Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis - Beleidigungen und fremdenfeindliche Äußerungen als Kündigungsgrund - Arbeitsrechtsforum der ...

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Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis –
Beleidigungen und fremdenfeindliche
  Äußerungen als Kündigungsgrund

Arbeitsrechtsforum der Ruhr-Universität Bochum, 21.11.2018
                           Dr. Guido Jansen
             Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht
Inhalt
1.   Verfassungsrechtliche Vorgaben
     1.1.   Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG
     1.2.   Allgemeine Gesetze als Schranke
     1.3.   Beispiele aus der jüngeren Rechtsprechung
     1.4.   Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis
2.   Kündigungsgrund: „Innerdienstliche“ Äußerungen
     2.1.   Ehrverletzende Äußerung als (Neben-)Pflichtverletzung
     2.2.   Sonderfall: Vertrauliches Gespräch
     2.3.   Gesichtspunkte für die Interessenabwägung
     2.4    Einzelfälle
            2.4.1. Beleidigungen
            2.4.2. Fremdenfeindliches
Inhalt
3.   Kündigungsgrund: „Außerdienstliche“ Äußerungen
     3.1.   Grenzen der vertraglichen Nebenpflichten
     3.2.   Besonderheiten bei Äußerungen im Internet
            3.2.1. Verwertbarkeit
            3.2.2. Zurechnung
            3.2.3. Interessenabwägung
     3.3.   Einzelfälle
            3.3.1. Beleidigungen
            3.3.2. Fremdenfeindliches
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
Art. 5 GG
  (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu
  verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (…)
  (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den
  gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen
  Ehre.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
BVerfG 15.01.1951 – 1 BvR 400/51 (Lüth):
 Das Grundrecht ist unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und für eine
 freiheitlich-demokratische Staatsverfassung schlechthin konstituierend für die
 Demokratie, in der es kein Werte- und Wahrheitsmonopol gibt. Was wahr und falsch, gut
 und richtig ist, soll im ungehinderten Austausch und Streit der Meinungen immer wieder
 neu ausgehandelt werden.
 (Boykottaufruf gegenüber Film des Regisseurs Veit Harlan)
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
1.1. Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG
  Geschützt sind
  - Werturteile
  - Tatsachenbehauptungen,
  soweit für die Meinungsbildung relevant
  Nicht maßgeblich ist Wert oder Unwert einer Äußerung
  z.B. BVerfG 22.06.1982 – 1 BvR 1376/79
  „CSU ist die NPD von Europa“
  Handelt es sich bei einer umstrittenen Äußerung nicht um Schmähkritik oder um eine
  Formalbeleidigung, sondern um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so
  spricht - unabhängig davon, ob eine Kritik berechtigt oder das Werturteil richtig ist - eine
  Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede (BVerfG in st. Rspr).
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
Nicht geschützt durch Art. 5 Abs. 1 GG
• Unwahre Tatsachenbehauptung
  z.B. BVerfG 25.10.2012 – 1 BvR 901/11
• Formalbeleidigung
  Herabwürdigung aufgrund Form der Äußerung,
  insbes. Schimpfwörter.
• Schmähkritik
  BVerfG 29.06.2016 – 1 BvR 2646/15:
  Formalbeleidigung und Schmähkritik tritt regelmäßig hinter Ehrenschutz zurück.
  Eine Schmähkritik kann aber nicht bereits dann angenommen werden, wenn eine
  Äußerung überzogen oder ausfällig ist. Hinzutreten muss eine das sachliche Anliegen der
  Äußerung völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung
  (BVerfG 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91).
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
• Angriff auf Menschenwürde
  BVerfG 04.02.2010 – 1 BvR 369/04
  „Aktion Ausländerrückführung - Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“
  Auch rechtsextremistische Meinungen geschützt, Angriff auf Menschenwürde
  verneint: „Da aber nicht nur einzelne, sondern sämtliche Grundrechte
  Konkretisierungen der Menschenwürde sind, bedarf es stets einer sorgfältigen
  Begründung, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines
  Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt.“
  „Ausländer raus“ kann Angriff auf Menschenwürde sein, falls weitere Umstände
  hinzutreten (z.B. Reichskriegsflagge, OLG Brandenburg 28.11.2001 – 1 Ss 52/02).
  Diese Auslegung begegnet verfassungsrechtlich keinen Bedenken (BVerfG aaO).
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
 BVerfG 20.04.2018 – 1 BvR 31/17
 Kommentar im Internet: "Mir ist vor einiger Zeit auch son Mossi mit seinem verpackten
 Vieh auf dem S-Bahnhof über den Weg gelaufen - ich habe ihm direkt gesagt, dass er nach
 Arabien verschwinden soll."
 Die Bejahung eines Anfangsverdachts der Volksverhetzung gem § 130 Abs 1 Nr 2 StGB
 durch die Bezeichnung vollverschleierter muslimischer Frauen als „verpacktes Vieh“ ist
 verfassungsrechtlich vertretbar. Die entsprechende Wertung verletzt den
 Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Die Äußerung bezieht
 sich ersichtlich auf die in Deutschland lebenden Frauen und impliziert deren
 Objekthaftigkeit, mit der ihnen zugleich die Achtung als gleichberechtigte Personen
 abgesprochen wird.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
1.2. Allgemeine Gesetze als Schranke, insbesondere:

§ 185 Beleidigung
  Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn
  die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei
  Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 186 Üble Nachrede
  Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche
  denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen
  geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu
  einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von
  Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit
  Geldstrafe bestraft.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
§ 130 StGB Volksverhetzung
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe,
gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer
vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder
Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der
Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe
oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der
Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des
Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden
zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
 Meinungsfreiheitsbeschränkende Normen sind im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG
 („Wechselwirkung“) auszulegen:
 keine unverhältnismäßige Einschränkung der Meinungsfreiheit

 BVerfG 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 (“Soldaten sind Mörder“)
 Der Begriff der Beleidigung darf nicht so weit ausgedehnt werden, dass für die
 Berücksichtigung der Meinungsfreiheit kein Raum mehr vorhanden ist oder aber von der
 Auslegung des StGB § 185 ein derart abschreckender Effekt auf den Gebrauch des
 Grundrechts ausgeht, dass aus Furcht vor Sanktionen auch zulässige Kritik unterbleibt.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
Art. 5 Abs. 1 GG erfordert Auslegung der Meinungsäußerung
  Ziel: möglichst hohes Maß an Freiheit der Äußerung; strenge Maßstäbe bzgl.
  Formalbeleidigung, Schmähung (BVerfG 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91)
  BVerfG 04.02.2010 – 1 BvR 369/04 („Aktion Ausländerrückführung“)
  Angesichts der einschüchternden Wirkung, die staatliche Eingriffe hier haben können,
  muss eine besonders wirksame verfassungsrechtliche Kontrolle Platz greifen, soll die
  Freiheit dieser Lebensäußerungen nicht in ihrer Substanz getroffen werden.
  Schon einzelne Fehler der Deutung der Äußerung und bei der Auslegung des einfachen
  Rechts können zu einer Fehlgewichtung des Grundrechts führen. Wegen der
  schwerwiegenden Folgen, die solche Fehler im Strafverfahren nach sich ziehen können, ist
  zumindest dort eine intensivere Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht
  unausweichlich.
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben
1.3. Beispiele aus der jüngeren Rechtsprechung
BVerfG 29.06.2016 – 1 BvR 2646/15
  RA gegenüber Journalist: „Dahergelaufene, durchgeknallte, widerwärtige, boshafte,
  dümmliche, geisteskranke Staatsanwältin“
  BVerfG: Sachbezug möglich
BVerfG 17.05.2016 – 1 BvR 257/14
  ACAB auf dem Gesäßbereich der Hose bei Besuch eines Fußballspiels
  BVerfG: fällt in den Schutzbereich des Art. 5 GG, nicht inhaltlos, Abgrenzungsbedürfnis
  gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht; keine hinreichend überschaubare und
  abgegrenzte Personengruppe
OLG Hamburg 15.05.2018 – 7 U 34/17
  J. Böhmermanns Gedicht „Schmähkritik“ = Schmähkritik
  „Am liebsten mag er Ziegen ficken und Minderheiten unterdrücken“
1. Verfassungsrechtliche Vorgaben

1.4. Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis

Grundrechte gelten auch im Arbeitsverhältnis
  BVerfG 28.04.1976 – 1 BvR 71/73
  BAG 12.11.2002 – 1 AZR 58/02 („zumindest mittelbar“)
Meinungsfreiheit: Mit der Bedeutung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit wäre es
  unvereinbar, wenn es in der betrieblichen Arbeitswelt nicht oder nur eingeschränkt
  anwendbar wäre
  BAG 18.12.2014 – 2 AZR 265/14
Einschränkung durch allgemeine Gesetze:
Rücksichtnahmepflicht, § 241 Abs. 2 BGB
  BAG 24.11.2005 – 2 AZR 584/04
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

2.1. Ehrverletzende Äußerung als (Neben-)Pflichtverletzung

Als Nebenpflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB anerkannt:
  AN muss auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des AG Rücksicht nehmen,
  zu berücksichtigen ist Stellung und Tätigkeit im Betrieb
  z.B. BAG 18.12.2014 – 2 AZR 265/14: beleidigende Äußerungen und falsche
  Tatsachenbehauptungen als Nebenpflichtverletzung
Strafbare Ehrverletzung ist generell als Kündigungsgrund geeignet
  (zutr. Deeg/ Scheuenpflug, ArbRAktuell 2010, 548)
  vgl. auch BAG 27.09.2012 – 2 AZR 646/11: „insbesondere wenn die Erklärungen den
  Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen“
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

Gegenüber dem Arbeitgeber

BAG 21.01.1999 – 2 AZR 665/98:
  Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten, die nach
  Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen
  einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem
  Arbeitsverhältnis dar. („Jahrelang täglich systematisch belogen, betrogen, gezwungen,
  erpresst, schikaniert, misshandelt, beleidigt, diskriminiert und bedroht worden; wie der
  letzte Verbrecher, Sklave oder Diener behandelt.“)

BAG 25.05.1982 – 7 AZR 155/80:
  Das Aufstellen von ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen gegenüber Vorgesetzten stellt
  die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar. („bewusst falsche
  Materialausschussmeldungen geschrieben“)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

BAG 02.04.1987 – 2 AZR 418/86
 In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines
 Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen
 („KZ-Methoden“)

BAG 17.02.2000 – 2 AZR 927/98
 Berechtigt sind Arbeitnehmer allerdings grundsätzlich, unternehmensöffentliche Kritik am
 Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen zu äußern. Diese kann etwa in
 Betriebsversammlungen auch überspitzt und polemisch ausfallen.
 („Chef macht Firma kaputt“,
 anders aber „Millionen verschoben“ und „Zahlen hingedreht oder manipuliert“:
 kündigungsrelevant)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

Gegenüber anderen Mitarbeitern

BAG 27.09.2012 – 2 AZR 646/11
  Einen die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Grund stellen u.a. grobe
  Beleidigungen von Arbeitskollegen dar, die nach Form und Inhalt eine erhebliche
  Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten.

