missglückte Kommunikation mit der Beleg- sollte künftig möglich sein, hier noch schneller eigenver- schaft. Das gilt von der Einführung neuer Verhaltensregeln antwortliche Lösungen zu finden (z. B. Plattformen, Tages- bis hin zu grundlegenden Organisationsprinzipen. Ein Bei- mütter etc.). spiel ist etwa die Frage, wie Vertraulichkeit beim Arbeiten im Homeoffice – etwa für die Durchführung einer Aufsichts ratssitzung oder die Entwicklung von proprietärem Soft- → Matching-Plattformen für die vorübergehende ware-Code – während einer Lockdown-Phase wirkungsvoll Vermittlung von Fachkräften einsetzen und gleichzeitig ohne unrealistische Anforderungen gewähr leistet werden kann. Matching-Plattformen sind ein wichtiges Element, um die Kompetenzen derjenigen, die derzeit in ihren Unternehmen Eine der Chancen, die in der aktuellen Krise liegen, kann nicht arbeiten können, temporär an anderer Stelle nutzen die Einbeziehung der Mitarbeiter in die Gestaltung neuer zu können. Dabei gleicht ein Algorithmus Bewerberdaten (digitaler oder digital gestützer) Prozesse liegen. Robotic mit den Kompetenzen und Qualifikationen ab, die für eine Process Automation ermöglicht es beispielsweise, auch (vorübergehend) vakante Stelle gesucht werden. Die Profile ohne Programmierkenntnisse Prozesse zu automatisieren, bzw. Stellen mit der größten Übereinstimmung werden in etwa die Eingaben in verschiedene Systeme aneinanderzu- einem Ranking angezeigt. Für neue Schichtmodelle sind koppeln. Wenn die Arbeitserleichterung unmittelbar erlebt beispielsweise alle Qualifikationen in jeder Schicht erfor- wird und Verbesserungsvorschläge eingebracht oder eigene derlich, was Unternehmen nicht ohne Weiteres kurzfristig Ideen gleich umgesetzt werden können, entsteht auch nicht sicherstellen können, zumal in Zeiten eines höheren Kran- das Gefühl, die eigene Arbeit werde wegrationalisiert. kenstands bzw. von Quarantänemaßnahmen. Perspekti- visch lassen sich über Plattformen auch gezielt Menschen vermitteln, deren Immunität bereits feststeht. → Homeoffice fördern Mindestens bis zur vollständigen Überwindung der Pandemie ist mit einer deutlich stärkeren Nutzung von Homeoffice zu rechnen. Aktuell zeigt sich so deutlich wie nie, dass ein Rechtsan- spruch auf Homeoffice der völlig falsche Weg wäre. Es gibt sicherlich viele Belege dafür, dass die Arbeit aus dem Home- office heraus nicht nur überraschend gut funktioniert, son- dern insbesondere von stark pendelnden Mitarbeitern mit- unter als Erleichterung und Produktivitätssteigerung emp-
14 vbw Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft funden wird – weshalb einige Unternehmen derzeit darüber → Digitale Transformation stärker in die Breite tragen: nachdenken, ob und wie sie diese durch die Corona-Krise Angebote und Prozesse auf digitale Lösungen erzwungene neue Arbeitsform teilweise verstetigen kön- umstellen nen. Ebenso häufig werden jedoch auch die Grenzen des Homeoffice spürbar. Das Aufnehmen und Verarbeiten von Gerade von den kleineren Unternehmen waren viele von der Stimmungen, das Lesen zwischen den Zeilen, das kurze plötzlich erforderlichen Umstellung ihrer Angebote und Pro- Gespräch unter Kollegen an der Kaffeemaschine – dies alles zesse auf digitale Lösungen überfordert (Beispiele: Web sind zumindest für einen Teil der Belegschaft wesentliche shops, digitale Zahlungsmethoden). Die digitale Transform a- Zutaten für ein gesundes Betriebsklima, die zwar kurzfristig