WELTRISIKOBERICHT 2018 - FOKUS: KINDERSCHUTZ UND KINDERRECHTE
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Impressum Herausgeber WeltRisikoBericht 2018 Bündnis Entwicklung Hilft und Ruhr-Universität Bochum – Institut für Friedens sicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV) Konzeption, Realisierung und Redaktion Peter Mucke, Bündnis Entwicklung Hilft, Projektleitung Lotte Kirch, Bündnis Entwicklung Hilft, Redaktionsleitung Julia Walter, MediaCompany Wissenschaftliche Leitung Prof. Dr. Katrin Radtke, IFHV Autor*innen Prof. Dr. Hans-Joachim Heintze, IFHV Lotte Kirch, Bündnis Entwicklung Hilft Barbara Küppers, terre des hommes Holger Mann, IFHV Frank Mischo, Kindernothilfe Peter Mucke, Bündnis Entwicklung Hilft Tanja Pazdzierny, Kindernothilfe Ruben Prütz, Bündnis Entwicklung Hilft Prof. Dr. Katrin Radtke, IFHV Friederike Strube, terre des hommes Daniel Weller, IFHV Unter Mitarbeit von Rebekka Balser, Plan International Christina Frickemeier, Plan International Leopold Karmann, Bündnis Entwicklung Hilft Dr. Matthias Lanzendörfer, Misereor Oliver Neuschäfer, Christoffel-Blindenmission Renée Rentke, Misereor Rüdiger Schöch, Plan International Grafische Gestaltung und Infografik Naldo Gruden, MediaCompany Druck Druckerei Conrad, Berlin, gedruckt auf 100 % Recycling-Papier. ISBN 978-3-946785-05-7 Der WeltRisikoBericht wird seit 2011 jährlich vom Bündnis Entwicklung Hilft publiziert. Verantwortlich: Peter Mucke 2 WeltRisikoBericht 2018
Vorwort Das Jahr 2018 war aus klimatischer Sicht ein Der diesjährige Fokus „Kinderschutz und aufrüttelndes Jahr. Temperaturen von fast Kinderrechte“ lenkt den Blick auf eine beson- 40 Grad, verdorrte Felder und Waldbrände ders vulnerable Bevölkerungsgruppe. Die Zahl haben in Deutschland und Europa bei vielen der Kinder, die in den vergangenen Jahren Menschen das Bewusstsein für die Auswirkun- aufgrund von Katastrophen fliehen mussten, gen des Klimawandels geschärft. In Indonesien die ihre Eltern verloren haben, die ausgebeu- haben Erdbeben und Tsunami die sehr hohe tet, missbraucht, verletzt oder sogar getötet Gefährdung und Verwundbarkeit des Landes wurden, ist alarmierend. Fast jedes vierte Kind unterstrichen. Es zeigte sich erneut, dass eine weltweit lebt in einem Land, das von Katastro- gute Vorbereitung auf extreme Naturereignis- phen betroffen ist. Der WeltRisikoBericht 2018 se entscheidend ist. Wie stark sich Vorsorge, schlüsselt die Rechte von Kindern im Kontext Bewältigung und Anpassung von Land zu Land von Katastrophen auf, erläutert die besondere unterscheiden, verdeutlicht der vorliegende Verwundbarkeit von Heranwachsenden und WeltRisikoBericht. Er bietet ein Instrument macht den unbedingten Handlungsbedarf in für die Abschätzung von Katastrophenrisiken diesem Bereich deutlich. Um Mädchen und weltweit und weist aus, wo der größte Bedarf Jungen in fragilen Situationen zu schützen für Investitionen in bessere Maßnahmen zur und sie in ihren Rechten zu stärken, braucht es Bewältigung und Anpassung an extreme Natur- ein umfassendes und partizipatives Konzept. ereignisse besteht. Nur so ist es möglich, auch in Ländern mit hohem Risiko, die Grundlagen für kommende Der WeltRisikoBericht wird seit 2011 jährlich Generationen zu schaffen, um eigene Lebens vom Bündnis Entwicklung Hilft herausgege- perspektiven zu entwickeln. Mit Forschung ben. Mit dem Institut für Friedenssicherungs- zu den Rechten von Kindern auf Grundlage recht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV) völkerrechtlicher Expertise und mit weltweiten der Ruhr-Universität Bochum ist seit dieser Projekten zum Schutz und zur Beteiligung von Ausgabe ein neuer wissenschaftlicher Partner Kindern setzen sich das IFHV und das Bündnis beteiligt, der die Arbeit am WeltRisikoBericht Entwicklung Hilft mit seinen lokalen Partnern mit seiner interdisziplinär sozialwissenschaft- jeweils dafür ein, Strukturen langfristig gerech- lichen und juristischen Ausrichtung ergänzt. ter und sicherer für Kinder zu gestalten. Das IFHV berechnet den WeltRisikoIndex und stellt als Mitglied des Network on Humanitari- an Action (NOHA) die internationale Veranke- rung des WeltRisikoIndex sicher. Neue Part- nerschaften bergen auch immer die Chance für Veränderung. So bestand ein wichtiger Teil der Zusammenarbeit darin, den WeltRisikoBericht in seiner bisherigen Form zu analysieren und Angelika Böhling die gemeinsame Weiterentwicklung voranzu- Vorstandsvorsitzende treiben. Grundlage dafür bildete eine gemein- Bündnis Entwicklung Hilft sam organisierte Tagung mit Expert*innen im Bereich der Katastrophenprävention aus Wissenschaft und Praxis im November 2017. Auf dieser Basis wurden nicht nur die Gestal- tung des Berichts erneuert, sondern teilweise auch inhaltliche Darstellungen im WeltRisiko- Prof. Dr. Pierre Thielbörger Bericht und Indikatoren des WeltRisikoIndex. Geschäftsführender Direktor IFHV WeltRisikoBericht 2018 3
Weiterführende Informationen Der WeltRisikoBericht in der gedruckten Version hat einen Umfang, der die s chnelle Lesbarkeit gewährleistet. Die Texte des Berichtes werden durch Karten, Grafiken und Bilder ergänzt und damit veranschaulicht. Weiterführende Informationen, wissenschaftliche Angaben zur Methodik und Tabellen sind unter www.WeltRisikoBericht.de eingestellt. Dort stehen auch die Berichte 2011 bis 2017 als Download zur Verfügung. „Sind Katastrophen vermeidbar?“ – Unterrichtsmaterialien zum WeltRisikoIndex Die vorherrschende Sicht auf die Länder des globalen Südens ist oftmals durch Katastrophen und Konflikte bestimmt. Aktuelle humanitäre Krisen wie Hungersnöte, Erdbeben und Überschwemmungen sind wichtige Themen, an die schulischer Unterricht anknüpfen kann. Der WeltRisikoIndex ist ein guter Ansatzpunkt, dabei auch die soziale Situation und die Umweltbedingungen in den betroffenen Ländern zu behandeln. Die Unterrichtsmaterialien enthalten kurz gefasste thema- tische Darstellungen und ansprechende Arbeitsblätter, die die einzelnen Dimensionen des WeltRisikoIndex behandeln – von der Gefährdung über Anfälligkeit und Bewältigungskapazitäten bis hin zu Anpassungskapazitäten. Diese können in Form von Gruppen- oder Einzelarbeit in den Unterricht integriert werden. Die gedruckte Fassung des Unterrichtsmaterials kann kostenlos bestellt werden: kontakt@entwicklung-hilft.de Das Online-PDF des Unterrichtsmaterials steht zum Download bereit: www.WeltRisikoBericht.de/ unterrichtsmaterial WorldRiskReport Der englischsprachige WorldRiskReport ist unter www.WorldRiskReport.org verfügbar. 4 WeltRisikoBericht 2018