Den AG trifft Fürsorgepflicht hinsichtlich Ehrverletzung von Mitarbeitern
 (Deeg/Scheuenpflug, ArbRAktuell 2010, 547; Häcker, ArbRB 2008, 120)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

Gegenüber Dritten

LAG Schleswig-Holstein 08.04.2010 – 4 Sa 474/09
  Bezeichnet ein Arbeitnehmer eine Person, die in einer Kundenbeziehung zum Arbeitgeber
  steht, als Arschloch (5x), so ist dieser Sachverhalt an sich geeignet, einen fristlosen
  Kündigungsgrund zu begründen.
  Eine Arbeitgeberin kann es grundsätzlich nicht akzeptieren, dass ein Arbeitnehmer den
  Vertreter eines Kunden, mit dem sie in Geschäftsbeziehungen steht, beleidigt.
  Bei der Prüfung auf der 2. Stufe - Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles - ist
  jedoch zu beachten, ob der Arbeitnehmer überhaupt die Funktion und Stellung der Person
  (Liegenschaftsverwalter) erkannte und ob es sich um ein erstmaliges Versagen handelte.
  (im Streitfall verneint, fristlose und fristgerechte Kündigung unwirksam, Abmahnung
  erforderlich)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

2.2. Sonderfall: Vertrauliches Gespräch

BVerfG 23.11.2006 – 1 BvR 285/06
  Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und Vertrauenspersonen, die in eine Sphäre
  fallen, die gegen die Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmt ist,
  genießen - auch dann, wenn sie gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen
  ihres ehrverletzenden Gehalts nicht schutzwürdig wären - in solchen
  Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung
  verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen
  vor geht.
  (Briefpost zwischen befreundeten Strafgefangenen: „Justizvollzugsbedienstete hier echt
  super; kein Vergleich mit den unfähigen Arschlöchern aus M. Du wirst hier wie ein Mensch
  behandelt und nicht wie ein Stück Dreck.“)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

BAG 10.12.2009 – 2 AZR 534/08
  „Bei der rechtlichen Würdigung sind allerdings die Umstände zu berücksichtigen, unter
  denen diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und/oder
  Kollegen gefallen sind. Geschah dies in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen,
  vermögen sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne Weiteres zu
  rechtfertigen. Der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche regelmäßig darauf
  vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen.“
  (Vorgesetzter in „Machenschaften“ verwickelt, Strafverfahren läuft, zum Schein an
  Bandscheibe operieren lassen, Vertraulichkeit bejaht bei 3 Gesprächsteilnehmerinnen)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

D.h.: Vertraulichkeitsschutz ist nur Abwägungsgesichtspunkt
  (ebenso Bauer/Günther, NZA 2013, 68; ähnlich Kort, NZA 2012, 1321: Kündigung lässt sich
  nur „ausnahmsweise“ auf Äußerung im vertraulichen Gespräch zwischen Arbeitskollegen
  stützen)

Fraglich, ob Vertrauen unabhängig vom Gesprächsinhalt geschützt ist
  (Dzida/Förster, BB 2017, 760: Einschränkung bei „rassistischen, islamistischen oder
  menschenverachtenden Äußerungen; solche Äußerungen sind – anders als bloße
  „Lästereien“ – sehr viel eher geeignet, Kontroversen auszulösen“)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

BAG 17.02.2000 – 2 AZR 927/98
  Treffen unter Kollegen nach Dienstschluss in einer Gaststätte kann je nach Lage des Falles
  als vertraulich anzusehen sein, aber nicht, wenn die Zusammenkunft der Einleitung einer
  Betriebsratswahl dient.

BAG 25.05.1982 – 7 AZR 155/80
  kein Vertrauensschutz bei Äußerungen im BR-Büro zwischen zwei BR-Mitgliedern
  (Vorwurf: Ausstellung von „Gefälligkeits“-Materialausschussmeldungen durch den
  Vorgesetzten)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

ArbG Mainz 15.11.2017 – 4 Ca 1240/17
  Vertrauensschutz für Verbreitung von Bildern mit rechtsextremistischen Inhalt in einer
  WhatsApp-Chatgruppe, die aus 6 Arbeitnehmern besteht und in der auch dienstliche
  Inhalte ausgetauscht werden.

Berufung eingelegt beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
  unter dem Aktenzeichen 2 Sa 9/18
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

2.3. Gesichtspunkte für die Interessenabwägung

• Grad der Ehrverletzung

• Gesprächssituation
 insbesondere: emotional geprägte Auseinandersetzung
 Überlegte Äußerung oder spontaner Erregungszustand?
 LAG Hessen 01.09.2006 – 3 Sa 1962/05:
 „Sie lügen … wie immer“
 Während des Arbeitskampfes sind auch drastischere Formulierungen hinzunehmen
 LAG Hessen 24.10.2000 – 9 TaBV 19/00: Transparent „Arschkriecher“ gegenüber Streikbrechern
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

