Digitalisierung in Deutschland - Lehren aus der Corona-Krise - Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und ...

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Digitalisierung in Deutschland - Lehren aus der Corona-Krise - Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und ...
Digitalisierung in Deutschland –
Lehren aus der Corona-Krise
Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats
beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)

                                                      bmwi.de
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat sich in mehreren
Sitzungen, zuletzt am 12. Februar 2021, mit dem Thema

„Digitalisierung in Deutschland – Lehren aus der Corona-Krise“

befasst und ist dabei zu der nachfolgenden Stellungnahme gelangt:

Impressum

Herausgeber
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
Öffentlichkeitsarbeit
11019 Berlin
www.bmwi.de

Stand
12. März 2021

Diese Publikation wird ausschließlich als Download angeboten.

Gestaltung
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Europäischen Parlament.
1

Inhalt

I. Einführung                                      .................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   2

II. Krisenbedingte Digitalisierung                                                                                                              ....................................................................................................................................................................................................................................   5

  II.1  Homeoffice und digitale Kommunikation..................................................................................................................................................................................6
  II.2 Bargeldlose Zahlung..........................................................................................................................................................................................................................................................................8
  II.3 Gesundheitssystem..............................................................................................................................................................................................................................................................................8
  II.4 Allgemeinbildende Schulen.......................................................................................................................................................................................................................................10
  II.5 Hochschulen.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................10
  II.6 Öffentliche Verwaltung........................................................................................................................................................................................................................................................11

III. Staatliches Handeln                                                                           ...........................................................................................................................................................................................................................................................................   13

  III.1             Infrastruktur ...................................................................................................................................................................................................................................................................................................14
  III.2             Datenstrategie und Datenschutz.................................................................................................................................................................................................................15
  III.3             Staatliche Fördermaßnahmen für Digitalisierung im Unternehmenssektor.................................19
  III.4              Öffentliche Verwaltung und Bildungssystem...............................................................................................................................................................20

IV. Fazit              .......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   23

Literatur                ....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................    26

Mitglieder                        ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   31

Anhang: Gutachten des Wissenschaft­lichen Beirats seit April 1948                                                                                                                                                                                                                                               .............................................................   34
2

I. Einführung
I. EINFÜHRUNG      3

Deutschland ist sowohl beim Ausbau der digitalen        auch wenn der gesellschaftliche Nutzen größer ist
Infrastruktur als auch beim Einsatz digitaler Tech-     als die Kosten. Hier hat die Bundesregierung bereits
nologien und Dienstleistungen hinter viele andere       mit Regulierung und Subventionsprogrammen
OECD-Staaten zurückgefallen. Im letzten Jahr hat        gegengesteuert. Jetzt kommt es vor allem auf die
die Corona-Krise zu einem erheblichen, wenn auch        zügige Umsetzung an.
nicht geplanten Digitalisierungsschub geführt. In
einigen Bereichen (z. B. Homeoffice) war es möglich,    In vielen weiteren Bereichen scheinen dagegen
in kurzer Zeit auf digitale Kommunikation und die       verschiedene Formen von „Organisationsversagen“
Nutzung digitaler Prozesse umzustellen, in anderen      zu dominieren. Vieles von dem, was während der
Bereichen (z. B. Schul- und Gesundheitswesen) gelang    Corona-Pandemie in kurzer Zeit umgesetzt wurde,
dies nur mühsam oder so gut wie gar nicht. In die-      hätte auch schon lange vor der Krise unternommen
sem Gutachten analysiert der Beirat diese Entwick-      werden können. Doch erst in der Krise sahen sich
lungen und ihre Ursachen. Er gibt Empfehlungen, in      Unternehmen, Verwaltungen und Haushalte ge­­
welchen Bereichen und mit welchen Mitteln sich          zwungen, Arbeitsabläufe auf einen digitalen Modus
der Staat stärker engagieren sollte, um die erzielten   umzustellen. Dies mag daran liegen, dass Organisa-
Fortschritte nach der Pandemie zu erhalten und          tionen Schwierigkeiten haben, Prozessinnovationen
die digitale Transformation weiter voranzutreiben.      in ihre internen Abläufe zu integrieren. Die Verhal-
                                                        tensökonomie erklärt mangelnde Veränderungsbe-
Der Breitbandausbau weist in Deutschland bei höhe-      reitschaft mit einem sogenannten Status Quo Bias,
ren Übertragungsgeschwindigkeiten einen Rück-           also einer Präferenz gegen Veränderungen, wenn
stand zu vielen anderen OECD-Ländern und ein            diese in einigen Dimensionen mit Verlusten ver-
starkes Stadt-Land-Gefälle auf. Beim Einsatz digita-    bunden sind, selbst wenn die Gewinne in anderen
ler Technologien und Arbeitsweisen hat Deutsch-         Dimensionen überwiegen.
land ebenfalls die Rolle eines Nachzüglers einge-
nommen, so bei der Nutzung von Homeoffice, der          Nach Ansicht des Beirates sind es insbesondere
Anwendung bargeldloser Zahlungsverfahren, beim          solche Formen des Organisationsversagens, die in
Einsatz digitaler Abläufe in der öffentlichen Ver-      Deutschland überwunden werden müssen. Eine
waltung (E-Government) und bei der Nutzung digi-        erfolgreiche digitale Transformation erfordert nicht
taler Geschäftsmodelle in Unternehmen. Auch im          nur die Implementierung digitaler Technologien,
Gesundheitswesen sowie in Schulen und Hoch-             sondern auch die Anpassung von Arbeitsprozessen
schulen kamen digitale Technologien und Prozesse        und das Erlernen neuer Fähigkeiten. Fällt der Trans­
bisher vergleichsweise selten zum Einsatz. Das ist      formationsprozess zudem in eine Zeit wirtschaft­
ein Grund zur Besorgnis, da der Einsatz digitaler       licher Erfolge, die mit etablierten Prozessen herbei-
Technologien produktivitätserhöhend wirken, die         geführt wurden, kann sich die Einführung innovativer
Resilienz der Wirtschaft stärken und neue Wert-         Abläufe verzögern, weil die Notwendigkeit für Ver-
schöpfungsmöglichkeiten erschließen kann.               änderungen unterschätzt wird.

