Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis - Beleidigungen und fremdenfeindliche Äußerungen als Kündigungsgrund - Arbeitsrechtsforum der ...
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Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis – Beleidigungen und fremdenfeindliche Äußerungen als Kündigungsgrund Arbeitsrechtsforum der Ruhr-Universität Bochum, 21.11.2018 Dr. Guido Jansen Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht
Inhalt 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben 1.1. Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG 1.2. Allgemeine Gesetze als Schranke 1.3. Beispiele aus der jüngeren Rechtsprechung 1.4. Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis 2. Kündigungsgrund: „Innerdienstliche“ Äußerungen 2.1. Ehrverletzende Äußerung als (Neben-)Pflichtverletzung 2.2. Sonderfall: Vertrauliches Gespräch 2.3. Gesichtspunkte für die Interessenabwägung 2.4 Einzelfälle 2.4.1. Beleidigungen 2.4.2. Fremdenfeindliches
Inhalt 3. Kündigungsgrund: „Außerdienstliche“ Äußerungen 3.1. Grenzen der vertraglichen Nebenpflichten 3.2. Besonderheiten bei Äußerungen im Internet 3.2.1. Verwertbarkeit 3.2.2. Zurechnung 3.2.3. Interessenabwägung 3.3. Einzelfälle 3.3.1. Beleidigungen 3.3.2. Fremdenfeindliches
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben Art. 5 GG (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (…) (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben BVerfG 15.01.1951 – 1 BvR 400/51 (Lüth): Das Grundrecht ist unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und für eine freiheitlich-demokratische Staatsverfassung schlechthin konstituierend für die Demokratie, in der es kein Werte- und Wahrheitsmonopol gibt. Was wahr und falsch, gut und richtig ist, soll im ungehinderten Austausch und Streit der Meinungen immer wieder neu ausgehandelt werden. (Boykottaufruf gegenüber Film des Regisseurs Veit Harlan)
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben 1.1. Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG Geschützt sind - Werturteile - Tatsachenbehauptungen, soweit für die Meinungsbildung relevant Nicht maßgeblich ist Wert oder Unwert einer Äußerung z.B. BVerfG 22.06.1982 – 1 BvR 1376/79 „CSU ist die NPD von Europa“ Handelt es sich bei einer umstrittenen Äußerung nicht um Schmähkritik oder um eine Formalbeleidigung, sondern um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht - unabhängig davon, ob eine Kritik berechtigt oder das Werturteil richtig ist - eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede (BVerfG in st. Rspr).
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben Nicht geschützt durch Art. 5 Abs. 1 GG • Unwahre Tatsachenbehauptung z.B. BVerfG 25.10.2012 – 1 BvR 901/11 • Formalbeleidigung Herabwürdigung aufgrund Form der Äußerung, insbes. Schimpfwörter. • Schmähkritik BVerfG 29.06.2016 – 1 BvR 2646/15: Formalbeleidigung und Schmähkritik tritt regelmäßig hinter Ehrenschutz zurück. Eine Schmähkritik kann aber nicht bereits dann angenommen werden, wenn eine Äußerung überzogen oder ausfällig ist. Hinzutreten muss eine das sachliche Anliegen der Äußerung völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (BVerfG 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91).
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben • Angriff auf Menschenwürde BVerfG 04.02.2010 – 1 BvR 369/04 „Aktion Ausländerrückführung - Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“ Auch rechtsextremistische Meinungen geschützt, Angriff auf Menschenwürde verneint: „Da aber nicht nur einzelne, sondern sämtliche Grundrechte Konkretisierungen der Menschenwürde sind, bedarf es stets einer sorgfältigen Begründung, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt.“ „Ausländer raus“ kann Angriff auf Menschenwürde sein, falls weitere Umstände hinzutreten (z.B. Reichskriegsflagge, OLG Brandenburg 28.11.2001 – 1 Ss 52/02). Diese Auslegung begegnet verfassungsrechtlich keinen Bedenken (BVerfG aaO).
