Schüler*innenfirmen in der inklusiven Beruflichen Orientierung - Prof. Dr. Isabelle Penning, 09.09.2021
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Schüler*innenfirmen in der inklusiven Beruflichen Orientierung Prof. Dr. Isabelle Penning, 09.09.2021
Ablauf Welches Potential bieten Schüler*innenfirmen für Berufliche eine inklusive Berufliche Orientierung Orientierung? Beispiel: Schülerfirma Knusperecke Schüler‐ Inklusive firmen Bildung 2
Begriffsklärung Inklusion „Eine inklusive Berufliche Orientierung ist eine Berufliche Orientierung, die barrierefrei gestaltet wird, um für alle Schüler*innen mit Beeinträchtigung den Übergang von der Schule in den Beruf erfolgreich zu ermöglichen. Die Schule wirkt dabei als Verbindungsglied zwischen dem Individuum und der Wirtschaft. Entsprechend müssen Schulen dafür sorgen Barrieren innerhalb der schulischen Beruflichen Orientierung abzubauen.“ (Laur 2021, 90) Weite Definition: Enge Definition: Verschiedene Menschen Menschen mit sollen an allen Beeinträchtigungen schulischen Institutionen beziehungsweise Inklusive teilhaben können und sonderpädagogischem Berufliche dort die Möglichkeiten Förderbedarf Orientierung haben, ihre Potenziale zu entwickeln 3
Schülerfirma Knusperecke • Eine Schülerfirma ist eine Simulationsmethode, mit der vordergründig fachdidaktische Ziele verfolgt werden (vgl. Penning, 2018, S. 101ff.) • „Schülerfirmen sind von Schülerinnen und Schülern organisierte ökonomisch agierende Einrichtungen, die Produkte und Dienstleistungen für einen anonymen Markt anbieten und dabei mindestens Kostendeckung, in der Regel aber Gewinne anstreben und ein gewisses Risiko tragen“ (Weber, 2011, S. 191). Abb. 1‐4 Arbeitsalltag in der Schülerfirma Knusperecke (eigene Darstellung ) 4
Verbreitung von Schülerfirmen Schülerfirmen sind an Förderschulen stark Schülerfirmen sind an Regelschulen verbreitet: verbreitet (vgl. de Haan, 2009; S.17): • 27,8 % der Förderschulen haben mind. • 36,3% an Hauptschulen eine Schülerfirma • 20,3 % an Realschulen (vgl. de Haan, 2009; S.17) unterdurchschnittlich verbreitet • ca. 43% der Förderschulen im FsGE an Gesamtschulen (13,9%) und haben eine Schülerfirma oder ein Gymnasien (15,4%). vergleichbares Angebot (Frank et al, 2015, S. 12) Schülerfirmen werden sowohl innerhalb des Fachunterrichts, in fächerüber‐ greifenden Bildungs‐ und Fördermaßnahmen als auch im außerunterrichtlichen Bereich realisiert. 5
Prinzipien des inklusiven Unterrichts (Heimlich & Bjarsch 2020, 265) Handlungs‐ Differe orientier‐ n‐ ung zierung Lernen mit Alltags‐ allen nähe Sinnen Fächer‐ Zielorien verbind ‐tierung ung Soziales Selbst‐ Lernen tätigkeit 6
Handlungsorientierung als inklusives Unterrichtsprinzip „Der inklusive Unterricht sollte handlungsorientiert sein, damit alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit zu einer aktiven Auseinandersetzung mit dem gemeinsamen Lerngegenstand auf der Basis ihrer individuellen Kompetenzen haben“ (Heimlich; Bjarsch 2020, S. 264) • Orientierung am Prozess der vollständigen Handlung, der nach Gudjons durch die Trias Planen, Durchführung und Kontrollieren gekennzeichnet ist (Gudjons 2008, S. 48) • Nach Weber durchläuft eine Schülerfirma fünf Phasen (vgl. ebd., S. 191) Planungs‐ Gründungs‐ Geschäfts‐ Auswertungs‐ Reflexions‐ phase phase phase phase phase • Auch bei der Bearbeitung einzelner Aufträge wird im Idealfall eine lernwirksame vollständige Handlung durchlaufen (vgl. König et al. 2013, S. 25 ff.). 7
Handlungsorientierung als inklusives Unterrichtsprinzip ‐ Handlungen lassen sich entsprechend ihres Umfangs unterteilen in; ‐ Globalhandlungen wie die Gründung einer Schülerfirma (die sich wiederum in Einzelhandlungen operationalisieren lässt) ‐ Einzelhandlungen wie „Arbeitskleidung anlegen“ ‐ Alle Handlungen verfügen über die gleichen Strukturmerkmale (vgl. Fischer 2008, S. 120) ‐ Alle SuS gelten als handlungskompetent, auf je unterschiedlichen Niveaus trotz kognitiver und oder motorischer Einschränkungen gilt es alle einzubeziehen ‐ Konkrete Fördermaßnahmen können in den einzelnen Phasen sein: ‐ Handlungsanreize zu schaffen ‐ Die Untergliederung des Handlungsablaufes in sprachlicher, bildlicher oder auch in materialisierter Form zu begleiten ‐ Assistenz bei der Durchführung über die Bereitstellung motorischer oder psychischer Unterstützung ‐ Kontrollmechanismen auch an emotionalen Reaktionen ablesbar, Bewertungskriterien für ihre Leistungen an die Hand zu geben 8
