Seitenblicke auf und Erfahrungen mit Digitalis purpurea - Klassische ...
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HK 3.14 I KASUISTIK 49
Eckart von Seherr-Thohs
Seitenblicke auf und Erfahrungen mit
Digitalis purpurea
Eigentlich waren die Fälle 2 und 3 für die Praxissplitter 2.14 gedacht, doch nun ist ein
eigener Artikel daraus geworden, da sie für die Praxissplitter eigentlich zu umfangreich
sind (die Praxissplitter-Kommentare von Josef-Karl Graspeuntner haben wir dennoch bei
diesen Fällen belassen). Digitalis scheint (wenn man sich die veröffentlichten Fälle in ho-
möopathischen Periodika der letzten 20 Jahre anschaut) in der heutigen Praxis ein eher
wenig gebrauchtes homöopathisches Arzneimittel zu sein. In diesem Artikel beschreibe
ich einen Fall (Fall 2), bei dem Digitalis das alleinige, kurative Mittel war und zwei Fälle,
bei denen Digitalis interkurrent benötigt wurde1.
1
Siehe hierzu auch den Fall ab Seite 50 (Systemischer Lupus erythematodes) meines Artikels „C.M. Bogers General Analysis bei
akuten und chronischen Fällen in der täglichen Praxis – Teil II“ aus der HK 3.12.50 KASUISTIK I HK 3.14
Die Prüfungen von Digitalis Die umfangreichste Darstellung der Vergiftungssym-
ptomatik (Überdosierung inkludiert) findet sich in
purpurea L. Lewin Gifte und Vergiftungen, Berlin 1929 (S. 832–
836).
Die erste Arzneimittelprüfung stammt von Hahne-
mann und wurde sowohl in der Reinen Arzneimittelleh- Falldarstellungen
re als auch in den Chronischen Krankheiten veröffent-
licht. Die Prüfung enthält viele Symptome, die sich Fall 1: 49-jähriger Mann mit Depressi-
im Verlauf einer Überdosierung bzw. Vergiftung zeig- onen und Netzhautablösung
ten. Einige dieser Überdosierungs- und Vergiftungs-
symptome veröffentlichte Hahnemann auch schon Der Patient ist seit 20. September 2010 wegen De-
1805 in den Fragmenta de viribus medicamentorum. pressionen in Behandlung. Seine Ehe ist wegen
1825 veröffentlichte J.C.G. Jörg eine Digitalisprüfung seiner ausgeprägten Neigung, zu Prostituierten
in seinen Materialien zu einer künftigen Heilmittellehre zu gehen, 2010 zerbrochen, sie haben sich ge-
(durch Versuche der Arzneyen an gesunden Menschen) trennt, nachdem er 6 Monate vor der Erstanam-
(S. 444–472), die nach meinem Vergleich nicht voll- nese seiner Frau seine Neigungen gestanden hat
ständig in die 2. Auflage der Chronischen Krankheiten und leben seitdem nicht mehr zusammen. Seit-
aufgenommen wurde. C.G.C. Hartlaub / C.F. Trinks her gibt es viel Streit mit seiner Frau wegen des
veröffentlichten 1831 im 3. Band Ihrer Reinen Arznei- Besuchsrechts für die beiden Kinder. Er hat, so
mittellehre (S. 159–166) ebenfalls ein Prüfungsfrag- sagt er, sofort sexuelle Fantasien, wenn er eine
ment, das viele Symptome aus Jörgs Prüfung enthält. Frau sieht, die seiner Idealvorstellung entspricht.
1859 erstellte Bernhard Bähr seine Monographie Digi- Allerdings würde er es so gut wie nie wagen, eine
talis purpurea in ihren physiologischen und therapeuti- entsprechende, ihm fremde Frau, deshalb im All-
schen Wirkungen unter besonderer Berücksichtigung des tag anzusprechen, um sich mit ihr zu verabreden.
Digitalin. E.M. Hale erstellte 1868 ebenfalls eine Mo- Deshalb sucht er Prostituierte auf, die seinem „Fe-
nographie zu Digitalis. R. Hughes / J.P. Dake führen tisch“ entsprechen, oft mehrmals wöchentlich.
1888 in ihrer A Cyclopedia of Drug Pathogenesy Bd. 2 Hinterher schämt er sich fast immer dafür. Das
(S. 503-526) Hahnemanns Prüfungen und die 24 wei- Schamgefühl hält ihn aber nicht davon ab, nach
terer Autoren auf und T.F. Allen in seiner Encyclopedia ein paar Tagen wieder zu einer Prostituierten zu
of Pure Materia Medica (Bd. 4) 1084 Symptome von 95 gehen. Außerdem konsumiert er, wenn er allein
Prüfern und Vergiftungen und unter Digitoxinum die ist, immer wieder Pornofilme. Wenn er mit seiner
Angaben eines Prüfers. Lemke, Schrön, Wesselhoeft Frau Verkehr hatte, dachte er an andere Frauen
und Knorre teilten Prüfungssymptome in verschiede- und das stimuliert ihn (mein Eindruck ist, auch
nen deutschsprachigen homöopathischen Periodika das Erzählen davon, z.B. während der Konsultati-
mit. T.L. Bradford nennt in seinem Index to Homo- on, stimuliert ihn). Oft kommt es erst zur Erekti-
eopathic Provings noch einige andere, mir aber nicht on, wenn er an andere Frauen denkt (an reale, die
zugängliche amerikanische und englische Prüfungen er kennt, aber auch an Fiktionen). Wenn er allein
bzw. Prüfungsfragmente. ist, masturbiert er auch oft und hat anschließend
C. Hering führt in seinen Leitsymptomen unserer Ma- Schuldgefühle. Er fühlte sich in seiner Ehe oft wie
teria Medica neben amerikanischen bzw. englischen in einem Gefängnis, da er seinen Neigungen nicht
Fallveröffentlichungen überwiegend Fälle aus TH.J. so nachgehen konnte, wie er wollte.
Rückert Klinische Erfahrungen an (mit folgenden Indi- Nach Kaffee oft Abgang von Blähungen, die sich
kationen: Delirium tremens, Hydrozephalus, Aszites, heiß anfühlen und zu Brennen im After führen.
