Sich mit dem Klima wandeln! - ein tourismus-Klimafahrplan für tourismusdestinationen - Project M

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Sich mit dem Klima wandeln! - ein tourismus-Klimafahrplan für tourismusdestinationen - Project M
Sich mit dem Klima wandeln!
Ein Tourismus-Klimafahrplan für Tourismusdestinationen

                                                              Eine Informationsbroschüre
                    des Forschungsprojektes KUNTIKUM der Leuphana Universität Lüneburg
                                              und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

                                                                         gefördert durch:
Sich mit dem Klima wandeln! - ein tourismus-Klimafahrplan für tourismusdestinationen - Project M
sich mit dem klima wandeln

     Inhalt
     		Das Projekt KUNTIKUM			      04
     		 Grußwort								            05
       	Anleitung
     		Tourismus-Klimafahrplan			   06
        Die 6 Etappen
     		 Anstoß									             08
     		 Situationsanalyse			        12
     		 Zukunftsanalyse					        19
     		 Strategieableitung			       33
     		 Maßnahmenplanung			         39
     		 Praxisbeispiele					        45
     		 Umsetzung / Kontrolle			    54
     		 Schlußwort							           57
     		Checkliste und Fahrplan		    58
     		Impressum							             59

                                         Sich mit dem Klima wandeln   3
Sich mit dem Klima wandeln! - ein tourismus-Klimafahrplan für tourismusdestinationen - Project M
das projekt

             KUNTIKUM
             Klimatrends und nachhaltige Tourismusentwicklung
                                                                von links: Prof. A. Möller, D. Schulz, C. Bartels, Dr. I Carstensen, Prof. E.
                    in Küsten- und Mittelgebirgsregionen
                                                                Kreilkamp, C. Endler, Prof. A. Matzarakis, S. Burandt, Dr. M. Barth

       Der Tourismus zählt zu den Wirtschaftsbereichen,         Um möglichst praxisgerechte Lösungen zu entwi-
       die besonders wetter- und klimasensibel sind. Er ist     ckeln, kooperiert KUNTIKUM mit regionalen Touris-
       konfrontiert mit unterschiedlichen Klima-Prognosen       musakteuren der Nordsee und des Schwarzwaldes.
       und Szenarien. Auf der einen Seite werden beispiels-     Zur bundesweiten Evaluation von Forschungsergeb-
       weise höhere Schneegrenzen, Extremwetterereig-           nissen wurde ein Nationaler Beirat einberufen, der
       nisse oder Meeresspiegelanstieg thematisiert, auf        mit Entscheidungsträgern der deutschen Touris-
       der anderen Seite eine mögliche Verlagerung von          muswirtschaft und –verwaltung besetzt ist. Zur Ent-
       Reiseströmen in Destinationen prognostiziert, die        wicklung von praxisrelevanten Anpassungsstrategi-
       durch den Klimawandel bessere Bedingungen für            en wurden im Projektverlauf Pilotorte ausgewählt,
       den Tourismus erfahren könnten. Bedeutsam sind           die sich auch über das Forschungsprojekt hinaus
       auch die indirekten Auswirkungen des Klimawandels,       mit diesem Thema befassen und erste Umsetzungs-
       etwa die Veränderung der Tier- und Pflanzenarten.        schritte in die Wege leiten.
       Hinzu kommt ein steigendes Umwelt- und Klima-                Aktuelle Hinweise und Kontaktmöglichkeiten
       bewusstsein in der Gesellschaft, das bestimmte           finden Sie auf der Internetseite des Projektes
       Mobilitätsgewohnheiten infrage stellt. Das Projekt       www.klimatrends.de
       KUNTIKUM setzt hier an. Es möchte der Tourismus-             Das Forschungsteam setzt sich wie folgt zusam-
       praxis Hilfestellungen liefern, vorausschauende          men: Teilprojekt 1: Projektkoordination, Prof. Dr. And-
       Anpassungen an klimatisch bedingte Veränderun-           reas Möller (Projektleitung), Dr. Ines Carstensen (Pro-
       gen zu entwickeln und umzusetzen.                        jektkoordination); Teilprojekt 2: Tourismusanalyse
                                                                und –strategie, Prof. Dr. Edgar Kreilkamp,, Claudia
       Die Abkürzung KUNTIKUM steht für “Klima-                 Bartels, Dipl. Umweltwiss.; Teilprojekt 3: Wetter-
       trends und nachhaltige Tourismusentwicklung              und Klimaanalyse, Prof. Dr. Andreas Matzarakis,
       in Küsten- und Mittelgebirgsregionen”.                   Chris-tina Endler, Dipl. Met.; Teilprojekt 4, Informa-
           In einem Forschungsverbund mit Umwelt-,              tions- und Kommunikationsinfrastruktur, Prof. Dr.
       Kommunikations-, und Tourismuswissenschaftlern           Andreas Möller, Daniel Schulz, Dipl. Umweltwiss.;
       sowie Meteorologen/Klimatologen und Informa-             Teilprojekt 5 Wissenstransfer, Dr. Matthias Barth,
       tikern wurde erforscht, wie sich der Tourismus an        Simon Burandt, Dipl. Umweltwiss.
       die Auswirkungen des Klimawandels anpassen
       kann. Die verschiedenen Fachdisziplinen arbeiten            Das Forschungsvorhaben wird gefördert durch
       gemeinschaftlich an folgenden Projektzielen:             das Bundesministerium für Bildung und Forschung
       1.)	Analyse von Klima- und Tourismustrends in den        (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme „klima-
       	Modellregionen                                          zwei“ und wurde als „Ausgewählter Ort 2008“ im
       2.) Entwicklung von Strategien für neue Produkte         Rahmen des Wettbewerbs „365 Orte im Land der
           und Infrastrukturen in den Modellregionen            Ideen“ von der Bundesinitiative „Deutschland –
       3.) Kompetenz-Bildung für klimarelevante Entschei-       Land der Ideen“ prämiert.
           dungsfindung in den Modellregionen
       4.) Synthese der Ergebnisse in einem integrierten
           Konzept

4   Sich mit dem Klima wandeln
Sich mit dem Klima wandeln! - ein tourismus-Klimafahrplan für tourismusdestinationen - Project M
GRUSSWORT
   Die Tourismuswirtschaft muss konkrete Schritte unternehmen zum Schutz
   unseres Klimas und zur Anpassung an den Klimawandel.

                            Die deutschen Tourismusde-      gibt dabei viele Anregungen und verweist auf ver-
                            stinationen und ihre Anbie-     tiefende Informationsquellen. Sie ist innerhalb des
                            ter sehen sich schon lange      Forschungsprojektes „KUNTIKUM - Klimatrends und
                            dem Thema Nachhaltigkeit        nachhaltige Tourismusentwicklung in Küsten- und
                            verpflichtet. Der Tourismus     Mittelgebirgsregionen“ entstanden und gibt damit
                            lebt von einer intakten Natur   einen Einblick in die Thematik. Weit umfangrei-
                            und es sollte das Anliegen      che Informationen finden sich auf der Projektseite
                            aller Anbieter sein, diese      www.tourismustrends.de“.
                            Potenziale zu erhalten und
                            alles dazu beizutragen, dass        Der Deutsche Tourismusverband begrüßt die
                            ökologische      Belastungen    Herausgabe der Studie sehr. Im Rahmen des Projek-
                            vermieden werden. Nach-         tes „KUNTIKUM“ hat er intensiv im entsprechenden
                            haltiger Tourismus bedeutet     Beirat mitgearbeitet. Der Verband ist der Meinung,
                            die Verbindung von ökolo-       dass dieses Thema in der Branche noch weitaus
   gischen, sozialen und ökonomischen Zielen. Der Tou-      mehr Beachtung finden sollte. Es müssen konkrete
   rismus schafft Arbeitsplätze und unternehmerische        Schritte zum Schutz unseres Klimas und zur Anpas-
   Gewinne - aber gerade in Deutschland profitiert er       sung an den Klimawandel unternommen werden,
   auch von seinen natürlichen Lebensgrundlagen.            damit die natürlichen Lebensgrundlagen des Touris-
       Das Thema „Klimawandel“ ist ein weltweites           mus in Deutschland erhalten werden können..
   Thema, das uns alle angeht. Alle Menschen und
   Wirtschaftsbereiche sind davon betroffen. Vor allem         Ihr
   der Tourismus, der besonders wetter- und klima-             Reinhard Meyer
   sensibel ist, ist aufgerufen, sich intensiv mit den         Präsident des DTV
   Konsequenzen des Klimawandels auseinander zu
   setzen. Er ist konfrontiert mit unterschiedlichen Pro-
   gnosen und Szenarien. Auf der einen Seite werden
   beispielsweise höhere Schneegrenzen, Extremwet-
   terereignisse oder Meeresspiegelanstieg themati-
   siert, auf der anderen Seite sehen Zielgebiete eine
   Verbesserung ihrer Bedingungen durch einen Tem-
   peraturanstieg.

