Archivmagazin - Stadt Pforzheim
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Archivmagazin Neues aus dem Stadtarchiv Pforzheim Nr. 2020/3 Aus dem Inhalt: Das Poesiealbum der Elsa Kinzinger Pforzheimer Tafel- wasser Grundbücher und Feuerversicherungs- bücher aus Eutingen Rückblick auf 2019 Stadtarchiv Pforzheim Mitteilungen für die Mitglieder Institut für Stadtgeschichte ♦ Nr. 41/November 2020
Förderverein Grußwort des Vorsitzenden für die Jahre 2016 bis 2020 erhielt der Historiker und frühere Stadtarchivleiter für seine 2016 er- Liebe Mitglieder des Fördervereins, schienene Publikation „‚Führer befiehl…‘. Das na- tionalsozialistische Pforzheim 1933–1945“. Der bis vor wenigen Wochen hatte ich die Hoffnung, Preis wurde nun ohne Zeremonie verliehen. Be- Ihnen mitteilen zu können, dass wir langsam und sonders möchte ich Ihnen die Laudatio von Herrn mit neuen Konzepten unsere Veranstaltungen Oberbürgermeister a. D. Dr. Joachim Becker emp- wieder aufnehmen können. Gerade die erfolgrei- fehlen, die Sie auch auf der Homepage des Stadt- che Veranstaltung mit Dr. Erwin Morgenthaler zu archivs finden. Pforzheim als mittelalterlichem Bildungsstandort war ein kleiner Lichtblick: Der Vortrag im Rahmen Der für den 7.12. geplante Vortrag von Gottfried der Reihe Montagabend im Stadtarchiv Pforzheim Zurbrügg im Rahmen von Montagabend im Ar- in Kooperation mit der Löblichen Singergesell- chiv soll ohne Publikum aufgezeichnet und dann schaft konnte Ende September unter Einhaltung online gestellt werden. Mut macht, dass immer aller Abstands- und Hygieneregeln im weitläufi- mehr Angebote und Inhalte des Stadtarchivs, des gen Atrium des Reuchlin-Gymnasiums stattfinden. Kulturamts und weiterer städtischer Veranstalter Frau Dr. Deecke und ihr Team hatten ein eigenes online verfügbar sind. Auch sind die bekannten Hygienekonzept entwickelt, um die Veranstaltung Online-Recherchemöglichkeiten des Archivs mit zu ermöglichen. seinen Beständen weiterhin zugänglich und wer- den ausgebaut. Dafür ist allen Mitarbeiterinnen Wie groß das Bedürfnis nach kulturellen Ereignis- und Mitarbeitern zu danken. Angebote und Ver- sen nach diesen Monaten ist, zeigte sich darin, anstaltungen digital umzusetzen, ist neben der dass die erlaubte Teilnehmerzahl von 35 Personen normalen Tätigkeit eine weitere Herausforderung, in kürzester Zeit nach Ankündigung des Vortrags die große zusätzliche Anstrengung und Kreativität erreicht war. Da das humanistische Reuchlin-Gym- erfordert. nasium die Tradition der Lateinschule des mittel- alterlichen Pforzheims in der Gegenwart fortsetzt, Blicken wir in die Geschichte zurück, erkennen war der Ort für den Vortrag von Dr. Morgenthaler wir, dass bei Pandemien ähnliche Phänomene auf- gut gewählt. Ausgehend vom Dominikanerorden traten. So gehörten Verschwörungstheorien, die entwickelte sich Pforzheim zu einem attraktiven Sehnsucht nach einfachen Erklärungen oder die Ort der Bildung, der Schüler aus vielen Regionen Suche nach Sündenböcken bereits bei der Beulen- anzog. Sogar die Gründung einer Universität in pest des ausgehenden Mittelalters, der Cholera Pforzheim schien zeitweise im Bereich des Mög- in den überfüllten Städten der Industrialisierung lichen zu sein. oder bei der Spanischen Grippe zum Ende des ers- ten Weltkriegs zu den wiederkehrenden Begleiter- Nach diesem hoffnungsvollen Start nach der Som- scheinungen. Eine weitere Gemeinsamkeit könnte merpause mussten nun angesichts der wieder allerdings eine positive Perspektive eröffnen. Im steigenden Infektionszahlen die Veranstaltungen Gefolge dieser Pandemien kam es in den verschie- zunächst bis zum Jahresende wieder abgesagt densten Bereichen auch zu Fortschritten für die bzw. in den digitalen Raum werden. Dies traf auch Menschheit. Dies können wir als Hoffnungszei- auf die bereits aus dem März in den November chen mitnehmen. verschobene Verleihung des Eberhard-Gothein- Preises an Prof. Dr. Hans-Peter Becht zu. Den Preis II Archivmagazin 2020/3
Förderverein Wann wir als Verein wieder unsere Tätigkeit in der gewohnten Weise aufnehmen können, scheint zunehmend unsicher. Besonders Veranstaltungen wie der Montagabend im Archiv, die Hauptver- sammlung mit historischem Vortrag oder unser Ausflug fehlen uns. Ich bin dennoch guten Mutes, dass wir mit neuer Energie die Aktivitäten sobald als möglich wieder aufnehmen werden und Sie uns und das Stadtarchiv als Mitglieder weiter un- terstützen. Ihnen allen wünsche ich gerade in dieser Zeit ein frohes Weihnachtsfest und vor allem ein gesundes neues Jahr. Ihr Kai Adam Vorsitzender des Fördervereins für das Stadtarchiv Pforzheim e. V. Archivmagazin 2020/3 III
Förderverein „Montagabend im Archiv“ • Programm 2020 Programmflyer noch nicht angekündigt wird. Bit- te informieren Sie sich im Veranstaltungskalender der Stadt oder auf der Website des Stadtarchivs In Kooperation mit der Löblichen über Veranstaltungsort und -zeit sowie die Anmel- Singergesellschaft von 1501 Pforz- demodalitäten oder schreiben Sie uns eine E-Mail heim oder rufen uns an. 7. Dezember, 19 Uhr, im Internet 25. Januar, 19 Uhr, Ort wird noch bekannt gege- Gottfried Zurbrügg ben Der Mann aus der Au Sabine Herrle Bitte beachten Sie, dass der Vortrag in den digi- „Ich habe zwei Lieben - mein Land [Frankreich] talen Raum verlegt wird: Er wird ohne Publikum und Pforzheim“: Ludwig/Louis Kuppenheim, geb. aufgezeichnet und online gestellt, siehe www. 1891 in Pforzheim, gest. 1982 in Ste. Maxime stadtarchiv.pforzheim.de! Zugleich Gedenkveranstaltung der Stadt Pforz- Pforzheim ist die Goldstadt, obwohl Enz und Na- heim anlässlich des Tags des Gedenkens an die gold in der Stadt zusammenfließen. Die Flöße- Opfer des Nationalsozialismus rei gehörte immer in die Vorstadt Au. Historisch Grußwort: Oberbürgermeister Peter Boch ist das Leben dort in den Archiven kaum belegt. Spuren sind in den Resten der Floßanlagen über- Für knapp 100 Jahre – bis 1940 – lebten und ar- all im Schwarzwald, aber auch in den Menschen, beiteten Kuppenheims in Pforzheim und gestalte- ihren Erzählungen und ihren Wurzeln zu finden. ten das Leben ihrer Stadt in vielerlei Hinsicht aktiv Der Vortrag kombiniert Wissenswertes über die mit. Mitglieder dieser Familie wurden während Geschichte der Pforzheimer Flößerei mit einer Le- des Nationalsozialismus deportiert und ermordet, sung aus dem Roman „Der Wellenreiter“. oder nahmen sich vorher das Leben. Einigen ge- lang die Flucht. Einer – Ludwig/Louis Kuppenheim Gottfried Zurbrügg ist Biologe, aber vor allem – kämpfte in der französischen Armee gegen das auch Erzähler, der mit historischem Sachverstand, nationalsozialistische Deutschland und nahm die aber auch viel Intuition und Herz der Geschichte französische Staatsangehörigkeit an. Sein Leben nachgeht. steht im Mittelpunkt des Vortrags. Vorschau auf 2021 Sabine Herrle, Jahrgang 1956, ist pensionierte Geschichtslehrerin. Geschichte lokal verortbar zu Wir freuen uns, im Jahr 2021 wieder spannen- machen sowie bislang verschüttete Geschichten de Vorträge und Führungen zur Stadtgeschichte zu erzählen, ist das Ziel ihrer Recherchen. Pforzheims anbieten zu können. Dabei wollen wir mit Blick auf das Pandemiegeschehen flexibel blei- ben, um so viele Veranstaltungen wie möglich vor Ort realisieren oder gegebenenfalls in den digita- len Raum verlegen zu können. Wir bitten daher um Verständnis, dass der Veranstaltungsort im IV Archivmagazin 2020/3