Die Ursachen für diese Entwicklungen sind vielfältig.   Schließlich spielen auch juristische und bürokra­
In einigen Bereichen liegt ein klassisches Marktver­    tische Hemmnisse eine wichtige Rolle im Prozess der
sagen vor. Dies gilt insbesondere beim Ausbau der       Digitalisierung. Der Datenschutz wird in Deutsch-
digitalen Infrastruktur, der im ländlichen Raum für     land oft als ein Wert angesehen, der in der Abwä-
private Anbieter nicht hinreichend profitabel ist,      gung mit anderen Rechtsgütern absolute Priorität
4     I. EINFÜHRUNG

genießt. Das hat die Nutzung digitaler Möglichkeiten   Wenn es private Unternehmen und öffentliche
während der Corona-Krise stark eingeschränkt, wie      Verwaltung nicht schaffen, effizienzsteigernde
die Corona-Warn-App und die sich immer weiter          Innovation in ihre Prozessabläufe zu integrieren,
verzögernde elektronische Patientenakte gezeigt        kann die Politik dazu beitragen, dieses Organisati-
haben. Auch Kompetenzstreitigkeiten zwischen           onsversagen zu überwinden, indem sie Informatio-
Bund und Ländern haben die Einführung einheitli-       nen bereitstellt, die die Vorteile dieser Veränderun-
cher Verfahren und Standards insbesondere in der       gen sichtbar machen. Sie kann zudem an einzelnen
öffentlichen Verwaltung erheblich verzögert.           Stellen durch gezielte Fördermaßnahmen, so bei
                                                       KMU, die Digitalisierung unterstützen. Vor allem
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie      sollte der Staat aber die lange überfällige digitale
der Staat die Erfahrungen mit der Digitalisierung      Transformation der eigenen Dienstleistungen
aus der Corona-Krise nutzen kann, um die in            zügig umsetzen und die öffentlichen Verwaltungen
Deutschland vergleichsweise langsam ablaufende         konsequent digitalisieren.
digitale Transformation in die gewünschte Rich-
tung zu lenken und zu beschleunigen. Dafür sollte      Im folgenden Abschnitt II geht der Beirat zunächst
der Staat den Ausbau der notwendigen Infrastruk-       auf die krisenbedingten Veränderungen im Bereich
tur zügig vorantreiben. Er sollte bürokratische Hin-   der Digitalisierung ein und analysiert jene Defizite,
dernisse minimieren und einen Regulierungsrahmen       die die Krise offengelegt hat. Vor diesem Hintergrund
schaffen, der Digitalisierung erleichtert, fördert     werden in Abschnitt III staatliche Handlungsoptio-
und ihren wohlfahrtssteigernden Wirkungen zum          nen entwickelt und diskutiert. Abschnitt IV fasst
Durchbruch verhilft. In vielen Bereichen ist die       die wichtigsten Aussagen und Handlungsempfeh-
digitale Transformation von Unternehmen und            lungen zusammen.
Haushalten jedoch selbst zu bewältigen.
5

II. Krisenbedingte
     Digitalisierung
6      I I . K R I S E N B E D I N G T E D I G I TA L I S I E R U N G

Dieser Abschnitt gibt einen kurzen Überblick, in                                Vor der Pandemie standen verschiedene Faktoren
welchen Bereichen die pandemiebedingte Umstel-                                  der Verbreitung von Homeoffice im Wege: zum
lung auf digitale Abläufe gut funktioniert hat und in                           einen die fehlende Infrastruktur und technische
welchen Bereichen Defizite offensichtlich geworden                              Ausstattung der Arbeitsplätze zu Hause, zum ande-
sind. Die Auswahl der Bereiche ist exemplarisch                                 ren eine Tradition der Präsenzkultur bzw. Anwesen-
und nicht vollständig.                                                          heitspflicht in vielen Organisationen. Die technischen
                                                                                Hindernisse konnten in vielen Fällen durch rasch
                                                                                getätigte Investitionen in die Ausstattung mit Lap-
II.1 Homeoffice und digitale                                                   tops, virtuelle private Netzwerke (VPNs) und Soft-
     Kommunikation                                                              ware behoben werden. Die fehlenden Kompetenzen
                                                                                und Erfahrungen im Umgang mit digitalen Tech-
Vor der Pandemie arbeiteten 12 Prozent der Be­­                                 nologien wurden vielfach nebenbei und im Selbst-
schäftigten in Deutschland mindestens einmal                                    studium der Erwerbstätigen erworben. Ebenso
wöchentlich im Homeoffice. In der EU waren dies                                 haben die Pandemie und die damit verbundenen
zum Vergleich 15 Prozent in Skandinavien und mehr                               Eindämmungsmaßnahmen der Bundesregierung
als 30 Prozent der Beschäftigten in den Niederlan-                              und der Bundesländer Betriebe dazu angehalten,
den. Selbst unter Berücksichtigung der Struktur                                 neue Wege jenseits der Präsenzkultur zu beschrei-
der deutschen Wirtschaft wurde das Potenzial für                                ten. Betriebliche Arbeitsabläufe und Kommunikati-
Homeoffice-Arbeit bei weitem nicht ausgenutzt                                   onswege konnten vielfach erstaunlich schnell und
(Dingel und Neiman 2020). Jedoch hat die Nutzung                                ohne größere Probleme an die Online-Kommuni-
von Homeoffice im Zuge der Pandemie stark zuge-                                 kation angepasst werden. Zahlreiche Unternehmen
nommen: Im Frühsommer 2020 gaben fast 50 Pro-                                   haben festgestellt, dass sich mehr Tätigkeiten im
zent der Erwerbstätigen an, im Homeoffice arbeiten                              Homeoffice erledigen lassen als vor der Pandemie
zu können (Hopp Survey 2020). Befragungen von                                   angenommen (Erdsiek 2020a).
Unternehmen und Beschäftigten deuten darauf hin,
dass die Homeoffice-Nutzung auch nach Ende der                                  Betriebe und Arbeitnehmer bewerten die Arbeit im
Pandemie deutlich oberhalb des Vorkrisenniveaus                                 Homeoffice mittlerweile mehrheitlich positiv und
liegen dürfte (Bonin et al. 2020, Stürz et al. 2020).                           gehen davon aus, dass Homeoffice ein wichtiger und
                                                                                fester Bestandteil der Arbeitswelt nach der Pande-
Generell haben hochqualifizierte Erwerbstätige und                              mie bleiben wird.1 Neben einer flexibleren Arbeits-
solche mit Führungsaufgaben in Branchen wie Wis-                                einteilung ermöglicht das Homeoffice auch eine
senschaft und Forschung sowie IT und Kommuni-                                   Verringerung der Pendelzeiten für Arbeitnehmer,
kation eher die Möglichkeit, im Homeoffice zu                                   was sich positiv auf die Arbeitszufriedenheit und
arbeiten. Dagegen ist die Verlegung von Tätigkeiten,                            Gesundheit der Arbeitnehmer und ihrer Familien
die direkten Kundenkontakt verlangen (z. B. ortsge-                             auswirken kann. Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht
bundene Dienstleistungen oder Gesundheitswesen),                                kann das Homeoffice zudem die CO2-Freisetzung
starren Produktionsabläufen unterliegen oder sonst                              und das Verkehrsaufkommen durch Pendler, ins-
physische Präsenz erfordern, ins Homeoffice bzw.                                besondere in Ballungsgebieten, verringern – mit
Internet oft nur schwer oder gar nicht möglich                                  positiven Effekten für Gesundheit und Umwelt
(Robelski et al. 2020).                                                         (Bonin et al. 2020).