      Die vorliegende Broschüre gibt umfangreiche
   Hinweise, wie sich touristische Destinationen und
   Anbieter in Zeiten des Klimawandels verhalten kön-
   nen und welche Schritte sie gehen müssen, um sich
   mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es werden
   Wege aufgezeigt, wie entsprechende Strategien und
   Maßnahmen zu entwickeln sind. Diese Broschüre

                                                                                          Sich mit dem Klima wandeln   5
Sich mit dem Klima wandeln! - ein tourismus-Klimafahrplan für tourismusdestinationen - Project M
anleitung                                                           Dieser Tourismus-Klimafahrplan soll

                                                                    Ihnen Hilfestellung geben, sich mit dem Thema Klima-
       Warum braucht man einen                                      wandel in Ihrer Tourismusregion bzw. in Ihrem touris-
       Tourismus-Klimafahrplan?                                     tischen Unternehmen auseinanderzusetzen,
                                                                 	Ihnen Hinweise und Informationen liefern, um die
       Die Tourismusbranche lebt davon, den Menschen                Relevanz der anstehenden klimatischen Veränderun-
       ein intaktes und herausragendes Umfeld zu bieten,            gen für Ihre Tourismusregion, bzw. ihr Unternehmen
       damit sie sich erholen, wohlfühlen oder beispiels-           einschätzen zu können,
       weise etwas für die Gesundheit tun können. Land-             Sie mit staatlichen Fördermaßnahmen und mit Institu-
       schaften wie z. B. Küsten- und Gebirgsregionen               tionen bzw. möglichen Partnern vertraut machen, die
       haben dabei eine hohe Bedeutung. Selbst wenn                 Sie derzeit auf dem Weg zur Anpassung an klimatisch
       bestimmte Angebote, wie z. B. ganzjährig nutzbare            veränderte Bedingungen begleiten können,
       wetterunabhängige Ferienanlagen immer wichtiger           	Ihnen zeigen, welche Wege andere Tourismusdestina-
       werden, ist davon auszugehen, dass auch zukünf-              tionen beschreiten und wie diese mit den sich aus den
       tig die Sehnsucht nach intakter Landschaft zu den            zu erwartenden klimatischen Veränderungen ergeben-
       Hauptmotiven gehört, eine Reise in eine bestimmte            den Risiken und Chancen umgehen,
       Destination zu unternehmen. Mit dem fortschrei-              Sie in die Lage versetzen, auf der Basis einer Vision
       tenden Klimawandel werden sich die Landschaften              und eines Leitbilds eine eigene Strategie zu entwickeln,
       in den Destinationen jedoch verändern. So werden             um sich selbst auf den Klimawandelpfad begeben
       schneearme Winter deutliche Spuren bei Tourismus-            zu können
       anbietern in Mittelgebirgsregionen hinterlassen
       und Hochwasserereignisse und vermehrtes Algen-
       wachstum (als denkbare Folgewirkung der Meeres-           auf die Herausforderungen einstellen. Bei einem
       erwärmung) Probleme in Küstengebieten nach sich           Verbot von Glühlampen und der Begrenzung der
       ziehen. Außerdem verursachen Extremwetterereig-           Kohlendioxidemissionen bei PKWs wird es nicht
       nisse wie Stürme, Hitzeperioden oder Hagelschau-          bleiben: Energieeinsparungen bei Unterkunftsbe-
       er neben materiellen Schäden auch Imageschäden            trieben erlangen in der Zukunft eine immer stärkere
       für eine Tourismusregion. Kyrill, der Orkan, der im       Bedeutung. Aber nicht nur Staat und Gesellschaft
       Januar 2007 das öffentliche Leben in Europa in wei-       erwarten von Urlaubsdestinationen ein klimabe-
       ten Teilen beeinträchtigte, verursachte in Deutsch-       wusstes Handeln. Immer mehr Reisende orientie-
       land einen Gesamtschaden von 4,3 Milliarden Euro.         ren sich bei ihrer Reiseentscheidung auch daran, ob
       Die starken Sturmschäden führten zu erheblichen           eine Destination klimabewusst handelt, bzw. inwie-
       Umsatzeinbußen in den betroffenen Regionen (vor           weit der eigene Urlaub eher der Umwelt schadet
       allem Mittelgebirgsregionen). Erst später wurde           oder umweltbewusst und nachhaltig ist.
       das Thema proaktiv genutzt, indem beispielswei-
       se im Sauerland Teilbereiche des Windbruchs nicht             Der Tourismus-Klimafahrplan zeigt Ihnen
       beseitigt sondern als „Kyrillpfad“, d. h. als erlebbare   Möglichkeiten auf, wie Destinationen und Anbie-
       Schaustrecke inszeniert wurden.                           ter mit dem Klimawandel umgehen können, um
                                                                 sich einerseits auf mögliche Risiken einzustellen
          Es sind aber nicht nur die direkten Auswirkungen       und um andererseits die Chancen, die sich aus den
       des Klimawandels, die Einfluss auf den Tourismus          klimatisch bedingten Veränderungen ergeben, für
       haben. Einen höheren Anpassungsdruck erzeugen             die Region und die touristischen Anbieter aktiv zu
       Staat und Gesellschaft, wenn sie sich schrittweise        nutzen.

6   Sich mit dem Klima wandeln
Sich mit dem Klima wandeln! - ein tourismus-Klimafahrplan für tourismusdestinationen - Project M
anleitung
      Eine Destination wird als geographischer Raum und
      Wettbewerbseinheit betrachtet, den der jeweilige
      Gast als sein Reiseziel auswählt. Eine Destination
      enthält alle für einen Aufenthalt notwendigen Ein-
      richtungen, mitsamt ihren Akteuren, für Beherber-
      gung, Beschäftigung, Unterhaltung, Verpflegung,
      sowie grundsätzlich vorhandene Komponenten,
      wie die Landschaft und die Bewohner der Region.

      Wie benutzt man den
      Tourismus-Klimafahrplan?
      Der Tourismus-Klimafahrplan ist angelehnt an
      Methoden, die traditionell beim strategischen
      Management genutzt werden. Er führt Sie in sechs
      Etappen zu Ihrer persönlichen Klimawandelstra-
      tegie. Jede Etappe ist gesondert farblich gekenn-
      zeichnet und zeigt in welcher Wegetappe man sich
      befindet.                                             In den einzelnen Abschnitten finden Sie weiterfüh-
                                                            rende Hinweise und Erläuterungen. Diese haben wir
      Sechs Etappen                                         für Sie in jeweils gesonderten Informationsboxen
      zur persönlichen Klimawandelstrategie:                (zu Literatur und weiterführenden Links, zu allge-
                                                            meinen Informationen und zu erklärenden Infor-
                                                            mationen im Detail) zusammengetragen, die mit
                                                            folgenden Symbolen gekennzeichnet sind:

                   Innerhalb der einzelnen Etappen finden             @             A               i
                   Sie zunächst einführende Erläuterungen
                   zur Bedeutung der einzelnen Phase. Sie
      sind Ihr Wegweiser – In diesem Abschnitt wird         Zur Veranschaulichung finden Sie in dieser Broschü-
      jeweils erklärt was Sie benötigen, um die jeweilige   re Beispiele von Tourismusregionen, welche mit uns
      Etappe durchführen zu können.                         Strategien entwickelt haben, um sich für den Klima-
                                                            wandel zu rüsten. Unsere KUNTIKUM-Pilotpartner
                  Im zweiten Abschnitt jeder Etappe         sind die Inseln Juist und Norderney, Bad Zwische-
                  erhalten Sie Ihr Steuerrad – an dieser    nahn, St. Peter-Ording, Otterndorf und das Todtnau-
                  Stelle erfahren Sie, was Sie im Einzel-   er Ferienland, Belchenland und Wieden. Auf den
      nen tun können, welche Informationen Ihnen zur        letzten Seiten Ihres Tourismus- Klima- fahrplans fin-
      Verfügung stehen, wo Sie diese bekommen und wer       den Sie eine Gesamtcheckliste. In dieser haben wir
      Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen kann.          die wesentlichen Schritte zusammengefasst, die für
                                                            Sie von Interesse sind, wenn Sie sich zukünftig „mit
                Jede Etappe endet mit einer resümie-        dem Klima wandeln“.
                renden Zwischenetappe. Sie erhalten
                eine Zusammenfassung der vorange-
      gangenen Ausführungen.

