Rückblick auf krankenhauspolitische Strategien in der Coronapandemie

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Sabrina Krause, Jan Eilrich

Rückblick auf krankenhauspolitische
Strategien in der ­Coronapandemie
Die Coronapandemie hat das deutsche Gesundheitswesen vor große Herausforderungen gestellt, die im inter-
nationalen Vergleich bisher erfolgreich bewältigt werden konnten. Die Politik von Bund und Ländern hat stets
gemeinsam mit den Leistungserbringern kurzfristig und entschieden reagiert, um die Leistungsfähigkeit zu
­sichern, ausreichende Versorgungskapazitäten bereitzustellen und notwendige Schutz- und Präventionsmaß-
 nahmen umzusetzen. Vor dem Hintergrund des Regierungswechsels ergibt sich nach knapp zwei Jahren Coro-
 napandemie die Gelegenheit, ein erstes Zwischenfazit zur krankenhausspezifischen Coronapolitik der 19. Legisla­
 turperiode zu ziehen. Dieser Beitrag analysiert die jeweiligen Handlungsschwerpunkte und zeichnet den gesund­
 heitspolitischen Prozess vom Beginn der Corona Pandemie bis zum Regierungswechsel im Winter 2021 nach.

Coronapandemie als Herausforderung für die                        Das Kleeblatt-System
Versorgungsstrukturen                                             Trotz schneller und entschiedener politischer Reaktionen auf
Bereits zu Beginn der Pandemie wurde schnell deutlich, dass       die steigenden Infektionszahlen mit teils tiefgreifenden Maß­
ein erheblicher Teil der Infizierten einen erhöhten intensivme­   nahmen zeigte sich eine hochdynamische Pandemiesituation,
dizinischen Behandlungsbedarf mit vergleichsweise langen Be­      die lokal unterschiedlich ausfiel. In den Infektionswellen bil­
atmungszeiten haben wird. Der limitierende Faktor für die Auf­    deten sich verschiedene „Hotspots“ heraus. Insbesondere dort
rechterhaltung einer flächendeckenden und qualitativ hoch­        arbeiteten die Krankenhäuser am Limit, die örtlichen Behand­
wertigen Versorgung und damit das entscheidende Kriterium         lungskapazitäten wurden ausgereizt.
für die Überlastung des Gesundheitssystems würden demnach         Vor diesem Hintergrund wurde in Deutschland bereits in der
die verfügbaren Kapazitäten der Krankenhäuser sein. Dies galt     ersten Infektionswelle das Kleeblattsystem eingeführt. Um in
insbesondere für intensivmedizinische Behandlungskapazitä­ten.    Landkreisen mit hohen Infektionszahlen die Gesundheitsver­
                                                                  sorgung sicherzustellen und eine Überlastung der örtlichen
Datentransparenz                                                  Krankenhäuser zu verhindern, wurden Regionen definiert, in
Mit dem von Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Inten­     denen sich die Krankenhäuser gegenseitig unterstützen und Pa­
siv- und Notfallmedizin (DIVI), Robert-Koch-Institut (RKI) und    tienten im Rahmen gezielter Verlegungen aufnehmen. Dazu
der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) gemeinsam auf­        wurden die Bundesländer in folgende fünf Versorgungsre­gionen
gebauten IntensivRegister wurde erstmals eine Stelle geschaf­     unterteilt:
fen, die einen Überblick über die verfügbaren, belegten und       – Ost: Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und
kurzfristig aktivierbaren Intensivkapazitäten bietet. Kranken­       Berlin
häuser sind durch die entsprechende DIVI IntensivRegister-Ver­    – West: Nordrhein-Westfalen
ordnung seit April 2020 verpflichtet, sich dort zu registrieren   – Süd: Bayern
und täglich ihre intensivmedizinischen Kapazitäten zu aktuali­    – Südwest: Baden-Württemberg, Saarland, Rheinland-Pfalz
sieren. In der Folgezeit wurden die Meldepflichten schrittweise      und Hessen
ausdifferenziert und erweitert. So müssen die neonatologischen    – Nord: Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Hol­
und pädiatrischen Behandlungskapazitäten gesondert ausge­            stein und Mecklenburg-Vorpommern
wiesen werden, um eine differenziertere Übersicht über die ins­   Stellen die Krankenhäuser vor Ort eine akute Überlastung fest,
gesamt vorhandenen Beatmungskapazitäten zu erhalten. Mit          wird das Kleeblatt aktiviert. Die Fachgruppe Intensivmedizin,
der letzten Erweiterung der Meldepflicht hat der Gesetzgeber      Infektiologie und Notfallmedizin (COVRIIN) des RKI organi­
eine getrennte Angabe von Erwachsenen und Kindern mit einer       siert im Anschluss mit Vertretern von Bund und Ländern die
SARS-CoV-2-Infektion in intensivmedizinischer Behandlung          Verlegung der Patienten. Da nicht jeder Covid-19-Patient verleg­
eingeführt. Zudem müssen Krankenhäuser inzwischen auch            bar ist, wurden vorab entsprechende Kriterien definiert. Kann
die Zahl von Schwangeren in intensivmedizinischer Behand­         die Versorgung nicht mehr innerhalb eines Kleeblattes erfolgen,
lung aufführen und den Impfstatus von Patienten angeben.          können die Patienten auch in andere Kleeblätter verlegt wer­
Im Sommer 2021 hat das Bundesgesundheitsministerium               den. In der vierten Infektionswelle im Herbst/Winter 2021
(BMG) per Erlass den Betrieb des IntensivRegisters dem RKI        musste dieses System insbesondere in den Versorgungsregionen
übertragen und dieses somit verstetigt. Es kann damit auch        Süd und Ost in knapp 100 Fällen genutzt werden (Stand Mitte
pandemieunabhängig fortgeführt werden.                            Dezember 2021). Dabei hat sich das Kleeblattsystem bewährt:

