Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie - Analyse und Reaktionen aus der Industrie
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Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie Analyse und Reaktionen aus der Industrie Aktual isier Fassun te g!
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 2 Inhalt Über die Studie 3 Einleitung: Klassische Industrieproduktion in der Krise 4 Der Local Motors Business Case 7 Eine völlig neue Art von Auto-Unternehmen 11 Aus dem Netz auf die Straße: Der Rally Fighter 15 Die Community als offenes Entwicklungswerkzeug 26 Insight: Wie startet man eine Co-Creation-Community 33 Die Kunden von Local Motors 39 Der Charme des Selbermachens: Die „Local Motors Build Experience“ 43 Der Local Motors Prozess 47 FLYPmode: Von der Idee zum Prototypen in 150 Tagen 50 Perspektive: Neue Fahrzeuge, Flotten und ein Auto für Afrika 53 Analyse: Die Vorteile offener Entwicklungsprozesse 57 Executive Summary: Die Learnings aus dem Case Local Motors 65 Reaktionen der Industrie 67 Anhang 1: Offene Zusammenarbeit bei deutschen Zulieferern 79 Anhang 2: Collaboration-Beispiele und Best Practices 82
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 3 Über die Studie Mit dieser Studie wollen wir das Thema Innovation im Automotive-Bereich um eine neue Perspektive erweitern: Die offene Entwicklung mit Hilfe einer Com- munity, bei der nach dem Collaboration-Prinzip verteilte Akteure außerhalb des Unternehmens Aufgaben eigeninitiativ abwickeln. Die Studie gliedert sich in vier Teile: →→ einen deskriptiven Teil, in dem wir erklären, wie Local Motors funktioniert, →→ einen Teil, in dem wir darstellen, was dieses Entwicklungsmodell für den deutschen Markt bedeuten kann, →→ einen Teil, in dem die Learnings aus dem Case Local Motors zusammenge- fasst werden →→ und einen Teil, der Reaktionen der deutschen Automotive-Industrie auf Local Motors dokumentiert. Für den analytischen Teil der Studie wurden neben dem Team und den Führungs- kräften von Local Motors rund 50 Fach- und Führungskräfte aus der deutschen Automobilindustrie in Interviews um Einschätzungen zu Local Motors gebeten. Um die Reaktionen der deutschen Automobilindustrie auf das Konzept Local Motors zu ermitteln, hat die Universität St. Gallen im Nachgang eine quantitative Befragung durchgeführt. Autoren: Dr. Willms Buhse, Lars Reppesgaard (doubleyuu), Prof. Dr. Sven Henkel (Universität St. Gallen), Dr. Ulrich Lessmann (T-Systems) Local Motors CEO Jay Rogers mit einem der Autoren, Dr. Willms Buhse Bildnachweise: S. 4: Public Domain, Fotograf unbekannt / S. 61: Streetsmart GmbH / alle anderen: Local Motors. / S. 3 & 11: Stefan Hans
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 4 Einleitung: Klassische Industrieproduktion in der Krise Als Adam Smith 1776 seine Ideen zur Arbeitsteilung veröffentlichte, ahnte er nicht, was er auslösen würde. Smith schlug vor, dass die Arbeiten in einer Gesell- schaft jeweils von einem Spezialisten mit speziellen Werkzeugen erledigt werden sollten. Unter dem Einfluss seiner Theorie von der Arbeitsteilung und den Ideen von Frederick Winslow Taylor, der vorschlug, Produktionsprozesse in viele kleine Arbeitsschritte aufzuteilen, die wiederum in repetitive Ablaufabschnitte unter- teilt sind, erlebte die Wirtschaft im 19. Jahrhundert eine ungeheure Steigerung ihrer Produktivität. Heute bezeichnen wir diese Zeitwende als „Industrielle Revolution“. Als Henry Ford Anfang des 20. Jahrhunderts begann, die Automobil produktion zu revolutionieren, griff er auf ihre Ideen zurück. Damals drängte das weiträumige Amerika nach ungehemmter Mobilität. Doch noch war das Auto nicht nur ein vollkommen neues, sondern auch ein außerordentlich teures Pro- dukt. Ford schwebte ein einfach zu bedienendes, robustes Vielzweck-Auto vor, das für jedermann erschwinglich sein sollte. Das Ford Modell T, das Ford 1908 auf den Markt brachte, war perfekt auf diese Anforderungen abgestimmt. Doch erst 1914, mit Einführung des Fließbandes für eine hoch arbeitsteilige Massen- produktion, knackte Ford die letzte Bastion für den Einstieg in den Massenmarkt. Schrittweise konnte er den Preis der „Tin Lizzy“ von 850 Dollar auf 370 Dollar senken. Der Erfolg war überwältigend. Das T-Modell motorisierte Amerika und wurde bis 1928 über 15 Millionen Mal verkauft. Erst der VW Käfer konnte 1972 den Verkaufsrekord des Modell T brechen. Fortschritt trifft auf Vergangenheit: Eine Tin Lizzy begegnet auf diesem Foto aus dem Jahr 1911 Big Springs, Nebraska, einer Kutsche.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 5 Das Wachstum der automobilen Industrieproduktion führte danach zum Aufbau riesiger Produktionsstraßen. Noch bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhun- derts stellten die Automobilkonzerne einen Großteil der Bauteile im eigenen Unternehmen her – Ford unterhielt zeitweise sogar ein eigenes Reifenwerk. Erst der Aufstieg von japanischen Herstellern änderte das Spiel. Die „Lean Production“ mit optimierten Materialflüssen und Just-in-Time-Logistik nach der KANBAN-Methode des japanischen Herstellers Toyota galt in den 90er Jahren als Leitbild des Fahrzeugbaus. Seither werden immer größere Anteile der auto- mobilen Produktion und Entwicklung an spezialisierte Partner ausgelagert. Was sich nicht geändert hat: Nach wie vor setzen die meisten Automobilproduzen- ten auf das klassische Inhouse-Prinzip. Entwicklungsabteilungen mit Heerscha- ren an Weißkitteln entwickeln auf der Grundlage von Marktforschung ingeniöse Innovationen. Im Anschluss schrauben Kohorten von Blaukitteln Seite an Seite mit Robotern in großen Fabrikhallen die Fahrzeuge an Just-in-time-genährten Fließbändern zusammen. Mit hohem Kapitalaufwand entwickeln die Hersteller Einheitsbaumuster, um sie 100.000fach zu kopieren und über ihr Händlernetz per Massenmarketing in den Markt zu drücken. In diesem System gibt es keinen kontinuierlichen Dialog mit den Kunden. Das Feedback von Kunden begrenzt sich auf Marktforschungsergebnisse, Reak- tionen auf Messeprototypen und Erfahrungen aus dem Kundenservice nach Verkauf des Produktes. Das Angebot an Dienstleistungen rund um das Fahrzeug ist beim Händler konzentriert oder auf einen undurchsichtigen Dschungel unabhängiger Servicebetriebe verteilt. Obwohl der Kunde mit dem Auto die zweitgrößte Anschaffung seines Lebens macht, finden viele seiner Bedürfnisse und Wünsche erst sehr spät Eingang in die Serie – wenn sie nicht gleich gänz- lich unberücksichtigt bleiben. Das ist die Praxis der automobilen Industrieproduktion – bis heute. Zwar lässt sich auch in der Automobilproduktion ein Trend zur Individualisierung von Pro- dukten und zu limitierten Auflagen beobachten, doch sind diesen Entwicklun- gen angesichts der gegebenen Struktur der Wertschöpfungskette enge Grenzen gesetzt. Spätestens seit der jüngsten Finanzkrise 2009 hat das klassische Para- digma der Industrieproduktion Risse bekommen. Das gilt ganz besonders für die amerikanische Automobilindustrie. Nach Jahren des Siechtums stehen die stolzen Bannerträger des American Way of Life vor der Herausforderung, sich radikal neu auszurichten.