Rund um den Genfersee - cipel
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Rund um den Genfersee Informationsbulletin der Internationalen Kommission zum Schutz des Genfersees Nr. 54 | Juni 2017 © L. Bonjour Château de la Tour Bertholod und sein Weinberg oberhalb des Genfersees, Lutry (Waadt) Editorial Die Entwicklung der Temperaturen im Alpenraum und die Szenarien potenzieller Veränderungen bewogen die CIPEL bereits zu Beginn des Aktionsplans 2011-2020, die Auswirkungen des Klimawan- Inhalt dels auf den Genfersee abzuklären, um dieses sensible Ökosystem und wichtige Trinkwasserreser- DOSSIER...................................... 2 voir für die Bevölkerung zu bewahren. Die Thematik wirft wichtige Fragen auf: Welche Auswirkun- gen sind bereits feststellbar? Mit welchen ist in Zukunft zu rechnen? Wie können wir sie messen? Anfälligkeit des Genfersees auf den Klimawandel Welche Entscheide sind zu treffen, um unsere Wasserressourcen zu schützen? • Wassertemperatur und Leben Die CIPEL ist bestrebt, mit ihrem Know-how und den Informationen, die sie seit 1957 mit ihrem Pro- im Genfersee gramm zur Kontrolle der Wasserqualität erhebt und heute als Kenngrössen zur Beurteilung des Kli- • Eine Online-Plattform fühlt dem mawandels nutzt, ihren Beitrag zu Erkenntnissen und Antworten zu leisten. Genfersee auf den Puls • Der Klimawandel und sein Ein- Mit der Unterzeichnung des Abkommens von Paris über die Anpassung an den Klimawandel von fluss auf das thermische Poten- 2015, das im Rahmen der COP 21 verabschiedet wurde, bekräftigt die CIPEL ihr Engagement zur zial des Genfersees Erhebung und Valorisierung von Informationen für das Verständnis und den Schutz des Ökosystems. • Die öffentliche Hand und die Diese Kenntnisse helfen, alle Kreise zu sensibilisieren, die von den Auswirkungen des Klimawandels Auswirkungen des Klimawan- dels auf die Wasserressourcen betroffen sind. So wissen wir etwa dank kürzlich eingeführten regelmässigen Beobachtungen der Reproduktionszeiten gewisser Fischpopulationen mehr über die Konsequenzen des Klimawandels KURZNAchRICHTEN.................... 8 für diese Arten. Dieses Wissen geben wir an das Fischereiwesen weiter, das nun Massnahmen zur nachhaltigen Sicherung der Fischressourcen treffen kann. Diese Monitoring- und Informationsaufgabe, die die CIPEL für kommende Generationen auf lange Sicht übernehmen muss, gründet auf regelmässigen und soliden Analysen und Untersuchungen. Für die Genferseeregion liegen nun erste Elemente vor, die wir Ihnen in dieser Ausgabe erläutern. Audrey Klein – Generalsekretärin der CIPEL
DOSSIER | KLIMAWANDEL © J.-M. Zellweger Der Genfersee Anfälligkeit des Genfersees auf den Klimawandel Stéphanie Mercier – Der Klimawandel ist ein hochsensibles und Be- tie der Restwassermengen für den Schutz der Kommunikationsbeauf- sorgnis erregendes Thema, dessen Hypothesen Artenvielfalt, weil gerade die Restwassermengen tragte der CIPEL und Entwicklungsszenarien in Wissenschaft, durch den Klimawandel unter Druck kommen Politik und Medien kontrovers diskutiert wer- könnten. den. Der Genfersee unter der Lupe Die Folgen des globalen Klimawandels betref- Doch nicht nur die CIPEL interessiert sich für fen auch den Genfersee: Welche Veränderun- den Genfersee. Forschende verschiedenster gen sind bereits erkennbar? Inwiefern ist die Institutionen beschäftigen sich mit dem See Wassererwärmung Grund zur Sorge? Welche und seinem Einzugsgebiet. Zwei Untersuchun- Prognosen lassen sich für die nächsten Jahre gen sollen in dieser Nummer vorgestellt wer- abgeben? Welche Untersuchungen