Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 - Trendwende in der Versorgung - neue Strukturen sind gefragt

Die Seite wird erstellt Vanessa Neubauer
 
WEITER LESEN
Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 - Trendwende in der Versorgung - neue Strukturen sind gefragt
Schweizer Spitäler:
So gesund waren die
Finanzen 2017
Trendwende in der Versorgung –
neue Strukturen sind gefragt

Vergleich der wichtigsten Kennzahlen von Schweizer Spitälern,
siebte Ausgabe

                                                www.pwc.ch/gesundheitswesen
Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 - Trendwende in der Versorgung - neue Strukturen sind gefragt
Akutsomatik                                          Psychiatrie

              Wachstumsraten im Jahr 2017                         Wachstumsraten im Jahr 2017

                                                                                         4,0 %
                               3,1 %                                           2,9 %
                                                                    2,5 %
                                            1,9 %
                  1,5 %

               Wachstum Wachstum Wachstum                        Wachstum Wachstum Wachstum
                Umsatz  Personal-  Sach-                          Umsatz  Personal-  Sach-
                         aufwand  aufwand                                  aufwand  aufwand

      Kostensplit im Jahr 2017 (in % vom Umsatz)            Kostensplit im Jahr 2017 (in % vom Umsatz)

                 64,5 %                  11,6 %                     76,4 %               13,9 %

            Personalaufwand         Übriger Aufwand              Personalaufwand      Übriger Aufwand

                 16,7 %                                              2,3 %

          Medizinischer Bedarf                                 Medizinischer Bedarf

           Profitabilitätsmargen im Jahr 2017                   Profitabilitätsmargen im Jahr 2017
              10,0 %
                                                                 8,0 %
             Zielmarge
                                                                 Zielmarge
                               7,3 %                                           7,4 %       6,2 %
                                             5,5 %

                             EBITDAR-       EBITDA-                           EBITDAR-     EBITDA-
                              Marge          Marge                             Marge        Marge

2 | Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017
Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 - Trendwende in der Versorgung - neue Strukturen sind gefragt
Inhalt
Zum Auftakt                                        5   Teil D: Alters- und Pflegeheime                           38
                                                       Der Markt im Überblick                                     38

Teil A: Akutsomatik                                6   Versorgungsvielfalt dominiert                              39

Der Markt im Überblick                             6   Finanzierung nicht einheitlich geregelt                    40

Weitreichende Angebotsvielfalt                     8   Ausblick: Ambulant UND stationär                           40

Finanzielle Gesundheit der Schweizer                   Exkurs: Zukunftsmodelle im Alters- und
Akutspitäler                                      10   Pflegemarkt bei der Thurvita AG                            42

Gedankenreise in die Versorgungslandschaft             Drei Fragen an Alard du Bois-Reymond,
von übermorgen                                    16   CEO Thurvita AG                                            43

Exkurs: «from volume to value»                    24
Drei Fragen an André Zemp, Spitaldirektor              Teil E: Zurück- und vorwärts-
der Zürcher Stadtspitäler Triemli und Waid        27   geblickt                                                  44

Teil B: Psychiatrien                              28   Anhang                                                    46
Der Markt im Überblick                            28   Weitere Informationen                                      46
Wachstum und stationärer Bereich stocken          28   Stichprobe                                                 46
Hohe Personalkosten drücken die                        Median- und Durchschnittswerte                             47
Profitabilität                                    29
                                                       Kennzahlen                                                 47
Neues Tarifmodell seit 2018                       33
                                                       Quellenverzeichnis                                         47
                                                       Fussnotenverzeichnis                                       48
Teil C: Rehabilitation                            32
                                                       Abkürzungen und Glossar                                    49
Der Markt im Überblick                            32
Aktuelle strategische und organisatorische
Herausforderungen                                 33   Kontakte                                                  50
Ausblick zur Marktentwicklung                     34
Exkurs: Integrierte Versorgung durch die
Zusammenarbeit der Rehaklinik Bellikon
(RKB) und des UniversitätsSpitals Zürich          34
Drei Fragen an Dr. Gianni Roberto Rossi,
CEO Rehaklinik Bellikon (RKB), und Katja Bruni,
Direktorin Pflege und MTTB USZ a.i.               36

                                                              Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 | 3
Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 - Trendwende in der Versorgung - neue Strukturen sind gefragt
Das Schweizer
     Gesundheitswesen
 steht vor einer
              Trendwende.

  4 | Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017
Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 - Trendwende in der Versorgung - neue Strukturen sind gefragt
Zum Auftakt
Liebe Leserin, lieber Leser

Das Schweizer Gesundheitswesen steht vor einer Trendwende. Die bisherigen Wachstumsstrategien funktionieren
vielfach nicht mehr. Die Zukunft gehört regionalen Versorgungsnetzwerken, die sich an den Bedürfnissen der Patienten
orientieren und wirtschaftlich langfristig tragbar sind.

Mit der vorliegenden Studie zur finanziellen Gesundheit von Schweizer Spitälern setzen wir uns mit den Gründen für
diesen Umbruch und mit denkbaren Zukunftsentwicklungen auseinander. Wir ergänzen unsere Studienreihe seit 2011
um die siebte Ausgabe. Dazu gehen wir den folgenden Themen auf den Grund:

In Teil A widmen wir uns der Akutsomatik, dem grössten Teilmarkt des Schweizer Gesundheitswesens. Wir geben
einen Überblick über die wesentlichen Treiber für aktuelle und künftige Entwicklungen. Zudem befassen wir uns mit
dem Status quo im akutsomatischen Markt und zeigen die unterschiedlichen regionalen Entwicklungen im Vergleich
zum Ausland auf.

Wir legen dar, wie sich die finanzielle Gesundheit der Schweizer Spitäler im Jahr 2017 entwickelt hat. Der Margendruck
ist erneut gestiegen, und die Spitäler schneiden im Durchschnitt schlechter ab als im Vorjahr. Das stationäre Mengen-
wachstum hat sich zugunsten des ambulanten Bereichs aus volkswirtschaftlicher Sicht erfreulicherweise abgeschwächt.
Für viele Spitäler, insbesondere diejenigen mit abgeschlossenen oder laufenden Bauprojekten, stellt diese Umwälzung
tiefgreifende Herausforderungen dar.

Des Weiteren wagen wir einen Ausblick auf die zukünftigen Versorgungsstrukturen der Schweiz. Dabei entwickeln wir
die Gedanken aus unserer letztjährigen Finanzstudie weiter. Wir gehen davon aus, dass sich die Schweizer Akutspitäler
verstärkt über integrierte Leistungsangebote innerhalb grösserer Versorgungsregionen positionieren. In diesem Kapitel
skizzieren wir, wie diese konkret aussehen könnten.

In Teil B stellen wir die finanzielle Entwicklung der Psychiatrien dar. Auch hier kommen neue Aufgaben auf die Leistungs-
erbringer zu. Interessant wird insbesondere die Auswirkung von TARPSY. Was die neue Abrechnung bedeutet, wird
zum ersten Mal in unserer Studie über die Finanzen des Jahres 2018 zu sehen sein.

In Teil C nehmen wir erstmals den Teilmarkt der Rehabilitation in unsere Untersuchungsreihe auf. Auch hier gehen wir
auf neue, integrierte Versorgungsmodelle ein.

Teil D ist ebenfalls neu und beschreibt den Teilmarkt der Alters- und Pflegeheime sowie deren Entwicklungen. Dieser
Teilmarkt gerät ebenfalls zunehmend unter Druck. Für eine integrierte Versorgungssicht stellt er ein Kernelement des
Schweizer Gesundheitswesens dar.

Mit einem kurzen Fazit in Teil E runden wir unsere Betrachtungen ab.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

Ihre PwC

Patrick Schwendener                                           Philip Sommer
Director                                                      Partner
Leiter Deals Gesundheitswesen                                 Leiter Beratung Gesundheitswesen

                                                                         Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 | 5
Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 - Trendwende in der Versorgung - neue Strukturen sind gefragt
Teil A
Akutsomatik

                                                       Zukunft
                               gehört
                            integrierten
                                   Versorgungsregionen

                       Der Markt im Überblick
                       Das Gesundheitswesen rückt immer stärker in ein Spannungsfeld zwischen Qualität, Patientenzent-
                       rierung und Wirtschaftlichkeit. Nachfolgend legen wir die relevanten Treiber für diese Tendenzen dar.

                       Spannungsfeld mit drei Polen – Qualität, Patientenorientierung, Wirtschaftlichkeit

                       Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit erhöhen den Anpassungsdruck auf die Gesundheitsver-
                       sorgung und dominieren bisweilen die öffentliche Wahrnehmung. Allerdings wirkt sich nicht allein
                       der Kostendruck auf die Gesundheitsversorgung und die Versorgungsstruktur aus. Wachsende
                       Patientenanforderungen, der technologische Wandel und beschränkte Ressourcen stellen die Leis-
                       tungserbringer ebenfalls vor die Aufgabe, insbesondere bei der Qualität und Patientenzentrierung
                       neue Wege zu gehen.