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Eine regionale Überlastung der Gesundheitsversorgung konnte      Ausstattung reagiert. Für die Krankenhäuser waren insbesonde­
dadurch bislang verhindert werden.                               re die Aussetzung der Prüfung der Einhaltung bestimmter Min­
                                                                 destmerkmale aus dem Operationen- und Prozedurenschlüssel
Maßnahmen zur Bekämpfung des Pandemie­                           (OPS) für im Krankenhaus behandelte Covid-19-Patienten, die
geschehens                                                       Verschiebung der Einführung des Prüfquotensystems um ein
Neben diesen strukturellen und organisatorischen Maßnahmen       Jahr auf 2022 (siehe unten) sowie die Schaffung einer ver­
war es für die Krankenhäuser von besonderer Bedeutung, dass      pflichtenden Datenübermittlung zur Bewertung der wirtschaft­
dem Pandemiegeschehen mit wirksamen Maßnahmen entge­             lichen Lage der Krankenhäuser relevant.
gengetreten wird. Dafür haben sich im Verlauf der Pandemie       Weitere Schritte zur Zentralisierung von Kompetenzen auf der
verschiedene Strategien herausgebildet.                          Bundesebene erfolgten infolge des rapiden Anstiegs der Infekti­
                                                                 onszahlen im Herbst/Winter 2020. Vor allem für Reiserückkeh­
Epidemische Lage von nationaler Tragweite                        rer wurden verschärfte Regelungen geschaffen. Zudem wurde
Mit der Entwicklung weiterer Mutationen des SARS-CoV-2-Vi­       die Ermächtigung des BMG verstetigt und weiterentwickelt, in­
rus hat sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit weiter erhöht.      dem das BMG beauftragt wurde, die Rechtsgrundlage für den
Von Beginn der Pandemie an fanden in Politik und Öffentlich­     Anspruch auf Covid-19-Schutzimpfungen sowie für Corona-Te­
keit kontroverse Diskussionen über die Reaktionszeit und die     stungen im Rahmen von Verordnungen zu schaffen (siehe un­
Dauer von politischen Entscheidungsprozessen statt. Maßnah­      ten).
men zur Bekämpfung der Pandemie mussten zunächst zwi­            Von besonderer Bedeutung war dabei die Etablierung eines
schen Bund und Ländern abgestimmt werden. Nicht selten           neuen § 28a im Infektionsschutzgesetz. Darin definierte der Ge­
legten die Bundesländer die gemeinsamen Beschlüsse unter­        setzgeber umfangreiche Maßnahmen, die die Länder zum
schiedlich aus, sodass keine einheitlichen Pandemieregeln in     Schutz der Bevölkerung vor der Corona-Pandemie ergreifen
Deutschland galten. Diese Entwicklungen wurden in der Öf­        konnten. Diese Maßnahmen sollten regional, orientiert am In­
fentlichkeit mit Sorge betrachtet, da sie die Angemessenheit     fektionsgeschehen vor Ort, ergriffen werden. Als Kriterium zur
und Wirkung der Maßnahmen unterwanderten.                        Einführung der Maßnahmen dienten Inzidenzschwellenwerte
Bereits zu Beginn der Pandemie wurden im März 2020 deshalb       von 35 bzw. 50 Fällen pro 100 000 Einwohner, um die Nachver­
Stimmen laut, die eine Zentralisierung und Vereinheitlichung     folgung der Fälle zu gewährleisten und eine Überlastung der
der Pandemiereaktionen auf Bundesebene forderten. Dazu           Gesundheitseinrichtungen zu verhindern. Um ein Gesamtbild
sollte der Bund weitreichende, zusätzliche Befugnisse zur Be­    der Infektionslage erhalten zu können, wurde darüber hinaus
kämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie erhalten. Diese wurden          die namentliche Meldung der Laboruntersuchungsergebnisse
schließlich durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei      von SARS-CoV-2-Tests verpflichtend eingeführt. Zudem muss­
einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, mit dem        ten die Labore ihre Nachweise fortan über das Deutsche Elek­
insbesondere das Infektionsschutzgesetz geändert wurde, um­      tronische Melde- und Informationssystem für den Infektions­
gesetzt. Unter der Voraussetzung, dass der Deutsche Bundestag    schutz (DEMIS) melden. RKI und gematik sollten hierfür die
eine Gefahr für die deutsche Bevölkerung aufgrund einer epide­   technischen Voraussetzungen schaffen.
mischen Lage, die zuvor auch die WHO festgestellt hat, er­       Da im Frühjahr 2021 die dritte Infektionswelle spürbar an Fahrt
kennt, wurden zentrale Entscheidungen auf der Bundesebene        aufnahm und sich die bislang ergriffenen Maßnahmen als nicht
zusammengeführt. So wurde das BMG ermächtigt, ohne Zu­           nachhaltig erfolgreich erwiesen hatten, schärfte der Gesetzge­
stimmung des Bundesrates bundesweite Anordnungen mit             ber diese Regeln nochmal nach. Im April 2021 wurden weitere
Maßnahmen zur Grundversorgung mit Arzneimitteln, Medi­           Einschränkungen in das Gesetz aufgenommen, die anhand von
zinprodukten, Hilfsmitteln, Gegenständen der persönlichen        Inzidenzschwellenwerten bundeseinheitlich zu ergreifen waren
Schutz­ausrüstung und Produkten zur Desinfektion sowie zur       (die sogenannte Bundesnotbremse). Ab einem Inzidenzwert
Stärkung der personellen Ressourcen im Gesundheitswesen zu       von 200 waren beispielsweise Schulschließungen vorzuneh­
erlassen. Zudem wurde die Rolle des RKI gestärkt. Dieses koor­   men.
dinierte als zentrale Bundesbehörde die Zusammenarbeit von       Nach der Bundestagswahl im September 2021 und infolge des
Bund, Ländern und sonstigen beteiligten Stellen bei der Pande­   sich abzeichnenden Regierungswechsels verabredeten die
miebekämpfung.                                                   künftigen Koalitionsparteien von SPD, Bündnis 90/Die Grünen
Die im März 2020 geschaffenen Maßnahmen passte der Gesetz­       und FDP die Beendigung der epidemischen Lage. Anstelle der
geber nachfolgend an und zog dabei auch Lehren aus bishe­        weitreichenden Befugnisse des Bundes, und hier insbesondere
rigen Erfahrungen, jedoch ohne zunächst die Befugnisse des       der Exekutive, sollten die Parlamente wieder gestärkt und die
Bundes auszuweiten. Bereits im Mai 2020 beschlossen Bundes­      Verantwortung für die Bekämpfung des Pandemiegeschehens
tag und Bundesrat die erste Novelle des Gesetzes zum Schutz      auf die Landesebene verlagert werden. Im Infektionsschutzge­
der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler       setz wurde der Katalog angepasst, der die Maßnahmen zur Be­
Tragweite. Mit einer Stärkung des Öffentlichen Gesundheits­      kämpfung des Pandemiegeschehens, die von den Ländern er­
dienstes wurde auf dessen offen zutage getretene mangelhafte     griffen werden konnten, enthielt. Es folgten hitzige Debatten