Differenzierung als inklusives Unterrichtsprinzip „Im inklusiven Unterricht sollen die individuellen Förderbedürfnisse aller Schülerinnen und Schüler durch ein individualisiertes und differenziertes Lernangebot beantwortet werden.“ (Heimlich; Bjarsch 2020, S. 266) In Schülerfirmen findet eine Differenzierung über die Tätigkeitsgebiete statt: • mit 41,4 % sind „Nahrungsmittel“ häufigstes Tätigkeitsfeld im Modellprojekt NEBS (Förderschwerpunkt Lernen) (vgl. Meschenmoser, 2009, S. 174f.) • Sansour et al haben die Betätigungsgebiete in Baden‐Würtembberg für den FsGE untersucht (Sansour et al, 2014, S. 10) Angebotene Produkte oder Anzahl der Nennungen Dienstleistungen N = 29 % Gebrauchsgegenstände (Produktion) 13 44,8 Gastronomie (Dienstleistung) 13 44,8 Handwerkliche Dienstleistungen 11 37,9 Hauswirtschaftliche Dienstleistungen 10 34,5 Gartenbau (Dienstleistungen) 9 31,0 Nahrungsmittel (Produktion) 7 24,1 9
Differenzierung als inklusives Unterrichtsprinzip Äußere Differenzierung Innere Differenzierung Versuch weitestgehend homogene Lerngruppen, Versuch zeitlich flexibel auf die Heterogenität z.B. nach Leistung, zu bilden und über einen der Lerngruppe zu reagieren längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten • Schulform Kriterien zur Differenzierung können sein: • Schulprofil • Stoffumfang und / oder Zeitaufwand, • Jahrgangsklasse • Komplexitätsgrad, • Anzahl der notwendigen Durchgänge, • Notwendigkeit direkter Hilfe / nach dem Grad der Selbständigkeit, • inhaltliche und methodische Zugänge / nach den Vorerfahrungen, • Kooperationsfähigkeit, z.T. werden Schülerfirmen als solche • im Unterricht eingesetzte Medien Lerngruppen konzipiert, z.B. über • nach Interessen, Praxislernklassen • … Schülerfirmen können auch dazu beitragen, die äußere Differenzierung aufzubrechen, z.B. Schülerfirmen halten per se bereits über jahrgangsübergreifende Settings vielfältige Aufgaben bereit 10
Didaktisches Prinzip der Zielorientierung „Der inklusive Unterricht richtet sich idealerweise an differenzierten Zielsetzungen aus und bezieht die gemeinsamen Lerngegenstände mit entsprechenden sonder‐ pädagogischen Förderangeboten auf die jeweiligen Entwicklungsniveaus“ (Heimlich; Bjarsch 2020, S. 266) • Die Motive zur Gründung von Schülerfirmen sind vielfältig (Weber, 2011, S. 185f). • Förderung eines unternehmerischen Geistes als wirtschaftspolitisches Ziel • Orientierung in der Berufs‐ und Arbeitswelt • Förderung persönlicher Selbstständigkeit • Institutionelle Reformen in Schulen • Schülerfirmen werden von den Lehrkräften individuell verschieden konstruiert und mit subjektiven Bedeutsamkeiten hinterlegt (vgl. Penning 2018) 11
Zielorientierung in Schülerfirmen Bereich Beispiele Betriebswirt‐ Umgang mit Geld (Finanzierung; schaftliche Kostenplanung), Marketing, Fähigkeiten Produktentwicklung, Kalkulation, Werbung, Logistik etc. Analytische Organisieren und Prioritäten setzen, Fähigkeiten Entscheidungen treffen unter Berücksichtigung Bei Schülerfirmen im von Sachzwängen, mehrere Förderschwerpunkt geistige Lösungsmöglichkeiten für ungewohnte Entwicklung steht nicht die Situationen entwickeln etc. ökonomische Bildung im Vordergrund, sondern die Soziale und Aufbau von Beziehungen, Verhandeln und Entwicklung und Stärkung kommunikative Kompromisse finden, Streitschlichtung, Leitung von allgemeinen Fähigkeiten und Beratung, Verständnis von Autorität und Kompetenzen wie sie in den Delegation, Öffentliches Sprechen und Bereichen 2‐4 aufgeführt sind Beteiligen etc. (vgl. Zentel & Sancour, 2015, Persönliche Selbstständigkeit, Selbstwertgefühlt, S. 15) Fähigkeiten Selbstvertrauen, Verstehen von Verantwortung, Selbstbestimmung etc. (vgl. Gamache & Knab, 2008, S.10) 12