1   Vgl. die detaillierten Diskussionen und Zusammenfassungen der Diskussion in Bonin et al. (2020) sowie Stürz et al. (2020).
I I . K R I S E N B E D I N G T E D I G I TA L I S I E R U N G   7

Jedoch kann eine virtuelle Arbeitswelt auch Nach-                         kations- und Entscheidungsprozesse im Unterneh-
teile haben. So kann eine mangelhafte ergonomi-                           men nicht verloren geht.
sche Ausstattung im Homeoffice gesundheitliche
Probleme nach sich ziehen. Lücken in der IT-Aus-                          Vereinbarungen über Möglichkeit und Ausmaß von
stattung können das Homeoffice zu einer Gefahr                            Homeoffice sollten dezentral zwischen Unternehmen
für die IT-Sicherheit des gesamten Unternehmens                           und Beschäftigten, etwa im Rahmen von Tarifver-
werden lassen. Typische Wohnungsgrößen mögen                              handlungen, ausgehandelt werden. Denn nur so
für dauerhaftes Homeoffice zu klein sein, gerade                          können die individuellen Gegebenheiten und Not-
wenn es um Doppelverdiener-Familien geht.                                 wendigkeiten des Arbeitsplatzes sowie die Präfe-
Wenn Homeoffice die Grenzen zwischen Arbeit                               renzen beider Seiten berücksichtigt und flexibel an
und Freizeit nachhaltig aufweicht, könnten dieje-                         den raschen digitalen Wandel angepasst werden.
nigen, die vermehrt Aufgaben der Kinderbetreu-                            Daher steht der Beirat Überlegungen skeptisch
ung und der Haushaltsführung übernehmen, ent-                             gegenüber, der Gesetzgeber solle das Homeoffice
sprechende Nachteile für ihre Karrierechancen                             inhaltlich detailliert ausgestalten oder gar einen
erleiden. Schließlich erfordert das Homeoffice ein                        Rechtsanspruch auf Homeoffice schaffen.2 Denn
hohes Maß an Selbstorganisation der Beschäftig-                           international gibt es bestenfalls einen schwachen
ten und neue Formen der Personalführung. Zu­­                             Zusammenhang zwischen der Verbreitung und der
dem besteht die Gefahr, dass Arbeitnehmerinnen                            rechtlichen Ausgestaltung von Homeoffice (Bonin
und Arbeitnehmer, die vermehrt im Homeoffice                              et al. 2020). In den meisten europäischen Nachbar-
arbeiten, von informellen Kommunikationswegen                             ländern, selbst in solchen mit weit höherem Anteil
und möglicherweise auch von Aufstiegs­möglich­                            an Beschäftigten mit Homeoffice, wird Homeoffice
keiten ausgeschlossen werden. Diese Gefahren                              dezentral geregelt – entweder durch individuelle
können jedoch durch an­­gemessene Ausstattung                             Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Be­­
sowie Anpassungen in der Management- und Lei-                             schäftigten oder aber zwischen den Sozialpartnern
tungspraxis beseitigt oder zumindest stark verrin-                        (wie etwa in Dänemark, Frankreich oder Schweden).
gert werden.                                                              Jedoch kann der Gesetzgeber durch verfahrens-
                                                                          rechtliche Regelungen wie Anhörungsrechte dazu
Unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist                             beitragen, dass Unternehmen und Beschäftigte ein-
der Wunsch nach Flexibilität weit verbreitet. Home-                       gefahrene Routinen und Arbeitsabläufe überdenken.
office und mobiles Arbeiten werden dabei als wich-                        Dann legt der Gesetzgeber nicht das Ergebnis des
tig angesehen. Die Erfahrungen in der Pandemie                            Aushandlungsprozesses fest, sondern trägt zu einem
haben gezeigt, dass Betriebe, in denen flexible Ar­­                      Kulturwandel bei, in dem sich die Parteien selbst
beitsorte realisierbar sind, keine Produktivitäts­                        neu koordinieren können. Bei der Verbreitung von
verluste erleiden, wenn sie dem Wunsch nach Fle-                          Homeoffice sollte die öffentliche Verwaltung mit
xibilität entsprechen. Wichtig scheint in Zukunft,                        gutem Beispiel vorangehen.
Büroarbeit, mobile Arbeit und Homeoffice so zu
kombinieren, dass die Vorteile der Flexibilisierung                       Im Zuge der Corona-Krise hat zudem die Nutzung
genutzt werden, aber die Einbindung der Arbeit-                           der Videokommunikation als Substitut für Prä-
nehmerinnen und Arbeitnehmer in die Kommuni-                              senztreffen stark zugenommen.3 Zudem hat die

2   Davon ausgenommen ist eine einheitliche, temporäre Verpflichtung zum Homeoffice, um die Dynamik der Corona-Pandemie zu bremsen.
3   Vgl. hierzu EY und Wuppertal-Institut (2020). Zwischenbilanz COVID-19: Umweltpolitik und Digitalisierung. Verfügbar unter
    https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Digitalisierung/zwischenbilanz_covid19_bf.pdf (letzter Abruf am 21.10.2020).
8     I I . K R I S E N B E D I N G T E D I G I TA L I S I E R U N G

Bundesregierung eine Flexibilisierung bei Vorgaben                     haben, scheint der Trend zum kontaktlosen Bezah-
für Öffentlichkeitsbeteiligung in Gesetzgebungsver­                    len ungebrochen. Im Frühsommer 2020 wurden
fahren, Präsenzpflichten und Hauptversammlungen                        55 Prozent der Lebensmitteleinkäufe im Einzelhan-
auf den Weg gebracht. Viele Dienstreisen und Treffen                   del bargeldlos bezahlt – etwa zehn Prozentpunkte
zwischen Firmen und ihren Kunden oder Zuliefe-                         mehr als im Jahr zuvor. Den stärksten Zuwachs
rern, aber auch Besprechungen innerhalb der Unter­                     haben Kartenzahlungen zu verzeichnen. Auch das
nehmen haben sich in der Pandemie flexibel und                         kontaktlose Zahlen mit Smartphones hat erheblich
fast unabhängig vom Aufenthaltsort der Teilnehmen-                     zugenommen. Die vermehrte Nutzung ist in allen
den durchführen lassen. Dies hat nicht nur Reise-                      Altersgruppen sichtbar, in den mittleren Alters-
kosten und Zeit für die Betriebe gespart, sondern                      gruppen aber besonders ausgeprägt (Mai 2020).
im besten Fall auch die Produktivität und Arbeits-                     Auch hier ist anzunehmen, dass das einmal ange-
zufriedenheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-                        nommene und für gut befundene bargeldlose bzw.
nehmer erhöht. Auch mit Videokommunikation                             kontaktfreie Bezahlen nach der Pandemie die do­­
haben Unternehmen inzwischen in der Regel posi-                        minante Zahlungsmethode bleibt und sich in den
tive Erfahrungen machen können, sodass nach                            nächsten Jahren noch stärker verbreitet. Wie der
Ende der Pandemie mit einer anhaltenden Reduk-                         Beirat in einem früheren Gutachten ausgeführt
tion von dienstlichen Reisetätigkeiten zu rechnen                      hat, sieht er keinen Anlass dafür, dass der Staat
ist. Die damit einhergehenden Kosteneffekte dürf-                      diesen Transformationsprozess zu mehr digitalen
ten sich wiederum in Produktivitätsgewinnen und                        Zahlungsformen steuern oder beeinflussen sollte
Beiträgen zu Nachhaltigkeitszielen niederschlagen.                     (Wissenschaftlicher Beirat 2017b). Allerdings sollte
Sie könnten jedoch zu weniger Nachfrage nach                           der Staat den Bürgerinnen und Bürgern erlauben,
Transportdienstleistungen und nach Arbeitskräften                      Verwaltungs- oder Benutzungsgebühren mit mo­­
im mittleren Management führen.                                        dernen digitalen Zahlverfahren zu begleichen. Der
                                                                       Gesetzgeber hat die entsprechenden gesetzlichen
                                                                       Grundlagen dafür schon vor einigen Jahren geschaf-
II.2 Bargeldlose Zahlung                                               fen (§ 4 E-Government-Gesetz 2013).