• Provokation durch AG oder Kollegen
LAG Köln 07.12.1995 – 10 Sa 717/95:
 Gemeindearbeiterin, die nach erkennbar unberechtigter Denunziation (wegen
 Krankheitsverhaltens) zu einer Rücksprache in der Personalabteilung erschienen war,
 verabschiedet von dem dortigen Sachbearbeiter mit den Worten "blöder Sack".
 Verhaltensbedingte Kündigung unwirksam.
LAG Düsseldorf 21.07.2004 – 12 Sa 620/04:
 Hat ein knapp neun Monate beschäftigter Arbeitnehmer seinem Kollegen auf dessen Bemerkung
 "Du Arschloch" ins Gesicht gespuckt, kann aus verhaltensbedingten Gründen eine ordentliche
 Kündigung auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer anschließend durch einen
 Faustschlag des Arbeitskollegen verletzt wurde, danach beide Beteiligten dem Vorgesetzten
 erklärten, sich wieder zu vertragen und aufgrund der fristlosen Entlassung des Arbeitskollegen
 eine Wiederholungsgefahr entfällt.
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

• Betriebliche Auswirkungen

• „Nachtatverhalten“ (Entschuldigung)

• Üblicher „rauer Umgangston“

• Vertraulichkeitsschutz

• Bildungsstand des AN
  (so Deeg/Scheuenpflug, ArbRAktuell 2010, 547)

• Sozialdaten des AN
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

2.4. Einzelfälle

2.4.1. Beleidigungen

ArbG Berlin 11.05.2001 – 88 Ca 5714/01
  Bezeichnet der Arbeitnehmer den Geschäftsführer als "Arschloch", so liegt dennoch kein
  wichtiger Grund iS des § 626 Abs 1 BGB vor, wenn der Geschäftsführer an der Zuspitzung
  der mentalen Belastungslage des Arbeitnehmers als Auslöser der beleidigenden Äußerung
  beteiligt war - etwa auf Grund mehrmonatigen Lohnzahlungsrückstandes - und der
  Arbeitnehmer seiner Bedrängnis durch die beleidigende Äußerung Ausdruck verschafft.
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

LAG Schleswig-Holstein 24.01.2017 – 3 Sa 244/16
 AN, Handwerker, während Personalgespräch: Vater des GF verhält sich „wie ein Arsch“,
 „dann kündigt mich doch“, GF: „damit wir dann als soziale Arschlöcher dastehen“, AN:
 „seid ihr sowieso schon“, familiengeführter Kleinbetrieb: 3 Gesellen, 1 Azubi, Mutter GF,
 Vater GF
 LAG: außerord. Kündigung (+)
 keine Provokation, Äußerung 16 Stunden nach Auseinandersetzung mit Vater des GF
 (AN 62 Jahre, Betriebszugehörigkeit 23 Jahre)
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

LAG Mecklenburg-Vorpommern 23.03.2010 – 5 Sa 254/09
  Bauarbeiter ggü. vorgesetzten Polier: „Komm her du Arschloch, ich hau dir paar in die
  Fresse“
  Kündigung (-), Beleidigung als Reaktion auf eine in der Sache nur schwer nachvollziehbare
  und im Ton missglückte Anweisung des Vorgesetzten („Soll ich mich noch dazustellen und
  mitquatschen oder geht es jetzt weiter?“);
  Kläger, zur Rede gestellt: „Ich bin doch nicht dein Friseur“.

LAG Rheinland-Pfalz 12.08.2010 – 11 Sa 255/10
  "Du kannst mich am Arsch lecken“ ggü. Teamleiter
  nach Aufforderung, Tätigkeitsnachweise zu erstellen
  ord. Kündigung (-),
  da zwar im Anschluss ein Mitarbeitergespräch geführt, eine unmittelbare Konsequenz
  hieran aber nicht geknüpft wurde,
  und da die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis unverändert über 5 Wochen
  fortgesetzt haben, bevor es zum Ausspruch einer Kündigung kam.
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

2.4.2. Fremdenfeindliches

BAG 01.07.1999 – 2 AZR 676/98
 Zwei Auszubildende haben Schild mit der Aufschrift "ARBEIT MACHT FREI
 TUERKEI SCHOENES LAND" hergestellt und an der Werkbank seines Kollegen D
 angebracht
 BAG: Auslegung der Äußerung - D soll seinem Arbeitseifer lieber in der Türkei
 nachgehen
 kein Kündigungsgrund „Ausländerfeindlichkeit“, aber Ehrkränkung und Störung
 der innerbetrieblichen Verbundenheit,
 Zurückverweisung an das LAG – Prüfung, ob Abmahnung entbehrlich
2. Kündigungsgrund: „innerdienstliche“ Äußerungen

LAG Hamm 03.05.2017 – 15 Sa 1358/16
  AN: "scheiß Türke" (so AG) oder "kleiner Dreckstürke" (so AN), Hintergrund: Streit
  um Pausenablösung, Entschuldigung nicht angenommen
  LAG: außerord. und ord. Kündigung (-)
  Abmahnung erforderlich
  (schwb, 25 Jahre Betriebszugehörigkeit)

LAG Nürnberg 07.11.2017 – 7 Sa 400/16
  AN: „Polacken (= andere AN) können sich alles erlauben“
  LAG: Abmahnung erforderlich, aufgebrachte Situation während des Gesprächs
  mit Vorgesetztem (2,5 Jahre Betriebszugehörigkeit)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

3.1. Grenzen der vertraglichen Nebenpflichten

BAG 17.02.2000 – 2 AZR 927/98:
  „Ein Arbeitnehmer ist nicht gehalten, von seinem Arbeitgeber nur positiv zu denken und
  sich in seiner Privatsphäre ausschließlich entsprechend zu äußern.“