Inhalt Zentrale Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6 1. Die Situation von Kindern in Katastrophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 9 Peter Mucke 2. Fokus: Kinderschutz und Kinderrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 15 2.1 Der völkerrechtliche Schutz von Kindern in und nach Katastrophensituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 15 Hans-Joachim Heintze 2.2 Die meisten Katastrophenopfer sind Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 26 Barbara Küppers, Frank Mischo, Tanja Pazdzierny, Friederike Strube 3. Der WeltRisikoIndex 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 35 Katrin Radtke, Holger Mann, Daniel Weller, Lotte Kirch, Ruben Prütz 4. Schlussfolgerungen und Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 45 Bündnis Entwicklung Hilft Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 48 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 54 WeltRisikoBericht 2018 5
Abbildung 1: WeltRisikoIndex 2018 Zentrale Ergebnisse WeltRisikoIndex 2018 ++ Die Hotspot-Regionen des Katastrophenrisikos wenig gefährdet gegenüber extremen Natur- befinden sich in Ozeanien, Südostasien, Mittel- ereignissen und weisen eine geringe bis sehr amerika und in West- und Zentralafrika (siehe geringe gesellschaftliche Verwundbarkeit auf. Abbildung 1). ++ Von den 15 Ländern mit der höchsten gesell- ++ Vanuatu ist das Land mit dem höchsten Kata- schaftlichen Verwundbarkeit liegen 13 in Afrika. strophenrisiko (Indexwert: 50,28) unter den 172 im WeltRisikoIndex 2018 erfassten Ländern. ++ Unter den 15 Ländern mit dem höchsten Kata- Auf Rang 2 liegt Tonga (Indexwert: 29,42), auf strophenrisiko sind neun Inselstaaten vertre- Rang 3 die Philippinen (Indexwert: 25,14). Die ten. Sie sind Naturgefahren wie Überschwem- Gefährdung gegenüber extremen Naturereig- mungen, Wirbelstürmen und dem Anstieg nissen wie Wirbelstürmen oder Erdbeben ist in des Meeresspiegels in besonderem Maße diesen Ländern sehr hoch. Zugleich weisen sie ausgesetzt. eine sehr hohe gesellschaftliche Verwundbar- keit auf. ++ Der WeltRisikoIndex 2018 wurde auf einer leicht veränderten Grundlage berechnet. Die Ände- ++ Deutschland belegt Rang 155 (Indexwert: 2,42). rungen betreffen im Bereich der Gefährdung gegenüber extremen Naturereignissen die ++ Die Länder auf Rang 170 bis 172, also mit dem Daten zum Meeresspiegelanstieg. Im Bereich niedrigsten Katastrophenrisiko, sind Saudi- der gesellschaftlichen Verwundbarkeit wurden Arabien (Indexwert: 1,25), Malta (Indexwert: fünf Indikatoren ausgetauscht, die übrigen 0,57) und Katar (Indexwert: 0,36). Sie sind sehr wurden soweit möglich aktualisiert. 6 WeltRisikoBericht 2018
Rang Land Risiko (%) Fokus: Kinderschutz und Kinderrechte 1. Vanuatu 50,28 Abbildung 2: Auszüge 2. Tonga 29,42 aus dem WeltRisiko- ++ Fast jedes vierte Kind weltweit lebt in Gebieten, Index 2018 3. Philippinen 25,14 die von Katastrophen betroffen sind. Krisen und 4. Salomonen 23,29 Katastrophen beeinflussen die Entwicklung von 5. Guyana 23,23 Kindern massiv. Direkte und indirekte körperliche 6. Papua-Neuguinea 20,88 und seelische Folgen können Kinder ein Leben 7. Guatemala 20,60 lang beeinträchtigen, besonders dann, wenn 8. Brunei Darussalam 18,82 Verletzungen und Traumata nicht behandelt 9. Bangladesch 17,38 werden und heilen können. 10. Fidschi 16,58 11. Costa Rica 16,56 ++ Für Kinder bergen Krisen und Katastrophen 12. Kambodscha 16,07 ungleich höhere Risiken als für Erwachsene, 13. Timor-Leste 16,05 da sie körperlich unterlegen, psychisch weni- 14. El Salvador 15,95 ger belastbar und rechtlich oftmals schlechter 15. Kiribati 15,42 geschützt sind. ... ... ... 155. Deutschland 2,42 ... ... ... ++ Umfassend geregelt werden die Rechte des 158. Singapur 2,31 Kindes seit 1989 in der Kinderrechtskonvention. 159. Norwegen 2,29 Das Kind wird darin als eigenständiger Inha- 160. Estland 2,25 ber von Rechten definiert. Die Kinderrechtskon- 161. Schweiz 2,23 vention gilt auch in Notstandssituationen wie 162. Israel 2,20 Katastrophen infolge extremer Naturereignisse 163. Schweden 2,19 uneingeschränkt. 164. Luxemburg 2,16 165. Finnland 2,06 ++ Die Bedürfnisse von Kindern sowie ihr Recht 166. Ägypten 1,90 auf Mitbestimmung erhalten in vielen Ländern 167. Island 1,61 der Welt – sei es in der Familie, der Schule oder 168. Barbados 1,40 Nachbarschaft – nicht ausreichend Aufmerksam- 169. Grenada 1,39 keit. Auch beim Katastrophenschutz werden 170. Saudi-Arabien 1,25 Kinder nicht bedarfsgerecht in Maßnahmen 171. Malta 0,57 berücksichtigt. 172. Katar 0,36 ++ Das Überleben und der Schutz von Kindern sind die obersten Ziele bei allen humanitären Einsät- extremen Naturereignissen die Einführung einer zen von Kinderschutzorganisationen. Das wich- Kinderschutz-Policy bei internationalen, nationa- tigste Instrument dafür sind Kinderschutzzentren, len und lokalen Organisationen. Lokale Behörden in denen Kinder Schutz, Nahrung, Unterricht und und Dienste müssen Maßnahmen zum Kinder- medizinische sowie psychologische Betreuung schutz in ihre Notfallpläne integrieren. bekommen. ++ Kinder sollten aktiv in die Katastrophenvorsorge ++ Bildung kommt in vielerlei Hinsicht eine Schlüs- einbezogen werden. Die Aufbereitung von Infor- selrolle zu. Nach einer Katastrophe sollten Kinder mationen zu Risiken für Kinder und mit Kindern so schnell wie möglich in ein funktionsfähiges ist ebenso empfehlenswert wie entsprechende staatliches Schulsystem zurückgeführt werden, Bildungsangebote. So können Kinder auch zum um ihnen den gesellschaftlichen Anschluss zu Umweltschutz motiviert werden und Anpassungs- ermöglichen. strategien an den Klimawandel mitgestalten. ++ Schon bevor ein extremes Naturereignis eintritt, müssen Präventionssysteme aufgebaut werden, um Kinder zu schützen. Dazu gehört als Teil einer Gesamtstrategie zur Folgenreduzierung von WeltRisikoBericht 2018 7