																			                                                                       Sich mit dem Klima wandeln   7
Sich mit dem Klima wandeln! - ein tourismus-Klimafahrplan für tourismusdestinationen - Project M
anstoss
               	Thematische Sensibilisierung
1              	Neue Orientierungen

           Probleme stoßen Entscheidungen und Maßnahmen
           an. Aber besteht überhaupt ein Problem für deut-
           sche Tourismusdestinationen und Anbieter? Viele
           Akteure gehen davon aus, dass die Tourismuswirt-
           schaft in Deutschland vom Klimawandel profitieren
           wird (Erwärmung, längere Saison usw.). Wenn dies
           auch teilweise zutrifft, so mit Sicherheit jedoch nicht
           für alle Regionen. So wird es auch viele Probleme
           geben, die nicht mit der alten Routine bewältigt
           werden können: Sturmfluten? – Höhere Deiche. Kein
           Schnee? – Schneekanonen. Hitzeperiode? – Klimaan-
           lagen. Und dennoch: Die Gesamtheit der Probleme           worauf man sich verständigt hat und sich nicht mehr
           und die Folgewirkungen der Einzellösungen (Deich,         einigen muss. Eine erste Frage ist also: Welches Bild
           Schneekanonen, Klimaanlagen) lässt mit Sorge in           hat eine Tourismusdestination von sich selbst? Wie
           die Zukunft blicken – und die Einsicht wächst, dass       geht sie mit dem Klimawandel um, wie sehr ist sie
           sich etwas tun muss. Der Wirtschaftswissenschaft-         betroffen und wie könnte es in Zukunft aussehen?
           ler Brezke hat festgestellt, dass sich ernsthafte Pro-        Um diese Fragen beantworten zu können ist es
           bleme gerade nicht mit Routine bewältigen lassen.         erforderlich, sich intensiv mit der jeweils besonde-
           Ernsthafte Probleme erfordern eine Umorientierung,        ren Situation der eigenen Destination zu befassen,
           Erweiterung der Horizonte, Kreativität – und schließ-     sich mit dem Thema Klimawandel und der diesbe-
           lich auch neue Routinen.                                  züglichen aktuellen Situation auseinanderzusetzen
                                                                     und eine eigene Position erarbeiten.
               Hier muss also ein Prozess angestoßen werden,
           um neue Antworten zu finden. Dies ist weniger                Beim Thema Klimawandel geht es zunächst um
           eine Entscheidungssituation für einen Manager, der        globale Einflussfaktoren, die sich in ihren Weiterun-
           rationale und effektive Zukunftsentscheidungen zu         gen erheblich auf soziale und wirtschaftliche Rah-
           treffen hat, sondern eher das, was die Amerikaner         menbedingungen auswirken werden. Inwieweit
          „Nudge“ nennen, ein Stupser in Richtung Sensibili-         werden sich zukünftig Reiseströme verändern, weil
           sierung und Verständigung in der Region. Es geht          es in manchen Gegenden zu heiß wird und Was-
           weniger um konkrete Maßnahmen, sondern um die             sermangel vorherrscht oder andere Destinationen
           ersten Schritte, Visionen und Leitbilder.                 unter zunehmender Schneearmut leiden? In wel-
                                                                     cher Form wird sich der Tourismus in Deutschland
               Die Visionen und Leitbilder liegen gleichsam vor      ändern? Für Sie als Tourismusakteur ist es zunächst
           konkreten Zielen und eindeutigen Strategien. Sie          von Bedeutung Ihre Motivation, sich mit dem The-
           hängen eng mit Einstellungen und Selbstverständ-          ma Klimawandel auseinandersetzen zu wollen, zu
           nissen zusammen, die sich in lebensweltlichen             hinterfragen. Agieren Sie als Betroffener, der z. B.
           Zusammenhängen herauskristallisieren. Die Leit-           durch einen Sturmschaden erheblich beeinträchtigt
           bilder geben Orientierung und fassen zusammen,            wurde oder der sich einer ständigen Diskussion über

    8   Sich mit dem Klima wandeln
Sich mit dem Klima wandeln! - ein tourismus-Klimafahrplan für tourismusdestinationen - Project M
anstoss
     Küstenschutz im Rahmen von Klimaveränderungen          Andere Destinationen erörtern die Frage, welche
     ausgesetzt sieht? Oder agieren Sie als weitsichtiger   Auswirkungen der Klimawandel in den Indust-
     Stratege, der das Thema Klimawandel aus einem          riegesellschaften haben wird: Wie wird sich die                1
     Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft oder         Gesellschaft insgesamt verändern? Welchen Ein-
     als Image förderndes Tourismusthema für sich auf-      fluss hat diese auf staatliche Regelungen? Inwie-
     greifen möchte? Je nach eigener Ausgangsituation       fern ist davon die eigene Destination betroffen?
     können Sie das Thema Klimawandel unter einer           Die Strategie besteht hier also weniger darin, sich
     jeweils unterschiedlichen Zielsetzung auf die Agen-    an den Klimawandel anzupassen. Vielmehr zielt
     da in Ihrer Destination setzen.                        die Strategie darauf ab, sich an neue Formen einer
                                                            nachhaltigen Gesellschaft anzupassen. Die Strate-
                 Die Wahrnehmung der Notwendigkeit          gie ermöglicht des Weiteren auch, die Rolle des
                 von ernsthaften Veränderungen hängt        Tourismus in einer solchen neuen Form zu posi-
                 eng mit dem Selbstverständnis zusam-       tionieren. Das erfordert Vorleistungen, aber: Eine
     men. Anstöße können sich daher je nach Destinati-      aktive Teilnahme an Klimaschutzmaßnahmen bietet
     on aus den direkten und indirekten Auswirkungen        touristischen Anbietern derzeit zahlreiche Förder-
     des Klimawandels ergeben.                              möglichkeiten und Einsparungspotenziale, die lang-
        Für bestimmte Destinationen ergeben sich            fristig als wettbewerbsfördernde Faktoren greifen
     Anstöße aus den direkten Auswirkungen. Im Vor-         können. Es ist somit ausreichend Handlungsbedarf
     dergrund des Anstoßes stehen hier die Fragen nach      für Tourismusregionen gegeben, sich mit diesem
     der unmittelbaren Betroffenheit Ihres Umfeldes         Thema zu beschäftigen.
     oder nach der Motivation Ihrer aktiven Beteiligung
     zur Anpassung an den Klimawandel. Viele Touris-                     Eine Folge des Anstoßes sollte eine vor-
     musregionen vertrauen auf staatliche Regelungen                     läufige und zukunftsorientierte Zieldefi-
     und fühlen sich z. B. bestens durch Maßnahmen des                   nition sein. In ihr wird eine bestimmte
     Küstenschutzes geschützt. Andere wiederum sehen        Entwicklungsrichtung festgelegt und Orientierung
     kaum oder nur sehr wenig in die Zukunft gerichte-      geboten. Mit anderen Worten: Eine zukunftsgerich-
     ten Handlungsbedarf. Betrachtet man Details, stellt    tete Zieldefinition soll die Interessen der Destina-
     man fest, dass gesetzliche Regelungen allein nicht     tion widerspiegeln. So spielt ein erster Wille zum
     ausreichen, um die Zukunft touristischer Zielgebie-    klimabewussten Handeln mit dem entsprechenden
     te zu sichern. Traditionsreiche Destinationen kön-     Bewusstsein für die Zielsetzung, sich mit dem The-
     nen nicht durch einfaches Ab- und Aufbauen der         ma Klimawandel auseinanderzusetzen, für die Tou-
     Bauten und Umsiedeln der Bewohner in klimatisch        rismusakteure eine entscheidende Rolle. Als Ver-
     günstigere Orte ausweichen. Auf der anderen Seite      treter einer Tourismusdestination, eines Kurortes
     reagiert der Reisende prompt und sucht sich Aus-       oder einer Ferienanlage wird es zunächst darum
     weichzielgebiete, wenn seine Wunschdestination         gehen, sich Verbündete zu suchen, die für das The-
     von Sturmschäden betroffen ist oder die steigenden     ma gewonnen werden können. Dabei wird es ent-
     Lufttemperaturen die Urlaubsfreuden beinträchti-       scheidend darauf ankommen, neben den Risiken,
     gen. Darüber hinaus steigt das Klimabewusstsein        die aufgrund veränderter klimatischer Bedingungen
     der Kunden, die in der Folge verantwortungsvolle       bestehen, auch die Vorteile zu kommunizieren, die
     Anbieter, denen Klimaschutz wichtig ist, bei ihrer     sich aus einer aktiven Auseinandersetzung mit dem
     Reiseentscheidung und Unterkunftswahl suchen.          Thema auch für den einzelnen Anbieter ergeben
                                                            können. Im Zentrum stehen Sensibilisierung, Kom-
                                                            munikation und Konsens.