Folgen von Pollutionen, Folgen von Masturbation, Vorher hat er das Gefühl, im Rektum vibriert
fehlende Menarche, Metrorrhagie, Angina pectoris, es. „Abends im Bett kann ich nicht einschlafen,
Perikarditis, Endokarditis, Herzklopfen, Herzhyper- wenn die Füße kalt sind, gehe daher immer mit
trophie, Erkrankung der Trikuspidalklappe, fettige Socken zu Bett. Bevor ich ins Bett gehe, spüre ich
Herzdegeneration, Blausucht, Wechselfieber, Hyd- die kalten Füße eigentlich nicht. Wenn ich dann
rops nach Scharlach, Ikterus und Ikterus und Krämp- im Bett liege und noch keine Socken anhabe, spü-
fe bei epidemischer Cholera). re ich es deutlich. Ich bin allgemein sehr kälte-HK 3.14 I KASUISTIK 51
empfindlich.“ ich wegen meiner Neigungen (habe sie vor etwa 6
Häufiger Harndrang. „Habe eigentlich nie das Ge- Monaten meiner Frau gestanden) mit meiner Frau
fühl, dass die Blase nach dem Urinieren leer ist. dauernd Stress und Ärger habe, bin ich depressiv.
Gehe immer einige Minuten bis ca. 15 Minuten Oft, wenn ich so innerlich leer bin und durch die
später noch mal zum WC und muss dann auch Gegend fahre, denke ich wie es wäre, wenn ich
noch einmal urinieren. Muss jedes Mal nach dem jetzt in dieser Kurve beschleunige und vor den
Urinieren noch kurz warten, da obwohl ich fertig Baum / Brückenpfeiler fahre, dann wäre alles vor-
bin, immer noch einige Tropfen kommen, < wenn bei und ich hätte meinen Frieden.“
ich im Stehen uriniere.“ Nach Masturbation häu- Von seinem Arzt wurde ihm wegen der Depres-
fig ein brennender Schmerz in der Harnröhre und sionen und der Suizidgedanken Trittico® retard
am Harnröhrenausgang beim Urinieren. Dieser ist 150mg verordnet.
auch oft gerötet. Sein Vater verstarb bei einem Unfall als er andert-
Regelmäßig Nachtschweiße, eher gegen frühen halb Jahre alt war. Von da an hatte er ein sehr
Morgen, nur am Oberkörper. Er träume hin und enges und intensives Verhältnis zur Mutter; er
wieder davon, aus eigener Kraft fliegen zu können. hat bis zum 16. Lebensjahr mit ihr in einem Bett
Seit zwei Jahren immer wieder Schmerzen im lin- geschlafen. „Ich war schon so etwas wie Partner-
ken Bein, wie in Anfällen. Die Schmerzen sind ersatz für sie. Hat mir immer in mein Leben rein-
klopfend, pochend, manchmal auch pulsierend geredet. Habe es erst mit 16 im Internat geschafft,
und er empfindet sie in der Kreuzbeinregion, mich von ihr zu distanzieren. Unser Verhältnis ist
in der Kniescheibe und den Zehen. Wenn der heute sehr angespannt.“
Schmerz da ist, dann immer an diesen drei Stel-
len, „< wenn ich fertig, erschöpft bin“, < beim Fallanalyse, Repertorisation und Verordnung
Aufstehen vom Sitzen und Liegen, < durch Bewe-
gung, < beim Gehen. Weder KG, noch Spritzen Für mich sind die herausragenden Gemütssymptome:
vom Orthopäden oder Osteopathie hat bisher ir- ●
Die ausgeprägte Neigung zur Masturbation und zu
gend einen Erfolg gebracht. Prostituierten zu gehen,
„Bin nach Masturbation oder Koitus innerlich ru- ●
mit anschließendem „schlechten Gewissen“,
hig. Ansonsten laufen dauernd Gedanken durch ●
die Erschöpfung danach und dass sich dann so-
meinen Kopf, oft chaotische, die sich einfach wohl Ruhe vom Gedankenzustrom als auch eine
aufdrängen und die ich manchmal nicht kon- gewisse Apathie einstellt.
trollieren kann. Das ist dann wie eine Erholung.
Das ist sonst nur noch, wenn ich Musik mache Und die hochwertigen Lokalsymptome:
bzw. unterrichte {Patient ist Musiker und unter- ●
Der sich heiß anfühlende Blähungsabgang,
richtet Klavier}. Sonst fühle ich mich eher wie ●
die kalten Füße, die sich meist erst einstellen,
ein Getriebener. Meine Heimat, meine geistige wenn er im Bett liegt, ihn dann aber am Einschla-
und Herzensheimat ist die klassische Musik – und fen hindern und
meine sexuellen Fantasien. Kann mich nicht da- ●
die seit zwei Jahren immer wieder anfallsweise
gegen wehren. Nach Masturbation oder Koitus bin auftretenden, bisher therapieresistenten Ischias-
ich völlig erschöpft, körperlich, geistig und auch beschwerden im linken Bein.
emotional, aber auch völlig ruhig, dann stört
mich nichts, nichts zipft mich an, nichts interes- ➜ Abb. 1 / S. 52
siert mich.“
„Es fällt mir schwer, ‚meine Wahrheit zu leben’. Dieser und auch einige andere Fälle von Bein- bzw.