                       In dieser Studie stellen wir ein Versorgungsmodell für die Schweiz vor, das den akuten Handlungs-
                       druck erfolgreich bewältigt und dem Anspruch an Qualität, Patientenzentrierung und Wirtschaftlich-
                       keit gerecht wird. Wir konzentrieren uns auf die Akutsomatik – im Wissen, dass auch die Psychiatrie,
                       Rehabilitation, Alters- und Pflegeheime und Spezialkliniken eine integrierte Versorgung stärken
                       Unser Versorgungsmodell ist frei von bestehenden Systemzwängen und basiert auf den drei Ziel-
                       setzungen Qualität, Patientenzentrierung und Wirtschaftlichkeit.

      1 Title | Chapter header: 7/10 Helvetica Neue Regular
6 | Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017
Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 - Trendwende in der Versorgung - neue Strukturen sind gefragt
Qualität
                                                              Patienten- und Qualitätsanforderungen steigen

                                                              Auch zu den Themen Qualität und Patientenzentrierung
                                                              laufen politische Bestrebungen. Die Strategie des Bundes
                       Gesundheits-
                        versorgung                            «Gesundheit2020» zielt auf mehr Qualitäts- und Patien-
                                                              tensicherheit ab. Der Fortschritt in der medizinischen
                                                              Qualität und in der Patientenzentrierung wird jedoch vor
         Patienten-                     Wirtschaft-           allem durch die wandelnden Patientenbedürfnisse ge-
         zentrierung                     lichkeit
                                                              prägt (vgl. letztjährige Studie).6

Abbildung 1: Dreifache Anforderungen an die Schweizer             Der Patient von heute sieht sich
Gesundheitsversorgung (Quelle: PwC-eigene Darstellung)           als gleichberechtigter Partner und
                                                                möchte in die Entscheidungsfindung
                                                                 einbezogen werden (partizipative
Finanzieller Druck hält an                                           Entscheidungsfindung oder
Wirtschaftlichkeit steht fast täglich öffentlich zur Debat-          «shared decision making»).
te. Sie ist Gegenstand von regulatorischen Eingriffen und
Massnahmen von Bund und Kantonen, die die nachhaltige         Darüber hinaus erwartet er eine medizinische Behand-
Finanzierung unserer Gesundheitsversorgung sicherstel-        lung, die auf ihn zugeschnitten ist. Gleichzeitig ist er
len wollen. Trotz des Wechsels zum DRG-System 2012            mobiler geworden. Er sucht gezielt nach dem Leistungser-
und mehrerer bundesrätlicher Eingriffe in die ambulante       bringer, von dem er die statistisch bestmögliche Behand-
Tarifstruktur steigen die Gesundheitskosten je Einwohner      lungsqualität erwartet. Dafür ist er auch bereit, längere
weiterhin an.1 Die Leistungen der obligatorischen Kran-       Fahrzeiten in Kauf zu nehmen.7 Mehr Transparenz ist da-
kenkassenversicherung sind 2017 deutlich weniger stark        bei entscheidend (zum Beispiel veröffentlicht der Kanton
gewachsen als in den Vorjahren. Dazu beigetragen haben        Zürich die Liste von Operateuren, die die vorgegebenen
leicht sinkende Fallpreise sowie die Anpassung der kanto-     Mindestfallmengen erreichen)8.
nalen Kostenbeteiligung auf mindestens 55 Prozent.2
                                                              Technologische Innovationen begünstigen den Trend
Wie sich die Gesamtkosten des schweizerischen Ge-             hin zur patientenzentrierten Medizin. Auch Pharmaunter-
sundheitswesens entwickeln werden, bleibt abzuwar-            nehmen setzen zunehmend auf personalisierte Medizin
ten. 2018 dürften die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben die        und richten ihr Produktportfolio neu aus.9 Der technische
10’000-Franken-Marke erstmals überschreiten.3 Zurzeit         Fortschritt ermöglicht es zudem, das aufkommende Be-
befinden sich neue Massnahmen in der Vernehmlassung,          dürfnis für virtuelle und telemedizinische Dienstleistungen
die die Kosten der obligatorischen Krankenversicherung        zu decken.
stabilisieren sollen. Darunter befinden sich Vorschläge für
eine systematische Kostenkontrolle, das Einschalten eines
nationalen Tarifbüros, ein Referenzpreissystem für Gene-      Antworten der Gesundheitsversorger –
rika sowie die Reduktion des Rollenkonflikts der Kantone.     Konsolidierung steht bevor
Insgesamt möchte der Bundesrat damit jährlich mehrere
Hundert Millionen Franken sparen.4                            Der finanzielle Druck auf das Gesundheitssystem sowie
                                                              die sich rasch ändernden Patientenbedürfnisse zwingen
Andere Massnahmen auf kantonaler Ebene zielen auf eine        die Spitäler zum Umdenken. Die stetige Konsolidierung
Leistungsverlagerung vom stationären in den ambulan-          der Branche (vgl. Abbildung 3) sowie die zunehmende Be-
ten Bereich und auf eine Konzentration auf spezialisierte     reitschaft, sich mit integrierten Leistungsangeboten inner-
Medizin ab und sind bereits umgesetzt. Dazu gehören die       halb von grösseren Versorgungsregionen zu positionieren,
Einführung von kantonal geregelten ambulanten Listen5         sind erste Anzeichen dafür, dass sich der Markt bewegt.
(per 2019 wird zudem eine ambulante Liste auf Bundes-         Es stellt sich die Frage, wann und in welcher Ausprägung
ebene in Kraft treten) und von Mindestfallzahlen. Bei         der Strukturwechsel spürbar wird. Wir meinen: Eine Struk-
Letzteren nimmt die Gesundheitsdirektion Zürich eine          turbereinigung ist unausweichlich, wenn die oben genann-
Vorreiterrolle ein. Per 2019 beziehen sich die Vorgaben       ten Ziele erreicht werden sollen. Strategische Gremien,
zu Mindestfallzahlen nicht nur auf Spitäler, sondern auch     Geschäftsleitungen und Eigentümer von Spitälern sollten
auf einzelne Chirurgen. Insgesamt belasten die regulatori-    mutige Entscheide treffen – am besten noch heute.
schen Eingriffe das finanzielle Ergebnis der Spitäler.

                                                                         Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 | 7
Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 - Trendwende in der Versorgung - neue Strukturen sind gefragt
Weitreichende Angebotsvielfalt                                            Pflegetage erbracht. Die Bettenauslastung liegt bei durch-
                                                                          schnittlich 82 Prozent. Über ein Viertel der Spitäler be-
Die akutsomatischen Anbieter versorgen die 8,5 Millionen                  treibt mehrere Standorte – total gibt es 235 Spitalstandor-
Schweizer Einwohner mit einer umfassenden Grundver-                       te. In dieser Zahl enthalten sind auch rein elektive Spitäler,
sorgung und spezialisierten Gesundheitsleistungen.10                      die keinen Notfalldienst anbieten und die für die Versor-
Der Markt für akutsomatische Einrichtungen beläuft sich                   gungssicherheit weniger oder gar nicht relevant sind.
auf 22,8 Mrd. CHF.11 Das entspricht 28,3 Prozent der viel
zitierten 80 Mrd. CHF, die das Gesundheitswesen jährlich                  Die Schweizer Spitallandschaft weist also eine hohe
volkswirtschaftlich kostet. Über die letzten fünf Jahre ist               Leistungsdichte auf: Pro 1000 Einwohner stehen 2,7 Spital-
der Markt im Schnitt um 3,8 Prozent jährlich gewachsen.                   betten zur Verfügung, wobei regionale Unterschiede be-
Die stationären Fallzahlen liegen in der Schweiz bei rund                 stehen.12 Ungeachtet der Bevölkerungsdichte zeigt sich
1,3 Millionen. In 163 akutsomatischen Spitälern (bzw.                     um den Genfersee, Zürichsee, in der Region Basel sowie
Spitalgruppen oder Netzwerken) werden mit insgesamt                       im Einzugsgebiet der Stadt St. Gallen eine Vielzahl von
23’250 Betten akutsomatischen Betten rund 7 Millionen                     Spitalstandorten (vgl. Abbildung 4).