Förderverein 22. März, 19 Uhr, Ort wird noch bekannt gegeben Förderverein für das Stadtarchiv Pforzheim e. V. Dr. Christoph Timm Die bunte Siedlung am Wartberg. Mit der repu- Kronprinzenstr. 28 blikanischen Demokratie startete vor 100 Jahren 75177 Pforzheim der Wohnungsbau in kommunaler Verantwor- Foerderverein.Stadtarchiv@pforzheim.de tung 07231/39-1836 Es gab nicht nur das Bauhaus … Auch die Siedlung Bankverbindungen: am Wartberg in Pforzheim, deren Bau 1920 be- gann, galt als soziales Experiment und Vorzeige- Sparkasse Pforzheim Calw projekt. Wer waren die Initiatoren? Was hatte es IBAN DE68666500850007619197 mit der Farbigkeit auf sich, die von den Zeitzeugen BIC PZHSDE66XXX hervorgehoben wurde? Welche Erinnerungen sind mit dem Leben in der Siedlung verbunden? Aus Volksbank Pforzheim Anlass des 100-jährigen Jubiläums erläutert der IBAN DE65666900000003178470 ehem. Städtische Denkmalpfleger Dr. Christoph BIC VBPFDE66XXX Timm, warum die Wartbergsiedlung ins kollektive Gedächtnis der Stadt eingeschrieben gehört. Dr. Christoph Timm, Studium der Kunstgeschichte sowie Mittleren und Neuen Geschichte, ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Baukunst des 20. Jahrhunderts und war von 1988 bis 2020 Städ- tischer Denkmalpfleger in Pforzheim. Archivmagazin 2020/3 V
Schatzkammer Spannende Neuentdeckung: Das Poesiealbum Das Stadtarchiv Pforzheim konnte durch das Kul- der Elsa Kinzinger turamt der Stadt diese spannende Erwerbung und Fabienne Bitz damit einen persönlichen Einblick in die Geschich- te der Familie Kinzinger gewinnen. „Wer dich lieber hat als ich, der schreibt sich bitte hinter mich. Auf der Suche nach näheren Informationen zu die- sem Geschwisterpaar konnte das Stadtarchivteam In Liebe Dein Brüderchen Edmund.“1 einige sehr interessante Entdeckungen machen: Dieser kecke Spruch von Edmund Daniel Kinzin- Elsa Katharina, die Besitzerin des Poesiealbums, ger findet sich auf der letzten Seite des Poesieal- wird als viertes Kind des Ehepaares Daniel und bums von Elsa Kinzinger. Sie bekommt das Album Luise Kinzinger, geb. Gräther (* 04.01.1851, † zu Weihnachten 1895 und lässt es fortan mit den 10.05.1929) am 05.05.1882 in Pforzheim gebo- Zeilen ihrer Liebsten füllen.2 ren.3 Mit zweiundzwanzig Jahren heiratet sie den Buchdruckereibesitzer Peter Heinrich Walther Wi- chelhoven (* 25.03.1879, † 21.12.1955) aus Iser- lohn.4 Fortan führt die junge Frau ihr Leben an der Seite ihres Mannes in der Stadt im Märkischen Kreis in Nordrhein-Westfalen. Edmund Kinzinger, der sich als „Brüderchen Edmund“ auf der letzten Seite des Poesieal- bums verewigt hat, ist der Jüngste und wird am 31.12.1888 geboren.5 Insgesamt hatte das Ehe- paar vermutlich sieben Kinder, die alle in Pforz- heim auf die Welt gekommen sind: Adolf (* 26.04.1875, † vermutlich nach 1957 in Freuden- stadt), Mina (* 30.04.1877, † 23. 02.1945), Oskar (* 10.02.1879, † 29.03.1901), Elsa (* 05.05.1882, † 10.08.1962 in Iserlohn), Arthur (* 01.01.1884), Ida (* 25.04.1886, † 23.02.1945) und Edmund Daniel (* 31.12.1888, † 18.04.1963).6 Der Vater Daniel Kinzinger stammt ursprünglich aus Schö- nau bei Heidelberg und kommt als zwanzigjähri- ger nach Pforzheim, wo er mehrere Anstellungen Eintrag von Edmund Daniel Kinzinger in das Poesiealbum sei- 3 Vgl. StadtA Pforzheim Geburtsregister B35-13, Nr. 360. ner Schwester Elsa am 02.07.1898 (StadtA Pforzheim S64-35- 4 Vgl. StadtA Pforzheim Heiratsregister B35-79, Nr. 59. 1) 5 Vgl. StadtA Pforzheim Heiratsregister B35-19, Nr. 873. 1 StadtA Pforzheim S64-35-1. Album von Elsa Kinzinger, 6 Vgl. StadtA Pforzheim Geburts- und Sterberegister der 1895. Stadt Pforzheim B35-5, Nr. 369; B35-8, Nr. 359; B35-220, 2 Vgl. StadtA Pforzheim S64-35-1. Album von Elsa Kinzin- Nr. 4090; B35-10 Nr. 96; B35-13, Nr. 360; B35-15, Nr.10; ger, 1895. B35-17, Nr. 310; B35-215, Nr. 286; B35-19, Nr. 873. 6 Archivmagazin 2020/3
Schatzkammer bei bedeutenden Firmen hat, beispielsweise bei der Fabrik Louis Kuppenheim.7 Um das Jahr 1878 gründet er seine eigene Bijouteriefabrik. Einige Jahre später siedelt er dann mit seiner Firma in die Enzstraße 8 über (heute unbebautes Gelände in der Jörg-Ratgeb-Straße), wo er 1883 das Wohn- haus der Familie anbauen lässt.8 Bis 1957 war die Firma im Besitz der Kinzinger Nachkommen unter dem Namen Sarastro Kinzinger GmbH, zuletzt hat- te sie die Schwiegertochter von Adolf Charlotte Kinzinger verwaltet.9 Alle sieben Kinder führen uns in andere Bereiche der Stadtgeschichte Pforzheims, besonders sticht jedoch Edmund Daniel hervor. Lange Zeit konn- ten sich die Pforzheimer nichts unter dem Namen vorstellen, bis im Oktober 1987 eine Ausstellung im Reuchlinhaus zu diesem bekannten Maler der „Uechter-Gruppe“ stattfand.10 Der junge Edmund geht zuerst in die Oberreal- schule zu Pforzheim,11 anschließend besucht er eine private Malschule.12 Weiterbildung verschafft Der Pforzheimer Künstler, vermutlich nach seiner Emigration er sich zudem in der Akademie der Bildenden (Abb. aus: Edmund Daniel Kinzinger. 1888-1963, hrsg. vom Kulturamt der Stadt Pforzheim. Pforzheim 1988. S. 9) Künste in Stuttgart genauso wie an der Académie Moderne in Paris.13 Unter Professor Hölzel wird Universität in München anerkannt, wobei er sein Kinzinger als Meisterschüler an der Akademie und Studium 1918 wegen eines Einsatzes als Komman- deur einer Artillerie-Einheit im Ersten Weltkrieg 7 Vgl. StadtA Pforzheim S3-774. Pforzheimer General- unterbrechen muss.14 Anzeiger Nr. 56 v. 07.03.1911. 8 Vgl. StadtA Pforzheim B63-1700. Bauakte zur Enzstra- Nach seinem Einsatz setzt er seine Weiterbildung ße 8. Daniel Kinzinger zieht wahrscheinlich 1884 in die unter Professor Heinrich Waldschmitt, dem Nach- Enzstraße 8. folger Professor Hölzels, fort15 und kann im Jahr 9 Vgl. StadtA Pforzheim B32-6277. Gewerbeakte zu Sarast- 1920 sein Studium beenden. ro Kinzinger GmbH. 10 Vgl. StadtA Pforzheim S3-774. Pforzheimer Zeitung Nr. 81 vom 07.04. 1987. Pforzheimer ein Freund von Picasso. 11 Vgl. StadtA Pforzheim K 11-15. Notenliste der Oberreal- 14 Vgl. Edmund Kinzinger, in: In und aus Pforzheim Bd. 1. 63 schule zu Pforzheim 1901/02. Künstler Innen, hrsg. von Karl-Ludwig Hofmann/Alfred 12 Vgl. Edmund Daniel Kinzinger. 1888-1963, hrsg. vom Hübner. Pforzheim 1992. S. 96. Kulturamt der Stadt Pforzheim. Pforzheim 1988. S. 7. 15 Vgl. Edmund Kinzinger, in: In und aus Pforzheim Bd. 1. 63 13 Vgl. Edmund Daniel Kinzinger. 1888-1963, hrsg. vom Künstler Innen, hrsg. von Karl-Ludwig Hofmann/Alfred Kulturamt der Stadt Pforzheim. Pforzheim 1988. S. 7. Hübner. Pforzheim 1992. S. 96. Archivmagazin 2020/3 7
