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Demografiepolitik im Querschnitt Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode
Vorworte In den Händen halten Sie das dreiteilige Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Themenfeld Demografie in dieser Legislaturperiode: politisch und wissenschaftlich, analog und digital, im Querschnitt und fachspezifisch. Die Demografie ist eine der ältesten Sozialwissenschaften der Welt. Und ihre Zielgruppe ist stets von beeindruckender Größe: Sie umfasst die gesamte Bevölkerung, von Jung bis Alt. Die Bundesregierung hat mit ihrer Demografiestrategie „Jedes Alter zählt“ eine breite Auseinandersetzung mit den demografischen Herausforderungen und Chancen in © Bundesregierung/Kugler unserem Land in Gang gebracht. Für das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat stand in dieser Legislaturperiode die Umsetzung der Strategieziele durch einen intensiven Dialog mit den Regionen sowie einen breiten Wissenstransfer aus der Wis- senschaft in die Praxis im Mittelpunkt. Angesichts der deutschen EU-Ratspräsident- schaft nahm zugleich der intensive Austausch mit den europäischen Nachbarn großen Raum ein. Dies spiegelt sich in den beiden Demografiebänden des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat und des Bunde- sinstituts für Bevölkerungsforschung wider. In ihnen finden Sie eine Fülle von Praxisbeispielen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ergänzt werden diese durch ein Schwerpunktkapitel zur Demografiesicherung im Zeichen der Babyboomer sowie zur Relevanz der Bevölkerungsdaten in Zeiten der Covid-19-Pandemie. Die Bände geben eine Rückschau auf Entwick- lungen des vergangenen und einen Ausblick auf die Trends des kommenden Jahrzehnts. Als Schirmherr der Programme Work4Germany und Tech4Germany freut mich dabei besonders die Beteiligung des Bundes- ministeriums des Innern, für Bau und Heimat am Pilotjahrgang von Work4Germany, wodurch die Erstellung des Demografie- berichts in digitaler Form unterstützt und dadurch Demografie auch digital zugänglich wird. Sie sind eingeladen, sich mit Bildern, Videos, Links und weiteren Anregungen online und offline über wichtige demografische Themen zu informieren. Ich wünsche Ihnen beim Erkunden viel Freude und spannende Erkenntnisse! Prof. Dr. Helge Braun, MdB Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramts 2 Demografiepolitik im Querschnitt
Strategische Ansätze zu entwickeln, gehört zum Kerngeschäft einer jeden Bundesregie- rung. Je größer die inhaltliche Themenfülle, desto komplexer ist die strategische Archi- tektur, die versucht, eine gestalterische Antwort zu geben. Die Demografiestrategie der Bundesregierung formuliert schon in ihrem Titel „Jedes Alter zählt“ einen breiten Anspruch: Eine Bevölkerung von mehr als 83 Millionen Menschen ist reich an komplexen Konstel- lationen: Jung und Alt, Verheiratete und Alleinstehende, Berufstätige und Ruheständler, Sesshafte und Mobile – jede und jeder von uns gehört dazu mit den Bedürfnissen und Wünschen hinsichtlich Zusammenhalt, funktionierender Infrastrukturen und tragfähi- © BMI/Bertrand ger Wirtschafts- und Finanzsysteme. Das alles befindet sich in einem fragilen System von Abhängigkeiten und Widersprüchen, die es auszutarieren und aufzulösen gilt. Eine wohl durchdachte und fein abgestimmte Strategie ist dabei ein wertvolles Funda- ment; ohne praktische Umsetzung bliebe sie gleichwohl nur ein kühner Anspruch. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat diese Legislaturperiode ganz in das Zeichen der Umsetzung gestellt. Als federführendes Ressort, das vor allem im Querschnitt aller Handlungsfelder der Strategie tätig ist, hat es auf allen Ebenen gewirkt: Vor Ort in Süd und Nord mit Demografiedialogen in den Kommunen, zur Demografiesicherung im öffentlichen Dienst mit den anderen Ressorts und auf europäischer Ebene im Austausch mit unseren Nachbarn zu den vielen Gemeinsamkeiten der innereuropäischen Bevölkerungsentwicklung. Die Demografie als wissenschaftliche Disziplin kann – zumindest eine gewisse Zeitspanne – in die Zukunft blicken und uns mit Simulationen und Berechnungen auf aktuelle Trends und künftige Entwicklungen einstellen. Wachstum durch Zuwande- rung, Alterung durch hohe Lebenserwartung und niedrige Geburtenraten, aber auch territoriale Disparitäten durch Wohl- standsgefälle sind kein deutsches Phänomen allein. Gefühlten Wahrheiten dabei immer wieder mit präzisen, wissenschaftlich fundierten Analysen entgegen zu treten ist Aufgabe des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden. Nicht zuletzt Corona hat gezeigt, wie relevant und wertvoll die Erkenntnisse der Demografieforschung sind, wenn es beispielsweise um die Verknüpfung von Krankenhauskapazitäten mit dem Anteil von Menschen mit Vorerkrankungen in den Regionen geht. Hierzu und zu vielem mehr finden Sie in den beiden Demografiebänden des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sowie in dem digitalen Angebot des Ministeriums und seines Forschungsinstituts umfassende Erklärungen und prak- tische Beispiele. Viel Vergnügen auf Ihrer demografischen Reise! Dr. Markus Kerber Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode 3