In den vergangenen Jahren hat bargeldlose Zahlung,
etwa durch Debit- oder Kreditkarten oder Lastschrif-                   II.3 Gesundheitssystem
ten, stark zugenommen. Dabei waren im Jahr 2019
europaweit Kartenzahlungen (mit fast 50 Prozent)                       Fortschritte in den Informations- und Kommuni-
am stärksten verbreitet, gefolgt von Überweisun-                       kationstechnologien (IKT) schaffen auch im Gesund-
gen und Lastschriften (jeweils knapp 25 Prozent).                      heitssystem enorme Innovationspotenziale. Die
Online-Bezahldienste wie etwa PayPal spielten                          Interaktion zwischen realen und virtuellen Gesund-
dagegen in den meisten EU-Ländern bisher kaum                          heitsdienstleistungen betrifft sämtliche Stufen der
eine Rolle (Europäische Zentralbank 2020).                             komplexen Wertschöpfungskette des Gesundheits-
                                                                       systems. Dreh- und Angelpunkt der aktuellen Re­­
In der Pandemie hat sich die Verbreitung und Nut-                      formdebatten ist dabei die institutionelle Ausge-
zung bargeldloser Zahlverfahren weiter beschleu-                       staltung der Daten-Kommunikationsprozesse und
nigt – befeuert durch die Furcht, dass das Virus über                  die damit einhergehende Reform der Telematik­
Banknoten und Münzen verbreitet werden könnte.                         infrastruktur im Gesundheitswesen.
Während sich diese Befürchtungen nicht bestätigt
I I . K R I S E N B E D I N G T E D I G I TA L I S I E R U N G   9

In jüngster Zeit sind verschiedene gesetzliche Rege-     Die Digitalisierung des Gesundheitswesens in
lungen mit dem Ziel getroffen worden, eine flächen-      Deutschland hatte bereits vor Ausbruch der Corona-
deckend verfügbare Kommunikationsinfrastruktur           Pandemie an Fahrt aufgenommen. Ein wichtiger
für den sicheren Austausch gesundheitsrelevanter         Grund ist die stark zunehmende Verwendung von
Daten zu schaffen. Ein wesentliches Ziel ist die seit    Apps in allen Lebensbereichen, die auch vor dem
dem GKV-Modernisierungsgesetz aus dem Jahre 2003         Gesundheitssektor nicht haltmacht. Da im Gesund-
angestrebte und dem E-Health-Gesetz von 2015             heitswesen außerordentlich sensible Daten anfallen,
beschlossene einrichtungsübergreifende elektroni-        spielen der Datenschutz und IT-Sicherheitsrisiken
sche Patientenakte. Die wichtigsten Gesundheits-         eine herausragende Rolle. Die Digitalisierung des
daten einer Person sollen so erfasst werden, dass        deutschen Gesundheitssystems hinkt der in ande-
diese über alle Gesundheitsversorgungs-Einrichtun-       ren europäischen Ländern hinterher. Vorreiterrollen
gen hinweg dokumentiert sind. Mit dem Termin-            hatten Estland, Dänemark, Finnland, Schweden
service- und Versorgungsgesetz aus dem Jahr 2019         und die Niederlande eingenommen, in vielen Fällen
werden schnellere Arzttermine, mehr Sprechstunden        eingebettet in die Reform der E-Governance der
und bessere Angebote für gesetzlich Versicherte an­­­­   jeweiligen Länder. Die Entwicklung wird durch
gestrebt. Die Krankenkassen sind verpflichtet, seit      EU-Förderprogramme zur Schaffung eines echten
dem 1. Januar 2021 ihren Versicherten eine elektro-      Binnenmarktes für Daten und die Förderung der
nische Patientenakte zur Verfügung zu stellen. Das       europäischen Datenrauminitiativen (insbesondere
im Oktober 2020 in Kraft getretene Gesetz zum            den Europäischen Datenraum für Gesundheitsdaten)
Schutz elektronischer Patientendaten in der Tele-        angetrieben. Eine nachhaltige Digitalisierung des
matikinfrastruktur enthält weitere Regelungen zur        Ge­­­sundheitssystems hängt außerdem von einer aus­
Ausgestaltung der elektronischen Patientenakte           reichend entwickelten Breitbandnetzinfrastruktur ab.
zur Stärkung der Versichertenrechte und weitere
Vorgaben zum Datenschutz und einer sicheren              Die Bereitschaft, digitale Lösungen im Gesundheits-
Digitalisierung im Gesundheitswesen. Mit dem ge­­        system einzusetzen, ist in der Pandemie bei Ärztin-
planten Gesetz zur digitalen Modernisierung von          nen und Ärzten und Patientinnen und Patienten
Versorgung und Pflege (DVPMG) werden digitale            gestiegen. Im Zuge der Pandemie hat die Bundes­
Helfer für die Pflege, die Telemedizin und die erfor-    regierung zudem Maßnahmen zur Digitalisierung
derliche Telematikinfrastruktur im Gesundheits-          der Gesundheitsämter in die Wege geleitet. So sol-
wesen weiter vorangetrieben. Mit dem im Dezem-           len die Meldungen von Corona-Erkrankungen an
ber 2019 in Kraft getretenen Gesetz für eine bessere     das Robert-Koch-Institut durchweg digital erfolgen
Versorgung durch Digitalisierung und Innovation          und die Nachverfolgung von Infektionsketten er­­
(Digitale-Versorgung-Gesetz, DVG) sollen die Vor-        leichtert werden. Allerdings gelang es nur teilweise,
teile einer Digitalisierung im Gesundheitswesen          diese Ziele zu erreichen. Bis zuletzt wurden Infek­
auf Basis eines sicheren Datennetzes im Gesund-          tionszahlen immer noch in großem Umfang per
heitswesen konsequent ausgeschöpft werden. Hierzu        Telefax an das Robert-Koch-Institut gemeldet.
zählen die Einführung des elektronischen Rezepts
(E-Rezepts) für verschreibungspflichtige Arzneimit-
tel, das Angebot von digitalen Gesundheitsanwen-
dungen (App auf Rezept), die einfache Nutzung von
Videosprechstunden, aber auch der Anschluss von
Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur.
10      I I . K R I S E N B E D I N G T E D I G I TA L I S I E R U N G