sind noch den: eine Studie befasst sich mit der Dynamik nötig, um die Auswirkungen zu begreifen und des Sees (Modellierung durch die Eidgenös- mögliche Anpassungen vorwegzunehmen? Dies sische Technische Hochschule Lausanne – sind einige der Fragen, die sich für den Genfer- EPFL), die andere analysiert die Auswirkungen see stellen und für die das vorliegende Dossier des Klimawandels im Hinblick auf die Nutzung Elemente einer Antwort entwirft. des thermischen Potenzials des Genfersees (Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs – Schwerpunkt des Aktionsplans 2011-2020 der EAWAG). CIPEL Die Auswirkungen des Klimawandels auf den All diese konsolidierten Erkenntnisse sowie die Genfersee frühzeitig erkennen, um den See noch laufenden Studien dienen den Behörden besser zu schützen, so lautet einer der Schwer- als Grundlage für Adaptationsmassnahmen. punkte des neuen Aktionsplans der CIPEL. Alle Akteure rund um den Genfersee nehmen Hierzu braucht es Datenerhebungen für die sich das Thema zu Herzen und arbeiten mit Analyse des Istzustands und die Prognosen Hochdruck an Strategien und Instrumenten für künftiger Entwicklungen. Ausserdem müssen die Zukunft des Sees und seiner Anwohner. wir die Funktionsweise des Sees und seine Dy- namik besser verstehen, um die Veränderungen Eine hochkomplexe Fragestellung, gewichtige optimal zu begleiten. Die langfristigen Untersu- Herausforderungen und viele Anspruchsgrup- chungen der CIPEL (zu Wassertemperatur und pen – so lässt sich der Themenkreis Klimawan- Fischreproduktion) weisen in diese Richtung. del auf den Punkt bringen. Mit diesem Dossier Der Aktionsplan der CIPEL formuliert zudem wollen wir erste Antworten für den Genfersee Ziele für Fliessgewässer, namentlich zur Garan- und seine Region ansprechen. 2 | Rund um den Genfersee Nr.54 | Juni 2017
DOSSIER | KLIMAWANDEL Wassertemperatur und Leben im Genfersee Brigitte Lods-Crozet – Direktion für Umwelt, Kanton Waadt & Stéphanie Mercier – CIPEL Bereits seit 1957 wird die Wassertemperatur könnten gemäss einer Modellierung der Uni- des Genfersees regelmässig ermittelt. Diese versität Genf von 2012 die Schichtungsphasen Die Tiefenzirkulation des reichhaltige Datenbasis – eine der längsten verlängern. Was bedeutet dies für die Tiefen- Genfersees in Zahlen Messreihen für einen See – zeichnet bestimmte zirkulation? Noch ist dies schwierig abzuschät- Entwicklungen nach. So stieg die Temperatur zen. 2016 modellierten die EPFL und die • Es entsteht ein Temperatur- des Tiefenwassers (in über 300 Metern Tiefe) EAWAG die Wassertemperaturen bis 2100 und gefälle zwischen dem Ober- von 4.4°C im Jahresmittel für 1963 auf 5.5°C prognostizierten eine Verringerung der Tiefen- flächenwasser (bis ca. 30 m für 2016. Damit ist das Tiefenwasser in einem zirkulation und damit der Sauerstoffzufuhr des Tiefe), das im Sommer über halben Jahrhundert um 1.1°C wärmer gewor- Tiefenwassers. Diese Aspekte verdienen beson- 25°C warm werden kann, den. Das Oberflächenwasser (in 5 Metern Tiefe) dere Aufmerksamkeit. und dem Tiefenwasser, des- erwärmte sich um 2°C von 10.9°C im Jahr 1970 sen Temperatur höchstens auf 12.9°C für 2016. Ausserdem müssen die Forschenden Einfluss- 6°C beträgt. faktoren berücksichtigen, die heute noch wenig Warum ist die Untersuchung der Wassertem- bekannt sind. So werden die Wassertemperatu- • Letzte vollständige Tiefen- peraturen so wichtig? Wie wirken sich höhere ren nicht nur durch den Klimawandel, sondern zirkulationen: 2012, 2006, Wassertemperaturen auf den See aus? auch durch die atmosphärische Zirkulation 