1 ie Situation von Kindern D in Katastrophen Kinder sind gemäß der Kinderrechtskonvention eigenständige Akteure und Peter Mucke Träger von Rechten. Zugleich haben sie nach extremen Naturereignissen Geschäftsführer, Bündnis wie Erdbeben oder Wirbelstürmen besondere Bedürfnisse, da sie vulnera Entwicklung Hilft bler sind als Erwachsene. In den internationalen Aktionsplänen zum Kata strophenmanagement wird diesen beiden Umständen erst seit 2005 Schritt für Schritt verstärkt Rechnung getragen. Kinder sollen seitdem zunehmend in Maßnahmen der Katastrophenbewältigung und -vorsorge einbezogen werden. Der WeltRisikoIndex berücksichtigt die Situation von Kindern in Katastrophenfällen explizit in drei seiner Indikatoren. „Der Flur ist zusammengestürzt, als ich gerade wenn ihre Wahrnehmung für Warnzeichen hindurchlief. Zwei meiner Klassenkameraden geschult ist. Doch staatliche Institutionen waren mit mir eingeschlossen. Ich habe alles ebenso wie Rettungsorganisationen haben gegeben, um aus den Trümmern herauszu- dies in vielen Fällen noch nicht erkannt. klettern. Als ich herausgeklettert war, habe ich meinen Klassenkameraden herausgezogen.“ So Kinderrechte sind Kinderschutz erlebte der zehnjährige Lin Hao das Erdbeben von Sichuan in seiner Schule im chinesischen Kinder als eigenständige, handelnde Personen Yingxiu. Das Schulgebäude brach zusammen anzuerkennen und allen Kindern der Welt die und begrub Lin und viele seiner Klassenka- gleichen Rechte zu gewähren, ist das große meraden unter sich. Nachdem der verletzte Verdienst des Übereinkommens über die Rech- Lin bereits sich und einen Klassenkameraden te des Kindes (Kinderrechtskonvention), das gerettet hatte, ging er zurück in das zusam- von den Vereinten Nationen am 20. Novem- mengestürzte Gebäude und half ein zweites ber 1989 beschlossen wurde. Nach der Kinder- Mal einem Freund heraus. Lin wurde damit zu rechtskonvention ist „ein Kind jeder Mensch, einem Helden des großen Erdbebens, das sich der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht im Mai 2008 in der Provinz Sichuan ereigne- vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach te. Bedauerlicherweise überlebten nur zehn der dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht 31 Schüler*innen aus seiner Klasse (BBC 2008). früher eintritt“ (UN General Assembly 1989). Schätzungen gehen davon aus, dass insgesamt Kinder haben gemäß der Konvention das Recht fast 70.000 Menschen durch das Beben ums auf eine eigene Meinung und dürfen diese Leben gekommen sind und Millionen obdach- auch äußern. Gleichzeitig legt die Konvention los wurden. fest, dass die Zeit der Kindheit ein geschützter Lebensabschnitt ist, und überträgt dafür der Beispiele wie das von Lin Hao haben zu einer Familie, der Gemeinschaft und dem Staat die schrittweise veränderten Sicht beigetragen: Verantwortung. Kinder sind keineswegs nur Opfer von Kata- strophen, sie können auch Helfer*innen sein. Vier Grundprinzipien kennzeichnen die Kinder- Sie können sowohl an der Katastrophenbewäl- rechtskonvention (UNICEF 2016): tigung als auch an der Prävention mitwirken. Kinder können beispielsweise bei vorbereiten- ++ Das Recht auf Gleichbehandlung (Artikel 2, den Trainings eine wichtige Rolle spielen und Absatz 1) in die Frühwarnung aktiv einbezogen werden, WeltRisikoBericht 2018 9
++ Das Recht auf Wahrung des Kindeswohls Margareta Wahlström, ehemalige Sonderbe- (Artikel 3, Absatz 1) auftragte der UN für „Disaster Risk Reduc- tion“, unterstreicht die Bedeutung einer solchen ++ Das Recht auf Leben und persönliche veränderten Sichtweise: „Die Stärkung von Entwicklung (Artikel 6) Kindern und Jugendlichen ist eine der einfachs- ten Maßnahmen zur Katastrophenreduzierung. ++ Das Recht auf Anhörung und Partizipation Wir müssen sicherstellen, dass sie aktiv in die (Artikel 12). Katastrophenreduzierung einbezogen werden und daran mitwirken, ihre Städte und Gemein- Allein schon diese vier Prinzipien lassen erken- schaften widerstandsfähig gegenüber Katastro- nen, welche Bedeutung die universell gültigen phen zu machen“ (UNISDR 2011). Kinderrechte auch für Katastrophensituati- onen haben. Die daraus abgeleiteten Rechte Dieser Schritt wurde auf der nächsten Weltkon- auf Versorgung, Schutz und Partizipation sind ferenz zur Reduzierung von Katastrophenrisiken auf Seite 11 aufgeführt und in Kapitel 2 dieses vollzogen, die im März 2015 in Sendai, Japan, Berichts näher beschrieben. stattfand. Die Teilnehmer*innen verabschiede- ten dort ein Rahmenwerk zur Reduzierung von Aktionspläne für Kinder und mit Kindern Katastrophenrisiken, das „Sendai Framework for Disaster Risk Reduction 2015–2030“. In diesem Es dauerte mehrere Jahrzehnte, bis die Prin- Rahmenaktionsplan wird zunächst festgehalten, zipien der Kinderrechtskonvention ernst- dass Kinder in vulnerablen Situationen über- haft Eingang gefunden haben in die interna- proportional von Schädigungen betroffen sind. tionalen Aktionspläne zur Reduzierung von Zudem wird gefordert, dass sie in die Planungen Katastrophenrisiken. und Standardsetzungen zur Reduzierung des Katastrophenrisikos einbezogen werden. Die Unter dem Motto „Eine sicherere Welt für alle“ Staaten werden aufgerufen, der aktiven Mitwir- kam die Weltgemeinschaft im Januar 2005 im kung von Kindern an der Katastrophenpräven- japanischen Kobe zur zweiten Weltkonferenz tion im Rahmen der Gesetze, der nationalen zur Reduzierung von Katastrophen zusam- Aktionspläne und im Bildungsbereich Raum men. Die Weltkonferenz verabschiedete einen und Möglichkeiten zu geben (UNISDR 2015b). Rahmenaktionsplan: das Hyogo Framework Kinder werden damit im Kontext der Reduzie- for Action (UNISDR 2007). Bei den Prioritä- rung von Katastrophenrisiken in einer grundle- ten für Aktionen werden darin auch Maßnah- gend neuen Weise gesehen. men für Kinder genannt. So soll die Vermitt- lung von Wissen zur Katastrophenprävention Darüber hinaus hat eine internationale Gruppe in die Lehrpläne von Bildungseinrichtungen von Hilfsorganisationen und Expert*innen 2012 integriert werden. Soziale Sicherungsnetze Mindeststandards für den Schutz von Kindern und Wiederaufbau-Programme einschließ- während der humanitären Hilfe entwickelt. Sie lich psychosozialer Trainings, die besonders beziehen sich unter anderem auf Koordinati- Kindern dabei helfen, die psychologischen on und Management von Hilfsmaßnahmen, Folgen von Katastrophen zu bewältigen, sollen angemessene Kommunikation und Informa- gestärkt und ausgeweitet werden. tion, spezielle Schutzmaßnahmen für Kinder, Berücksichtigung von besonderen Bedürfnis- Generell berücksichtigt der Rahmenaktions- sen, Zugang zu kindgerechten Schutzbereichen plan von Hyogo Kinder als besonders vulne und Aktivitäten sowie die Verankerung der rable und damit besonders schutzbedürftige Kinderrechte in anderen Feldern der humanitä- Bevölkerungsgruppe. Doch die Wahrnehmung ren Hilfe (CPWG 2012). von Kindern als eigenständige Akteure, wie sie mit der Kinderrechtskonvention geleis- Ein nächster Schritt könnte die Entwicklung von tet wurde, ließ bei der Katastrophenvorsorge Aktionsplänen für Kinder in stark von extremen im internationalen Kontext weiterhin auf sich Naturereignissen betroffenen Gebieten sein, an warten. denen Kinder mitwirken. 10 WeltRisikoBericht 2018
