März 2020 01 Erscheint vierteljährlich Jahrgang 40 - SAKK

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März 2020 01 Erscheint vierteljährlich Jahrgang 40 - SAKK
März 2020

         01                        CT préopératoire du cholangiocarcinome
                                   intrahépatique au contact avec la veine porte.
                                   Les flèches montrent la limite entre le foie
 Erscheint vierteljährlich         tumoral et le foie sain.
            Jahrgang 40
    SCHWEIZER
 KREBSBULLETIN
BULLETIN SUISSE
     DU CANCER

                                   Photo intra opératoire après hépatectomie
                                   droite élargie au S1 et S4 avec résection de
 Bern Center for                   la veine porte et reconstruction vasculaire
                                   direct entre le tronc porte et la branche
 Precision Medicine (BCPM)         gauche de la veine porte.
                                   Le patient, après 5 ans de follow-up,
 P. 48–50                          est toujours vivant sans récidive.

 Schwerpunkt:
 Pankreas- und hepatobiliäre Tumoren
März 2020 01 Erscheint vierteljährlich Jahrgang 40 - SAKK
BAND 40, MÄRZ 2020, AUFLAGE 2480, ISSN 2297-0703                                       INHALTSVERZEICHNIS

Obituary                                                                  KFS       Krebsforschung Schweiz
1            Pierre Alberto 1932 - 2019                                   64-66	Wer Forschung fördert, ermöglicht Fortschritte – und
             P.-Y. Dietrich                                                      schenkt Hoffnung
                                                                                 P. Janich
Editorial                                                                 67        Swiss Bridge Award 2020
3	Tumeurs hépatobiliaires et pancréatiques: actualités et                69        HSR Conference – Bern, 28.04.2020
   perspectives futures                                                             The Future of Health Services Research in Switzerland
   A. Cristaudi, G. Vitali, P. Majno-Hurst
                                                                          KLS       Krebsliga Schweiz
Pressespiegel
                                                                          68        Fort- und Weiterbildungen der Krebsliga Schweiz
5-16         Cancer in the media
                                                                                    Formation continue de la Ligue suisse contre le cancer
Krebs-Politik beleuchtet                                                  69        Weiterbildungsangebote in Psychoonkolgie
18-19	Geduld, Durchhaltewillen, Mut und das richtige
       «Gspüri» sind gefragt                                              SPOG	Schweizerische Pädiatrische
       F. Lenz                                                                  Onkologie Gruppe
                                                                          71-76     European Retinoblastoma Group (EuRbG):
Nationale Strategie gegen Krebs                                                     a European network for a very rare pediatric cancer
20-22	KVG Revision zu Qualität und Wirtschaftlichkeit – was                        M. Beck Popovic
       kommt auf die Leistungserbringer zu?
       P. Brauchli und C. Gasser, im Auftrag der NSK                      NICER	National Institute for Cancer
                                                                                 Epidemiology and Registration
Thème controversé:                                                        78-81     Krebsregistrierungsgesetz seit Januar 2020 in Kraft
	Nouvelles directives de l’ASSM face à                                             U. Wagner
     la fin de vie et à la mort
24-27        «Attitude face à la fin de vie et à la mort» - PRO           Oncoreha.ch
             S. Hurst-Majno
                                                                          83	Onkologische Rehabilitation 2.0: Chancen und
28-29        Aide au suicide: l’objectivité doit être la règle - CONTRA
                                                                              Herausforderungen angesichts des Wandels in Therapien,
             M. Matter
                                                                              Krankheitsverständnis und Tarifstrukturen
                                                                              P. Lermen, F. Strasser, M. Schmocker, P. Brauchli
Schwerpunktthema:
	Pankreas– und hepatobiliäre Tumoren
                                                                          OPS       Onkologiepflege Schweiz
33-36  Novel treatment options in bilio-pancreatic tumors
       S. De Dosso                                                        84        News Onkologiepflege
                                                                                    I. Bachmann-Mettler
37-40	Stellenwert der Radio(chemo)therapie bei Pankreas- und
       hepatobiliären Karzinomen                                          85	2020: Bildungsangebote + Netzwerke –
       O. Riesterer                                                           Formations continues

Spezialartikel                                                            Cooperative Groups
42-44	Die Elimination von viraler Hepatitis: ein grosser Beitrag         86-87     IBCSG 48-14 Positive Trial
       an die Krebsprävention                                                       H. Roschitzki-Voser
       P. Bruggmann, B. Maeschli, J. Mertens, B. Müllhaupt
                                                                          Der seltene Fall
Bern Center for Precision Medicine (BCPM)
                                                                          88-91	Composite lymphoma (B- and T-cell) in a kidney
48-50        Das Bern Center for Precision Medicine (BCPM)                       transplanted patient
             M. Rubin, C. Largiadèr, T. Staub
                                                                                 C. Mangas, D. Facchinelli, E. Zucca, L. Mazzucchelli

SAKK	Schweizerische Arbeitsgemeinschaft
      für Klinische Krebsforschung                                        93        Autorenhinweise
53-59	Review papers ESMO / EHA / ESTRO 2019, presented by
       the mentees of the Young Oncology Academy 2019                     94        Agenda

                                  Schwerpunktthema Ausgabe Nr. 2/2020: Regionale Netzwerke
          Eingabetermine 2020/2021 Nr. 2/2020: 2. März – Nr. 3/2020: 13. Juli – Nr. 4/2020: 7. September – Nr. 1/2021: 11. Januar
     Erscheinungsdaten 2020/2021 Nr. 2/2020: 13. Mai – Nr. 3/2020: Ende September – Nr. 4/2020: 19. November – Nr. 1/2021: Ende März
    Schweizer Krebsbulletin Nr. 1/2020
März 2020 01 Erscheint vierteljährlich Jahrgang 40 - SAKK
Kommunikation

                                                                 Media Relations
                                                                 Telefon: +41 44 634 44 67
                                                                 Telefax: +41 44 634 23 46
                                                                 mediarelations@kommunikation.uzh.ch
                                                                 www.media.uzh.ch

MEDIENMITTEILUNG                                                 Zürich, 11. Dezember 2019

NEUE STIFTUNGSPROFESSUR FÜR KREBSEPIDEMIOLOGIE UND -
VERSORGUNG
Die Universität Zürich errichtet ab 2020 eine Professur für Krebsepidemiologie und -versorgung. Erstmals
in der Schweiz sollen Risikofaktoren, Krebserkrankungen auf Bevölkerungsebene, Früherkennung und
Patientenversorgung übergreifend erforscht werden. Ermöglicht wird die Professur dank einer Spende der
Stiftung «Haus der Schweizerischen Krebsliga» über 5 Millionen Franken.

Jede dritte Person in der Schweiz erkrankt im Lauf ihres Lebens an Krebs – rund 40‘500 Neuerkrankungen
sind es pro Jahr. Und etwa 16‘700 Menschen sterben jährlich an einer Krebserkrankung. Um die Last durch
Krebs sowohl im individuellen Fall wie auch auf Bevölkerungsebene zu reduzieren, müssen Früherkennung
und Behandlung von Krebs laufend wissenschaftlich evaluiert werden. Grundlage dafür sind insbesondere
populationsbasierte und klinische Daten.

Neuartige Professur dank grosszügiger Schenkung
Um die Erforschung der Krebsepidemiologie und der Versorgung krebskranker Menschen zu stärken, errichtet
die Universität Zürich (UZH) ab 2020 den «Giorgio Noseda Professur für Krebsepidemiologie und -behandlung».
Möglich gemacht wurde sie durch eine Spende an die UZH Foundation von 5 Millionen Franken von der Stiftung
«Haus der Schweizerischen Krebsliga», die damit ihren Gründer, den Tessiner Arzt Giorgio Noseda, für seine
Verdienste in der Krebsbekämpfung ehrt.

Krebsforschung von Früherkennung bis Patientenversorgung
Die Professur verfolgt einen datenbasierten, übergreifenden Ansatz der Krebsbekämpfung. Die
Krebsepidemiologie erforscht Krebsursachen und Risikofaktoren und überwacht Krebserkrankungen in der
Gesamtbevölkerung. Die Versorgungsforschung wiederum untersucht das Verhältnis von Kosten und Nutzen
der Früherkennung – sogenannte «Screenings» – sowie der medizinischen Versorgung von Krebspatientinnen
und -patienten. «Ziel der Professur ist es, diese Forschungsbereiche stärker miteinander zu verbinden und die
Krebsregistrierung wissenschaftlich zu unterstützen», sagt Milo Puhan, Direktor des Instituts für Epidemiologie,
Biostatistik und Prävention (EBPI) der UZH, wo die Professur angesiedelt wird.

Professur von nationaler gesellschaftlicher Bedeutung
Wie Puhan betont, birgt die Professur nicht nur ein grosses Potenzial für die Forschung: «Die Ergebnisse
aus dieser Forschung sind auch relevant, um Früherkennung und medizinische Versorgung zu planen und zu
evaluieren. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag für die Bevölkerung in der Schweiz».