Inhalt I. Demografische Entwicklungen verstehen und gestalten: Miteinander und chancenorientiert! 6 1. Demografische Entwicklung oder „Fakten contra Fake News“ 8 2. Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse – Auftrag der Kommission und Säule der Demografiestrategie 14 3. …und darüber hinaus: Herausforderungen und Chancen in nahezu allen Lebensbereichen oder „Die Demografiestrategie der Bundesregierung“ 16 4. „Jedes Alter zählt“ als politischer Auftrag: Der Gestaltungsanspruch des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat 20 II. Demografie im Querschnitt – Beispiele nationaler Umsetzung 26 1. Zusammen vor Ort im Demografiedialog: Kommune – Land – Bund 28 2. Arbeiten im Ressort- und Länderkreis: Der Wandel vollzieht sich fachübergreifend und regional unterschiedlich 32 3. Demografieportal im neuen Gewand: Modernes und responsives Design flankiert die Einführung der Ländermonate 34 4. Politikberatung: Maßgeschneidert in alle Richtungen 38 5. Demografiesicherung am Arbeitsmarkt: Der öffentliche Dienst geht voran 42 III. Ein europäisches Netzwerk entsteht 46 1. Initiative auf EU-Ebene 48 2. Bilateraler Austausch 50 3. Nicht zusammen und doch ganz nah: Virtuell und ministeriell auf EU-Ebene 52 IV. Demografie – ein weltumspannendes Thema 54 1. Die Bevölkerungskommission der Vereinten Nationen (VN) 56 2. Der Blick nach Asien und darüber hinaus 60 3. Ein Portal zieht in die Welt – mit einem Koffer voller Know-how! 64 V. Covid-19-Pandemie – Bevölkerungsstrukturdaten aufarbeiten und vermitteln 66 VI. Demografie 4.0 oder „Jedes Alter (er)zählt“ 72 VII. Ein Blick in die Zukunft 76 1. Bewährtes fortführen 78 2. Weltweite Entwicklungen aufgreifen und eigene Akzente setzen 80 Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode 5
I. Demografische Entwicklungen verstehen und gestalten: Miteinander und chancenorientiert! 6 Demografiepolitik im Querschnitt
Quelle: pixelfit/E+/Getty Images Der demografische Wandel wird die Voraussetzungen für das Wohlstandsniveau auch für künftige Generationen zu die Entwicklung von Wohlstand und Lebensqualität in den erhalten und die Voraussetzungen hierfür sind günstiger als nächsten Jahren und Jahrzehnten in Deutschland deutlich je zuvor. Sie sollen im Folgenden kurz dargestellt und verändern. Unsere Gesellschaft wird älter und – zumindest anhand von Zahlen und Fakten untermauert werden. Denn auf lange Sicht – wahrscheinlich kleiner. Zudem wird sie Aufgabe von Politik ist es, nachvollziehbar und transparent auch vielfältiger werden, unter anderem durch Zuwande- zu sein. Zudem lassen sich auf diese Weise sogenannte fal- rung. Bevölkerungsbezogene Prozesse sind dabei maßgeb- sche Behauptungen oder Falschnachrichten, wie sie auch in lich für alle wichtigen Lebensbereiche: Ballung der Bevöl- Bezug auf demografiepolitische Aspekte – sei es im Bereich kerung in bestimmten Regionen und Arbeitsmärkten, von Geburtenraten oder Wanderungsbewegungen – vor- Wohnen und Pendeln, Nachfrage nach schulischer Bildung, kommen, am ehesten widerlegen. Zwar hat es diese soge- Nachfrage und Nutzung von digitaler Infrastruktur, von nannten „fake news“ schon immer gegeben und wird es Angeboten der Gesundheitsversorgung und vieles andere immer geben. In Zeiten von Social Media, in denen sich mehr. Diese Faktoren wiederum bestimmen auch darüber Lügen und Falschmeldungen in Sekundenschnelle in der mit, wie lange und wie gesund Menschen leben, wo sie sich ganzen Welt verbreiten, gilt es jedoch, diesen mit besonde- niederlassen und wie viele Kinder sie bekommen (wollen). rem Nachdruck vorzubeugen und entgegenzutreten, sowie wissenschaftlich fundierten Fakten eine noch größere Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer Demografiepoli- Reichweite zu verschaffen. tik das Ziel, bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um das wirtschaftliche Wachstumspotenzial zu stärken und Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode 7
1. Demografische Entwicklung oder „Fakten contra Fake News“ Deutschland ist seit der Wiedervereinigung gewachsen: von 79,9 Millionen Menschen im Jahr 1990 auf heute 83,2 Millionen (Stand 2019). Die im Demografiebericht der Bundesregierung 2011 geäu- Deutschland aus Europa. Konkret sind zwischen 2011 und ßerte Erwartung, dass sich der seit 2003 beobachtete negati- 2019 rund 13,4 Millionen Menschen nach Deutschland zu- ve Trend in der Bevölkerungsentwicklung in den kommenden und 9 Millionen Menschen aus Deutschland weggezogen. Jahren weiter fortsetzen und verstärken wird, hat sich damit Rund zwei Drittel der Zugewanderten stammte dabei aus nicht bestätigt. Hierzu haben in erster Linie die Wanderungs- europäischen Staaten (einschließlich Russische Föderation, bewegungen aus (ost- und süd-)europäischen Staaten seit ohne Türkei). Das Wanderungssaldo (Zuzüge abzüglich Fort- 2011 beigetragen. Zudem wurden vor allem in den Jahren züge, auch Nettozuwanderung genannt) betrug im genann- 2015 und 2016 hohe Zuwanderungszahlen von Schutzsu- ten Zeitraum somit 4,4 Millionen Menschen. Aus europä- chenden verzeichnet. Auch wenn die außereuropäische ischen Staaten zogen netto 2,6 Millionen Menschen nach Zuwanderung in den letzten Jahren häufig im Fokus stand, Deutschland, darunter rund 2,2 Millionen Menschen aus der stammte – mit Ausnahme der Jahre 2015 und 2016 – die EU. Aus Asien sind netto knapp 1,7 Millionen Menschen und deutlich überwiegende Mehrheit der Zuwanderer nach aus Afrika gut 300 Tausend Menschen zugewandert. Abb. 1: Wanderungssaldo zwischen Deutschland und Weltregionen im Zeitraum 2011 bis 2019 Europa (einschl. Russland, ohne Türkei) 2,6 Asien (einschl. Türkei) 1,7 Afrika 0,3 Amerika 0,1 Australien 0,0 Herkunfts- bzw. Zielregion unbekannt -0,3 Saldo der Zu- und Fortzüge in Millionen Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen und Darstellung: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 8 Demografiepolitik im Querschnitt