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 6 Dabei geht es nicht nur darum, Antriebe für die nächste Fahrzeuggeneration zu entwickeln oder die richtigen Schritte bei der Vernetzung der Fahrzeuge zum Connected Car zu tun. Vor allem bei Jüngeren nimmt die emotionale Bin- dung an Marken oder Modelle ab. Der Wert des Autos an sich – als Mittel der Wahl zur individuellen Mobilität, als identitätsstiftendes Statussymbol und als Kommunikationswerkzeug – wird in einer zunehmend urbanen und vernetzten Gesellschaft neu definiert. „Es ist eine neue Ära, und jeder, der mit diesem Unterneh- men verbunden ist, muss dies verstehen und bereit sein für Veränderungen, und zwar schnell.“ (Frederick Henderson, CEO von General Motors) Diese Entwicklung ist besonders ausgeprägt bei den sogenannten Digital Natives zu beobachten – der Generation der ab 1980 Geborenen, die mit digi- talen Technologien wie dem Computer und dem Mobiltelefon aufgewachsen sind. Ihre Verhaltensmuster, die sich an netz-inhärenten Werten wie dem Teilen von Wissen, dem Vernetzen und Offenheit orientieren, prägen aber inzwischen auch andere Teile der Gesellschaft. „Das Verständnis des Kunden hat sich verändert. Er will gestalten und mitmachen und nicht mehr nur konsumieren.“ (Prof. Dr. Torsten Tomczak, Universität St.Gallen) Gleichzeitig hat sich in einer zunehmend von der Digitalisierung und der permanenten Vernetzung, vom Mitmach-Internet Web 2.0, individualisierten Produkten und offenen Partizipationsmodellen wie Wikipedia geprägten Gesell- schaft das Verständnis der Kunden an sich – und damit auch der Autokunden – verändert. Aus reinen Konsumenten werden Kunden, für die der Schriftsteller und Futurologe Alvin Toffler den Begriff „Prosumenten“, also Konsumenten, die produzieren, gestalten und mitmachen wollen, geprägt hat. Noch versäumen es Automobilbauer in der Regel, ihnen Partizipationsmöglichkeiten anzubieten.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 7 Der Local Motors Business Case Wohin soll also die Reise gehen? Vielleicht hierhin: Stellen Sie sich vor, Sie mischen mit bei der Entwicklung Ihres neuen Autos und diskutieren Ihre Ideen und Wünsche mit Ingenieuren und Designern. Und schließlich begeben Sie sich zu Ihrem freundlichen Händler, um dort Ihr Auto gemeinsam mit Freunden zusammenzubauen – ein Auto, das es nur ein einziges Mal gibt. Und jetzt sagen Sie: Ist es nicht eigentlich völlig undenkbar, dass Kunden ihre Autos selbst zusammenbauen? So etwas Ähnliches haben sich die Leute auch gefragt, als Ikea an den Start ging. Werden die Leute wirklich bereit sein, ihre Möbel selbst zusammenzubauen? Heute weiß man, dass die Leute dazu bereit sind – und Ikea gerade für diese Idee lieben. Genau diese Gedanken hatte Jay Rogers, als er sich entschloss, Local Motors zu gründen. Das Start-Up-Unternehmen aus Phoenix im US-Bundesstaat Arizona baut Autos. Das ist aber auch fast das einzige, was das Unternehmen, das sich selbst als „Next Generation American Car Company“ bezeichnet, mit anderen Autoproduzenten gemeinsam hat. Local Motors ist ein Autohersteller, der seine Produkte über das Internet entwickelt und sie von ihren Kunden beim Händler vor Ort zusammenbauen lässt. So kommt es, dass jeder Kunde bei Local Motors sein ganz individuelles Auto bekommt – ein Auto, das er selbst gebaut hat. Damit wagt das Unternehmen etwas, das neu ist in der Automotive-Industrie. Das Unternehmen setzt in den Bereichen Konstruktion und Entwicklung voll auf Offenheit als Strategie. Das beinhaltet das intensive Einbeziehen von Kunden und Freunden der Marke in Entwicklungs- und sogar Fertigungsprozesse. Dieser gemeinschaftliche, aber final immer von Local Motors gesteuerte Schöpfungs- prozess – „Co-Creation“ – ist das Ergebnis einer offenen Entwicklungsstrategie und die Basis des Geschäftsmodells. Ob Fahrzeugkonzept, Detailentwurf von Baugruppen, Produktion oder Service – Local Motors nutzt die Erfolgsfaktoren von Co-Creation in allen Phasen der Wertschöpfung. Vor allem im Bereich der Produktentwicklung ist diese Vorgehensweise wesent- lich durch das Collaboration-Prinzip – das Bearbeiten einer Aufgabe durch verteilte Akteure – geprägt. Was in Local Motors-Fahrzeugen wie dem Rally Fighter steckt, ist demnach alles andere als ein Betriebsgeheimnis. Im Gegen- teil: Die Konstruktionsdaten aller Bauteile sind öffentlich einsehbar. Dadurch werden die Fahrzeuge in dynamischen, agilen Collaboration-Prozessen mit
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 8 einer ungeheuren Geschwindigkeit entwickelt – eine Verfahrensweise, die eher an das Codieren von Software als an die Ingenieursarbeit in einer Entwicklungs- abteilung erinnert. Es passt perfekt zu dem Local Motors-Fertigungskonzept für Kleinserien, die auf Fertigteilen beruhen, die lediglich leicht verändert oder neu zusammengestellt werden. Von Local Motors kann man lernen, wie man Offenheit als Strategie verfolgt, wie man diese Strategie Schritt für Schritt umsetzt, wie ein Automobilunterneh- men so die Prinzipien des Netzes aufgreift, um Kunden nachhaltig zu binden und zu begeistern – und was ein Unternehmen darüber hinaus durch diese Vorgehensweise zu gewinnen hat. Local Motors hat die Erfahrungen aus drei Jahren co-kreativer Entwicklung und Produktion in einen strukturierten Prozess überführt, den die Arbeitsschritte der Community in vier Phasen – „Create it“, „Develop it“, „Build it“ und „Mod it“ aufgliedert. Dieser Prozess erlaubt es, in jeder Entwicklungsphase auf Kreati- vität und Feedback aus der Community zugreifen zu können ohne die Kontrolle über die Entwicklung Externen zu überlassen. Gegenüber klassischen Crowdsourcing-Szenarien, bei denen ein Unternehmen vielfältige Impulse von außen aufnimmt, verfolgt Local Motors einen Co-Creation-Ansatz: Kunden, Designer und Ingenieure („Contributors“) und die Mitarbeiter von Local Motors entwickeln das Fahrzeug in engem Austausch.