Habe immer das Gefühl, in zwei parallelen Welten Ischiasschmerzen waren der Grund, dass ich mir F.H.
zu leben. Wenn ich mich meinen Gelüsten hin- Lutzes The Therapeutics of Fascial and Sciatic Neur-
gegeben habe, habe ich so ein bis zwei Stunden algies (with Repertories and clinical Cases) und A.
später ein unendlich schlechtes Gewissen und Zweigs Nervenkrankheiten in mein RADAR nachgetra-
mache mir Vorwürfe. Verachte mich selbst und gen habe. Ich habe hierfür die Arzneimittel aus dem
meine Schwäche und in der letzten Zeit denke repertorialen Teil des Lutze und die entsprechenden
ich dann auch immer häufiger an Suizid. Seitdem Differentialdiagnosen aus dem Zweig in die entspre-52 KASUISTIK I HK 3.14
Abb. 1: Repertorisation. Quelle: Radar 10.5.002
chenden bereits bestehenden Rubriken des RADAR ches Gedächtnis durch sexuellen Missbrauch.
ergänzt oder eben, falls es keine Rubriken dafür im ●
Schwinden der Gedanken (durch Phantasie ge-
RADAR gab, neue Rubriken angelegt. Diese Arbeit störtes Gedächtnis), wenn er über etwas nach-
halte ich für sehr wichtig, da nur ca. 40 bis 45 % der denkt, so kommen ihm so viele und so verworre-
Informationen zu den Arzneimitteln und deren klini- ne Dinge untereinander vor, dass er sich nicht
scher Verifikation überhaupt repertorial erfasst sind. herausfinden kann und ganz vergisst, worauf er
Doch dieses Problem und die Bearbeitung von Rubri- sich besinnen wollte.
ken, welche Art von Information und welches Mittel ●
Phlegmatisch, abgespannten Geistes und trauri-
es wert ist, nachgetragen zu werden und warum und gen Gemüts.
ferner warum wäre es sinnvoll, diese oder jene Rubrik ●
Lebensunlust, möchte lieber sterben.
oder dieses oder jenes Mittel zu löschen, ist bestimmt ●
Ein beißendes und brennendes Kriebeln an der
mehrere Artikel wert. Siehe dazu auch den Artikel von Harnröhrenmündung, außer beim Harnen.
Roland Methner in der HK 1.14: „Ein Fall von Multi- ●
Druck auf der Blase, Gefühl als sei die Blase nicht
pler Sklerose“. leer, Harndrang.
So sind bis auf den Eintrag von Staph. in der Rubrik ●
Nachträufeln des Urins.
Extremitäten - Schmerz - Beine - Ischiasnerv - Gehen -
agg., der von André Saine ist, alle anderen verwende- Verordnung
ten Rubriken bzw. Einträge von Staph. entweder von ➛ Staphisagria C 200 Dunham (Remedia), 3 Globuli
Lutze oder von A. Zweig. Lediglich der Nachtrag von gelöst in 30 ml Alkohol-Wassergemisch. Nach 10-ma-
Staph. in der Rubrik Extremitäten - Schmerz - Beine - ligem Schütteln, täglich 3 Tropfen auf 200 ml Wasser,
Ischiasnerv - Aufstehen vom Liegen – agg. ist aus C. He- davon morgens und abends je 2 Teelöffel einnehmen.
ring, Leitsymptome unserer Materia Medica. Die Lösung ist täglich neu anzusetzen.
Das Trittico® erstmal für 14 Tage unverändert weiter
Die meisten anderen Symptome des Patienten finden einnehmen.
sich in G. von Keller, Symptomensammlung Heft 7 Sta-
phisagria: Follow-Up vom 19.10.2010
●
Denkt dauernd an sexuelle Dinge. Onanie, der Pa- Fühlt sich deutlich besser, nicht mehr so depressiv.
tient schwelgt dauernd in sexuellen Phantasien. Sagt, er kann seine Gedanken besser leiten und struk-
Neigung ständig von sexuellen Dingen zu spre- turieren. An dem Verlangen zur Masturbation und
chen. den regelmäßigen Prostituiertenbesuchen hat sich
●
Apathisch, indifferent niedergeschlagen, schwa- jedoch nichts verändert. Nach Masturbation oder Ko-HK 3.14 I KASUISTIK 53
itus sei er aber nicht mehr so erschöpft. Die von ihm Der Augenarzt meinte, die Abhebung der Netzhaut
genossene Gedankenruhe danach ist aber noch da. „ginge so grade eben noch zu lasern“ oder müsse, falls
Kein Brennen mehr am Harnröhrenausgang. das nicht reicht, operiert werden. Vor einer OP hatte
er aber sehr viel Angst und lasern lassen wollte er sich
Verordnung nicht, da er ein enger Freund des Patienten ist, dessen
➛ Staphisagria so weiter nehmen. Trittico® auf eine Fall (Fall 3: „Sehstörungen nach Augenlaserung“) ich
halbe Tbl. täglich reduzieren. in der HK 2.09 beschrieben habe. Wir haben dann
vereinbart, dass wir es zunächst ausschließlich ho-
Follow-Up vom 10.12.2010 möopathisch probieren und wenn das innerhalb von
Nimmt seit einer telefonischen Konsultation am einer Woche keinen Erfolg hat, die schulmedizini-
8.11.2010 Trittico® 75mg retard nur noch alle zwei sche Intervention noch möglich und sinnvoll ist.
Tage und Staphisagria unverändert weiter.
Sagt, er habe deutlich mehr Energie, fühlt sich nur Auge - Ablösung der Netzhaut
noch sehr selten depressiv. „Es ist, als ob mir bewuss- acon.bro1 apisk ARN.bro1 ars.mfj1 aur.hr1,k,ptk1 Aur-m.bro1
ter wird, was ich da eigentlich mache. Kann mich bry.mfj1 dig.br1,bro1,hr1,k,ptk1 Gels.bro1,c2,hr1,k,ptk1,sne hep.
jetzt gelegentlich gegen den Automatismus, sexuelle mfj1 kali-i.mfj1 merc.mfj1 naphtin.br1,bro1,c2,ptk1 nux-v.bro1
Handlungen ausüben zu müssen, wehren.“ Er hatte phos.k,ptk1 pilo.bro1 rhus-t.mfj1
vor fünf Tagen einen leichten Anflug einer Ischialgie,
die durch 5 mal 2 Teelöffel Staph. an diesem Tag ku- Sehen - Hemianopsie - obere Hälfte verloren
piert wurde. Ars.hr1,k,ptk1 AUR.hr1,k,ptk1,tl1 aur-ar.k2 aur-s.k2 Camph.