Schatzkammer Bis dahin hat der junge Maler schon einige Grundlagen für seinen Erfolg ge- legt, unter anderem gründet er zusam- men mit Künstlern wie Oskar Schlem- mer, Willi Baumeister oder Gottfried Graf - alles Schüler von Hölzel - die „Uechter-Gruppe“ gleichgesinnter Kre- ativer.16 Die Gruppierung steht für Reformen in der künstlerischen Ausbildung ein und orientiert sich am französischen Stil der Zeit. Diese Neuorientierung prägt auch die Kunst Kinzingers und spiegelt sich durch expressionistische Ausdrucksfor- men in seinen Gemälden wider.17 Wer sich mit der Kunst des gebürtigen Pforzheimers beschäftigt, staunt vor al- lem über die Vielfalt der Kunstwerke, genauso wie über die stilistischen Ein- flüsse, diese können auf die vielseitigen Kontakte und das Umfeld Kinzingers zu- rückzuführen sein. Zu seinem Freundeskreis gehören Vor- reiter wie Pablo Picasso oder Hans Hoff- man, den er immer wieder in München als Dozent an der Kunstschule vertritt. Frau mit Früchten, um 1930 (Abb. aus: Edmund Kinzinger, in: Seine Lehrtätigkeit an dieser Schule führen auch In und aus Pforzheim Bd. 1. 63 KünstlerInnen, hrsg. von Karl- zur Gründung eigener Kunstschulen 1928 in Mün- Ludwig Hofmann/Alfred Hübner. Pforzheim 1992. S. 97) chen und 1934 auch in Paris unter dem Namen „Ecole de l´Epoque“.18 Nicht nur in Deutschland erregt der Künstler Auf- merksamkeit - seine Karriere in Amerika beginnt 16 Vgl. Edmund Kinzinger, in: In und aus Pforzheim Bd. 1. 63 mit seiner Lehrtätigkeit an der Kunstakademie in Künstler Innen, hrsg. von Karl-Ludwig Hofmann/Alfred Minneapolis; hier unterrichtet er von 1928 bis Hübner. Pforzheim 1992. S. 96. 1930.19 17 Vgl. Edmund Kinzinger, in: In und aus Pforzheim Bd. 1. 63 Künstler Innen, hrsg. von Karl-Ludwig Hofmann/Alfred Hübner. Pforzheim 1992. S. 96. 18 Vgl. Edmund Daniel Kinzinger. 1888-1963, hrsg. vom 19 StadtA Pforzheim S3-774. Pforzheimer Zeitung vom Kulturamt der Stadt Pforzheim. Pforzheim 1988. S. 8. 03.09.1988. Pforzheim ehrt einen „verschollenen Sohn“. 8 Archivmagazin 2020/3
Schatzkammer Neben seiner Funktion als Dozent gibt Kinzinger Quellen und Literatur: seine eigene Kunst jedoch nicht auf und kann in den Jahren 1933 und 1934 seine Werke auch in • Edmund Daniel Kinzinger. 1888-1963, hrsg. eigenen Ausstellungen zuerst in London, dann in vom Kulturamt der Stadt Pforzheim. Pforz- Paris bekannt machen.20 heim 1988. • Edmund Kinzinger, in: In und aus Pforzheim Der Maler heiratet zweimal, seine erste Ehefrau Bd. 1. 63 Künstler Innen, hrsg. von Karl- Lud- Amelia Fuchs stirbt sehr früh bei einem Verkehrs- wig Hofmann/Alfred Hübner. Pforzheim 1992. unfall.21 Durch Hofmann lernt er Alice Fish kennen S. 96-98. und heiratet sie, die beiden bekommen 1929 ihre • StadtA Pforzheim B32-6277. Gewerbeakte zu Tochter Delia.22 Mit seiner zweiten Ehefrau emig- Sarastro Kinzinger GmbH. riert er 1935 endgültig aus Deutschland und hält • StadtA Pforzheim B63-1700. Bauakte zur Enz- sich vor allem in den Vereinigten Staaten und Me- straße 8. xiko auf.23 Bis ins hohe Alter lehrt er an der Bay- • StadtA Pforzheim Geburts- und Sterberegister lor University in Waco, Texas und kann anderen der Stadt Pforzheim B35-5, Nr. 369; B35-8, Nr. Künstlern sein Wissen weitergeben. Aus Briefen 359; B35-220, Nr. 4090; B35-10 Nr. 96; B35-13, mit seinem älteren Bruder Adolf Kinzinger ist je- Nr. 360; B35-15, Nr.10; B35-17, Nr. 310; B35- doch bekannt, dass er unter starken Depressionen 215 Nr. 286; B35-19, Nr. 873. leidet und diese sein Leben beeinflussten.24 Bis zu • StadtA Pforzheim S3-774. Pforzheimer Gene- seinem Tod steht er im regen Austausch mit deut- ral-Anzeiger Nr. 56 v. 07.03.1911. schen Künstlern, sowie seiner Familie in Pforzheim • StadtA Pforzheim S3-774. Pforzheimer Zei- bzw. Deutschland. tung Nr. 81 vom 07.04. 1987. Pforzheimer ein Freund von Picasso. Die Verfasserin des Artikels, Fabienne Bitz, war im • StadtA Pforzheim S64-35-1. Album von Elsa Oktober 2020 Praktikantin im Stadtarchiv Pforz- Kinzinger, 1895. heim. Wir danken Frau Bitz für ihre tatkräftige Mitarbeit und wünschen ihr für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg im weiteren Studium. 20 Vgl. Edmund Kinzinger, in: In und aus Pforzheim Bd. 1. 63 KünstlerInnen, hrsg. von Karl-Ludwig Hofmann/Alfred Hübner. Pforzheim 1992. S. 97. 21 Vgl. StadtA Pforzheim S3-774. Pforzheimer Zeitung Nr. 81 vom 07.04.1987. Pforzheimer ein Freund von Picasso. 22 Vgl. StadtA Pforzheim S3-774. Pforzheimer Zeitung Nr. 81 vom 07.04.1987. Pforzheimer ein Freund von Picasso. Vgl. Edmund Daniel Kinzinger. 1888-1963, hrsg. vom Kulturamt der Stadt Pforzheim. Pforzheim 1988. S. 9. 23 Vgl. Edmund Daniel Kinzinger. 1888-1963, hrsg. vom Kulturamt der Stadt Pforzheim. Pforzheim 1988. S. 9. 24 Vgl. Edmund Kinzinger, in: In und aus Pforzheim Bd. 1. 63 Künstler Innen, hrsg. von Karl- Ludwig Hofmann/Alfred Hübner. Pforzheim 1992. S. 97. Archivmagazin 2020/3 9
Schatzkammer Das Pforzheimer Tafelwasser Einzig die Anlieferung des Grösseltalwassers zur Annette Nußbaum Brauerei bereitete Schwierigkeiten. Ein Fahrer der Brauerei Ketterer musste nun fast am Ende der Der Nordschwarzwald ist bekannt für seinen über 8 km langen Verbindungsleitung vom Grös- Reichtum an Mineralquellen und Heilwasser. Nicht seltal nach Pforzheim, d. h. am Beginn des Was- weit entfernt von Pforzheim liegen die bekannten serleitungsweges auf dem Sonnenberg, an einer Kurorte Bad Teinach, Bad Liebenzell oder Bad Pe- Zapfstelle im Wald einen Tanklaster befüllen und terstal mit ihren auch überregional vertriebenen die Tankfüllung zur Brauerei an der Jahnstraße be- Heil- und Mineralwässern. fördern, was sich als schwierig erwies und die Kos- ten erhöhte. Dennoch erfolgte ab 1990 der Auftrag Da konnte Pforzheim unmöglich zurückstehen! an die Brauerei, und die Pforzheimer Bevölkerung Und so wurde bei den Stadtwerken Pforzheim kam in den Genuss des neuen Grösseltaler Tafel- 1988 die Idee geboren, Wasser aus den Grösseltal- wassers.1 Ob es sich dabei ebenfalls - wie bei einer quellen abfüllen zu lassen und als Mineralwasser bekannten Tafelwassermarke - um eine „queen of zu vermarkten bzw. in den städtischen Kantinen tablewater“ handelte, bleibt dahingestellt. oder bei Veranstaltungen auszuschenken. Da sich 1 Vgl. StadtA PF B81-730. allerdings schnell herausstellte, dass es für den Vertrieb von Mineralwasser laut Mineral- und Tafelwasser-Verordnung einer amtlichen Aner- kennung bedurfte, beschloss man, das Grösseltal- wasser nur als Tafelwasser in Verkehr zu bringen. Ein Geschäftspartner für die Abfüllung war bald gefunden. Die Brauerei Ketterer, seit 1888 in Pforzheim ansässig und eher für ihr Bier bekannt, unterbreitete ein Angebot. Schreiben des Dezernats IV an das Hauptamt vom 30.05.1988 (Signatur: B81-730) 10 Archivmagazin 2020/3