Kinderrechtskonvention Versorgung Kinder haben das Recht auf eine funktionie sexueller Ausbeutung. Die Staaten verpflichten rende Gesundheitsversorgung, Bildung, ange sich, Kinder vor Entführungen und Kinderhandel messene Lebensbedingungen, Ernährung und zu bewahren und ihnen im Krieg, auf der Flucht Kleidung, soziale Sicherheit und ein men oder bei Katastrophen besonderen Schutz zu schenwürdiges Wohnen. Das Recht auf einen gewähren. Namen und einen Eintrag ins Geburtenregister Partizipation ist ein fundamentales Recht wie die Staats angehörigkeit und somit das Recht auf eine Kinder haben ein Recht auf freie Meinungs persönliche Identität. äußerung und sie haben Anspruch auf eine kindgerechte Information. Die Staaten müs- Schutz sen das Recht der Kinder auf deren Anhörung, Kinder haben ein Recht auf Schutz vor körper- Mitsprache, Gedanken- und Religionsfreiheit licher und seelischer Gewalt, vor Misshand- schützen. lung oder Verwahrlosung, vor grausamer oder erniedrigender Behandlung und Folter, vor (Kinderrechtskonvention, zusammengefasst nach sexuellem Missbrauch, vor wirtschaftlicher oder UNICEF 2016) Die besondere Anfälligkeit von Kindern strophen allein sind für Kinder beängstigend und belastend, aber besonders deren Auswir- Mitwirkung und Mitsprache von Kindern kungen, wie zum Beispiel die Zerstörung müssen beim Katastrophen-Management im ihres Zuhauses, Flucht oder der Verlust von Vordergrund stehen. Trotzdem darf nicht über- Menschen aus dem nahen Umfeld, können zu sehen werden, dass extreme Naturereignisse Überforderungen bis hin zu Traumata führen. Kinder überproportional stark schädigen, zum Darüber hinaus können die Erfahrung der enor- Teil mit langfristigen Folgen (Kousky 2016). men Belastung von Eltern oder Betreuer*innen sowie der Verlust familiärer Bindungen und Katastrophen können die physische Gesundheit der Zusammenbruch von sozialen Netzwerken beeinträchtigen. Kinder werden während Kata- oder Nachbarschaften das Grundvertrauen von strophen leichter verletzt oder getötet, durch Kindern zutiefst erschüttern. eine schlechte Versorgung mit Nahrungsmitteln Kinder sind zudem nach extremen Naturer- und durch verseuchtes Wasser leiden sie häufi- eignissen besonders anfällig dafür, Opfer von ger an Unterernährung bzw. Mangelernährung Gewalt und Ausbeutung zu werden. In diesem oder beispielsweise an Durchfallerkrankungen. Zusammenhang haben die Gefahren, die auch In gravierenden Fällen kann dies Auswirkun- von Helfer*innen ausgehen können, in den letz- gen auf die körperliche Entwicklung der Kinder ten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit erhalten. haben. Darüber hinaus ist die medizinische Grundversorgung bei Katastrophen oftmals Gegenüber den Ombudsstellen bzw. Meldestel- len der Vereinten Nationen wurden im Zeitraum eingeschränkt, sodass Krankheiten nur unzu- reichend oder nicht mehr behandelt werdenApril bis Juli 2018 insgesamt 70 Missbrauchs- können. fälle gemeldet, 18 davon gegenüber Kindern unter 18 Jahren. 17 der Betroffenen waren Katastrophen können auch die psychische weiblich, einer männlich (UN 2018). Hilfsor- Gesundheit von Kindern gefährden. Kata- ganisationen sind gefordert, jede Form von WeltRisikoBericht 2018 11
Missbrauch, Ausbeutung und Gewalt durch ihre Mitgliedsorganisationen des Bündnis Entwick- Mitarbeiter*innen ebenso wie durch Außenste- lung Hilft mussten deshalb beispielsweise 2018 hende zu verhindern. ihre Hilfsmaßnahmen für die Rohingya in den Flüchtlingslagern in Bangladesch ausweiten. In Des Weiteren können Katastrophen auch die diesen Fällen ist die internationale Staatenge- Bildung von Kindern negativ beeinflussen oder meinschaft gefordert, neben der humanitären gar unterbrechen, wenn Familien getrennt Unterstützung für langfristige politische Lösun- werden, sie fliehen müssen oder Schulen gen zu sorgen. zerstört werden. Auch werden nach Katastro- phen Kinder vermehrt zum Arbeiten gedrängt, Quantitative Risikobewertung da sie ihren Familien so helfen, finanziell über die Runden zu kommen. Zum Schwerpunktthema „Kinderschutz und Kinderrechte“ liefert auch der jährlich neu Die Auswirkungen von Katastrophen auf Kinder erstellte WeltRisikoIndex wichtige Aussa- sind jedoch nicht einheitlich. Neu geborene, gen. Daten zur Situation der Kinder fließen Säuglinge, Kleinkinder, Schulkinder und explizit in den Index ein über die Angaben zu Jugendliche werden alle als Kinder bezeichnet, „Verhältnis der unter 15- und über 65-jähri- haben aber einen unterschiedlichen Entwick- gen zur erwerbsfähigen Bevölkerung (Abhän- lungsstand und damit eine unterschiedliche gigenquotient)“, „Alphabetisierungsrate“ und Anfälligkeit. „Bildungsbeteiligung“. Über die extremen Naturereignisse hinaus Bei der Risikobewertung basiert der WeltRisiko sind Kinder und Erwachsene auch durch Bericht auf dem grundsätzlichen Verständnis, Kriege, Vertreibung und Flucht gefährdet. dass für die Entstehung einer Katastrophe nicht Oftmals verstärken sich dabei die Auswirkun- allein entscheidend ist, wie hart die Gewalten gen von natürlichen und menschengemach- der Natur die Menschen treffen, sondern auch, ten Krisen gegenseitig, zum Beispiel wenn es wie Gesellschaften auf extreme Naturereig- in einem Flüchtlingslager durch Monsunre- nisse reagieren können. Bei einem geringeren genfälle zu Überschwemmungen kommt. Die Entwicklungsstand ist die Bevölkerung verletz- licher gegenüber Naturereignissen als bei einer besseren Ausgangslage hinsichtlich Anfälligkeit, Bewältigungskapazitäten und Anpassungskapa- zitäten (Bündnis Entwicklung Hilft 2011). Das Konzept des WeltRisikoBerichts Auch 2018 beinhaltet der Welt Risiko Bericht „Ob Erdbeben oder Tsunami, Wirbelsturm oder Überschwemmung: den WeltRisikoIndex, seit diesem Jahr erstellt Das Risiko, dass sich ein Naturereignis zur Katastrophe entwickelt, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Frie- ist immer nur zu einem Teil von der Stärke des Naturereignisses denssicherungsrecht und Humanitäres Völker- selbst abhängig. Wesentlich sind ebenso die Lebensverhältnisse recht (IFHV) der Ruhr-Universität Bochum. der Menschen in den betroffenen Regionen und die vorhandenen Die Berechnung des Katastrophenrisikos erfolgt Möglichkeiten, schnell zu reagieren und zu helfen. Wer vorbereitet ist, für 172 Staaten weltweit und basiert auf vier wer im Falle eines extremen Naturereignisses weiß, was zu tun ist, Komponenten (siehe Abbildung 3): hat höhere Überlebenschancen. Länder, die Naturgefahren kommen sehen, die sich auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten und ++ Gefährdung/Exposition gegenüber Erdbe- die die erforderlichen Finanzmittel bereitstellen, sind für die Zukunft ben, Wirbelstürmen, Überschwemmungen, besser gerüstet. Der WeltRisiko Bericht soll einen Beitrag dazu Dürren und Meeresspiegelanstieg leisten, diese Zusammenhänge auf globaler Ebene zu betrachten und zukunftsorientierte Schlussfolgerungen für Hilfsmaßnahmen, Politik ++ Anfälligkeit in Abhängigkeit von Infrastruk und Berichterstattung zu ziehen.“ (Bündnis Entwicklung Hilft 2011) tur, Ernährung und ökonomischen Rah- menbedingungen 12 WeltRisikoBericht 2018