LAG Düsseldorf 24.02.1969 – 11 Sa 60/69
  Ehewidrige Beziehungen eines Angestellten mit einer in demselben Betrieb beschäftigten
  verheirateten Frau rechtfertigen eine fristlose Entlassung nicht.
  „Der Beklagte verkennt insoweit seine Stellung als Arbeitgeber. Als solcher ist er nicht zum
  Sittenrichter über die in seinem Betrieb tätigen Angestellten berufen; er hat diesen
  gegenüber in aller Regel nur einen Anspruch darauf, dass sie die arbeitsvertraglich
  übernommenen Pflichten ordnungsgemäß erfüllen.“
  (DB 1969, 667)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

BAG 27.11.2011 – 2 AZR 825/09
  „Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten
  Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Allerdings kann ein außerdienstliches
  Verhalten die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer
  grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat.
  Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum
  Arbeitsverhältnis hat. Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung
  regelmäßig aus.“

BAG 24.06.2004 – 2 AZR 63/03
  „Eine alleinige Beeinträchtigung des Betriebsfriedens ohne konkrete Feststellung einer
  arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung reicht zur Annahme eines verhaltensbedingten
  Kündigungsgrundes nicht aus.“
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

BAG 11.12.1975 – 2 AZR 426/74
  Das bloße Haben einer Überzeugung und die Mitteilung, dass man diese habe, ist niemals
  eine Verletzung der Treuepflicht. Eine kommunistische Betätigung kann allein noch nicht für
  eine fristlose Kündigung ausreichen, wenn nicht ein konkreter Bezug auf das
  Arbeitsverhältnis vorliegt.

LAG Köln 07.07.1999 – 7 Sa 22/99
  Das arbeitsvertragliche Kündigungsrecht des Arbeitgebers besteht nur zur Wahrnehmung
  eigener Interessen des Arbeitgebers, nicht zur Ahndung von Straftaten des Arbeitnehmers,
  auch nicht von Straftaten nach § 130 StGB (Volksverhetzung). Der dringende Verdacht, dass
  sich ein Arbeitnehmer einer Straftat nach § 130 StGB schuldig gemacht hat, rechtfertigt
  alleine noch keine fristlose Kündigung, auch nicht im öffentlichen Dienst.
  (elektronische Witzesammlung an Kollegin weitergegeben, darunter auch Juden-, Asylanten
  und Türkenwitze)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

    Problem:
    Wann ist eine private Äußerung als Vertragspflichtverletzung anzusehen?
•   Beleidigung des Arbeitgebers (+),
    AN schuldet Achtung der Ehre auch außerhalb des Betriebes
•   Beleidigung von Mitarbeitern (+),
    AG hat berechtigtes Interesse daran, dass auch außerhalb des Betriebes keine Ursachen
    für Störungen der Zusammenarbeit innerhalb der Belegschaft gesetzt werden
•   Beleidigung von Kunden/Geschäftspartnern (+),
    AG hat berechtigtes Interesse daran, dass auch außerhalb des Betriebes keine Ursachen
    für Störungen des Unternehmenszwecks gesetzt werden
•   Äußerung extremer politischer Meinung (?)
    Möglw. Straftat, aber kein Schutz des AG. Kommt es auf (vorhersehbare) Störung
    betrieblicher Interessen an? Rufschädigung des AG?
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

3.2. Besonderheiten bei Äußerungen im Internet

3.2.1. Verwertbarkeit
 Recherche des AG im Internet stets angemessen, wenn Informationen öffentlich
 (Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2016, 787)
 Anders, wenn AG sich – etwa durch Täuschung über Identität – Zugang zu Äußerung
 erschleicht
 (Burr, NZA Beilage 3/2015, 116 f.; Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2016, 788)
 Keine Verletzung des Rechts am eigenen Bild, wenn AN selbst Bilder in sozialen
 Netzwerken verbreitet
 (ArbG Mannheim 19.05.2015 – 7 Ca 254/14)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

3.2.2. Zurechnung

ArbG Dessau-Roßlau 21.03.2012 – 1 Ca 148/11
  Ein Schweinchen namens Ralf-Thomas
  Kündigungsvorwurf: Klägerin soll ehrverletzenden Facebook-Beitrag ihres Ehemannes
  „geliked“ haben. Ihr Eintrag war für 155 „Freunde“ sichtbar, darunter auch Mitarbeiter und
  Kunden der beklagten Sparkasse.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

 ArbG:
 Aktivitäten des Ehemannes sind nicht kündigungsrelevant, da die Klägerin grundsätzlich
 keine Verantwortung für von ihrem Ehemann abgegebene Stellungnahmen trägt;
 Betätigen des „gefällt mir“ Buttons ist nicht kündigungsrelevant, da Klägerin
 unwidersprochen vorgetragen hat, ihr Ehemann habe Zugang zu ihrem Facebook-Account
 und habe den Button selbst betätigt.