                                                                                                                      235
                                                                                                                    Standorte

      1,3 Mio.                                      23’250
      Fallzahlen                                    Betten

                            7,0 Mio.
                          Pflegetage
                                                                                163
                                                                               Spitäler

Abbildung 2: So sieht die Akutsomatik in Zahlen aus (Datenquelle: BAG)

Die durchschnittliche Spitalgrösse liegt bei 143 Betten,                  fusionieren und die absolute Zahl zurückgeht. Die Anzahl
pro Standort sogar bei unter 100 Betten. Im internatio-                   Zentrums- und Grundversorger – also versorgungsrele-
nalen Vergleich der Bettenzahl sind Schweizer Spitäler                    vanter Spitäler mit Notfall – ist von 184 Betrieben im Jahr
klein, obwohl seit geraumer Zeit Schweizer Spitalbetriebe                 2000 auf 102 im Jahr 2016 gesunken (vgl. Abbildung 3).13

                                                                   –3,6 % p.a.
       184     177    173
                              162     158
                                              150
                                                     141
                                                             130    129     129
                                                                                   121     120     116     113    108    106     102

       2000            2002            2004           2006          2008           2010            2012           2014           2016

Abbildung 3: Die Zahl der Zentrums- und Grundversorger (juristische Personen) in der Schweiz ist von 2000 bis 2016 kontinuierlich gesunken
(Datenquelle: BAG)

8 | Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017
Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 - Trendwende in der Versorgung - neue Strukturen sind gefragt
Mit ihrem dichten Angebot können die Spitäler aktuell eine                Muss ein Einwohner in der Schweiz ins Spital, so braucht
hohe Versorgungssicherheit gewährleisten. Diese soll in                   er im Durchschnitt zehn Minuten Fahrzeit. Damit ist die
der kantonalen Spitalplanung zum Tragen kommen. Der                       Versorgungssicherheit in der Schweiz aktuell mehr als
Kanton Bern beispielsweise schreibt vor, dass ein Spital                  gewährleistet.
mit Grundversorgungs- und Notfallangebot für 80 Pro-
zent der Bevölkerung innerhalb von 30 Minuten mit dem
motorisierten Individualverkehr erreichbar sein muss. Im
Weiteren dürfen Spital und die zu versorgende Gemein-
de höchstens 50 Strassenkilometer auseinanderliegen.14
Heute erreichen gemäss unserer Datenanalyse 94
Prozent der Schweizer Bevölkerung einen der insge-
samt 235 akutsomatischen Standorte innerhalb von
30 Minuten (vgl. Abbildung 5).15

                   Abdeckung in %
                     61–70 %
                     71–80 %
                     81–90 %
                     91–100 %

Abbildung 4: Erreichbarkeit der Akutspitäler innerhalb von 30 Minuten mit dem Individualverkehr (2016), (Quelle: PwC-eigene Darstellung)

                            92% 94% 96%
                     85%
             71%

     45%

      10      15      20      25         30   35
                   Fahrzeit in Minuten

Abbildung 5: Spitalabdeckung der Schweizer Bevölkerung in verschiedenen
Kategorien von Fahrzeiten (in %), (Quelle: PwC-eigene Darstellung)

                                                                                       Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 | 9
Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 - Trendwende in der Versorgung - neue Strukturen sind gefragt
Finanzielle Gesundheit der                                              variieren. Ebenfalls können sich einige Kennzahlen aus
Schweizer Akutspitäler                                                  den Vorjahren aufgrund von rückwirkenden Anpassungen
                                                                        der Jahresabschlüsse (Restatements) oder bisher nicht
2017 war bereits das sechste Jahr nach dem Start der                    verfügbaren Detailangaben verändern. Wir berücksichti-
neuen Spitalfinanzierung. In dieser Zeit hat sich der Wett-             gen jeweils sämtliche verfügbaren rückwärtsgerichteten
bewerb intensiviert. Das zwingt die Spitäler, eine klare Po-            Daten. Dadurch ändern sich an manchen Stellen die Ver-
sitionierung voranzutreiben. Aktuell stehen einige grosse               gangenheitsdaten im Vergleich zu früheren Studien; deren
Akutspitäler kurz vor der Eröffnung ihrer Neubauten oder                grundsätzliche Erkenntnisse bleiben jedoch unbeeinflusst.
haben den Festakt bereits vollzogen. Spitäler müssen ihre
Investitionen bekanntlich ohne Zuschüsse eigenständig
finanzieren. Auch nach dem Bau sind noch immer Agilität                 Trendwende im stationären Bereich –
und Flexibilität gefragt. Um das finanziell zum Ausdruck zu             Fallzahlen stagnieren
bringen, eignet sich ein von uns bereits 2011 berechneter
Richtwert von 10 Prozent der EBITDAR-Marge. Dieser                      2017 läutet möglicherweise eine Trendwende in der
Zielwert hat sich im aktuellen Kontext bewährt und sich in              Akutsomatik ein. Bis anhin zeigte sich seit 2013 ein relativ
der Branche etabliert.                                                  stabiles jährliches Umsatzwachstum von rund 3,0 bis 4,0
                                                                        Prozent (der hohe Anstieg von 2011 auf 2012 war system-
Wie bereits in den Vorjahren analysieren wir auf den fol-               bedingt und wird entsprechend nicht berücksichtigt). Das
genden Seiten die Schlüsselkennzahlen und quantitativen                 Wachstum war dabei insbesondere durch jährlich steigen-
Marktentwicklungen des Schweizer Gesundheitswesens.                     de Leistungsmengen begründet. 2017 hingegen konnten
Unsere Stichprobe umfasst 45 Akutspitäler mit mindes-                   die Akutspitäler mit 1,5 Prozent Umsatzwachstum weniger
tens einem Vertreter aus nahezu allen Kantonen. Die                     als halb so stark zulegen wie in den Vorjahren. Bei näherer
untersuchten Akutspitäler erreichen einen Gesamtumsatz                  Betrachtung wird deutlich, dass das positive Gesamt-
von 17,8 Mrd. CHF. Das entspricht einem Anteil von rund                 wachstum aus dem Wachstum der ambulanten Erträge
78 Prozent aller Schweizer Akutsomatikspitäler. In der                  hervorging: Während der ambulante Bereich mit 5,0
Stichprobe ist der öffentliche Sektor mit 43 Institutionen              Prozent wie schon in den Vorjahren ein signifikantes
überproportional vertreten.                                             Umsatzwachstum erfuhr, stagnierte der stationäre
                                                                        Bereich zum ersten Mal seit sechs Jahren (vgl. Ab-
Unsere Auswertungen basieren grundsätzlich auf den                      bildung 6). Dieses Resultat werten wir als starkes Indiz für
publizierten Jahresrechnungen der untersuchten Spitäler.                eine Trendwende.
Einzelne Informationen fragen wir jeweils zusätzlich nach
(z.B. die Unterscheidung des stationären und ambulanten                 Rein stationäre Wachstumsstrategien kommen aus der
Wachstums), wenn diese nicht aus der Jahresrechnung                     Mode und sind finanziell immer weniger lohnend bzw.
ersichtlich werden. Weil die verfügbaren Informationen                  nicht realisierbar. Davon ausgenommen sind selbstver-
unterschiedlich detailliert ausgewiesen sind, kann die                  ständlich stationäre Wachstumsstrategien als Folge von
Stichprobengrösse je nach ausgewerteter Kennzahl leicht                 Übernahmen (Branchenkonsolidierung, also die Akquisi-

           Umsatzwachstum Akutspitäler

                7,6 %                    4,8 %                   5,9 %                    9,1 %                   5,0 %
               3,8 %                     2,9 %                   3,7 %                   4,0 %                    1,5 %

                                                                                      8,8 %

            6,4 %
                                      5,7 %
                                                                                                               5,0 %
                                                             3,9 %
                    2,8 %                                                                     3,0 %
                                                                     2,7 %
                                              1,7 %
                                                                                                                       (0,0 %)
                2013                      2014                   2015                     2016                     2017

                Ambulantes Wachstum                               Umsatzwachstum
                Stationäres Wachstum                              Umsatzwachstum europäische Peers

Abbildung 6: Umsatzwachstum der Schweizer Akutsomatik, aufgeteilt nach ambulanten und stationären Erträgen (Medianwerte)

10 | Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017
tion bestehender Fälle) oder bei Spitälern in Gebieten mit              3. Kleinere Spitäler verlieren immer mehr Fälle an Univer-
überdurchschnittlichem Bevölkerungswachstum. Bezeich-                      sitäts- und Zentrumsversorger. Das beschleunigt die
nenderweise manifestiert sich der stationäre Umsatzrück-                   Strukturbereinigung – und die Spitalstrukturen werden
gang in der Stichprobe hauptsächlich bei den kleineren                     zunehmend grösser.
Spitälern mit unter 250 Betten (vgl. Abbildung 7).
                                                                        4. Durch die Einführung von Mindestfallzahlen richten
Aufgrund dieser Beobachtungen stellen wir die folgenden                    kleinere Häuser ihr Angebot teils neu aus. Das erfordert
Hypothesen auf:                                                            Zeit und schafft zusätzlichen Wettbewerbsdruck in die-
                                                                           sem Segment, wenn die Neuausrichtung nicht über die
1. Der Trend «ambulant vor stationär» hat sich in den ver-                 gesamte Versorgungsregion erfolgt (vgl. Kapitel 4).
   gangenen Jahren verdeutlicht und hält an. Das führt zu
   gleichbleibenden oder sinkenden stationären Fallzahlen               5. Durch den Fachkräftemangel resultieren eine an-
   und Erträgen.                                                           spruchsvolle Nachbesetzung vakanter Stellen und
                                                                           schliesslich höhere Lohnkosten, insbesondere bei
2. Effiziente ambulante Prozesse mit grosser Flexibilität                  kleineren Spitälern.
   bei der Leistungserbringung werden immer wichtiger.
   Damit wollen die Versorger einerseits der steigenden
   ambulanten Nachfrage entsprechen und andererseits
   die Kostenstrukturen optimieren.