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 9 Außerdem pflegt und entwickelt Local Motors ein Open-Source-Netzwerk mit Zulieferbetrieben, über das CAD-Dateien der Bauteile ausgetauscht und publi- ziert werden. Die Öffnung der OEM-Prozesse zu allen Stakeholdern unterstützt neuartige Interaktionen, angefangen von der Konzeptdefinition über das Design bis hin zur Gestaltung der Außenhaut mithilfe von „Skins“, die der Kunde gemeinsam mit den Community-Designern entwirft. Über die Community und die „Local Motors-Experience“, den gemeinsamen Bautermin in den Micro factories, werden Kunden eng in den Entwicklungs-, Kauf- und Serviceprozess eingebunden. Die Microfactory dient als Plattform für die aktive Begegnung und Zusammenarbeit von Kunden mit Experten des Unternehmens. Dieser Ansatz erlaubt es Local Motors, ein Geschäftsmodell zu verfolgen, mit dem sich extrem schnell und mit einem sehr geringen Kapitaleinsatz individu- elle, aber auch komplett neue Fahrzeuge entwickeln lassen und das sich zudem schon nach extrem kurzer Zeit rechnet. Während neue Serien und Modelle in der klassischen Autoindustrie eine Vorlaufzeit von fünf bis sieben Jahren haben, dauerte es beim Rally Fighter nur 18 Monate, bis aus der 2D-Zeichnung ein Fahrzeug wurde, das ein Kunde abholen konnte. Das nächste Ziel von Local Motors ist es, diesen Zeitraum auf 12 Monate zu reduzieren. 18 Monate dauerte es, bis nach dem ersten Entwurf der Rally Fighter, das erste Produktionsfahrzeug von Local Motors, auf einer Wüstenpiste fuhr.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 10 Ähnlich radikal sehen die Zahlen beim Thema Kapitaleinsatz aus. Während Ford beispielsweise für seinen 4-Wheel-Drive F150 in fünf Jahren etwa 1,5 Milliar- den Dollar investieren musste und Tesla für den Roadster sechs Jahre und 250 Millionen Dollar Kapital benötigte, kam der Rally Fighter, das erste Modell, das Local Motors zum Verkauf anbietet, mit einem Budget von 3,6 Millionen Dollar aus. Local Motors muss also nur ein bis zwei Prozent des Kapitals aufwenden, das die klassische Automotive-Industrie in ein neues Fahrzeugmodell investiert. Bereits jetzt ist Local Motors nach eigenen Angaben an einem Punkt, an dem schon 150 verkaufte Fahrzeuge pro neuer Serie ausreichen, um den Break-Even zu erreichen. „Das Innovationsmodell von Local Motors ist radikal neu für die Automotive-Industrie. Der Ansatz, Kunden und Zulieferer online an der Produktentwicklung zu beteiligen, ist vielversprechend und eröffnet der Branche aufregende Perspektiven, wie sie Produkte beziehungsweise Komponenten in Zukunft schnell und kosteneffizient entwickeln kann.“ (Prof. Dr. Daniel Wentzel, RWTH Aachen)
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 11 Eine völlig neue Art von Auto-Unternehmen Wer Local Motors besucht, sieht zunächst eine Wellblechhalle, drei kleine Büroräume und eine Armada an Autos, die aussehen wie Kampfmaschinen für einen neuen George-Lucas-Film. Erst das Internet macht den kleinen Automobilhersteller zum Riesen. Weil Local Motors die Entwicklungsabteilung kurzerhand in eine Online-Community ausgelagert hat, lebt der weitaus größte Teil des Unternehmens im Netz. Und die allermeisten Menschen, die gestalten, planen und entwickeln, sind überhaupt nicht bei Local Motors angestellt: Es sind Designer, Ingenieure und Autofans aus der ganzen Welt, die über das Internet begeistert ihr Wissen und ihr Know-how in die Wertschöpfung von Local Motors einbringen. Rund 1.400 Designer arbeiten für Local Motors, außerdem viele eingeführte Zulieferer der amerikanischen Automobilindustrie. Der Rally Fighter vor der ersten „Microfactory“ des Unternehmens in Phoenix, Arizona. Auch bei der Produktion geht das Start-up neue Wege. Bei Local Motors gibt es keine Fabriken mit langen Fließbändern, sondern kleine Werk- statthallen, die gleichzeitig als Händ- lerstützpunkt dienen. Local Motors nennt sie „Microfactory“. Auch viele der Monteure, die dort arbeiten, sind nicht bei Local Motors angestellt – nein, es sind Kunden, die gemeinsam mit Freunden und Familie ihre Autos unter fachkundiger Anleitung zusammenschrauben – in der Regel echte Fans, die schon immer gern einmal selbst Hand anlegen wollten. Hinter der Idee von Local Motors steht ein Mann mit Benzin im Blut. John Bur- ton Rogers, den alle nur Jay nennen, ist geschäftsführender Gesellschafter und Mitgründer von Local Motors. Seit frühester Kindheit vom Autovirus infiziert, sammelte Jay seine Fahrpraxis auf BMW 535, Mercedes 300 SL, Dodge Viper, Chevrolet 1500, Honda Element und Mercedes 280 SL. Schon sein Großvater war ein Motor Guy – er leitete den berühmten amerikanischen Motorradher- steller Indian, der bis zum zweiten Weltkrieg die Königsklasse des Motorrad- baus darstellte.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 12 Jay hat bereits ein äußerst bewegtes Leben hinter sich, bevor er Local Motors gründet. Mit seinem Vater hat er im aufstrebenden China der 90er Jahre ein Start-up für medizinische Testgeräte entwickelt. Sein Studium absolviert er an der Woodrow Wilson School of Public and International Affairs der renom- mierten Universität Princeton. Er arbeitet als Finanzanalyst für die Investment Bank Ewing & Partner und lernt die Welt von Private Equity und Venture Capital von innen kennen. Im Anschluss entscheidet sich Jay gegen einen Studienplatz an der Universität Stanford und für den Eintritt in die US Army. Über sechs Jahre kommandiert er eine Truppe von 300 Infanteriesoldaten im United States Marine Corps. Zwischendurch wird er auch noch Ehemann seiner Frau Susannah und Vater seiner Söhne John, Charles und Houston. Seine Militäreinsätze führen Jay in den Nahen Osten, wo er hautnah wahrnimmt, wie Amerikas Abhängigkeit von Ölimporten die Sicherheit des Landes gefährdet. Jay beschließt, etwas dagegen zu tun. Als leidenschaftlicher Autofan und mit seinen Erfahrungen als Gründer und Führungskraft entwickelt er nach und nach die Vision eines Automobilunternehmens der Zukunft. „Bei den Marines lernt man‚ bescheiden zu sein, aber in großen Maßstäben zu denken. Ich habe Autos tief in mei- nem Herzen geliebt seit ich ein Kind war. Ich hatte einen Hintergrund als Unternehmer. Das und meine Arbeit im Finanzsektor würde bedeuten, dass ich Geld aufbringen kann. Und ich hatte bereits viele Leute geführt, als Kom- mandeur einer Kompanie war ich für 300 Marines verant- wortlich, Ich dachte‚ wer wäre besser dazu in der Lage, in der Auto-Industrie einen Unterschied zu machen?’“ (Jay Rogers, Gründer von Local Motors) Nach seiner Zeit bei der Armee setzt Jay sein Studium an der Harvard Business School fort und konzentriert sich auf das Thema Innovation in der Automo- bilindustrie. Parallel arbeitet er als Berater für die Automotive Practice der Unternehmensberatung McKinsey & Co. Gemeinsam mit einem Kommilitonen