hr1,k,ptk1 Dig.hr1,k,ptk1 digin.a1 gels.a1,k verat-v.hr1
Follow-Up vom 11.2.2011
Es geht ihm gut, er fühlt sich nicht mehr depressiv. Sehen - Farben vor den Augen - grün
Hat sich bei einer Gruppe Anonyme Sexsüchtige an- aml-ns.bg1 ARS.k,ptk1 bry.bg1 calc.k cann-i.a1,k canth.k
gemeldet und ist schon zweimal da gewesen. Außer- carbn-s.k caust.bg1 CINAk,ptk1 Cycl.a1,k Dig.a1,b2.
dem hat er über Beziehungen einen Platz bei einem de,br1,bro1,hr1,k,ptk1 hep.bg1 kali-ar.k kali-c.a1,h2,k Lac-
Psychotherapeuten bekommen. An seinen Bedürfnis- c.k mag-m.a1,k merc.a1,b2.de,k osm.bro1,ptk1 PHOS.
sen und Fantasien hat sich dadurch aber noch nichts b2.de,bro1,k,ptk1 phyt.ptk1 Rutab2.de,k SANTIN.k,ptk1 sep.b2.de,k
verändert. Hat seit einigen Wochen kein Vibrieren stram.a1,k,ptk1 Stront-c.b2.de,k stry.a1,k sulph.b2.de,k tab.a1
mehr im Rektum verspürt und auch keinen heißen tub.jl2 vario.ptk1 verat-v.bg1 zinc.b2.de,k zinc-p.k2
Flatus mehr. Nach dem Urinieren fühlt sich die Blase
entleert an, muss nicht mehr mehrmals nacheinan- Herzklopfen heftig (Phatak, Homöopathisches Reper-
der urinieren. Kein Nachtröpfeln von Urin mehr. Der torium, S. 187)
Schlaf ist gut. Nachtschweiße vielleicht noch ein- bis Arg-n. Calc. Crat. Dig. Glon. Iod. Kali-c. Lcyps. Mur-ac.
zweimal wöchentlich, „jedenfalls deutlich weniger Nat-m. Puls. Sep.
als vorher.“
Verordnung
Verordnung ➛ Digitalis 1 M (Helios), 3 Globuli gelöst in 30 ml
➛ Staphisagria C 200, 3 Tropfen auf 200 ml Wasser, Alkohol-Wassergemisch. Nach 10-maligem Schütteln,
einmal 2 TL abends. Trittico® absetzen. täglich 3 Tropfen auf 200 ml Wasser, davon am 1. Tag
6 mal je 2 Teelöffel, am 2.Tag 5 mal je 2 Teelöffel, am
Follow-Up vom 17.3.2011 3. Tag 4 mal je 2 Teelöffel einnehmen. Die Lösung ist
Er bittet um einen dringenden Termin. Sieht seit ges- täglich neu anzusetzen. Staphisagria absetzen.
tern im rechten Gesichtsfeld das obere Viertel (eher
innen) nicht mehr, da sind nur noch grünliche Fle- Follow-Up vom 21.3.2011
cke. War schon beim Augenarzt, Diagnose: Abhebung Deutlich weniger Angst, das Herzklopfen ist schon am
der Netzhaut „bei 0.00 bis 2.00 Uhr“ im rechten Auge. ersten Einnahmetag zurückgegangen. Ansonsten hat
Seit der Diagnose heftiges, schnelles Herzklopfen, das sich noch nichts verändert. Ist aber ruhig und gefasst.
ihm Angst macht. Hat vor allem auch Angst, zu er- Einnahme weiter Digitalis 1 M in gleicher Dosierung.
blinden.54 KASUISTIK I HK 3.14
Follow-Up vom 5.4.2011 Fall 2: 55-jähriger Mann mit
Keine grünlichen Flecken mehr im oberen Sehfeld, Depressionen
in dem oberen Viertel bei „0.00 bis 2.00 Uhr“ sieht
er laut der Sehfeldmessung aber immer noch nicht Erstanamnese vom 5.11.2009:
richtig, kann aber inzwischen in diesem Teil, laut Au- Seit Ende 1997 depressive Verstimmungen; es be-
genarzt, Schemen erkennen. Einnahme weiter Digi- gann mit Angstzuständen und Herzschmerzen,
talis 1 M. drückend, < in Ruhephasen, auch oft nachts, kom-
men plötzlich und unvermittelt, es scheint keine
Follow-Up vom 5.5.2011 klaren Modalitäten zu geben. Sowohl die Angst als
Kommt vom Augenarzt. Keine Netzhautabhebung auch den Herzschmerz empfindet er vorwiegend
bei „0.00 bis 2.00 Uhr“ rechts mehr nachweisbar. Das in der Region der Herzgrube. Kardiologisch ist
Sehfeld und die Sehkraft ist wieder zu 100 % da. Sieht alles untersucht und o.B.. Druck in der Mitte der
schon seit gut 14 Tagen wieder alles. Brust, Dehnen des Brustkorbs >.
Da die vorherige Symptomatik noch wie am 17.3.2011 Hat oft das Gefühl von Leere im Kopf, mag dann
vorhanden war: nicht aufstehen, kann dann den ganzen Tag in
Bett oder Wohnung „rumvegetieren“, es kommen
Verordnung dann einfach keine Gedanken.
➛ Staphisagria XM (Schmidt-Nagel), 2 Globuli gelöst Neurologe: Citalopram® 40 mg 1x1, Solvex® 4
in 30 ml Alkohol-Wassergemisch. Nach 10-maligem mg 1x1
Schütteln, täglich 3 Tropfen auf 200 ml Wasser, davon Sitzt meist zuhause rum, völlig antriebslos, trübe
abends 2 Teelöffel einnehmen. Die Lösung ist täglich Stimmung mit allgemeinem Schweregefühl, kann
neu anzusetzen. sich zu nichts aufraffen und ist die ganze Zeit
schläfrig und schläft dann auch oft. Ist zurzeit der
Weiterer Fallverlauf Anamnese seit 18 Monaten krankgeschrieben. Ist
gegen alles sehr gleichgültig geworden und schläf-
Der Patient hat bis November 2011 Staphisagria XM rig dabei. Wenn jemand etwas von ihm will, z.B.