Schatzkammer Historische Werbung der Brauerei Wilhelm Ketterer (Signatur: S1-07-02-068-R-7; Maler: Michael Zeno Diemer) Gelände und Braustübl der Brauerei Wilhelm Ketterer an der Jahnstraße (Signatur: S1-07-03-088-V-4; Fotograf: Richard Kipper) Archivmagazin 2020/3 11
Archivpraxis Pforzheimer Wasserversorgung aus dem befanden. Auch die Umsetzung der Pläne des Grösseltal Baurats Carl von Ehmann, der 1878 für seine Verdienste die Ehrenbürgerwürde erhielt, dau- Im Oktober 1865 beschloss der Bürgerausschuss erte. Die Quellfassungsanlagen im Grösseltal, der Stadt Pforzheim, Quellen im Grösseltal für das Hochreservoir Rod und die 8,68 km lange die Pforzheimer Wasserversorgung zu erschlie- Verbindungsleitung mussten erst erbaut so- ßen, da sich die bisherige Wasserversorgung wie das Straßenrohrnetz verlegt werden. Am durch Brunnen für die aufstrebende Indust- 01.11.1875 nahm das Quellwasserwerk Grös- riestadt Pforzheim als unzureichend erwiesen seltal endlich seinen regelmäßigen Betrieb auf. hatte. Die Grundstückskäufe und Verhandlun- 1910/11 erfuhr das Wasserwerk Grösseltal gen gestalteten sich jedoch als langwierig, weil schließlich durch die Fassung weiterer Quellen sich die Quellen auf württembergischem Gebiet nochmals eine Erweiterung. Verlauf der Wasserleitung vom Grössel- tal bis zum Hochbehälter Rod über die badisch-württembergische Landesgren- ze hinweg (Signatur: B81-1061) 12 Archivmagazin 2020/3
Archivpraxis Eutinger Grundbücher des 19. Jahrhunderts Definition aufgetaucht Marco Tänzer Was sind überhaupt Grundbücher und warum sind diese wichtig? Grundbücher sind Register, in Da staunte der zuständige Archivar nicht schlecht, denen Grundstücke, Eigentumsverhältnisse und ganze 24 gut gefüllte und schwere Umzugskisten verbundene Belastungen verzeichnet sind. Grund wurden im April 2020 von der Ortsverwaltung Eu- und Boden war stets ein kostbares Gut, etwa als tingen für das Stadtarchiv Pforzheim zur Abholung Grundlage von wirtschaftlicher Tätigkeit oder als bereitgestellt. In den meisten Fällen werden von Wohnung. Daher war und ist es wichtig, die Ei- den Ämtern deutlich weniger Unterlagen ans Ar- gentumsverhältnisse rechtssicher nachweisen zu chiv abgegeben. Doch damit endete die Überra- können. Aus diesem Grund werden die wichtigs- schung nicht, von besonderem Interesse war vor ten Informationen zum Grundeigentum lückenlos allem der Inhalt von sechs der Umzugskartons. im Grundbuch dokumentiert.1 Dabei erhält jedes Denn in diesen kamen wertvolle Schätze in Form Grundstück sein eigenes Grundbuchblatt, auf dem von Folianten ans Tageslicht, diese reichten bis ins der Eigentümer, Informationen zu Schuldverhält- Jahr 1834 zurück und die dort enthaltenen Auf- nissen und Wechsel des Eigentümers eingetragen zeichnungen erstreckten sich bis zum Jahr 1901. werden. Die Eintragung erfolgt heute durch einen Rechtspfleger im grundbuchführenden Amts- gericht. Seit einer umfassenden Reform des ge- samten Grundbuchwesens im Jahr 2013 wird das Grundbuch nicht mehr in umfangreichen Folian- ten, sondern digital geführt.2 Geschichtlicher Ursprung Das Eigentum an Grund und Boden hatte von je- her eine besondere Bedeutung, daher lassen sich die historischen Wurzeln von Grundbüchern bis ins antike Griechenland, Ägypten und Babylonien zurückverfolgen. Dort wurden erstmals öffentliche Drei der Grundbücher aus Eutingen (GBZA, A 014.063.082 1 Aufzeichnungen über Grundstücksrechte nachge- 1 bis A 014.063.101 1 20). Die abgegebenen Unterlagen sind bereits im Grundbuchzentralarchiv (GBZA) in Kornwestheim erfasst, werden jedoch erst nach dem nächsten Update des 1 Vgl. Merk, Beate: Über 100 Jahre Grundbuch. München Online-Kataloges für alle Nutzer*innen recherchierbar sein 2008, S. 3, online unter: https://www.justiz.bayern.de/ media/images/behoerden-und-gerichte/ueber_100_jah- Ein wahrer Sensationsfund, denn die geborge- re_grundbuch_-_wolfratshausen.pdf, abgerufen am nen Folianten stellten sich als Grundbücher der 02.06.2020. Gemeinde Eutingen heraus. Bis zu dieser Abgabe 2 Vgl. die Informationen zur Neuordnung des ging man noch davon aus, dass die Grundbücher Grundbuchwesens in Baden-Württemberg, on- im Zweiten Weltkrieg unwiederbringlich zerstört line unter: https://amtsgericht-maulbronn.justiz- wurden. bw.de/pb/j1155174,Lde/Startseite/Themen/ Neuordnung+des+Grundbuchwesens, abgerufen 02.06.2020. Archivmagazin 2020/3 13
Archivpraxis Lädierter Einband eines der Grundbücher aus Eutingen. Der Zahn der Zeit hat hier deutlich seine Spuren hinterlassen, doch das wichtigste (der Inhalt) ist zum Glück weitestgehend verschont geblieben (GBZA, A 014.063.084 1 3) wiesen. Im deutschen Rechtskreis etablierten sich einheitlich umsetzten, so dass zu den regionalen seit dem Mittelalter verschiedene Traditionen des Unterschieden auch lokale Besonderheiten treten Nachweises von Grundeigentum. Zumeist erfolgte konnten.3 die Dokumentation in Amtsbüchern, die regional ganz unterschiedliche Bezeichnungen erhielten. In Nach der Gründung des Deutschen Reichs soll- Baden und Württemberg waren dies zum Beispiel ten die verschiedenen regionalen Traditionen des Kauf- und Tauschbücher, Servituten-, Lager- oder Nachweises über Grundeigentum vereinheitlicht Güterbücher. In Baden mussten seit 1806 in jeder werden. Erste Vorarbeiten für eine reichswei- Gemeinde entsprechende Bücher geführt wer- te Grundbuchordnung begannen im Jahre 1882, den, und auch das Badische Landrecht von 1809 aber erst im Jahr 1897 trat die Reichs-Grundbu- schrieb die Dokumentation des Grundeigentums chordnung in Kraft. Diese neue rechtliche Grund- vor. In der „Instruction über die Einrichtung und Führung gerichtlicher Gewähr-(Kauf- und Tausch-) 3 Vgl. Wieland, Claudia: Kaufbücher, in: Südwestdeutsche Bücher für das Großherzogthum Baden“ von 1824 Archivalienkunde, online unter: https://www.leo-bw.de/ wurde genau vorgeschrieben, wie diese Bücher themenmodul/sudwestdeutsche-archivalienkunde/archi- auszusehen hatten. Geführt wurden diese Bücher valiengattungen/amtsbucher/kaufbucher#x04, abgeru- von den Kommunen, die die Instruktionen nicht fen am 05.06.2020. 14 Archivmagazin 2020/3