Kontakt:
Prof. Dr. Milo Puhan
Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention (EBPI)
Tel. +41 44 634 46 10, miloalan.puhan@uzh.ch

Media Relations
Universität Zürich, Tel. +41 44 634 44 67
mediarelations@kommunikation.uzh.ch
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OBITUARY

                	Pierre Alberto 1932-2019

Son sourire malicieux, son humour subtil et sa modestie ca-       humaines pour développer avant l’heure une oncologie
chaient parfois l’Homme d’exception et le pionnier qu’était       intégrative. Parmi ses actions concrètes dans ce sens, il a
Pierre Alberto. Discrètement mais avec cette force tranquille     introduit le soutien psychologique pour les patients en inté-
et cette ingéniosité qui le caractérisaient, il a construit les   grant psychiatre et psychologue dans la prise en charge, il
bases de l’oncologie moderne en Suisse et en Europe.              a milité pour une formation spéciale pour les infirmières,
                                                                  il a favorisé les liens avec les soins palliatifs, il a mis sur
Il a ainsi été parmi les premiers à défendre le concept de        pieds des associations de patients et des soutiens par des
recherche clinique dès les années 70, ce qui l’a conduit à        bénévoles, ou encore initié ce qui allait devenir l’éducation
la présidence de la SAKK en 1975. Sous sa direction, la           thérapeutique, tout cela dans les années 90!
SAKK a construit ses bases organisationnelles et a accueilli
l’activité de l’onco-pédiatrie (SPOG). Après 6 ans dédiés         Son héritage est immense, son empreinte indélébile dans
à bâtir ce formidable outil intercantonal et multiculturel        le quotidien de notre travail à Genève. Nous sommes des
qu’est aujourd’hui la SAKK, Pierre a souhaité promouvoir          générations d’oncologues à avoir l’honneur, le privilège et la
un enseignement de qualité dans le domaine de l’onco-             chance de l’avoir eu comme mentor. Tout sauf un dictateur,
logie. Il a dirigé le «Educational Committee» de l’ESMO de        mais un guide montrant l’exemple et agissant par petites
nombreuses années et a franchi bien des obstacles pour            touches dans le respect profond de la liberté de penser.
mettre sur pieds en 1988 les premiers examens européens.          Sa curiosité scientifique était infinie, son honnêteté et son
Ce «label ESMO» a grandement contribué à faire recon-             indépendance intellectuelle tout autant. Il aimait la liberté,
naître l’oncologie comme une véritable spécialité, et l’exa-      les oiseaux et les vieilles voitures anglaises. Un mélange de
men ESMO est aujourd’hui le socle de formation pour tous          poésie, de découvertes et de techniques, qu’il aura mis au
les oncologues européens!                                         service des patients et de ses élèves.

Mais son rôle de pionnier ne s’est pas arrêté à son action
nationale et européenne. A Genève, où il fut chef du service                                   Professeur Pierre-Yves Dietrich
d’oncologie des Hôpitaux Universitaires pendant 10 ans,                                      Chef du département d’oncologie
il s’est laissé guider par son sens clinique et ses qualités­                               Hôpitaux Universitaires de Genève

 Schweizer Krebsbulletin Nr. 1/2020                                                                                           1
März 2020 01 Erscheint vierteljährlich Jahrgang 40 - SAKK
5th St. Gallen International
            Gastrointestinal Cancer Conference
            Focus on Oligometastatic Disease
            Under the auspices of EORTC

GICC 2020
GICC        19 – 21 March 2020, St. Gallen / Switzerland

             Register now
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             St.Gallen Oncology Conferences (SONK)
             c/o Tumor and Breast Center ZeTuP
             Rorschacherstrasse 150
             CH-9006 St.Gallen / Switzerland
             info@oncoconferences.ch
             www.oncoconferences.ch
März 2020 01 Erscheint vierteljährlich Jahrgang 40 - SAKK
EDITORIAL

Tumeurs                                        Pendant la dernière décennie, d’importants progrès ont eu lieu dans la prise en
                                               charge des tumeurs du foie et pancréas; ceci grâce à l’évolution des techniques
hépatobiliaires                                chirurgicales mais surtout aux apports des autres disciplines.
et pancréatiques:                              En ce qui concerne les tumeurs hépatiques, les progrès de l’imagerie de coupe a
actualités et                                  permis une étude anatomique plus précis. L’introduction du Fibroscan a offert
perspectives                                   la possibilité d’une évaluation fonctionnelle non invasive; la chimio- et la radio-
                                               embolisation, et l’ablation des tumeurs par radiofréquence ont ajouté des trai-
futures                                        tements complémentaires à la chirurgie. L’embolisation portale préopératoire,
                                               afin d’hypertrophier le foie restant, a augmenté la sécurité des résections éten-
                                               dues. Pour ce qui est des métastases colorectales, l’introduction des chimiothé-
                                               rapies ciblées a eu un impact important sur l’opérabilité des patients, permet-
                                               tant une intention curative dans des stades auparavant destinés à la palliation,
                                               notamment avec la preuve que, chez les patients répondeurs à la chimiothérapie,
                                               l’énucléation tumorale offre une survie équivalente à des résection plus éten-
                                               dues. Avec des protocoles qui auraient été considérés comme des hérésie, on a
                                               montré la possibilité de survie à long-terme, même sans récidive, après trans-
                                               plantation hépatique pour des métastases colorectales autrement non résécables,
                                               mais ayant répondu à une chimiothérapie.

                                               Ces aspects multidisciplinaires ont été accompagnés au même temps par l’évo-
                                               lution des techniques chirurgicales, l’introduction systématique de la laparos-
                                               copie, des résections/reconstructions vasculaires poussées adoptées de la trans-
                                               plantation hépatique, mais surtout une évolution vers des interventions plus
                                               limitées, précises et personnalisées, plutôt que les hépatectomies étendues
                                               d’autrefois. Ceci car le traitement de malades à un stade plus avancé a rendu
                                               fréquentes les deuxièmes et troisièmes hépatectomies pour récidive, qui doivent
                                               être prises en compte dès le début du traitement chirurgical.

                                               Dans la prise en charge des tumeurs pancréatiques, la biologie agressive des
                                               tumeurs reste la limite principale, et là où doit se concentrer l’effort de la re-
                                               cherche, avec des projections qui voient l’adénocarcinome ductal comme la pre-
                                               mière cause de mort oncologique dans les prochaines 30 ans.

                                               Pour ce qui est de la chirurgie, la mortalité et les complications ont diminué
                                               grâce à la systématisation de la prise en charge et la concentration dans des
                                               centres spécialisés. La chirurgie minimalement invasive n’a pas encore fait ses
                                               preuves, au contraire ce qui est pour le foie.

                                               Les changements les plus important ont résidé dans l’identification et la codi-
                                               fication de la prise en charge des conditions prédisposantes, comme les néopla-
                                               sies intraductales mucineuses et papillaires (IPMN), et le consensus de plus en
                                               plus large vers l’utilisation des chimiothérapies néoadjuvantes, même chez des
                                               patients avec maladie résécable d’emblée. Cette attitude est soutenue par un ra-
                                               tionnel de sélection des patients d’un côté, et de traitement systémique précoce
                                               d’une maladie souvent rapidement métastatique de l’autre. Le résultat de plu-
                                               sieurs essais randomisés actuellement en cours en Europe est attendu sous peu.

               Dre Alessandra Cristaudi                                 Dr Giulio Vitali                         Pr Pietro Majno-Hurst
                         Cheffe de clinique                               Chef de clinique                                  Médecin-chef
Service de Chirurgie viscérale et vasculaire   Service de Chirurgie viscérale et vasculaire   Service de Chirurgie viscérale et vasculaire
        Hôpital Régional de Lugano EOC                 Hôpital Régional de Lugano EOC                 Hôpital Régional de Lugano EOC
              alessandra.cristaudi@eoc.ch                            giulio.vitali@eoc.ch                     pietro.majno-hurst@eoc.ch

  Schweizer Krebsbulletin Nr. 1/2020                                                                                                   3
März 2020 01 Erscheint vierteljährlich Jahrgang 40 - SAKK
BULLETIN
                                                                                                                                      SUISSE DU CANCER

HERAUSGEBER                                                                                                                           SCHWEIZER KREBS-
                                                                                                                                         BULLETIN
                                                                                                                                      SUISSE DU CANCER