2005, 1999, 1986, 1985, (siehe Rahmen auf der folgenden Seite) oder 1984, 1979. die Erhöhung der Sonnenstrahlung beeinflusst. • Unvollständige Tiefenzirku- TEMPERATUREN BEEINFLUSSEN DAS Diese Interaktionen sind noch Gegenstand von lationen erfolgen häufig nur HYDRODYNAMISCHE VERHALTEN Forschungsarbeiten. bis 100-200 m Tiefe (200 m Der See ist ein dynamisches Ökosystem, des- Indikatoren für die Gesundheit des Sees für 2017). sen gesamte Funktionsweise durch die Was- Die Komplexität der Fragestellung zeigt die • Sauerstoff auf dem See- sertemperatur bestimmt wird. Alljährlich im Notwendigkeit für ein Monitoring der Seedyna- grund im Jahresmittel für Frühling erwärmt sich das Wasser der oberen mik. Mit der Konsolidierung der Erkenntnisse 2016: 1.8 mg/L, d.h. unter Seeschichten, was seine Dichte verändert. Das und einem besserem Verständnis des aktuellen den Anforderungen der wärmere Oberflächen- und das kältere Tiefen- Zustands verfügen wir über eine solide Aus- Gewässerschutzverord- wasser bilden Schichten, die sich nur schwer mi- gangslage für eine Untersuchung der Klima- nung (4 mg/L). schen. Dieses Phänomen wird als «thermische veränderungen. In diesem Sinne will die CIPEL Schichtung» bezeichnet. drei Indikatoren weiter untersuchen oder ent- wickeln: Im Herbst kühlen die oberflächennahen • die Wassertemperatur des Oberflächenwas- Schichten wieder ab. Die Temperaturdifferenz sers (0 - 10 m Tiefe); zwischen den verschiedenen Wasserschich- • den Zeitpunkt des Beginns der Schichtung; ten verkleinert sich, bis die Dichte der oberen Schichten so hoch ist, dass diese absinken. • die Dauer der Schichtungsphase. Wenn sich bis zum Ende des Winters die Tem- peraturen angleichen, kann bei geeigneten Wetterbedingungen diese Durchmischung bis in grosse Tiefen und in einem kalten Winter sogar bis zum Seegrund erfolgen. Man spricht © CIPEL dann von einer «Tiefenzirkulation». Die Tiefenzirkulation spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit des Sees. Sie führt sauer- stoffreiches Wasser in tiefere Seeschichten und bringt Nährstoffe in Bewegung – Phänomene, von denen das Leben im Wasser abhängt. © CIPEL Und der Klimawandel? Temperaturänderungen, insbesondere höhere Temperaturen im Frühjahr und im Sommer, Rund um den Genfersee Nr.54 | Juni 2017 | 3
DOSSIER | KLIMAWANDEL © P. Louvrier Eglischwarm im Genfersee FAUNA UND FLORA DES GENFERSEES sich dank dem grösseren und früheren Zoo- planktonangebot schneller entwickeln. Sollte Alles Leben im Wasser wird stark durch Umwelt- hingegen die Erwärmung noch zunehmen, faktoren bestimmt, wobei die Wassertemperatur so besteht die Befürchtung, dass sich gewisse eine besondere Rolle einnimmt. Hinzu kommt, Arten wie Felchen oder Saiblinge nicht mehr dass die einzelnen Organismen voneinander im Genfersee fortpflanzen können, weil ihre abhängen: Veränderungen bei den Wachstums- Laichbedingungen nicht mehr gegeben sind. phasen von Plankton zeigen etwa Auswirkungen Dieser letzte Punkt unterstreicht die Bedeu- auf gewisse Fischarten, die sich von Plankton tung von Indikatoren, damit Massnahmen für ernähren. das Management der Fischbestände getroffen werden können, die an den Lebensraum ange- Frühzeitiges Planktonwachstum passt sind. Atmosphärische Zirkula- Messungen im Genfersee belegen, dass der tion und Auswirkungen auf Höhepunkt des Planktonwachstums im Frühling Unterschiedliche Einflussfaktoren den Genfersee einige Wochen früher erfolgt. Ähnliches gilt für Dabei kommen unterschiedliche Einflussfak- den Beginn des Wachstums des Zooplanktons toren zum Tragen: der Anstieg der Wassertem- Nordatlantische Oszillation und des Klarwasserstadiums1. Ein geänderter peraturen erfolgt in einem sich wandelnden (NAO), Atlantische Multide- Planktonkreislauf hat aber Konsequenzen für Ökosystem, wobei die meteorologischen Phäno- kaden-Oszillation (AMO), die Fische, die sich von Plankton ernähren, wie mene noch hinzukommen. Zudem verändern El Niño und andere atmos- etwa die Felchen, die häufigste Fangart im Gen- sich die Bedingungen des Lebensraums, etwa phärische Strömungen sind fersee. bei den für alle Wasserlebewesen unverzicht- Beispiele von Zirkulationen, baren Nährstoffen, namentlich beim Phosphor, Wassertemperaturen beeinflussen den Fisch- dessen Gehalt innerhalb der letzten Jahrzehnte deren Schwankungen nicht bestand stark schwankte (siehe Rund um den Genfersee menschengemacht sind. Zwischen der Entwicklung der Fische und den Nr. 52). Mikroverunreinigen, invasive Neophy- Aber diese vielfach noch we- Wassertemperaturen besteht ein enger Zusam- ten oder das Management der Fischbestände nig bekannten Phänomene menhang, vor allem bei der Reproduktion. So bilden weitere Variablen. zeigen ebenfalls Auswir- benötigen Egli zum Laichen eine Temperatur kungen auf den Genfersee. von 10°C. Umgekehrt laichen Felchen und Saib- Um die Auswirkungen auf die Fischressourcen Die merkliche Erwärmung linge erst bei Temperaturen unter einem be- unabhängig von dieser Vielzahl von Faktoren zu des Tiefenwassers, die seit stimmten Grenzwert, für den Seesaibling bei- überwachen, erarbeitete die CIPEL Indikatoren 20 Jahren in europäischen spielsweise liegt dieser bei 8°C in 50 bis 100 m zu den Laichdaten gewisser Arten, deren Repro- Binnenseen beobachtet Tiefe. Mit den Klimaveränderungen werden duktionszyklus durch die Wassertemperaturen diese Werte schneller erreicht, so dass die Laich- bestimmt wird: wird, zeugt vom Einfluss periode dieser Arten früher beginnt. Diese Ent- dieser Zirkulationsschwan- wicklung ist bereits für den Egli dokumentiert, • Laichdaten von Felchen kungen, etwa dem Anstieg der im Vergleich zu den letzten 30 Jahren nun • Laichdaten von Egli positiver NAO-Phasen, die deutlich früher im Jahr ablaicht. Für Felchen das Klima beinahe überall in wurden die entsprechenden Studien in Angriff Wie sich diese Veränderungen auf den Gen- Europa beeinflussen. genommen, für den Saibling sind sie in der Ver- fersee auswirken werden, ist noch schwie- suchsphase. rig abzuschätzen. Die Klimamodelle gehen nämlich nicht nur von höheren Temperaturen, Felchen profitieren derzeit vom wärmeren Was- sondern auch von einer Veränderung der Nie- ser, weil dies die Bedingungen für das Über- derschlagsdynamik und der Wasserstände in leben der Eier verbessert und die Jungfische der Rhone aus, was wiederum die Wasser- und damit die Nährstoffzufuhr in den Genfersee 1 Phase, in der sich der entwickelnde Zooplankton vom beeinflusst. Die CIPEL bleibt dran! Phytoplankton ernährt, dies bewirkt eine radikale Ver- ringerung des Phytoplanktons im Wasser und wird als «Klarwasserstadium» bezeichnet. 4 | Rund um den Genfersee Nr.54 | Juni 2017