																			                                                                       Sich mit dem Klima wandeln   9
Sich mit dem Klima wandeln! - ein tourismus-Klimafahrplan für tourismusdestinationen - Project M
anstoss                                                               @         Weiterführende Informationen,
                                                                                    Argumente und Literatur zum
                                                                                    Klimawandel und Tourismus
           Verschiedene Methoden eignen sich, um ein kom-                 UNWTO, UNEP and WMO (2008), Climate Change and
           plexes Thema wie den Klimawandel auf die Agenda            	Tourism: Responding to Global Challenges, UNWTO,
1          Ihrer Destination zu bringen:                              	Madrid, and UNEP, Paris.
             	Diskussionsrunden, Organisation von Exper-              	Hall, C. M. & Higham, J. (Hrsg.) (2005). Tourism, Re-
               tenhearings, Workshops                                     creation and Climate Change. Clevedon etc: Channel
             	Aufstellung eines Leitbildes                                View Publications
             	Durchführung von öffentlichkeitswirksamen                   Becken, S. & Hay, J.E. (2007): Tourism and Climate
             	Aktionen, Einberufung von Arbeitskreisen                	Change. Risks and Opportunities. Channel View
                                                                          Publications.
                                                                          Klein, A. (2007): Klimawandel und Tourismus in der
                                                                      	Europäischen Union : Folgen für den Wintersport und
                                                                          Sommertourismus. VDM Verl. Dr. Müller, Saarbrücken.
                                                                          Kommision für Klima, Tourismus und Erholung der inter-
                                                                          nationalen Gesellschaft für Biometeologie.

                                                                      Für eine detaillierte Auflistung der Literatur zum Thema
                                                                      Klimawandel und Tourismus zwischen 1936 und 2006 siehe
                                                                      Scott et al. (2006) unter www.fes.uwaterloo.ca

           In einem ersten Schritt sind informelle Diskussi-          Hinweise über die Klimaänderung und Tipps, wie Sie Klima-
           onsrunden von Vorteil. In einem kleinen Kreis wird         skeptiker überzeugen können:
           diskutiert und erspürt, inwieweit das Thema Klima-             http://scienceblogs.com/illconsidered/2008/07/
           wandel bereits präsent ist und welcher relevante               how_to_talk_to_a_sceptic.php
           Bezugsrahmen besteht. Für eine Fortsetzung des                 http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/klima/
           Diskurses und zur Konkretisierung von Zielsetzungen            tid8638/diskussion_aid_234319.html
           empfiehlt es sich, externe Fachexperten zu laden               http://www.umweltbundesamt.de/klimaschutz/
           und interessierte entscheidungsrelevante Akteure               klimaaenderungen/faq/skeptiker.htm
           aus dem eigenen Umfeld zu benennen, die weiter-                http://www.urbanclimate.net/cctr
           gehende Impulse zur Positionierung der Thematik
           liefern. Mit Hilfe von unterschiedlich ausgerichteten
           Workshops wird die Thematik vertieft. Zur syste-          Für Destinationen werden häufig Leitbilder formu-
           matischen Einführung des Themas Klimawandel in            liert, welche für Tourismuspolitik und –marketing
           einem breiteren Rahmen empfiehlt es sich, ein Leit-       die Entwicklungsrichtung angeben. Zu beachten
           bild zu entwickeln. Die Funktion des Leitbildes ist es,   ist, dass Marketing eine Schnittstellenfunktion hat.
           eine Vision für die langfristige Ausrichtung der Des-     Leitbilder wirken vor allem nach innen, und sie wer-
           tination unter Berücksichtigung des Klimawandels          den von der Gemeinschaft geschaffen, nicht vom
           zu erarbeiten. Dies erfolgt in der Regel im Rahmen        Marketing. Die Beauftragung einer Marketingabtei-
           einer Konsensfindung, denn die Konkretisierung in         lung ersetzt die oben angesprochene Agenda also
           Strategie und Handlungsempfehlungen und deren             nicht. Gleichwohl können Marketingexperten dazu
           Umsetzung kann nur gelingen, wenn bei möglichst           beitragen, neue Orientierungen „auf den Punkt zu
           allen Akteuren Einigkeit über die Bedeutung des           bringen“. Im Zusammenhang mit den Auswirkun-
           Themas und die wesentlichsten Ziele besteht.              gen des Klimawandels sind die diesbezüglichen
                                                                     spezifischen Rahmenbedingungen in das Leitbild

    10 Sich mit dem Klima wandeln
Sich mit dem Klima wandeln! - ein tourismus-Klimafahrplan für tourismusdestinationen - Project M
anstoss
     der Destination einzubinden. Die Ausrichtung des
     Leitbildes ist an die langfristigen Auswirkungen                                  Erstellung eines Leitbildes
                                                                             @
     des Klimawandels anzupassen. Potenzielle Chancen                                  Weiterführende Literatur zur Erstellung              1
     und Risiken sind zu thematisieren. Zur weiteren Ver-                              eines Leitbildes in Form eines öffentlichen
     breitung des Themas in der Öffentlichkeit ist es von              Workshops bzw. eine Zukunftswerkstatt, sowie die Inhalte
     Vorteil, öffentlichkeitswirksame Aktionen z. B. die               eines Leitbildes:
     Durchführung eines Klimatages mit entsprechen-                        Bieger, Thomas 2005: Management von Destinationen.
     den Anbietern aus der Region zu platzieren.                       	München, Wien: Oldenbourg (6. Aufl).
                                                                           Bleicher, Knut 1994: Normatives Management.
                                                                           Politik, Verfassung und Philosophie des Unternehmens.
                     Was ist ein Leitbild?                                 Frankfurt/M., New York: Campus.
           A         Ein Leitbild dient einer touristischen Desti-
                     nation als bildlich oder schriftlich formulier-
      te Orientierung für eine langfristige Ausrichtung.
      Es dient der eingängigen Zusammenfassung einer Vision für
      die Ausrichtung der touristischen Entwicklung.
      Innerhalb des Leitbildes können in konzentrierter Form die
      durch den Klimawandel relevanten Entwicklungen der Regi-
      on aufgegriffen und entsprechende angestrebte Ziele defi-
      niert werden. Das Leitbild entsteht im Konsens mit den am
      Tourismus beteiligten Akteuren und soll von ihnen gelebt
      werden. Es ist kein Konzept, sondern formuliert wesentliche
      Verhaltensweisen und Ziele, ohne den Weg zum Ziel im
      Detail zu beschreiben.

                  In der ersten Etappe des Tourismus-
                  Klimafahrplans werden Beweggründe
                  geklärt, sich mit dem Thema Klimawan-
     del zu befassen. Die jeweilige Destination wurde
     entweder bereits in der Vergangenheit durch Aus-
     wirkungen des Klimawandels direkt betroffen oder
     der Klimawandel wird als wichtiges Thema für die
     touristische Entwicklung der Destination erkannt.
     Insgesamt wird der Klimawandel die Gesellschaften
     verändern – und so indirekt Einfluss auf den Touris-
     mus haben. Einige Destinationen und Tourismusak-
     teure übernehmen die Vorreiterrolle und entwickeln
     erste Strategien zur Anpassung an den Klimawandel.
     Damit ist ein Prozess der Neuorientierung eingelei-
     tet. Klare Regeln gibt es noch nicht, wohl aber erste
     Vorstellungen, in welche Richtung die Entwicklung
     gehen sollte.