    Redaktion                                                                                                                         SCHWEIZER KREBS-
    Prof. Dr. Franco Cavalli, Koordination: Sabina Briner                                                                                BULLETIN
    Istituto Oncologico della Svizzera Italiana (IOSI), Ospedale Regionale di Bellinzona e Valli, 6501 Bellinzona                     SUISSE DU CANCER
    Tel. 091 811 82 30, Fax 091 811 80 56, sabina.briner@sakk.ch
    SAKK
    Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung / Groupe Suisse de Recherche Clinique sur le Cancer               SCHWEIZER KREBS-
    Verantwortlich: Flurina Hoffmann, SAKK, Effingerstrasse 33, 3008 Bern                                                                BULLETIN
    Tel. 031 508 41 80, Fax 031 508 41 42, flurina.hoffmann@sakk.ch                                                                   SUISSE DU CANCER
    NICER
    Nationales Institut für Krebsepidemiologie und -registrierung / Institut National pour l’Épidémiologie et l’Enregistrement du Cancer
    Direktor: Dr. Ulrich Wagner, Foundation National Institute for Cancer Epidemiology and Registration (NICER)
    c/o Universität Zürich, Hirschengraben 82, 8001 Zürich, Tel. 044 634 53 74, Fax 044 634 54 44, contact@nicer.org
    SPOG
    Schweizerische Pädiatrische Onkologie Gruppe / Groupe d’Oncologie Pédiatrique Suisse
    Präsidentin: Dr. med. Katrin Scheinemann, Kantonsspital Aarau, Klinik für Kinder und Jugendliche, 5001 Aarau
    Tel. 062 838 49 13, Fax 062 838 49 93, katrin.scheinemann@ksa.ch
    KLS
    Krebsliga Schweiz / Ligue suisse contre le cancer
    Verantwortlich: Flavia Nicolai, KLS, Effingerstrasse 40, Postfach 8219, 3001 Bern
    Tel. 031 389 94 13, Fax 031 389 91 62, flavia.nicolai@krebsliga.ch
    KFS
    Stiftung Krebsforschung Schweiz / Fondation Recherche suisse contre le cancer
    Verantwortlich: Dr. Rolf Marti KFS, Effingerstrasse 40, Postfach 7021, 3001 Bern
    Tel. 031 389 93 31, Fax 031 389 91 62, rolf.marti@krebsforschung.ch
    ISREC / EPFL
    Institut Suisse de Recherche Expérimentale sur le Cancer / École Polytechnique Fédérale de Lausanne
    Responsable: Prof. Dr. Douglas Hanahan, ISREC-EPFL, Bâtiment SV, Station 19, 1015 Lausanne
    Tel. 021 693 06 57, Fax 021 693 06 60, dh@epfl.ch
    SASRO
    Scientific Association of Swiss Radiation Oncology
    President: Prof. Dr. med. Jean Bourhis, Service de Radio-Oncologie, Département d’Oncologie, Bureau BH10/918, Rue du Bugnon 46, 1011 Lausanne
    Tel. 021 314 46 66, Fax 021 314 46 01, jean.bourhis@chuv.ch
    Oncoreha.ch
    c/o Krebsliga Schweiz, Effingerstrasse 40, 3001 Bern, info@oncoreha.ch
    Co-Präsidenten: Med. pract. Peter Lermen, Verantwortlicher Internistisch-onkologische und Muskuloskelettale Rehabilitation, Berner Klinik Montana,
    Tel. 027 485 58 77, peter.lermen@bernerklinik.ch; PD Dr. Florian Strasser, Chefarzt Integrierte Onkologische Rehabilitation und Cancer Fatigue Clinic,
    Klinik Gais, Tel. 071 791 67 80, f.strasser@klinik-gais.ch
    OPS
    Onkologiepflege Schweiz / Soins en Oncologie Suisse
    Verantwortlich: Irène Bachmann-Mettler, Geschäftsstelle Onkologiepflege Schweiz, Hirstigstrasse 13, 8451 Kleinandelfingen
    Tel. 052 301 21 89, Fax 052 317 39 80, info@onkologiepflege.ch, www.onkologiepflege.ch
    SGPO
    Schweizerische Gesellschaft für Psychoonkologie / Société Suisse de Psycho-Oncologie
    Sekretariat SGPO, c/o Krebsliga Schweiz, Effingerstrasse 40, Postfach 8219, 3001 Bern
    Tel. 031 389 91 30, Fax 031 389 91 60, kontakt@psycho-onkologie.ch
    SGMO
    Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie / Société Suisse d’Oncologie Médicale
    Verantwortlich: Prof. Dr. med Markus Borner, SGMO, c/o Pro Medicus GmbH, Bahnhofplatz 4, 8001 Zürich
    Tel. 043 266 99 17, Fax 043 266 99 18, sgmo@promedicus.ch
    SGPath
    Schweizerische Gesellschaft für Pathologie / Société Suisse de Pathologie
    Verantwortlich: Prof. Dr. Rupert Langer, Institut für Pathologie, Universität Bern, Murtenstrasse 31, 3010 Bern
    Tel. 031 632 32 47, rupert.langer@pathology.unibe.ch

    Folgende Firmen sind Mitglieder des SAKK Industriepools:
    PLATIN                                                               GOLD                                       Merck (Schweiz) AG
    AstraZeneca AG                                                       AbbVie AG                                  Mylan Pharma GmbH
    Bristol-Myers Squibb                                                 Amgen Switzerland AG                       Novartis Pharma (Schweiz) AG
    Celgene | A Bristol-Myers Squibb Company                             Astellas Pharma AG                         Pfizer AG
    Eli Lilly (Suisse) SA                                                Bayer (Schweiz) AG
    Incyte Biosciences Austria GmbH                                                                                 PharmaMar AG
                                                                         Daiichi Sankyo (Schweiz) AG
    Myriad Genetics GmbH                                                 Exact Sciences Intl Sàrl                   Sandoz Pharmaceuticals AG
    Pierre Fabre Pharma AG                                               Gilead Sciences Switzerland Sàrl           sanofi-aventis (schweiz) ag/Sanofi-Genzyme
    Roche Pharma (Schweiz) AG                                            IPSEN PHARMA GmbH                          Servier (Suisse) S.A.
    Takeda Pharma AG                                                     Janssen-Cilag AG                           Vifor AG

4                                                                                                                              Schweizer Krebsbulletin Nr. 1/2020
März 2020 01 Erscheint vierteljährlich Jahrgang 40 - SAKK
PRESSESPIEGEL – REVUE DE PRESSE