Darüber hinaus ist seit 2012 die Geburtenrate in Deutsch- Zugleich erreichen immer mehr Menschen ein höheres land – auf niedrigem Niveau – merklich angestiegen und Lebensalter bei besserer körperlicher und geistiger Gesund- erreichte im Jahr 2016 mit 1,59 Kindern pro Frau den höch- heit. Aktuell (Sterbetafel 2017 / 2019) beträgt die Lebenser- sten Wert seit 1972. Im Jahr 2019 war die Geburtenrate mit wartung für neugeborene Mädchen 83,4 Jahre, für neuge- 1,54 Kindern pro Frau etwas niedriger, aber weiterhin über borene Jungen 78,6 Jahre und liegt somit für Mädchen rund dem langjährigen Mittel. Die Zunahme der Geburtenrate 5 und für Jungen rund 7 Jahre höher als noch im Jahr 1990. zeigte sich sowohl bei Frauen ausländischer als auch deut- scher Staatsangehörigkeit. Abb. 2: Lebenserwartung bei Geburt in West- und Ostdeutschland* (1990/1992 bis 2017/2019) Lebenserwartung in Jahren 85 80 75 70 65 1990/1992 1995/1997 2000/2002 2005/2007 2010/2012 2017/2019 männlich/West weiblich/West männlich/Ost weiblich/Ost *ab 1999/2001 jeweils ohne Berlin Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Darstellung: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Die hohe Lebenserwartung, gepaart mit einer – trotz dern pro Frau. Diese Geburtenrate wäre für den Erhalt der Zunahme in den letzten Jahren – anhaltend niedrigen Elterngeneration durch die Kindergeneration erforderlich. Geburtenrate prägt den Prozess der demografischen Alte- Folglich würde eine dauerhaft unter diesem Wert liegende rung, den Deutschland mit der überwiegenden Zahl der Geburtenrate ohne Zuwanderung dazu führen, dass die westlichen Industrienationen teilt. So liegt die Geburtenra- jeweils nachfolgende Generation kleiner wird als die vor- te aktuell in allen Staaten Europas sowie Nordamerikas – in hergehende Generation. der Mehrheit dieser Staaten sogar deutlich – unter 2,1 Kin- Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode 9
Abb. 3: Geburtenrate (Kinder je Frau) in Weltregionen und ausgewählten Staaten (2015 bis 2020) Niger 7,0 Somalia 6,1 Nigeria 5,4 AFRIKA 4,4 WELT 2,5 OZEANIEN 2,4 Indien 2,2 ASIEN 2,2 LATEINAMERIKA U. KARIBIK 2,0 Frankreich 1,9 Vereinigte Staaten 1,8 NORDAMERIKA 1,8 China 1,7 EUROPA 1,6 Deutschland 1,6 Japan 1,4 Italien 1,3 Singapur 1,2 Südkorea 1,1 Datenquelle: UN, Darstellung: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Dieser Prozess bringt Herausforderungen mit sich, die sich sich in einem anderen Teil Deutschlands niederzulassen – vor allem aus einem veränderten Verhältnis zwischen jün- sei es, weil sie woanders bessere Erwerbschancen sehen gerer und älterer Bevölkerung ergeben, so zum Beispiel im oder weil sie für sich selbst und ihre Kinder mehr Zugang Bereich des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungs zu Bildung und Infrastruktureinrichtungen aller Art wün- systeme. Und er macht sich vor allem dort bemerkbar, wo schen. insbesondere jüngere Menschen ihre Heimat verlassen, um Abb. 4: Altenquotient in ausgewählten Staaten und Weltregionen (2020) Verhältnis von Älteren (65+) zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (20 bis unter 65 Jahre) Japan 1 : 1,9 Italien 1 : 2,5 Frankreich 1 : 2,7 Deutschland 1 : 2,7 Vereinigtes 1 : 3,1 EUROPA 1 : 3,1 Vereinigte Staaten 1 : 3,5 China 1 : 5,4 Königreich ASIEN 1 : 6,8 Indien 1 : 8,8 AFRIKA 1 : 13 Nigeria 1 : 15,8 Datenquelle: UN, Berechnungen und Darstellung: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 10 Demografiepolitik im Querschnitt
Abb. 5: Bevölkerung nach Altersgruppen in Weltregionen und ausgewählten Staaten (2020) Nigeria AFRIKA Indien WELT 2,7 3,5 6,6 9,3 35,3 33,3 43,1 54,1 45,8 50,7 58,1 57,4 LATEINAMERIKA UND KARIBIK ASIEN Vereinigte Staaten NORDAMERIKA 9,0 8,9 16,6 24,8 16,8 24,4 32,1 31,2 59,0 60,0 58,6 58,8 China EUROPA Deutschland Japan 12,0 23,4 19,1 21,1 21,7 18,9 28,4 17,0 64,6 59,8 59,4 54,6 Anteil in Prozent: unter 20 Jahre 20 bis 64 Jahre 65 Jahre und älter Datenquelle: UN, Berechnungen und Darstellung: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Abb. 6: Lebenserwartung bei Geburt in Weltregionen und ausgewählten Staaten (2015 bis 2020) Japan 84 Schweiz 84 Italien 83 Frankreich 83 Deutschland 81 Vereinigte Staaten 79 OZEANIEN 78 EUROPA 78 China 77 LATEINAMERIKA U. KARIBIK 75 ASIEN 73 WELT 72 Indien 69 AFRIKA 63 Nigeria 54 Lesotho 54 Zentralafrikanische Republik 53 Datenquelle: UN, Darstellung: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode 11
Wanderungsbewegungen in Form von Zuwanderung, aber Bereich der Binnenwanderung eine Trendwende zu ver- vor allem solche innerhalb Deutschlands, die sogenannte zeichnen ist: Dies betrifft zum einen eine Zunahme der Binnenwanderung, prägen die zahlen- und altersmäßige Wanderungen in mehr ländliche Kreise. Zudem fallen die Verteilung der Menschen im Land. Neben ländlich gepräg- weiter positiven Wanderungsraten der Städte für die 18- bis ten Regionen waren in der Vergangenheit vor allem ost- 29-Jährigen, die sogenannten Ausbildungs- und Arbeits- deutsche Landesteile von Abwanderung betroffen. So sind platzwanderer, nicht mehr so stark aus wie zuvor, während zwischen 1991 und 2019 insgesamt 3,9 Millionen Men- es eine tendenziell steigende Abwanderung aus den Städ- schen von Ost nach West umgezogen. Im Saldo haben die ten für die 30- bis 49-Jährigen, auch Familienwanderer ostdeutschen Länder (ohne Berlin) insgesamt 1,2 Millionen genannt, gibt. Und schließlich: Seit 2017 ziehen wieder Menschen durch Abwanderung an den Westen verloren. mehr Menschen vom Westen in den Osten als umgekehrt. Dabei ist hervorzuheben, dass bereits seit 2011 auch im Ein Teil davon kehrt zurück in die Heimatregion. Abb. 7: Wanderungen zwischen West- und Ostdeutschland* (1991 bis 2019) Personen in 1.000 250 200 150 Wanderungsverlust Ostdeutschland 100 50 0 1991 2000 2009 2018 Umzüge von Ost nach West Umzüge von West nach Ost *jeweils ohne Berlin Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen und Darstellung: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Gleichwohl sind Verteilung und altersmäßige Zusammen- Die Folgen dieser Entwicklungen für die altersmäßige setzung der Bevölkerung in den Regionen Deutschlands Zusammensetzung sind bereits heute spürbar: Während der nach wie vor sehr unterschiedlich. Sie verstärken die ohne- Altersdurchschnitt in Deutschland 2019 bei 44,5 Jahren lag, hin innerhalb Deutschlands bestehenden erheblichen Dis- verzeichneten fünf Kreise bzw. kreisfreie Städte ein Durch- paritäten sowohl in den regionalen Einkommens- und schnittsalter von über 50 Jahren, darunter die kreisfreie Beschäftigungsmöglichkeiten als auch bei der Sicherung Stadt Suhl mit dem deutschlandweit höchsten Durch- der Mobilität und beim Zugang zu Angeboten der Daseins- schnittsalter aller Kreise und kreisfreien Städte (50,8 Jahre). vorsorge. Strukturstärkere Regionen profitieren auch vom Auf der anderen Seite betrug das Durchschnittsalter in Zuzug qualifizierter Menschen aus dem In- und Ausland. 6 Kreisen bzw. kreisfreien Städten weniger als 41 Jahre, dar- Strukturschwächere Regionen gewinnen diese meist nicht unter die kreisfreie Stadt Heidelberg mit dem niedrigsten und verlieren zugleich jüngere, oft gut gebildete Menschen. Durchschnittsalter (40,4 Jahre). Auf 100 Personen im Alter 12 Demografiepolitik im Querschnitt