Archivpraxis ar 1900 wurden die Grundbücher nicht mehr von den Kommunen, sondern von den staatlichen Grundbuchämtern geführt. Inhalt und Struktur Ab dem Jahr 1935 kam es zu einer weiteren Ver- einheitlichung des Grundbuchwesens. Zur Verein- heitlichung gehörte die Einführung eines einheit- lichen Grundbuchvordrucks, der bis heute noch gültig ist. Auch wenn sie vorher entstanden, ist diese Struktur schon in den wieder entdeckten Grundbüchern aus der Ortsverwaltung Eutingen zu finden. Die Einträge in den Eutinger Grundbü- chern gliedern sich in fünf Abschnitte, und zwar in Aufschrift, Bestandsverzeichnis und drei Abtei- lungen. Die Aufschrift stellt dabei die Beschriftung des Grundbuchs dar, also das Deckblatt. Es enthält das Amtsgericht, welches das Grundbuchblatt führt, die laufende Nummer und den dazu zuge- hörigen Grundbuchbezirk. Jeder Grundbesitz hat dabei ein eigenes Grundbuchblatt, im Bestands- verzeichnis wird jeder Grundbesitz in Einzelhei- ten beschrieben. Das Grundstück ist durch die Gemarkung gekennzeichnet, das Flurstück, die Wirtschaftsart und die Lage beziehungsweise die Größe. Aus dem Bestandsverzeichnis werden We- Abb. 3: Der erste Eintrag im Grundbuch Band 24, April 1900 gerechte ersichtlich und ob der Grundbesitz durch (GBZA, A 014.063.101 1 20) Übernahme, Teilung oder eine Vereinigung von mehreren Grundstücken entstanden ist. lage des Nachweises über Grundeigentum gab detailliert vor, wie das Grundbuch zu führen war Im Abschnitt der Abteilung I des Grundbuchblatts und welche Befugnisse die Rechtspfleger bei Ein- werden dann die Eigentümer und der Grund der tragungen und Löschungen von Grundstücksrech- Eintragung festgehalten. Es wird außerdem ver- ten hatten. Die Einrichtung und Organisation der merkt, worauf der Eigentumserwerb beruht: auf Grundbuchämter, das Führen der Bücher selbst einer Erbschaft, einem Zuschlagsbeschluss im wie der amtlichen Verzeichnisse der Grundstücke Zwangsversteigerungsverfahren oder einer Auf- blieb den Ländern überlassen.4 Ab dem 1. Janu- lassung. Abteilung II enthält alle Lasten und Be- schränkungen, die das Grundstück betreffen. 4 Vgl., Artikel Grundbücher, in: Meyers Großes Konversa- Dies können Dauerwohn-, Dauernutzungsrechte, tions-Lexikon, Band 8, Leipzig 1907, S. 447-449, online Rechte auf wiederkehrende Leistungen aus dem unter: http://www.zeno.org/nid/20006715931, abgeru- Grundbesitz, Nießbrauchsrechte, Vorkaufs- und fen am 05.06.2020. Erbbaurechte, Beschränkungen wie Testaments- Archivmagazin 2020/3 15
Archivpraxis vollstreckungs-, Zwangsversteigerungs- und Insol- werden. Das Grundbuchzentralarchiv als Außen- venzvermerke oder die Auflassungsvormerkung stelle des Landesarchivs Baden-Württemberg hat sein. dabei die Aufgabe, die Zugänglichkeit und die Aufbewahrung von Grundbuchunterlagen aus der In Abteilung III werden die Grundpfandrechte - Hy- Zeit vor 1900 zu sichern und diese als Archivgut potheken, Grund- und Rentenschulden - sowie de- der Nutzung zugänglich zu machen. Die Unterla- ren Vormerkung, Veränderungen und Widersprü- gen nach 1900 dagegen sind Unterlagen der Jus- che vermerkt. Während das Grundbuch früher aus tiz, daher ist das Grundbuchzentralarchiv zugleich einer Loseblattsammlung bestand, existiert nun als Stelle der Justizverwaltung eine Zweigstelle seit geraumer Zeit eine elektronisch erfasste Zu- des Amtsgerichts Ludwigsburgs und gemeinsame sammenstellung von Grundbuchblättern.5 Außenstelle der 13 neuen grundbuchführenden Amtsgerichte. Auskünfte über Grundbucheinträ- Übergabe an das Grundbuchzentralarchiv in ge aus der Zeit nach 1900 werden auf berechtigte Kornwestheim Anfrage Bürger*innen, Notar*innen und Mitar- beitenden der Grundbuchämter erteilt. Das Lan- Die Grundbücher von der Ortsverwaltung Eutingen desarchiv ist dabei ein wichtiger Zuspieler des werden nicht im Stadtarchiv Pforzheim verwahrt, Grundbuchzentralarchivs und dient als Dienstleis- sondern waren an das Grundbuchzentralarchiv ter der Justizverwaltung als ein Zwischenarchiv. Im in Kornwestheim zu übergeben. Denn durch die Grundbuchzentralarchiv in Kornwestheim werden Grundbuchamtsreform in Baden-Württemberg, voraussichtlich ganze 182 Kilometer Archivgut ein- welche 2008 beschlossen wurde, wurden im Zuge gelagert. Ämter und Archive der Kommunen sind der Durchsetzung bis Ende 2017 insgesamt 662 gesetzlich dazu verpflichtet, Grundbuchunterla- Grundbuchämter aufgehoben und in 13 grund- gen abzugeben, damit diese zentral im Grundbuch- buchführenden Amtsgerichten konzentriert – die zentralarchiv verwahrt werden. Davon ausgenom- Zuständigkeiten des Grundbuchamts Pforzheim men sind nur jene Grundbuchunterlagen vor dem liegen nun beim Amtsgericht Maulbronn und die Jahr 1900, die nachweislich schon vor 2011 dem Lagerung der Grundbücher erfolgt im Grundbuch- zuständigen Kommunalarchiv übergeben worden zentralarchiv in Kornwestheim.6 Seit 2012 wurde waren. Da das bei den wiederentdeckten Grund- das Landesarchiv mit dem Aufbau und Betrieb ei- büchern der Gemeinde Eutingen nicht der Fall ist, nes Grundbuchzentralarchivs betraut, in dem alle wurden diese bereits Grundbuchzentralarchiv in Papierunterlagen des Grundbuchwesens verwahrt Kornwestheim abgegeben und nun dort sicher für zukünftige Generationen aufbewahrt. Im Stadtar- 5 Für kurze allgemeinverständliche Erklärungen der chiv Pforzheim verbleiben die Grundbuchunterla- einzelnen Eintragungen im Grundbuch und der dabei gen, die schon vor 2011 dort archiviert wurden, verwendeten Fachbegriffe vgl. bspw. das Grundbuch- nämlich die Grundbücher der ehemals selbstän- Lexikon des Webportals Wohnungswirtschaft im Netz, digen Gemeinden Büchenbronn, Hohenwart, Hu- online unter: https://www.wowi.de/baufinanzierung. chenfeld und Würm. html, abgerufen am 20.11.2020. 6 Vgl. die Informationen der Grundbucheinsichtsstel- le Pforzheim, online unter: https://www.pforzheim. de/stadt/bauen-stadtentwicklung/vermessung-ka- taster/grundbucheinsichtsstelle.html, abgerufen am 22.07.2020. 16 Archivmagazin 2020/3
Archivpraxis Feuerversicherungsbücher aus Eutingen Geschichtlicher Ursprung Marco Tänzer Was hat es eigentlich mit diesen sogenannten Feu- Als eine größere Aktenabgabe der Ortsverwaltung erversicherungsbüchern auf sich? Was war und ist Eutingen an das Stadtarchiv Pforzheim stattfand, das Besondere an ihnen? Feuerbrände waren frü- befanden sich in einem der 24 Umzugkartons un- her im Mittelalter und Neuzeit eines der größten üblich schwere Schätze, und zwar acht Feuerversi- Risiken für das Leib und Wohl der Bevölkerung, cherungsbücher. Diese großen Folianten stammen ein ausbrechendes Feuer konnte auch einen ex- aus den Jahren 1876 und reichen bis ins Jahr 1970. tremen wirtschaftlichen Schaden verursachen. In Wie man unschwer anhand der Bilder erkennen Zeiten von Feuermeldern, handlichen Feuerlö- kann, sind diese Feuerversicherungsbücher nicht schern sowie einer höchst mobilen und modern nur größer als der letzte veröffentlichte Bestseller ausgerüsteten Feuerwehr kann man sich dies zwar in der nächsten Buchhandlung, sondern besitzen schwer vorstellen, aber bis in die Neuzeit gab es auch einen besonderen Einband. zum einen diese wichtigen Entwicklungen nicht und andererseits gab es in den Städten leicht