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und kontroverse Diskussionen, ob diese Maßnahmen ausrei­            eines Impfstoffs und die umfangreiche Immunisierung der Be­
chen, um die lokal explodierten Infektionszahlen in den Griff       völkerung sein würde. Mit einzigartiger Geschwindigkeit wur­
zu bekommen. Die Ampelkoalitionsparteien schärften deshalb          den verschiedene Impfstoffe entwickelt. Diese setzten teilweise
nochmal nach und gaben den Ländern damit weitreichende              auf der bis dato neuen mRNA-Technologie auf. Positiv haben
Möglichkeiten zur Eindämmung der Pandemie. Im Dezember              sich nicht nur umfangreiche Förderprogramme auf die Impf­
2021 zeigte sich dabei auch eine erste Tendenz zum Rückgang         stoffentwicklung ausgewirkt, auch die Etablierung beschleu­
der Infektionszahlen, die für die überlasteten Krankenhäuser in     nigter Zulassungsverfahren hat dazu beigetragen, dass bereits
den Hochinzidenzgebieten dringend notwendig war.                    im Dezember 2020 – und damit nur rund ein Jahr nach dem
                                                                    ersten bekannten SARS-CoV-2-Fall – Impfstoffe zur Verfügung
Testen                                                              standen.
Ganz besonders problematisch für die Ausbreitung von SARS-          Da jedoch Produktionskapazitäten erst noch aufgebaut und die
CoV-2 ist die lange Inkubationszeit. Infizierte sind bereits drei   Nachfrage an den Impfstoffen hoch war, standen die Impfstoffe
bis fünf Tage ansteckend, obwohl sie noch keine Symptome            zunächst nur begrenzt zur Verfügung. Deshalb musste eine Pri­
verspüren und tragen damit unwissentlich zur Verbreitung des        orisierung vorgenommen werden, welche Personengruppen be­
Virus bei. Zur klaren Feststellung der Infektion und Verhinde­      vorzugt geimpft werden konnten. Die Grundlage hierfür bil­
rung der weiteren Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2            deten die Empfehlungen von Experten der Ständigen Impfkom­
haben deshalb im Laufe der Pandemie Corona-Tests einen enor­        mission, des Deutschen Ethikrates und der Nationalen Akade­
men Bedeutungszuwachs erfahren. Standen zu Beginn ledig­            mie der Wissenschaften Leopoldina. In den Empfehlungen, die
lich kostenintensive PCR-Tests zur Verfügung, die im Labor          in der Coronavirus-Impfverordnung rechtssicher geregelt wur­
analysiert werden mussten und daher Kapazitätsbeschrän­             den, wurde auch das Gesundheitspersonal in den Krankenhäu­
kungen unterlagen, waren ab der zweiten Jahreshälfte 2020           sern priorisiert. Die Krankenhäuser haben dabei die Immuni­
Corona-Schnell- bzw. Selbsttests verbreitet verfügbar. Damit        sierung ihrer Beschäftigten selbst durchgeführt.
war eine flächendeckende, frühzeitige Erkennung Infizierter         Mit steigendem Impfstoffangebot wurde der Zugang zu den
möglich.                                                            Impfstoffen schrittweise ausgeweitet, sodass im Sommer 2021
Um den flächendeckenden Zugang zu Testungen zu regeln und           der gesamten Bevölkerung ein Impfangebot unterbreitet wer­
zu systematisieren, hat der Verordnungsgeber die Coronavirus-       den konnte. Aufgrund der steigenden Infektionszahlen in der
Testverordnung verfasst und regelmäßig an die Infektionslage        vierten Welle, sich neu entwickelnden Virusmutationen sowie
und wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst. Darin wird ge­       aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass der Impf­
regelt, unter welchen Umständen ein Anspruch auf PCR- oder          schutz im Zeitverlauf nachlässt, wurden Booster-Impfungen
Corona-Schnelltests besteht. Neben den neu eingeführten, kos­       notwendig. Da zwischenzeitlich die Impfstellen (beispielsweise
tenlosen Bürgertestungen, um flächendeckend frühzeitig Infi­        die eigens geschaffenen Impfzentren) angesichts sinkender
zierte zu erkennen und somit eine Ausbreitung des Coronavirus       Impfnachfrage schrittweise abgebaut wurden, mussten wiede­
zu verhindern, sollen klare Regelungen für Gesundheits- und         rum Impfmöglichkeiten geschaffen werden, um rasch eine
Pflegeeinrichtungen helfen, besonders vulnerable Gruppen zu         möglichst große Zahl an Boosterimpfungen verabreichen zu
schützen. Dazu wurden auch für die Krankenhäuser der An­            können. Auch die Krankenhäuser leisten hierzu ihren Beitrag.
spruch und der Umfang von Corona-Testungen geregelt. Im
Rahmen einrichtungsbezogener Testkonzepte erhalten Kran­            Wirtschaftliche Absicherung und Patienten­
kenhäuser ein Kontingent Coronavirus-Tests für die regelmäßi­       versorgung
ge Testung von Mitarbeitern und Besuchern. Die Sachkosten           Die Coronapandemie stellt die deutschen Krankenhäuser trotz
werden vollständig refinanziert. Die Testung der stationären        dieser umfangreichen politischen Maßnahmen bis heute vor
Patienten erfolgt im Rahmen der Krankenhausbehandlung und           große organisatorische und personelle Herausforderungen. Ins­
kann über ein Zusatzentgelt abgerechnet werden.                     besondere die zusätzlichen Covid-19-Patienten, der erhöhte
Die genauen Regelungen bezüglich des Testumfangs wurden             Isolations- und Präventionsbedarf und die durch Quarantäne­
schrittweise verschärft und an die Infektionslage sowie den         anordnungen und Erkrankungen zusätzlich ausgedünnte Per­
Fortschritt der Impfungen angepasst. Seit Dezember 2021 gelten      sonaldecke waren und sind nur ein Teil der zu bewältigenden
umfangreiche Zutrittsbeschränkungen für Krankenhäuser. Der          Aufgaben im Klinikalltag. Daher wurden direkt zu Beginn der
Zutritt kann nur negativ Getesteten gewährt werden. Lediglich       Pandemie in einer Gipfelrunde im Kanzleramt auch für die
für vollständig geimpfte Krankenhausmitarbeiter sowie exter­        Krankenhäuser weitreichende Beschlüsse gefasst. Soweit medi­
nes medizinisches Personal ist ein reduzierter Testumfang vor­      zinisch vertretbar, sollten die Krankenhäuser ab März 2020 die
gesehen.                                                            Regelversorgung zurückfahren, um ausreichende Kapazitäten
                                                                    für die Versorgung von schwer erkrankten Covid-19-Patienten
Impfen                                                              und aller weiterer akut behandlungsbedürftigen Patienten si­
Schon frühzeitig haben viele Experten darauf hingewiesen,           cherstellen zu können. Entsprechende Landesverordnungen
dass der einzige Ausweg aus der Pandemie die Entwicklung            folgten zeitnah. Die Sicherstellung der medizinischen Versor­