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 13 gewinnt er für seine Studienarbeit 20.000 Dollar der Harvard Social Enterprise Initiative – ein Gründerpreis für sozial verpflichtete Unternehmer. Der Preis motiviert die beiden Jungunternehmer, ihre Ideen in ein Gründungs- konzept umzusetzen. Sie studieren eingehend die Methoden der Autohersteller und führen Interviews mit großen und kleinen Herstellern, darunter mit Ford, dem Elektropionier Tesla und dem Kit-Car-Produzenten Factory Five. Sie lernen, dass fast kein Hersteller die Kunden seiner Autos wirklich kennt. Am besten weiß es der kleine Hersteller Factory Five, der Replicas klassischer Autos als Bausätze anbietet. Eher beiläufig hatte das Unternehmen eine Online-Commu- nity-Plattform ins Netz gestellt – mit beachtlichem Erfolg. In der Community diskutieren Kunden und Interessenten von Factory Five über kleine Details und große Ideen. Bis zu 1.000 Nutzer pro Tag nutzen das Online-Forum des Klein- herstellers – weitaus mehr als die Community-Plattformen großer Hersteller wie Ford oder Volkswagen. Für Jay ist die Factory Five-Community so überzeugend, dass er sich sofort entschließt, das Element der Community in sein Gründungskonzept aufzuneh- men – auch wenn er zu dieser Zeit noch nicht genau weiß, welche Funktion die Community in seinem Unternehmen haben würde. Joe Lassiter, einer seiner Professoren in Harvard, bestätigt Jay in seiner Vorahnung. „(Joe Lassiter) regte an, dass nicht wir diejenigen sein sollten, die die Kunden davon überzeugen müssen, unser Produkt zu kaufen, sondern dass die Kunden andere Kun- den überzeugen müssten unser Produkt zu kaufen.“ (Jay Rogers, Local Motors) Professor Joe Lassiter empfiehlt, zunächst eine kleine Fach-Community zu entwickeln, die Designer und Entwickler für die Mitarbeit gewinnt. Und Factory Five-Chef Mark Smiths plädiert dafür, die Kunden – ähnlich wie bei Kit-Cars – am Bau der Autos zu beteiligen, sodass ein erheblicher Teil der Wertschöpfung durch die Kunden selbst erbracht würde. Nachdem Jay seinen Harvard MBA in der Tasche hat, kommt der Tag der Ent- scheidung. Noch sind drei Optionen im Spiel: Die Beraterlaufbahn bei McKinsey, ein Job bei einer Private Equity-Beratung, und die Gründung von Local Motors. Jay setzt auf volles Risiko und entscheidet sich für Local Motors. Sein Partner
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 14 springt im letzten Augenblick aus privaten Gründen ab. Jay steht unverhofft allein da. Ein Gespräch mit Mark Smiths, dem Gründer von Factory Five, bringt den Wendepunkt. Smith ist sofort von der Local Motors-Idee überzeugt und bietet umfangreiche Starthilfen an: Büros und eine Werkstatt in der Nähe der Factory Five-Produktion, Zugriff auf Ingenieure und Designer, Know-how für Betriebsfüh- rung und Produktion sowie die Unterstützung des Factory Five-Managements. Mit diesem Grundstock überzeugt Jay weitere Investoren. Die Anteile sind weit gestreut – viele der Investments bewegen sich um 100.000 Dollar. Eine kleine Mannschaft, die Großes bewegt: Das Kernteam von Local Motors.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 15 Aus dem Netz auf die Straße: Der Rally Fighter Die Gründung von Local Motors beginnt bei Null. Es gibt keinen Entwurf, keinen Prototyp und kein fertiges Produkt. Es gibt nur Jays festen Glauben, dass die Gemeinschaft der Local Motors-Online-Community schon bald ein erstes Pro- duktionsfahrzeug hervorbringen wird. Als erste Iteration der Produktentwick- lung entwickelt Local Motors den Rally Fighter. Dynamische Entwicklung: Im Laufe der 18 Monate veränderten sich Design und Innenleben des Rally Fighters durch den Input der Community erheblich. Doch bis der Wüstenrenner Wirklichkeit wird, ist es noch ein langer Weg. Zunächst muss Jay die Online-Community aufbauen, die er später Local Forge nennen wird. Die Anfänge sind mühselig. Um Local Forge erfolgreich zu starten, wirbt Jay aktiv Designer an. Er führt Gespräche mit Lehrenden und Studenten des berühmten Arts Center in Pasadena, Kalifornien, einer weltweit führenden Talentschmiede für Autodesigner. Jay stellt fest, dass nur 20 Prozent der Absolventen einen Job bei einem der großen Autohersteller finden. Er sieht ein großes Potential an unterbeschäftigten Jungdesignern, die mit frischen Ideen und ohne industrielle Vorprägung nach ersten Herausforderungen suchen. Diese kreativen Talente möchte er überzeugen, über Local Forge mit seinem Unternehmen zusammen zu arbeiten. Der Start der Community verläuft zögerlich. Auch eine Prämie von 500 Dollar, die er den Studenten zusagt, sofern sie ihre eigenen Designarbeiten in die Com- munity hochladen, bringt wenig Erfolg. Erst als Ariel Ferreira das Management der Community übernimmt, stellen sich erste Erfolge ein. Ariel hat Erfahrung mit Kundenbindungsprogrammen für Volvo und GM und akquiriert von nun an systematisch neue Mitglieder. Sie besucht Automotive und Industrial Design Online-Communities und nimmt Kontakt mit potentiellen Kandidaten auf. Oft
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 16 muss Ariel Misstrauen auflösen und nachweisen, dass Local Motors keine kurz- lebige Eintagsfliege ist. Auch die Frage des Urheberrechts taucht immer wieder auf. Vielfach sind bis zu zehn Kontakte notwendig, bevor es zur Registrierung in der Community kommt. Mit dem „Charter Member“-Programm wirbt Ariel um die ersten Mitglieder. Um die virtuelle Community realer und spürbarer zu machen, erhalten die 20 ersten Designer, die ihre Arbeiten in die Community hochladen, eine Racing-Basecap mit Local Motors-Logo als Dankeschön. Einige dieser Designer stellt Ariel mit einem Beitrag im Blog von Local Motors vor. Irgendwann, nach mühevollen Anfängen, wendet sich das Blatt: 12 Monate nach Start sind 1.400 Designer und Autofans in der Community registriert. „Wir erreichten einen Punkt, an dem es ‚umkippte’ und an dem die Leute aufhörten, die Fragen nach unserer Glaubwürdigkeit zu stellen, weil so viele ihrer Freunde und Kollegen sich bereits beteiligten. Sie begriffen, dass wir echt waren.