																			                                                                                       Sich mit dem Klima wandeln   11
situationsanalyse
               Überblick der aktuellen touristischen Situation
               Überblick über die klimarelevanten Einflussfaktoren
           	Ableitung einer Klima-SWOT-Analyse Teil I

           Nach einer ersten Orientierung, d. h. einer Bewusst-      tät und ihrer Potenziale bezüglich des touristisch-
2          seinsbildung in der Destination, unter Umständen          en Angebots, Vermarktung und Organisation
           verbunden mit der Entwicklung eines Leitbildes,           untersucht: Verkehrsanbindung und –erschlie-
           ist die Ausgangssituation klar zu bestimmen und           ßung, natürliche Angebots- und Potenzialfaktoren,
           differenziert zu analysieren. Es kommt darauf an,         Urlaubsangebote, tourismusrelevante Infrastruk-
           anfängliche Überlegungen aus der Phase des Ansto-         tur: Touristische Wege, Einrichtungen für Kultur,
           ßes weiter zu verfeinern oder zu verwerfen. So mag        Sport, Gesundheit, Shopping, Tagungen,
           eine erste Orientierung dazu führen, dass als Vision      Unterhaltung, Gastronomie und Beherbergung
           oder Ziel eine „klimaneutrale Destination“ ange-          etc. nach Quantität, Qualität, Regionalität und
           strebt wird. Die Frage ist nur: Was bedeutet das kon-     Zielgruppenorientierung, Gästeservices, Infor-
           kret vor Ort? Ist dieses Ziel überhaupt zu erreichen,     mations-, Leit- und Vermittlungssystem, Stand
           wie ist die Ausgangssituation, wie das Engagement         der touristischen Produktentwicklung, Positio-
           der touristischen Anbieter, der Politik usw. Nur eine     nierung und Image, Marketingstrategie, Ziel-
           genaue Analyse der strategischen Ausgangssituati-         gruppenansprache. Darüber hinaus wird die
           on durch eine Situationsanalyse schafft die Basis,        aktuelle touristische Nachfragesituation in den
           hier zu realistischen Einschätzungen zu kommen.           Kontext der ermittelten Angebotsstruktur
           Im Verbund werden externe Rahmenbedingungen               gesetzt.
           und interne Potenziale gegenübergestellt.               	In der Wettbewerbsanalyse liegt der Schwer-
                                                                     punkt der Untersuchung auf den Fragen, wie
               Aufbauend auf ersten Überlegungen (Phase              sich Wettbewerber bereits heute auf die zukünf-
          „Anstoß“) geht es in der Situationsanalyse zunächst        tig zu erwartenden veränderten Ansprüche der
           darum, dass die derzeitige touristische Situation mit     relevanten Zielgruppen einstellen und welche
           ihren Stärken und Schwächen genau erfasst wird.           Konsequenzen dies auf die touristische Ange-
                                                                     botsentwicklung hat.
            Grundlagenanalyse: In einem ersten Schritt               Benchmark-Analyse: Was kann aus der Ent-
            werden die momentanen, grundlegenden                     wicklung vergleichbarer Destinationen gelernt
            Beziehungen in Gesellschaft und Tourismus                werden? Erarbeitung einer internationalen Best-
            (z. B. Soziodemographische Entwicklung, Wirt-            Practise-Übersicht .
            schaftssituation) analysiert und Konsequenzen            SWOT-Analyse: Zum Abschluss der Arbeits-
            für die touristische Entwicklung der Destination         phase werden die Ergebnisse in einer SWOT-
            aufgezeigt.                                            	Analyse für die einzelnen Marktsegmente und
            Status-Quo-Analyse: In einem weiteren Schritt          	Themen zusammengefasst, die Potenziale her-
            erfolgt eine kurze und präzise Bewertung der             vorgehoben und mögliche Perspektiven für den
            tourismusrelevanten Gegebenheiten. In der              	Tourismus aufgezeigt.
            Regel werden folgende Bereiche in Bezug auf
           	Attraktivität, Innovationsorientierung, Aktuali-

    12 Sich mit dem Klima wandeln
situationsanalyse

                   Die SWOT-Analyse

           A
                   steht für die englischen Begriffe
                   Strengths (Stärken)
                   Weaknesses (Schwächen)
                   Opportunities (Chancen) und
                   Threats (Gefahren).

     Diese Phasen entsprechen der „klassischen“ Vorge-
     hensweise bei der Entwicklung eines Masterplanes                                        2
     oder Marketingkonzeptes für eine Destination. Hin-
     zu kommt die Analyse der aktuellen Klimasituation
     und Erfassung des Klimabewusstseins auf Anbieter-
     seite (vgl. Klimaprofilcheck) und die Verknüpfung
     dieser Ergebnisse mit den Stärken und Schwächen
     der Destination. Je nach Ausgangssituation ergeben
     sich neue Chancen oder Risiken für die touristische
     Entwicklung der Region.

                   Die Situationsanalyse ist Informati-
                   onsbeschaffung und kreativer Prozess
                   zugleich. Die Informationsbeschaffung
     trägt dazu bei, Klarheit zu gewinnen. Wesentlich
     sind jedoch vor allem die Beurteilung der aktuellen
     Situation mit ihren Stärken und Schwächen. Im Hin-
     blick auf die Veränderung des Klimas ist es erforder-
     lich, gezielt alle klimawandelrelevanten Faktoren in
     die Analyse einzubeziehen.

     Eine Auswahl möglicher Fragen als Anregung zur
     Erhebung Ihrer eigenen Situationsanalyse finden
     auf der nächsten Seite.

																			                                          Sich mit dem Klima wandeln 13
situationsanalyse

               Fragen zum klimarelevanten internen Profil (Klimaprofilcheck):                         Ist-Zustand
                                                                                                      Stark – schwach

               Wie unabhängig ist die Destination von Klimabedingungen?

               Können klimatische Faktoren der Destination und der Infra-
2              struktur wenig anhaben (geringe Vulnerabilität)?

               Inwieweit ist die Infrastruktur (Gebäude etc.) gut vor direkten oder indi-
               rekten Extremwetterereignisse geschützt oder versichert?

               Hat die Destination einen starken niedrigen Energie-
               verbrauch bzw. geringe CO2-Emissionen?

               Ist die Destination von der Saison unabhängig?

               Wie hoch ist das Klimabewusstsein bei Politik und Verwaltung?

               Wie stark ist das Klimabewusstsein bei touristischen Anbie-
               tern, gibt es Maßnahmen zur CO2-Reduzierung?

               Wie hoch ist das Klimabewusstsein der Gäste?

               Wie sensibilisiert sind Mitarbeiter und Lieferanten?

               Verfügen die Region über klimarelevante Ressourcen
               (technisches Know-how, Finanzrücklagen bei Klimaschäden etc.)?

               Ist das touristische Image unabhängig vom Klima?

               Gibt es Kooperationen mit umweltbewussten Nicht-Regierungsorganisationen?

               Ist eine klimafreundliche Verkehrsanbindung (ÖPNV) gegeben?

               Existiert bereits Infrastruktur für eine Verbesserung klimafreundlicher Aktivitäten?

               Haben andere Wettbewerber den Klimawandel noch
               nicht in ihr Marketing aufgenommen?