von 20 bis 64 Jahren kamen 2019 in Deutschland 36 Perso- i nen über 65. Im Osten ist der entsprechende Wert mit 46 deutlich höher als im Westen, wo dieser bei 35 liegt (jeweils ohne Berlin). Das wirkt sich auf die Daseinsvorsorge ent- sprechend aus. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat mit seiner Heimatabteilung und als Koordina- tor der Demografiepolitik geht das Thema Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gleich von mehreren Seiten an, Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung ist eine siehe hierzu insbesondere Kapitel I.2. Ressortforschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. Es betreibt Grundlagenforschung zu Ursachen und Folgen des demografischen Wandels und ist darüber Abb. 8: Durchschnittsalter in Landkreisen und kreisfreien hinaus im Bereich der Politikberatung tätig. Mehr zum Städten (2019) Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung findet sich im Kapitel I.4. Durchschnitts- Rang kreisfreie Stadt bzw. Landkreis alter 1 Heidelberg, kreisfreie Stadt 40,4 2 3 Freiburg im Breisgau, kreisfreie Stadt Offenbach am Main, kreisfreie Stadt 40,6 40,7 i 4 Frankfurt am Main, kreisfreie Stadt 40,8 Der Bericht des Bundesinstituts für Bevölkerungsfor- 5 Darmstadt, kreisfreie Stadt 40,8 schung ist Teil eines dreiteiligen Résumés der Demogra- fiepolitik des Bundesministeriums des Innern, für Bau 14 München, kreisfreie Stadt 41,6 und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode: Der erste Teil besteht aus dem vorliegenden Bericht, der ins- 18 Köln, kreisfreie Stadt 41,8 besondere diejenigen Formate und Aktivitäten darstellt, 21 Hamburg, kreisfreie Stadt 42,1 die vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat in Umsetzung der Demografiestrategie der Bun- 34 Berlin, kreisfreie Stadt 42,6 desregierung durchgeführt wurden. Darüber hinaus 397 Greiz, Landkreis 50,2 werden die Schnittstellen zu zahlreichen Fachthemen, 398 Mansfeld-Südharz, Landkreis 50,2 insbesondere die Bedeutung des demografischen Wan- dels für den öffentlichen Dienst angesprochen. In einem 399 Altenburger Land, Landkreis 50,3 zweiten, forschungsbasierten Teil, dem Bericht des Bun- 400 Dessau-Roßlau, kreisfreie Stadt 50,4 desinstituts für Bevölkerungsforschung, liegt der Fokus 401 Suhl, kreisfreie Stadt 50,8 auf einer intensiven Aufbereitung der Daten und Fakten Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen: Bundesinstitut für Bevölkerungs- zur demografischen Entwicklung. Dabei adressiert das forschung Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung die Entwick- lung nicht nur in Deutschland, sondern auch im europä- ischen Vergleich sowie im internationalen Kontext. Es Zur demografischen Entwicklung im Einzelnen wird auf die widmet sich einzelnen Aspekten verstärkt (zum Beispiel detaillierten Ausführungen des Bundesinstituts für Bevölke- der Stadt-Land-Wanderung) und nimmt dabei einen rungsforschung Bezug genommen, aus dem sich wertvolle, Zeithorizont bis 2040 in den Blick. Schließlich werden in aus den Befunden wissenschaftlicher Forschung abgeleite- einem dritten Teil des Résumés die Kernelemente der te, Impulse für die künftige Politikgestaltung ergeben. Demografiepolitik des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat erstmals auch in digitaler Form angeboten; mehr hierzu im Kapitel VI und unter www.demografiepolitik.de/4you/de Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode 13
2. Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse – Auftrag der Kommission und Säule der Demografiestrategie Wo fühle ich mich wohl? Wie sieht es mit der Versorgung von Gütern und Dienstleistungen aus? Wie kann ich Lebensqua- lität in meiner Kommune mitgestalten? Kann ich im Alter in meinem gewohnten Umfeld leben? Mit diesen Fragen hat sich zuletzt vor allem die vom Bun- Auf der Grundlage der Abschlussberichte der sechs Fachar- deskabinett am 18. Juli 2018 eingesetzte Kommission beitsgruppen der Kommission hat der Bundesminister des „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ befasst. Als Herzstück Innern, für Bau und Heimat zusammen mit seinen Co-Vor- der Heimatpolitik der Bundesregierung sollte sie vor dem sitzenden, der Bundesministerin für Ernährung und Land- Hintergrund des demografischen Wandels Empfehlungen wirtschaft und der Bundesministerin für Familie, Senioren, erarbeiten, wie wir die Lebensbedingungen vor Ort verbes- Frauen und Jugend Vorschläge für die Weiterentwicklung sern können. Richtschnur war dabei, echte Chancen zu der aktiven Struktur- und vor allem Regionalpolitik erarbei- eröffnen für jeden einzelnen auf Zugang zu Bildung, Arbeit, tet. „Unser Plan für Deutschland - Gleichwertige Lebens- Wohnen, Wohlstand, Sport und Infrastruktur – ob in Gel- verhältnisse überall“ www.bmi.bund.de/SharedDocs/ senkirchen, in der Lausitz oder in Hamburg. downloads/DE/publikationen/themen/heimat-integration/ schlussfolgerungen-kom-gl.html wurde am 10. Juli 2019 dem Bundeskabinett vorgestellt. Als eine von vier Säulen der Demografiestrategie ist die Förderung der Gleichwer- i tigkeit der Lebensverhältnisse schon seit langem im Blick der Bundesregierung und damit des Bundesministeriums Aus dem Kabinettbeschluss zur Einsetzung des Innern, für Bau und Heimat. der Kommission vom 18. Juli 2018: „Auf der Basis eines gemeinsamen Verständnisses gleichwertiger Lebensverhältnisse ist Ziel der Kommissi- „Wenn Unterschiede in onsarbeit die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen den Lebensverhältnissen mit Blick auf unterschiedliche regionale Entwicklungen zu einem Nachteil werden, und den demografischen Wandel in Deutschland.“ muss sich die Politik kümmern.“ Bundesinnenminister Horst Seehofer Quelle: www.bmi.bund.de 14 Demografiepolitik im Querschnitt