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gung und ausreichender Versorgungskapazitäten stand und              passungen gingen auf die Empfehlungen des Expertenbeirates
steht zu jedem Zeitpunkt an erster Stelle. Dennoch stellte die       (siehe unten) zurück.
Forderung, die Regelversorgung zurückzufahren, in einem fall­
pauschalenbasierten Vergütungssystem (also in Abhängigkeit           Weiterentwicklung der Ausgleichszahlungen
von der Patientenanzahl) eine erhebliche wirtschaftliche Unsi­       In einer ersten Verordnung wurde die Freihaltepauschale ab
cherheit für die Krankenhäuser dar. Hinzu kamen der massive          dem 13. Juli 2020 für die somatischen Häuser in Abhängigkeit
Materialmangel bei den dringend benötigten Schutzausrüstun­          des nach Maßgabe des verweildaueradjustierten CaseMix-In­
gen und die organisatorischen Herausforderungen der zahl­            dexes (CMI) in fünf Stufen von 360 € bis hin zu 760 € ausdiffe­
reichen Schutzmaßnahmen zur Infektionsprävention (Quaran­            renziert. Psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen
täne, Isolation etc.). Schnell sicherte die Politik zu, dass ein     erhielten eine differenzierte Pauschale in Abhängigkeit vom
notwendiger Schutzschirm gespannt wird und entstehende               teilstationären Leistungsangebot. Im Zeitraum vom 1. Oktober
wirtschaftliche Folgen ausgeglichen werden, sodass kein Kran­        2020 bis zum 17. November 2020 wurden die Ausgleichszah­
kenhaus ins Defizit kommt. Mit diesem Versprechen im Rücken          lungen vollständig ausgesetzt und erst in späteren Verord­
konnten sich die Krankenhäuser voll auf die Patientenversor­         nungen wiedereingesetzt und an zahlreiche Rahmenbedin­
gung konzentrieren.                                                  gungen gekoppelt. Maßgeblich zum Erhalt einer Ausgleichzah­
Erste Maßnahmen zur Unterstützung der Krankenhäuser be­              lung waren dann die Inzidenz im Landkreis, der Anteil frei be­
schloss die Bundesregierung mit dem Covid-19-Krankenhaus­            treibbarer Intensivbetten sowie ein Zuschlag gemäß G-BA-
entlastungsgesetz. Um die freien Bettenkapazitäten zu erhö­          Notfallstufenkonzept. Zusätzlich wurden explizit die Kranken­
hen und gleichzeitig die Zahlungsfähigkeit der Krankenhäuser         häuser einbezogen, die aufgrund ihrer Spezialisierung auf Lun­
sicherzustellen, erhielten die zugelassenen Krankenhäuser, die       gen- oder Herzerkrankungen eine besondere Erfahrung in der
planbare Aufnahmen, Operationen und Eingriffe verschoben             intensivmedizinischen Behandlung und mit langzeitbeatmeten
oder aussetzten, eine Ausgleichszahlung von 560 € pro Tag            Patienten aufweisen. Insbesondere durch die Verknüpfung mit
(die sogenannte Freihaltepauschale). Sie galt zunächst ab dem        den Notfallzuschlägen fanden die psychiatrischen und psycho­
16. März 2020. Als weitere Maßnahme zur Liquiditätssiche­            somatischen Einrichtungen keine Berücksichtigung mehr. Die
rung wurde die Zahlungsfrist für alle bis zum 31. Dezember           Ausgleichszahlungen liefen für sie zum 15. Juni 2021 aus.
2020 erbrachten und in Rechnung gestellten Leistungen der            Die Ampelkoalitionäre setzten die Ausgleichszahlungen für
Krankenhäuer gegenüber den Krankenkassen auf fünf Tage               nach dem Krankenhausentgeltgesetz abrechnende Kranken­
verkürzt sowie der vorläufige Pflegeentgeltwert von 146,55 €         häuser mit Wirkung ab dem 15. November 2021 wieder ein –
auf 185 € erhöht. Zusätzlich galt dieser als ein Mindest-Pflege­     diesmal losgelöst von Inzidenzen und Intensivbettenkapazi­
entgeltwert, Überzahlungen in 2020 wurden nicht ausgeg­              täten. Anspruchskriterium sind ein Patientenrückgang im Ver­
lichen. Zur Steigerung der Intensivbettenkapazitäten erhielten       gleich zum Vorpandemiejahr 2019 sowie ein Zuschlag gemäß
die Krankenhäuser, die mit Genehmigung der für die Kranken­          G-BA Notfallstufenkonzept (bzw. die Erfüllung der entspre­
hausplanung zuständigen Landesbehörde bis zum 30. Septem­            chenden Anforderungen). Die Ausgleichszahlungen waren ur­
ber 2020 zusätzliche intensivmedizinische Behandlungsein­            sprünglich bis zum 31. Dezember 2021 begrenzt. In Anbetracht
heiten mit maschineller Beatmungsmöglichkeit schafften,              des Infektionsgeschehens wurden diese aber im Rahmen einer
­einen Betrag in Höhe von 50 000 € für jedes zusätzlich aufge­       Verordnung noch vor dem Jahreswechsel bis zum 19. März
 stellte oder vorgehaltene Bett. Zur Refinanzierung der              2022 verlängert.
 Mehrkosten, zum Beispiel für persönliche Schutzausrüstungen,
 Isolierungsmaßnahmen und Sicherheitskontrollen, konnten             Corona-Mehrkostenzuschlag
 die Krankenhäuser vom 1. April 2020 zunächst bis zum                Auch der Corona-Mehrkostenzuschlag wurde im Laufe der Pan­
 30. Juni 2020 für jeden voll- oder teilstationären Patienten        demie mehrfach angepasst. Zunächst wurde der bis Juni 2020
 ­einen Zuschlag in Höhe von 50 € abrechnen. Die Freihaltepau­       befristete Covid-Mehrkostenzuschlag bis Ende September 2020
  schale, der Investitionszuschuss für zusätzliche Intensivbetten    verlängert und weiter ausdifferenziert. Bei nachgewiesener
  und die Corona-Mehrkostenpauschale galten gleichermaßen            SARS-CoV-2-Infektion konnte ein höherer Zuschlag abgerech­
  für die Psychiatrie und Psychosomatik. Zusätzlich wurde der        net werden. Zur sachgerechteren Refinanzierung der Corona-
  Fixkostendegressionsabschlag für das Jahr 2020 für sämtliche       bedingten Mehrkosten sah der Gesetzgeber ab September 2020
  Leistungen eines Krankenhauses ausgesetzt.                         zudem einen krankenhausindividuellen Zuschlag vor. Vor dem
  Mit diesen Maßnahmen sollte den Krankenhäusern schnell,            Hintergrund der aufwendigen Kalkulation und der kleinteiligen
  umfassend und unkompliziert geholfen werden. Der damalige          Verhandlungen dazu vor Ort haben sich die Selbstverwaltungs­
  Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat das unter dem vom         partner darauf verständigt, die bis dato geltenden Zuschläge als
  früheren EZB-Chef Mario Draghi geprägten Zitat „Whatever it        Abschlagszahlungen bis Ende 2020 zur Liquiditätssicherung
  takes“ zusammengefasst. Im Laufe der Pandemie wurden diese         weiterlaufen zu lassen. Aufgrund der sich normalisierenden Be­
  Maßnahmen mehrfach auf Wirksamkeit, Anreize und Ziel­              schaffungspreise senkten die Vertragsparteien die Abschlags­
  genauigkeit geprüft und vielfach nachjustiert. Einige dieser An­   zahlungen für 2021 stufenweise ab. Die Vertragsparteien vor Ort