Der WeltRisikoIndex und seine Komponenten Naturgefahren-Bereich Gesellschaftlicher Bereich Überschwemmungen Vulnerabilität Summe aus den drei Meeresspiegelanstieg Gefährdung Komponenten Exposition gegenüber Naturgefahren Wirbelstürme Bewältigung Anfälligkeit Kapazitäten zur Wahrscheinlichkeit, im Verringerung negativer Ereignisfall Schaden zu Auswirkungen im erleiden Ereignisfall Dürren Anpassung Erdbeben WeltRisikoIndex Kapazitäten für langfristige Anpassung Produkt aus Gefährdung und Vulnerabilität und Wandel Abbildung 3: Der WeltRisikoIndex und seine Komponenten ++ Bewältigungskapazitäten in Abhängigkeit die direkte Nachbarschaftshilfe im Katastro- von Regierungsführung, medizinischer Ver- phenfall zwar nicht messbar, aber dennoch sehr sorgung, sozialer und materieller Absiche- wichtig. Mangels Daten kann sie somit in die rung Berechnung des WeltRisikoIndex nicht einflie- ßen. Außerdem kann es Abweichungen in der ++ Anpassungskapazitäten bezogen auf kom- Datenqualität zwischen verschiedenen Ländern mende Naturereignisse, auf den Klima- geben, wenn die Datenerhebung nur durch nati- wandel und auf andere Herausforderungen. onale Autoritäten und nicht durch eine unab- hängige internationale Institution erfolgt. Die Darstellung des Katastrophenrisikos mittels des Index’ und seiner vier Komponenten macht Da die Datenqualität in ihrer Gesamtheit aber die weltweiten Hotspots des Katastrophen- gut genug ist, können auf der quantitativen risikos und die Handlungsfelder für die erfor- Grundlage des WeltRisikoIndex Handlungs- derliche Risikoreduzierung gut sichtbar (siehe empfehlungen für nationale und internationa- Kapitel 3). Trotzdem ist es wichtig, auch die le, staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure Grenzen dieser Darstellung im Blick zu behal- formuliert werden (siehe Kapitel 4). Dies wird ten: Im WeltRisikoIndex können – wie in verstärkt durch die Kombination mit der quali- jedem Index – nur Indikatoren berücksichtigt tativen Betrachtung im WeltRisikoBericht, in werden, für die nachvollziehbare, quantifizier- diesem Jahr mit dem Fokus „Kinderschutz und bare Daten verfügbar sind. Beispielsweise ist Kinderrechte“. WeltRisikoBericht 2018 13
2 inderschutz K und Kinderrechte 2.1 Der völkerrechtliche Schutz von Kindern in und nach Katastrophensituationen Grundlage für die Rechte von Kindern sind die Menschenrechte, die 1966 in Hans-Joachim Heintze den Menschenrechtspakten kodifiziert wurden. Im Zivilpakt ist der Schutz Professor für Völkerrecht, anspruch des Kindes verankert. Umfassend geregelt werden die Rechte des Institut für Friedens sicherungsrecht und Kindes erst seit 1989 in der Kinderrechtskonvention (KRK), die das Kind Humanitäres Völkerrecht, als eigenständigen Inhaber von Rechten definiert. Die KRK gilt auch in Ruhr-Universität Bochum Notstandssituationen wie Katastrophen infolge extremer Naturereignisse uneingeschränkt. Das in der Generalklausel der KRK verankerte Kindes wohl gilt als handlungsleitend und muss auch nach Katastrophen in allen Maßnahmen berücksichtigt werden. Seit 2014 können Kinder Beschwerde beim Kinderrechtsausschuss einlegen, wenn sie ihre Rechte verletzt sehen. Elf Beschwerden hat der Ausschuss seither bearbeitet. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war das Im Zentrum dieses Rechtskörpers stehen die Völkerrecht auf Staaten fokussiert. Erst mit dem Kinderrechtskonvention (KRK) von 1989 (in Inkrafttreten der Charta der Vereinten Natio- Deutschland als Übereinkommen über die nen am 24.10.1945 fand der Menschenrechts- Rechte des Kindes bezeichnet) und die darauf schutz Eingang in das Völkerrecht. Die Charta Bezug nehmenden drei Fakultativprotokolle enthielt nur ein sehr allgemeines Bekenntnis (UN General Assembly 1989). zu den Menschenrechten und Grundfreihei- ten, definierte diese aber nicht. Erst die Allge- Das Kind als Träger von Rechten meine Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 legte fest, was die Weltorganisati- Artikel 24 des Zivilpakts erwähnt ausschließlich on unter Menschenrechten verstand. Kinder- den Schutzanspruch des Kindes. Der Artikel rechte wurden in dieser Erklärung zwar nicht gewährleistet ein Recht auf Schutz des Kindes genannt, allerdings wurde durch Artikel 12 die durch die Familie, die Gesellschaft und den Familie vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen Staat ohne jede Diskriminierung. Durch die geschützt. Die Allgemeine Erklärung schuf den vorrangige Nennung der Familie trägt diese Rahmen des Menschenrechtsverständnisses die Hauptverantwortung für den Schutz des der Vereinten Nationen. Kodifiziert wurden die Kindes. Allerdings hat der Staat eine umfas- Menschenrechte in einem langen Prozess, der sende Gewährleistungspflicht. Er muss die 1966 in den UN-Menschenrechtspakten über Familien also dabei unterstützen, ihre Pflich- die bürgerlichen und politischen Rechte (Zivil- ten gegenüber Kindern wahrzunehmen. Gerät pakt) und über die wirtschaftlichen, sozialen ein Kind verschuldet oder unverschuldet in und kulturellen Rechte (Sozialpakt) mündete. eine Situation besonderer Schutzbedürftigkeit, Mit den Pakten wurde eine umfassende Kodi- ist der Staat verpflichtet, positive gesetzliche fikation der Menschenrechte eingeleitet, die oder administrative Maßnahmen zu ergrei- auch rechtliche Sicherheit über den Status und fen. Artikel 24 kodifiziert jedoch keine spezi- den Schutz des Kindes im Völkerrecht schuf. fischen Rechte des Kindes als Individuum WeltRisikoBericht 2018 15