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben BVerfG 20.04.2018 – 1 BvR 31/17 Kommentar im Internet: "Mir ist vor einiger Zeit auch son Mossi mit seinem verpackten Vieh auf dem S-Bahnhof über den Weg gelaufen - ich habe ihm direkt gesagt, dass er nach Arabien verschwinden soll." Die Bejahung eines Anfangsverdachts der Volksverhetzung gem § 130 Abs 1 Nr 2 StGB durch die Bezeichnung vollverschleierter muslimischer Frauen als „verpacktes Vieh“ ist verfassungsrechtlich vertretbar. Die entsprechende Wertung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Die Äußerung bezieht sich ersichtlich auf die in Deutschland lebenden Frauen und impliziert deren Objekthaftigkeit, mit der ihnen zugleich die Achtung als gleichberechtigte Personen abgesprochen wird.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben 1.2. Allgemeine Gesetze als Schranke, insbesondere: § 185 Beleidigung Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 186 Üble Nachrede Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben § 130 StGB Volksverhetzung (1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft (3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben Meinungsfreiheitsbeschränkende Normen sind im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG („Wechselwirkung“) auszulegen: keine unverhältnismäßige Einschränkung der Meinungsfreiheit BVerfG 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 (“Soldaten sind Mörder“) Der Begriff der Beleidigung darf nicht so weit ausgedehnt werden, dass für die Berücksichtigung der Meinungsfreiheit kein Raum mehr vorhanden ist oder aber von der Auslegung des StGB § 185 ein derart abschreckender Effekt auf den Gebrauch des Grundrechts ausgeht, dass aus Furcht vor Sanktionen auch zulässige Kritik unterbleibt.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben Art. 5 Abs. 1 GG erfordert Auslegung der Meinungsäußerung Ziel: möglichst hohes Maß an Freiheit der Äußerung; strenge Maßstäbe bzgl. Formalbeleidigung, Schmähung (BVerfG 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91) BVerfG 04.02.2010 – 1 BvR 369/04 („Aktion Ausländerrückführung“) Angesichts der einschüchternden Wirkung, die staatliche Eingriffe hier haben können, muss eine besonders wirksame verfassungsrechtliche Kontrolle Platz greifen, soll die Freiheit dieser Lebensäußerungen nicht in ihrer Substanz getroffen werden. Schon einzelne Fehler der Deutung der Äußerung und bei der Auslegung des einfachen Rechts können zu einer Fehlgewichtung des Grundrechts führen. Wegen der schwerwiegenden Folgen, die solche Fehler im Strafverfahren nach sich ziehen können, ist zumindest dort eine intensivere Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht unausweichlich.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben 1.3. Beispiele aus der jüngeren Rechtsprechung BVerfG 29.06.2016 – 1 BvR 2646/15 RA gegenüber Journalist: „Dahergelaufene, durchgeknallte, widerwärtige, boshafte, dümmliche, geisteskranke Staatsanwältin“ BVerfG: Sachbezug möglich BVerfG 17.05.2016 – 1 BvR 257/14 ACAB auf dem Gesäßbereich der Hose bei Besuch eines Fußballspiels BVerfG: fällt in den Schutzbereich des Art. 5 GG, nicht inhaltlos, Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht; keine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe OLG Hamburg 15.05.2018 – 7 U 34/17 J. Böhmermanns Gedicht „Schmähkritik“ = Schmähkritik „Am liebsten mag er Ziegen ficken und Minderheiten unterdrücken“
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben 1.4. Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis Grundrechte gelten auch im Arbeitsverhältnis BVerfG 28.04.1976 – 1 BvR 71/73 BAG 12.11.2002 – 1 AZR 58/02 („zumindest mittelbar“) Meinungsfreiheit: Mit der Bedeutung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit wäre es unvereinbar, wenn es in der betrieblichen Arbeitswelt nicht oder nur eingeschränkt anwendbar wäre BAG 18.12.2014 – 2 AZR 265/14 Einschränkung durch allgemeine Gesetze: Rücksichtnahmepflicht, § 241 Abs. 2 BGB BAG 24.11.2005 – 2 AZR 584/04
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen 2.1. Ehrverletzende Äußerung als (Neben-)Pflichtverletzung Als Nebenpflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB anerkannt: AN muss auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des AG Rücksicht nehmen, zu berücksichtigen ist Stellung und Tätigkeit im Betrieb z.B. BAG 18.12.2014 – 2 AZR 265/14: beleidigende Äußerungen und falsche Tatsachenbehauptungen als Nebenpflichtverletzung Strafbare Ehrverletzung ist generell als Kündigungsgrund geeignet (zutr. Deeg/ Scheuenpflug, ArbRAktuell 2010, 548) vgl. auch BAG 27.09.2012 – 2 AZR 646/11: „insbesondere wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen“
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen Gegenüber dem Arbeitgeber BAG 21.01.1999 – 2 AZR 665/98: Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar. („Jahrelang täglich systematisch belogen, betrogen, gezwungen, erpresst, schikaniert, misshandelt, beleidigt, diskriminiert und bedroht worden; wie der letzte Verbrecher, Sklave oder Diener behandelt.