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haben weiterhin die Möglichkeit, die vereinbarten Abschläge                         rechnung der Ausgleichszahlungen. Der Ganzjahresausgleich
als Pauschalabgeltung anzuerkennen. Damit entfallen die auf­                        ist verpflichtend, wenn ein Krankenhaus Ausgleichszahlungen
wendige Kalkulation und Verhandlung sowie der Nachweis                              erhalten hat oder auf Verlangen einer Vertragspartei durchzu­
über die tatsächlich entstandenen Mehrkosten. Der Corona-                           führen. Zusätzlich gab es die Möglichkeit, bereits unterjährig
Mehrkostenzuschlag ist Ende 2021 ausgelaufen.                                       Abschlagszahlungen festzulegen, um die laufenden Kosten der
                                                                                    Krankenhäuser zu decken. Der Ganzjahresausgleich findet für
Verkürztes Zahlungsziel                                                             die Krankenhäuser im KHEntgG- und im BPflV-Bereich Anwen­
Das auf fünf Tage verkürzte Zahlungsziel für alle erbrachten                        dung.
und in Rechnung gestellten Leistungen der Krankenhäuer ge­                          Bereits vor dem Jahreswechsel 2022 brachte die Ampelkoalitio­
genüber den Krankenkassen wurde im Rahmen von Gesetzen                              näre gesetzlich auch für das Jahr 2022 einen Ganzjahreser­
und Verordnungen bis Ende Juni 2022 verlängert.                                     lösausgleich für die Krankenhäuser auf den Weg. Im Rahmen
                                                                                    einer zweiten Verordnung zur wirtschaftlichen Absicherung der
Ganzjahreserlösausgleich                                                            Krankenhäuser wurde der Ganzjahreserlösausgleich 2021 wirk­
Die Bundesregierung hat direkt zu Beginn der Coronapandemie                         gleich auf das Jahr 2022 übertragen. Dieser frühe Zeitpunkt be­
die ganzheitliche wirtschaftliche Absicherung der Krankenhäu­                       deutet für die Krankenhäuser eine wertvolle Planungssicher­
ser zugesichert. Neben den zahlreichen Maßnahmen zur Liqui­                         heit.
ditätssicherung und Refinanzierung der entstandenen Mehr­
kosten bedurfte es einer ganzheitlichen Budgetabsicherung.                  Sonstige Maßnahmen
Die Bundesregierung setzte diese im Gesetzgebungsverfahren                  Neben den größeren Maßnahmen zur wirtschaftlichen Absi­
zum Krankenhauszukunftsgesetz über einen Ganzjahresaus­                     cherung der Krankenhäuser in Pandemiezeiten hat der Gesetz­
gleich Corona-bedingter Erlösrückgänge für 2020 um. Die                     geber zahlreiche kleinere Regelungen angepasst. So wurde die
Selbstverwaltungspartner sollten das Nähere, zum Beispiel die               Kappungsgrenze für die Zuschlagshöhe von 15 % auf 30 %
Höhe des Ausgleichssatzes, Einzelheiten für die Ermittlung der              angehoben und als Vergleichsgröße für den Fixkostendegressi­
Erlöse, Kriterien, anhand deren der aufgrund des Coronavirus                onsabschlag in den Jahren 2022 ff. wird das Vorpandemiejahr
entstandene Erlösrückgang ermittelt werden kann, sowie not­                 2019 definiert.
wendige Nachweise im Rahmen einer Vereinbarung festlegen.                   Die Ampelkoalitionäre führten zur Unterstützung der Covid-
Trotz der sehr knappen zweimonatigen Frist für die Corona-                  19-Patienten behandelnden Krankenhäuser einen befristeten
Ausgleichsvereinbarung 2020 konnten die Selbstverwaltungs­                  Versorgungsaufschlag je Covid-Patient ein. Dieser berechnet
partner Mitte Dezember 2020 einen Kompromiss erzielen. Das                  sich durch Multiplikation der durchschnittlichen Verweildauer
Budgetjahr 2020 war damit weitgehend abgesichert, sodass                    eines Covid-Patienten (13,9 Tage) mit der tagesbezogen Pau­
kein Krankenhaus aufgrund Corona-bedingter Erlösausfälle in                 schale gemäß Covid-Ausgleichszahlungsanpassungsverord­
Existenznöte geraten sollte. Um den wirtschaftlichen Sorgen                 nung und dem Faktor 0,9. Nachdem in einem späteren Gesetz­
der Krankenhäuser für das laufende Jahr 2021 bereits frühzeitig             gebungsverfahren die Anrechnung im Ganzjahreserlösaus­
zu begegnen und die vollständige Konzentration auf die medi­                gleich spürbar angepasst wurde, stellt dies neben dem wich­
zinische Versorgung weiter zu gewährleisten, hat die Bundesre­              tigen liquiditätssichernden Effekt auch eine dringend benötigte
gierung bereits im April 2021 den Ganzjahresausgleich für das               finanzielle Unterstützung dar.                                                        u
Jahr 2021 festgelegt und im Rahmen
einer Verordnung zur wirtschaftlichen
­
                                               Entwicklung der Fallzahlen im Krankenhaus
Absicherung der Krankenhäuser umge­
setzt, die neben dem Ganzjahresaus­                                                Fallzahl DRG im Vergleich zu 2019
gleich für 2021 (unter Bezugnahme auf          2 000 000