Abb. 9: Demografiestrategie der Bundesregierung (Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse) Für mehr Wohlstand und Lebensqualität aller Generationen Gewährleistung solider Förderung der Finanzen für die Stärkung des Förderung des sozialen Gleichwertigkeit der Handlungsfähigkeit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensverhältnisse in des Staates und Wachtumspotenzials Zusammenhalts den Regionen verlässliche soziale Sicherungssysteme ∙ Potenziale zur ∙ Familie als Gemeinschaft ∙ Wirtschaftkraft und ∙ Tragfähigkeit der Fachkräftesicherung Innovationspotenzial öffentlichen im In- und Ausland • Eine jugendgerechte Gesellschaft ländlicher und städtischer Finanzen Regionen • Gute Bildung als • Selbstbestimmtes Leben im Alter • Verlässlichkeit der Investition in die • Förderung der Infrastruktur sozialen Zukunft • Eine inklusive Gesellschaft und Erleichterung der Sicherungssysteme Anpassung von Einrich- • Produktivität durch • Bürgerschaftliches Engagement tungen der Daseinsvorsorge • Attraktiver und Innovationen und moderner Investitionen • Gesundheitsförderung und • Förderung nachhaltiger öffentlicher Dienst zukunftsfähige Versorgung bei Stadtentwicklung und Krankheit, Pflegebedürftigkeit integrativer Stadtgesell- und für Menschen mit Demenz schaften Quelle und Darstellung: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Eine der Empfehlungen der Kommission in ihren Schluss- i folgerungen ist die Unterstützung aller strukturschwachen Hintergrund der Kommissionsempfehlung: Regionen – ländlicher wie städtischer – im gesamten Bun- desgebiet. Hier kommt der Gemeinschaftsaufgabe „Verbes- Nach der deutschen Einheit war die regionale Struktur- serung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) aufgrund politik insbesondere auf das Zusammenwachsen von des hohen Fördervolumens in Höhe von jährlich 1,2 Milliar- Ost und West ausgerichtet. Durch das Auslaufen des den Euro besondere Bedeutung zu. Um im Rahmen dieser Solidarpakts II zum Ende des Jahres 2019, der den Förderung dem demografischen Wandel Rechnung zu Großteil der investiven Maßnahmen des Bundes in den tragen, soll künftig eine demografische Komponente Ein- ostdeutschen Ländern zusammenfasste, bestand Hand- gang in das zu Grunde liegende Indikatorensystem finden. lungsbedarf. Gleichzeitig stehen auch strukturschwache So können die zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklungs- Regionen in Westdeutschland vor wirtschaftlichen Her- und Erwerbspotenziale in der Region und die Bedeutung ausforderungen. Diesen beiden Entwicklungen folgend des demografischen Wandels einschließlich der Wande- haben sich die Koalitionspartner im Koalitionsvertrag rungsbewegungen für die Strukturpolitik angemessen für die 19. Legislaturperiode auf die Schaffung eines berücksichtigt werden. Das Bundeskabinett hat am neuen gesamtdeutschen Fördersystems für struktur- 28. Oktober 2020 den Gesetzentwurf des Bundesministeri- schwache Regionen verständigt. ums für Wirtschaft und Energie zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regiona- len Wirtschaftsstruktur“ beschlossen. Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode 15
3. …und darüber hinaus: Herausforderungen und Chancen in nahezu allen Lebensbereichen oder „Die Demografiestrategie der Bundesregierung“ Die Förderung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den Regionen mit den dazugehörigen Handlungsfeldern nimmt in der Demografiestrategie der Bundesregierung einen breiten Raum ein. Die im Jahr 2012 vorgelegte und 2015 weiterentwickelte der Bevölkerungsentwicklung ausgerichtet. Sie zeigt daher Demografiestrategie mit dem Titel „Jedes Alter zählt“ ist alle Handlungsfelder auf, die für die politische Gestaltung jedoch umfassend und aktiv auf die Nutzung der Chancen des demografischen Wandels relevant sind. Abb. 10: Demografiepolitik der Bundesregierung Demografiestrategie „Jedes Alter zählt“ Start Arbeits- Weiterentwicklung gruppenprozess Demografiestrategie Beschluss einer Erster Strategiekongress Weitere Umsetzung der Demografiestrategie Demografiegipfel Demografie Demografiestrategie 1992 2009 2011 2012 2013 2015 2017 seit 2018 Bundestag: Demografiebericht Zweiter Dritter Einsetzung einer Demografiegipfel Demografiegipfel Enquête-Kommission Ergebnisbericht der Arbeitsgruppen Demografiepolitische Bilanz Quelle und Darstellung: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat 16 Demografiepolitik im Querschnitt