DOSSIER | KLIMAWANDEL Eine Online-Plattform fühlt dem Genfersee auf den Puls Theo Baracchini – Doktorand am Labor für Physik aquatischer Systeme der EPFL Seen sind eigentliche Frühwarnsysteme des Vertiefte Kenntnis des Genfersees hilft Aus- Klimawandels. Dank der grossen Vielfalt an wirkungen des Klimawandels abschätzen Lebensräumen lässt sich die unterschied- Jüngsten Studien zufolge erwärmen sich die liche Reaktion einzelner Ökosysteme auf Seen viel schneller als die Ozeane oder die Umweltveränderungen evaluieren. Jeder See Atmosphäre, was ihre physikalische und öko- besitzt eine erhebliche biologisch-physika- logische Funktion signifikant beeinflusst. Der lische Variabilität, die es als Ganzes zu verste- Haupteffekt ist eine verstärkte Schichtung hen gilt. Um unsere Kenntnisse zu verfeinern, (Trennung zwischen Oberflächen- und Tie- können übliche Untersuchungsmethoden, etwa fenwasser) und damit eine verringerte Tiefen- Entnahmen von Proben ein oder zweimal pro zirkulation – mit schwerwiegenden Folgen für Monat an einem gleichen Messort, vorteilhaft die Gesundheit des Ökosystems: es gelangt we- durch Modellrechnungen ergänzt werden. niger Sauerstoff in die tieferen Wasserschichten (siehe Artikel S.3). Dank Meteolakes kann die Dies ist das Ziel von Meteolakes, einer Online- Schichtung einfach überwacht und über Jahre Plattform für das Monitoring des Genfersees, hinweg untersucht werden. Diese Informatio- die mit digitalen 3D-Simulationen, Satelliten- nen stehen Forschenden, Behörden und allen bildern und Messdaten und anhand komplexer interessierten Personen zur Verfügung. Datenassimilationsalgorithmen die künftige Entwicklung des Sees modelliert. Das Projekt Die Online-Plattform modelliert kurzfristig (5 wurde mit Mitteln der Europäischen Welt- Tage im Voraus) Temperaturveränderungen und raumorganisation finanziert und in Zusam- Strömungswechsel. Sauerstoffgehalt und Algen- © D. Bouffard menarbeit mit dem Nationalen Institut für konzentration sollen in einem nächsten Schritt Die Messstation Buchillon, deren Messdaten auf Meteolakes einsehbar Agrarforschung INRA (Institut national de la integriert werden. Langfristig ermöglicht das sind. recherche agronomique) in Thonon-les-Bains 3D-Modell anhand meteorologischer Szenarien realisiert. eine Simulation der biologisch-physikalischen Entwicklung des Sees für jeden beliebigen Punkt. Seephysik in Echtzeit Dieses technisch höchst ausgereifte 3D-Prog- Die Plattform bedient eine ganze Reihe von nosemodell für den Genfersee ist eine absolute Nutzern rund um den Genfersee: Weltpremiere! • Forschenden ermöglicht sie eine gezielte meteolakes.epfl.ch macht die vergangene, Planung ihrer Messkampagnen sowie die Un- gegenwärtige und künftige biologisch-physika- tersuchung und Vorhersage von häufig über- lische Gesundheit des Genfersees sichtbar. gangenen Phänomen wie dem Aufquellen von Tiefenwasser; • Fischern zeigt sie Bereiche mit starkem Tem- peraturgefälle und hohem Fischreichtum; • Behörden und Ämtern erleichtert sie das Wassermanagement, z.B. für Pumpstationen (für eine thermische Nutzung) oder sie kann als Kontrollinstrument bei Seeverschmutzun- gen dienen; • einem breiten Publikum macht sie bewusst, Homepage von Meteolakes dass der See ein dynamisches Ökosystem und Links: Temperaturkarte, rechts: Strömungskarte (Geschwindigkeit und Richtung) ein schützenswertes Gut darstellt. © Meteolakes - T. Baracchini Rund um den Genfersee Nr.54 | Juni 2017 | 5
DOSSIER | KLIMAWANDEL Der Klimawandel und sein Einfluss auf das thermische Potenzial des Genfersees Adrien Gaudard – EAWAG Einfluss des Klimawandels Bei den Veränderungen aufgrund des Kli- mawandels zeichnen sich zwei Trends ab: Einerseits erwärmt sich der See als Ganzes, © Pixabay.com was besonders für die oberflächennahen Was- serschichten im Frühling und im Sommer gilt. Der See dürfte sich daher generell besser für die Wärmenutzung als zur Kühlung eignen. Da hingegen eher mit wärmeren Wintern und Som- mern zu rechnen sein wird, sollte die Nachfrage nach Kühlung