einmal täglich so eingenommen, dann nur noch seine Frau, kann er sehr reizbar sein, wird dann
zweimal wöchentlich abends bis Mai 2012. Dann ha- auch schon mal ausfallend und schämt sich hin-
ben wir Staphisagria abgesetzt. Er hat seine Therapie terher dafür, kann in dem Moment aber nicht
bis heute (Oktober 2014) fortgeführt und geht auch anders handeln und es tut ihm dann leid und
noch regelmäßig zu den „Anonymen Sexsüchtigen“. macht ihn noch depressiver. Mag dann oft kei-
Hat eine neue Partnerin gefunden, mit der er über das ne Geräuschkulisse haben, vor allem kein Radio,
Thema sprechen kann. Seit 2012 ist er von seiner Frau „das heute in fast jedem Laden dudelt“. Mag auch
geschieden, aber die beiden verbringen immer wieder zuhause keine Musik hören. Kummer macht er
Zeit miteinander wegen der gemeinsamen Kinder (die nur mit sich aus, kann darüber nicht reden. Kein
Eltern sind beide im künstlerischen Bereich tätig und sexuelles Verlangen mehr seit den Depressionen.
betreuen inzwischen die Kinder abwechselnd, wenn Starke Nachtschweiße im Schlaf und auch mor-
der andere gerade ein Engagement hat oder unter- gens beim Erwachen, dann ist er am ganzen
richtet). Zu Prostituierten geht er noch gelegentlich. Körper von einem Schweißfilm bedeckt. Der
Depressionen und Suizidgedanken sind kein Thema Schweiß färbt die Bettwäsche gelb. Bei Anstren-
mehr für ihn. Ischialgien traten nicht wieder auf und gung schwitzt er schnell, vorwiegend am oberen
auch die anderen körperlichen Symptome, die zur Rumpf und Kopf. Friert schnell, wenn nachts ein
Verordnung von Staphisagria geführt haben, sind Körperteil außerhalb der Bettdecke ist und beim
nicht wieder aufgetreten. Anfang 2014 hatte er nach Ausziehen. Schweißfüße, warm, übelriechend. An
einer langen Bergwanderung eine Paronychie im beiden Großzehennägeln Nagelpilz, Nägel ver-
rechten Großzehennagel, die nach vier Tagen einen dickt und gelblich verfärbt. Hat vor vier Jahren
dünnen, milden Eiter absonderte. Nach Silicea C 200 zwei Warzen im Gesicht bekommen, eine auf der
Dunham (Remedia) besserte sich die Symptomatik Stirn und eine auf der linken Wange. Prostatahy-
und machte selbst bei Druck keine Schmerzen mehr. pertrophie, PSA o.B.
Vollständige Abheilung innerhalb einer Woche. Seit Frühjahr 1998 hat er fast durchgängig ödema-HK 3.14 I KASUISTIK 55
tös geschwollene Füße und Knöchel, obwohl der und
Kardiologe sagt, das Herz sei soweit in Ordnung, ●
die Reizbarkeit bei der Depression.
ebenso die Nierenfunktion.
Seit einigen Wochen hat er einen tiefen, krampf- ➜ Abb. 2
artigen Husten, durch Kratzen und Rohheit der
Luftröhre, morgens ohne, abends mit wenig, In G.H.G. Jahrs Allgemeine und spezielle Therapie der
gelblich-gallertigem Auswurf von süßlichem Ge- Geisteskrankheiten und Seelenstörungen findet sich im
schmack, den er schwer herausbekommt. Husten Kapitel „Melancholie“ Folgendes als charakteristisch
< Sprechen, kalte Getränke. bei / für Digitalis verzeichnet:
Mutter verstarb als er ein Jahr alt war an einem „Traurige Niedergeschlagenheit und Betrübnis; Angst,
Hirntumor. die aus der Herzgrube zu kommen scheint; große
Vater hat wieder geheiratet, Stiefmutter mochte Angst, wie nach böser Tat, mit ungemeiner Furcht
ihn nicht und er hatte es schwer. vor der Zukunft und großer Traurigkeit, die durch
Weinen erleichtert und durch Musik verschlimmert
Fallanalyse, Repertorisation und Verordnung wird.“
Charakteristisch (im Sinne Jahrs) sind für mich fol- Und im repertorialen Teil der Nebensymptome des
gende Zeichen bzw. Symptome: gleichen Kapitels:
●
Die ödematöse Schwellung der Füße und Knö- „Wassersüchtigen, bei, wenn die Melancholie mit
chel, trotz negativem Herz-/Kreislaufbefund, die hydropischen Erscheinungen wechselt, oder in de-
sich relativ zeitgleich mit der Depression entwi- ren Gefolge erscheint: Ars. Chin. Dig. Hell. Hyos. Lyc.
ckelt hat und seitdem persistiert. Merc. Phos. Rhus-t. Sulph.”
●
Die Angst / Furcht, die aus der Region der Herz-
grube kommt. In Hahnemanns Gesamter Arzneimittellehre bzw. in
●
Der Schweiß morgens beim Erwachen. Herings Leitsymptome der homöopathischen Materia
●
Das zuletzt aufgetretene Nebensymptom des Hus- Medica findet sich folgende Symptomatik des Patien-
tens mit der gallertartigen, gelblichen Absonde- ten wieder:
rung, das immerhin schon einige Wochen anhält „Hohler, tiefer Krampfhusten (CK 473), von Rauheit
und und Kratzen an der Gaumendecke (CK 470) und in
●
ggf. die Verschlimmerung der depressiven Ver- der Luftröhre; morgens ohne, abends mit spärlichem,
stimmung durch Musik. gelben, gallertartigem Schleim, der sich schwer löst
(hr1). Auswurf mit süßlichem Geschmack, zuweilen
Und wesentlich (im Sinne Jahrs): etwas dunklem Blut (CK 479).“
●
Stumpfheit / Gleichgültigkeit mit Schläfrigkeit
Abb. 2: Repertorisation. Quelle: Radar 10.5.00256 KASUISTIK I HK 3.14
Verordnung Verordnung
➛ Digitalis purpurea C 200 (Gudjons), 3 Globuli, ➛ Digitalis purpurea C 200, 3 Globuli, gelöst in 30
gelöst in 30 ml Alkohol-Wassergemisch. Nach 10-ma- ml Alkohol-Wassergemisch. Nach 10-maligem Schüt-
ligem Schütteln, täglich 3 Tropfen auf 200 ml Wasser, teln, einmal wöchentlich 3 Tropfen auf 200 ml Was-
davon morgens und abends je 2 Teelöffel einnehmen. ser, davon abends je 2 Teelöffel einnehmen. Die Lö-
Die Lösung ist täglich neu anzusetzen. sung ist wöchentlich neu anzusetzen.