das Vorpandemiejahr 2019) auch die be­          1 800 000

                                                1 600 000
reits dargestellten Ausgleichszahlungen
                                                1 400 000
nochmals anpasste. Die Umsetzung die­
                                                 1 200 000
ser Maßnahmen über eine Verordnung              1 000 000
war möglich, da der Bundesregierung                800 000

im Rahmen des Dritten Gesetzes zum                 600 000

Schutz der Bevölkerung bei einer epide­            400 000

                                                   200 000
mischen Lage weitereichende Verord­
                                                         –
nungsermächtigungen eingeräumt wur­                        Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sep.
                                                            20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 21                          21   21   21   21  21   21   21   21
den. Diesmal hat die Bundesregierung
jedoch mehr Rahmenbedingungen vor­                                            Patientenentlassung 2019       Patientenentlassungen 2020/2021

geschrieben, wie etwa die Höhe des             Quelle: DKG
Ausgleichssatzes oder die anteilige An­

                     | Sonderheft 2022                                                                                                                          15
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 Ausgleichszahlungen 16. März bis 30. September 2020               8 907,08 Mio. €
                                                                                      für die Jahre 2020 und 2021 gestrichen. Während der Zeiten mit
                                                                                      hohen Inzidenzzahlen hat es zudem Ausnahmen von der Ab­
 Ausgleichszahlungen 18. November 2020 bis
                                                                   5 529,45 Mio. €    rechnungsprüfung und Ausnahmen von der Prüfung bestimm­
 15. Juni 2021
                                                                                      ter Strukturvorgaben für Covid-19-Patienten oder Verdachtsfäl­
 Zusätzliche Intensivbetten 16. März 2020 bis
                                                                     685,75 Mio. €    le gegeben. Zusätzlich wurde der Beginn des neuen, umfang­
 30. September 2020
 Gesamt                                                            15 229,16 Mio. €   reichen Prüfverfahrens von Strukturmerkmalen um ein Jahr auf
 Quelle: Bundesamt für soziale Sicherung (Stand: 5. Januar 2022)
                                                                                      2021 verschoben. Trotz des auch im Jahr 2021 sich nicht beru­
                                                                                      higenden Pandemiegeschehens hat die Bundesregierung von
                                                                                      einer weiteren Verschiebung abgesehen. Lediglich die Frist zur
Unterstützung und bürokratische Entlastung                                            Einreichung der Unterlagen wurde im gegenseitigen Einver­
des Krankenhauspersonals                                                              ständnis von Krankenhäusern und Medizinischem Dienst ver­
Die Dokumentations- und Nachweispflichten binden im Kran­                             längert, da das BMG vergleichsweise lange für die Prüfung der
kenhaus erhebliche personelle Ressourcen. In Zeiten der Coro­                         entsprechenden Richtlinie benötigte und dadurch die Frist zur
napandemie, wo die Krankenhäuser große organisatorische                               Einreichung der Unterlagen der Krankenhäuser beim Medizi­
Anstrengungen unternehmen müssen, um die Patientenversor­                             nischen Dienst äußerst knapp bemessen war.
gung flächendeckend sicherstellen zu können, ist eine Entlas­
tung der pflegenden und versorgenden Mitarbeiter von großer                           Pandemiebedingte Sonderregelungen des G-BA
Bedeutung. Auch wurde das Personal dort eingesetzt, wo es im                          Auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat zahlreiche
Einzelfall zur Versorgung dringend gebraucht wurde. Die Ein­                          pandemiebedingte Sonderregelungen erlassen, Ausnahmen bei
haltung von Personalmindestvorgaben auf zahlreichen nicht-                            der Qualitätssicherung festgelegt und Dokumentationsvorga­
Covid-Stationen konnte in Zeiten der Pandemie die Kranken­                            ben zur Qualitätssicherung reduziert. Unter anderem wurde der