zu-, bzw. nach Heizung abneh- men. Diese Entwicklungen stehen aber einer ther- mischen Nutzung des Genfersees nicht im Im Herbst und Winter ist das Wasser der Seen manchmal deutlich wärmer als die Umgebungsluft, was die Wege. Heute übersteigt das Potenzial und die Seen zu ausgesprochen effizienten Wärmelieferanten macht Nachfrage nach Heizung jene nach Kühlung, zumal die Temperaturen in den tieferen See- Thermische Nutzung des Genfersees schichten für Kühlungszwecke niedrig genug Wie viele Schweizer Seen ist der Genfersee ein bleiben. Dennoch sollte warmes Wasser mög- gigantisches Wärme- und Kältereservoir. Mit lichst nicht in oberflächennahe Schichten kaltem Wasser werden im Sommer Gebäude zurückgeleitet werden, da sich hier die Folgen und Industrieanlagen gekühlt, im Winter heizt der Klimaveränderungen bereits jetzt und in man ganze Quartiere mit der Wärme, die Wär- Zukunft noch ausgeprägter bemerkbar machen. mepumpen dem Seewasser entziehen. Aufgrund Soweit möglich ist diese Abwärme mittels Wär- seines immensen Volumens könnte der Genfer- metauschern zu nutzen, damit kälteres Wasser see in naher Zukunft der gesamten Region als in den See zurückgeführt werden kann. saubere und erneuerbare Energiequelle dienen. Begrenzte Auswirkungen auf aquatische Musterbeispiel EPFL/UNIL-Campus Lebensräume Die Eidgenössische Technische Hochschule Mit der thermischen Nutzung des Sees und Lausanne (EPFL) und die Universität Lau- dem Durchlauf durch Heiz- oder Kühlanlagen entstehen Kalt- oder Warmwasserströme, deren sanne (UNIL) nutzen seit beinahe 40 Jahren Temperatur einige Grade über oder unter dem für die Heizung und Kühlung ihrer Gebäude das Wasser liegt, in das sie zurückgeleitet werden. Wasser des Genfersees, das sie in 65 m Tiefe Diese Einleitungen können lokal die Seephy- anpumpen. sik oder den Lebensraum von Wasserlebewesen In den letzten Jahren wurden jedoch im Herbst verändern. punktuell ausgesprochen hohe Temperaturen Eine Studie der EAWAG weist nun nach, dass eine verzeichnet (bis zu 13°C statt der üblichen 6 behutsame Rückgabe von thermisch genutz- bis 7°C), was für die Kühlung von Gebäuden tem Wasser (je nach Einleitungsmenge von und Rechnern Probleme birgt. Eine Untersu- Heiz- oder Kühlwasser, Tiefe, Jahreszeit, Öko- chung wies nun nach, dass diese Spitzenwerte system - See oder Fliessgewässer) das Ausmass entstehen, wenn bei starkem Wind (meist dieser Beeinträchtigungen des Lebensraums in Bise) Oberflächenwasser absinkt und so wär- Schranken hält. Was den Genfersee als Ganzes meres Wasser zur Entnahmestelle gelangt. Mit angeht, so ist der Energiebedarf der Region der stärkeren Erwärmung der oberen Wasser- derart klein, dass bei einer koordinierten und schichten im Sommer als Folge des Klimawan- ausgewogenen thermischen Nutzung keine namhaften Auswirkungen entstehen. dels dürfte sich dieses Phänomen wahrschein- lich noch verstärken. 6 | Rund um den Genfersee Nr.54 | Juni 2017
DOSSIER | KLIMAWANDEL Gebäudeklimatisierung mit Seewasser: wie Genf seit Jahrzehnten das Potenzial des Sees nutzt Stéphanie Mercier – CIPEL © SIG Das Wasser des Genfersees wird auf vielfältige Weise genutzt, unter anderem zum Heizen und Kühlen (siehe Artikel S. 6). Derartige Anlagen sind rund um den Genfer- see in Betrieb, insbesondre in Genf, wo zwei eindrückliche Grossprojekte realisiert wurden. Genferseewasser für die internationalen Organisationen Die SIG (Services industriels de Genève) nutzen seit ei- nem Jahrzehnt das Seewasser zur Heizung und Kühlung Die Genfer Quartiere, die der Gebäude im Quartier des Nations, wo sich