ent- flammbare Baumaterialien und eine hohe Bebau- ungsdichte. Ganze Straßenzüge oder Stadtviertel wurden daher früher durch sich ausbreitende Brände vernichtet. Ursachen für die Feuerkata- strophen waren beispielsweise der unachtsame Umgang mit privaten Feuerstellen im Heim, wäh- rend man etwas kochte, Kerzen, die man verges- sen hatte auszumachen, bevor man sich zur Ruhe legte, oder Mehlexplosionen in Mühlen. Bevor man sich‘s versah, entstand ein Brand und es dauerte nicht lang, da stand auch das Nachbar- gebäude in Flammen, welches wiederum andere Gebäude in Brand setzten konnte und so nicht nur das eigene Haus mit Hab und Gut vernichtete, sondern auch das seiner Nachbarn. Um sich finan- Feuerversicherungsbücher Eutingen (StadtA PF, C7-1315 bis 1322) ziell vor solchen Schäden zu schützen, entstand erstmals im Jahre 1676 die Hamburger Feuerkasse Dieser Einband mit metallenen Scharnieren und und somit die Möglichkeit, Gebäude gegen eine Schrauben sollte dafür sorgen, dass die Blätter entsprechende Gebühr vor möglichen Bränden zu sich in und nicht außerhalb des Buchs befinden. versichern.1 Diese auf staatliche Initiative zurück- Selbst ein Schloss wurde in den Einband integ- gehende Gründung nahmen sich viele Länder des riert, dies kann man problemlos an dem Schlüssel- loch des grünen Buchrückens erkennen. Ein Glück, 1 Vgl. Wieland, Claudia: Versicherungsunterlagen (v.a. dass die Bücher nicht abgeschlossen waren, denn Gebäudebrandversicherung), in: Südwestdeutsche Schlüssel zu den Schlössern wurden nicht ans Ar- Archivalienkunde, online unter: https://www.leo-bw.de/ chiv übergeben. themenmodul/sudwestdeutsche-archivalienkunde/archi- valiengattungen/akten/versicherungsakten, abgerufen am 04.06.2020. Archivmagazin 2020/3 17
Archivpraxis Deutschen Reichs zum Vorbild und eröffneten öf- fentliche Feuerkassen. Diese versicherten zwar die Immobilie, aber nicht das darin befindliche Mobi- liar gegen Brandschaden.2 In Baden war es am 25. September 1758 so weit, es wurde eine Mono- polanstalt namens „Badisch-durlachische Brand- versicherung“ gegründet. Diese Versicherung war verpflichtend und hatte zum Ziel, dass „die Wohl- fahrt unserer Lieben und Getreuen Unterthanen befördert“ wird.3 Diese Anstalt versicherte über 200 Jahre gegen Feuerschaden, ab 1960 wurde durch den Landtag von Baden-Württemberg per Gesetz erlassen, dass auch andere Risiken wie Hochwasser, Hagel, Erdfall und Sturm abgedeckt wurden.4 Ab dem 1. Juli 1994 war aber Schluss mit der staatlichen Zwangsversicherung, denn diese wurde durch eine EU-Regelung abgeschafft, die Ausschnitt Feuerversicherungsbuch (StadtA PF, C7-1316) badische Gebäudeversicherung und die Württem- bergische Gebäudebrandversicherung wurden zur Inhalt und Struktur Gebäudeversicherung Baden-Württemberg verei- nigt. Eine zweischneidige Entwicklung für die Be- Wie imposant der Einband der Feuerversiche- völkerung, da die vorherige Versicherung nicht nur rungsbücher erscheint, wurde bereits gegen An- kostengünstig, sondern auch sicher war. Nachdem fang des Artikels erwähnt, doch was befindet sich nun kurz der geschichtliche Ursprung der Feuer- eigentlich im Inneren? Jeder Eintrag in einem versicherungsbücher beleuchtet wurde, folgen im Feuerversicherungsbuch besteht aus einem Dop- nächsten Abschnitt Informationen über den Inhalt pelblatt. Auf der linken Seite wird vermerkt, ob der Folianten im Stadtarchiv. das versicherte Gebäude einer Firma gehört, und Name oder Bezeichnung derselben vermerkt, da- nach folgen der Name desjenigen, der die Versi- cherung abschließt, Ort, Konto oder Blatt-Nr. und 2 Vgl. Sauer, Paul: 200 Jahre Württembergische Gebäude- schließlich noch eine Zeile für sonstige Bemerkun- brandversicherungsanstalt 1773–1973, Stuttgart 1973.; gen. Kistner, Albert: 200 Jahre Badische Gebäudeversiche- rungsanstalt 1758–1958, Karlsruhe 1958. Auf der rechten Seite beginnt der Eintrag mit der 3 Hofmeyer, Rainer: Nach Unwettern in der Region: Nummer des Anwesens im Grundbuch, denn mit Sehnsucht nach der alten Badischen Gebäudeversiche- der Einführung der Feuerversicherung war es not- rung, Online-Angebot der Rhein-Neckar-Zeitung vom wendig geworden, Gebäude zu nummerieren, 13.8.2016, online unter: https://www.rnz.de/nachrich- danach folgten die Straße und Hausnummer des ten/eberbach_artikel,-Eberbach-Nach-Unwettern-in- Gebäudes. Diese Informationen sind bereits oben der-Region-Sehnsucht-nach-der-alten-Badischen-Ge- am Anfang des Eintrags zu finden. Darauf folgt baeudeversicherung-_arid,214015.html. abgerufen am Name des Gebäudeeigentümers und die Anschrift 21.07.2020. der Wohnung, falls dieser außerhalb des eingetra- 4 Vgl. ebd. genen Gebäudes wohnte und mit dessen Besitz- 18 Archivmagazin 2020/3
Archivpraxis anteil am Gebäude. Weiter unten wird dann die Wirtschafts- und Sozialgeschichte herausgefiltert Bezeichnung des Gebäudes aufgeführt, also ob es werden, so kann man beispielsweise aus den Wert- sich beispielsweise um einen Neubau handelt und schätzungen der Versicherungen herausfinden, ob es ein Wohnhaus ist, ein Schweinestall, eine wie der soziale Stand oder die Vermögenswerte Scheune oder ähnliches. Wie viele Geschosse das einzelner Haushalte beschaffen waren. Wenn eine Anwesen aufweist, wurde ebenfalls vermerkt und Familie beispielsweise versichertes Silbergeschirr welche Baustoffe wie Stein, Ziegel, Holz beim Bau oder Schmuck besaß, zeugt das von einem gewis- des Gebäudes verwendet wurden. Ebenfalls konn- sen Wohlstand und ein Haushalt mit versicherten te dort vermerkt werden, ob das Gebäude über Büchern, Kunst oder Musikinstrumenten verfügte einen Keller verfügt. In sechs weiteren Spalten wohl über einen höheren Bildungsstand als die wurde dann tabellarisch genauestens mit Datum Mehrheit der Bevölkerung.6 protokolliert, wann ein Abgang oder Zugang zur Feuerversicherung stattgefunden hat. Ein Zugang Man sieht also, es lohnt sich nicht nur, die schwe- konnte zum Beispiel entstehen, wenn ein neu- ren Bücher zu transportieren, sondern auch sie zu er Schuppen auf dem Grundstück gebaut wurde verzeichnen und für die Ewigkeit im Archiv zu ar- und nun versichert werden musste, oder wenn im chivieren. Vielleicht finden sich ja auch in naher Gegenteil ein Gebäude abgerissen wurde und es Zukunft interessierte Forscher*innen, denen die daher keine Versicherung mehr benötigte und aus Feuerversicherungsbücher aus Eutingen (StadtA dem Buch gestrichen wurde; dies wird als Abgang PF, C7-1315 bis 1322) bei einer wissenschaftlichen bezeichnet. Die Neubaukosten des Gebäudes, Arbeit helfen können, oder Bürger*innen aus Eu- die Versicherungssumme, das Umlagekapital und tingen, die sich privat dafür interessieren, wie es eine Spalte für sonstige Bemerkungen wurden in früheren Zeiten um die Gebäude und Haushalte dort ebenfalls vermerkt. ihrer Umgebung bestellt war. Bedeutung für die Forschung So gestaltet sich der inhaltliche Aufbau der Feu- erversicherungsbücher, doch was kann man aus diesen Quellen herausfinden, inwiefern sind die Informationen für die Forschung interessant? Die vorgestellten Unterlagen werden zumeist für Fragestellungen rund um Bau- und Gebäudefor- schung herangezogen, der Inhalt hilft dabei zum Beispiel, das Alter von Gebäuden herauszufinden oder dient auch zur aktuellen Wertermittlung.5 Ebenfalls können wichtige Informationen für die 5 Vgl. Wieland, Claudia: Versicherungsunterlagen (v.a. Gebäudebrandversicherung), in: Südwestdeutsche Archivalienkunde, online unter: https://www.leo-bw.de/ themenmodul/sudwestdeutsche-archivalienkunde/archi- valiengattungen/akten/versicherungsakten, abgerufen am 04.06.2020. 6 Vgl. ebd. Archivmagazin 2020/3 19