    14 Sich mit dem Klima wandeln
situationsanalyse
     Aus den eigenen Stärken und Schwächen zur             Einklang stehen. Erfolgreich erprobt und praktiziert
     momentanen Situation entsteht der erste Teil der      werden diese Prozesse mit Hilfe der so genann-
     klimabezogenen SWOT-Analyse. Diese interne            ten Balanced Scorecard und den Strategy Maps.
     Ausgangslage wird mit den zukünftigen Chancen         Wir werden später bei der Strategieableitung und
     und Risiken aus dem Umfeld konfrontiert, welche       Maßnahmenplanung noch näher darauf eingehen.
     in der nächsten Etappe (Zukunftsanalyse) erarbei-     Im Folgenden skizzieren wir für die Perspektiven
     tet werden. Die vollständige Klima-SWOT-Analyse,      einige Beispiele:
     das heißt die erarbeiteten Punkten zum internen
     Zustand und den externen Chancen und Risiken der       (1) Lernen und Entwicklung:                                     2
     Zukunft, dient der Ableitung von Strategien.          In der Perspektive Lernen und Entwicklung wird die
                                                           Frage in den Blick genommen, wie die Akteure einer
                 Die Situationsanalyse schließt an die     Destination, die Wertschöpfungsprozesse organisie-
                 Phase des Anstoßes an. Einerseits         ren und organisieren wollen, welche Expertenwis-
                 bereitet diese Phase als Informations-    sen und Können sie herausgebildet haben. Die Fra-
     beschaffungsphase die Ableitung der Strategien        ge ist hier: Was sind die Fähigkeiten der Destination?
     und Maßnahmen vor. Andererseits konkretisiert         Das schließt nicht nur die Weisheit im Umgang mit
     diese Phase die mit dem Anstoß begonnene Suche        operativen Problemen ein – sondern gerade auch
     nach gemeinsamen neuen Wegen und gemeinsa-            die Einstellungen, die grundsätzliche Bereitschaft,
     mer Orientierung.                                     auch mal ein Risiko einzugehen und als spannende
         Die für die Informationsbeschaffung und –auf-     Herausforderung zu sehen. Die Situationsanalyse
     bereitung notwendigen Daten können durch ver-         ist in dieser Hinsicht eine Zusammenstellung der
     schiedene Methoden, wie Befragungen, interne          immateriellen Kräfte einer Destination.
     oder externe Quellen, Beobachtung, Expertenmei-
     nungen oder Marktforschung gewonnen w erden.                         CO2-Rechner
     In Bezug auf klimarelevante Erhebungen sind auch                     für den individuellen
                                                                 @
     Daten über den eigenen Energie- und Ressourcen-                      Emissionsfußabdruck
     verbrauch bzw. daraus resultierende Emissionswer-
     te und die Meinung der Gäste notwendig.                   Bayrisches Landesamt für Umweltschutz
                                                               – www.bayern.de
         In der Situationsanalyse werden bereits ver-        	Deutsche Emissionshandelsstelle – www.dehst.de
     schiedene Instrumente eingesetzt, die sowohl            	Internationales Wirtschaftsforum – www.iwr.de
                                                               Greenpeace Berlin – www.greenpeace-berlin.de
     bei der Entwicklung von Strategien, als auch bei          Forum Umweltbildung Österreich
     der Kontrolle der Umsetzung der Strategien wei-           –www.umweltbildung.at
     ter genutzt werden. Üblicherweise werden 4                Pro Clim – www.proclim.ch
                                                               Quarks & Co. (WDR) – www.quarks.de
     Betrachtungsperspektiven unterschieden, die des           Umweltbundesamt - http://uber.klima-aktiv.de
     organisationalen Lernens und der Entwicklung, die
     der internen Prozesse der Wertschöpfung, die der
     Beziehung zu den Kunden und der Rahmenbedin-          (2) Interne Prozesse:
     gungen sowie schließlich die der Finanzen. Da es im   Ein weiterer Teil der Situationsanalyse ist es, sich
     Destinationsmanagement nicht nur auf den ökono-       mit den Problemlagen vertraut zu machen. So hilft
     mischen Erfolg ankommt, verwenden wir an dieser       beispielsweise die Erfassung von Energie- bzw.
     Stelle den Begriff der Nachhaltigkeit, d. h. neben    Kosteneinsparpotenzialen dabei, bestimmte Ener-
     dem finanziellen Erfolg soll erreicht werden, dass    gieverluste und Effizienzmöglichkeiten ausfindig
     ökonomische, ökologische und soziale Aspekte im       zu machen. Dazu wird jegliche im touristischen

																			                                                                         Sich mit dem Klima wandeln 15
situationsanalyse
                                                                                  Die Befragung dient nicht dazu,

                                                                        i         direkt daraus Maßnahmen für einzelne
                                                                                  Destinationen abzuleiten.
                                                                                  Vielmehr lassen sich aus den Befragungen
                                                                                  wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der
                                                                   Einflussfaktoren auf Urlaubsentscheidungen ableiten.
           Betrieb eingesetzte Energienutzung untersucht und       Hinzu kommen Erhebungen zum Reiseverhalten heute,
           auf Verbesserungsmöglichkeiten überprüft. Interne       zukünftige Trends und die Entwicklung der Rahmenbedin-
                                                                   gungen. Wichtige Fragestellungen betreffen die Zielgebie-
           Prozesse werden auf der Ebene materieller Prozes-       te, Urlaubsform (Badeurlaub, Kultururlaub, Kreuzfahrten
           se mit Hilfe von Stoffstromanalysen untersucht. Die     etc.), Verkehrsmittelnutzung und Reiseorganisation.
           Analysen sollen Auskunft darüber geben, welche          Diese müssen im Zusammenhang mit den Einstellungen
                                                                   zum nachhaltigen Tourismus und zum Klimawandel/Klima-
           Umweltwirkungen die internen Wertschöpfungs-            schutz beurteilt werden.
           prozesse einer Destination nach sich ziehen. Das        Von Bedeutung sind die Befragungen auch hinsichtlich der
                                                                   Akzeptanz staatlicher Maßnahmen auf dem Gebiet des
           betrifft vor allem die Klimawirkungen. Eigentliche      Tourismus.
2          Instrumente für Destinationen sind standortbezo-
           gene Ökobilanzen und regionale Stoffstrommodelle.
           Es muss aber nicht gleich die umfassende Stoff-
           stromanalyse einer ganzen Destination sein. Ein         tionsstrategien umsetzen und Technologien
           erster Einstieg könnte die Bestimmung des CO2-          und Finanzen bereitstellen.
           Fußabdrucks sein.                                      	Die Konsumenten sollen ermuntert werden, nach-
               Für die Berechnung des CO2-Fußabdrucks kön-         haltig zu handeln. In diesem Zusammenhang
           nen im Internet eine Vielzahl von kostenlosen           sollen Konsumenten Verantwortung für ressour-
           Rechnern eingesetzt werden. Diese Datenerhebung         censparendes und zukunftsgerechtes Handeln
           der Emissionen von Treibhausgasen dient auch als        übernehmen sowie für ein klimasensitives Ver-
           Basisgrundlage zur Möglichkeit von Kompensati-          halten sensibilisiert werden.
           onsmaßnahmen (siehe Etappe „Umsetzung“).               	Die Wissenschaft ist aufgefordert, die Lücke
                                                                   offener Forschungsfragen zu schließen.
           (3) Kunden und Rahmenbedingungen:
           Für die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen           Diese Handlungsvorschläge richten sich an staatli-
           von Tourismusdestinationen werden Vereinbarun-         che Akteure. Sie sind daher von Bedeutung für die
           gen auf internationaler Ebene immer bedeutsamer.       Situationsanalyse.
           Dies hängt mit den globalen Auswirkungen des               Da letzlich immer der Kunde entscheidet, wel-
           Klimawandels zusammen. Staaten und Staatenge-          ches Produkt er nachfragt, ist es wichtig, die Mei-
           meinschaften gehen dabei Verpflichtungen ein, die      nung und Wünsche des Gastes zu kennen, entspre-
           sich kurz- oder langfristig auch auf Tourismusdes-     chend spielt die Kundenperspektive eine große
           tinationen auswirken werden. Auf internationalen       Rolle. Gezielte Gästebefragungen können hierzu
           Konferenzen der UNWTO in Djerba (2003) und Davos       auf nationaler Ebene, aber auch auf der Ebene der
           (2007) hielten Wissenschaftler, Vertreter touristi-    Destination oder des Betriebs stattfinden. Für die
           scher Destinationen und Unternehmen, Politiker         Klärung der momentanen Interessenslage der Gäste
           und Nicht-Regierungsorganisationen den derzeiti-       in Hinsicht auf den Klimawandel sind Fragen mit
           gen Forschungsstand zu Tourismus und Klimawan-
           del fest. Folgende allgemeine Handlungsoptionen
           wurden vereinbart:
           	Die Tourismusindustrie und Destinationen sind
               aufgefordert, ihre CO2-Emissionen zu verringern,
           	Artenvielfalt zu schützen und die Branche für
               ein höheres Umweltbewusstsein zu sensibi-
               lisieren.
           	Die Politik ist gefordert, Mitigations- und Adapta-

    16 Sich mit dem Klima wandeln
situationsanalyse
     Im KUNTIKUM-Projekt wurden im Jahr 2008 zu
     diesem Thema in ganz Deutschland 1300 Personen
     befragt. Hier finden Sie einige Beispielfragen:

     Einstellung Klimawandel und Klimaschutz

    „Welche der folgenden 4 Aussagen entspricht Ihrer      Welche der folgenden Klimaschutzmaßnahmen
     persönlichen Meinung am ehesten?“                     praktizieren Sie persönlich?“ (1 = nie; 7 = immer)
                                                                                                                           2
    - Klimaschutz ist Bürgerpflicht (74%)
    - 	Ich will Vorbild sein (11%)
    - 	Der Einzelne kann wenig machen (8%)
    - So schlimm ist das alles nicht 		(7%)

     Einstellung Klima und Anpasung                        „Wenn Sie auf Reisen schlechtes bzw. unpassendes
                                                            Wetter haben,was machen Sie dann?“
    „Wie wichtig sind für Sie persönlich die Wetter- und    (1 = trifft überhaupt nicht zu; 10 = trifft voll und
     Klimabedingungen an den Zielen Ihrer Urlaubsrei-       ganz zu)
     sen?“