neben vie- Seewasser aus dem Genfersee len internationalen Organisationen wie der UNO und dem thermisch nutzen Roten Kreuz auch Unternehmen und Wohnliegenschaften befinden. Das Fernheiz- und -kühlungssystem namens «Genève Lac Nation» verwendet im Sommer das kalte Seewasser, das in 45 m Tiefe angepumpt wird, wo die Temperatur konstant 7°C beträgt, zur Kühlung der angeschlossenen Gebäude. Im Winter sorgen Wärmepumpen für die zum Heizen der Gebäude benötigte Energie. Ausbau auf weitere Genfer Quartiere Heute treiben die SIG die Erweiterung ihres hydrothermalen Netzes voran. Das Projekt «GeniLac» beruht auf dem gleichen Ansatz und will Wohn- und Gewerbegebäude, Unternehmen und Institutionen im Stadtzentrum von Genf (zwischen 2017 und 2021) und in der Umgebung des Genfer Flughafens (ab 2022) versorgen. Die SIG sind stolz auf die Vorteile des Systems: «Das umweltfreundliche thermische System nutzt das Wasser des Sees und spart damit 2’350 Tonnen CO2 pro Jahr – immerhin der Gegenwert von 6’500 30-t-Lastwagen – sowie 9 GWh Elektrizität, was dem Jahresverbrauch von 3600 Haushalten entspricht.» Die öffentliche Hand und die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserressourcen Audrey Klein & Stéphanie Mercier - CIPEL und vielschichtig. Neben Wasserqualität und Wassermenge betrifft dies Aspekte wie Restwas- Weitere Informationen (in Französisch) Die öffentliche Hand nahm sich ebenfalls des sermengen in Fliessgewässern, Nutzung von Themas an. Gestützt auf wissenschaftliche Wasser als erneuerbare Energie (Wasserkraft, In der Schweiz: Erkenntnisse und zahlreiche laufende Studien thermische Nutzung von Seewasser), Wasserver- Kanton Genf : www.ge.ch erarbeiteten die Schweiz und Frankreich natio- brauch zur Bewässerung in der Landwirtschaft, > Agenda21 > Plan climat cantonal nale Adaptationsstrategien an den Klimawan- Schutz des Genfersees als Trinkwasserspeicher Kanton Waadt : www.vd.ch del, die auf regionale und lokale Ebenen aufge- oder Schutz vor Naturgefahren wie Hochwasser. > Thème > environnement > climat fächert wurden. Die Massnahmen, die es zu ergreifen gilt, sind meist disziplinübergreifend Strategien im Fluss Kanton Wallis : www.vs.ch > www.vs.ch/web/sen/eaux und betreffen so unterschiedliche Bereiche wie Mit diesen Fragen beschäftigen sich heute die Mobilität, Energieproduktion und -verbrauch politischen Akteure rund um den Genfersee, In Frankreich: zwecks Verringerung der Emission von Treib- die lokale Pläne erarbeiten, nationale und re- Agence de l’eau : eaurmc.fr hausgasen oder Massnahmen zur Anpassung gionale Strategien auf ihrer Ebene umsetzen > Grands dossiers > Adaptation au an den Klimawandel. Wie steht es aber um die und einige Pläne der ersten Etappe bereits zum changement climatique Ressource Wasser? Abschluss bringen. Diese Massnahmen können jedoch noch Änderungen erfahren, um einer- DREAL : Komplexe Fragestellung seits die neuen Gesetzgebungen zu überneh- www.auvergne-rhone-alpes. developpement-durable.gouv.fr Der Themenkreis Wasser und Anpassung an den men und andrerseits die neuesten wissen- > Climat, air, énergie KlimawandeI erweist sich als äusserst komplex schaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen. Rund um den Genfersee Nr.54 | Juni 2017 | 7