und ermöglicht nicht, die Bestimmungen des Kind als eine Person unter 18 Jahren, sofern Paktes auf Kinder generell anzuwenden. Eben- die nationale Rechtsordnung keine andere Fest- so enthält er keine Definition des Rechtsbegriffs legung hinsichtlich der Volljährigkeit enthält. „Kind“. Allerdings ergibt sich aus dem Gesamt- Beachtung verdient, dass die KRK mit Ausnah- zusammenhang, dass auch mündige Minder- me der USA weltweit gilt und sowohl politische jährige bzw. Jugendliche erfasst sein sollen. und Bürgerrechte als auch wirtschaftliche, sozi- Vorrangige Bedeutung haben für Kinder die ale und kulturelle Rechte enthält. So genießt Rechte im Menschenrechtspakt über die wirt- das Kind laut KRK zum Beispiel das Recht schaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. auf Staatsangehörigkeit (Artikel 7), auf freie In diesem sind Rechte auf Bildung, Gesundheit Meinungsäußerung (Artikel 12), auf Schutz vor und angemessenen Lebensstandard verankert. körperlicher und geistiger Gewaltanwendung und Misshandlung (Artikel 19), auf Schulbil- Ende der 1980er Jahre wurde im Rahmen der dung (Artikel 28) und auf Therapie und Rehabi- Entspannungspolitik zwischen Ost und West litation (Artikel 39). eine verstärkte Zusammenarbeit im ideologisch hoch aufgeheizten Menschenrechtsbereich Rechte des Kindes in Katastrophen- möglich. Sie umfasste auch eine detaillierte situationen Regelung der Kinderrechte. Mit der KRK wurde 1989 ein Vertrag geschaffen, der das Kind nicht Die Child Protection Working Group, ein mehr nur als schutzbedürftiges Rechtssubjekt, weltweites Forum für die Koordination des sondern auch als eigenständigen Inhaber von Kinderschutzes in humanitären Krisen, hat Rechten definiert. Ihm stehen Rechte ebenso sich mit der Leugnung von Kinderrechten, dem zu wie Erwachsenen, allerdings verschiedent- Missbrauch, der Ausbeutung und der Gewalt lich in einer kinderspezifischen Ausgestaltung. gegen Kinder in Notsituationen befasst und Das Kind hat Rechte, weil es ein Kind ist, und Mindeststandards aufgestellt, wie auf diese Rechte werden ihm nicht versagt, weil es noch Kinderrechtsverletzungen reagiert und wie sie nicht erwachsen ist. Zudem wird das Kind nicht verhindert werden können (CPWG 2012). Die mehr nur als Teil der Familie oder einer sozia- Expertengruppe hat herausgearbeitet, dass in len Gruppe angesehen. Die KRK definiert das Krisen- und Notstandssituationen der Schutz Internationale Geschichte der Kinderrechte seit 1945 1945 1946 1948 1953 R Mit dem Inkrafttreten der k Im Dezember wird das k Die Allgemeine Erklärung k UNICEF wird als permanenter UN-Charta am 24. Oktober Kinderhilfswerk der Vereinten der Menschenrechte im Bestandteil im UN-System findet der Menschenrechts- Nationen (UNICEF) gegründet, Dezember verankert in Art. 25 verankert und auf die globale schutz erstmals Eingang in um Nothilfe für Kinder in den den Anspruch von Kindern Unterstützung von Kindern das bis dahin staatszentrierte Ländern zu leisten, die der auf besondere Fürsorge und ausgerichtet. Völkerrecht. 2. Weltkrieg zerstört hat. Unterstützung. 16 WeltRisikoBericht 2018
der Kinderrechte besonders wichtig ist. Zu eingeschränkt werden können. Vorteilhaft beachten sind insbesondere die Zahl der betrof- für die Durchsetzung der Kinderrechte ist vor fenen Kinder, die Art des Schutzproblems, die diesem Hintergrund, dass sowohl der Sozialpakt Organisation und Stabilität des Staates vor und als auch die KRK durch keine Notstandsklausel während der Notsituation, die Möglichkeit des wie in Artikel 4 des Zivilpakts eingeschränkt betroffenen Staates zur Reaktion und die Natur sind. Somit sind die niedergelegten Rechte in des Notstandes. Alle Aktionen des Kinder- der KRK sowie im Sozialpakt vollinhaltlich in schutzes bei natur- oder menschengemach- Kraft und Abweichungen auch in Notstands- ten Katastrophen müssen auf der rechtlichen situationen nicht gestattet. Die KRK nimmt Grundlage der einschlägigen Menschenrechts- nicht explizit auf komplexe Notsituationen verträge basieren. und den Schutz der Kinder Bezug. Gleichwohl muss der Ausgangspunkt aller Schutzmaßnah- Kinder sind entsprechend der Konzeption men das in Artikel 3 – der Generalklausel der des völkerrechtlichen Menschenrechtsschut- KRK – verankerte Kindeswohl sein. Artikel 4 zes auch Träger der in den Verträgen nieder- führt aus, dass die Staaten alle Maßnahmen für gelegten Rechte, wobei die KRK als nahezu die Verwirklichung der in der KRK anerkann- universell ratifizierte kinderspezifische Ausge- ten Rechte treffen müssen. Bezüglich der wirt- staltung vorrangig anzuwenden ist. Diese schaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte Rangfolge ist durchaus von Bedeutung, weil sind die Maßnahmen unter Ausschöpfung ihrer Staaten nach Artikel 4 des Zivilpakts im Falle verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im eines öffentlichen Notstandes, der das Leben Rahmen der internationalen Zusammenarbeit einer Nation bedroht und der amtlich verkün- zu ergreifen. det ist, in dem Umfang, den die Lage unbedingt erfordert, Menschenrechte außer Kraft setzen Schutz: Die noch in Entwicklung befindli- können. Eine Katastrophe infolge eines extre- che körperliche und mentale Ausbildung von men Naturereignisses – das zeigte das Erdbe- Kindern, die sozialen Bedingungen und die ben in Haiti 2010 – kann das Leben einer Nati- Abhängigkeit von Erwachsenen beeinflussen on bedrohen, sodass politische und bürgerliche die Möglichkeiten von Kindern, Katastrophen Rechte wie zum Beispiel die Meinungsfreiheit zu überleben oder mit deren Konsequenzen 1959 1966 1979 k Die Erklärung der Rechte des k Der Internationale Pakt über k Der Internationale Pakt über k Die UN rufen das Internatio Kindes wird am 20. November bürgerliche und politische wirtschaftliche, soziale und nale Jahr des Kindes aus mit als Resolution 1386 von der Rechte setzt das Recht jedes kulturelle Rechte verankert dem Ziel, Bedürfnissen von UN-Generalversammlung Kindes auf die Registrierung das Recht auf Schutz vor Kindern mehr Beachtung zu verabschiedet. nach der Geburt, einen Namen wirtschaftlicher und sozialer schenken. und eine Nationalität fest Ausbeutung für Kinder, das (Art. 24). Recht auf ein Mindestarbeits- alter für Kinder (Art. 10.3), das Recht auf Gesundheit (Art. 12), das Recht auf Bildung (Art. 13) und die allgemeine Schulpflicht (Art. 14). WeltRisikoBericht 2018 17