“ (Ariel Ferreira, ehemalige Community-Managerin von Local Motors) Im April 2008 startet Local Motors den ersten Online-Wettbewerb – ein Motivationsmittel, das von jetzt an die Community-Kultur des Autoherstellers maßgeblich bestimmt. Der „Southern Californian Contest“ dreht sich um ein Offroad-Fahrzeug für die Wüstenregionen im Südwesten der USA. Dieser Wettbewerb deutet bereits das Rally Fighter-Konzept an. Mindestens 10 ernst- zunehmende Entwürfe müssen eingereicht werden, damit das Preisgeld von 2000 Dollar ausgeschüttet wird. Am Ende sind es 22 Entwürfe. Sieger wird das Offroad-Performance-Konzept „Panterra“ des 30jährigen Transportation Desi- gners Filip Tejzerski aus Australien. Ab jetzt folgt jeden Monat ein neuer Wettbewerb. Parallel steigen die Teilneh- merzahlen. Auf die „Miami Motors Competition“ mit 40 Einreichungen folgt die „Air Base Motors Challenge“ mit 80 und der „Adventure Team Motors Contest“ mit über 100 Teilnehmern.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 17 Mit monatlichen Wettbewerben hält Local Motors die Community lebendig. Thema der Wettbe- werbe sind innovative Fahrzeugkonzepte für regionale Nischenmärkte. Die Wettbewerbe werden auf regionale Nischenmärkte in den USA ausgerichtet. Die Anforderungen an das Autodesign leiten sich von örtlichen Kundenbedürf- nissen und äußeren Bedingungen wie Geologie, Wetter, Kultur und ästhetischem Empfinden ab. Im Sommer 2008 ist es soweit: Local Motors ruft zur Auswahl eines Top- Konzepts für die Umsetzung in die Produktion aus. Die Community bekommt die Möglichkeit, noch einmal alle Einreichungen zu bewerten. Local Motors motiviert die Community ausdrücklich dazu, besonders innovativen Ansätzen ihr Votum zu geben. Im Rennen sind sowohl die Wettbewerbssieger als auch Ideenskizzen und heiß gehandelte Fast-Gewinner früherer Wettbewerbe. Unter Berücksichtigung von Community-Kommentaren und Bewertungen wählen die Local Motors- Mitarbeiter aus den besonders hoch bewerten Entwürfen 10 Top-Konzepte für die finale Entscheidung aus. Die letzte Entscheidung behält sich Jay Rogers vor. Er will sicherstellen, dass das Konzept die geplanten Anforderungen technisch
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 18 erfüllt, mit den gegebenen Ressourcen der Firma umsetzbar ist und am Markt eine reelle Chance hat. Diese Entscheidung kann nach Jays Überzeugung nur jemand treffen, der mit allen Aspekten des Unternehmens vertraut ist. Ausschnitte aus einem langem Interview mit Jay Rogers finden Sie auf www.doubleyuu.com/jayrogers „Ich wollte, dass die Leute von Anfang an wissen, dass jemand die endgültige Entscheidung treffen wird und dass wir nicht lediglich an einen demokratischen Prozess gebunden sein würden. Wir befanden uns in einer sehr empfindlichen Phase. Die Community war noch sehr klein, es gab keine Präzedenz- fälle, auf die man sich beziehen konnte, und der größte Teil unseres Investments stand auf dem Spiel. Ich hatte also das Gefühl, dass die Person mit der meisten Erfah- rung in dem Unternehmen aus den Community-Designs auswählen sollte, was wir bauen, was wir vermarkten können und so weiter. Ich nenne diesen Prozess des kol- laborativen Entscheidens von Community und Unterneh- men ‚bi-modale Intelligenz’.“ (Jay Rogers, Local Motors) Vor der endgültigen Festlegung berät sich Jay noch einmal mit externen Stake- holdern, zum Beispiel mit dem Arts Center und mit Experten von Factory Five. Jay entscheidet sich schließlich für den Entwurf des südkoreanischen Designers Sangho Kim, auch wenn sein internes Team eher für das „Panterra“-Konzept, den Sieger des „Southern Californian Motors Contest“, plädiert. Kim hatte mit dem Rally Fighter-Konzept zuvor bereits den „Miami Road Racer Competition“ gewonnen. Am 11.8.2008 kündigt Jay im Blog und auf der Website von Local Motors den Rally Fighter offiziell als erstes Produkt von Local Motors an. Das erste Auto von Local Motors soll die Bedürfnisse der angepeilten Marktnische funktional und ästhetisch exakt befriedigen, die Individualität des Designers spiegeln und gleichzeitig als Kultsymbol für die junge Automarke dienen.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 19 Der Local Motors Rally Fighter basiert auf einem Entwurf des koreanischen Designers Sangho Kim. Eine der Varianten von Kims Entwurf dient als Ausgangspunkt für die weitere Ausarbeitung durch die Community. Die Reinzeichnung des Entwurfs wird von der Community inspiriert. In weiteren Ausarbeitungen werden die Proportionen an das Maßkonzept angepasst.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 20 Auch im weiteren Entwicklungsprozess des Rally Fighter-Konzepts behält die Community ihre einflussreiche Rolle. Über den Online-Dialog finden Designer und Ingenieure gemeinsame Positionen, obwohl ihre Perspektiven oft ganz unterschiedlich sind und einander widersprechen. „Du musst sie dazu bringen, miteinander zu reden. Die Designer wollen etwas, die Ingenieure werden dir sagen, dass es nicht geht. Und oft musst du beide dazu bringen, einen Kompromiss zu finden. Beide Seiten werden ihre Entscheidungen verteidigen, und manchmal wirst du Leute vor den Kopf stoßen.“ (Jay Rogers, Local Motors) Für den Rally Fighter entwickeln die Local Motors-Ingenieure ein leichtes, hochfestes Chassis. Es dient als Basis für individuelle Karosseriekörper, die die Community entwickelt. Ingenieure aus der Community und Techniker von Local Motors kümmern sich um die Anpassung der Designentwürfe an das Einheitschassis. Auch das Innenleben – Komponenten wie Motor, Lenksäule oder Getriebe – entwickeln die Ingenieure von Local Motors nach den Vorgaben und auf Grundlage der Ideen der Community. Sie sind es aber, die im Detail Lösungen für technische Probleme suchen und entscheiden, wie sie sie am Besten lösen. Rapid Prototyping: Der 3D-Drucker bei Local Motors im Einsatz Dazu nutzt Local Motors unter ande- rem gezielt 3D-Drucker und -Scanner. Die Hardware des Anbieters Z Corpo- ration wird für das Rapid Prototyping genutzt, um die Entwicklungszeit zu reduzieren und Entwicklungskosten zu senken. So benötigte das Unter- nehmen etwa bei der Konstruktion des Rally Fighters eine Antriebswellengabel, die für die off-Road-taugliche Federung geeignet war. Das Entwicklungsteam kaufte eine handelsübliche