tion bedingt zudem Kulturveränderungen in den Betrieben. entfallen können, langfristig in ihrer Wichtigkeit jedoch nicht Auch in etablierten Unternehmen zeigt sich jetzt teilweise unterschätzt werden dürfen. Der Erfolg des Arbeitens im deutlich, dass die Prozesse nicht hinreichend durchdigita- Homeoffice hängt ferner wesentlich von guten Absprachen lisiert sind. Die Wertschöpfungskette ist aber insgesamt zwischen Führungskräften und Mitarbeitern und deren ver- nur so digital wie ihr schwächstes Glied. Auch für die Ver- lässlicher Einhaltung ab. Die Gestaltung von Homeoffice- sorgung der Bevölkerung ist es von großem Interesse, dass Regelungen muss diesen Aspekten Rechnung tragen und möglichst viele Unternehmen durchgehend liefern können. kann daher nur Gegenstand einer flexibel gestaltbaren Ver- Hier sind niedrigschwellige Programme wie der Digitalbonus einbarungslösung sein. Ein starrer Rechtsrahmen ginge im Bayern sinnvoll. Damit werden kleine und mittelständische Übrigen auch an den Interessen vieler Beschäftigter vorbei, Unternehmen in Bayern bei der digitalen Transformation die das Entstehen einer faktischen Verpflichtung zum Arbei unterstützt. Im Mittelpunkt der Förderung stehen digitale ten von zu Hause aus befürchten. Produkte, Prozesse und Dienstleistungen sowie die IT- Sicherheit. Wenngleich noch nicht über eine besondere Der unbürokratische Einsatz von Homeoffice muss ermög- Häufung erfolgreicher Cyber-Angriffe berichtet wird, sind licht und gefördert werden – in Unternehmen, aber auch in Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz der digitalen Infra- Behörden. Gegenwärtig setzt beispielsweise die steuerliche struktur in den Unternehmen einschließlich einer entspre- Absetzbarkeit des Arbeitszimmers unter anderem voraus, chenden Schulung der Mitarbeiter auch als Teil der Vor dass es sich um einen Raum handelt, der ausschließlich zu sorge elementar. beruflichen Zwecken genutzt wird. Hier sollte nachgebes- sert werden. Auch gilt es, die technische Ausstattung der Jedes Unternehmen, aber auch jede staatliche Institution Mitarbeiter (Laptops, VPN, Headsets etc.) zu vervollständi- muss sich spätestens jetzt mit den Veränderungen ausein- gen, sie im Umgang mit digitalen Tools beispielsweise für andersetzen, die Internet / Vernetzung, Datennutzung und die Teamarbeit via Internet zu schulen und die betriebliche Virtualisierung von Produkten / Prozessen mit sich bringen, IT-Infrastruktur für noch höhere Anforderungen zu rüsten. und eine Strategie für den Umgang damit erarbeiten. Wegen der Einzelheiten kann auf die Handlungsempfehlungen von 2017 (Neue Wertschöpfung durch Digitalisierung) verwie- → Glasfaser- und Mobilfunknetz sen werden – die aktuelle Lage belegt im Positiven wie oft beschleunigt ausbauen auch im Negativen, welchen großen Einfluss eine Ausschöp fung digitaler Potenziale auf Wertschöpfung und Hand - Durch die stärkere Inanspruchnahme – und Abhängigkeit – lungsfähigkeit in der Krise hat. werden Defizite bei der Netzinfrastruktur stärker sichtbar. Eine weitere Beschleunigung des Ausbaus von Glasfaser- und Mobilfunknetzes einschließlich des Aufbaus eines 5G-Netzes ist unerlässlich, wie bereits mehrfach in den Handlungsempfehlungen betont. Die entsprechenden An- strengungen müssen noch einmal weiter intensiviert werden. Möglicherweise sind die Bedingungen derzeit auch hinsicht lich der Akzeptanz von Mobilfunkmasten günstiger als noch vor einigen Monaten.