Krebstherapien: Kritisierte                        Therapien gewährleistet», sagt Guido Klaus,
                                                   Leiter Ökonomie und Politik bei Helsana. Diese
                                                                                                       Santésuisse sowie die CSS möchten hingegen
                                                                                                       die Kostenübernahme für ein nicht zugelasse-
Kassen suchen Lösung gegen                         Kriterien sollen für alle Versicherer verbindlich   nes Medikament zeitlich limitieren. Wenn der
Preiswillkür                                       sein. «Bei einem nicht zugelassenen Arznei-
                                                   mittel muss ein Konsens darüber bestehen, in
                                                                                                       Hersteller wisse, dass die Kassen ein Medi-
                                                                                                       kament nur für eine bestimmte Zeit unter der
Die Krankenkassen stehen wegen willkürlicher       welchen Fällen und unter welchen Vorausset-         Ausnahmeklausel finanzieren müssten, werde
Entscheide über die Vergütung teurer Behand-       zungen das Medikament vergütet werden soll»,        der Druck zur Kassenpflicht und die Bereit-
lungen in der Kritik. Nun soll es verbindliche     sagt Klaus. Die verbindlichen Kriterien müssten     schaft der Hersteller zu Preiskonzessionen er-
Kriterien geben.                                   sicherstellen, dass Patienten in vergleichbaren     höht. Heute sind die Pharmafirmen oft gar nicht
                                                   Situationen gleich behandelt würden.                daran interessiert, dass ein neues Medikament
Eine neue Gentherapie gegen Lymphdrüsen-                                                               kassenpflichtig wird, weil sie unter der Ausnah-
krebs für 370’000 Franken oder ein Medika-         Im Grundsatz seien sich die Versicherer einig,      meklausel höhere Preise realisieren können.
ment gegen zystische Fibrose für 160’000           die Gespräche über Details aber noch im Gang,
                                                   sagt Klaus. Helsana strebe eine rasche Lösung                   Tages-Anzeiger, 26. Oktober 2019
Franken: Immer häufiger erhalten die Kran-
kenkassen Gesuche für Therapien, die nicht         an, die ohne Gesetzesänderungen umgesetzt
kassenpflichtig sind. Bei der Behandlung von       werden kann. Die Versicherung schlägt vor,
Krebs fällt mittlerweile jedes dritte Medikament   ein externes Expertengremium zur Beurteilung
in die Kategorie des sogenannten Off-Label-        neuer Therapien einzusetzen. Vorbild könnte         Radikalkur mit 10’000
                                                   die Eidgenössische Arzneimittelkommission
Use von Medikamenten. Zwischen 2014 und
2018 haben sich die Anträge für die Kosten-        sein, die heute gegenüber dem Bundesamt für         Franken Franchise
übernahme im Off-Label-Bereich vervierfacht.       Gesundheit (BAG) Empfehlungen abgibt. Für
                                                   Krebstherapien müsste allenfalls sogar eine         Wie ein Gesundheitswesen aussehen könnte,
2018 stellten Ärzte und Spitäler rund 25’000                                                           das die Eigenverantwortung stärkt.
Gesuche, wie der Kassenverband Santésuisse         eigene Expertenkommission eingesetzt werden,
mitteilt. Die Kosten für die Medikamente belie-    weil in diesem Bereich laufend neue Therapien
                                                   auf den Markt kämen. Für Patienten, die mit         Ist es richtig, dass die Grundversicherung fast
fen sich 2018 gemäss einer Branchenschät-                                                              alle Krankheitskosten deckt? Sollte die Solida-
zung auf 200 bis 300 Millionen Franken. Dazu       einem negativen Entscheid nicht einverstanden
                                                   sind, fordert Helsana eine Ombudsstelle.            rität nicht für die grossen Gesundheitsrisiken
kommen administrative Kosten für die Kassen                                                            reserviert sein? Wer solche Fragen vorbringt,
von 20 Millionen.                                                                                      dem wird rasch vorgeworfen, er trete für eine
                                                   Medikamente sollen rascher kassenpflichtig
                                                   werden                                              «Entsolidarisierung» ein. Dabei hat er eigentlich
Die Versicherer beklagen, dass die Ausnahmen                                                           die Bundesverfassung auf seiner Seite. Dort
für nicht kassenpflichtige Medikamente immer       Der Verband Santésuisse, der über 40 Kassen
                                                   vertritt, will sich zu einer Branchenlösung noch    heisst es in Artikel 41: «Bund und Kantone set-
mehr zum Normalfall würden. Die behandeln-                                                             zen sich in Ergänzung zu persönlicher Verant-
den Ärzte, insbesondere Onkologen, kritisieren     nicht äussern. Einig sei man sich aber unter
                                                   den Kassen über den Handlungsbedarf, sagt           wortung und privater Initiative dafür ein, dass
dagegen die willkürlichen Entscheide der Kas-                                                          jede Person die für ihre Gesundheit notwendige
sen. So drohte Thomas Cerny, der Präsident der     Sprecher Manuel Ackermann. Kooperationen
                                                   unter den Kassen seien denkbar, sofern sie im       Pflege erhält.» Im Vordergrund steht somit die
Krebsforschung Schweiz, im August damit, die                                                           Eigenverantwortung, und erst in zweiter Linie
Namen zahlungsunwilliger Kassen zu veröffent-      Interesse der Prämienzahler und der Patien-
                                                   ten lägen. Zur Beurteilung des Nutzens eines        soll die Allgemeinheit helfen.
lichen. Der Ausnahmeartikel im Gesetz räume
den Kassen zu viel Spielraum und zu viel Macht     nicht kassenpflichtigen Medikaments hätten          Wie liesse sich dieser Grundsatz in der obliga-
ein, kritisierte der Onkologe gegenüber Tame-      die Vertrauensärzte der Kassen bereits ein an-      torischen Grundversicherung umsetzen? In den
dia. Dies sei gerade bei lebensbedrohenden         erkanntes Bewertungsinstrument entwickelt,          Fokus rückt ein Instrument, das sich unkompli-
Krankheiten stossend.                              das zu einheitlichen Entscheiden beitrage, sagt     ziert anpassen lässt: die minimale Franchise,
                                                   Ackermann.                                          also der Betrag, bis zu dem man die Kosten
Laut einer kürzlich in der «Tagesschau» von SRF                                                        selbst trägt, bevor die Versicherung einsetzt. In
veröffentlichten Studie der Universität Basel      Bei den nicht kassenpflichtigen Medikamen-          der obligatorischen Krankenversicherung liegt
lehnen die Kassen etwa ein Drittel der Gesuche     ten müssen die Kassen mit den Pharmafir-            sie derzeit bei nur 300 Fr. Die höchste wählba-
für nicht kassenpflichtige Krebsmedikamente        men den Preis aushandeln                            re Franchise beläuft sich auf 2500 Fr. im Jahr.
ab. Auch Patienten in gleichen Krankheitssi-       Der therapeutische Nutzen muss laut dem Aus-        Konstantin Beck, Leiter des CSS-Instituts für em-
tuationen würden ungleich behandelt, sogar         nahmeartikel in einem angemessenen Verhält-         pirische Gesundheitsökonomie, das vom gleich-
innerhalb der gleichen Kasse, stellen die Stu-     nis zu den Kosten des Medikaments stehen.           namigen Versicherer finanziert wird, plädiert im
dienautoren fest.                                  Die hohen Preise, die die Pharmafirmen oft für      Gespräch für eine deutlich höhere Franchise,
                                                   neue Therapien verlangen, sind denn auch ei-        womit die Grundversicherung sich auf die Abde-
Helsana will einheitliche Branchenlösung           ner der Gründe, warum die Kassen ein Gesuch         ckung grosser Risiken beschränkte. Wie heikel
Doch nun wollen die Kassen Reformen bei der        ablehnen. Die Preisforderungen der Hersteller       solche Überlegungen sind, zeigt sich darin, dass
Anwendung der Ausnahmeklausel. Sowohl der          sind aber auch der Grund, warum das Bundes-         die CSS im Nachgang mitteilen liess, die geäus­
Kassenverband Santésuisse wie auch die zum         amt für Gesundheit bei Neuzulassungen zur           serten Ansichten stimmten in diesem Fall nicht
Konkurrenzverband gehörenden Helsana und           Kassenpflicht zurückhaltend ist.                    mit der Haltung der Versicherung überein. Die
CSS haben diesen Monat ihre Forderungen                                                                CSS hege keinerlei Absicht, sich für eine solche
aufgestellt. Denn die Kassen sehen sich zu Un-     Bei den nicht kassenpflichtigen Medikamen-          Franchisenerhöhung starkzumachen.
recht am Pranger, wenn die Medien jeweils über     ten und Therapien müssen die Kassen mit den
schwer kranke Patienten berichten, denen eine      Pharmafirmen jeweils den Preis aushandeln.          Beck hat für das Liberale Institut geschätzt,
Therapie verweigert wird.                          Helsana schlägt nun vor, dass die Versicherer       wie sich eine deutliche Erhöhung der Fran-
                                                   gegenüber der Pharmaindustrie als Kollektiv         chise auf die Prämie auswirken würde. Dabei
«Ziel ist eine Branchenlösung, die einen lan-      auftreten, um die Verhandlungsmacht zu erhö-        stützt er sich auf Krankenkassendaten von gut
desweit einheitlichen Zugang zu innovativen        hen.                                                1 Mio. Versicherten. Gälte für alle Erwachsenen

  Schweizer Krebsbulletin Nr. 1/2020                                                                                                                 5
März 2020 01 Erscheint vierteljährlich Jahrgang 40 - SAKK
PRESSESPIEGEL – REVUE DE PRESSE