häuser vor große Probleme stellen.                                                    Verordnungszeitraum der Krankenhäuser von 7 auf 14 Tage
                                                                                      verlängert und die Krankenhäuser konnten von der Mindest­
Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen                                             ausstattung an Pflegefachkräften bei bestimmten komplexen
Vor diesem Hintergrund reagierte auch hier die Bundesregie­                           Behandlungen abweichen. Ziele der Maßnahmen waren die
rung schnell und setzte alle Pflegepersonaluntergrenzen im                            Entlastung der Krankenhäuser (und Arztpraxen) sowie eine Re­
Krankenhaus im Rahmen einer Verordnung zunächst für März                              duzierung der notwendigen Arzt-Patienten-Kontakte.
bis Dezember 2020 aus. Bereits vorzeitig wurden zum 1. Au­                            Diese Freiräume und Entlastungen waren für die Krankenhäu­
gust 2020 die Pflegepersonaluntergrenzen in den Bereichen In­                         ser von übergeordneter Bedeutung. Einerseits wurde dadurch
tensivmedizin und Geriatrie wiedereingesetzt. Die anderen                             Flexibilität im Personaleinsatz geschaffen, anderseits stand
Leis­tungsbereiche folgten ab 1. Februar 2021 im Rahmen einer                         mehr Zeit für das Krankenhauspersonal zur Versorgung der
Ersatzvornahme, nachdem sich die Selbstverwaltungspartner                             ­Patienten zur Verfügung.
nicht auf gemeinsame Untergrenzen einigen konnte. Dieser Dis­
sens basiert auf der grundsätzlichen Berechnungsmethodik der                           Corona-Prämie für Pflegekräfte
Pflegepersonaluntergrenzen und besteht unabhängig von der                              Als Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung für die Pfle­
Pandemie. Die Pflegepersonaluntergrenzenvereinbarung defi­                             gekräfte, die im besonderen Maße durch die Versorgung der
niert Ausnahmetatbestände, bei denen die Personalvorgaben                              Covid-19-Patienten belastet waren, hat die Bundesregierung im
nicht eingehalten werden müssen. Unter anderem ist dies „bei                           September 2020 einen sogenannten Pflegebonus mit einem Ge­
starken Erhöhungen der Patientenzahlen, wie beispielsweise                             samtvolumen von 100 Mio. € beschlossen. Die Prämie sollte vor
bei Epidemien oder bei Großschadensereignissen“, der Fall. Die                         allem den Pflegekräften zu Gute kommen, die „Pflege am Bett“
letztendliche Anerkennung, ob der Ausnahmetatbestand im                                leis­
                                                                                           ten. DKG und GKV-Spitzenverband wurden beauftragt,
Einzelfall für das Krankenhaus erfüllt ist, obliegt den Kranken­                      ­einen Vorschlag für die zielgerichtete Mittelverteilung zu kon­
kassen vor Ort und ist daher immer mit Unsicherheiten verbun­                          sentieren, dem das BMG im Ergebnis auch gefolgt ist. Bei der
den. Zumindest für die Zeit des Erhalts von Ausgleichszah­                             Wiederauflage der Corona Prämie hat sich die Bundesregierung
lungen und dem Versorgungsaufschlag wurden für die betrof­                             für einen komplexeren Berechnungsweg zur Verteilung der zur
fenen Krankenhäuser die Pflegepersonaluntergrenzen per Ge­                             Verfügung gestellten 450 Mio. € entschieden. Danach sollte das
setz sank­tionsbefreit.                                                                Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) anhand
                                                                                       der Anzahl der Betten, der Covid-19-Fälle sowie der beschäf­
Prüfungsgeschehen des Medizinischen Dienstes                                           tigten Pflegekräfte in der unmittelbaren Patientenversorgung
Zur Entlastung im Bereich der Abrechnungsprüfung hat der Ge­                           die anspruchsberechtigten Krankenhäuser und das zugewie­
setzgeber die Quote für die Abrechnungsprüfungen im Jahr                               sene Prämienvolumen berechnen. Die letztendliche Verteilung
2020 von 12,5 % auf 5 % pro Quartal abgesenkt und die Sank­                            der zugeteilten Mittel an die Prämienempfänger sowie die Be­
tionen der Strafzahlungen für den Fall, dass eine Prüfung des                          messung der individuellen Prämienhöhe oblag dem Kranken­
Medizinischen Dienstes zu einer Rechnungsminderung führt,                              hausträger im Einvernehmen mit der Arbeitnehmervertretung.