“) BAG 25.05.1982 – 7 AZR 155/80: Das Aufstellen von ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen gegenüber Vorgesetzten stellt die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar. („bewusst falsche Materialausschussmeldungen geschrieben“)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen BAG 02.04.1987 – 2 AZR 418/86 In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen („KZ-Methoden“) BAG 17.02.2000 – 2 AZR 927/98 Berechtigt sind Arbeitnehmer allerdings grundsätzlich, unternehmensöffentliche Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen zu äußern. Diese kann etwa in Betriebsversammlungen auch überspitzt und polemisch ausfallen. („Chef macht Firma kaputt“, anders aber „Millionen verschoben“ und „Zahlen hingedreht oder manipuliert“: kündigungsrelevant)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen Gegenüber anderen Mitarbeitern BAG 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 Einen die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Grund stellen u.a. grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen dar, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten. Den AG trifft Fürsorgepflicht hinsichtlich Ehrverletzung von Mitarbeitern (Deeg/Scheuenpflug, ArbRAktuell 2010, 547; Häcker, ArbRB 2008, 120)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen Gegenüber Dritten LAG Schleswig-Holstein 08.04.2010 – 4 Sa 474/09 Bezeichnet ein Arbeitnehmer eine Person, die in einer Kundenbeziehung zum Arbeitgeber steht, als Arschloch (5x), so ist dieser Sachverhalt an sich geeignet, einen fristlosen Kündigungsgrund zu begründen. Eine Arbeitgeberin kann es grundsätzlich nicht akzeptieren, dass ein Arbeitnehmer den Vertreter eines Kunden, mit dem sie in Geschäftsbeziehungen steht, beleidigt. Bei der Prüfung auf der 2. Stufe - Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles - ist jedoch zu beachten, ob der Arbeitnehmer überhaupt die Funktion und Stellung der Person (Liegenschaftsverwalter) erkannte und ob es sich um ein erstmaliges Versagen handelte. (im Streitfall verneint, fristlose und fristgerechte Kündigung unwirksam, Abmahnung erforderlich)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen 2.2. Sonderfall: Vertrauliches Gespräch BVerfG 23.11.2006 – 1 BvR 285/06 Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und Vertrauenspersonen, die in eine Sphäre fallen, die gegen die Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmt ist, genießen - auch dann, wenn sie gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts nicht schutzwürdig wären - in solchen Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vor geht. (Briefpost zwischen befreundeten Strafgefangenen: „Justizvollzugsbedienstete hier echt super; kein Vergleich mit den unfähigen Arschlöchern aus M. Du wirst hier wie ein Mensch behandelt und nicht wie ein Stück Dreck.“)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen BAG 10.12.2009 – 2 AZR 534/08 „Bei der rechtlichen Würdigung sind allerdings die Umstände zu berücksichtigen, unter denen diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen gefallen sind. Geschah dies in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen, vermögen sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen. Der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen.“ (Vorgesetzter in „Machenschaften“ verwickelt, Strafverfahren läuft, zum Schein an Bandscheibe operieren lassen, Vertraulichkeit bejaht bei 3 Gesprächsteilnehmerinnen)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen D.h.: Vertraulichkeitsschutz ist nur Abwägungsgesichtspunkt (ebenso Bauer/Günther, NZA 2013, 68; ähnlich Kort, NZA 2012, 1321: Kündigung lässt sich nur „ausnahmsweise“ auf Äußerung im vertraulichen Gespräch zwischen Arbeitskollegen stützen) Fraglich, ob Vertrauen unabhängig vom Gesprächsinhalt geschützt ist (Dzida/Förster, BB 2017, 760: Einschränkung bei „rassistischen, islamistischen oder menschenverachtenden Äußerungen; solche Äußerungen sind – anders als bloße „Lästereien“ – sehr viel eher geeignet, Kontroversen auszulösen“)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen BAG 17.02.2000 – 2 AZR 927/98 Treffen unter Kollegen nach Dienstschluss in einer Gaststätte kann je nach Lage des Falles als vertraulich anzusehen sein, aber nicht, wenn die Zusammenkunft der Einleitung einer Betriebsratswahl dient. BAG 25.05.1982 – 7 AZR 155/80 kein Vertrauensschutz bei Äußerungen im BR-Büro zwischen zwei BR-Mitgliedern (Vorwurf: Ausstellung von „Gefälligkeits“-Materialausschussmeldungen durch den Vorgesetzten)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen ArbG Mainz 15.11.2017 – 4 Ca 1240/17 Vertrauensschutz für Verbreitung von Bildern mit rechtsextremistischen Inhalt in einer WhatsApp-Chatgruppe, die aus 6 Arbeitnehmern besteht und in der auch dienstliche Inhalte ausgetauscht werden. Berufung eingelegt beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz unter dem Aktenzeichen 2 Sa 9/18
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen 2.3. Gesichtspunkte für die Interessenabwägung • Grad der Ehrverletzung • Gesprächssituation insbesondere: emotional geprägte Auseinandersetzung Überlegte Äußerung oder spontaner Erregungszustand? LAG Hessen 01.09.2006 – 3 Sa 1962/05: „Sie lügen … wie immer“ Während des Arbeitskampfes sind auch drastischere Formulierungen hinzunehmen LAG Hessen 24.10.2000 – 9 TaBV 19/00: Transparent „Arschkriecher“ gegenüber Streikbrechern
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen • Provokation durch AG oder Kollegen LAG Köln 07.12.1995 – 10 Sa 717/95: Gemeindearbeiterin, die nach erkennbar unberechtigter Denunziation (wegen Krankheitsverhaltens) zu einer Rücksprache in der Personalabteilung erschienen war, verabschiedet von dem dortigen Sachbearbeiter mit den Worten "blöder Sack". Verhaltensbedingte Kündigung unwirksam. LAG Düsseldorf 21.07.2004 – 12 Sa 620/04: Hat ein knapp neun Monate beschäftigter Arbeitnehmer seinem Kollegen auf dessen Bemerkung "Du Arschloch" ins Gesicht gespuckt, kann aus verhaltensbedingten Gründen eine ordentliche Kündigung auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer anschließend durch einen Faustschlag des Arbeitskollegen verletzt wurde, danach beide Beteiligten dem Vorgesetzten erklärten, sich wieder zu vertragen und aufgrund der fristlosen Entlassung des Arbeitskollegen eine Wiederholungsgefahr entfällt.