(Kinder sind vom Vorschlag ausgenommen)                                                               ren europäischen Ländern decken. Und auch
eine Mindestfranchise von 2500 Fr., sänke die        Kommentar der Redaktion                          wenn man ab und zu Klagen von Schweizer
Prämie rein rechnerisch um 19%, bei 5000 Fr.                                                          Ärzten hört, die Ausbildung der ausländischen
um 34%. Bei 10 000 Fr. würde sich die Prämie         Beim Lesen dieses Artikels kam mir eine          Kollegen sei weniger gut, funktioniert das Sys-
sogar halbieren, weil ein guter Teil der Kosten      Episode in den Sinn, als ich noch Präsi-         tem im Grossen und Ganzen gut. Die Schweiz
selber getragen würde. Wäre eine deutlich hö-        dent der UICC war. Wir schlugen damals           profitiert. Doch sie tut dies auf Kosten anderer
here Franchise nicht unfair gegenüber Men-           einige Massnahmen zur Dämpfung der               Länder, die Mediziner teuer ausbilden und dann
schen, die wenig Einkommen oder eine chroni-         Krebsmedikamentenpreise vor. Das Gan-            nichts von ihnen haben. Am meisten Ärzte zieht
sche Krankheit haben? Beck schlägt vor, dass         ze wurde aber von den NCI-Amerikanern            die Schweiz aus Deutschland ab, gefolgt von
solche Personen eine individuelle Franchisen-        blockiert mit der Bemerkung «es gebe ja          Frankreich, Italien, Österreich, Griechenland,
verbilligung erhielten, deren genaue Ausgestal-      kein Recht auf Gesundheit, genauso wie           Belgien und Rumänien.
tung man den Kantonen überliesse.                    niemand das Recht habe, einen Mer-
                                                     cedes anstelle eines billigen Volkswagens        Der Braindrain aus ärmeren Ländern ist aus
Seine Berechnungen zeigen, dass bei einer            zu kaufen», für mich eine unmoralische           ethischer Sicht unhaltbar. Die reiche Schweiz
hohen Franchise von 10 000 Fr. wegen der             Äusserung…! Gesundheit ist hingegen              ist eine notorische Schmarotzerin. Sie bildet
Halbierung der Prämien natürlich auch die            ein absolutes Menschenrecht, mögli-              viel zu wenig Ärztinnen und Ärzte aus. Das ist
Prämienverbilligung stark rückläufig wäre. Sie       cherweise das wichtigste. Das will der           seit Jahren bekannt. Es gibt zwar Ansätze zu
sänke von 3,9 auf 1,4 Mrd. Fr. Die frei werden-      NZZ-Kommentator aber nicht wahrhaben.            Verbesserungen, doch die genügen bei weitem
den Mittel könnte man somit für die Franchi-         Genauso wenig nimmt er Kenntnis von              nicht. Die Uni Zürich hat die jährliche Aufnah-
senverbilligung verwenden. Schliesslich sänke        den unzähligen Studien, die bereits be­          mekapazität von 240 auf 300 erhöht, und bis
bei hohen Franchisen auch der administrative         wiesen haben, dass höhere Franchisen             2021 entstehen landesweit rund 450 zusätz-
Aufwand. Derzeit schöpfen 56% der Personen           die Gesundheitskosten gar nicht brem-            liche Studienplätze. Der Bund hat dafür eine
ihre Franchise aus. Würden die ersten 10 000         sen, weil dann die Personen erst viel            Anschubfinanzierung von 100 Millionen Fran-
Fr. selbst getragen, gälte dies nur noch für je-     später zum Arzt gehen, was kostspieligere        ken bewilligt. Die langfristige Finanzierung ist
den zehnten Versicherten. Es müssten somit           Behandlungen mit sich zieht. Und oben-           allerdings nicht gesichert. Denn die ist Sache
viel weniger Rechnungen vergütet werden.             drein vergisst man noch dazu, dass die           der Kantone, welche die Hochschulen betrei-
                                                     Schweizer schon jetzt diejenigen sind, die       ben. So bleibt das Ganze ein Flickwerk. Es fehlt
Bei höheren Franchisen wären die Patienten           für die Gesundheitskosten weltweit am            der politische Wille, die Zahl der Studienplätze
motiviert, den Ärzten stärker auf die Finger zu      meisten aus eigener Tasche berappen              deutlich zu erhöhen und dafür richtig viel Geld
schauen und mit ihnen günstige Behandlungs-          müssen. Es ist deshalb an der Zeit, dass         zu investieren.
optionen zu diskutieren. Wie das wirken könnte,      die Allgemeinheit etwas mehr für diese
illustrieren die Zahnarztkosten, die man gröss-      solidarische Aufgabe übernimmt…                  Dazu kommt das Unvermögen, die jungen Ärz-
tenteils selbst trägt. Diese sind seit 1985 nur                                                       tinnen und Ärzte in jene Fachbereiche und Re-
halb so stark gestiegen wie die allgemeinen                                     Franco Cavalli        gionen zu lenken, wo sie am meisten gebraucht
Gesundheitskosten. Die Schweizer sind – eben                                                          werden. Im Kanton Zürich hat sich zum Beispiel
auch aus finanziellem Eigeninteresse – Welt-                                                          die Zahl der selbstständigen Hautärzte seit
meister im Zähneputzen…                                                                               2010 verdoppelt – nicht zuletzt weil sie einen
                                                                                                      Teil ihres Einkommens mit Schönheitsbehand-
Eine hohe Franchise würde also dazu motivie-       Die reiche Schweiz – Eine                          lungen erzielen können, wofür Zürich ein gutes
ren, besser zu sich zu schauen und sich jeweils                                                       Pflaster ist. Ländliche Gebiete sind hingegen
zu überlegen, ob ein Arztbesuch nötig ist. Nur     notorische Schmarotzerin                           unterversorgt.
wer die Franchise finanziell nicht tragen kann
oder eine teure chronische Krankheit hat, wür-     Unser Gesundheitswesen stützt sich zuneh-          Kritisch ist die Lage bei den Hausärztinnen
de vom Staat unterstützt. Dies wäre ein Schritt    mend auf ausländische Ärzte. Das ist un-           und Hausärzten. Die Zürcher Ärztegesellschaft
hin zu einem freiheitlicheren Gesundheitswe-       ethisch.                                           warnte schon früh und wiederholt vor einem
sen mit weniger Einfluss des Staates und auch                                                         Engpass, wenn die Generation der Babyboomer
der Krankenkassen. Gegnern der Idee gibt Beck      Die Schweiz muss deutlich mehr ausbilden. In       ins Pensionsalter kommt. Das ist jetzt der Fall.
zu bedenken, was fair daran sein solle, wenn       Zürcher Arztpraxen hat sich der Anteil ausländi-   Weil die jungen Berufsleute heute meist Teilzeit
die Allgemeinheit heute ab 300 Fr. (bei der        scher Fachärztinnen und Fachärzte seit 2010        arbeiten, braucht es als Ersatz für einen alten
niedrigsten Franchise) praktisch alle Kosten       verdreifacht. Spitäler könnten ohne ausländi-      Arzt oft zwei junge. Diesen Bedarf einigermas-
übernehme. Wird da die Solidarität nicht über-     sche Ärzte ihren Betrieb nicht aufrechterhalten.   sen zu decken, war bisher nur dank Zuwande-
strapaziert? Dies passt jedenfalls kaum zur in     Das Schweizer Gesundheitswesen ist auf die         rung möglich.
der Verfassung verankerten Subsidiarität.          Zuwanderung aus dem Ausland angewiesen.
                                                   Und dies je länger, desto mehr, wie Zahlen des     Es ist gut, wenn der Kanton Zürich seine Bewil-
Ein solcher Vorschlag steht zwar quer zum Zeit-    Bundes zeigen. 2018 haben rund 1000 Per-           ligungspraxis überprüft. Sinnvoll ist eine unge-
geist, der nach einer stärkeren Sozialisierung     sonen ihr Medizinstudium an einer Schweizer        hinderte Zulassung in jenen Fachgebieten, die
des Gesundheitswesens ruft. Aber wenn die          Uni abgeschlossen. Gleichzeitig hat der Bund       einen ausgewiesenen Bedarf an zusätzlichen
Kosten weiter stark steigen, gerade auch wegen     3300 ausländische Diplome in Humanmedizin          Ärztinnen haben, und in Regionen mit Unter-
neuer, sehr wirksamer, aber auch ausgespro-        anerkannt. Das heisst: Mehr als drei Viertel al-   versorgung. Wo aber ein Überangebot besteht,
chen teurer Medikamente, stellt sich die Fra-      ler neuen Ärztinnen und Ärzte kommen aus dem       sollten neue Arzt­bewilligungen limitiert werden.
ge der Finanzierbarkeit umso mehr. Eine hohe       Ausland; vor zehn Jahren waren es rund zwei
Franchise plus individuelle Unterstützung böte     Drittel.                                           Unabhängig davon, bleibt am wichtigsten, kräf-
Gewähr, die Solidarität dort aufrechtzuerhalten,                                                      tig in die Ausbildung zu investieren. Interessier-
wo sie wirklich nötig ist.                         Das ist an sich kein Problem. Im Gegenteil:        te fürs Medizinstudium gibt es mehr als genug.
                                                   Dank der bilateralen Verträge kann die Schweiz
    Neue Zürcher Zeitung, 28. Oktober 2019         ihren Bedarf an Medizinern einfach aus ande-                  Tages-Anzeiger, 7. November 2019

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März 2020 01 Erscheint vierteljährlich Jahrgang 40 - SAKK
PRESSESPIEGEL – REVUE DE PRESSE