II.4 Allgemeinbildende Schulen                                                geschrumpft. Eine flächendeckende Nutzung digita-
                                                                              ler Unterrichtstechnologien hätte hier in erheblichem
Als Mitte März 2020 die allgemeinbildenden Schulen                            Umfang Abhilfe schaffen können.
in Deutschland pandemiebedingt geschlossen wur-
den, waren sie nicht auf einen digitalen Distanz­                             So hat die Corona-Krise zahlreiche Defizite bei der
unterricht vorbereitet. International vergleichende                           Digitalisierung im Bereich der allgemeinbildenden
Studien haben wiederholt belegt, dass Deutschland                             Schulen aufgezeigt. Es mangelt derzeit nicht nur an
bei der Digitalisierung der Schulen und der Nutzung                           einer geeigneten, sicheren und datenschutzkonfor-
digitaler Technologien im Unterricht weit hinter                              men digitalen Infrastruktur (schnelle Internetzu-
anderen Ländern herhinkt (z. B. Beblavý et al. 2019,                          gänge, Unterrichtsplattformen) und technischer Aus­
Fraillon et al. 2020). Nach mehreren Jahren politi-                           stattung, sondern auch an zielführenden Konzepten
scher Diskussion hatten Bundestag und Bundesrat                               zur Verzahnung von Präsenz- und Distanzlernen
zwar im Jahr 2019 die gesetzlichen Voraussetzungen                            und an einer Unterstützung der pädagogischen Lehr-
für den sogenannten DigitalPakt Schule geschaffen,                            kräfte beim professionellen Einsatz digitaler Medien
im Rahmen dessen der Bund die Digitalisierung                                 (Nationale Akademie der Wissenschaften Leopol-
allgemeinbildender und beruflicher Schulen mit                                dina 2020).
5 Milliarden Euro fördern will.4 Von diesen Mitteln
waren im Sommer 2020 aber nicht einmal ein halbes
Prozent abgerufen worden.5                                                    II.5 Hochschulen

Im Verlauf der Schulschließungen ist es nur in Aus-                           Deutsche Hochschulen standen zu Beginn der ersten
nahmefällen zu digitalen Anwendungen, die über                                Lockdown-Phase vor einem Dilemma. Aufgrund der
die Bereitstellung klassischer Arbeitsblätter über                            Distanzregeln war ein regulärer Veranstaltungsbe-
Online-Plattformen hinausgehen, gekommen. On­­                                trieb mit oft großen Vorlesungen und mit Präsenz-
line-Video-Unterricht wurde allenfalls sporadisch                             seminaren nicht möglich. Gleichzeitig hinkte die
genutzt. So hat eine im Juni 2020 durchgeführte                               Entwicklung von Online-Formaten zu diesem Zeit-
Befragung von über 1.000 Eltern von Schulkindern                              punkt der Entwicklung in anderen europäischen
ergeben, dass 57 Prozent der Schülerinnen und                                 Ländern weit hinterher (EFI 2019: B4). Auch die
Schüler in der Zeit der Corona-bedingten Schul-                               Digitalisierung der Verwaltung von Hochschulen
schließungen seltener als einmal pro Woche ge­­                               war im internationalen Vergleich abgeschlagen.
meinsamen Unterricht z. B. per Videoanruf hatten,                             Das Thema Digitalisierung hatte in der strategischen
lediglich 6 Prozent hatten täglichen Online-Unter-                            Planung der meisten Hochschulen eine unterge-
richt (Wößmann et al. 2020); noch seltener kam es                             ordnete Rolle. Zudem hatten die für die Hochschu-
zu individuellen Kontakten der Schülerinnen und                               len zuständigen Bundesländer erforderliche Mittel
Schüler mit ihren Lehrkräften. Insgesamt ist die von                          für den Aufbau digitaler Lehre und digitaler Ver-
den Schülerinnen und Schülern mit schulischen                                 waltungsprozesse nicht bereitgestellt. Auch die zum
Aktivitäten verbrachte Zeit während der Schul-                                Teil wenig professionellen Leitungsstrukturen von
schließungen auf weniger als die Hälfte                                       Hochschulen und der Mangel an Führungsleistungen

4    Zudem hat der Bund sein Engagement beim DigitalPakt Schule im Zuge der Corona-Pandemie um 1,5 Mrd. € für die IT-Administration, für Werkzeuge
     zur Erstellung von digitalen Inhalten sowie ausleihbare schulische mobile Endgeräte für Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte ausgeweitet.
5    Vgl. die Antwort des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf die schriftliche Frage von MdB Katja Suding vom 26. August 2020, abrufbar
     unter: http://docs.dpaq.de/16744-sf_8_227_suding.pdf
I I . K R I S E N B E D I N G T E D I G I TA L I S I E R U N G   11

sind als Hemmnisse für eine effektive Digitalisie-        Bereichen, in denen die Verwaltung bereits über
rung zu nennen (EFI 2019, Gilch et al. 2019).             digitale Angebote verfügt, weniger Personen diese
                                                          Angebote als in anderen Ländern (EFI 2016: B4-2,
Dennoch gelang es vielen Hochschulen, in einem            SVR 2020: Ziff. 551). Durch eine Überwindung sol-
gewaltigen Kraftakt noch vor Beginn des Sommer-           cher Rückstände könnten Bürgerinnen und Bürger,
semesters 2020 wichtige Pflichtveranstaltungen als        Unternehmen und Behörden viel Zeit und Geld
Digitalangebote zu implementieren. Das betraf vor         sparen. Zudem würden die Wettbewerbsfähigkeit
allem Veranstaltungen mit mehreren Hundert Teil-          Deutschlands gesteigert, strukturschwache Regio-
nehmerinnen und Teilnehmern, für die eine Auf-            nen gestärkt, die Transparenz von Verwaltungsab-
spaltung auf Kleingruppen unmöglich war. Auch             läufen erhöht und Elemente der Partizipation
im Bereich von Seminaren und Wahlveranstaltun-            durch die Bevölkerung gestärkt werden (EFI 2016:
gen wurden digitale Formate verstärkt eingesetzt.         B4-1). Auch könnten Daten, die im Rahmen digita-
Grundsätzlich positiv zu bewerten ist, dass es oft        ler Verwaltungsprozesse generiert und verarbeitet
gelang, Prüfungen in einem virtuellen Modus durch-        werden, als „Open Government Data“ die Grund-
zuführen. Die dabei entwickelten Ansätze stellen          lage für innovative Dienstleistungen und Ge­­schäfts­
jedoch sicherlich in vielen Fällen Notlösungen mit        modelle bilden (EFI 2016: B4-2). Die Möglichkeiten
erheblichen Nachteilen dar.                               eines modernen E-Government waren bereits seit
                                                          etwa 2005 wissenschaftlich aufgearbeitet worden.
Festzuhalten ist, dass viele Hochschulen aus der          Eine systematische Implementierung fand in
Corona-Krise mit gestärkten digitalen Fähigkeiten         Deutschland bis 2017 jedoch nur in Ausnahme­
und Profilen hervorgehen werden. Damit werden             fällen statt.
aber die strukturellen Probleme der Unterfinanzie-
rung und der mangelnden Professionalisierung              Um diesen Rückstand aufzuholen, trat 2017 das
noch nicht nachhaltig bewältigt sein. Im internati-       Onlinezugangsgesetz (OZG) in Kraft, demzufolge
onalen Vergleich zeigt sich, dass Digitalisierung auch    Bund, Länder und Kommunen ihre über 500 ver-
in anderen Ländern im Zuge der Pandemie verstärkt         schiedenen Verwaltungsleistungen bis spätestens
wurde. Es wird weiterer Maßnahmen bedürfen, um            Ende 2022 auch online anbieten müssen. Im Januar
die digitale Transformation der deutschen Hoch-           2021 hat der Deutsche Bundestag das Registermo-
schulen an internationale Standards heranzuführen.        dernisierungsgesetz verabschiedet, mit dem ver-
                                                          schiedene staatliche Register über eine einheitliche
                                                          Identifikationsnummer miteinander verknüpft
II.6 Öffentliche Verwaltung                               werden. Und die Bundesregierung hat in ihrer im
                                                          Januar 2021 veröffentlichten Datenstrategie ein
Im Vergleich zu seiner Wirtschaftskraft und seinem        Maßnahmenbündel vorgestellt, mit dem der digi-
Entwicklungsstand schneidet Deutschland in inter-         tale Datenaustausch zwischen Verwaltungsstellen
nationalen E-Government-Rankings seit Längerem            auf Ebene des Bundes, der Länder und der Kom-
weit unterdurchschnittlich ab (Bundesministerium          munen erleichtert, der Zugang zu öffentlichen
des Innern, für Bau und Heimat 2019: S. 5 f., EFI 2016:   Daten verbessert („Open Government Data“) und
B4). Im „Digital Economy and Society Index 2020“          die Datenkompetenz in Bundesbehörden erhöht
der EU-Kommission landet Deutschland aktuell              werden sollen (Bundesregierung 2021: 49 ff.). Die
beim E-Government innerhalb der EU auf dem                Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist eine
21. Platz (EU-Kommission 2020g). Auch nutzen in           Herkules-Aufgabe. Dabei geht es nicht nur um die
12    I I . K R I S E N B E D I N G T E D I G I TA L I S I E R U N G