In Kenntnis der demografischen Herausforderungen hatte Kernelelement der Strategie ist der umfassende und andau- die Bundesregierung im Koalitionsvertrag von 2009 ernde Dialogprozess mit Gestaltungspartnern aus den Län- beschlossen, bis zum Jahr 2012 eine ressortübergreifende dern und Kommunen, den Sozialpartnern, Verbänden, der Demografiestrategie zu erarbeiten. Grundlage für die politi- Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, www.demo- schen Entscheidungsträger bildete der im Herbst 2011 vor- grafie-portal.de/DE/Politik/Bund/Dialogprozess/Dialog- gelegte Demografiebericht. Der Bericht stellte erstmals prozess.html. Daher wurde auf Grundlage der Strategie ein umfassend die bereits eingetretene und die zukünftig Arbeitsgruppenprozess mit zahlreichen Gestaltungspart- absehbare demografische Entwicklung in Deutschland dar. nern angestoßen. Zuletzt, bis Ende 18. Legislaturperiode im Er zeigte, dass bereits in allen wichtigen Politikfeldern Jahr 2017, hatten sich zehn Arbeitsgruppen mit allen Maßnahmen mit Blick auf den demografischen Wandel Lebens- und Politikbereichen, die vom demografischen ergriffen wurden. Der Bericht betonte zugleich die Notwen- Wandel berührt werden, befasst, www.demografie-portal. digkeit für eine übergeordnete, an strategischen Zielen aus- de/DE/Politik/Bund/Dialogprozess/Arbeitsgruppen/ gerichtete Politik. Auf dieser Grundlage hat die Bundesre- arbeitsgruppen.html. gierung im Frühjahr 2012 ihre Demografiestrategie „Jedes Alter zählt“ vorgelegt, www.demografie-portal.de/DE/ Service/Publikationen/2012/demografiestrategie-der- bundesregierung.pdf. Quelle: Henning Schacht Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode 17
Mit Kabinettbeschluss vom 14. Januar 2015 wurde das Bun- Zentrales Element dieser weiterentwickelten Demografie- desministerium des Innern, für Bau und Heimat beauftragt, strategie sind die dort definierten vier Oberziele: die Demografiestrategie der Bundesregierung aus der vor- angegangenen Legislaturperiode unter der Überschrift „Für l Stärkung des wirtschaftlichen Wachstumspotenzials, mehr Wohlstand und Lebensqualität aller Generationen“ unter Beteiligung der Ressorts weiterzuentwickeln. Dabei l Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, wurden insbesondere die Zielsetzungen und ihr Zusam- menhang mit den Handlungsfeldern der Strategie auch l Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse sowie unter Einbeziehung der Ergebnisse der Arbeitsgruppen weiter konkretisiert, die bislang erreichten Fortschritte bei l Gewährleistung solider Finanzen für die Handlungs- der Gestaltung des demografischen Wandels aufgezeigt fähigkeit des Staates und verlässlicher sozialer Siche- und die Schwerpunktmaßnahmen der Bundesregierung in rungssysteme. der 18. Legislaturperiode dargestellt. Diesen Zielen wurden jeweils Unterziele und Handlungsfel- der zugeordnet, die es zum Zwecke der Zielerreichung poli- tisch zu gestalten gilt. Veranschaulicht wird dies im folgen- den Vier-Säulen-Diagramm: Abb. 11: Demografiestrategie der Bundesregierung Für mehr Wohlstand und Lebensqualität aller Generationen Gewährleistung solider Förderung der Finanzen für die Stärkung des Förderung des sozialen Gleichwertigkeit der Handlungsfähigkeit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensverhältnisse in des Staates und Wachtumspotenzials Zusammenhalts den Regionen verlässliche soziale Sicherungssysteme ∙ Potenziale zur ∙ Familie als Gemeinschaft ∙ Wirtschaftkraft und ∙ Tragfähigkeit der Fachkräftesicherung Innovationspotenzial öffentlichen im In- und Ausland • Eine jugendgerechte Gesellschaft ländlicher und städtischer Finanzen Regionen • Gute Bildung als • Selbstbestimmtes Leben im Alter • Verlässlichkeit der Investition in die • Förderung der Infrastruktur sozialen Zukunft • Eine inklusive Gesellschaft und Erleichterung der Sicherungssysteme Anpassung von Einrich- • Produktivität durch • Bürgerschaftliches Engagement tungen der Daseinsvorsorge • Attraktiver und Innovationen und moderner Investitionen • Gesundheitsförderung und • Förderung nachhaltiger öffentlicher Dienst zukunftsfähige Versorgung bei Stadtentwicklung und Krankheit, Pflegebedürftigkeit integrativer Stadtgesell- und für Menschen mit Demenz schaften Quelle und Darstellung: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat 18 Demografiepolitik im Querschnitt
Dabei stehen die Handlungsfelder und Ziele nicht statisch www.demografie-portal.de/DE/Politik/Bund/ nebeneinander, sondern befinden sich in einem Abhängig- Dialogprozess/Arbeitsgruppen/ergebnisbericht- keitsverhältnis mit Wechselwirkungen. Dies bedeutet, dass arbeitsgruppen-2017.pdf Veränderungen in einem oder mehreren Handlungsfeldern einer Säule unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die Themen einer anderen Säule haben können. So liegt es beispielsweise auf der Hand, dass ein flächendeckender Zugang zu Bildungseinrichtungen und gut ausgebildete Fachkräfte (Säule 1) über gute Chancen am Arbeitsmarkt zur Stabilität unseres Sozialversicherungssystems (Säule 4) beitragen. Umgekehrt kann ein Rückgang der Anzahl von Menschen, die ein Ehrenamt ausüben (Säule 2) durchaus dort problematisch werden, wo Mobilitätsangebote in man- chen Regionen Deutschlands nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen und durch private Fahrer, etwa durch eine Rentnerin, die sich im Bereich der Jugendsozialarbeit Quelle: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat engagiert, ersetzt werden. Dem Bundeskabinett wurde die weiterentwickelte Demo- Die Umsetzung der Demografiestrategie – gemeinsam mit grafiestrategie am 2. September 2015 vorgelegt. den Partnern aus den Ländern, den Kommunen, der Wirt- schaft, Wissenschaft und Gesellschaft – dauert bis heute an. www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/ Orientierung ist hierfür vor allem eine der jeweiligen publikationen/themen/heimat-integration/demografie/ Lebenssituation angepasste, generationenübergreifende demografiestrategie-weiterentwicklung.html Politik, die Entwicklungschancen für Menschen jeden Alters frühzeitig erkennt und fördert. Dabei erfolgt die Umsetzung Mit der demografiepolitischen Bilanz zum Ende der der Strategie zu einem großen Teil in den jeweiligen 18. Legislaturperiode hat die Bundesregierung im Jahr 2017 Fachressorts. So werden zum Beispiel Maßnahmen zur Ver- schließlich in dreizehn Politikfeldern die für die Gestaltung einbarkeit von Familie und Beruf oder seniorenpolitische des demografischen Wandels wesentlichen Trends sowie Maßnahmen durch das Bundesministerium für Familie, wichtige von der Bundesregierung in der