Sind die neuen                                      Lukas Jaggi. Die Angaben zur Lebensverlänge-
                                                    rung werden in der Regel immer von der Phar-
                                                                                                        Auch die Krebsliga fordert die Überprüfung
                                                                                                        des Nutzens einiger Therapien. «Problematisch
Krebsmedikamente nutzlos?                           mafirma mit eingereicht. Oder Swissmedic fragt      ist, dass bei der Zulassung eines Arzneimittels
                                                    sie an. Genau da liegt jedoch der Haken: Denn       hauptsächlich der Sicherheitsaspekt im Fokus
Bei Krebstherapien fehlen meist Daten zum           gerade bei den neueren Therapien gibt es oft        steht und die Wirksamkeit in einer definierten
Gesamtüberleben und zu Langzeitnebenwir-            noch gar keine Daten. Ebenso unklar sind even-      Zielpopulation», sagt Rolf Marti, der bei der
kungen. Auch die Lebensqualität der Patienten       tuelle Langzeitnebenwirkungen.                      Krebsliga für die Forschung zuständig ist. «Ana-
wird kaum berücksichtigt. Genau das fordern                                                             lysiert man den tatsächlichen Nutzen eines Me-
aber die Krankenkassen.                             Bekannt sind meist nur die Werte zum Überle-        dikaments, wie es im Klinikalltag angewendet
                                                    ben ohne Fortschreiten der Krankheit, wie das       wird, fällt der Nutzen deutlich geringer aus»,
Die meisten der neuen Medikamente zielen auf        Bundesamt für Gesundheit (BAG) erklärt. Le-         sagt Marti.
Krebs. 30 bis 40 Prozent der gesamten For-          bensqualitätsdaten berücksichtigt die Behörde
schung der Pharmaindustrie dreht sich um sie.       dabei nicht. Sie seien nicht immer vorhanden                  Tages-Anzeiger, 19. November 2019
Das zeigt Wirkung: In den vergangenen Jahren        und aufgrund ihrer Subjektivität auch mit Vor-
gab es so viele bahnbrechend neue Therapie-         sicht zu geniessen, sagt ein Sprecher. Deshalb
ansätze wie noch nie.                               beurteile das BAG vor allem die Sicherheit und
                                                    Verträglichkeit – und den Nutzen: Liegen noch
Das zeigt sich auch im Preis: In der Schweiz        keine Daten zum Gesamtüberleben vor, befris-        Paraquat tötet
gehören Krebsmittel nicht nur zu den teuers-        tet sie die Erstattungspflicht.
ten Medikamenten überhaupt, sondern auch                                                                Die Pestizide Paraquat und Glyphosat können
zu denjenigen mit dem höchsten Preisanstieg.        Kaum verlässliche Studien                           bei Menschen, die diese Gifte bei der Landar-
Laut dem Arzneimittelreport der Krankenkasse        Ohnehin werden Krebsmittel alle drei Jahre auf      beit einsetzen, eine unheilbare und oft tödlich
Helsana sind die Pro-Kopf-Kosten pro Thera-         ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis überprüft. «Das        verlaufende Nierenkrankheit auslösen. Dies
pie von rund 6500 Franken im Jahr 2014 auf          BAG achtet dabei darauf, dass Arzneimittel          geht aus einer Studie hervor, die am vergange-
knapp 9000 Franken im vergangenen Jahr ge-          mit einem geringeren Nutzen nur noch einge-         nen Wochenende in der Fachzeitschrift «Kidney
stiegen.                                            schränkt oder gar nicht mehr vergütet werden»,      International», dem Organ der internationalen
                                                    sagt der Sprecher.                                  Vereinigung für Nierenheilkunde, veröffentlicht
«Das ist niederschmetternd»                                                                             wurde. Die WOZ, der die wesentlichen Ergeb-
Die Krebsmittel wirken zwar, doch wie steht es      2020 steht die Überprüfung sämtlicher erstat-       nisse der Forschungsarbeit vorab vorlagen,
um ihren tatsächlichen Nutzen? Neue Analysen        tungspflichtiger Krebsmedikamente an. Das           berichtete dazu bereits letzten Juni. Paraquat
zeigen: Im Vergleich zur Standardtherapie bele-     dürfte für das BAG schwierig werden: Für viele      ist in der Schweiz zwar verboten, wird aber von
gen nur 16 Prozent der Studiendaten für Krebs-      Medikamente werden auch dann keine Daten            dem in Basel ansässigen Agrochemiekonzern
medikamente, die zwischen 2009 und 2016 in          zum Gesamtüberleben vorliegen. Entweder,            Syngenta unter dem Markennamen Gramoxone­
Europa zugelassen wurden, ein um über 3 Mo-         weil es für Pharmahersteller ein erheblicher        produziert und vor allem in den ärmeren Län-
nate längeres Gesamtüberleben. Das hat eine         Aufwand ist, mutmasst der Onkologe Thomas           dern dieser Welt vertrieben. Der Einsatz von
Überprüfung des renommierten Ludwig-Boltz-          Cerny, Präsident der Krebsforschung Schweiz.        Glyphosat ist seit Jahren umstritten. In Zen­
mann-Instituts in Wien ergeben. Bei 39 Prozent      Oder weil es kaum möglich ist.                      tralamerika und in Sri Lanka sind viele Tausend
der Medikamente sind es bis 3 Monate, bei 5                                                             LandarbeiterInnen an der dadurch ausgelösten
Prozent ist das Überleben verkürzt, für die rest-   «Da die neuen Krebstherapien für immer spe-         Krankheit gestorben.
lichen 40 Prozent sind keine Angaben verfügbar      zifischere Patientengruppen entwickelt wurden,
oder schätzbar.                                     ist die Datenzahl so klein, dass es gar keine       Der Studie gingen zehn Jahre Forschungsarbeit
                                                    verlässlichen Studien im herkömmlichen Sinn         mit Reihenuntersuchungen an über tausend
«Das ist ein niederschmetterndes Ergebnis»,         geben kann», sagt Brigitte Tag, Professorin für     PatientInnen voraus. Zuletzt haben die 17 be-
sagt Studienleiterin Nicole Grössmann. Bei vie-     Medizinrecht an der Universität Zürich. Des-        teiligten WissenschaftlerInnen mit der Unter-
len Medikamenten zählt ihr zufolge nur, wenn        wegen werde die Forderung laut, dass es auf         stützung von 13 Universitätsinstituten in Belgi-
das weitere Fortschreiten der Krankheit aufge-      den einzelnen Patienten ankommen müsse, um          en, El Salvador, Frankreich, Indien, Slowenien,
halten werden kann. Hat der Krebs die Organe        festzustellen, ob es einen Nutzen gibt. «Den-       Sri Lanka und den USA die krankhaften Zellver-
schon stark angegriffen, können die Patienten       noch braucht es einen einigermassen verlässli-      änderungen an Nierenbiopsien von 34 Patien-
dann trotzdem sterben. Grössmann stellt zu-         chen Massstab, nach dem bestimmt wird, was          tInnen mit neuster Technologie untersucht. Ihr
dem die Frage: Was nützt es, wenn Kranke vier       die Grundversicherung zahlen muss und kann»,        Ergebnis: Eine toxische Ursache der im Fach-
Wochen länger leben, das aber bei extremen          sagt Tag.                                           jargon Cinac (Chronic Interstitial Nephritis in
Nebenwirkungen?                                                                                         Agricultural Communities) genannten Krankheit
                                                    Das ist vor allem für Krankenkassen und Pa-         sei offensichtlich; Pestizide, allen voran Para-
Eine vor zwei Jahren publizierte Studie verschie-   tienten wichtig: Die CSS wünscht sich etwa          quat und Glyphosat, seien die naheliegends-
dener Londoner Hochschulen rund um das Kings        einen neuen therapeutischen Quervergleich,          ten Auslöser. Bislang war in der Fachliteratur
College prüfte zwischen 2009 und 2013 in Eu-        der sich an einem «klaren, ganzheitlichen Nut-      Hitzestress als Ursache verdächtigt worden.
ropa zugelassene Krebsmedikamente: Fast 60          zenkonzept orientiert». Dabei sollen die verblei-   Nach dieser Theorie waren die Kranken letztlich
Prozent davon seien nutzlos oder von geringem       bende Lebenszeit wie auch die Lebensqualität        selbst schuld, weil sie trotz harter Arbeit unter
Nutzen. Zumindest wenn es ums Überleben be-         berücksichtigt werden. Über Daten hierzu ver-       tropischer Sonne nicht genügend tranken. Zwei
ziehungsweise die Lebensqualität gehe.              fügt aber auch die CSS nicht. Wenn individuel-      Drittel der PatientInnen, deren Nierenbiopsien
                                                    le Gesuche zur Erstattung einer Krebstherapie       nun untersucht wurden, hatten nie an Hitze-
Für die Schweizer Zulassungsbehörde Swiss-          eingehen, ist nur bekannt, wie die Therapie zum     stress gelitten.
medic zählt vor allem die Gesamtüberlebens-         aktuellen Zeitpunkt anschlägt. «Was die Mittel-
rate: «Im Idealfall ist sie verbunden mit einer     und Langzeitfolgen sind, wissen wir nicht», sagt    «Die Hitzehypothese ist damit erledigt», sagt der
verbesserten Lebensqualität», sagt Sprecher         eine CSS-Sprecherin.                                Krebsforscher und Altnationalrat Franco Cavalli.