Verlauf Follow-Up nach insgesamt 43 Wochen nach Ein-
nahme
Follow-Up zwei Wochen nach Einnahme Keine depressive Verstimmung mehr, es geht ihm gut.
Der Husten und der Auswurf ist (bis auf einige Hus- Möchte das Mittel einmal wöchentlich gern weiter
tenstöße gegen Morgen, nach dem Erwachen) weg. nehmen („so zur Sicherheit“).
Und was mich besonders erfreut, auch der Schweiß
morgens beim Erwachen ist nach dem 6. Tag nicht Er hat bis September 2011 Digitalis weitergenommen,
mehr aufgetreten. dann abgesetzt. Keine depressiven Verstimmungen
mehr. Nachbeobachtungszeit bis heute.
Follow-Up nach insgesamt 8 Wochen nach Ein-
nahme
Die ödematöse Schwellung hat deutlich abgenom- Ausgezeichnet! Bei diesem Fall berührt mich die
men (hat wieder mehr Platz in den Schuhen, hatte Klarheit der Anamnese von Eckart. Auf das We-
sie immer zwei Nummern größer kaufen müssen), sentliche zusammengefasst, fand er das Arznei-
hat mehr Antrieb und schläft tagsüber viel weniger, mittel, das diesem Patienten seit fünf Jahren eine
auch die Gedanken fließen wieder besser. Seine Frau umfassende, ganzheitliche Unterstützung gibt
sagt, er sei wesentlich verträglicher und nicht mehr und ihm die gravierenden Nebenwirkungen von
so apathisch und depressiv. Citalopram® und Solvex® erspart. Dass Digita-
lis eine so gravierende Veränderung des Gemüts
Follow-Up nach insgesamt 16 Wochen nach Ein-
ermöglichen konnte, ist eine Meisterleistung des
nahme
Therapeuten und der potenzierten Arznei. Der
Ist deutlich aktiver, hat im Haus einiges gemacht, was
nächste Fall ist noch etwas komplizierter und ein
seit vielen Monaten liegengeblieben war. Deutlich
Lehrmusterfall für das, was alles berücksichtigt
weniger depressiv, läuft bei Musik in einem Laden
werden muss bei der Behandlung von multiplen
nicht mehr sofort aus dem Geschäft, zuhause kann er
Pathologien. (Josef-Karl Graspeuntner)
aber noch keine Musik ertragen.
Hat in Absprache mit dem Neurologen das Solvex®
abgesetzt.
Fall 3: 50-jährige Frau mit granuloma-
Follow-Up nach insgesamt 24 Wochen nach Ein- töser Lungenfibrose
nahme
Seit gut vier Wochen keine Nachtschweiße mehr und Erstanamnese am 15.3.2008.
auch keine Angstzustände mehr gehabt. Bis dahin Sie hat von mir zuerst Silicea C 200 und dann nach 6
sind die Angstzustände noch gelegentlich aufgetre- Monaten Tuberculinum Marmoreck C 200 und dann
ten. War seit Beginn der Depression nicht mehr so Beryllium C 200 erhalten, musste aber trotzdem dau-
lange ohne die Angstanfälle und auch der Druck in erhaft Cortison einnehmen, konnte es jedoch unter
der Mitte der Brust ist weg. Citalopram® abgesetzt. beiden Mitteln deutlich reduzieren von 80 mg auf 20
mg täglich. Doch immer, wenn sie in einen Bereich
Follow-Up nach insgesamt 30 Wochen nach Ein- von unter 20 mg täglich kommt, stellt sich folgende
nahme Symptomatik ein und führte bisher immer zum Ab-
Es geht ihm gut, fängt in zwei Wochen (nach Abspra- bruch der Cortison-Reduktion:
che und auf Zuraten des Neurologen) wieder an zu
arbeiten. Keine ödematöse Schwellungen mehr, kein Follow-Up vom 18.10.2010
Fußschweiß mehr. „Extreme Übelkeit, mir ist dann fast den ganzen TagHK 3.14 I KASUISTIK 57
zum Sterben schlecht, mit dem Gefühl, gleich erbre- belegt.
chen zu müssen, das eigentlich den ganzen Tag an- „Die Panik zu Ersticken macht mich wahnsinnig. An-
hält.“ xiolytika helfen nicht wirklich, habe das schon ver-
Übelkeit < durch den Geruch und den Anblick von sucht, mein Arzt tut alles, um mich zu unterstützen,
Speisen, < nach dem Essen, < nach Trinken, < durch doch ich muss das Cortison wegen der Neben- bzw.
Anstrengung, < nach leer Schlucken, < nach Schlaf. Folgewirkungen reduzieren.“
Muss auch mehrmals täglich erbrechen. Das Erbro-
chene ist meist grünlich, schaumig, bitter. Fallanalyse, Repertorisation und Verordnung
„Doch das Allerschlimmste ist meine Panik. Ich zö-
gere das Erbrechen so lange wie möglich hinaus, da Im Sinne des § 153 (ORG) sind für mich charakteris-
ich vor Angst zittere beim Erbrechen, weil ich immer tisch:
glaube, beim Erbrechen bzw. an meinem Erbroche- ●
Die „tödliche Übelkeit“, den ganzen Tag anhal-
nen zu ersticken. Das ist so fürchterlich, habe dann tend, mit Erbrechen und sauberer Zunge,
aus Angst schon häufig hyperventiliert und gezittert ●
die Modalitäten der Übelkeit / des Erbrechens,
und gezuckt. Metroclopamid hilft dabei leider nicht. ●
die Rückenschmerzen
Wenn die Übelkeit richtig stark ist, bin ich dabei sehr ●
und das Herzklopfen mit Atemnot, die mit der
kurzatmig und habe dabei richtig heftiges Herzklop- Übelkeit einhergehen.
fen. Man sieht das Herz regelrecht schlagen. Dieses
macht mir dann noch mehr Angst und so steigere Und im Sinne des § 211 (ORG):
ich mich immer weiter darein. Bin schon zweimal ●Die Angst beim Erbrechen und
dadurch ohnmächtig geworden und habe am ganzen ●die Furcht, dabei ersticken zu können.