Legislaturperiode Senioren, Frauen und Jugend auf den Weg gebracht und ergriffene Maßnahmen dargestellt. arbeitsmarktpolitische Maßnahmen durch das Bundesmini- sterium für Arbeit und Soziales, die auch für die jeweilige An die 2015 weiterentwickelte Demografiestrategie und die Gesetzgebung zuständig sind. Im Bundesministerium des dort definierten Ziele knüpfte sie dabei an. Die Bilanz resü- Innern, für Bau und Heimat besteht eine besondere miert, dass die Herausforderungen durch den demografi- Zuständigkeit für das Recht des öffentlichen Dienstes sowie schen Wandel mit dem ab Mitte der 2020er Jahre zu erwar- für die Heimatpolitik, die Themen Stadtentwicklung, tenden Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus Wohnen, und Bauen sowie für die Digitalisierung der Bun- dem Erwerbsleben weiter zunehmen und die Bundesregie- desverwaltung. Vor allem aber ist das Bundesministerium rung die Verzahnung der Ressortaktivitäten und ihre des Innern, für Bau und Heimat als Koordinator und Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Akteurin- Impulsgeber an der Schnittstelle der von der Strategie nen und Akteuren daher fortsetzen und verstärken wird. umfassten Handlungsfelder zuständig. Es hat somit im Zudem wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen veröf- Querschnitt der Lebensbereiche einen weiten Gestaltungs- fentlicht. spielraum, den es in unterschiedlicher Weise ausfüllt. www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/ publikationen/themen/heimat-integration/demografie/ demografiebilanz.html Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode 19
4. „Jedes Alter zählt“ als politischer Auftrag: Der Gestaltungsanspruch des Bundesmini steriums des Innern, für Bau und Heimat Viele dieser Lebensbereiche sind – wie oben schon ausgeführt – eng miteinander verknüpft. Das heißt Änderungen in einem Bereich tangieren – mal mehr, mal weniger – auch andere Bereiche. So wird der aktuelle Anstieg der Geburtenrate nicht nur als diese zu nutzen, werden reelle Chancen und die Vorausset- Folge der Zuwanderung, sondern als unmittelbare Folge zungen für die Teilhabe am Leben in unserer Gesellschaft familienpolitischer Maßnahmen wie des Elterngeldes und geschaffen. weiterer Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesehen, www.bib.bund.de/Publikation/2013/Wir- Die Möglichkeiten und Errungenschaften der Digitalisie- kungen-des-Elterngelds-auf-Einkommen-und-Fertilitaet. rung können in diesem Zusammenhang Türen öffnen – weil html. Und wo mehr Angebote zur Gesundheitsprävention zum Beispiel Bildungsangebote auch in abseits gelegenen und ein arbeitnehmerfreundliches Arbeitsumfeld bestehen, Regionen in virtueller Form genutzt werden können oder werden vermutlich auch mehr Fachkräfte zu finden sein. die Telemedizin hochbetagten Bürgerinnen und Bürgern Zuletzt und aktuell hat uns das Geschehen um die Covid- eine Fahrt in die Praxis der weit entfernten Stadt erspart. 19-Pandemie deutlich vor Augen geführt, wie groß die All dies gilt es, im Sinne einer proaktiven Demografiepolitik Abhängigkeiten sind. Nur ein vernetztes und alle Lebensbe- zu berücksichtigen. reiche mitdenkendes politisches Vorgehen ist in der Lage, diese Krise sowie künftige Krisen zu bewältigen. Weitere Zu diesem Zweck hat das Bundesministerium des Innern, Ausführungen hierzu finden sich in Kapitel V. für Bau und Heimat an der Schnittstelle der Fachpolitiken in der 19. Legislaturperiode bewährte Formen der Zusam- Alles in allem sind die in Kapitel I geschilderten Entwick- menarbeit fortgesetzt und intensiviert und zugleich neue lungen – ganz gleich, ob diese deutlich ausfallen oder sich Formate entwickelt und umgesetzt. Allen Formaten gemein erst in Anfängen abzeichnen – in demografischer Hinsicht ist, dass sie in hohem Maße Kommunikation und/oder Ver- positiv zu bewerten. Eine zunehmend hohe Lebenserwar- netzung mit und zwischen einer Vielzahl betroffener Akteu- tung stellt enormes Potenzial dar: für jede und jeden Ein- rinnen und Akteure ermöglichen und fördern. Zudem eröff- zelnen, aber auch für die Wirtschaft und die Gesellschaft neten die im Zuge der Zuständigkeitserweiterung des Bun- eines Landes und damit für dessen Wohlstand. Daneben ist desministeriums des Innern, für Bau und Heimat für die aber auch zu berücksichtigen: Allein das Vorhandensein Themen Heimat, Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, und die Verfügbarkeit von Infrastrukturen reichen nicht, um Stadtentwicklung sowie Bauen und Wohnen – jenseits der einerseits die Wirtschaftskraft und unseren Wohlstand und bisherigen Fachzuständigkeit für das Dienstrecht – weitere andererseits den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fachbezogene Gestaltungsmöglichkeiten zur Umsetzung erhalten und zu stärken. Vielmehr ist eine umfassendere der Demografiestrategie. Wo immer dies möglich ist, soll- Sichtweise erforderlich. Nur wenn jede und jeder Einzelne ten diese im Zusammenwirken mit den in der Strategie Zugang zu technischen und sozialen Infrastrukturen – ins- genannten Akteurinnen und Akteuren auch künftig ausge- besondere zur Bildungsinfrastruktur – erhält und fähig ist, schöpft werden: Auf der Ebene der Bundesregierung mit 20 Demografiepolitik im Querschnitt