  Schweizer Krebsbulletin Nr. 1/2020                                                                                                                  7
PRESSESPIEGEL – REVUE DE PRESSE

Über das von ihm gegründete medizinische Hilfs-      Syntocinon                                           können mit Alternativen umgehen, und Narkose
werk Amca, das auch in Zentralamerika arbeitet,      Dieses Medikament ist aus keinem Kreisssaal          kann man auch relativ problemlos ohne Propo-
ist ihm das Problem der epidemischen Nieren-         wegzudenken. Es bewahrt Frauen nach einer            fol machen. Die Alternativen haben aber teils
krankheit seit langem bekannt. Die jetzt vorge-      Geburt oder einem Kaiserschnitt vor lebens-          erhebliche Nebenwirkungen, die wir nur ungern
legte Studie umfasse zwar relativ wenige Fälle,      gefährlichen Blutungen. Ende letzten Jahres          in Kauf nehmen.»
diese aber seien «sehr tiefgründig und mit allen     war Syntocinon plötzlich nicht mehr erhältlich.
heute zur Verfügung stehenden technologischen        Da die ungeborenen Kinder nicht alle warten          Warum es zu Lieferengpässen kommt
Möglichkeiten inklusive der Elektronenmikrosko-      konnten, bis es wieder verfügbar war, erhielten      Der Preisdruck auf die Hersteller ist ein Grund
pie studiert worden». Die Konsequenzen sind für      laut Martinelli im Kanton Waadt einige Frauen        für die Notsituationen, deren Gewinnstreben der
ihn klar: «Die Pestizide, vor allem Paraquat, müs-   ersatzweise ein Medikament für Kühe. Einer von       andere. Beides führte dazu, dass die Produkti-
sen international verboten werden.» Die Opfer        Martinellis Kollegen setzte sich ins Auto und        on von Wirkstoffen in günstigere Länder verlegt
                                                     besorgte in Frankreich Packungen, damit der          und auf wenige Firmen konzentriert wurde. Die
und ihre Familien müssten entschädigt werden:
                                                     Betrieb aufrechterhalten werden konnte.              Wirkstoffe für Arzneimittel in Europa werden in-
«Wie schon beim Asbest muss man die Konzer-
                                                                                                          zwischen an über 4000 Orten in Indien herge-
ne zur Kasse bitten.»
                                                     Zumindest in Deutschland hätte eine andere           stellt, an rund 2800 in China, ca. 1900 in Eu-
                                                     Pharmafirma Ersatz für Syntocinon liefern kön-       ropa und etwa 600 in den USA. Diese Zulieferer
              WOZ Nr. 48, 28. November 2019          nen – aber sie durfte nicht, weil auf den Pa-        – die nicht immer nach Schweizer Standard ar-
                                                     ckungen ein vorgeschriebener Aufdruck fehlte,        beiten – versorgen weltweit die Pharmafirmen.
                                                     der Medikamentenfälschungen verhindern soll.         Dazu kommt ein «Korsett» aus Vorschriften, wel-
                                                                                                          che die Hersteller einhalten müssen. Kommt
Notfall bei Arzneimitteln                            Vincristin                                           es zu einem Produktionsstillstand oder einem
                                                     Kinder mit Krebserkrankungen sind auf dieses         Problem in der Verteilungskette, sind Patienten
In der Schweiz fehlen derzeit Hunderte Medika-       preiswerte Medikament angewiesen; ihm ver-           in vielen Ländern betroffen.
mente. Einige davon sind lebenswichtig.              danken viele ihre Heilung. Im Juli stellte Teva,
                                                     einer der beiden Hersteller, die Produktion für      «Viele Engpässe sind das Resultat eines glo-
                                                     die USA ein, und Konkurrent Pfizer konnte die        balisierten Marktes, der weitestgehend unregu-
Im November kam es in der Schweiz zu einem
                                                     Lücke nicht sofort füllen. Das führte dazu, dass     liert den Gesetzen von Angebot und Nachfrage
neuen Rekord. Ein Rekord, der Apothekern und
                                                     US-Ärzte entscheiden mussten, welches Kind           folgt. Dabei sind Interessen und Belange von
Ärzten den Puls hochjagt. Ein Rekord, der die        Vincristin bekommt und welches nicht – «ein          Patienten eher nachrangig», schreibt ein ano-
Krankenversicherungen Millionen kostet. Vor          Albtraum», sagte jüngst ein Kinderarzt gegen-        nymer Narkosearzt in seinem Blog. Die Arznei-
allem aber ein Rekord, der Kranke in Gefahr          über der britischen Ärztezeitung BMJ.                mittellieferanten versuchen zwar jeweils, auf
bringen kann. Und wenn es so weitergeht, wird                                                             Umwegen aus anderen Ländern noch Vorräte
dieser Rekord bald schon gebrochen.                  In den USA kostet eine Ampulle Vincristin um-        zu beschaffen. Aber auch das gelingt schon
                                                     gerechnet zwischen 8 und 14 Franken, hier-           jetzt nicht immer. Belgien beispielsweise hat
Die Rede ist von 645 fehlenden Medikamenten          zulande wird sie für rund 26 bis 40 Franken          bereits ein Exportverbot eingeführt, Österreich
– 140 davon hält die Weltgesundheitsorganisa-        verkauft. Weniger als ein Prozent aller Krebser-     will nachziehen, und auch in anderen Ländern
tion (WHO) für unverzichtbar. 388 sind gemäss        krankungen betreffen Kinder, sowohl der Markt        werden solche Stimmen laut. Enea Martinelli,
der Website Drugshortage.ch seit über sechs          als auch die Gewinnmarge sind also klein. «In        Chefapotheker der Spitäler Frutigen, Meirin-
Wochen nicht erhältlich, die «Rekordhalter»          der Schweiz hatten wir bisher keinen Liefereng-      gen und Interlaken, spricht von einem «Ver-
gar seit über zwei Jahren. Generika sind über-       pass», sagt Felix Niggli, Abteilungsleiter Onkolo-   teilkampf», in dem die Schweiz nur deshalb
durchschnittlich oft von solchen Lieferengpäs-       gie am Kinderspital Zürich.                          so gute Karten habe, weil hier die Preise für
sen betroffen, teilweise sind bis zu 15 Prozent                                                           Generika deutlich höher seien als in anderen
nicht lieferbar. Die SonntagsZeitung hat sechs       In der Kinderheilkunde, insbesondere bei             Ländern – noch.
beunruhigende Beispiele aus den letzten zwölf        Krebstherapien, bestünden aber immer wieder
Monaten genauer angeschaut.                          Lieferengpässe, so Niggli. Bis jetzt habe man        Geht es nach dem Bundesrat, soll dieser «Plus-
                                                     jeweils auf andere Generika ausweichen kön-          punkt» wegfallen. Er plant Referenzpreise für
Vitamin K                                            nen. «Es gibt gelegentlich aber auch die Situa­      Generika, die sich am Ausland orientieren,
Vitamin K hebt die Wirkung des sehr gebräuch-        tion, dass Chemotherapeutika plötzlich nicht         unter anderem an Deutschland. Dort kosten
lichen Blutverdünners Marcoumar auf. Im Not-         mehr hergestellt werden. Da muss man irgend-         Generika etwa halb so viel wie in der Schweiz.
fall, wenn ein betroffener Patient zum Beispiel      welche Alternativen finden, was bei manchen
                                                     Medikamenten nicht so einfach ist.»...                        Sonntagszeitung, 1. Dezember 2019
dringend operiert werden muss, oder bei Blu-
tungsgefahr, braucht es das sehr preiswerte
                                                     Propofol
Vitamin K. Im August aber gab es das Vitamin         «Ein Anästhesist ohne Propofol ist wie ein
nicht mehr. «Die Firma hat ohne Vorankündi-          Chirurg ohne Messer», schrieb jüngst ein Nar-
gung einfach nicht geliefert», sagt Enea Marti-      kosearzt anonym in einem deutschen Blog.
                                                                                                          Nationale Strategie
nelli, Chefapotheker der Spitäler Frutigen, Mei-     Der Grund für seine Wut: Das «wahrscheinlich         gegen Krebs
ringen und Interlaken.                               wichtigste Narkosemedikament» überhaupt war
                                                     in Deutschland gerade Mangelware. Propofol           Mit einem bis Ende 2020 verlängerten Projekt-
Die – nicht praktikable – Alternative sei gewe-      wird für Kurznarkosen benützt, für Operationen       programm sollen die Rahmenbedingungen für
sen, den Patienten kiloweise Broccoli zu geben,      und bei Patienten auf der Intensivstation. «Es       Prävention, Therapie und Forschung optimiert
weil dieses Gemüse viel Vitamin K enthält. Oder      ist uns sehr vertraut, kein Medikament spritzen      werden, in enger Abstimmung der Akteure.
aber auf ein anderes, aber viel teureres Präpa-      wir häufiger. Es macht ein schönes Einschlafen,
rat auszuweichen. «Das hat dann anstelle von         ist sicher steuerbar, hat nur wenige und dabei       Krebs ist in der Schweiz die zweithäufigste To-
2 Franken 1200 Franken pro Patient gekostet.»        sehr gut beherrschbare Nebenwirkungen. Wir           desursache. Nach Angaben des Bundesamts