 Betätigung des „gefällt mir“ Buttons
 = zurechenbare Äußerung, die bestätigt und bekräftigt
 (Aszmons, DB 2016, 412; Burr, NZA Beilage 3/2015, 116; Kock/Dittrich, DB 2013, 936)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

Kritik: ArbG überspannt Darlegungslast der Beklagten
  substantiierter Vortrag des AN zu behauptetem abweichendem Geschehensablauf
  erforderlich - § 138 ZPO
  (vgl. LAG Hessen 13.04.2015 – 7 Sa 1013/14: Erkundigung über Betreiber der
  Internetplattform; ArbG Gelsenkirchen 24.11.2015 – 5 Ca 1444/15; Aszmons, DB 2016,
  413)
  oder Anscheinsbeweis zugunsten des AG (so Bauer/Günther, NZA 2013, 73;
  Burr, NZA Beilage 3/2015, 116; Fuhlrott/Oltmanns, DB 2017, 1843)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

ArbG Gelsenkirchen 24.11.2015 – 5 Ca 1444/15 = LAG Hamm – 17 Sa 48/16 (Vgl.)
  Vorwurf: extreme ausländerfeindliche Äußerungen. Kläger: Account „gehackt“.
  ArbG: Äußerung stammt vom Kläger. Das pauschale Bestreiten des Klägers, Urheber dieser
  Äußerungen zu sein, genügt nicht. Die bloße Möglichkeit des Hackings bzw. der Kopie seines
  Accounts durch einen Dritten ersetzt keinen substantiierten Tatsachenvortrag.
  Im Berufungsverfahren wurde ein Sachverständigengutachten zur Urheberschaft der Äußerungen
  eingeholt. Ergebnis des Sachverständigengutachtens:
  Der Inhalt des Facebook Accounts (Kommentare und Likes) lässt sich mit normalen
  Benutzerrechten nicht kopieren, sondern lediglich „nachbauen“. Für jeden „Freund“ müsste ein
  Fakeprofil erstellt werden. Eine Rückdatierung von geteilten Inhalten ist nicht möglich.
  → Nachbau (sehr) unwahrscheinlich
  Denkbar wäre die Erstellung einer Kopie des Accounts durch einen Facebook-Administrator oder
  durch eine technische Fehlfunktion.
  → auch (sehr) unwahrscheinlich
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

3.2.3. Interessenabwägung

LAG Hessen 28.01.2013 – 21 Sa 715/12
 „Bei einer verhaltensbedingten Kündigung wegen Beleidigung des Arbeitgebers in einem
 Internetforum ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass auf Grund
 der Schnelllebigkeit des Internets und seiner unübersehbaren Größe eine beleidigende
 Äußerung in ihrer herabwürdigenden Wirkung weniger schwer wiegt als eine Erklärung, die
 in einem persönlich adressierten Brief oder im Angesicht des Betroffenen getätigt wird und
 damit als abgegrenzter Einzelakt für sich steht.
 Insoweit ist […] zu bedenken, dass nur ca. 98.000.000 Menschen der Weltbevölkerung
 deutsch sprechen. Die Mehrheit […] wird somit schon auf Grund von sprachlichen Barrieren
 von dem Eintrag des Klägers keine Kenntnis nehmen.“
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

Kritik:
  Die Schwere der Ehrkränkung wird ganz überwiegend gerade daraus abgeleitet, dass sie
  durch Verbreitung im Internetgrößere Intensität gewinnt, vgl.
  Kock/Dittrich, DB 2013, 937; Burr, NZA Beilage 3/2015, 116:
  kann dauerhaft und beliebig abgerufen werden;
  LAG Baden-Württemberg 22.06.2016 – 4 Sa 5/16:
  der beleidigende Arbeitnehmer hat keine Kontrolle mehr darüber, ob sein Kommentar
  öffentlich wird;
  Bauer/Günther, NZA 2013, 71:
  auch ein Beitrag, der später gelöscht wird, kann schon „Kreise gezogen haben“;
  Aszmons, DB 2016, 414; Fuhlrott/Oltmanns, DB 2017, 1846:
  Größe des Empfängerkreises ist Abwägungskriterium.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

3.3. Einzelfälle
3.3.1. Beleidigungen
ArbG Hagen 16.05.2012 – 3 Ca 2597/11
  AN postete auf seiner Pinnwand im Facebook-Profil folgenden Text:
  "hi M1, mir geht’s gut, und dir hoffe ich auch. Habe mich über diesen scheiss G1 geärgert
  hat mir zwei abmahnungen gegeben innerhalb von drei monaten wegen rauigkeit. Diesen
  kleinen scheisshaufen mache ich kaputt, werde mich beschweren über diesen wixxer bin
  32jahre hier dabei und so ein faules schwein der noch nie gearbeitet hat in seinem
  scheissleben gibt mir zwei abmahnungen, da hat er sich im falschen verguckt diese
  drecksau naja sag mal bis bald“.
  Andere Mitarbeiter antworteten. Das Profil des Klägers wies zum Zeitpunkt des
  Ausspruchs der Kündigung insgesamt 70 sogenannte "Freunde" auf. 36 dieser "Freunde"
  waren zum Zeitpunkt der angegriffenen Kündigung Mitarbeiter der Beklagten.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

 ArbG Hagen:
 ordentliche Kündigung (+), grob beleidigende Äußerungen in Bezug auf seinen
 unmittelbaren Vorgesetzten G1 über seine Pinnwand jedenfalls bedingt vorsätzlich quasi
 betriebsöffentlich getätigt,
 kein Vertraulichkeitsschutz

 Den Vertraulichkeitsschutz der Facebook-Kommunikation verneinen generell – auch
 zwischen „Freunden“ – Bauer/Günther, NZA 2013, 73; Kock/Dittrich, DB 2013, 932;
 ebenso Dzida/Förster, BB 2017, 750
 mit dem Hinweis auf die durchschnittliche Zahl der Freunde je Facebook-Nutzer, nämlich
 342; Ausnahme: persönliche Mitteilung, Chat zwischen zwei Personen.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