Archivpraxis Rückblick auf das Stadtarchiv im Jahr 2019 Übernahme und Bewertung von Unterlagen aus Dr. Klara Deecke unter Mitwirkung von Dr. Son- der Stadtverwaltung ja Hillerich, Sonja Anžič-Kemper, Harald Katz und Martin Zierer 150 laufende Meter Papierunterlagen sowie 27.000 digitale Dateien/Datensätze aus den Äm- Stadtarchiv tern der Stadtverwaltung wurden dem Stadtarchiv 2019 angeboten; übernommen wurden davon 68 Das Stadtarchiv übernimmt, erhält und erschließt laufende Meter und 3.600 Dateien/Datensätze. Ein rechtsrelevante und historisch bedeutende Do- Zugang sei an dieser Stelle zur Illustration ausführ- kumente aus Stadtverwaltung und Stadtgesell- licher behandelt: Die Übernahme von Unterlagen schaft als Archivgut, um sie zur Benutzung für der eingemeindeten Gemeinde Würm. Zwischen unterschiedlichste Zwecke und Fragestellungen 1905 und 1975 wurden sieben Gemeinden in die bereitzustellen. Als Institut für Stadtgeschichte Stadt Pforzheim eingemeindet. Die Archive die- erforscht und vermittelt das Stadtarchiv die Pforz- ser Gemeinden befinden sich – sofern überliefert heimer Geschichte. Mit seinen Tätigkeiten erfüllt - zum Großteil bereits im Stadtarchiv Pforzheim. das Stadtarchiv eine im Landesarchivgesetz und Einzige Ausnahme stellte bis 2019 das Archivgut in der Archivordnung der Stadt Pforzheim fixierte der zum 01.09.1971 eingemeindeten Gemeinde kommunale Pflichtaufgabe. Würm dar. Mit der Bewertung und Übernahme eines großen Teiles der Registratur der früheren Zum Jahresende 2019 lag der analoge Gesamtbe- Gemeinde Würm wurden nun auch weite Teile des stand bei knapp 3.000 laufenden Metern Archiv- Archivguts der Gemeinde Würm identifiziert und gut und knapp 2.000 Metern Bibliotheksgut. Der im Stadtarchiv magaziniert. Besonderheiten des digitale Gesamtbestand belief sich auf 960 Giga- Archivguts der Gemeinde Würm liegen unter an- byte digitales Archivgut im digitalen Magazin DI- derem darin begründet, dass Würm bis 1805/1806 MAG sowie 17 Terabyte digitale Master und 1,5 kein badischer, sondern ein reichsritterschaftli- Terabyte digitale Nutzungsformen von Archivgut, cher Ort war, und die frühere Waldgemarkung Ha- die auf städtischen Servern gespeichert sind. genschieß bis zu ihrer Auflösung in den 1920ern von der Gemeinde Würm (Grundbuchamt Würm) Personalia verwaltet wurde. Das Gemeindearchiv Würm (Ar- chivbestand C3) beinhaltet über 1.000 Archivgut- Mehrere personelle Veränderungen begleiteten einheiten. Diese umfassen ca. 38 Meter und 45 das Stadtarchiv im Jahr 2019. Der Stellvertreten- Großformate. In den angebotenen Unterlagen der de Archivleiter Dr. Patrick Sturm verließ das Team, Registratur der Gemeinde Würm befanden sich um Leiter des Stadtarchivs Siegen zu werden. Sei- auch mehrere Pakete mit verpackten Stimmzet- ne Nachfolgerin ist seit Mai Dr. Sonja Hillerich. Im teln. Sie waren mit Schnüren, kleinen Papiersie- August ging der langjährige Sammlungsarchivar gelchen und Gemeindestempeln gesichert. Laut Harald Katz in den Ruhestand. Um das Team wie- dem Bewertungsmodell "Wahlunterlagen" des der komplett zu machen, verstärkt Marco Tänzer Stadtarchivs sind Stimmzettel grundsätzlich nicht als Archivar für amtliche Bestände und Vereinsbe- archivrelevant. Es werden lediglich beispielhaft ei- stände das Stadtarchiv. nige Stimmzettel archiviert, um das Erscheinungs- bild zu dokumentieren. Die Ergebnisse der Aus- zählung der Stimmzettel werden an anderer Stelle überliefert. Im Gemeindearchiv Würm befinden 20 Archivmagazin 2020/3
Archivpraxis das private und geschäftliche Leben sowie das Schicksal dieser Pforzhei- mer Familie, das seit 1905 rekonstru- iert werden kann. Sie ist ein Beispiel für viele Familien, die beide Welt- kriege erlebt haben und sich mit den jeweiligen Folgen auseinander setzen mussten. Die Unterlagen des Nachlas- ses des Künstlers Wilhelm Reble zeigen mit seinen Feldpostbriefen die Situati- on eines Soldaten im Zweiten Welt- krieg und stellen mit seinen dem Ar- chiv überlassenen Zeichnungen aus der militärischen Zeit (2. Weltkrieg) sowie aus der Folgezeit eine aussagekräftige Versiegelte Stimmzettel aus der Registratur der Gemeinde Würm Quelle dar – und auch einen wichtigen Baustein sich derzeit Stimmzettel der Bundestagswahl zur Geschichte von Pforzheim. Vergleichsweise 1969 (C3-461), Stimmzettel des Volksentscheids starken Zuwachs erhielt die Fotosammlung mit zur Wiederherstellung Badens 1970 (C3-462) so- über 6.000 neuen Archivguteinheiten, darunter wie Stimmzettel der Bürgeranhörung in Würm am Digitalisaten von Fotoalben mit Abbildungen aus 14.03.1971 über die geplante Eingemeindung in Dillweißenstein aus der Zeit 1908 bis 1914. Die Ar- die Stadt Pforzheim (C3-463). chivbibliothek wurde um knapp 900 Medienein- heiten erweitert. Ergänzungsdokumentation Digitale Langzeitarchivierung Neben der Überlieferung amtlicher Unterlagen archiviert das Stadtarchiv auch Bestände und Ein- Mindestens ebenso wichtig wie bestandserhal- zeldokumente privater Herkunft. Sieben Nach- terische Maßnahmen am papiergebundenen Ar- lässe im Umfang von insgesamt einem laufenden chivgut sind Anstrengungen zur dauerhaften Er- Meter, zwei Zugänge von Privatunternehmen (1,7 haltung des digitalen Archivguts. Die Speicherung laufende Meter und knapp 2.000 Dateien) und 0,7 im Fachverfahren DIMAG, das in Pforzheim seit laufende Meter Vereinsschriftgut wurden 2019 2018 im Produktivbetrieb eingesetzt wird, ist ein übernommen. Im Sammlungsbereich waren grö- wichtiger Baustein dieser komplexen und zeitin- ßere Akquisen 2019 nicht zu registrieren, die Er- tensiven neuen Kernaufgabe. 2019 kamen 420 GB werbungen verteilten sich recht gleichmäßig auf digitaler Archivalien neu hinzu, so dass das digita- die verschiedenen Sammlungsgebiete. Ankäufe le Archivgut der Stadt Pforzheim Ende Dezember konnten bei Auktionen vor Ort und über Internet, 2019 insgesamt 958 GB umfasste. Durch die Spei- bei Antiquariaten und Privatpersonen getätigt cherung in DIMAG ist die Authentizität und Inte- werden. Zwei besonders bemerkenswerte Nach- grität digitaler Archivalien gewährleistet. Um die lässe konnte das Stadtarchiv 2019 in die Bestände dauerhafte Lesbarkeit der Daten sicherzustellen, aufnehmen: den Nachlass der Familie Zorn und wurden im Vorfeld der Speicherung an den rund den Nachlass von Wilhelm Reble. Die Unterlagen 2000 neuen digitalen Verzeichnungseinheiten des Nachlasses der Familie Zorn spiegeln sehr gut präventive Maßnahme der Bestandserhaltung wie Archivmagazin 2020/3 21