            Umsatzwachstum im Jahr 2017 nach Grösse

                 0,3 %                         2,5 %                       1,5 %                 Median Umsatzwachstum

                                                   6,2 %

                                                                               5,0 %

                       3,0 %
                                                                                                 Median ambulantes Wachstum
                                                                                                 Median stationäres Wachstum
                                         0,7 %
             (1,2 %)                                                (0,0 %)

             ≤ 250 Betten                 > 250 Betten                Alle Spitäler

Abbildung 7: Umsatzwachstum (2017) in der Akutsomatik nach Anzahl Betten

           Entwicklung Fälle stationär

                                                                                       3,0 %           3,0 %
                                                                                               2,7 %

                                                            2,2 %
            1,9 %                   1,9 %                                    1,9 %
                            1,6 %                                   1,7 %
                                                    1,4 %
                    1,2 %                   1,2 %
                                                                                                                        0,2 %

                    2013                    2014                    2015                       2016                     2017
                                                                                                                                -0,3 %
                                                                                                               -0,5 %

                                ≤ 250 Betten                                > 250 Betten                          Alle Spitäler

Abbildung 8: Fallentwicklung im stationären Bereich (Medianwerte) von 2013 bis 2017

                                                                                       Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 | 11
Wie erwähnt hat der stationäre Umsatz 2017 im Median           seren Akutspitäler im Durchschnitt tiefere Personalkosten
stagniert (die Wachstumsrate der verfügbaren Daten             haben. Das ist insofern nachvollziehbar, als bei Akutspi-
beträgt minus 0,02 Prozent). Beim Fallwachstum fällt auf,      tälern ein grosser Teil der Personalkosten aufgrund der
dass der Medianwert bei minus 0,3 Prozent liegt. Mit           gesetzlichen Vorschriften und notwendigen Vorhalteleis-
anderen Worten: Die untersuchten Spitäler haben 2017           tungen fix ist und eine Optimierung erst ab einer gewissen
im Mittel 0,3 Prozent weniger stationäre Patienten             Grösse möglich wird. An dieser Stelle sei das Konzept
behandelt (vgl. Abbildung 8). Wird bei dieser Analyse die      der Sprungfixkosten erwähnt, das vor allem bei kleineren
Grösse mitberücksichtigt, so konnten die Spitäler mit über     Spitälern zum Tragen kommt. Ferner ist das Besetzen von
250 Betten im Median um 0,2 Prozent zulegen, während           wichtigen Positionen bei kleineren Spitälern im Vergleich
diejenigen mit weniger als 250 Betten 0,5 Prozent verlo-       zu grossen Häusern teils nur über entsprechende Lohn-
ren. Weil die grösseren Spitäler kumuliert eine deutlich hö-   anreize möglich. Eine weitere Interpretation wäre, dass die
here Anzahl stationärer Fälle behandeln, resultiert absolut    Spitäler den zunehmenden Fachkräftemangel mit teurem
eine stabile Fallzahlentwicklung von 2016 bis 2017. Das        Fremdpersonal über Personalvermittlungen oder Perso-
steht im starken Gegensatz zu den Veränderungen der            nalverleihe lösen.
vergangenen Jahre: Die jährlichen Gesamtwachstums-
raten der Spitäler lagen im Median zwischen 1,4 Prozent        Allerdings lassen sich die Personalkosten oft nur zeitver-
und 3,0 Prozent. Zudem konnten kleinere Spitäler in den        zögert zu den notwendigen Massnahmen beeinflussen.
vergangenen Jahren jeweils um rund 0,5 Prozentpunkte           Entwickelt sich der Umsatz ungünstig, können die Häuser
stärker zulegen als grosse. Das erachten wir als klare Vor-    ihre Personalkosten in der Regel nicht unmittelbar anpas-
boten einer Branchenkonsolidierung. Die grossen Spitäler       sen. Die Definition und die Umsetzung geeigneter Mass-
haben sich in Position gebracht für den Fall, dass kleinere    nahmen benötigen Zeit. Unter anderem weil viele Spitäler
Häuser in den nächsten Jahren zunehmend in Bedrängnis          den Grossteil ihrer Leistungs- und Supportprozesse in
kommen, etwa durch regulatorische Eingriffe.                   Eigenleistung erbringen und Leistungen ausserhalb ihrer
                                                               Kernkompetenzen erst dann extern vergeben, wenn ein
Obwohl wir nicht alle Schweizer Akutspitäler analysiert        flexiblerer Leistungsbezug möglich ist.17
haben, halten wir die Stichprobe und deren Entwicklun-
gen als repräsentativ für die Branche. Gleichzeitig werden     Die Kosten für den medizinischen Bedarf und den übrigen
sich aufgrund der Einführung von Qualitätskriterien und        Aufwand sind ähnlich hoch wie im Vorjahr (vgl. Abbildung
Mindestfallzahlen künftig die Leistungsaufträge vor allem      9). Die Wachstumsraten der Personal- und Sachkosten
der kleineren Spitäler verändern. Im ambulanten Bereich        zwischen 2016 und 2017 sind zwar tiefer als in den Vorjah-
wird sich das überproportionale Wachstum fortsetzen.           ren, das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass
                                                               sich die wirtschaftliche Gesamtsituation nicht verbessert
Der TARMED-Eingriff des Bundesrates ist seit Anfang            hat. Denn das Umsatzwachstum liegt deutlich unter den
2018 wirksam. Er wird den ambulanten Bereich aus rein          Vorjahreswerten.
wirtschaftlichen Gründen für viele noch unrentabler ma-
chen. Gut möglich, dass er das ambulante Umsatzwachs-
tum in den kommenden Jahren verlangsamen wird. Die
                                                                  In den letzten Jahren hat sich das
Spitäler werden deshalb jedoch nicht den «strategischen             Verhältnis zwischen Ertrags-
Rückwärtsgang» einlegen. Das liefe nämlich dem Patien-
tenbedürfnis diametral entgegen. Sie haben bereits viel in
                                                                und Kostenwachstum nie ungünstiger
effiziente ambulante Zentren und den Aufbau ambulanter                   entwickelt als 2017.
Leistungsangebote investiert. Und auch aus rein regulato-
rischen Gründen wäre eine Umkehr nicht mehr möglich.16         Der Faktor zwischen Umsatzwachstum (1,5 Prozent) und
                                                               Personal- und Sachkostenwachstum (2,4 Prozent) lag
                                                               bei 0,61. Demnach konnte 2017 pro 100 CHF zusätz-
Personalkosten leicht über dem Vorjahr                         licher Kosten nur 61 CHF Mehrertrag generiert werden
                                                               (vgl. Abbildung 10). Diese Entwicklung ist primär auf die
Bei den Kosten zeigt sich im Vergleich zum Vorjahr eine        Verlagerung von stationären zu ambulanten Leistungen
ähnliche Verteilung von Personalkosten, medizinischem          zurückzuführen. Letztere sind weniger rentabel. Es ist
Bedarf und übrigem Aufwand. Die Personalkosten stellen         davon auszugehen, dass sich dieser Trend weiter fortset-
mit fast zwei Dritteln den Hauptkostenblock dar. Sie sind      zen wird. Um die Profitabilität zu halten oder zu verbes-
im Verhältnis zum Ertrag leicht angestiegen. Das heisst im     sern, verbleibt den Häusern nur eine oberste Priorität: die
Klartext: Die Wirtschaftlichkeit hat 2017 gegenüber dem        Kostenoptimierung. Viele Spitäler kommen derzeit zwecks
Vorjahr abgenommen. Unsere Analyse zeigt, dass die Per-        Unterstützung von Ergebnisverbesserungsprojekten auf
sonalkosten gerade in kleineren Häusern mit weniger als        uns zu.
250 Betten über dem Median liegen, während die grös-

12 | Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017
Kostensplit 2017                            Kostenentwicklung
        (in % des Gesamtumsatzes)                   (in % des Gesamtumsatzes)

                                                       7,4 %        8,0 %       7,9 %           8,2 %        7,2 %        7,3 %
                    7,3 %                             13,2 %                   12,0 %                      12,8 %        11,6 %
                                                                   12,7 %                     12,1 %
            11,6 %                                    16,2 %       16,0 %      16,2 %         16,1 %       16,4 %        16,7 %

                                                      63,2 %      63,3 %       63,9 %        63,6 %        63,6 %       64,5 %
         16,7 %
                                 64,5 %

                                                       2012         2013        2014            2015         2016           2017

            Personalaufwand               Medizinischer Bedarf              EBITDAR                Übriger Aufwand (exkl, Mieten)

Abbildung 9: Kostenaufteilung in Akutspitälern in Prozent des Gesamtumsatzes (Medianwerte)

        Umsatz- und Kostenwachstumsraten

             1,216                    0,835                      0,976                     0,945                       0,613

                                                                                                4,3 %
                                                                                        4,0 %
         3,8 %
                                                              3,7 % 3,7 %
                                          3,4 %
                  3,2 %
                                  2,9 %
                                                                                                                            2,4 %

                                                                                                                    1,5 %

             2013                     2014                       2015                       2016                       2017

             Umsatzwachstum                Wachstum Personal- und Sachaufwand                   Ratio Ertrags- zu Kostenwachstum

Abbildung 10: Wachstum von Kosten und Umsatz bei Schweizer Akutspitälern (Medianwerte)