Körper gezuckt. Einher damit geht ein Schmerz, als
würde von der Wirbelsäule in Höhe des Magens ein ➜ Abb. 3
Nagel bis zum Magen hinein getrieben und dann er-
folgt das Erbrechen.“ Anmerkung zu Ablage 4 der Repertorisation
„Die Übelkeit > sich durch Erbrechen nicht wirklich, (Abb. 3)
wenn, nur kurzfristig, vielleicht für 30 Minuten, dann Beide Symptome finden sich im BBCR 2. Aufl. (in-
ist die volle Stärke wieder da. Der ganze Zustand än- discher Nachdruck), nicht aber in der 1. Auflage des
dert sich innerhalb eines halben Tages, wenn ich die BBCR von 1905, die einzige, die zu Bogers Lebzeiten
Cortisondosis wieder auf mehr als 20 mg anhebe.“ erschienen ist. Der indische Nachdruck enthält vie-
Auch bei der schlimmsten Übelkeit ist die Zunge nie le Ergänzungen zur 1. Auflage, deren Herkunft aber
Abb. 3: Repertorisation. Quelle: Radar 10.5.00258 KASUISTIK I HK 3.14
Ununterbrochen und nicht besser von Erbrechen, mit
großer Beängstigung und Mutlosigkeit. (CK 310).“
Verordnung
➛ Digitalis purpurea 1 M (Helios), 3 Globuli, gelöst
in 30 ml Alkohol-Wassergemisch. Nach 10-maligem
Schütteln, täglich 3 Tropfen auf 400 ml Wasser, davon
nach Bedarf je 2 Teelöffel einnehmen. Die Lösung ist
täglich neu anzusetzen.
Verlauf
Follow-Up vom 25.10.2010
Die Übelkeit und das Erbrechen haben unter Digitalis
deutlich nachgelassen. Hat bis zu 10 Mal je 2 Tl. täg-
lich eingenommen.
➛ Weitermachen
Follow-Up vom 2.11.2010
Die Übelkeit ist vollkommen weg, ebenfalls der
Schmerz im Rücken und die Atemnot mit Herzklopfen.
➛ Jetzt wieder Cortisonreduktion von 20 mg tägl. auf
5 mg tägl. vornehmen.
Verordnung
➛ Digitalis unverändert weiter nehmen.
Foto von Digitialis aus dem Homöopathie-Haus®- Follow-Up vom 30.12.2010
Garten. Josef-Karl Graspeuntner Konnte unter Digitalis die Cortisonmenge auf 5 mg
reduzieren, ohne dass die Übelkeit und das Erbrechen
sehr unsicher ist, da nicht geklärt ist, ob sie von Boger aufgetreten sind!
selbst stammen oder von den indischen Bearbeitern Die Angst, beim Erbrechen zu ersticken, ist natürlich
eingefügt wurden. Weder in Herings Leitsymptomen, nicht weg. Da sie jedoch diesmal bei der Reduktion
noch in Allens Encyclopedia of Pure Materia Medica nicht erbrechen musste, ist das noch nicht klinisch
oder seinem Handbook of Materia Medica finden sich verifiziert.
diese Symptome bzw. Zeichen. Allerdings findet sich
in Jahrs Symptomenkodex der homöopathischen Arznei- Follow-Up vom 14.2.2011
mittel folgendes Symptom: Nimmt nur noch 5 mg Cortison. Die Übelkeit und
„Schneiden im Magen; Stiche von der Herzgrube, das Erbrechen sind bisher nicht wieder aufgetreten
nach den Seiten und dem Rücken hin; klemmende und damit auch die Ängste nicht.
Stiche in der Herzgrube, nur durch Berührung und
im Stehen erhöht.“ Follow-Up vom 23.4.2011
Tiefes Einatmen macht ein schmerzhaftes Völlege-
In Hahnemanns Gesamter Arzneimittellehre bzw. in fühl in der Brust und die Lungen schmerzen dann, als
Herings Leitsymptomen findet sich folgende Sympto- seien sie wund.
matik der Patientin wieder: Knacken im linken Kniegelenk und Knacken in bei-
„Reine Zunge mit Übelkeit, beim Riechen von Spei- den Schultergelenken, beim Heben der Arme.
sen. (hr1.de) Erwacht nachts gegen 1.00 Uhr mit starker innerer
II Übelkeit, tötliche, als würde sie sterben. (hr1.de, Ruhelosigkeit und reichlich kaltem Schweiß, vorwie-
CK178) gend am Oberkörper.HK 3.14 I KASUISTIK 59
Abb. 4: Repertorisation. Quelle: Radar 10.5.002
Schweiß bei der geringsten Anstrengung. Epilog Juni 2014
➜ Abb. 4
Die Patientin ist stabil und fühlt sich wohl. Die La-
Verordnung borparameter sind für die Erkrankung gut und zeigen
➛ Natrium arsenicosum C 200 (Helios), 3 Globuli ebenso wie die Symptomatik zurzeit kein Fortschrei-
gelöst in 30 ml Alkohol-Wassergemisch. Nach 10-ma- ten der Erkrankung an. Sie hat inzwischen das Tu-
ligem Schütteln, täglich 3 Tropfen auf 200 ml Wasser, berculinum über das Jahr deutlich reduziert. Nimmt
davon abends 2 Teelöffel einnehmen. Die Lösung ist immer noch Tuberculinum Marmoreck 1 M, einmal
täglich neu anzusetzen. wöchentlich 3 Tropfen in 200 ml Wasser, davon 2
Teelöffel.