Archivpraxis Formatmigration und Prüfungen mit Spezialsoft- Ende 2019 nun über 126.000 Datensätze im Archiv- ware vorgenommen. informationssystem zur Recherche zur Verfügung. Das Portal Findbuch.Net (http://www.stadtarchiv- Weil die Aufgabe der Digitalen Langzeitarchivie- pforzheim.findbuch.net), auf dem Nutzer*innen rung sehr komplex ist, nur geringe Erfahrungs- bereits von zuhause aus online in Beständen re- werte vorliegen und noch nicht für alle Probleme cherchieren können, wurde weiter ausgebaut. geeignete Lösungsansätze existieren, ist der Aus- Stand Ende 2019 sind aus allen Bestandsgruppen tausch mit anderen Archiven besonders wichtig. Bestände in Findbuch.Net recherchierbar, insge- Besonders mit Blick auf landeseinheitliche oder in samt 62 Bestände mit 76.000 Verzeichnungsein- vielen Kommunalverwaltungen eingesetzte Fach- heiten. Immer häufiger erreichen das Stadtarchiv verfahren bieten archivübergreifende Kooperatio- gezielte Anfragen zu Beständen Archivalien, die im nen wie die AG Archivexporte eine große Chance, Web über Findbuch.Net recherchiert wurden. die Herausforderungen der digitalen Langzeitar- Im ebenfalls online recherchierbaren Katalog chivierung zu bewältigen. So lief die Aussonde- (OPAC) der Archivbibliothek sind Ende 2019 über rung aus dem Gewerberegister, die technisch von 117.000 Medieneinheiten Bibliotheksgut ver- Iteos umgesetzt wurde, reibungslos ab. Um die zeichnet, über 2.000 Medieneinheiten mehr als Entwicklung ähnlicher Lösungen auch für andere im Jahr 2018. Fachverfahren zu unterstützen, beteiligt sich das Stadtarchiv Pforzheim aktiv an der AG Archivex- Nutzung: Vorlage von Archivgut, schriftliche Aus- porte und einzelnen Unterarbeitsgruppen. künfte und Benutzerberatung Für die Nutzung erschlossen: Ordnung und Ver- 378 Lesesaalbenutzer*innen vor Ort sowie 519 zeichnung von Archivgut schriftliche Anfragen sind die Kennzahlen des Jah- res 2019 in diesem Bereich. Damit setzt sich der Die Erschließung von Archivgut stellte auch im Jahr 2019 einen Arbeitsschwerpunkt des Stadtarchivs dar. Über 140 laufende Meter Archivgut wurden in der Datenbank erfasst und können damit künf- tig Nutzerinnen und Nutzern vorgelegt werden. Dies entspricht einem Zuwachs von 7.200 neuen Verzeichnungseinheiten. Der Schwerpunkt (134 laufende Meter bzw. 4.300 laufende Meter) lag im Bereich der amtlichen Bestände. Damit wurde erneut nicht nur das Ziel erreicht, jährlich so viele Unterlagen zu erschließen wie übernommen wur- den, sondern es wurden auch Erschließungsrück- stände aufgeholt. Zusammen mit den durch Retrokonversion, d. h. die Übertragung älterer, außerhalb des aktuellen archivischen Fachinformationssystems befindli- cher Findmitteldaten in die aktuelle Datenbank, Über 3.000 Verzeichnungseinheiten in 500 Archivboxen wer- ergänzten Verzeichnungseinheiten stehen Stand den zur Massenentsäuerung abtransportiert 22 Archivmagazin 2020/3
Archivpraxis Trend des Vorjahres fort, nach dem die Zahl der Benutzungen vor Ort sinkt, die Zahl der schriftli- chen Anfragen dafür steigt. Fast die Hälfte der An- fragen bezieht sich auf das Personenstands- und Meldewesen. Sicherung und Bewahrung: Bestandserhaltung als Daueraufgabe In der Bestandserhaltung wurde ein großes Projekt zur Papierentsäuerung durchgeführt: insgesamt wurden rund 2 Tonnen Archivgut durch einen ver- sierten Dienstleister in einem Mengenverfahren Hebel-Schulleiter Bernhard Steger (l.), Fachleiter Geschichte entsäuert und mit einer alkalischen Reserve verse- Ben Häfner und die stellv. Archivleiterin Dr. Sonja Hillerich unterzeichnen die Vereinbarung zur Bildungspartnerschaft hen. Auf diese Weise wird der materialimmanen- Historische Bildungsarbeit, Vermittlung und Öffentlichkeits- te Papierzerfall nachhaltig aufgehalten. Insgesamt arbeit (Foto: Klinner) konnte so die Erhaltung von knapp 50 Laufmeter Archivgut aus sieben Beständen, darunter Dezer- Nachlass des weltbekannten Bergsteigers Walter nat 1, Polizeiamt, Chemisches Untersuchungsamt Stößer aus Pforzheim archivgerecht verpackt. Um und Ausgleichsamt für die Zukunft gesichert wer- das Magazinklima als ganz maßgeblichen Faktor in den. Daneben wurden aber auch weitere schwer der Bestandserhaltung zukünftig besser überwa- brandgeschädigte Unterlagen aus dem Bestand chen zu können, wurden moderne Klimamessge- des ehemaligen Schlachthofs (B71) in einem auf- räte angeschafft, die Langzeitmessungen durch- wändigen Einzelblattverfahren restauriert. Ver- führen und digitale Auswertungen zulassen. kohltes Papier wurde entfernt, die zusammenge- backenen Seiten vorsichtig voneinander gelöst Auch die Digitalisierung analoger Unterlagen wur- und das von Substanzverlust bedrohte Papier mit de vorangetrieben, um einerseits die Originale zu dünnen Japanpapieren stabilisiert, so dass die res- schonen und zugleich den Nutzungskomfort zu taurierten Stücke wieder benutzt werden können. erhöhen. So wurden aus dem Bestand S1 – Foto- Auch die Schadensprävention nahm wieder einen sammlung 1400 Fotokarten digitalisiert. Aus dem hohen Stellenwert ein, so wurden über 70 Lauf- Teilbestand S1-08-Strassen wurden die Buchsta- meter papiergebundene Unterlagen durch die ben G bis K, also Goldschmiedeschulstraße bis Mitarbeiter*innen des Stadtarchivs konservato- Julius-Heydegger-Straße, digitalisiert. Wegen der risch behandelt. Dies umfasst die Entfernung von komplexen Struktur des Bestands mit den drei Metallbügeln, Tackerklammern, Büroklammern, Zeitstufen vor dem Krieg, im Zustand der Kriegs- Plastikfolien, Gummiringen und Haftnotizen, die zerstörung und in wiederaufgebautem Zustand im Laufe der Jahrzehnte mit dem Papier reagie- stellte die strukturierte Ablage und Benennung ren und es schädigen, sowie die Umverpackung der Dateien eine Herausforderung dar. Die sorg- in spezielle säurefreie Mappen und Archivkartons, fältige Überprüfung der Ausführung gewährleiste- die als Schutz vor mechanischen Beschädigungen te die gute Qualität des Ergebnisses. Auf Basis der dienen und einen Puffer gegenüber schädigenden Erfahrungen wurden Vorbereitungen getroffen für Umwelteinflüssen darstellen. So wurden auch ein Projekt zur Digitalisierung von Zeitungen, das mehr als tausend Glas- und Filmnegative aus dem im kommenden Jahr umgesetzt wird. Archivmagazin 2020/3 23
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