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 21 Gabelaufhängung, die den Anforderungen am nächsten kam. Ihre Oberflächen- daten wurden mit einem 3D-Scanner erfasst und in ein CAD-Modell umgewan- delt. Die Entwickler veränderten an einigen Stellen die Proportionen der Gabel und fügten Anschlussbacken hinzu. Diese Konzeptstudie drucken sie auf einem 3D-Drucker um sicherzugehen, dass das Teil ins Fahrzeug passen würde. Hätte das Unternehmen das CAD-Modell an eine Werkstatt geschickt, hätte Local Motors mit einer Bearbeitungszeit von drei bis vier Wochen und mit Kosten von 2.700 Dollar rechnen müssen. Local Motors nutzte die 3D-Technik auch um sicherzustellen, dass alle Teile des Rally Fighters tatsächlich exakt in das Chassis passen. Pisanis Team scannte fertig gebaute Einheiten wie Benzintank, Motor und Lenksäule und integrierte diese Daten in das CAD-Modell des Fahrzeugs. Bei der Entscheidung, welche Fertigteile Local Motors für die Fahrzeuge ein- kauft, half die 3D-Technologie ebenfalls, etwa bei der Suche nach Front- und Heckscheinwerfern. Auf Grundlage eines bereits sehr ausgereiften CAD- Entwurfs druckte das Local Motors-Team ein Frontpaneel aus. Dieses Glasfaser- Modell bestückten die Mitarbeiter mit unterschiedlichen frei im Handel erhält- lichen Lampen. Sie verglichen die optische Wirkung der jeweiligen Frontab- deckungen auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums mit den Frontansichten der dort geparkten Fahrzeuge und entschieden dann, welche Scheinwerfer die richtigen für den Rally Fighter waren. „3D-Scanning und 3D-Druck helfen uns, die Entwicklung zu beschleunigen und Kosten zu senken, sodass wir pünkt- lich und innerhalb des Budgets bleiben können.“ (Mike Pisani, Fahrzeug Ingenieur und Ausbilder der Auto- bauer in den Mikrofabriken, Local Motors)
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 22 Die Außenhaut wird in einen dreidimensionalen CAD-Datensatz umgesetzt. Der CAD-Entwurf wird mit einer grafisch durchgestalteten Oberfläche versehen. Der Entwurf wird in ein 1:1-Schaum-Modell umgesetzt. Zur Beurteilung des Außendesigns entsteht ein 1:4-Tonmodell des Rally Fighters.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 23 Konzept Produktion Auch einzelne, technische Komponenten werden durch Ingenieure und Designer der Community entwickelt. So entsteht der außenliegende Auspuff innerhalb eines Monats. Das Gestaltungskonzept für das Interieur des Rally Fighters wird in nur vier Monaten in die Produktion umgesetzt. Kalkuliert für eine Stückzahl von 2.000 pro Jahr und Produktionsstand- ort, kann der Rally Fighter zu einem Maximalpreis von 59.000 Dollar ange- boten werden. Alle Bauteile sind als Open-Source nach Creative Commons lizensiert. Die dazugehörigen CAD- Files sind online über die Community abrufbar. Im Juni 2010 startete die Produktion des Rally Fighters. Die CAD-Daten des fertigen Entwurfs wurden an die Zulieferer übergeben, die die notwendigen Standardkomponenten bereit- stellten und just-in-time an die Local Motors Microfactory auslieferten. Dort wurden die Autos unter Mitarbeit des Kunden verkauft, montiert, qualitätsge- prüft und gewartet. Bis November 2010 wurden 127 Autos zum Stückpreis von 50.000 Dollar bestellt und vier fertig gestellt.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 24 Mitte 2011 fuhren bereits 22 Rally Fighter auf den Straßen des süd-westlichen Amerikas und einer im fernen Kasachstan. Die technischen Komponenten stehen als Open Source-CAD-Dateien online zur Verfügung. Designer und Ingenieure können die Dateien weiter modellieren und maßgeschneiderte Designs um die technischen Bauteile herum entwickeln. Und Besitzer eines Rally Fighters können ihre Fahrzeuge auch nach dem Kauf problemlos aufrüsten oder verändern. Allerdings: Bis heute ist keiner der Designer Kunde von Local Motors geworden – vielleicht deshalb, weil der angepeilte Verkaufspreis von rund 50.000 Dollar weit über dem Budget der meisten Jungdesigner liegt. Der Rally Fighter ist nicht nur das erste Produktionsfahrzeug von Local Motors, sondern gleichzeitig das erste Crowdsourcing „Creative Commons“-Auto überhaupt. Er erfüllt alle gesetzlichen Regelungen für „Custom Built“-Autos und ist in 50 amerikanischen Staaten auf Emission geprüft und für die Zulassung freigegeben. Alle Elemente des Rally Figh- ters zum Beispiel Exterior und Interior Design, Türen, Heck und Name, wurden in der Community entwickelt. Er vereint die besten Ideen aus 35.000 Designentwür- fen von 2.900 Community-Mitgliedern aus über 100 Ländern. Ein robuster Gitterrohrrahmen bildet die stabile Basis für kundenindividuelle Konfigurationen des Rally Fighters. Der Rally Fighter-Gitterrohrrahmen in Produktion.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 25 Fertigung der Rally Fighter-Karosserie. Montage von Chassis und Zulieferteilen. Springinsfeld mit Offroad-Qualitäten: Der Rally Fighter.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 26 Die Community als offenes Entwicklungswerkzeug Das Kundenerlebnis Local Motors wird ganz wesentlich von der Zusam- menarbeit in der Online-Community Local Forge geprägt, der Open Source Co-Creation Plattform von Local Motors. Sie ist zentrales Element des Local Motors-Geschäftsmodells. Technisch basiert die Community auf einer Reihe von Programmen zur Bereit- stellung dynamischer Webseiten, die sich mit dem Akronym LAMP abkürzen lassen. Die Buchstaben stehen für Linux, Apache, MySQL und PHP. Diese bei vielen Webunternehmen und -projekten extrem populäre Programmkombina- tion ist besonders geeignet für den Aufbau von Webangeboten, deren Inhalte sich schnell verändern und die von extrem vielen Besuchern genutzt werden. Sie stellt auch beispielsweise die Infrastruktur für die Wiki-Software MediaWiki dar, mit der das Online-Lexikon Wikipedia betrieben wird. Die Grundlage aller Softwarebausteine ist Linux als quelloffenes Betriebssy- stem. Auf dem Open Source Webserver Apache liegen die CAD-Entwürfe, aber auch alle Dokumente, in denen sie kommentiert oder bewertet werden, in einer MySQL-Datenbank. Der Computer, der Surfern auf ihre Anfragen hin die dynamischen Webseiten der Local Motors-Community zur Verfügung stellt, nutzt PHP-Skripte, um Daten aus einer MySQL-Datenbank zu generieren und mit Apache über das World Wide Web abrufbar zu machen. Die Seitenbesucher können die Seiteninhalte verändern. Änderungen werden dann in die MySQL- Datenbank zurückgeschrieben. Der eigentliche Code zur Programmierung der Community ist dagegen alles andere als eine Standard-Lösung: Ihn haben Programmierer bei Local Motors selbst entwickelt. Auch der Code, den das Unternehmen nutzt, um Hacker zu entdecken und zu verhindern, dass Spammer mit ihren Einträgen die Commu- nity missbrauchen, ist eine Eigenentwicklung. Doch nicht die individuelle Programmierung der Community-Software ist der wesentliche Erfolgsfaktor des Unternehmens, sondern der Aufbau der virtuellen Gemeinschaft und der Umgang mit ihren Mitgliedern. Den Prozess des Community Managements beschreibt Jay Rogers als „Ein- und Ausatmen“, als dynamischen Wechsel der Prinzipien Wettbewerb und Zusammenarbeit. Die Community erschließt das Know-how von Designern, Ingenieuren und