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PRESSESPIEGEL – REVUE DE PRESSE

für Gesundheit (BAG) erkranken jährlich etwa
40 000 Menschen neu an Krebs. Gleichzeitig
                                                   Novartis zieht umstrittenes                         Der Entscheid sei zusammen mit der University
                                                                                                       of Pennsylvania gefällt worden. Die Universität
steigt die Zahl derjenigen, die mit der Krank-     Patent zurück                                       hat Kymriah erforscht und entwickelt. Im Jahr
heit leben. 2030 wird es schätzungsweise eine                                                          2012 hat Novartis mit der Uni eine Lizenzver-
halbe Million Menschen sein. «Die Behandlung       Die Organisation Public Eye argumentiert, dass      einbarung für die Entwicklung und Vermarktung
und Betreuung von Krebskranken ist komplex         es sich bei der Krebstherapie Kymriah um kei-       von Kymriah abgeschlossen. Inhaber des Pa-
und bedingt eine verstärkte Koordination der       ne Erfindung handle.                                tents ist deshalb die Universität, während No-
Versorgung und der Qualitätssicherung», erklärt                                                        vartis die exklusiven Rechte dafür besitzt.
das BAG.                                           Public Eye wertet es als Erfolg. Im Juli hat die
                                                   Nichtregierungsorganisation zusammen mit            In der Schweiz sind derzeit die grossen Kan-
Bund und Kantone lancierten deshalb 2013           Médecins du Monde beimEuropäischen Patent­          tons- und Universitätsspitäler daran, eine ei-
die «Nationale Strategie gegen Krebs 2014–         amtin München Einspruch gegen ein Patent für        gene Plattform für Zelltherapien aufzubauen,
2017». Sie ist zwischenzeitlich vom Bundesrat      die Krebstherapie Kymriah vonNovartiseinge-         die wie Kymriah funktionieren. Dabei gehe es
um drei Jahre bis Ende 2020 verlängert wor-        legt. Nun verzichtet der Basler Pharmakonzern       jedoch primär nicht darum, eine Alternative
den und umfasst insgesamt 15 Projekte in den       auf das Patent.                                     zum Novartis-Produkt anzubieten, weil dieses
Bereichen Vorsorge, Betreuung und Forschung.                                                           so teuer sei, sagt Thomas Cerny, Präsident des
Beteiligt sind mehr als 30 Organisationen und      Kymriah sei kein Medikament, sondern eine           Verbands Krebsforschung Schweiz. «Wir möch-
Expertengruppen, die Koordination liegt in den     medizinische Dienstleistung, argumentiert Pu-       ten die Technologie möglichst breit für verschie-
Händen von Oncosuisse, einer Vereinigung, der      blic Eye. Tatsächlich wird mit körpereigenen Zel-   denste Krebsarten weiterentwickeln und einset-
unter anderem die Krebsliga Schweiz und die        len des Patienten gearbeitet. Den Betroffenen       zen und dabei nicht von der Pharmaindustrie
Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klini-     wird Blut entnommen. Die darin enthaltenen          abhängig sein.» Die Krebsforschung Schweiz
sche Krebsforschung angehören. Im Kern geht        Immunzellen werden im Labor modifiziert und         habe inzwischen einen Grundsatzentscheid ge-
es darum, Rahmenbedingungen für die optima-        vermehrt, damit sie zurück im Körper des Pa-        fällt, um das Projekt mit drei bis fünf Millionen
le Zusammenarbeit aller Akteure und den Auf-       tienten den Krebs bekämpfen. Derzeit ist Kym-       Franken zu unterstützen. Der genaue Betrag
bau nationaler Kompetenzzentren zu schaffen.       riah zur Behandlung von zwei Blutkrebsarten         werde im Frühling gesprochen.
Zudem sollen laut BAG alle in der Schweiz le-      zugelassen.
benden Menschen den gleichen Zugang zu Frü-                                                                  St. Galler Tagblatt, 17. Dezember 2019
herkennung, Diagnostik und Therapie haben.         Das Verfahren sei nicht von Novartis neu erfun-
                                                   den worden, sagt Patrick Durisch von Public
«Krebserkrankungen werden das schweizeri-          Eye. Kymriah baue massiv auf Vorentwicklun-
sche Gesundheitssystem in den kommenden            gen und die Mitfinanzierung durch öffentliche       Krebsregister sorgt bei
Jahren besonders herausfordern», betont die        Institutionen wie etwa Universitäten auf. Das
Krebsliga. «Einerseits ist aufgrund der demo-      Patent erlaube Novartis eine Monopolstellung,       Ärzten für Unmut
grafischen Alterung mit einer weiteren Zunahme     die überrissene Preise ermögliche.
                                                                                                       Mediziner beklagen sich über Bürokratie und
an Neuerkrankungen zu rechnen. Andererseits
                                                                                                       Aushöhlung des Arztgeheimnisses, weil sie De-
wird sich die Spezialisierung innerhalb der On-    In der Schweiz verlangt Novartis offiziell
                                                                                                       tails über Tumorpatienten neu melden müssen.
kologie verstärken, und die Behandlung von         370000 Franken für die einmalige Therapie,
Krebserkrankungen wird aufgrund neuer For-         was wiederholt für Diskussionen gesorgt hat.
                                                                                                       Die Schweiz hat eines der besten Gesund­
schungsergebnisse komplexer werden. Eine an        Im Juni hatte sich der Pharmakonzern mit meh-
                                                                                                       heitssysteme der Welt. Doch es mangelt an
den Grundsätzen Qualität, Effizienz und Chan-      reren Krankenkassen auf eine Vergütung geei-
                                                                                                       brauchbaren Daten. Dieses Manko teilweise
cengerechtigkeit ausgerichtete Versorgung von      nigt. Laut Novartis zahlen die Kassen deutlich      beheben soll das neue nationale Krebsregister.
an Krebs erkrankten Menschen wird deshalb          weniger als den offiziellen Preis. Den genauen      Seit Anfang dieses Jahres müssen Ärztinnen und
nur dann Wirklichkeit, wenn alle betroffenen       Preis halten Novartis und die Krankenkassen         Ärzte in freier Praxis oder Spitälern alle Neuer-
Berufsgruppen und Organisationen eng und           allerdings unter Verschluss.                        krankten melden und auch Details der Diagnose
koordiniert zusammenarbeiten.»                                                                         angeben: Art und Stadium der Krebserkrankung,
                                                   Der Antrag für das Patent sei von Novartis noch     Erstbehandlung und später Therapieresultate,
Die Handlungsfelder des nationalen Krebs-          vor der eigentlichen Verhandlung am Europäi-        bei einzelnen Krebsarten wie Brust- oder Prosta-
programms reichen von der interdisziplinären       schen Patentamt zurückgezogen worden, sagt          takrebs auch Zusatzdaten zu Veranlagungen der
Betreuung von Krebspatienten, dem Ausbau           Durisch. «Dies zeigt die Angst von Novartis         Patienten oder Begleit­erkrankungen.
von Schulungsprogrammen und Beratungsan-           vor einem gefährlichen Präzedenzfall.» Bereits
geboten für Patienten bis hin zur Förderung der    im September habe Novartis einen ähnlichen          Die Daten zu den jährlich rund 40 000 neuen
klinischen Krebsforschung. Ein weiteres Feld ist   Patentantrag für Kymriah zurückgezogen. Es sei      Krebsfällen sollen mithelfen, die Prävention,
die Definition von sogenannten Patientenpfa-       das erste Mal, dass ein Einspruch durch eine        Früherkennung und Behandlung zu verbessern.
den. Festgelegt werden dabei typische Behand-      Nichtregierungsorganisation zur Aufhebung ei-       So könnte sich beispielsweise klären lassen, ob
lungsabläufe für ein bestimmtes Erkrankungs-       nes europäischen Pharmapatents führe, sagt          Programme wie Brustkrebs-Screenings Wirkung
bild oder eine Diagnose, das Ganze auf der         Durisch.                                            zeigen. Doch in der Ärzteschaft sorgt das Regis-
Basis verbindlicher Leitlinien. Auf diese Weise                                                        ter aus verschiedenen Gründen für Unmut. Macé
soll sichergestellt werden, dass die Patientin-    Novartis entgegnet, dass Kymriah durch meh-         Schuurmans, seit Jahresanfang Leitender Arzt
nen und Patienten über den gesamten Krank-         rere Patente geschützt sei – ohne eine genaue       Pneumologie am Universitätsspital Zürich, warnt
heitsprozess hinweg kompetent begleitet und        Zahl zu nennen. Das von Public Eye angegriffe-      in einem Beitrag in der «Schweizerischen Ärzte-
auch in die jeweiligen Entscheidungsprozesse       ne Patent sei für die weitere Entwicklung und       zeitung» («SÄZ») vor übertriebenen Erwartungen
einbezogen werden.                                 Vermarktung von Kymriah nicht entscheidend.         und spricht von «bürokratischem Wahnsinn». Er
                                                   Daher habe man beschlossen, den Antrag zu-          fragt sich, ob die Verantwortlichen mit der «Da-
   Neue Zürcher Zeitung, 5. Dezember 2019          rückzuziehen.                                       tenflut» etwas Vernünftiges anstellen könnten.

  Schweizer Krebsbulletin Nr. 1/2020                                                                                                                 9
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