KURZNACHRICHTEN NICHT VERGESSEN Melden Sie sich für die Online-Version an, damit Sie die nächsten Ausgaben von Rund um den Genfersee nicht verpassen! www.cipel.org «Plouf» - eine Geschichte des Badens im Spie- Sedimente mit Geschichte gel der Zeit Tag für Tag lagern sich auf dem Seegrund ver- Gerade an schönen Sommertagen erfreuen schiedenste Partikel aus dem Wasser ab. Sie bil- sich die vielen Strände rund um den Genfersee den mit der Zeit die Sedimente des Seebodens grösster Beliebtheit. Doch ein erfrischendes und sind sozusagen das Gedächtnis des Was- Bad im See war nicht zu allen Zeiten und nicht sers und dessen, was darin zu finden war. Un- für alle ein harmloses Vergnügen. Sitten, Ge- tersuchungen der Sedimente liefern Einsich- du Léman bräuche und Auffassungen wandelten sich im ten in die Funktionsweise des Sees und seine Lauf der Zeit und beeinflussten die Ausübung Entwicklung, unabhängig davon, ob es sich um von Wassersaktivitäten… bis heute. Ereignisse aus einer fernen Vergangenheit (mit © Musée Spuren in tiefen Sedimentschichten) oder um Mit seiner neuen Ausstellung «Plouf» zeichnet jüngere Vorfälle handelt (in oberflächlichen das Musée du Léman diese Entwicklung nach Sedimentschichten). Plakat der Ausstellung und lässt die Besucher an den Badegewohn- heiten vergangener Epochen teilhaben. Die Doch der Seeboden ist alles andere als starr Ausstellung thematisiert neben dem Baden oder fest. Physikalische oder chemische Phäno- auch Wasserkuren, Hygiene, Wasserquali- mene können Partikel, die sich vor kurzem tät, Badeeinrichtungen vergangener Zeiten, absetzten, wieder in den Kreislauf bringen. du Léman Lebensrettung oder Badebekleidung der Ver- Dies gilt für eine Reihe von Nähstoffen oder gangenheit – von Badehauben mit Blumenmus- Schwermetallen in kleinsten Spuren, ebenso ter bis zum Badeanzug aus Wolle! für Mikroverunreinigungen. Wenn man weiss, © Musée was die Sedimente enthalten, sind eventuelle Die Ausstellung «Plouf: une histoire de la bai- Freisetzungen von Nähr- oder Schadstoffen im gnade» im Musée du Léman in Nyon sorgt für Seewasser besser anzugehen. manch überraschende Einblicke. Begleitbuch zur Ausstellung Mit diesem Ziel vor Augen führte die CIPEL Dauer der Ausstellung bis September 2018 2015, ganze 27 Jahre nach der ersten Kam- Zur Ausstellung gibt es ein Buch mit gleichem pagne von 1988, an 80 Stellen im Genfersee Titel. Weitere Informationen unter: Sedimententnahmen durch. Die Resultate flies- www.museeduleman.ch sen in den nächsten wissenschaftlichen Bericht der CIPEL ein, der gegen Ende Sommer 2017 erscheint. Und natürlich werden wir die Er- Ausgezeichnete Wasserqualität für sorglosen Badespass kenntnisse als Schwerpunktthema in einer der nächsten Ausgaben von Rund um den Genfer- Badefreudige haben sie schon erwartet, nun ist sie da: die Karte der Badestrände see behandeln! 2017! Sozusagen alle Badestellen verfügen über eine Wasserqualität von «ausgezeich- Den wissenschaftlichen Bericht und die ande- net bis gut» oder «gut bis durchschnittlich» und sind demnach vorbehaltslos zum ren Jahresberichte finden Sie (in Französisch) Baden geeignet. Es warten vergnügliche Stunden beim Baden und Wassersport rund unter www.cipel.org um den Genfersee! Die Karte der Badestrände können Sie unter www.cipel.org online einsehen oder in gedruckter Form beim Sekretariat der CIPEL beziehen. Viel Spass beim Baden und Schwimmen! Wissenschaftlicher Bericht 2017 Verantwortlich für die Publikation Audrey Klein Herausgeberin Druck Koordination und Redaktion CIPEL PCL Presses Centrales SA Stéphanie Mercier Agroscope - Changins - Bâtiment DC Geduckt auf FSC-Papier Layout Rte de Duillier 50 - CP 1080 - CH–1260 Nyon 1 Auflage Leslie Bonjour Tel +41 (0) 58 460 46 69 3’000 Ex. Grafische Gestaltung cipel@cipel.org - www.cipel.org ISSN 1016-3395 Philippe Casse
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