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen • Betriebliche Auswirkungen • „Nachtatverhalten“ (Entschuldigung) • Üblicher „rauer Umgangston“ • Vertraulichkeitsschutz • Bildungsstand des AN (so Deeg/Scheuenpflug, ArbRAktuell 2010, 547) • Sozialdaten des AN
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen 2.4. Einzelfälle 2.4.1. Beleidigungen ArbG Berlin 11.05.2001 – 88 Ca 5714/01 Bezeichnet der Arbeitnehmer den Geschäftsführer als "Arschloch", so liegt dennoch kein wichtiger Grund iS des § 626 Abs 1 BGB vor, wenn der Geschäftsführer an der Zuspitzung der mentalen Belastungslage des Arbeitnehmers als Auslöser der beleidigenden Äußerung beteiligt war - etwa auf Grund mehrmonatigen Lohnzahlungsrückstandes - und der Arbeitnehmer seiner Bedrängnis durch die beleidigende Äußerung Ausdruck verschafft.
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen LAG Schleswig-Holstein 24.01.2017 – 3 Sa 244/16 AN, Handwerker, während Personalgespräch: Vater des GF verhält sich „wie ein Arsch“, „dann kündigt mich doch“, GF: „damit wir dann als soziale Arschlöcher dastehen“, AN: „seid ihr sowieso schon“, familiengeführter Kleinbetrieb: 3 Gesellen, 1 Azubi, Mutter GF, Vater GF LAG: außerord. Kündigung (+) keine Provokation, Äußerung 16 Stunden nach Auseinandersetzung mit Vater des GF (AN 62 Jahre, Betriebszugehörigkeit 23 Jahre)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen LAG Mecklenburg-Vorpommern 23.03.2010 – 5 Sa 254/09 Bauarbeiter ggü. vorgesetzten Polier: „Komm her du Arschloch, ich hau dir paar in die Fresse“ Kündigung (-), Beleidigung als Reaktion auf eine in der Sache nur schwer nachvollziehbare und im Ton missglückte Anweisung des Vorgesetzten („Soll ich mich noch dazustellen und mitquatschen oder geht es jetzt weiter?“); Kläger, zur Rede gestellt: „Ich bin doch nicht dein Friseur“. LAG Rheinland-Pfalz 12.08.2010 – 11 Sa 255/10 "Du kannst mich am Arsch lecken“ ggü. Teamleiter nach Aufforderung, Tätigkeitsnachweise zu erstellen ord. Kündigung (-), da zwar im Anschluss ein Mitarbeitergespräch geführt, eine unmittelbare Konsequenz hieran aber nicht geknüpft wurde, und da die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis unverändert über 5 Wochen fortgesetzt haben, bevor es zum Ausspruch einer Kündigung kam.
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen 2.4.2. Fremdenfeindliches BAG 01.07.1999 – 2 AZR 676/98 Zwei Auszubildende haben Schild mit der Aufschrift "ARBEIT MACHT FREI TUERKEI SCHOENES LAND" hergestellt und an der Werkbank seines Kollegen D angebracht BAG: Auslegung der Äußerung - D soll seinem Arbeitseifer lieber in der Türkei nachgehen kein Kündigungsgrund „Ausländerfeindlichkeit“, aber Ehrkränkung und Störung der innerbetrieblichen Verbundenheit, Zurückverweisung an das LAG – Prüfung, ob Abmahnung entbehrlich
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen LAG Hamm 03.05.2017 – 15 Sa 1358/16 AN: "scheiß Türke" (so AG) oder "kleiner Dreckstürke" (so AN), Hintergrund: Streit um Pausenablösung, Entschuldigung nicht angenommen LAG: außerord. und ord. Kündigung (-) Abmahnung erforderlich (schwb, 25 Jahre Betriebszugehörigkeit) LAG Nürnberg 07.11.2017 – 7 Sa 400/16 AN: „Polacken (= andere AN) können sich alles erlauben“ LAG: Abmahnung erforderlich, aufgebrachte Situation während des Gesprächs mit Vorgesetztem (2,5 Jahre Betriebszugehörigkeit)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen 3.1. Grenzen der vertraglichen Nebenpflichten BAG 17.02.2000 – 2 AZR 927/98: „Ein Arbeitnehmer ist nicht gehalten, von seinem Arbeitgeber nur positiv zu denken und sich in seiner Privatsphäre ausschließlich entsprechend zu äußern.“ LAG Düsseldorf 24.02.1969 – 11 Sa 60/69 Ehewidrige Beziehungen eines Angestellten mit einer in demselben Betrieb beschäftigten verheirateten Frau rechtfertigen eine fristlose Entlassung nicht. „Der Beklagte verkennt insoweit seine Stellung als Arbeitgeber. Als solcher ist er nicht zum Sittenrichter über die in seinem Betrieb tätigen Angestellten berufen; er hat diesen gegenüber in aller Regel nur einen Anspruch darauf, dass sie die arbeitsvertraglich übernommenen Pflichten ordnungsgemäß erfüllen.“ (DB 1969, 667)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen BAG 27.11.2011 – 2 AZR 825/09 „Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat. Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus.“ BAG 24.06.2004 – 2 AZR 63/03 „Eine alleinige Beeinträchtigung des Betriebsfriedens ohne konkrete Feststellung einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung reicht zur Annahme eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes nicht aus.“