umzugehen. Auch deshalb stellen Kinder geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, oftmals die Mehrzahl der Opfer von extremen Sozial- und Bildungsmaßnahmen ergreifen, Naturereignissen. So waren zwei Drittel der um das Kind vor jeder Form körperlicher und Opfer des Erdbebens von 1998 in Armenien geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung Kinder, die in Schulen umkamen. Die Über- oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder schwemmungen 2010 in Pakistan betrafen 20 Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung Millionen Menschen, die Hälfte davon Kinder, oder Ausbeutung zu bewahren. Diese Vorschrift von denen 2,8 Millionen jünger als fünf Jahre findet sich in keinem anderen Menschenrechts- waren (Bizzarri 2012, 396). Somit muss das vertrag. Sie bezieht sich in erster Linie auf Miss- Kindeswohl auch in komplexen Notsituatio- stände innerhalb einer Familieneinheit, die in nen wie extremen Naturereignissen in Verbin- Notsituationen schwerwiegende Konsequenzen dung mit Konflikten und Massenfluchten im haben können. Deshalb kommt dem Staat dies- Vordergrund stehen. Bei extremen Naturer- bezüglich eine Gewährleistungsverpflichtung eignissen muss dies vor allem bedeuten, ihnen zu, die auch zu Eingriffen in das Familienle- Schutz zu gewähren. Dazu gehören in gleicher ben berechtigt. Der Tsunami 2004 führte vor Weise Maßnahmen gegen die Auswirkungen Augen, dass Eltern aus Armut und angesichts des Naturereignisses wie der Schutz vor Entfüh- der Zerstörung der Lebensgrundlagen zu nega- rung, körperlicher und seelischer Gewalt und tiven Bewältigungsmechanismen greifen und Vernachlässigung. Vor diesem Hintergrund Kinder sehr früh verheiraten oder verkaufen. So wird deutlich, dass der Beachtung von Bürger- wurden unter 13 Jahre alte Mädchen an sehr viel rechten von Kindern grundlegende Bedeutung ältere „tsunami widowers“ in Indien, Sri Lanka zukommt. Dies beginnt mit der Verpflichtung und Aceh verkauft (Felten-Biermann 2006, nach Artikel 7 KRK, das Kind unverzüglich 82). In der Praxis zeigte sich, dass die Verwal- nach der Geburt in ein Register einzutragen, tungsorgane der betroffenen Gebiete mit den ihm einen Namen zu geben und eine Staatsan- Gewährleistungsverpflichtungen oft überfor- gehörigkeit zu erwerben. Das Kind erhält damit dert waren. Folglich muss in ähnlich gelagerten eine Identität, die durch den Staat zu schützen Fällen internationale Hilfe intensiviert werden, ist. Artikel 19 KRK fordert, dass Staaten – auch wobei die KRK durchaus als Rechtsgrundlage die von einer Katastrophe betroffenen – alle angesehen werden kann. 1989 1990 1991 1999 k Die Kinderrechtskonvention k Die Kinderrechtskonvention k Der UN-Ausschuss für die k Das Übereinkommen wird von der UN-Generalver- tritt am 2. September in Kraft. Rechte des Kindes wird am über das Verbot und unver- sammlung am 20. November 27. Februar gegründet und zügliche Maßnahmen zur angenommen. Kinder sind von k Der erste Weltkindergipfel überwacht die Einhaltung der Beseitigung der schlimmsten da an nicht mehr nur schutz- findet vom 29. bis 30. Septem- Kinderrechtskonvention. Formen der Kinderarbeit (ILO- bedürftige Rechtssubjekte, ber in New York statt. Übereinkommen Nr. 182) wird sondern eigenständige Inhaber am 19. Juni von der ILO in Genf von Rechten. verabschiedet. 18 WeltRisikoBericht 2018
Wenn der Staat bei den vorliegenden Tatbe- die Wasserversorgung zusammen und anste- ständen selbst in Familien für den Kinderschutz ckende Krankheiten breiten sich aus. So traten tätig werden muss, so gilt das erst recht für den Durchfallerkrankungen in Bangladesch nach sonstigen Schutz des Kindes vor Gewaltanwen- der Flutkatastrophe 1990 stark gehäuft auf und dung. Das bedeutet konkret, dass in Notsitua- führten in Verbindung mit mangelhafter Ernäh- tionen eine erhöhte Wachsamkeit der Polizei rung zum Tod vieler Kinder (WHO 2003). Nach und Behörden erforderlich ist, um Verbrechen Artikel 24 KRK verpflichten sich die Staaten, ein zu verhindern und die Familienzusammen- Höchstmaß an Gesundheit zu erreichen. Dazu führung zu ermöglichen. Die Praxis bestätigt, sind alle verfügbaren Mittel zu nutzen. Neue wie dringlich die Durchsetzung und Kontrol- Möglichkeiten müssen eingesetzt werden, um le des Kindeswohls ist. Ein besonderes Prob- den Gesundheitsschutz effektiv und schnellst- lem stellen Waisen und unbegleitete Kinder in möglich voranzutreiben. In dem Artikel wird Notunterkünften nach Katastrophen infolge unter anderem ein Zusammenhang zwischen extremer Naturereignisse dar, da sie beson- Gesundheit und angemessener Ernährung ders gefährdet sind, Opfer von Menschenhan- hergestellt. Die Pflicht zur Bekämpfung von del, Zwangsarbeit, illegaler Adoption, sexueller Unterernährung betrifft im Grundsatz vor allem Ausbeutung und der Zwangsrekrutierung in Entwicklungsländer, ist aber nach Katastrophen Streitkräften zu werden. Zahlen machen dies auch auf andere betroffene Staaten anwendbar. deutlich: Der Tsunami in Banda Aceh machte Katastrophen haben häufig auch zahlreiche 2.800 Kinder zu Waisen. Das Erdbeben 2010 mentale Krankheiten bei Kindern zur Folge, die in Haiti führte dazu, dass 7.300 Kinder von einer Behandlung bedürfen. Menschenhändler*innen in die Dominikanische Republik verbracht wurden. Nach dem Zyklon Bildung: Neben der Gesundheit stellt das Nargis in Myanmar 2008 wurden Hunderte Recht auf Bildung Staaten, die von extremen Kinder in die Position von Hausbediensteten Naturereignissen betroffen sind, vor große gezwungen (Bizzarri 2012, 396). Herausforderungen. So wurden durch das Hochwasser in Pakistan 2010 nahezu 8.000 Gesundheit: Notsituationen bedingen große Schulen zerstört, was umso problematischer gesundheitliche Risiken, denn oftmals bricht war, weil die Schulen auch als Zufluchtsorte 2002 k Das Fakultativprotokoll zur 2012 2014 k Das Fakultativprotokoll zur Kinderrechtskonvention zur k Das Global Protection Cluster, k Das Fakultativprotokoll zur Kinderrechtskonvention zum Beteiligung von Kindern an ein Bündnis aus NGOs und Kinderrechtskonvention zum Verkauf von Kindern, zu Kinder- bewaffneten Konflikten tritt am UN-Organisationen, stellt die Mitteilungsverfahren tritt am prostitution und Kinderpor- 12. Februar in Kraft. Mindeststandards für Kinder- 14. April in Kraft. nografie tritt am 18. Januar in schutz in der humanitären Hilfe Kraft. k Der zweite Weltkindergipfel vor. Die Standards werden unter dem Motto „Eine Welt – von relevanten staatlichen fit für Kinder“ findet im Mai in und nichtstaatlichen Akteuren New York statt. sowie von UN-Organisationen umgesetzt (z. B. UNHCR, UN OCHA). WeltRisikoBericht 2018 19