                                                                                      Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 | 13
Historische EBITDAR- und EBITDA-Margen                               Historische EBIT- und Reingewinn-Margen

                                            5,5 %                                                         0,8 %
        2017                                                                 2017
                                                      7,3 %                                                       1,2 %

                                             5,7 %                                                                1,1 %
        2016                                                                 2016
                                                      7,2 %                                                           1,3 %
                                               6,3 %                                                              1,2 %
        2015                                                                 2015
                                                          8,2 %                                                           1,5 %
                                              6,0 %                                                       0,9 %
        2014                                                                 2014
                                                        7,9 %                                                                     2,0 %
                                                  6,7 %                                                       1,1 %
        2013                                                                 2013
                                                          8,0 %                                                                             2,4 %
                                              5,9 %                                                       0,9 %
        2012                                                                 2012
                                                       7,4 %                                                                  1,7 %
                 Marge in % des Gesamtumsatzes                                             Marge in % des Gesamtumsatzes

                      EBITDA        EBITDAR                                                     Reingewinn         EBIT

Abbildung 11: Profitabilitätsentwicklung der Schweizer Akutspitäler (Medianwerte)

                                                                             Margenunterschiede nach Spitalgrösse

                                                                               1,75 %            2,59 %           2,13 %          1,20 %
                                                                               2,45 %
                                                                                                 0,95 %           2,68 %
                                                                                                                                  2,28 %

                                                                              EBITDAR           EBITDAR           EBITDA          EBITDA
                                                                               ≤ 250             > 250             ≤ 250           > 250
                                                                               Betten            Betten            Betten          Betten

                                                                          Abbildung 12: EBITDAR- und EBITDA-Margen nach Bettenzahl
                                                                          (Median, zweites Quartil in Orange, drittes Quartil in Rot)

                                                                             Eigenkapitalquote

                                                                                                      49,3 % 48,3 %
                                                                                                                              45,5 % 43,7 %

                                                                                34,7 %       36,8 %

                                                                                    2012      2013     2014        2015       2016     2017

                                                                          Abbildung 13: Eigenkapitalquoten (Medianwerte) der Schweizer
                                                                          Akutspitäler von 2012 bis 2017

14 | Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017
Profitabilität bleibt gering                                   Die Resultate der EBITDAR-Margen zeigen, dass die
                                                               akutsomatischen Spitäler die Senkung von Tarifen, die
Trotz des tieferen Kostenwachstums gegenüber dem               Anforderungen an Mindestfallzahlen und den zunehmen-
Vorjahr konnten die untersuchten Spitäler bei der Profita-     den Fachkräftemangel kompensieren konnten. Sie blieben
bilität keinen Kurswechsel erwirken. Aufgrund des ge-          vergleichbar profitabel wie 2016. Gerade kleinere, weniger
ringen Ertragswachstums resultierte für 2017 im Median         klar positionierte Institutionen werden sich schwerer tun,
eine EBITDAR-Marge18 von 7,3 Prozent. 2012 und 2015            die neuen Anforderungen erfolgreich zu meistern. Wer in
entwickelte sich die operative Profitabilität grundsätzlich    einen Transformationsrückstand gerät, schwächt seine
positiv. Trotzdem weisen die letzten zwei Jahre die tiefsten   Verhandlungsmacht in Gesprächen um integrierte Ver-
EBITDAR-Margen seit Einführung des DRG-Systems aus.            sorgungsräume.
Damit liegt der Median deutlich unter der Zielmarge von
10 Prozent, die wir 2011 als notwendig definiert haben,
um die Finanzierung von Investitionen langfristig sicher-      Eigenkapitalanteil weiter rückläufig
zustellen.
                                                               Die Eigenkapitalquote im Median liegt zwar nach wie vor
Kleinere Spitäler waren im Median wie im Vorjahr leicht        über 40 Prozent. Doch verzeichnet sie nun schon zum
profitabler als die grossen Universitäts- und Zentrums-        dritten Mal in Folge einen Rückgang. Das ist auf unter-
spitäler mit mehr als 250 Betten. Vergleicht man deren         schiedliche Gründe zurückzuführen: Investitionsprojekte
EBITDAR-Margen 2017, so erreichen Spitäler mit weniger         und Refinanzierungen verändern das Verhältnis von
als 250 Betten im Median einen höheren EBITDAR (7,5            Eigenkapital und Fremdkapital. Änderungen der Rech-
Prozent versus 6,6 Prozent). Interessanterweise hat sich       nungslegungsstandards können die Kapitalstruktur eben-
die Standardabweichung als Streuungsmass über alle             falls beeinflussen. Dies zeigte sich deutlich im Jahr 2014,
Spitäler hinweg reduziert. Das heisst, dass die EBIT-          als mehrere Spitäler ihre Sachanlagen aufgewertet haben.
DAR-Margen ganz leicht zusammenrücken. Während                 Und schliesslich schmälern in manchen Häusern auch die
kleine Spitäler 2016 stärker nach unten streuten, zeigen       Jahresverluste die Eigenkapitaldecke.
die beiden Grössenkategorien 2017 ein einheitliches Bild.
2017 weist insgesamt weniger Extremwerte, daher eine           Eine Eigenkapitalbasis von über 40 Prozent gilt grund-
tiefere Standardabweichung aus.                                sätzlich als solide. Trotzdem ist die Situation der Schwei-
                                                               zer Akutspitäler differenzierter zu betrachten. Die Quote
Die Medianwerte von 2017 dürfen nicht darüber hinweg-          dürfte in den kommenden Jahren weiter sinken. Viele
täuschen, dass gerade bei Spitälern mit weniger als 250        Bauprojekte sind aktuell in der Projektierungsphase oder
Betten die Margen durch regulatorische Massnahmen,             bereits in deren Realisierung. Damit wird im Spitalwesen
steigende Patientenansprüche und den zunehmenden               auch in den nächsten Jahren eine starke Nachfrage nach
Fachkräftemangel weiter unter Druck geraten können,            Fremdkapital herrschen, sei es in Form von Bankkrediten,
wenn sie sich nicht klar und differenziert positionieren       Anleihensobligationen, Privatplatzierungen oder anderen
oder keinem Netzwerk beitreten.                                Instrumenten.20

Nur wenige über der 10-Prozent-Marke

Der Richtwert von 10 Prozent für die EBITDAR-Marge19
(oder EBITDA-Marge für Spitäler mit ausschliesslich
eigenen Immobilien) bewährt sich auch im aktuellen Kon-
text als langfristig sinnvoll.

2017 erreichten fünf der untersuchten Spitäler eine EBIT-
DAR-Marge von 10 Prozent oder mehr. Ein Drittel (15) er-
zielte 8 Prozent oder mehr. Im Vorjahr gelang dies 9 bzw.
18 Institutionen. Wie bereits in früheren Jahren zeigt sich
auch 2017 eine gewisse Konstanz: Jene fünf Spitäler,
die über dem 10-Prozent-Richtwert liegen, taten das be-
reits im Vorjahr. Bei den tieferen und negativen EBITDAR-
Margen konnten sich einzelne verbessern. Insgesamt
weisen dieselben Spitäler wie im Vorjahr tiefe EBIT-
DAR-Margen aus.