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Die Ampelkoalitionäre vereinbarten zudem bereits im Koali­         hohen Inzidenzzahlen fanden die Treffen häufiger statt, in
tionsvertrag einen weiteren Pflegebonus für Pflegekräfte in        Zeiten des Impffortschritts und der niedrigen Inzidenzen wur­
Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Der Bund soll dafür        den die Beratungen teilweise monatelang ausgesetzt. Die je­
1 Mrd. € zur Verfügung stellen. Die Umsetzung ist für Anfang       weils getroffenen Beschlüsse definierten die weiteren Maßnah­
2022 angekündigt.                                                  men zur Bekämpfung der Pandemie. Diese Konferenzen sind
                                                                   rein informeller Natur und besitzen daher eigentlich keinerlei
Auswirkungen auf die etablierten Strukturen                        gesetzgeberische Kompetenzen, sodass die Beschlüsse nach­
Die hohe Infektionsdynamik erforderte schnelle Maßnahmen           folgend in Bund und Ländern legislativ umgesetzt werden
auch und insbesondere in der Gesetzgebung und in der Selbst­       mussten.
verwaltung. Wie im deutschen Gesundheitswesen üblich, be­          In Bezug auf ein möglichst breites und fundiertes Meinungsbild
schloss der Gesetzgeber vielfach nur die Rahmenbedingungen,        bieten diese neu geschaffenen Strukturen zusätzliche Möglich­
deren ausfüllende Regelungsinhalte von der Selbstverwaltung        keiten. Zu diskutieren bleibt vor diesem Hintergrund die Betei­
zu vereinbaren sind. Angesichts der notwendigerweise sehr          ligung der Parlamente. Durch das Gesetz zum Schutz der Bevöl­
kurzen Fristen, aber der weiterhin unterschiedlichen Interes­      kerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite
senslagen war dies ein nicht immer einfaches Unterfangen.          wurden zahlreiche Kompetenzen in den Bereich der Exekutive
Umso erfreulicher ist, dass vielfach die notwendigen Rege­         verlagert. Mit den Bund-Länder-Konferenzen und den dort ge­
lungen und Inhalte im gemeinsamen Kompromiss und Mitei­            troffenen Beschlüssen wurden darüber hinaus die Landesparla­
nander fristgerecht und in der Regel auch zielorientiert verein­   mente umgangen. Die dadurch schnelleren und umfassender
bart werden konnten.                                               getroffenen Entscheidungen führten zusammen mit der großen
Die Geschwindigkeit politischer Entscheidungsprozesse und          Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems dazu, dass Deutsch­
der darauffolgenden legislativen Umsetzung führte jedoch zu        land die Pandemie im internationalen Vergleich effektiv be­
Kritik in der Öffentlichkeit und in den Medien. Vor diesem Hin­    kämpfen konnte. Die Beschleunigung der Verfahren sorgte je­
tergrund sind die zahlreichen, oben beschriebenen Sonderbe­        doch andererseits für eine maximale Dehnung demokratischer
fugnisse des Bundes einzuordnen, mit denen auch die darge­         Prinzipien und geltender Rechtsnormen.
stellten unterstützenden Maßnahmen für die Krankenhäuser
umgesetzt werden konnten. Parallel dazu haben sich auch wei­       Fazit
tere, ergänzende und außerparlamentarische Strukturen und          Die Corona-Pandemie hat die politischen Strukturen und die
Gesprächskreise gebildet, die teilweise Empfehlungen vorlegten     Gesundheitsversorgung auf den Kopf gestellt. Mit zahlreichen
und mit Beschlüssen die politischen Entscheidungen prägten.        und vielfältigen Maßnahmen wurde dem Pandemieverlauf be­
Exemplarisch werden an dieser Stelle der Covid-Beirat des BMG      gegnet. Viele dieser Schritte waren wirksam und haben zu
und die Bund-Länder-Konferenzen vorgestellt.                       ­einer vergleichsweise erfolgreichen Pandemiebekämpfung bei­
                                                                    getragen. Die Politik folgte der Maxime, zunächst zu handeln
Covid-Expertenbeirat des BMG                                        und den weiteren Verlauf zu beobachten. Oft mussten die be­
Mit dem Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz wurde die             stehenden Regelungen deshalb kurzfristig an neue Erkennt­
Einberufung eines Covid-Expertenbeirates beim BMG initiiert.        nisse und Entwicklungen angepasst werden.
Qualifizierte Vertreter aus den Fachkreisen sollten gemeinsam       Die Krankenhäuser befinden sich indes konstant und absehbar
die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die           weiterhin im Ausnahmezustand. Die finanzielle Absicherung
Krankenhäuser bewerten. Dazu wurden sachkundige und pra­            bildet die Grundlage für die Konzentration auf die medizinisch-
xiserfahrene Repräsentanten der Krankenhäuser und der Kran­         notwendige Versorgung. Unabhängig davon befindet sich das
kenkassen vom BMG benannt und durch wissenschaftliche Ex­           Krankenhauspersonal nach anderthalbjähriger Hochbelastung,
perten ergänzt. Für die gemeinsam diskutierten und bewerteten       insbesondere auf den Intensivstationen, an der Belastungsgren­
Problemlagen sollten gemeinschaftliche Lösungsvorschläge er­        ze und geht vielerorts darüber hinaus. Eine umfassende, wirk­
arbeitet und der Politik vorgeschlagen werden.                      same und entschiedene Pandemiepolitik ist deshalb weiterhin
                                                                    unabdingbar.
Bund-Länder-Konferenzen
Um die Maßnahmen zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pande­              Anmerkungen
mie wirkungsvoll und möglichst einheitlich umzusetzen, berief      1)   Die offizielle Bezeichnung dieses Gremiums lautet laut Terminkalender der
                                                                        früheren Bundeskanzlerin „Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regie-
Bundeskanzlerin Merkel im März 2020 die erste Bund-Länder-              rungschefinnen und Regierungschefs der Länder“
Konferenz1) ein. Dazu wurde das bestehende, rein informativ
und koordinativ stattfindende Gremium der Ministerpräsiden­
tenkonferenz um die Beteiligung der Bundesregierung ergänzt.       Anschrift der Verfasser
Zudem wurden Wissenschaftler verschiedener Professionen            Sabrina Krause/Jan Eilrich, Deutsche Krankenhausgesell-
als Berater dazugeschaltet. Die Tagungsfrequenz der Bund-          schaft e.V. (DKG), Bereich I – Politik, Wegelystraße 3,
Länder-Konferenz orientierte sich an der Infektionslage: Bei       10623 ­Berlin                                                             n

                 | Sonderheft 2022                                                                                                            17
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