Fächerverbindung als inklusives Unterrichtsprinzip „Inklusiver Unterricht sollte zur Überwindung von starren Grenzen zwischen Unterrichtsfächern beitragen und übergreifende Themenstellungen (z.B. Umweltbildung) aufgreifen. Er sollte Zusammenhänge und Vernetzungen zwischen den verschiedenen Lernbereichen stärker betonen“ (Heimlich; Bjarsch 2020, S. 266). • Schülerfirmen sind eine Methode, um ökonomisches Lernen mit der beruflichen Orientierung und je nach Betätigungsgebiet auch mit technischer oder haushaltsbezogener Bildung zu verbinden • Interdisziplinäres Lernen eröffnet sich nicht nur im fächerverbindenden Unterricht, sondern auch im intradisziplinären Vorgehen. 13
Fächerverbindung als inklusives Unterrichtsprinzip (Schröder 2016, S. 100). 14
Fazit ‐ Schülerfirmen scheinen geeignet, um didaktische Prinzipien des inklusiven Unterrichts umzusetzen und damit ein barrierearmes Lernen am gleichen Gegenstand zu ermöglichen Welches Potential bieten Schüler*innenfirmen für ‐ Die Ausgestaltung von Schülerfirmen ist facettenreich. eine inklusive Berufliche Diese gilt es in Hinblick auf inklusive Lerngruppen zu Orientierung? reflektieren, weiter zu entwickeln und empirisch zu erforschen. Dies gilt insbesondere für die Varianz der mit Schülerfirmen verbundenen Kompetenz‐ erwartungen. ‐ Es gilt Schülerfirmen in ein schulisches Gesamtkonzept zu integrieren, um die Begleitung und Reflexion im Fachunterricht zu gewährleisten. 15
Literatur de Haan, G., Grundmann, D., & Plesse, M. (2009): Nachhaltige Schülerfirmen. Eine Explorationsstudie. Institut Futur: Berlin. Frank, B. & Sansour, T. & Zentel, P. (2015). Schülerfirmen im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung.. (1):. Pädagogische Impulse, 49(1), 9– 24. Gamache, Peter & Knab, Jordan. (2008). School‐Based Enterprise Development. Planning, Implementing, and Evaluating. Florida Department of Education:. (Bureau of Exceptional, Hrsg.). Verfügbar unter http://project10.info/Documents/SBE_Manual_with_Final_WM_Edits_Included_7.13.18.pdf (letzter Zugriff 07.05.2020) Heimlich, Ulrich; Bjarsch, Susanne (2020): Inklusiver Unterricht. In: Ulrich Heimlich und Ewald Kiel (Hg.): Studienbuch Inklusion. Ein Wegweiser für die Lehrerbildung: Julius Klinkhardt (UTB Schulpädagogik, 5248), S. 248–294. Laur, Lisa (2021): Inklusive Berufliche Orientierung. Ein barrierefreies Konzept zur Beruflichen Orientierung für Schüler*innen mit Beeinträchtigungen in inklusiven Klassen der Sekundarstufe I. 1st ed. 2021. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden Meschenmoser, H. (2009). Rahmen‐ und Gelingensbedingungen der Schülerfirmenarbeit. In R. Lehmann (Hrsg.), BELLA. Berliner Erhebung arbeitsrelevanter Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf "Lernen" (S. 175–196). Münster, New York: Waxmann. Penning, I. (2018). Schülerfirmen aus Sicht von Lehrenden. Eine qualitative Studie zu einem Lernarrangement der ökonomischen Bildung. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. Sansour, T., Gleichauf, F., Preiss, S. & Winter, D. & Höll, J. (2014). Haben Sie eine Schülerfirma? Eine Erhebung zu Schülerfirmen in Baden‐ Württemberg. Lernen konkret, (1), 9–12. Schröder, R. (2016): Schülerfirmen: eine Methode zwischen universalpädagogischem Heilsversprechen und fachdidaktischer Überforderung. In: B. Greimel‐Fuhrmann, R. Fortmüller & J. Aff (Hrsg.): Facetten der Entrepreneurship Education. Festschrift für Josef Aff anlässlich seiner Emeritierung. Wien: Manz, S. 95‐104. Schröder, Rudolf (2018): Inklusion in der schulischen Berufsorientierung: Synergien und Herausforderungen. In: Zeitschrift für Heilpädagogik (69), S. 108–120. Weber, B. (2011). Schülerfirmen als Gegenstand und Methode ökonomischer Bildung. In T. Retzmann (Hrsg.), Methodentraining für den Ökonomieunterricht (2. Aufl., S. 185–204). Schwalbach/Ts: Wochenschau Verlag 16
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