                                                                         Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 | 15
Gedankenreise in die                                                   Nachfrageprognosen für stationäre Leistungen
Versorgungslandschaft von
                                                                       Die Frage nach dem Bedarf an stationären Leistungen im
übermorgen                                                             Jahr 2030 ist entscheidend für die Planung der zukünfti-
                                                                       gen Bettenkapazität und optimalen Versorgungsstruktur.
In der Studienausgabe 2016 haben wir uns zur Entwick-                  Zu wenig Betten belasten die Versorgungsqualität. Die
lung des Schweizer Gesundheitswesens im Jahr 2030                      Folgen sind Wartezeiten für Behandlungen sowie über-
geäussert. Damals haben wir uns das Ziel gesetzt, ein                  lastetes Fachpersonal. Zu viele Betten können in einer
generisches Versorgungsmodell für die Akutsomatik zu                   angebotsinduzierten Nachfrage resultieren, was weder
entwickeln. Vor diesem Hintergrund möchten wir hier                    medizinisch noch betriebswirtschaftlich noch volkswirt-
darüber nachdenken, wie die Versorgung übermorgen                      schaftlich erwünscht ist. Das Bedarfsvolumen wird sich
konkret aussehen könnte. Dabei gehen wir wie folgt vor                 bis ins Jahr 2030 insbesondere aufgrund der demo-
(vgl. Abbildung 14):                                                   grafischen Entwicklung und der Leistungsverlagerung in
                                                                       den ambulanten Bereich verändern. Letztere wird durch
Als Erstes versetzen wir uns ins Jahr 2030 und schätzen                Fortschritte in der Medizin und durch neue Patientenbe-
den zukünftigen Bedarf an stationären akutsomatischen                  dürfnisse verstärkt.
Leistungen ab. Daraus leiten wir im zweiten Schritt die
nötige Bettenkapazität ab. In der Folge legen wir die Prä-             Mit den folgenden zwei Szenarien zeigen wir auf, von
missen fest, auf denen das zukünftige Versorgungsmodell                welchem stationären Bedarf im Jahr 2030 ungefähr aus-
aufbaut. Dahingehend optimieren wir das Versorgungs-                   zugehen ist. Es handelt sich um Annäherungen, die ein
modell. Die Anzahl und die geografischen Standorte der                 idealtypisches Versorgungsmodell abbilden. Die Ergeb-
Spitäler in der Akutsomatik werden für die Schweiz so                  nisse lassen sich nicht als Grundlage für detaillierte Ver-
bestimmt, dass weiterhin eine hochwertige Versorgungs-                 sorgungsplanungen verwenden.
sicherheit gewährleistet ist, die Kleinräumigkeit reduziert
wird und die Spitäler als Bestandteil eines Netzwerks                  In Szenario 1 stützen wir unsere Bedarfsprognose in der
innerhalb einer grösseren Versorgungsregion organisiert                Akutsomatik für die Schweizer Bevölkerung auf die Me-
werden. Nur so lassen sich Qualität und Patientenzent-                 thodik der Gesundheitsdirektion Zürich21 ab. Demnach ist
rierung bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit sicherstellen.           für 2030 von 1,5 Millionen stationären Fällen auszugehen.
                                                                       Das entspricht einem jährlichen Fallwachstum von 1,1 Pro-
Das Ergebnis unserer Gedankenreise haben wir auf der                   zent oder 232’000 Fällen insgesamt gegenüber 2016 (vgl.
Schweizer Landkarte visualisiert. Wir betonen, dass wir                Abbildung 15). Die Zunahme wird massgeblich von der
nur eine mögliche Zukunft aufzeigen und keinerlei Aus-                 demografischen Entwicklung der Schweizer Bevölkerung
sage dazu machen, welche Spitäler in Zukunft überleben                 beeinflusst. Hingegen wirkt die erwartete Verlagerung
werden – das wird der Markt (und allenfalls der Regulator)             von stationär durchgeführten Fällen in den ambulanten
selber entscheiden. Unsere Gedankenreise schliessen wir                Bereich dämpfend. Dem Bevölkerungswachstum und der
mit den für die Umsetzung nötigen Rahmenbedingungen ab.                alternden Gesellschaft sind ein Effekt von 260’000 Fällen
                                                                       oder rund 1,5 Prozent jährliches Wachstum zuzuschrei-

       Welche Leistungen                     Wie viele Betten              In welcher Region          Welche Faktoren
       werden künftig                        werden benötigt?              und auf wie viele          begünstigen, welche
       beansprucht?                                                        Standorte sollen sich      limitieren unser
                                                                           die Betten verteilen?      Modell?

       Zukünftiger Bedarf                    Zukünftiger                   Optimierung                 Darstellen und
         an stationären                       Bedarf an                    Versorgung                   Diskussion
          Leistungen                           Betten                                                   Ergebnisse

                                                                                                    Welches Einzugs-
           Prämissen für das Versorgungsmodell                                                      gebiet sollen die
                                                                                                    Standorte abdecken?
                                                             Welche Bedingungen
                                                             müssen mindestens
                                                             erfüllt werden?
                                                                                                           Rahmenbedingungen

Abbildung 14: Unsere Gedankenschritte für die Entwicklung eines Versorgungsmodells von übermorgen

16 | Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017
Szenario 1
                                      Anzahl stationäre Fälle                                                                                                                   Anzahl Pflegetage**                                Notwendige Anzahl
                                                                                                                                                                                                                                       Betten bei
                                                                      +269’000                            -37’000                                                                                                                   90 %-Auslastung
                                                                                                                                       1,5 Mio.
                                              1,3 Mio.

                                                                                                                                                                                           7,9 Mio.

                                                                    Demografie                        Verlagerung                                                                                                                                 24’000
                                                                    und weitere                      «ambulant vor
                                                                     Faktoren                          stationär»

                                                2016                                                                                         2030

    Durchschnittliche                                                                                                                                                     *  Es wird erwartet, dass sich die durchschnittliche Verweildauer
    Verweildauer*                             5,5 Tage                                                                                5,3 Tage                               einem internationalen Niveau annähern und von aktuell 5,5 Tagen
                                                                                                                                                                             leicht auf 5,3 Tage sinken wird.
                                                                                                                                                                          ** Anzahl Pflegetage entspricht der Anzahl Fälle multipliziert mit
                                                                                                                                                                             der durchschnittlichen Verweildauer.

Abbildung 15: Nachfrageprognose für 2030 in Anlehnung an die Einschätzung der Gesundheitsdirektion Zürich

ben. Durch die Verlagerung von stationären Fällen in den                                                                                         In Szenario 2 gehen wir von einem weit grösseren Ver-
ambulanten Sektor lassen sich 37’000 Fälle reduzieren.                                                                                           lagerungseffekt von stationären Leistungen in den ambu-
                                                                                                                                                 lanten Sektor aus (vgl. Abbildung 17).22 Wir erwarten, dass
Bei einer erwarteten Reduktion der durchschnittlichen                                                                                            in Zukunft maximal noch 30 Prozent der chirurgischen
Verweildauer von 5,5 auf 5,3 Tage und einer Auslastung                                                                                           Fälle stationär behandelt werden und demnach 70 Prozent
von 90 Prozent entsteht bis 2030 ein Kapazitätsbedarf                                                                                            der Eingriffe ambulant erfolgen.23 Das kommt einer Ver-
von rund 24’000 Betten. Wird der zukünftige Bedarf                                                                                               schiebung von 296’000 Fällen gleich (Szenario 1: 37’000
den heute genutzten Kapazitäten (23’250 Betten) gegen-                                                                                           Fälle). In europäischen Ländern, in den USA und Kanada
übergestellt, so müssen die Leistungserbringer bis 2030                                                                                          liegt der Anteil ambulanter Eingriffe bereits heute auf
weitere 750 Betten schaffen. Kurzfristig besteht jedoch ein                                                                                      einem deutlich höheren Niveau als in der Schweiz. Diese
Bettenüberangebot, da die aktuelle Auslastung deutlich                                                                                           Abweichung lässt sich am Beispiel von Mandelentfernun-
unter 90 Prozent liegt. Zudem kann die Infrastrukturerwei-                                                                                       gen veranschaulichen (vgl. Abbildung 16). Der Anteil der
terung in reduzierter Form erfolgen, da in der bestehen-                                                                                         ambulant durchgeführten Eingriffe ist in der Schweiz mit
den Spitalinfrastruktur mehr Betten bewirtschaftet werden                                                                                        11 Prozent deutlich geringer als der Durchschnitt von
könnten als mit den aktuellen Rohkapazitäten. Interessant                                                                                        24 OECD-Ländern mit 34 Prozent.24 Insgesamt prognosti-
an diesem Zahlenwerk scheinen uns die Auswirkungen                                                                                               zieren wir in diesem Szenario eine Reduktion der stationä-
auf die anstehenden Neu- und Umbauvorhaben. Diese                                                                                                ren Fälle gegenüber 2016 von 23’000 oder 2 Prozent auf
verlangen den Spitälern Flexibilität ab, um den neuen                                                                                            1,2 Millionen.
Anforderungen ohne Mehraufwand zu entsprechen.

84 %                                                                                                            Anteil der ambulant durchgeführten Mandelentfernungen (Tonsillektomie)
                                                                                                                im Jahr 2013 (oder nächstliegendes Jahr)
            75 %
                      71 %
                                68 %
                                              63 %

                                                         51 % 50 %
                                                                             47 % 45 %
                                                                                                          42 %
                                                                                                                        35 %                                                                                                       OECD24 (Mittel = 34 %)
                                                                                                                                   31 % 30 %
                                                                                                                                                         22 %
                                                                                                                                                                      20 % 18 %
                                                                                                                                                                                                                   7%      5% 4% 3%
                                                                                                                                                                                           11 % 9 %                                                        3% 0%
                                                                                                                                                                                                      Australien
                                                                    Mexiko

                                                                             Grossbritannien

                                                                                               Dänemark

                                                                                                           Neuseeland

                                                                                                                        Protugal

                                                                                                                                   Italien

                                                                                                                                               Spanien

                                                                                                                                                                                                                   Korea

                                                                                                                                                                                                                           Polen

                                                                                                                                                                                                                                    Deutschland

                                                                                                                                                                                                                                                  Irland

                                                                                                                                                                                                                                                           Luxemburg

                                                                                                                                                                                                                                                                       Österreich
 Finnland

             Kanada

                      Belgien

                                Niederlande

                                              Schweden

                                                         Norwegen

                                                                                                                                                         Frankreich

                                                                                                                                                                       Israel

                                                                                                                                                                                  Türkei

                                                                                                                                                                                            Schweiz

Abbildung 16: Anteil der ambulanten Mandelentfernungen im internationalen Vergleich (Quelle: OECD Health Statistics 2015)

                                                                                                                                                                         Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 | 17
Mit der Verlagerung von Leistungen in den ambulanten                   Vor allem Szenario 2 verdeutlicht unsere Hypothese aus
Bereich geht ein Anstieg der durchschnittlichen Verweil-               Kapitel 3, dass reine Wachstumsstrategien im stationären
dauer einher. Im stationären Bereich verbleiben die kom-               Bereich ausgedient haben. Es scheint offensichtlich, dass
plexeren Fälle. So gehen wir von einer durchschnittlichen              Wachstum nur noch über den Gewinn von Marktanteilen
Verweildauer von 6,0 Tagen aus (Szenario 1: 5,3 Tage).                 oder in Regionen mit überdurchschnittlichem Bevölke-
Die erwarteten Pflegetage schätzen wir auf insgesamt 7,4               rungswachstum möglich ist.
Millionen. Gegenüber heute liessen sich 800 Betten ab-
bauen, da 22’450 Betten ausreichen würden. Das entsprä-
che einer Bettendichte von 2,4 Betten pro 1000 Einwohner
(heute: 2,7 Betten pro 1000 Einwohner).25

Szenario 2
                     Anzahl stationäre Fälle                                        Anzahl Pflegetage**                 Notwendige Anzahl
                                                                                                                            Betten bei
                                     +269’000                                                                            90 %-Auslastung
                                                   -296’000

                        1,3 Mio.
                                                                  1,2 Mio.