Ecuador Kinderschutz vom Papier in die Praxis bringen Rang 55 im WeltRisikoIndex Länderprofil Wetterphänomene wie starke Hitze- und Kälteperioden, Dürren und Hagelstürme WeltRisikoIndex 8,10 % Ecuador im Nordwesten Südamerikas ist in sowie der Anstieg des Meeresspiegels und mehrfacher Hinsicht ein vielfältiges Land. ein Rückgang der Artenvielfalt gefährden Exposition 17,63 % Geografisch teilt sich die Landschaft in die die landwirtschaftliche Produktivität und Küstenregionen im Westen, die zentrale die Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Vulnerabilität 45,94 % Andenregion mit ihren hohen, von Vulka- nen geprägten Bergketten und das Amazo- Situation von Kindern nas-Tiefland im Osten. Außerdem gehören die vorgelagerten Galapagos-Inseln zum Rechten von Kindern wird in Ecuador nur Staatsgebiet. Auch in ethnischer Hinsicht ist eine geringe Bedeutung beigemessen. Ecuador durch viele unterschiedliche Bevöl- Kinder ethnischer Minderheiten sind in kerungsgruppen und Sprachen geprägt. erhöhtem Maß von Diskriminierung betrof- fen. Außerdem werden Mädchen in der Seine Lage im Pazifischen Feuerring macht patriarchal geprägten Gesellschaft struk- das Land extrem anfällig für Vulkanaus- turell benachteiligt und sind häufig Opfer brüche, Erdbeben und Tsunamis. Von den von Gewalt. Obgleich Ecuador die meisten mindestens 55 Vulkanen gelten 18 als aktiv. internationalen Abkommen zum Kinder- Zusätzlich ist Ecuador stark von den Folgen schutz ratifiziert hat, sind die Umsetzung des Klimawandels betroffen. Extreme und Einhaltung noch unzureichend. 20 WeltRisikoBericht 2018
Situation der Kinder Regierungsbehörden startete Plan Interna- Regierungen und Institutionen geringer tional ein Nothilfe-Programm in der beson- ausfiel als erwartet. Die Regierung Ecua- ders betroffenen Provinz Manabí. Zum dors gründete zudem eigene Koordinie- 28,4 % Nothilfe-Programm gehörte die Errichtung rungsforen für die Nothilfe, parallel zu Anteil der Bevölkerung unter 14 Jahren von 23 Kinderschutzbereichen in Notunter- denen der Vereinten Nationen. Für eine 2,1 % künften in acht Bezirken, um Kinder vor Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch zu sinnvolle Zusammenarbeit mussten Hilfsor- ganisationen an beiden Foren teilnehmen. Anteil der Kinder im Grundschulalter, die nicht in die Schule gehen schützen und Fällen von Kinderrechtsver- Dies erhöhte den Abstimmungsbedarf und letzungen frühzeitig entgegenzuwirken. erschwerte in einigen Fällen die Entschei- k. A. Jeden Tag fanden dort Veranstaltungen für dungsfindung und Arbeit vor Ort. Anteil der arbeitenden Kinder (7–14 Jahre) Kinder verschiedener Altersgruppen statt. Betreuer*innen suchten das Gespräch Ergebnisse und Wirkung k. A. mit den Kindern und halfen ihnen bei der Anteil der untergewichtigen Kinder Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnis- Bis April 2017 erreichte die Nothilfe von in Relation zur Größe (0–5 Jahre) se. Bei Spielen und Notfallübungen lernten Plan International nach dem Erdbeben die Kinder in altersgerechter Weise, wie 36.900 Kinder. 3.250 Mädchen und Jungen 3,8 % sie sich in Gefahrensituationen und im Fall profitierten direkt von den Aktivitäten in Kindersterblichkeit unter 5 Jahren (pro von extremen Naturereignissen schützen den Kinderschutzbereichen. Unter Leitung 1.000 Lebendgeburten) können. Dazu gehörten zum Beispiel Übun- der Betreuer*innen entwarfen viele Kinder gen zur Evakuierung von Gebäuden sowie Lebenspläne, die ihnen halfen, wieder posi- zur Zusammenstellung eines „Notfallruck- tiv in die Zukunft zu schauen. sacks“ mit wichtigen Gegenständen und haltbaren Lebensmitteln. Außerdem übten Das Bildungsministerium übernahm im sie grundlegende Hygienepraktiken ein, Zuge der Nothilfe das Handbuch „More um Krankheiten vorzubeugen. Education, Less Risk“ in seinen Lehrplan, welches im Rahmen eines früheren Projek- Darüber hinaus wurden in den Gemeinden tes von Plan International entwickelt Projektkontext und Projektaktivitäten Kinderschutzkomitees gegründet und deren worden war. Lehrkräfte verbesserten in Mitglieder zu Gewaltprävention, Schutzme- Trainings ihre Kenntnisse zu Evakuierung Am 16. April 2016 erschütterte ein Erdbe- chanismen und Kinderrechten geschult. Die und Erster Hilfe und lernten Methoden der ben der Stärke 7,8 den Nordwesten von Komitees übernahmen eine zentrale Rolle psychosozialen Unterstützung kennen. Ecuador. Mehr als 660 Menschen starben, darin, die Schutzstrukturen für Kinder in rund 80.000 verloren ihr Zuhause und ihre ihren Gemeinden zu stärken, gefährdete Seitens der Behörden gab es vor dem Lebensgrundlagen. Zusätzlich beschädigte Kinder zu identifizieren und ihnen in Fällen Erdbeben keine einheitlichen Vorgaben das Erdbeben landesweit rund 560 Schu- von Gewalt die notwendige Unterstützung für den Kinderschutz in Notsituationen. len. Die Regierung erklärte den Notstand zukommen zu lassen. Auch für die Eltern Kompetenzen und Verantwortlichkeiten für sechs Provinzen. gab es Veranstaltungen zum Kinderschutz. waren häufig unklar und führten zu einer Sie beschäftigten sich mit Symptomen von mangelnden Koordinierung der Kinder- Während die Nothilfe der Regierung in psychosozialem Stress und lernten, wie sie schutzmaßnahmen verschiedener Institu- den städtischen Gebieten vergleichswei- gewaltfrei reagieren können. Für die Kata- tionen. In Kooperation mit UNICEF schulte se schnell anlief, war die Unterstützung in strophenvorsorge erstellten sie unter ande- Plan daher Mitarbeitende von Behörden den ländlichen Regionen zunächst gering rem Übersichten von besonders gefähr- und Organisationen zur Bedeutung klarer und der humanitäre Bedarf groß. In den deten Gebieten in ihren Gemeinden und Verfahren und Verweissysteme sowie zur improvisierten Zeltkonstruktionen, die die identifizierten sicherere Orte, an denen es Umsetzung von Mindeststandards zum betroffene Bevölkerung selbst errichtete, keine Gefahr durch umstürzende Gebäude, Kinderschutz in Notsituationen. Das führ- fehlten Wasser- und Sanitäranlagen ebenso Strommasten oder Bäume gibt. te dazu, dass die staatlichen Verfahren an wie Schutz- oder Sicherheitsvorkehrungen. diese Mindeststandards angepasst wurden. Überfüllung und mangelnde Privatsphäre Herausforderungen in der Umsetzung Rebekka Balser, Juniorreferentin Disaster Risk in den Unterkünften ließen das Risiko für Management für Lateinamerika, Plan Internatio- Gewalt, insbesondere gegenüber Frauen Nach dem Erdbeben war die Regie- nal Deutschland und Kindern, ansteigen. rung Ecuadors bemüht, die Nothilfe in Christina Frickemeier, Referentin Projektdoku- den betroffenen Regionen überwiegend mentation, Plan International Deutschland Gemeinsam mit internationalen Part- selbstständig zu bewältigen. Dies führte Rüdiger Schöch, Teamleiter Disaster Risk nern und in enger Abstimmung mit den dazu, dass die Unterstützung von anderen Management, Plan International Deutschland WeltRisikoBericht 2018 21
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