3.3.2. Fremdenfeindliches
LAG Rheinland-Pfalz 19.12.2016 – 3 Sa 387/16
  AN = Lokführer, später Lagerist, postet auf Facebook u.a.:
  Foto von Kollegen "3 Promillos ",
  Foto von BR: "Schirmträger und Schleimer",
  "Unser Chef war ein Wunderkind. Er hatte schon mit 6 Jahren dieselben Fähigkeiten wie
  heute! Wie wahr"
  "Chef meint, ich soll mich bei der Arbeit nicht von jedem Penner ablenken lassen, habe ihn
  ignoriert";
  ferner Posts im Hinblick auf die Flüchtlingsproblematik / Familiennachzug
  "Warum seid ihr feigen Dreckschweine denn ohne sie abgehauen?".
  AN bezeichnete sich auf der Facebook-Seite als
  "Lagerist bei der C. und XY und Triebwagenführer"
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

 LAG:
 Selbst polemische und beleidigende Werturteile oder rechtsextremistische Äußerungen
 fallen in den Schutzbereich des Art 5 Abs 1 GG, soweit sie - trotz aller Niveaulosigkeit - als
 Teil des Meinungskampfes verstanden werden müssen.
 Kläger hat sich in seinem Facebook Account selbst als Mitarbeiter der Beklagten
 erkenntlich gemacht, so damit ohne weiteres der notwendige Bezug zum Arbeitsverhältnis
 gegeben.
 Aber: keine Auswirkungen auf Betriebsfrieden, keine strafbare Volksverhetzung,
 Verbindung zum AG nach Zugang Kündigung auf Facebook gelöscht
 außerord. Kündigung (-), Abmahnung ausreichend.
 (Alter: 53, Betriebszugehörigkeit: 24 Jahre, ordentlich unkündbar)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

ArbG Mannheim 19.02.2016 – 6 Ca 190/15
 AN, Triebfahrzeugführer, gebürtiger Pole, hat auf seinem Facebook-Nutzerkonto ein Bild
 geteilt, das das Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz mit der Tor-Überschrift
 „Arbeit macht frei“ zeigt, darunter, in polnischer Sprache: „Polen ist bereit für die
 Flüchtlingsaufnahme“.
 Das fragliche Bild war ursprünglich auf der polnischen Satire- und Witzeseite "Chamsko.pl"
 veröffentlicht und auf Facebook verbreitet worden.
 Auf dem Profil ist der AG angegeben und der AN in Dienstkleidung zu sehen.
 Nachdem AG ihn zur Stellungnahme aufforderte, löschte AN das Bild und entschuldigte
 sich.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

 ArbG:
 Pflichtverletzung liegt vor, keine Äußerung im rein privaten Bereich, da AG erkennbar.
 „Die Beklagte weist nachvollziehbar darauf hin, dass in ihren Zügen auch Flüchtlinge
 transportiert werden. Zudem ist eine solche Äußerung eines Zugführers insofern
 bedenklich, als seinerzeit unter den Nationalsozialisten die in die Konzentrationslager
 verbrachten Menschen vornehmlich per Bahn transportiert wurden. Die Herstellung
 dieses Zusammenhangs kann sich für die Beklagte als äußerst ruf- und
 geschäftsschädigend erweisen.“
 außerordentliche und ordentliche Kündigung (-)
 im Rahmen der Interessenabwägung wurde berücksichtigt:
 Betriebszugehörigkeit 14 Jahre, Entschuldigung
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

LAG Sachsen 27.02.2018 – 1 Sa 515/17
Veröffentlicht ein Arbeitnehmer auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite unter seinem
Namen und in Straßenbahnuniform ein Foto mit einer meckernden Ziege mit der
Sprechblase "Achmed, ich bin schwanger", so kann dies eine fristlose Kündigung der im
Eigentum einer Stadt stehenden Straßenbahngesellschaft rechtfertigen.
„Das Ziegenfoto hat nichts mit Satire zu tun, sondern enthält ausschließlich eine
menschenverachtende und menschenherabwürdigende "Botschaft". Eine solche
Schmähkritik ist von der Meinungsfreiheit nicht geschützt.
Der Bezug zum Arbeitsverhältnis liegt darin, dass der Kläger sich auf der Internet-Plattform
öffentlich neben dem Ziegenbild in seiner Uniform als Straßenbahnschaffner und unter
seinem Namen abbilden ließ.“
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

„Den Bezug dieser Schmähkritik gegenüber türkischen Ausländern musste die Beklagte nicht
hinnehmen. Dadurch sind erhebliche Interessen der Beklagten beeinträchtigt worden. Die
Beeinträchtigung liegt darin, dass die Beklagte durch diesen Bezug auch in die Nähe der
Ausländerfeindlichkeit, wenn nicht gar des Ausländerhasses gesetzt wurde. Dies zeigen auch
die empörten Reaktionen der örtlichen Tageszeitung. Die Beklagte, welche zu 100 Prozent in
der Hand der Stadt ... liegt und damit – wenn auch privatrechtlich organisiert – Teil des
öffentlichen Dienstes ist, hat ein erhebliches Interesse daran, die Grundwerte des
Grundgesetzes zu achten und damit schweren ausländerfeindlichen Tendenzen
entgegenzuwirken.“

Ähnlich ArbG Gelsenkirchen 24.11.2015 – 5 Ca 1444/15:
Es liegt auf der Hand, dass die Äußerung extremer politischer Auffassungen durch einen
Mitarbeiter im öffentlichen Dienst dem Ruf des Arbeitgebers abträglich sein kann. Ein
Arbeitnehmer hat in seiner politischen Meinungsäußerung Zurückhaltung zu üben.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

Erweiterte Nebenpflichten im öffentlichen Dienst?