    „Bitte geben Sie an, wie stark die fol-
     genden Aussagen auf Sie persönlich
     zutreffen.“ (Hitze/starker Wind/Schwüle,
     Regen sind unangenehm)

    „Haben Sie die folgenden extremen Wet-
     terlagen und ihre Folgen schon einmal
     erlebt? Und wie haben Sie persönlich
     darauf reagiert?“ (wenig Schnee, ext-
     reme Hitze, Sturm, Hochwasser, Wald-
     brand – nicht erlebt, Urlaub fortgesetzt
     oder abgebrochen)

																			                                                                        Sich mit dem Klima wandeln 17
situationsanalyse
           (4) Nachhaltigkeit:
           Der geschäftliche Erfolg einer Destination bemisst         ein Kompromiss und eine Lösung unter Berücksich-
           sich letztlich daran, ob es gelingt das Einkommen          tigung von Ökonomie, Ökologie und Sozialverträg-
           der Unternehmen und Einwohner sicherzustellen              lichkeit?
           (Gewinne und Arbeitsplätze) und nicht nur daran,
           ob eine Destination-Management-Agentur Gewin-                  Es wird deutlich, dass die Informationsbeschaf-
           ne erzielt oder nicht. Entsprechend erarbeiten vie-        fung Vernetzungsarbeit ist. Die Datenquellen liefern
           le Destinationen Studien über die wirtschaftliche          viele, teils schwache Hinweise. Verdichtungen deu-
2          Bedeutung des Tourismus in ihrer Region. Sie ist           ten dann wichtige Elemente der Situationsbeschrei-
           jedoch in den seltensten Fällen eindeutig ermittel-        bung an.
           bar. Grundsätzlich hängt sie vom Kaufkraftstrom ab,
           der durch die Touristen aus den Herkunftsgebieten                        Weitere Befragungen
           in eine Destination fließt. Dieser belebt den Umsatz            @           KUNTIKUM:
           an Gütern und Dienstleistungen, schafft Einkommen                           Befragung zu Klimawandel und Tourismus
           und Arbeitsplätze. Da jedoch der Tourismussektor                            (2008), siehe www.klimatrends.de

           die verschiedensten Wirtschaftszweige beinhaltet,           	N.I.T., F.U.R. und Ipsos GmbH. B:
           ist es sehr problematisch, die tourismusbedingten            Befragung: Akzeptanz klimaschonender
                                                                        Verhaltensweisen im Urlaub (April 2007)
           Umsätze zu quantifizieren. Touristische Leistungen
           werden in vielen Bereichen erbracht, die von Tou-               Universität Hamburg:
                                                                           Rolle von Klimainformation bei der Wahl eines
           risten und „Nicht-Touristen“ genutzt werden (bspw.
                                                                           Reiseziels, (Juli/August 2004)
           Dienstleistung, Handel und Verkehr), entsprechend
           ist eine genaue Zuordnung der Umsätze meist
           schwierig. Um eine genaue Entscheidungsgrundla-
           ge zu haben sind Befragungen in der Destination
           daher unerlässlich. Die Ableitung der Umsätze auf                       Ziel dieser Phase ist es, ein Gesamtbild
           Basis genereller Kenngrößen führt zwangsläufig zu                       von der Ausgangssituation zu bekom-
           falschen Ergebnissen und schafft keine solide Ent-         men. Dies schließt sowohl die Analyse einer Viel-
           scheidungsgrundlage                                        zahl touristischer Informationen als auch eine Beur-
          .                                                           teilung der klimatischen Situation ein. Die beson-
                Im Destinationsmanagement ist es jedoch nicht         dere Herausforderung liegt in der Kombination
           nur die finanzielle Perspektive, die betrachtet wer-       dieser Aspekte und Erarbeitung der entscheidenden
           den muss. Zielsetzung im Destinationsmanagement            Schlussfolgerungen. Im Kern geht es um die Frage,
           ist eine nachhaltige Entwicklung, d. h. es soll erreicht   wie der Urlauber sich verhält und welche Strate-
           werden, dass ökonomische, ökologische und soziale          gien und Maßnahmen von den Destinationen zu
           Aspekte im Einklang stehen. Gerade beim Thema              ergreifen sind, um zukünftig Wettbewerbsvorteile
          „Klimawandel“ spitzt sich diese Betrachtung zu. Dies        realisieren zu können.
           wird besonders deutlich bei möglichen Strategien
           in Bezug auf Schneemangel im Winter: Wo liegt der              Man wird die Situation mit dem Selbstver-
           Schwerpunkt bei der Betrachtung? Sind es Schnee-           ständnis aus der Vergangenheit beschreiben, aber
           kanonen und eine Prioritätensetzung bei den öko-           das Beschreiben ist stets auch ein Entdecken. Das
           nomischen Aspekten? Ist es Umweltschonung, d. h.           Erkennen ermöglicht, die vielen Erfahrungen aus
           keine Schneekanonen und eine Schwerpunktset-               der Vergangenheit in einem neuen Licht erscheinen
           zung bei den ökologischen Aspekten? Finden sich            zu lassen.

    18 Sich mit dem Klima wandeln
Zukunftsanalyse
        Szenariotechnik
        Klimasimulation
    	Tourismustrends

    1. Zukunftsanalyse                                         Zukunftsbildern) zusammengefasst werden. Das ist
                                                               vor allem dann hilfreich, wenn es verschiedene
     Bei vielen Entscheidungen oder Investitionen, die         Einflussfaktoren auf eine Fragestellung gibt, die im
     in der Gegenwart getroffen werden (müssen), zeigt         Zusammenhang zu sehen sind und die zum Teil unsi-
     sich erst in mittel- bis längerfristiger Zukunft, ob es   chere Entwicklungen in der Zukunft haben.
     die richtigen waren. Auch das Nicht-Handeln stellt
                                                                              In den letzten Jahrzehnten wurde eine Viel-
     ein Handeln mit weit reichenden Wirkungen dar. Je
     nach Zeithorizont der Entscheidung lohnt es sich                i        zahl von Herangehensweisen für die Bildung
                                                                              von Szenarien entwickelt, die jedoch vom              3
     daher, etwas genauer über die Zukunft nachzuden-                         Prinzip her das gleiche Ziel verfolgen: Die
                                                                              Beschreibung von Szenarien, als plausible
     ken und weitere Informationen einzuholen.                  und in sich konsistente Situationen in der Zukunft, die auf
                                                                einem Set von Annahmen zu den unterschiedlichen Schlüs-
                                                                selfaktoren und ihren Beziehungen beruhen.
        Dazu gehört beispielsweise auch die Anpassung
    des Tourismus an den Klimawandel und die Frage,
    vor welchen Umfeldbedingungen der Tourismus der
    Zukunft heute steht und in 30 oder 40 Jahren stehen                     Die Szenariotechnik – im Rahmen
    könnte. Viele Entscheidungen, die jetzt getroffen                       der Zukunftsanalyse – kann in drei
    werden, haben auf diesen Zeitraum Einfluss bzw.                         wesentliche Phasen unterteilt werden:
    große Investitionen werden dann noch Bestand               (1) Szenariofeldanalyse, (2) Szenarioprojektion und
    haben. Zentrale Informationen dazu liefern ohne            (3) Szenariobildung.
    Zweifel Simulationen zum Klima. Dennoch liefern
    Klimamodelle allein keine Zukunftsbilder, die direkt           Szenario-        Szenario-         Szenario-
    strategisch umgesetzt werden können. Hinzu kom-                feldanalyse      projektion        bildung
    men weitere Einflüsse, wie z. B. sich der Klima-
    wandel auf den Tourismus und staatliches Handeln           In der Szenariofeldanalyse wird der Frage nach-
    auswirken könnte. Wieder andere Faktoren stellen           gegangen, welche Einflussfaktoren für die Zukunft
    das mögliche Reiseverhalten der Touristen dar,             in Bezug auf die Gesamtfragestellung wesentlich
    zukünftige Trends im Tourismus oder die technische         sind. Dabei wird von den im Anstoß und in der Situ-
    Entwicklung der Gesellschaft.                              ationsanalyse identifizierten Problemen ausgegan-
                                                               gen. Hier spielen zwar klimatische Änderungen eine
        In solchen komplexen Fällen bietet sich ein            große Rolle, aber es sind nicht die einzigen Faktoren
    strukturiertes Nachdenken über die Zukunft mit             die die touristische Zukunft einer Destination beein-
    Hilfe der Szenariotechnik an. Dabei ist die Szena-         flussen. Wesentliche gesellschaftliche Veränderun-
    riotechnik auch als Klammer für mehrere Methoden           gen, Änderungen der Rahmenbedingungen oder
    zu sehen. Es können unterschiedlichste Daten und           touristische Entwicklungen in anderen Destinatio-
    Wissensbestände verknüpft und zu einem Gesamt-             nen, die zu einer Veränderung der Wettbewerbssi-
    zukunftsbild (oder richtiger: zu mehreren denkbaren        tuation führen, sind ebenso zu berücksichtigen.