                                                                                          7,4 Mio.
                                    Demografie     Verlagerung
                                    und weitere   «ambulant vor                                                                 22’450
                                     Faktoren       stationär»

                          2016                                     2030

 Durchschnittliche                                                              *  Aufgrund der im Vergleich zu Szenario 1 wesentlich stärkeren
 Verweildauer*          5,5 Tage                                  6,0 Tage         Verlagerung «ambulant vor stationär» wird in Szenario 2 erwartet,
                                                                                   dass die durchschnittliche Verweildauer von aktuell 5,5 Tagen auf
                                                                                   6,0 Tage steigen wird.
                                                                                ** Anzahl Pflegetage entspricht der Anzahl Fälle multipliziert mit
                                                                                   der durchschnittlichen Verweildauer.

Abbildung 17: Nachfrageprognose in Anlehnung an unsere eigene Einschätzung

18 | Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017
Retail-         Ambulantes                                              Retail-         Ambulantes
                             klinik          Gesundheits-                                            klinik          Gesundheits-
                                               zentrum                                                                 zentrum

                                                            Perma-                                                                  Perma-
                   Mobile                                    nence/                        Mobile                                    nence/
                 Care-Team                                  Walk-in-                     Care-Team                                  Walk-in-
                                  Satelliten-               Kliniken                                      Satelliten-               Kliniken
                                    klinik                                                                  klinik

                                                      Tages-           Zentrumsspital                                         Tages-
                     Apotheke                       chirurgische                            Apotheke                        chirurgische
                                                        Klinik                                                                  Klinik
                                       eHealth/                                                                eHealth/
                                       mHealth                                                                 mHealth

                             Retail-         Ambulantes                                              Retail-         Ambulantes
                             klinik          Gesundheits-                                            klinik          Gesundheits-
                                               zentrum                                                                 zentrum

                                                            Perma-                                                                  Perma-
                   Mobile                                    nence/                       Mobile                                     nence/
                 Care-Team                                  Walk-in-                    Care-Team                                   Walk-in-
                                  Satelliten-               Kliniken                                      Satelliten-               Kliniken
                                    klinik                                                                  klinik

                                                     Tages-                                                                  Tages-
                    Apotheke                       chirurgische                            Apotheke                        chirurgische
                                                       Klinik                                                                  Klinik
                                       eHealth/                                                                eHealth/
                                       mHealth                                                                 mHealth

Abbildung 18: «Hub and Spoke»-Modell exemplarisch dargestellt (Quelle: PwC 2017)

Prämissen für das neue Versorgungsmodell
Unser Versorgungsmodell der Zukunft baut auf sechs Säulen:

1. «Hub and Spoke»-Modell: Kern dieses Modells ist ein                         4. «From volume to value»: Wie sich ein Gesundheits-
   starkes Netzwerk. Ein Zentrumsspital verantwortet die                          system ausgestaltet, entscheidet die Finanzierung. Das
   Behandlung von komplexen Krankheitsbildern innerhalb                           hiesige Abgeltungssystem belohnt Volumen ungeachtet
   eines definierten Einzugsgebiets. Es ist mit einer Reihe                       des Patientennutzens. Unser Versorgungsmodell der
   von dezentralen Spitälern verbunden, die versorgungs-                          Zukunft hingegen setzt konkrete Anreize, die nicht auf
   stufengerecht weniger komplexe Eingriffe durchführen.                          die Leistungsmenge, sondern auf das Behandlungs-
   Ebenso bedeutend für das Netzwerk sind stationäre                              ergebnis ausgerichtet sind.
   und ambulante Nischenanbieter, die über ein speziali-
   siertes Angebot (z.B. ein OP-Zentrum für Orthopädie)                        5. Hohe Patientenzentrierung: Die Zahl von Patienten
   verfügen, sowie Spezialkliniken (Rehabilitation, Psychi-                       mit mehreren Krankheiten steigt Expertenmeinungen
   atrie). Das Netzwerk gründet auf unternehmensinternen                          zufolge mit der Alterung der Gesellschaft weiter an.27
   und -externen Zusammenschlüssen; die Durchlässigkeit                           Das stellt hohe Anforderungen an die Betreuung dieser
   zwischen öffentlichen und privaten Leistungsanbietern                          Patienten. Eine krankheitszentrierte Behandlung kann
   ist gegeben. Mehr zum «Hub and Spoke»-Modell lesen                             unvorteilhaft ausfallen. Unser Versorgungsmodell der
   Sie in unserer letztjährigen Studie26 (vgl. Abbildung 18).                     Zukunft basiert auf einem Behandlungsansatz, der stark
                                                                                  auf die Bedürfnisse des Patienten als Konsument und
2. Überregionale Versorgung: Unser Versorgungsmodell                              Dienstleistungsempfänger ausgerichtet ist und einen
   der Zukunft kennt keine Kantonsgrenzen. Eine überkan-                          interdisziplinären Dialog zwischen Fachspezialisten
   tonal abgestimmte Versorgungsplanung findet innerhalb                          sicherstellt.
   von Versorgungsregionen statt – nicht innerhalb von
   politischen Grenzen.                                                        6. Fiktive Standortwahl: In unserem Versorgungsmodell
                                                                                  der Zukunft sind die Standorte rein fiktiv gewählt und
3. Versorgungssicherheit: Die Versorgungssicherheit                               basieren nicht auf der heutigen Spitalinfrastruktur. Die
   ist auf hohem Niveau gewährleistet. Demnach erhält ein                         Berechnung der optimalen Spitalstandorte geht aus
   Patient die richtige Behandlung innerhalb einer für die                        einer Minimierung der effektiven Fahrzeiten zwischen
   Art der Erkrankung passenden Entfernung und eines                              Spitalstandort und Wohnort der Einwohner einer Ge-
   angemessenen Zeitraums.                                                        meinde hervor.

                                                                                         Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 | 19
Grossregion Zürich
                                                                 Einwohner                              1’670’013

                                                                 Abdeckung innert 30 Min.                   98 %

                                                                 Anzahl Spitalbetten                        5285
 Nordwestschweiz                                                 Ø Fahrzeit zum Spital                    14 Min.
 Einwohner                                       1’453’669
                                                                 Ø Fahrdistanz zum Spital                  12 km
 Abdeckung innert 30 Min.                             94 %

 Anzahl Spitalbetten                                  4332

 Ø Fahrzeit zum Spital                              16 Min.

 Ø Fahrdistanz zum Spital                            13 km

 Mittelland-Bern
 Einwohner                                       1’392’181

 Abdeckung innert 30 Min.                             91 %

 Anzahl Spitalbetten                                   4017

 Ø Fahrzeit zum Spital                              16 Min.

 Ø Fahrdistanz zum Spital                            15 km

 Romandie
 Einwohner                                       1’786’761

 Abdeckung innert 30 Min.                             87 %
                                                                             Innerschweiz
 Anzahl Spitalbetten                                  4561
                                                                             Einwohner                              775’224
 Ø Fahrzeit zum Spital                              16 Min.
                                                                             Abdeckung innert 30 Min.                 82 %
 Ø Fahrdistanz zum Spital                            13 km
                                                                             Anzahl Spitalbetten                      2081

                                                                             Ø Fahrzeit zum Spital                  16 Min.