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen BAG 11.12.1975 – 2 AZR 426/74 Das bloße Haben einer Überzeugung und die Mitteilung, dass man diese habe, ist niemals eine Verletzung der Treuepflicht. Eine kommunistische Betätigung kann allein noch nicht für eine fristlose Kündigung ausreichen, wenn nicht ein konkreter Bezug auf das Arbeitsverhältnis vorliegt. LAG Köln 07.07.1999 – 7 Sa 22/99 Das arbeitsvertragliche Kündigungsrecht des Arbeitgebers besteht nur zur Wahrnehmung eigener Interessen des Arbeitgebers, nicht zur Ahndung von Straftaten des Arbeitnehmers, auch nicht von Straftaten nach § 130 StGB (Volksverhetzung). Der dringende Verdacht, dass sich ein Arbeitnehmer einer Straftat nach § 130 StGB schuldig gemacht hat, rechtfertigt alleine noch keine fristlose Kündigung, auch nicht im öffentlichen Dienst. (elektronische Witzesammlung an Kollegin weitergegeben, darunter auch Juden-, Asylanten und Türkenwitze)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen Problem: Wann ist eine private Äußerung als Vertragspflichtverletzung anzusehen? • Beleidigung des Arbeitgebers (+), AN schuldet Achtung der Ehre auch außerhalb des Betriebes • Beleidigung von Mitarbeitern (+), AG hat berechtigtes Interesse daran, dass auch außerhalb des Betriebes keine Ursachen für Störungen der Zusammenarbeit innerhalb der Belegschaft gesetzt werden • Beleidigung von Kunden/Geschäftspartnern (+), AG hat berechtigtes Interesse daran, dass auch außerhalb des Betriebes keine Ursachen für Störungen des Unternehmenszwecks gesetzt werden • Äußerung extremer politischer Meinung (?) Möglw. Straftat, aber kein Schutz des AG. Kommt es auf (vorhersehbare) Störung betrieblicher Interessen an? Rufschädigung des AG?
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen 3.2. Besonderheiten bei Äußerungen im Internet 3.2.1. Verwertbarkeit Recherche des AG im Internet stets angemessen, wenn Informationen öffentlich (Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2016, 787) Anders, wenn AG sich – etwa durch Täuschung über Identität – Zugang zu Äußerung erschleicht (Burr, NZA Beilage 3/2015, 116 f.; Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2016, 788) Keine Verletzung des Rechts am eigenen Bild, wenn AN selbst Bilder in sozialen Netzwerken verbreitet (ArbG Mannheim 19.05.2015 – 7 Ca 254/14)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen 3.2.2. Zurechnung ArbG Dessau-Roßlau 21.03.2012 – 1 Ca 148/11 Ein Schweinchen namens Ralf-Thomas Kündigungsvorwurf: Klägerin soll ehrverletzenden Facebook-Beitrag ihres Ehemannes „geliked“ haben. Ihr Eintrag war für 155 „Freunde“ sichtbar, darunter auch Mitarbeiter und Kunden der beklagten Sparkasse.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen ArbG: Aktivitäten des Ehemannes sind nicht kündigungsrelevant, da die Klägerin grundsätzlich keine Verantwortung für von ihrem Ehemann abgegebene Stellungnahmen trägt; Betätigen des „gefällt mir“ Buttons ist nicht kündigungsrelevant, da Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, ihr Ehemann habe Zugang zu ihrem Facebook-Account und habe den Button selbst betätigt. Betätigung des „gefällt mir“ Buttons = zurechenbare Äußerung, die bestätigt und bekräftigt (Aszmons, DB 2016, 412; Burr, NZA Beilage 3/2015, 116; Kock/Dittrich, DB 2013, 936)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen Kritik: ArbG überspannt Darlegungslast der Beklagten substantiierter Vortrag des AN zu behauptetem abweichendem Geschehensablauf erforderlich - § 138 ZPO (vgl. LAG Hessen 13.04.2015 – 7 Sa 1013/14: Erkundigung über Betreiber der Internetplattform; ArbG Gelsenkirchen 24.11.2015 – 5 Ca 1444/15; Aszmons, DB 2016, 413) oder Anscheinsbeweis zugunsten des AG (so Bauer/Günther, NZA 2013, 73; Burr, NZA Beilage 3/2015, 116; Fuhlrott/Oltmanns, DB 2017, 1843)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen ArbG Gelsenkirchen 24.11.2015 – 5 Ca 1444/15 = LAG Hamm – 17 Sa 48/16 (Vgl.) Vorwurf: extreme ausländerfeindliche Äußerungen. Kläger: Account „gehackt“. ArbG: Äußerung stammt vom Kläger. Das pauschale Bestreiten des Klägers, Urheber dieser Äußerungen zu sein, genügt nicht. Die bloße Möglichkeit des Hackings bzw. der Kopie seines Accounts