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 27 Autofans, um innovative Fahrzeuge zu entwickeln. Local Motors spezifiziert Konzept, Marktsegment und Zielpreis, die Community kreiert in Online- Wettbewerben maßgeschneiderte Problemlösungen und die Kunden bauen ihre Autos gemeinsam mit Local Motors-Mitarbeitern in den regionalen „Microfactories“ zusammen. Jay sieht Local Forge als einfach zu benutzendes Werkzeug für Designer, Ingenieure, Kunden und Fans, um ihr ganz persönliches Idealauto zu entwerfen, zu entwickeln und schließlich auch zu fahren. Die Local Motors-Community ist gleichzeitig Showroom der registrierten Designer, die eigene Arbeiten in ihrem Profil veröffentlichen können. Gemeinsam ein tech- nisch hochkomplexes Industrieprodukt ent- wickeln? Wie soll das gehen? Aurel François, diplomierter Industrial- und Autodesigner aus Castres in Frankreich hat es selbst erlebt. Nach- dem er 2007 seinen Abschluss als Transportation Designer in der Tasche hatte, folgten viele Bewerbungen, aber kein Jobangebot. Um möglichst viele Men- schen auf seine Arbeiten aufmerksam zu machen, entschloss sich Aurel, sie online zu veröffentlichen. Bald wird auch Ariel Ferreira, Community Managerin bei Local Motors, auf Aurel aufmerksam. Aurel bekommt ausführliche E-Mails von Ferreira, mit denen sie dem Jungdesigner die Mitgliedschaft in der Local Motors-Community schmackhaft machen will. Doch Aurel hat seine Probleme mit Ariels Angeboten. Ihre Vorschläge lesen sich sehr utopisch, sind für einen Franzosen schwer zu verstehen und äußerst langatmig verfasst. Dennoch wird er Mitglied der Community. Er veröffentlicht seine Entwürfe auf Local Forge und lädt bald erste Ideenskizzen in den sogenannten Check-Up-Bereich der Community hoch. Schließlich nimmt Aurel an der „Miami Motors Challenge“ teil – ein Designwettbewerb zur Entwicklung eines Fahrzeugkonzepts speziell für Miami, ausgeschrieben von Local Motors. Weil Aurel niemals in seinem Leben in Miami gewesen ist, muss er zunächst sehr viel recherchieren. Aurels
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 28 fertiger Designentwurf wird von den anderen Mitgliedern der Community bewertet und erreicht Rang 3. Aurel hat die neuartige Arbeitsweise überzeugt. Er mag das Gefühl des Zeitdrucks, konnte sein Konzept aktiv verteidigen und hat viele Anregungen aus den zahlreichen Vorschlägen und Kritiken gezogen. Community-Mitglieder wie Aurel sind in allen Phasen eingebunden. Ob Besu- cher, einfaches Mitglied, Designer oder „Builder“ – in allen Rollen können Nut- zer mitarbeiten. Mit besonderen Reward-Tags bildet Local Motors Untergrup- pen innerhalb der Community. Es gibt „LM Competion Winner“, „LM Vehicle Owner“, „LM Team Members“ und „LM Charter Members“ – die Mitglieder der ersten Stunde. Von der ersten groben Ideenskizze bis hin zum Produktionsfahr- zeug können die Mitglieder Iterationen der Fahrzeugentwicklung mit eigenen Vorschlägen beeinflussen, bewerten und kommentieren. Über Local Forge kann Local Motors hautnah entlang aktueller Markttrends entwickeln, um kompro- misslose, begeisternde Fahrzeuge zu kreieren. Zentrales Element der Community sind die monatlichen Wettbewerbe. Sie helfen Local Motors, Produkte iterativ zu entwickeln. Dafür wird das Gesamt- projekt wird in mehrere Einzelwettbewerbe für die Entwicklung einzelner Bau- gruppen zerlegt. Der Projektfortschritt wird in der „Punch List“ über ein Journal aller wichtigen Releases dokumentiert. Jeder Wettbewerb markiert eine Entwicklungsphase und eröffnet Mitgliedern die Chance, mit einem eigenen Beitrag zur Lösung beizutragen. Während des Wettbewerbs geben die Mitglieder wechselseitig Feedback. Die Höhe des Preisgeldes, das ebenfalls monatlich ausgeschüttet wird, richtet sich nach der Komplexität der Komponente. So gibt es für ein komplettes Außendesign ein höheres Preisgeld als für den Feinentwurf einer Tür. „Es ist eine großartige Erfahrung, das erste Mal, dass ich etwas über Local Motors erfuhr, war an meiner Schule, der IED hier in Turin. Da war so ein Banner, einfach aus- gedruckt und an eine Wand geklebt. Und nun das. Es ist cool, Teil dieser Community zu sein. Es ist großartig.“ (Giulio Partisani, Istituto Europeo di Design Turin, nach dem Gewinn der Chicago Motors Competition)
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 29 First Time in a Competition - Editable 3D and Photoshop “Package” to help community members with their design. - Restricted drivetrain placement and configuration (Batteries and Electric Motor) - Form factor : Shooting Brake - Use of video interviews to help designers get a better idea of who they would be designing for. Local Motors Competitions Das Briefing des „San Francisco Motors Competition“ formuliert exakt die Regeln und Rahmenbedingungen für den Entwurf. Wettbewerbsdetails Themen der monatlichen Wettbewerbe →→ Wettbewerb der Kategorie sind Nischenkonzepte für regionale Märkte. Beim „San Francisco Umrisszeichnungen Motors Competition“ ging es um ein Elektroauto im „Shooting →→ Preise: Brake“-Sportkombi-Layout. →→ Erster Preis: 2.000 Dollar →→ Zweiter Preis: 500 Dollar →→ Dritter Preis: 200 Dollar Designer und Entwickler können →→ Rahmen-Layout: „Shooting Brake“ in der Community auch auf →→ Elektrofahrzeug Software-Tools und CAD-Files →→ Ausschreibungszeit: Zwei Wochen fertig entwickelter Komponen- →→ Zeit zum Einreichen der ten und Baugruppen zurück- Vorschläge: Eine Woche greifen, die unter Creative →→ Abstimmungsphase: Eine Woche Commons lizensiert sind und als →→ Bislang 123 eingereichte Open Source-Dateien herunter- Vorschläge geladen werden können.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 30 Die Mitglieder der Local Motors-Community können die Konstruktionszeichnungen von Chassis und Komponenten kostenlos als Open Source-CAD-Files herunterladen und weiter verarbeiten. Alle Zeichnungen sind nach Creative Commons lizensiert. Jedes Bauteil des Rally Fighters ist als Open Source-CAD-Datei online hinterlegt. Die „Open Hardware Platform“ der Local Motors-Fahrzeuge spiegelt den Open Source-Ansatz der Software-Industrie nach Vorbild des Betriebssystems Linux, das zu einem weltweit führenden Betriebssystem aufstieg, nachdem es über mehrere Iterationen der Community-Entwicklung eine immer größere Reife erreicht hatte. Die Zulieferer von Local Motors nutzen die Open Hardware Platt- form, um neue Bauteile zunächst in Kleinserie einzuführen. Über das Feedback