                                                                             Ø Fahrdistanz zum Spital                14 km

Abbildung 19: Sieben zukünftige Versorgungsregionen in der Schweiz

20 | Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017
Als Netzwerk denken

                                                              Unsere Versorgungslandschaft der Zukunft enthält im
                                                              Vergleich zu heute eine geringere Anzahl Akutsomatikspi-
                                                              täler. Wir gehen von sieben überregionalen und -kanto-
                                                              nalen Versorgungsregionen aus (vgl. Abbildung 19): Die
                                                              Romandie, das Mittelland-Bern, die Nordwestschweiz, die
                                                              Innerschweiz, die Grossregion Zürich, die Ostschweiz und
                                                              die Südostschweiz. Eine Versorgungsregion kann aus drei
                                                              bis zehn Spitälern oder Standorten bestehen, wobei wir
                                                              unterstellen, dass die maximale Spitalgrösse unter 1000
Ostschweiz
                                                              Betten bleibt. Dabei ist weniger die Anzahl, sondern viel-
Einwohner                                 786’514             mehr die Stärke des Netzwerks relevant. Das Zentrums-
                                                              spital kommt auf einen Marktanteil von 28 bis 54 Prozent
Abdeckung innert 30 Min.                    89 %              in der jeweiligen Region. Für die Versorgungssicher-
Anzahl Spitalbetten                         1321              heit würden bereits 20 Standorte ausreichen. Damit
                                                              könnten 80 Prozent der Bevölkerung innerhalb von
Ø Fahrzeit zum Spital                     18 Min.             30 Fahrminuten das nächstgelegene Spital erreichen
                                                              (vgl. Abbildung 20). Bei 45 optimal platzierten Spitälern
Ø Fahrdistanz zum Spital                   18 km
                                                              liegt diese Abdeckung über die gesamte Schweiz be-
                                                              trachtet bei 89 Prozent. Die durchschnittliche Fahrzeit
                                                              zum nächsten Spital steigt gegenüber heute von 10 auf
                                                              16 Minuten. Damit die Standorte eine Grösse von 1000
                                                              Betten nicht überschreiten, erhöht sich die Anzahl Spitäler
                                                              von 45 auf 52.
               Südostschweiz
               Einwohner                            557’159   Die sieben Versorgungsregionen bedienen ein Einzugs-
                                                              gebiet von jeweils 560’000 bis 1’790’000 Einwohnern. Die
               Abdeckung innert 30 Min.               69 %
                                                              Bettenzahl pro Region liegt bei 1300 in der Ostschweiz
               Anzahl Spitalbetten                    1654    bis 5300 in der Grossregion Zürich (Abbildung 19). Unsere
                                                              Modelloptimierung erfolgt über die gesamte Schweiz, wo-
               Ø Fahrzeit zum Spital                18 Min.   bei schwach besiedelte Gemeinden in der Südostschweiz
               Ø Fahrdistanz zum Spital              17 km    vernachlässigt werden. In dieser Region würden nur 69
                                                              Prozent der Bevölkerung das nächstgelegene Spital inner-
                                                              halb von 30 Minuten erreichen. Heute liegt die Abdeckung
                                                              bei 78 Prozent. Weitere Versorgungsangebote sind hier
                                                              nötig, um eine hohe Versorgungssicherheit zu gewährleis-
                                                              ten. Ein ausgebauter Rettungsdienst könnte beispielswei-
                                                              se eine Lösung bieten.
            Anzahl Betten

                        50
                                                                                  5               36 %
                      500
                                                                                 10                              62 %
                   1000                                                          15                                      74 %
                      1500                                                       20                                          81 %
                                                                                 30                                             86 %
                                                              Anzahl Spitäler

                   2000
                                                                                 40                                               89 %
                   2500                                                          45                                               89 %
                                                                                 50                                                 90 %
                                                                                 60                                                 91 %
                                                                                 80                                                 92 %
                                                                                100                                                  93 %
                                                                                120                                                  93 %
                                                                                            Abdeckung der Schweizer Bevölkerung

                                                              Abbildung 20: Prozentuale Abdeckung der Bevölkerung durch Spitäler
                                                              bei einer Fahrzeit bis zu 30 Minuten (Quelle: PwC 2017)

                                                                                      Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 | 21
22 | Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017
Im Mittelpunkt der neuen Versorgungslandschaft steht           Mit der Förderung der Ergebnisqualität einher geht zu-
das Netzwerk. Nach dem «Hub and Spoke»-Modell wer-             dem eine angemessene Anreizfindung. Das Schweizer
den die Spitäler entlang des Patientenpfads untereinander      Gesundheitssystem vergütet Menge. Für ein positives
und zusätzlich mit vertikalen Partnern verbunden. Die          finanzielles Ergebnis spielt die Prozessqualität eine Rolle
Erbringung spezialisierter und hochspezialisierter Medizin     (die Höhe der Baserate orientiert sich beispielsweise an
konzentriert sich auf einen oder mehrere Endversorger.         kostengünstigeren Spitälern), nicht aber die Ergebnisqua-
Dabei kann es aus Qualitäts- und Effizienzgründen weiter-      lität. Damit die koordinierte Versorgung und partizipative
hin sinnvoll sein, dass gewisse Leistungen ein spezialisier-   Entscheidungsfindung gefördert werden, bietet sich eine
ter Nischenanbieter erbringt. Wichtige Voraussetzungen         Versorgungsfinanzierung an. Bei Gesundheitsökonomen
dafür sind dessen Einbindung ins Netzwerk und der              und in der Politik findet diese Vergütungsform Zuspruch.28
Informationsaustausch. Die zusätzlichen Versorgungs-           Die Versorgungsfinanzierung könnte ähnlich ausgestaltet
standorte – die «Spokes» – bieten bedarfsgerechte              sein, wie sie für HMO-Modelle heute teilweise abläuft.
stationäre und ambulante medizinische Leistungen an.           Der Versicherer geht dabei mit dem Versorgungsnetzwerk
Diese Leistungserbringer müssen eine gut erreichbare           eine strategische Allianz ein und vereinbart Leistungs-
und kompetente Triage sowie ein Grundversorgungsange-          parameter (nach dem Prinzip von «pay for performance»)
bot sicherstellen. So ist der zeitnahe Zugang zu medizini-     oder Kopfpauschalen (je Patient oder je Einwohner). So
schen Leistungen für die Bevölkerung gewährleistet.            wird das «richtige Tun» belohnt. In der Implementierung
                                                               eines solchen Finanzierungsmodells kann der «Experi-
Die Leistungskonzentration innerhalb einer Versorgungs-        mentierartikel» unterstützend wirken. Dieser befindet sich
region wirkt dem Fachkräftemangel entgegen. Eine ver-          zurzeit in der Vernehmlassung und soll im Krankenversi-
stärkte Zusammenarbeit innerhalb eines Versorgungs-            cherungsgesetz integriert werden.29 Der Artikel würde eine
netzwerks kann die Personalrekrutierung sowie die Nach-        klare gesetzliche Grundlage für Pilotprojekte schaffen.
wuchsförderung erleichtern, wenn auf Netzwerkstufe
Personalpools geführt werden. Aus wirtschaftlicher Sicht       In den Versorgungsräumen Bern, Basel und St. Gallen
lassen sich mit einer Leistungskonzentration Vorhalte-         werden zurzeit «Hub and Spoke»-Bildungen vollzogen –
leistungen reduzieren und vorhandene Kapazitäten best-         wenn auch «nur» im (bi-)kantonalen Kontext. In St. Gallen
möglich auslasten. Im Netzwerk wird die Wirtschaftlichkeit     beispielsweise entwickelt sich die Struktur hin zu einem
der Leistungserbringung erhöht.                                stärkeren Netzwerk und einer höheren Leistungskon-
                                                               zentration: Das Kantonsspital St. Gallen übernimmt die
Die medizinische Leistung des Netzwerks für den Patien-        Funktion des Endversorgers und bündelt die (hoch-)
ten ist stark auf Ergebnisqualität und den Patienten zent-     spezialisierte Medizin. Es ist eng mit den stationären
riert. Im Rahmen der optimalen Behandlung kommt dem            Grundversorgungsspitälern verflochten, die die Triage von
Ansatz der partizipativen Entscheidungsfindung («shared        komplexen Fällen aus peripheren Gebieten ins Kantons-
decision making») eine wichtige Bedeutung zu. Demnach          spital vornehmen und selbst die Grundversorgung in
beteiligt sich der Patient an Therapieentscheidungen. Ge-      ihrem Einzugsgebiet sicherstellen. Fünf der heute neun
eignet ist diejenige Versorgung, die auf klinischen Erkennt-   stationären Versorgungsstandorte sollen gemäss Grob-
nissen und den Präferenzen des informierten Patienten          konzept ihr Angebot künftig auf ambulante Leistungen
basiert. Erfahrungen aus Holland zeigen, dass eine parti-      ausrichten. So begegnen sie dem Trend einer stärkeren
zipative Entscheidungsfindung sowohl die Behandlungs-          Nachfrage in diesem Bereich. Die Leistungskonzentration
qualität verbessert als auch die Zahl der Behandlungen         und die verbesserte Abstimmung innerhalb des Netz-
reduziert. Das führt letztlich zu Kosteneinsparungen und       werks sollen Qualität und Wirtschaftlichkeit hochfahren.30
zu einem maximalen Patientennutzen (vgl. Exkurs: «from         Auch die Spitalgruppe in Basel oder die Insel-Gruppe in
volume to value»).                                             Bern haben die gleichen Grundüberlegungen angestellt.

Ist die optimale Therapie definiert, wird diese innerhalb
des Versorgungsnetzwerks koordiniert. Wir gehen davon
aus, dass in unserem Modell Aktivitäten zur Förderung der
partizipativen Entscheidungsfindung und zur koordinierten
Versorgung verstärkt werden. Dazu müssen einerseits
hierarchische Strukturen sowie die Informationsasymmet-
rie zwischen Patient und Arzt abgebaut werden.

                                                                         Schweizer Spitäler: So gesund waren die Finanzen 2017 | 23
Sie können auch lesen