Bereitstellung finanzieller Mittel, sondern auch                       haft in die Digitalisierung der eigenen Dienstleis-
darum, das Zuständigkeitswirrwarr im föderalen                         tungen einsteigen muss. Laut einer Umfrage des
System zu entflechten. Zwar kann föderaler Wett-                       Verbands Bitkom (Bitkom 2020) beobachten zwei
bewerb in der Verwaltung die Entwicklung inno­                         Drittel der Deutschen bei der öffentlichen Verwal-
vativer Lösungen ermöglichen und Lernprozesse                          tung einen Digitalisierungsschub. Zudem sind zu­­
unterstützen. Jedoch sollten durch entsprechende                       sätzliche Mittel im Umfang von etwa drei Milliar-
Standards in Bezug auf Datenkompatibilität, Porta-                     den Euro für die OZG-Umsetzung bereitgestellt
bilität und Schnittstellen Effizienzverluste vermie-                   worden. Außerdem ist eine Verständigung auf eine
den werden, die durch parallele Systementwick-                         vereinfachte Arbeitsteilung erfolgt. Das für das je­­
lungen in unterschiedlichen Ländern oder                               weilige Themenfeld zuständige Bundesministerium
Gemeinden entstehen können.                                            hat gemeinsam mit ein bis zwei Bundesländern
                                                                       und gegebenenfalls Kommunen die Führungsrolle
Im Zuge der Corona-Krise ist eine Beschleunigung                       für seine Themen und die Prototypenentwicklung
der Arbeiten eingetreten. Die Krisensituation hat                      übernommen. Andere Bundesländer sollen dann
eine psychologische Wirkung gehabt – allen Betei-                      auf diesem Arbeitsstand aufbauen können.
ligten ist klar, dass der Staat spätestens jetzt ernst-
13