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 31 der Local Motors Community erhalten sie wertvolles Feedback für die Großse- rie. Ähnlich wie bei Linux prognostiziert Jay auch für die Open Hardware Plat- form von Local Motors einen längeren Vorlauf, bis Anwender und Nutzer der offenen Hardware-Plattform auf breiter Ebene vertrauen. Jay führt zudem an, dass die Entwicklung einer Hardware-Plattform für ein Auto besonders hohe Anforderungen an Zuverlässigkeit, Sicherheit und Compliance stellt. Er setzt auf die Kräfte der Community, über die er das Feedback von Kunden sammeln und in die weitere Entwicklung einbeziehen kann. Außerdem ist er überzeugt, dass die junge Marke Local Motors über den offenen Entwicklungsprozess nachhal- tig Bekanntheit und Vertrauen aufbauen kann. „Wir werden das erste wirkliche Open-Source-Autounternehmen sein.“ (Jay Rogers) Local Motors integriert sukzessive weitere Partner in seine Community, darunter Medienpartner, Logistikunternehmen, Software-Produzenten, Regierungsagenturen, Markenartikler und Zulieferer. 2011 ist die Community auf 25.000 Mitglieder aus 122 Ländern angewachsen. Viele Mitglieder kommen aus Italien, Spanien, Frankreich und Großbritannien. Deutschland und Russland sind weniger stark vertreten. Local Forge bildet ein Gegenmodell zur Abteilungsstruktur traditioneller Automobilhersteller. Auch dort nähern sich Fachabteilungen wie Entwicklung und Marketing aus unterschiedlicher fachlicher Perspektive gemeinsamen Lösungen. Doch verläuft
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 32 die Kommunikation zwischen Fachabteilungen in der Regel viel schleppen- der. Abstimmungen und Umsetzung aktueller Markttrends in das Produkt dauern länger. Und die Fähigkeit, Kunden zuzuhören, ist wesentlich weniger ausgeprägt. „Das Beispiel Local Motors zeigt, dass Automotive- Unternehmen Online-Communities kontinuierlich aktiv managen müssen, wenn sie die Kreativität ihrer Kunden dauerhaft für sich nutzen wollen.“ Prof. Dr. Daniel Wentzel, RWTH Aachen. Seit ihrem Start im März 2008 hat sich die Local Motors-Community stetig vergrößert. 2011 sind 25.000 Mitglieder in Local Forge registriert.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 33 Insight: Wie startet man eine Co-Creation-Community Ariel, wie sind Sie zu Local Motors gestoßen? Mein Ehemann half dem Gründer im Jahr 2007, seine Webseite zu starten. Damals hatten sie noch nicht ein ein- ziges Community-Mitglied, aber von Beginn an die Vision eines offenen Entwicklungs- und Designprozesses, an dem maßgeblich eine Community beteiligt ist. Ich wurde gefragt, ob ich den Aufbau übernehmen würde und sagte zu, auch wenn ich ehrlich gesagt nicht wusste, wie man eine Community managed. Es war damals ein ziemlich neuer Berufszweig. Und was wir vorhat- ten, war auch neu: Wir wollten für Auto-Enthusiasten und Designer einen Ort für die Zusammenarbeit und konstruktives Feedback schaffen. Gab es keine anderen Communities, in denen Designer im Automotive-Bereich Entwürfe vorstellen und diskutieren konnten? Ariel Ferreira Es gab bereits andere Communi- ties, wo man sein Portfolio zeigen →→ Sie war die erste Community- und sich vernetzen konnte, aber sie Managerin von Local Motors. waren weniger auf den Austausch →→ Community-Nickname: Ari von konstruktivem Feedback und →→ Heute betreut sie die Presse- ganz sicher nicht für Collaboration- und Öffentlichkeitsarbeit des Projekte ausgelegt. Statt einer Unternehmens. formellen Ausbildung als Commu- nity Manager waren Freundlichkeit, Respekt und Zuspruch die Eigenschaften, die ich in den Aufbau unserer Community mit einbringen konnte. Wir wollten einen Ort im Netz kreieren, an dem man positiv über die Dinge spricht und nicht nur kritisiert. An dem man von seinem Traumwagen träumt und sagen kann: Ich würde es lieben, wenn ein Auto „soundso“ wäre.
Der Case Local Motors: Co-Creation und Collaboration in der Automotive-Industrie 34 Negative Stimmen innerhalb der Local Motors- Community gibt es aber vermutlich auch, oder? Ja, ein paar Neinsager und Meckerer gibt es überall. Aber wenn man eine Com- munity vom ersten Aufkeimen bis zur Blüte begleitet, erlebt man, dass es ganz entscheidend ist, dass zu Beginn Mitglieder mitmachen, die bestimmte Werte hochhalten. Sie wachsen mit der Gemeinschaft und weisen oft die Neinsager in ihre Schranken. Wir selbst schalten uns sehr selten in die Konversationen ein, meistens schaffen es die Mitglieder, selbst die kollaborative und konstruktive Atmosphäre zu erhalten. Wie startet man eine Co-Creation-Community? Das Gute ist, dass viele Auto-Designer und andere, die sich mit viel Leidenschaft das Automotive-Umfeld bewegen, das öffentlich tun. Sie haben ein Blog, sie wollen sich ausdrücken. Zunächst haben ich viele Blogger persönlich kontaktiert und ihnen erklärt, was wir vorhaben und dass wir ein offenes Modell der Co- Creation in der Automotive-Entwicklung verfolgen. Das war nicht einfach, denn viele haben nicht geglaubt, dass wir es mit unserem offenen Co-Creation-Ansatz ernst meinen und das Open Source-Prinzip tatsächlich ernst nehmen. Da war der persönliche Kontakt das wichtigste um Vertrauen aufzubauen. Das gilt übrigens für Community-Mitglieder inner- und außerhalb der Vereinigten Staaten gleicher- maßen. Dabei habe ich mir oft viel zu viel Arbeit gemacht und lange, lange Mails geschrieben, in denen ich das ganze Projekt erklärt habe. Heute weiß ich, dass drei Zeilen genügt hätten und am Schluss die Sätze: „Hast du Interesse? Dann lass uns darüber sprechen.“ Aber hey, man lernt eben nie aus. Der zweite Schritt war, dass ich persönlich alle wesentlichen Design-Hochschu- len in den Vereinigten Staaten besucht und dort unser Konzept vorgestellt habe. Auch hier gab es viele Menschen, die Lust hatten, ihre Designs vorzu- stellen und Feedback zubekommen. Der dritte Schritt war, dass wir schnell begonnen haben, diejenigen öffentlich hervorzuheben, deren Designs in der Community am besten ankamen. Konstruktives Feedback ist einer der Werte, zu denen wir uns als Organisation bekennen, und wir versuchen, diesen Grund- satz auch beim Umgang mit der Community mit Leben zu füllen.
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