Weiterer Verlauf Dass in diesem Fall eine Heilung möglich ist, glaube
Sie hat ab dem 23.4.2011 für ein Jahr Natrium arse- ich persönlich nicht, bin aber mit dem bisherigen
nicosum C 200 eingenommen, mit deutlicher Besse- Fallverlauf, ebenso wie die Patientin, durchaus zufrie-
rung aller Symptome und hatte in diesem Jahr drei- den.
mal für 2-4 Wochen eine Cortisontherapie nötig. Hat Ich habe von dieser Patientin eine weitere Patientin
dann jeweils (aus Angst, die alte Symptomatik könnte (56 Jahre alt) mit der gleichen Diagnose vermittelt
wieder kommen) bei der Cortisonreduktion parallel bekommen, bei der ich nicht in der Lage war (im Ver-
zum Natrium arsenicosum morgens wieder Digitalis lauf von zwei Jahren), auch nur das Geringste zu er-
eingenommen und jedes Mal war die Reduktion ohne reichen. Diese Patientin hat dann eine Lungentrans-
Probleme möglich. Alle spezifischen Laborparameter plantation bekommen und ist Anfang 2014, nach
besserten sich auch. Abstoßungsreaktionen, verstorben.
Ab 6.5.2012 noch mal wieder Tuberculinum Marmo-
reck 1 M (Schmidt-Nagel), 3 Globuli gelöst in 30 ml
Alkohol-Wassergemisch. Nach 10-maligem Schütteln, Dieser zweite Fall sollte zwei- oder dreimal gele-
täglich 3 Tropfen auf 200 ml Wasser, abends 2 Tee- sen werden. Man sollte ihn so durchdenken und
löffel einnehmen. Die Lösung ist täglich neu anzu- studieren und alles bedenken, was Eckart bedacht
setzen. hatte. Wie er Tuberculinum Marmoreck als Nos-
ode einsetzt und wie Digitalis die Patientin trägt.
Follow-Up vom 16.4.2013 Fantastisch, Eckart. Eine granulomatöse Lun-
Sie hat in dem Jahr nur einmal eine 3-wöchige Cor- genfibrose über 6 Jahre nicht nur zu stabilisie-
tisontherapie gebraucht. Hat bei der Cortisonreduk- ren, sondern auch wesentlich zu verbessern, ist
tion (vorsichtshalber) wieder Digitalis, morgens 3 wirklich für jeden erfahrenen Arzt oder Heilprak-
Tropfen in 200 ml Wasser, davon 2 Teelöffel, einge- tiker schwer. Das dann noch mit zwei spezifisch
nommen.60 KASUISTIK I HK 3.14
Lilienthal, S. - Homöopathische Therapeutika, Hand-
passenden Arzneien in dieser Weise zu erreichen, buch der klinischen Indikationen, Ruppichteroth
einfach gut. Das, was du bei der Lungentrans- 1993 - 1997
plantation über Abstoßungsreaktionen schreibst, Farrington, E.A. – Klinische Arzneimittellehre (unv.
ist leider häufiger der Fall. Hier wünschte ich mir Nachdruck), Burgdorf, Göttingen 1979
einen integrativen medizinischen Forschungs- Keller, G.v. – Symptomensammlungen homöopathischer
ansatz. Dieser Fall ist ein gutes Argument dafür! Arzneimittel, Heft 7 Staphisagria, Haug, Heidelberg
(Josef-Karl Graspeuntner) 1978
Rampold, V. – Mindmat, Bd. 10, Ruppichteroth 1998
Witzig, F – „Bacillinum“ in Deutsches Journal für Ho-
möopathie Bd.13/1, Berg 1994
Literatur:
Zweig, A. – Nervenkrankheiten, Sonntag, Regensburg
Hahnemann, S. – Gesamte Arzneimittellehre, Haug
1927
Stuttgart 2007
Lutze, F.H. – The Therapeutics of Fascial and Sciatic
Hering, C. - Leitsymptome der homöopathischen Mate-
Neuralgies, ind. Nachdruck, New Delhi o.J.
ria Medica, Aachen 1992-1998
Phatak, S.R. - Homöopathisches Repertorium, München
Jahr, G.H.G. - Allgemeine und spezielle Therapie der
2006
Geisteskrankheiten und Seelenstörungen, Arcana, Hei-
delberg 1984
Jahr, G.H.G. - Symptomenkodex der homöopathischen
Arzneimittellehre, v.d. Lieth Hamburg o.J.
Allen, T.F. - Encyclopedia of Pure Materia Medica (ind.
Nachdruck), New Delhi o.J.
Allen, T.F. - Handbook of Materia Medica (ind. Nach-
druck), New Delhi 1998
Boger, C.M. – Bönninghausen’s Characteristics & Re-
pertory, 1. Aufl. Parkersburg 1905 (Kopie); Deutsche
Übersetzung, Kandern 2010
Boger, C.M. – Bönninghausen’s Characteristics & Reper-
tory, 2. ind. Aufl. (Reprint), New Delhi 1996
...............................................................
Eckart von Seherr-Thohs
Währinger Straße 26/ 2/ 13
A – 1090 Wien
www.seherr-Thohs.at
Heilpraktiker, seit 1986 mit dem Schwerpunkt klassische Homöopathie in eigener
Praxis tätig. Tätigkeit als Dozent und Supervisor.
Übersetzung und quellenkritische Bearbeitung von S. R. Phatak „Homöopathisches
Repertorium“, München 2006.
Kapitel „Fallanalyse nach C.M. Boger“ im Methodenhandbuch Homöopathische Fall-
analyse (Hrsg. Dr. G. Bleul), Stuttgart 2011.
Fallbeschreibungen und –analysen in „Borreliose – Hintergründe
und Heilung“ (Hrsg. Dr. P. Alex), Bennewitz 2011
Div. Seminarmitschnitte als Hör-CD, Berlin Verlag Homöopathie und SymbolSie können auch lesen