III. Staatliches Handeln
14    I I I . S TA AT L I C H E S H A N D E L N

Der kurze Überblick im vorherigen Abschnitt hat         auch ein starkes Stadt-Land-Gefälle (DIW Wochen-
mehrere Bereiche identifiziert, in denen infolge        bericht 25, 2018; SVR 2020: 571 ff). Deutschland hat
der Pandemie Schwächen im Prozess der digitalen         eine Breitbandabdeckung von ungefähr 95 Prozent
Transformation in Deutschland offen zutage getre-       (86 Prozent) bei Geschwindigkeiten von über
ten sind. Nicht alle Formen von Organisations­          30 (100) Megabit pro Sekunde, aber nur eine Abde-
versagen oder Rückständen können vom Staat              ckung von 56 Prozent bei Geschwindigkeiten von
behoben werden. In einigen Feldern ist es jedoch        über 1.000 Megabit pro Sekunde (Bundesministe-
möglich, Defizite zu beheben und die positiven          rium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2020).
Aspekte des kriseninduzierten Digitalisierungs-         In städtischen Gemeinden betragen diese Zahlen
schubs auch für die Zeit nach der Krise zu bewah-       98 Prozent, 95 Prozent und 75 Prozent, in halbstäd-
ren. Damit kann dieser Digitalisierungsschub in         tischen Gemeinden 93 Prozent, 80 Prozent und
einen Produktivitätsgewinn für die deutsche Volks-      37 Prozent sowie in ländlichen Gemeinden 82 Pro-
wirtschaft umgewandelt werden. Der Beirat sieht         zent, 58 Prozent und 17 Prozent (Bundesministerium
vor allem vier Bereiche, in denen der Staat seine       für Verkehr und digitale Infrastruktur 2020). Die
Anstrengungen intensivieren sollte.                     Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung sieht
                                                        eine flächendeckende Versorgung der Haushalte
                                                        mit Gigabitgeschwindigkeiten im Festnetz bis 2025
III.1 Infrastruktur                                     vor (Monopolkommission 2019). Die Mobilfunk-
                                                        strategie der Bundesregierung strebt eine flächen-
Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, dass          deckende Versorgung mit mobilen Sprach- und
schnelle, hochwertige Breitbandanschlüsse für die       Datendiensten (LTE/4G) an, damit Telefonie und
digitale Transformation zentral sind. Sie ermöglichen   mobile Datennutzung allerorts möglich werden –
nicht nur eine effiziente Nutzung von Homeoffice,       in Haushalten, Unternehmen, an Straßen, Bahn-
sondern können auch neue Technologien – beispiels-      strecken und Wasserstraßen wie auch auf landwirt-
weise autonomes Fahren, KI-gestützte Produktions-       schaftlich genutzten Flächen (Bundesministerium
prozesse oder Telemedizin – ermöglichen. Digitales      für Verkehr und digitale Infrastruktur 2019). Der
Lernen in Schulen und Hochschulen kann nur auf          Ausbau der mobilen Infrastruktur wird den Mobil-
Grundlage einer ausreichenden Breitbandinfrastruk-      funknetzbetreibern im Rahmen der Frequenzauk-
tur erfolgen. Während beispielsweise die Teilnahme      tionen auferlegt und sieht vor, dass bis Ende 2022
an einer Unterrichtsstunde in der Schule oder einer     mindestens 98 Prozent der Haushalte mit mindes-
Lehrveranstaltung an der Universität zwar prinzi-       tens 100 Megabit pro Sekunde im Download zu
piell auch ohne Videoverbindung möglich ist und         versorgen sind (Monopolkommission 2019). Der
sich mit niedrigen Downloadgeschwindigkeiten            Ausbau der digitalen Infrastruktur (Festnetz sowie
umsetzen lässt, entspricht eine Teilnahme mit Video-    mobiles Netz) wird generell als zentraler Standort-
verbindung viel eher dem herkömmlichen Unter-           faktor angesehen (vgl. SVR 2020: 571 ff.; EFI 2020).
richt und kann das digitale Lernen von Studieren-       Zunehmend ist auch die Upload-Geschwindigkeit,
den sowie Schülerinnen und Schülern maßgeblich          so für Videokonferenzen und Anwendungen der
erleichtern.                                            Telemedizin, von Bedeutung. Diese ist jedoch gerade
                                                        bei den in Deutschland noch vorherrschenden
Die empirische Evidenz zum Breitbandausbau in           hybriden Technologien, die auf Telefon- oder
Deutschland zeigt neben einem Rückstand zu ande-        Kabelnetzwerken aufbauen, beschränkt.
ren OECD-Ländern bei höheren Geschwindigkeiten
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Staatliche Förderung von Investitionstätigkeiten lässt   Weiter ist zu bedenken, dass die Förderung des Aus-
sich dann begründen, wenn Unternehmen nicht              baus der digitalen Infrastruktur erst längerfristig
oder zu wenig investieren, obwohl der Nutzen für         Wirkung zeigen wird. Daher könnten ergänzend
die Gesellschaft die Kosten übersteigt. Ein weiterer     zur klassischen Ausbauförderung, wie von der Mono-
Grund, insbesondere für die Förderung von Inves-         polkommission (2019) vorgeschlagen, auch Gigabit-
titionen im ländlichen Bereich, kann das Herstellen      Gutscheine zum Einsatz kommen, die sowohl für
gleichwertiger Lebensverhältnisse sein. Gleichzeitig     den Abschluss eines Vertrages als auch für die Er­­
möchte man verhindern, dass private Investitionen        richtung eines Glasfaserhausanschlusses verwendet
durch staatliche Investitionen verdrängt werden.         werden können. Während das Ziel dieser Gutscheine
So ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur bisher     von der Monopolkommission in der Stärkung der
vor allem im urbanen Raum für Unternehmen pro-           Nachfrage nach gigabitfähigen Breitbandanschlüssen
fitabel gewesen, während der Ausbau der digitalen        und in der Verbesserung der Rentabilität von Aus-
Infrastruktur im ländlichen Raum weniger lukrativ        bauprojekten gesehen wird, wäre nun das Ziel, KMU
ist und daher nachhinkt (Beirat des Bundesminis-         sowie Haushalte mit schulpflichtigen Kindern beim
teriums für Wirtschaft und Energie 2020). Damit ist      Zugang zu hochwertigen Breitbandanschlüssen zu
zu erwarten, dass eher Unternehmen sowie Studie-         unterstützen.
rende, Schülerinnen und Schüler aus dem ländlichen
Raum bei der Umstellung auf Homeoffice und bei           Um etwaige Mitnahmeeffekte möglichst klein zu
der Teilhabe am digitalen Unterricht benachteiligt       halten, könnte die Vergabe auch an Einkommens-
(gewesen) sind.                                          grenzen gebunden werden. Insbesondere ein Gut-
                                                         schein für den Abschluss eines Vertrages könnte
Ein beschleunigter Ausbau der digitalen Infrastruk-      ein kurzfristig wirksames Instrument sein. Dieser
tur im ländlichen Raum stellt ein mögliches Instru-      könnte noch mit einer monatlichen Unterstützung
ment dar, um diese Defizite zu beheben. Die Um­­         für einkommensschwache Haushalte einhergehen,
setzung der Fördermaßnahmen sollte zielgerichtet         um vor allem diese Haushalte beim digitalen Ler-
erfolgen, und die öffentliche Förderung des Aus-         nen zu unterstützen und ein Auseinanderdriften
baus der digitalen Infrastruktur sollte den privat-      von Studierenden sowie Schülerinnen und Schü-
wirtschaftlichen Ausbau nicht verdrängen (Mono-          lern aus einkommensschwachen und einkom-
polkommission 2017). In mehreren Bundesländern           mensstarken Haushalten zu verhindern.
wie beispielsweise Bayern und Niedersachsen wur-
den bereits Staatshilfen in den Ausbau der digitalen
Infrastruktur im ländlichen Bereich gelenkt. Unter-      III.2 Datenstrategie und Datenschutz
suchungen über die Wirkungsweise dieser Staats-
hilfen zeigen, dass sich die Breitbandverfügbarkeit      Um die Potenziale der Digitalisierung ausschöpfen
und Anzahl der Anbieter von Internetdiensten in          zu können, muss die Politik eine Datenstrategie
den Fördergebieten erhöht hat und die Preise für         verfolgen, die die Produktivitätspotenziale der Digi-
Internetzugänge dort gesunken sind (Duso et al. 2020).   talisierung ausschöpft und gleichzeitig einen ange-
Davon profitieren sowohl Unternehmen als auch            messenen Datenschutz sicherstellt. Am 27. Januar
Haushalte. Positive Auswirkungen lassen sich ins-        2021 hat die Bundesregierung die Datenstrategie
besondere in ländlichen Regionen nachweisen              beschlossen (Bundesregierung 2021), die mit dem
(Briglauer et al. 2021).                                 Ziel einer vernetzten Dateninfrastruktur innerhalb
                                                         Europas eng verknüpft ist. Gleichzeitig will die
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Europäische Kommission einen Binnenmarkt für             beigemessen. Zu Beginn der Covid-19-Impfkampa-