durch einen Dritten ersetzt keinen substantiierten Tatsachenvortrag. Im Berufungsverfahren wurde ein Sachverständigengutachten zur Urheberschaft der Äußerungen eingeholt. Ergebnis des Sachverständigengutachtens: Der Inhalt des Facebook Accounts (Kommentare und Likes) lässt sich mit normalen Benutzerrechten nicht kopieren, sondern lediglich „nachbauen“. Für jeden „Freund“ müsste ein Fakeprofil erstellt werden. Eine Rückdatierung von geteilten Inhalten ist nicht möglich. → Nachbau (sehr) unwahrscheinlich Denkbar wäre die Erstellung einer Kopie des Accounts durch einen Facebook-Administrator oder durch eine technische Fehlfunktion. → auch (sehr) unwahrscheinlich
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen 3.2.3. Interessenabwägung LAG Hessen 28.01.2013 – 21 Sa 715/12 „Bei einer verhaltensbedingten Kündigung wegen Beleidigung des Arbeitgebers in einem Internetforum ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass auf Grund der Schnelllebigkeit des Internets und seiner unübersehbaren Größe eine beleidigende Äußerung in ihrer herabwürdigenden Wirkung weniger schwer wiegt als eine Erklärung, die in einem persönlich adressierten Brief oder im Angesicht des Betroffenen getätigt wird und damit als abgegrenzter Einzelakt für sich steht. Insoweit ist […] zu bedenken, dass nur ca. 98.000.000 Menschen der Weltbevölkerung deutsch sprechen. Die Mehrheit […] wird somit schon auf Grund von sprachlichen Barrieren von dem Eintrag des Klägers keine Kenntnis nehmen.“
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen Kritik: Die Schwere der Ehrkränkung wird ganz überwiegend gerade daraus abgeleitet, dass sie durch Verbreitung im Internetgrößere Intensität gewinnt, vgl. Kock/Dittrich, DB 2013, 937; Burr, NZA Beilage 3/2015, 116: kann dauerhaft und beliebig abgerufen werden; LAG Baden-Württemberg 22.06.2016 – 4 Sa 5/16: der beleidigende Arbeitnehmer hat keine Kontrolle mehr darüber, ob sein Kommentar öffentlich wird; Bauer/Günther, NZA 2013, 71: auch ein Beitrag, der später gelöscht wird, kann schon „Kreise gezogen haben“; Aszmons, DB 2016, 414; Fuhlrott/Oltmanns, DB 2017, 1846: Größe des Empfängerkreises ist Abwägungskriterium.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen 3.3. Einzelfälle 3.3.1. Beleidigungen ArbG Hagen 16.05.2012 – 3 Ca 2597/11 AN postete auf seiner Pinnwand im Facebook-Profil folgenden Text: "hi M1, mir geht’s gut, und dir hoffe ich auch. Habe mich über diesen scheiss G1 geärgert hat mir zwei abmahnungen gegeben innerhalb von drei monaten wegen rauigkeit. Diesen kleinen scheisshaufen mache ich kaputt, werde mich beschweren über diesen wixxer bin 32jahre hier dabei und so ein faules schwein der noch nie gearbeitet hat in seinem scheissleben gibt mir zwei abmahnungen, da hat er sich im falschen verguckt diese drecksau naja sag mal bis bald“. Andere Mitarbeiter antworteten. Das Profil des Klägers wies zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung insgesamt 70 sogenannte "Freunde" auf. 36 dieser "Freunde" waren zum Zeitpunkt der angegriffenen Kündigung Mitarbeiter der Beklagten.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen ArbG Hagen: ordentliche Kündigung (+), grob beleidigende Äußerungen in Bezug auf seinen unmittelbaren Vorgesetzten G1 über seine Pinnwand jedenfalls bedingt vorsätzlich quasi betriebsöffentlich getätigt, kein Vertraulichkeitsschutz Den Vertraulichkeitsschutz der Facebook-Kommunikation verneinen generell – auch zwischen „Freunden“ – Bauer/Günther, NZA 2013, 73; Kock/Dittrich, DB 2013, 932; ebenso Dzida/Förster, BB 2017, 750 mit dem Hinweis auf die durchschnittliche Zahl der Freunde je Facebook-Nutzer, nämlich 342; Ausnahme: persönliche Mitteilung, Chat zwischen zwei Personen.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen 3.3.2. Fremdenfeindliches LAG Rheinland-Pfalz 19.12.2016 – 3 Sa 387/16 AN = Lokführer, später Lagerist, postet auf Facebook u.a.: Foto von Kollegen "3 Promillos ", Foto von BR: "Schirmträger und Schleimer", "Unser Chef war ein Wunderkind. Er hatte schon mit 6 Jahren dieselben Fähigkeiten wie heute! Wie wahr" "Chef meint, ich soll mich bei der Arbeit nicht von jedem Penner ablenken lassen, habe ihn ignoriert"; ferner Posts im Hinblick auf die Flüchtlingsproblematik / Familiennachzug "Warum seid ihr feigen Dreckschweine denn ohne sie abgehauen?". AN bezeichnete sich auf der Facebook-Seite als "Lagerist bei der C. und XY und Triebwagenführer"