																			                                                                                 Sich mit dem Klima wandeln 19
Zukunftsanalyse
           Im Rahmen der Szenarioprojektion werden für                    Umfeld für den Tourismus unter Berücksichtigung
           die verschiedenen wesentlichen Einflussfaktoren                des Klimawandels im Jahre 2050 entwickelt haben
           Einzelanalysen durchgeführt. In der Phase der Sze-             könnte. Dazu hat das Projektteam bestehend aus
           narioprojektion wird sehr viel Wissen gesammelt,               Wissenschaftlern der Fachdisziplinen Meteorolo-
           neu generiert und durchdacht. Am Ende dieser                   gie, Tourismusmanagement, Umweltkommunika-
           Phase sind für alle Einflussfaktoren unterschiedliche          tion und Umweltinformatik in einem spannenden
           Zukunftszustände festzulegen, die bewusst auch                 Prozess intensiv zusammengearbeitet. Ergebnisse
           unsichere Entwicklungsverläufe einschließen.                   des Prozesses werden im Folgenden exemplarisch
              Aus den Bausteinen der Szenarioprojektion                   beschrieben:
           werden im Rahmen der Szenariobildung schlüs-
           sige Zukunftsbilder (Szenarien) zusammengestellt.                   Im Rahmen der Szenariofeldanalyse wurde
           In der Regel ergeben sich mehrere Szenarien, die               eine Wissensbasis angelegt, die Informationen
           in ihrer Gesamtheit die Grenzen eines Zukunfts-                zu über 70 Einflussfaktoren auf die Regionen der
           raumes abbilden, innerhalb dessen sich denkbare                Nordseeküste und des Schwarzwaldes enthält. Im
3          Entwicklungen abspielen können. Die Gesamtheit                 Entwicklungsprozess konnten dann pro Region 16
           der Zukunftsbilder kann dann als Basis für die Ent-            Schlüssel-Einflussfaktoren für den Tourismus iden-
           wicklung oder Bewertung von Strategien genutzt                 tifiziert werden, die das betrachtete System im
           werden. Auf diesen Schritt gehen wir am Ende des               Wesentlichen repräsentieren. Diese Faktoren (siehe
           Abschnitts der Zukunftsanalyse noch einmal näher               Grafiken) sind in die Szenarioprojektion eingegan-
           ein.                                                           gen. Für eine eigene Szenarioanalyse können viele
                                                                          Informationen und Anregungen der Internetseite
                          Die Wirtschaftswissenschaftler Gausemeier,      www.klimatrends.de entnommen werden
                          Fink und Schlake haben die Szenariotech-
                 @        nik zu einer Managementmethode weiter-
                          entwickelt und sprechen von Szenarioma-
                          nagement. Die hier vorgestellten Phasen
             der Szenariotechnik werden in ihrem Buch „Szenario-
             Management“ ausführlich vorgestellt. Das Buch „Szenario-
             Technik“ von Ute von Reibnitz gilt als eine der Grundlagen
             in Deutschland.

             Weitere Informationen zur Szenariotechnik erhalten Sie
             beispielsweise unter
             www.4managers.de/themen/szenario-analyse/
             http://de.wikipedia.org/wiki/Szenario-Technik

                       Die Entwicklung von Szenarien ist ein
                       Gruppenprozess, in dem viel Wissen,
                       aber auch persönliche Perspektiven zu
           einem integrierten Endprodukt verarbeitet werden.
           In der Regel sollten diese Prozesse von erfahrenen
           Personen moderiert werden.
               Im KUNTIKUM-Projekt wurden Szenarien für die
           Regionen Nordsee und Schwarzwald entwickelt,
           die Antworten auf die Frage geben, wie sich das

    20 Sich mit dem Klima wandeln
Zukunftsanalyse
    Im folgenden Teilabschnitt der Zukunftsanalyse, der    Durch den Klimawandel könnten sich die gegen-
    als Szenarioprojektion überschrieben ist, wird auf     wärtigen Rahmenbedingungen für diese Regionen
    zwei wesentliche Aspekte genauer eingegangen:          deutlich ändern. Ziel der Zukunftsanalyse „Klima“ ist
    Auf die Simulation des zukünftigen lokalen Klimas      es, mit Hilfe von Klimasimulationen die für eine
    und dessen Auswirkungen sowie auf mögliche             Tourismusregion relevanten Änderungen aufzuzei-
    Überlegungen zu zukünftigen Trends und Entwick-        gen, die sich im Rahmen des Klimawandels erge-
    lungen im Tourismus.                                   ben könnten. Wechselwirkungen mit anderen (nicht
                                                           klimatischen) Einflussfaktoren werden erst bei der
    2. Szenarioprojektion Schwerpunkt I:                   Szenariobildung mitberücksichtigt.
        Klimasimulationen

    Der Klimawandel ist der ursprüngliche Anlass, sich                    Klimasimulationen
    mit Anpassungsmaßnahmen zu befassen. Er steht                i        sind keine Wettervorhersagen
    jedoch mit anderen in der Szenariofeldanalyse iden-                    Klimasimulationen liefern keine Vorhersa-
    tifizierten Einflussfaktoren in Wechselwirkung und      gen für ein bestimmtes Jahr oder gar einen Monat, sondern          3
                                                            zeigen vielmehr Entwicklungsmöglichkeiten des Klimas für
    bewirkt hier Veränderungen. Wir sprechen daher          die Zukunft auf. Dabei beschreibt das Klima (im Gegensatz
    von Anpassungen an das zukünftige Klima, schließen      zum Wetter) den Durchschnitt der Wetterverhältnisse über
                                                            einen längeren Zeitraum (30-Jahresbezugszeitraum).
    aber auch die Anpassung an veränderte Rahmen-
    bedingungen an, die der Klimawandel bei anderen
    Einflussfaktoren (z. B. verändertes Reiseverhalten)
    bewirkt. Ganz klar: Ein wesentlicher Einflussfaktor    Um die zukünftige Entwicklung des Klimas (im Fol-
    auf den Tourismus ist das Klima einer Region. Für      genden als Klimatrend bezeichnet) abzuschätzen,
    Touristen spielt das Klima bei der Reiseentscheidung   werden Klimamodelle eingesetzt, die mit ihren
    eine wichtige Rolle. In Regionen wie der Nordsee,      Simulationen überwiegend mittlere Zustände bzw.
    die für ihr Reizklima bekannt ist, oder dem Schwarz-   Verhältnisse aufzeigen. Es können unterschiedliche
    wald, dessen Wintermärchenlandschaft zahlreiche        Klimatrends simuliert werden. Diese sind abhängig
    Touristen anlockt, sind klimatische Gegebenheiten      von dem Ausmaß des Ausstoßes klimarelevanter
    von herausragender Bedeutung.                          Gase, wie z. B. des Kohlendioxids. Mit anderen Wor-
                                                           ten: Auch bei den Klimamodellen wird mit Szenario-
                                                           techniken gearbeitet und die zukünftige, mögliche
                                                           Veränderung in der atmosphärischen Zusammenset-
                                                           zung fließt in die Modelle ein. Die sich ergebenden
                                                           Szenarien haben dann Namen wie „A1B“ (weiterer
                                                           mäßig starker Anstieg der Treibhausgasemissionen)
                                                           oder „B1“ (starke Reduzierung der globalen Treib-
                                                           hausgasemissionen). In ihnen wird eine globale
                                                           sowie regional wahrscheinliche Entwicklung der
                                                           Emissionen festgesetzt. Für die Klimasimulationen
                                                           sind wir im KUNTIKUM-Projekt sowohl vom Szenario
                                                           A1B als auch von B1 ausgegangen, weil sie eine
                                                           gute Bandbreite der Eintrittswahrscheinlichkeit auf-
                                                           weisen.

																			                                                                            Sich mit dem Klima wandeln 21
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