Resilienz – Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie Handlungsempfehlungen 15 Neustart beim Arbeitsrecht 4.0 Distanz ist jenseits des Individualverkehrs nur bei einem sehr schlechten Auslastungsgrad möglich, was wiederum Gegenwärtig zeigt sich, wie berechtigt die Empfehlungen Probleme hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Umweltver- des Zukunftsrats der letzten Jahre waren, auch das Arbeits träglichkeit aufwirft. Trotzdem gilt es, im Rahmen des Ver- recht an die Wirtschaft 4.0 anzupassen. Das Spektrum reicht tretbaren den ÖPNV mit einer hohen Taktung zu fahren. vom Arbeitszeitrecht über die Regelungen zur Mitbestim- Umso wichtiger wird eine beschleunigte Umrüstung auf mung beim Einsatz digitaler Tools bis hin zu Fragen der klimafreundliche Lösungen. Arbeitssicherheit. Viele Regelungen mussten in der akuten Krise vorüberge- → Neue (digitale) Ansätze für den öffentlichen hend außer Kraft gesetzt beziehungsweise Spielräume sehr Verkehr nutzen weit interpretiert werden. Das ist zum Beispiel bei den Laden öffnungszeiten oder den Wochenendbeschränkun- Um die Kapazitäten zielgerichtet aussteuern zu können und gen für den Güterverkehr sehr flexibel erfolgt. Die Erfahrun einer Überfüllung entgegenzuwirken, kann eine verkehrs- gen müssen genutzt werden, um nach der Überwindung trägerübergreifende Plattform mit Echtzeit-Anzeige der noch des Katastrophenfalls offen und unter Einbeziehung aller Be verfügbaren Kapazitäten und einer KI-gestützten Prognose teiligten zu klären, was tatsächlich für resiliente, zukunfts des Bedarfs innerhalb der nächsten Stunden hilfreich sein. fähige Betriebe gebraucht wird, was ggf. im Katastrophen- Idealerweise könnte sie mit einem obligatorischen Reser- fall verzichtbar ist und unter welchen Bedingungen und an vierungssystem verbunden sein, was allerdings einen Kul- welchen Stellen neue Ansätze erforderlich sind. Was sich turwandel bedeutet. Umgekehrt können aus den (ob via als entbehrlich erwiesen hat, bedarf zu seiner erneuten In- Buchungssystem oder mittels sensorbasierter Erfassung) kraftsetzung einer besonderen Begründung. erhobenen Fahrgastzahlen mobilitätslenkende und ange- botsorientierte Maßnahmen abgeleitet werden. Das könn- ten beispielsweise vorübergehende Zugangsbeschränkun- gen zu einem Verkehrsmittel – in Verbindung mit Echtzeit- Physische Distanz und Mobilität hinweisen auf Alternativlösungen – oder die Bereitstellung zusätzlicher Fahrzeuge (z. B. Busse) beziehungsweise die → Physische Distanz in der beruflichen / betrieblichen Umstellung von einem festen auf einen nachfrageorientier- Mobilität umsetzen ten Fahrplan sein. Einer besonderen Prüfung bedarf auch die Frage, wie künf- Wo der Kontakt nur vergleichsweise kurz ist – etwa im tig Dienstreisen und Wege zur Arbeitsstätte organisiert ÖPNV – oder eine jedenfalls nachträglich identifizierbare werden sollen, aber auch Mobilität insgesamt, solange das Gruppe zusammen fährt, beispielsweise beim Tansport auf Gebot physischer Distanz aufrechterhalten werden muss. dem Werksgelände, kann eine einfache Mund-Nase-Bede- Die Ausarbeitung von acatech gemeinsam mit dem Fraun- ckung reichen. Das jeweilige Konzept muss in sich konsis- hofer IML Physical Distancing in der beruflichen / betrieb tent sein: So können an den Aufenthalt im Wartebereich lichen Mobilität gibt dazu wichtige erste Hinweise. oder die Einstiegssituation keine grundsätzlich anderen Anforderungen (z. B. Mindestabstand) gestellt werden, als Der Individualverkehr gewinnt in der Corona-Zeit an Bedeu sie im Verkehrsmittel gelten. Bei längeren Fahrtzeiten und tung. Um die Mobilität, insbesondere von Angehörigen einer unvermeidbarer Enge (Flugzeug, ICE) ist neben der Mund- Risikogruppe, zu ermöglichen, sind intelligente Lösungen, Nase-Bedeckung z. B. die Luftfilterung (i. d. R. durch Klima- wie unter anderem eine Reservierung von Parkplätzen, neue anlagen) mit hohen hygienischen Ansprüchen hinsichtlich Fahrradabstellmöglichkeiten und Anreize für die Anschaf- einer Unterbindung der etwaigen Verbreitung von Viren ein fung von E-Bikes oder die (vorübergehende) Bereitstellung gangbarer Weg. von Fortbewegungsmitteln (Miete, Sharing, Nutzung betrieb licher Fahrzeuge) – Letzteres mit Desinfektion vor jedem Schließlich muss geprüft werden, welche Auswirkungen Fahrerwechsel – denkbar, sofern der Finanzrahmen dies virtuelle Besprechungen auch mittel- und langfristig auf die zulässt. Die Corona-Krise kann und sollte auch als Chance Nachfrage nach physischer Mobilität haben, über die akute für die Stärkung des Radverkehrs genutzt werden. Das Fahr Pandemie hinaus. rad kann gerade in Städten ein alternatives Fortbewegungs mittel zum Kfz und ÖPNV darstellen.
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