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen LAG: Selbst polemische und beleidigende Werturteile oder rechtsextremistische Äußerungen fallen in den Schutzbereich des Art 5 Abs 1 GG, soweit sie - trotz aller Niveaulosigkeit - als Teil des Meinungskampfes verstanden werden müssen. Kläger hat sich in seinem Facebook Account selbst als Mitarbeiter der Beklagten erkenntlich gemacht, so damit ohne weiteres der notwendige Bezug zum Arbeitsverhältnis gegeben. Aber: keine Auswirkungen auf Betriebsfrieden, keine strafbare Volksverhetzung, Verbindung zum AG nach Zugang Kündigung auf Facebook gelöscht außerord. Kündigung (-), Abmahnung ausreichend. (Alter: 53, Betriebszugehörigkeit: 24 Jahre, ordentlich unkündbar)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen ArbG Mannheim 19.02.2016 – 6 Ca 190/15 AN, Triebfahrzeugführer, gebürtiger Pole, hat auf seinem Facebook-Nutzerkonto ein Bild geteilt, das das Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz mit der Tor-Überschrift „Arbeit macht frei“ zeigt, darunter, in polnischer Sprache: „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme“. Das fragliche Bild war ursprünglich auf der polnischen Satire- und Witzeseite "Chamsko.pl" veröffentlicht und auf Facebook verbreitet worden. Auf dem Profil ist der AG angegeben und der AN in Dienstkleidung zu sehen. Nachdem AG ihn zur Stellungnahme aufforderte, löschte AN das Bild und entschuldigte sich.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen ArbG: Pflichtverletzung liegt vor, keine Äußerung im rein privaten Bereich, da AG erkennbar. „Die Beklagte weist nachvollziehbar darauf hin, dass in ihren Zügen auch Flüchtlinge transportiert werden. Zudem ist eine solche Äußerung eines Zugführers insofern bedenklich, als seinerzeit unter den Nationalsozialisten die in die Konzentrationslager verbrachten Menschen vornehmlich per Bahn transportiert wurden. Die Herstellung dieses Zusammenhangs kann sich für die Beklagte als äußerst ruf- und geschäftsschädigend erweisen.“ außerordentliche und ordentliche Kündigung (-) im Rahmen der Interessenabwägung wurde berücksichtigt: Betriebszugehörigkeit 14 Jahre, Entschuldigung
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen LAG Sachsen 27.02.2018 – 1 Sa 515/17 Veröffentlicht ein Arbeitnehmer auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite unter seinem Namen und in Straßenbahnuniform ein Foto mit einer meckernden Ziege mit der Sprechblase "Achmed, ich bin schwanger", so kann dies eine fristlose Kündigung der im Eigentum einer Stadt stehenden Straßenbahngesellschaft rechtfertigen. „Das Ziegenfoto hat nichts mit Satire zu tun, sondern enthält ausschließlich eine menschenverachtende und menschenherabwürdigende "Botschaft". Eine solche Schmähkritik ist von der Meinungsfreiheit nicht geschützt. Der Bezug zum Arbeitsverhältnis liegt darin, dass der Kläger sich auf der Internet-Plattform öffentlich neben dem Ziegenbild in seiner Uniform als Straßenbahnschaffner und unter seinem Namen abbilden ließ.“
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen „Den Bezug dieser Schmähkritik gegenüber türkischen Ausländern musste die Beklagte nicht hinnehmen. Dadurch sind erhebliche Interessen der Beklagten beeinträchtigt worden. Die Beeinträchtigung liegt darin, dass die Beklagte durch diesen Bezug auch in die Nähe der Ausländerfeindlichkeit, wenn nicht gar des Ausländerhasses gesetzt wurde. Dies zeigen auch die empörten Reaktionen der örtlichen Tageszeitung. Die Beklagte, welche zu 100 Prozent in der Hand der Stadt ... liegt und damit – wenn auch privatrechtlich organisiert – Teil des öffentlichen Dienstes ist, hat ein erhebliches Interesse daran, die Grundwerte des Grundgesetzes zu achten und damit schweren ausländerfeindlichen Tendenzen entgegenzuwirken.“ Ähnlich ArbG Gelsenkirchen 24.11.2015 – 5 Ca 1444/15: Es liegt auf der Hand, dass die Äußerung extremer politischer Auffassungen durch einen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst dem Ruf des Arbeitgebers abträglich sein kann. Ein Arbeitnehmer hat in seiner politischen Meinungsäußerung Zurückhaltung zu üben.