den Datenverkehr innerhalb der EU stärken, in dem        gne konnten mehrere Bundesländer nicht alle impf-
Daten ohne institutionelle Barrieren branchenüber-       berechtigten Risikopatientinnen und Patienten
greifend genutzt werden können, wobei der Schutz         bezüglich eines Impftermins kontaktieren, weil sie
personenbezogener Daten und die IT-Sicherheit ge­­       deren Adressen aus den amtlichen Melderegistern
währleistet werden sollen (Europäische Kommission        nicht verwendeten. Einem absolut verstandenen
2020a, 2020b, 2020c). Mit einem „Data Governance         Recht an den eigenen Daten ist damit Genüge getan.
Act“, dessen Entwurf die Europäische Kommission          Aber Rechtspositionen sind selten absolut ausge-
im November 2020 präsentiert hat (Europäische            staltet. Sie unterliegen rechtlich garantierten Ab­­
Kommission 2020d), sollen die bereichsübergreifende      wägungsprozessen, soweit dies zur Wahrung anderer
Nutzung und das Teilen von Daten in der Europäi-         Interessen – beispielsweise einer effektiven Pande-
schen Union ermöglicht werden. Mit einem „Digital        miebekämpfung – notwendig ist. Eine Abwägung
Services Act“ und einem „Digital Markets Act“, deren     mit Rechtspositionen Dritter und Interessen der
Entwürfe die Europäische Kommission im Dezem-            Allgemeinheit kann auch Einschränkungen von
ber 2020 im Rahmen des „Digital Services Package“        Grundrechten legitimieren.
vorgelegt hat, sollen ein reibungsloses Funktionieren
des Binnenmarktes für Vermittlungsdienste sicher-        In einer Pandemie gibt es viele Beispiele für solche
gestellt, ein sicheres, vorhersehbares und vertrauens-   Grundrechtseinschränkungen: Staatlich verhängte
würdiges Online-Umfeld gewährleistet sowie auf           „Lockdowns“ führen zu Einschränkungen bei der
sehr großen Internet-Plattformen Transparenz und         Berufsausübung, Beherbergungsverbote beschränken
fairer Wettbewerb gesichert werden (Europäische          die Bewegungsfreiheit und verschärfte Versamm-
Kommission 2020e, 2020f). Auch die 10. GWB-Novelle,      lungsverbote beschränken das Grundrecht auf Ver-
die der Deutsche Bundestag am 14. Januar 2021 ver-       sammlungsfreiheit. Von diesem Mechanismus, wo­­
abschiedet hat, soll den Wettbewerb insbesondere         nach Grundrechte eingeschränkt werden können,
in digitalen Märkten schützen und gibt dem Bundes-       soweit dies zum Schutz von Grundrechtspositionen
kartellamt die Möglichkeit, die Erleichterung der        Dritter oder Interessen der Allgemeinheit notwen-
Portabilität von Daten in bestimmten Fällen anzu-        dig ist und bestimmte Schranken – insbesondere
ordnen. Dabei stellt das Datenschutzrecht gleich-        das Verhältnismäßigkeitsprinzip – gewahrt bleiben,
zeitig eine wichtige Grundlage der Datenstrategie        ist auch das Datenschutzrecht nicht ausgenommen.
wie auch eine wichtige Herausforderung dar. Der          Dass Menschen bereit sind, in Zeiten einer Pande-
Beirat möchte in diesem Zusammenhang auf zwei            mie Einschränkungen ihrer persönlichen Freihei-
Aspekte des Datenschutzes eingehen: ein absolutes        ten – inklusive des Datenschutzes – hinzunehmen,
Verständnis von Datenschutz und den Primat der           zeigt eine groß angelegte Studie mit über 370.000
Einwilligung im Datenschutzrecht.                        Teilnehmern aus 15 Ländern, darunter auch Deutsch-
                                                         land (Alsan et al. 2020: 41).
In der öffentlichen Diskussion wird der Datenschutz
mitunter als absoluter Wert wahrgenommen, der            Während der Datenschutz damit schwerlich als eine
unter keinen Umständen aufgeweicht werden dürfe.         unangreifbare Rechtsposition verstanden werden
So wurde bei der Ausgestaltung nationaler Corona-        kann, zeigt die tägliche Erfahrung im Internet, wie
Apps in Europa freiwilligen Entscheidungen der           nutzlos es ist, das Datenschutzrecht nach dem Primat
einzelnen Nutzerinnen und Nutzer in allen Stufen         der Einwilligung des Betroffenen auszugestalten.
der Kontaktnachverfolgung ein sehr hohes Gewicht         Das deutsche und europäische Datenschutzrecht
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folgt in vielen Bereichen dem Primat der Einwilli-       Entscheidungssystem mit Daten über Gesundheits-,
gung: Jeder soll eigenständig und freiwillig darüber     Berufs- und Unternehmensrisiken gefüttert wird
entscheiden können, ob, in welchem Umfang und            und auf dieser Grundlage vorschlägt, ob eine Versi-
zu welchem Zweck seine personenbezogenen Daten           cherung, eine Hypothek oder ein Darlehen gewährt
erhoben, verarbeitet und ausgewertet werden. Wäh-        werden soll oder nicht, dann hat die Verfügbarkeit
rend dies vor dem Hintergrund des verfassungs-           von Daten über individuelle Gesundheits-, Berufs-
rechtlich verbürgten Rechts auf informationelle          und Unternehmensrisiken Auswirkungen auf Dritte,
Selbstbestimmung grundsätzlich der richtige Aus-         nämlich die Antragsteller der Versicherung, Hypo-
gangspunkt ist, zeigt die Erfahrung, dass die kon-       thek oder des Darlehens. Ein Datenschutzregime
kreten Umsetzungen des Einwilligungsprinzips             kann solche negativen Externalitäten, die aus indi-
im Internet die Autonomie der Bürgerinnen und            viduellen Entscheidungen über die Preisgabe per-
Bürger nicht hinreichend wahren können: Inter-           sonenbezogener Daten resultieren, nicht ignorieren
net-Nutzende müssen eine so große Anzahl an Zu­­         (Benndorf et al. 2015; Fairfield/Engel 2015; Ben-Sha-
stimmungen zum Setzen von Cookies durch ihre             har 2019; Choi et al. 2019; Hill et al., 2020; Acemoglu
Internet-Browser abgeben, dass sie die Umstände          et al. im Erscheinen).
und Reichweite der einzelnen Zustimmungen schwer-
lich überblicken können. Datenschutz-Richtlinien         Die Ordnungspolitik sollte beim Datenschutz daher
werden wenig oder gar nicht gelesen (Bakos et al.        auch andere Regulierungsansätze in Erwägung zie-
2014). Dazu trägt auch ein Phänomen bei, das in der      hen, die den Primat der datenschutzrechtlichen
Forschung als „Privacy Paradox“ bezeichnet wird:         Einwilligung ergänzen können. Zu solchen Ansätzen
Vielen Menschen ist der Schutz ihrer Privatsphäre        können Datentreuhänder zählen, wie sie im Entwurf
abstrakt zwar sehr wichtig. In konkreten Entschei-       des schon erwähnten „Data Governance Act“ der
dungssituationen – zum Beispiel im Internet – geben      Europäischen Kommission und der Datenstrategie
Menschen dann aber viele private Informationen           der Bundesregierung enthalten sind (Bundesregie-
sehr leicht preis (im Überblick Acquisti/Brandimarte­/   rung 2021: 33 ff.). Intermediäre könnten Internet-
Loewenstein 2020, s. a. Acquisti/Grossklags 2005,        Nutzern helfen, indem sie die Transaktionskosten
Barth/de Jong 2017). Aufgrund dieser Verhaltens-         für das Verwalten ihrer personenbezogenen Daten
disposition vieler Menschen ist es schwierig, ein        in Internet-Anwendungen senken, vertraglich
Datenschutzrecht ausschließlich auf der Annahme          bestimmte Schutzniveaus anbieten und dafür ver-
eigenständiger und wohl informierter Entschei-           traglich haften, wenn sie ihr Schutzversprechen
dungen von Menschen aufzubauen.                          nicht einlösen. Insgesamt könnten sie damit das
                                                         Vertrauen in die gemeinsame Nutzung von Daten
Selbst wenn Menschen solche eigenständigen und           stärken. Der Gesetzgeber kann das Entstehen solcher
wohl informierten Entscheidungen über die Preis-         Intermediäre durch Regeln zu Datenmanagement-
gabe ihrer eigenen personenbezogenen Daten tref-         systemen und „Personal Information Management
fen könnten, wäre einem effektiven Datenschutz in        Services“ (PIMS) fördern. Auch können Internet-
Kommunikationsnetzwerken nicht Genüge getan.             Plattformen den Verbraucherinnen und Verbrau-
Zwei Beispiele mögen dies illustrieren. Greift der       chern Dienstleistungen in verschiedenen Versionen
Betreiber eines sozialen Netzwerks auf die Kontakt-      anbieten, die mehr oder weniger personenbezogene
daten eines Nutzers zu, erhält er dadurch nicht nur      Daten verarbeiten und deren Finanzierungsmodelle
Informationen über den Nutzer, sondern auch über         in unterschiedlicher Weise Werbe- und Teilnehmer-
dessen Kontaktpersonen. Wenn ein automatisiertes         finanzierung kombinieren. Weiterhin kann das
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