§ 8 Abs. 1 BAT:
  „Der Angestellte hat sich so zu verhalten, wie es von Angehörigen des Öffentlichen
  Dienstes erwartet wird. Er muss sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich
  demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“
  (außer Kraft)

§ 3 TVöD, § 41 BT-V:
  „Beschäftigte bei Arbeitgebern, in deren Aufgabenbereichen auch hoheitliche Tätigkeiten
  wahrgenommen werden, müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich
  demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

BAG 10.09.2009 – 2 AZR 257/08
 Für nicht hoheitlich tätige Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gelten nach
 § 41 Satz 1 TVöD-BT-V keine weitergehenden vertraglichen Nebenpflichten als für
 die Beschäftigten der Privatwirtschaft. Die früher in § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT und
 § 8 Abs. 8 MTArb vorgesehenen besonderen Anforderungen an das
 außerdienstliche Verhalten der Arbeitnehmer sind von den Tarifvertragsparteien
 aufgehoben worden.
 Maßgeblich ist, ob der Arbeitnehmer mit hoheitlichen Aufgaben betraut ist.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

BAG 06.09.2012 – 2 AZR 372/11
  § 3 Abs. 1 S. 2 TV-L kann nicht so verstanden werden, dass alle Arbeitnehmer des
  öffentlichen Dienstes einer beamtenähnlichen und damit gesteigerten Treuepflicht
  unterlägen. Das Maß der einem Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abzuverlangenden
  Loyalität gegenüber der Verfassung bestimmt sich vielmehr nach der Stellung und dem
  Aufgabenkreis, der dem Beschäftigten laut Arbeitsvertrag übertragen ist.
  Arbeitnehmer, die nur eine "einfache" politische Treuepflicht trifft, müssen ein
  Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit aufbringen, als sie nicht darauf ausgehen
  dürfen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder
  verächtlich zu machen. Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den
  außerdienstlichen Bereich.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

ArbG Herne 22.03.2016 – 5 Ca 2806/15
  Kläger (Bergmechaniker unter Tage) kommentierte auf der Facebookseite des
  Fernsehsenders n-tv einen Beitrag über einen Brand in einer Thüringer Asylunterkunft in
  der Nacht vom 04. Oktober 2015 mit der Überschrift "Drama in Thüringen: Leiche nach
  Brand in Asylunterkunft gefunden" mit folgenden Worten:
  "hoffe das alle verbrennen, die nicht gemeldet sind".
  Auf der Facebookseite des Fernsehsenders erschien neben dem Kommentar ein Profilbild
  sowie der Profilname des Klägers. Sobald Besucher der Webseite, die ihrerseits bei
  Facebook angemeldet waren, mit der Maus über den Namen oder das Bild fuhren, öffnete
  sich in einem sogenannten „PopUp-Fenster“ die Profilseite des Klägers, an dessen oberster
  Stelle der Arbeitgeber benannt wurde.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

 (…)
 Auf den Kommentar des Klägers reagierten andere Besucher der Webseite, so
 schrieb unter anderem ein Besucher wörtlich: „(…), du bist ja mal der Oberknaller.
 Scheint so als wenn du mit "brauner " Kohle zu tun hast. Screenshots sind doch
 was feines.“

ArbG:
 außerord. Kündigung (+);
 Kläger hat seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten
 verletzt, indem er unter Verwendung eines öffentlich zugänglichen Facebook-
 Profils, in dem die Beklagte in identifizierbarer Weise als Arbeitgeber benannt
 wurde, einen volksverhetzenden Kommentar auf der Facebookseite des
 Fernsehsenders n-tv veröffentlicht hat.
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

 (…)
 ArbG nimmt an:
 Kläger war sich bei Abfassung der streitgegenständlichen Kommentare der Benennung der
 Beklagten in seinem Facebook-Profil nicht bewusst.
 „Ferner war zu berücksichtigen, dass sich die Pflichtverletzung des Klägers nicht
 unmittelbar auf die betrieblichen Abläufe bei der Beklagten auswirkte, sondern
 außerbetrieblich zu einer Beeinträchtigung des Ansehens der Beklagten geführt hat.
 Deshalb kommt es im Rahmen der Interessenabwägung weniger darauf an, wie sich die
 Reaktion der Beklagten innerbetrieblich auswirkt, sondern darauf, wie die Beklagte auch
 nach außen hin angemessen auf das Fehlverhalten des Klägers reagieren kann.“
 Schwere Pflichtverletzung, Abmahnung nicht erforderlich
 (Alter: 48 Jahre, Betriebszugehörigkeit: 32 Jahre)
3. Kündigungsgrund: „außerdienstliche“ Äußerungen

 Hat eine ehrverletzende/(rechts-)extreme außerdienstliche Äußerung stets Bezug zum
 Arbeitsverhältnis, wenn der AG ausdrücklich genannt wird oder erkennbar ist?

 Dazu Fischer, jurisPR-ArbR 19/2016 Anm. 2:
 Kündigungsrelevanter Bezug zum Arbeitsverhältnis, wenn (alternativ)
 1) AN = Repräsentant des AG
 2) Zweifel an Bereitschaft, Hauptpflicht zu erfüllen
 3) Innerbetriebliche Friedensstörung
 4) Rufschädigung des AG nur bei Tendenzunternehmen
 G.J.:
 5) auch im Bereich des öffentlichen Dienstes (bei hoheitlicher Tätigkeit)
 6) Konkrete Gefahr der Störung von Kundenbeziehungen
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