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen Erweiterte Nebenpflichten im öffentlichen Dienst? § 8 Abs. 1 BAT: „Der Angestellte hat sich so zu verhalten, wie es von Angehörigen des Öffentlichen Dienstes erwartet wird. Er muss sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“ (außer Kraft) § 3 TVöD, § 41 BT-V: „Beschäftigte bei Arbeitgebern, in deren Aufgabenbereichen auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen BAG 10.09.2009 – 2 AZR 257/08 Für nicht hoheitlich tätige Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gelten nach § 41 Satz 1 TVöD-BT-V keine weitergehenden vertraglichen Nebenpflichten als für die Beschäftigten der Privatwirtschaft. Die früher in § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT und § 8 Abs. 8 MTArb vorgesehenen besonderen Anforderungen an das außerdienstliche Verhalten der Arbeitnehmer sind von den Tarifvertragsparteien aufgehoben worden. Maßgeblich ist, ob der Arbeitnehmer mit hoheitlichen Aufgaben betraut ist.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen BAG 06.09.2012 – 2 AZR 372/11 § 3 Abs. 1 S. 2 TV-L kann nicht so verstanden werden, dass alle Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einer beamtenähnlichen und damit gesteigerten Treuepflicht unterlägen. Das Maß der einem Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abzuverlangenden Loyalität gegenüber der Verfassung bestimmt sich vielmehr nach der Stellung und dem Aufgabenkreis, der dem Beschäftigten laut Arbeitsvertrag übertragen ist. Arbeitnehmer, die nur eine "einfache" politische Treuepflicht trifft, müssen ein Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit aufbringen, als sie nicht darauf ausgehen dürfen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen ArbG Herne 22.03.2016 – 5 Ca 2806/15 Kläger (Bergmechaniker unter Tage) kommentierte auf der Facebookseite des Fernsehsenders n-tv einen Beitrag über einen Brand in einer Thüringer Asylunterkunft in der Nacht vom 04. Oktober 2015 mit der Überschrift "Drama in Thüringen: Leiche nach Brand in Asylunterkunft gefunden" mit folgenden Worten: "hoffe das alle verbrennen, die nicht gemeldet sind". Auf der Facebookseite des Fernsehsenders erschien neben dem Kommentar ein Profilbild sowie der Profilname des Klägers. Sobald Besucher der Webseite, die ihrerseits bei Facebook angemeldet waren, mit der Maus über den Namen oder das Bild fuhren, öffnete sich in einem sogenannten „PopUp-Fenster“ die Profilseite des Klägers, an dessen oberster Stelle der Arbeitgeber benannt wurde.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen (…) Auf den Kommentar des Klägers reagierten andere Besucher der Webseite, so schrieb unter anderem ein Besucher wörtlich: „(…), du bist ja mal der Oberknaller. Scheint so als wenn du mit "brauner " Kohle zu tun hast. Screenshots sind doch was feines.“ ArbG: außerord. Kündigung (+); Kläger hat seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten verletzt, indem er unter Verwendung eines öffentlich zugänglichen Facebook- Profils, in dem die Beklagte in identifizierbarer Weise als Arbeitgeber benannt wurde, einen volksverhetzenden Kommentar auf der Facebookseite des Fernsehsenders n-tv veröffentlicht hat.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen (…) ArbG nimmt an: Kläger war sich bei Abfassung der streitgegenständlichen Kommentare der Benennung der Beklagten in seinem Facebook-Profil nicht bewusst. „Ferner war zu berücksichtigen, dass sich die Pflichtverletzung des Klägers nicht unmittelbar auf die betrieblichen Abläufe bei der Beklagten auswirkte, sondern außerbetrieblich zu einer Beeinträchtigung des Ansehens der Beklagten geführt hat. Deshalb kommt es im Rahmen der Interessenabwägung weniger darauf an, wie sich die Reaktion der Beklagten innerbetrieblich auswirkt, sondern darauf, wie die Beklagte auch nach außen hin angemessen auf das Fehlverhalten des Klägers reagieren kann.“ Schwere Pflichtverletzung, Abmahnung nicht erforderlich (Alter: 48 Jahre, Betriebszugehörigkeit: 32 Jahre)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen Hat eine ehrverletzende/(rechts-)extreme außerdienstliche Äußerung stets Bezug zum Arbeitsverhältnis, wenn der AG ausdrücklich genannt wird oder erkennbar ist? Dazu Fischer, jurisPR-ArbR 19/2016 Anm. 2: Kündigungsrelevanter Bezug zum Arbeitsverhältnis, wenn (alternativ) 1) AN = Repräsentant des AG 2) Zweifel an Bereitschaft, Hauptpflicht zu erfüllen 3) Innerbetriebliche Friedensstörung 4) Rufschädigung des AG nur bei Tendenzunternehmen G.J.: 5) auch im Bereich des öffentlichen Dienstes (bei hoheitlicher Tätigkeit) 6) Konkrete Gefahr der Störung von Kundenbeziehungen
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