dem Bundeskanzleramt und den Ressorts, darüber hinaus und Migration, um für die Öffentlichkeit aktuelle Fakten mit den Ländern und ihren Demografiebeauftragten, und Trends der demografischen Entwicklung bereit zu stel- modellhaft mit Landkreisen und Kommunen direkt vor Ort, len. Dabei erhebt das Bundesinstitut für Bevölkerungsfor- mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und schung auch eigene Daten und steht national und interna- Forschung und solchen der Zivilgesellschaft. tional im Austausch mit wissenschaftlichen Partnern. Zugleich berät das Institut Bund und Länder umfassend zu Dabei dienen die Maßnahmen zur Umsetzung vor allem den Forschungsthemen. Dabei investiert die Bundesregie- folgenden vier Zielen: rung nicht nur in Grundlagenforschung, sondern auch in Politikberatung. Die Eröffnung des Berliner Büros des Insti- l Einen breiten Wissenstransfer von der Wissenschaft in tuts im Jahr 2018 war insoweit ein wichtiger Schritt. Hier- die Politik ermöglichen durch wird die Kommunikation des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung sowohl mit dem Bundesministeri- l Den Erfahrungsaustausch mit den Praktikern vor Ort um des Innern, für Bau und Heimat als auch mit weiteren initiieren Bundesressorts und sonstigen politischen Akteurinnen und Akteuren in Berlin erleichtert und verstärkt. l Ein europäisches Netzwerk der Demografiepolitik schaffen l Die internationalen Kooperationsplattformen stärken i Weitere Einzelheiten zum Bundesinstitut für Bevölke- rungsforschung, insbesondere zu den einzelnen For- schungsbereichen, finden sich hier: www.bib.bund.de Breiter Wissenstransfer von der Wissenschaft in die Politik Demografiepolitik sollte, wie Politik im Allgemeinen, nicht allein auf eigener Wahrnehmung, gefühlten Entwicklungen oder anekdotischen Erzählungen beruhen. Sie sollte viel- mehr evidenzbasiert sein. Das heißt, alle Entscheidungen und Maßnahmen zur Gestaltung des demografischen Wan- dels sollten auf Zahlen und Fakten sowie den Ergebnissen von Wissenschaft und Forschung beruhen. Instrumente hierzu sind beispielsweise die Durchführung von Bevölke- rungsstudien, die Auswertung von Bevölkerungsstrukturda- ten, der Austausch zu Szenarien, das Lernen von Verglei- chen, das Verdeutlichen grundlegender Mechanismen der Wechselwirkung von Bevölkerung und sozialen Prozessen sowie die Evaluation der Wirkung von politischen Maßnah- men und Programmen. Nur so können sie einer breiten Bevölkerung vermittelt und von dieser akzeptiert und mit- Quelle: Isabel Pavia/Moment/Getty Images getragen werden. Die Bundesregierung investiert seit Jahrzehnten in die Grundlagenforschung der Bevölkerungswissenschaft. Am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden arbeiten derzeit über 60 Mitarbeitende zu verschiedenen Forschungsthemen auf den Gebieten Fertilität, Mortalität Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode 21
i Nur informiertes Verwaltungshandeln führt zu nachvoll- FReDA – Das Leuchtturmprojekt ziehbaren und glaubwürdigen Ergebnissen. Daher sollen auch die Mitarbeitenden des Bundesministeriums des Der wichtigste Schritt zur Sicherung der demografischen Innern, für Bau und Heimat, deren Arbeit Bezug zum Forschung – sowohl durch das Bundesinstitut für Bevöl- Thema Demografie aufweist, durch diverse Veranstaltungen kerungsforschung als auch durch die akademische For- über aktuelle Forschungsthemen des Bundesinstituts für schung in Deutschland insgesamt – ist die Förderung Bevölkerungsforschung informiert werden. der Dateninfrastruktur FReDA – das familiendemografi- sche Panel. Dabei steht FReDA für „Family Research and Demographic Analysis“. FReDA wird unter Federführung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung ab 2021 Erfahrungsaustausch mit den Praktikern vor Ort ein Befragungsprogramm durchführen, bei dem eine große repräsentative Stichprobe der 18- bis 49-jährigen Demografiepolitik sollte – jenseits der Betrachtung von Wohnbevölkerung Deutschlands halbjährlich zu ver- Zahlen und Fakten – ein lebendiges Bild von den Lebens- schiedensten familiendemografischen Themen befragt welten der Menschen vor Augen haben. Dabei gilt es, die wird, etwa zu Kinderwünschen, Vereinbarkeitsproble- Erfahrungen der Akteurinnen und Akteure zu berücksichti- men, zur Beziehung zu den eigenen Eltern oder zur Nut- gen, die einerseits tagtäglich den Herausforderungen des zung von Reproduktionsmedizin. Die Fragebögen ent- Wandels begegnen und andererseits politische Maßnahmen halten „offene Module“, die es allen Forscherinnen und umsetzen. Der demografische Wandel findet vor Ort in den Forschern in Deutschland ermöglichen werden, eigene Kommunen statt. Hier sind die Auswirkungen für die Men- Fragen einzubringen, um so die eigenen Forschungsin- schen unmittelbar spürbar, hier wird bereits seit einigen teressen zu bearbeiten. Die erhobenen Daten werden der Jahren an neuen Konzepten und Lösungsansätzen zur Wissenschaft zeitnah zur Verfügung gestellt. Das Bun- Gewährleistung der Daseinsvorsorge und Sicherung der desinstitut für Bevölkerungsforschung wird außerdem Lebensqualität gearbeitet. Nicht immer gelingt es, die die Politik regelmäßig und zeitnah über die wichtigsten gewonnenen Erkenntnisse und bereits vorhandene Erkenntnisse aus FReDA direkt informieren. FReDA füllt Lösungsansätze aus einer Region Deutschlands an die Bun- eine wichtige Lücke, die sich dadurch auftut, dass die despolitik heranzutragen oder an eine andere Region Erhebungsprogramme Generations and Gender Survey Deutschlands weiterzugeben. Daher sieht sich das Bundes- (GGS) und pairfam (Beziehungs- und Familienpanel) ministerium des Innern, für Bau und Heimat an der Schnitt- auslaufen, und sichert so über das Jahr 2021 hinaus die stelle aller demografischen Themen in besonderem Maße Grundlagen für demografische Forschung in Deutsch- gefordert, hier als eine Art Demografielotse tätig zu werden land. und Menschen und Projekte miteinander zu vernetzen. Das insbesondere durch die Forschung und Beratung durch Europäisches Netzwerk der Demografiepolitik das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung gewonnene Wissen weiter zu vermitteln, ist eines der Anliegen des Der demografische Wandel verändert nicht nur Deutsch- Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, das in land, sondern alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, mehreren Formaten verfolgt wird. Im Fokus steht dabei der wenn auch nicht immer auf dieselbe Weise oder in gleicher Dialog der Praxis mit der Wissenschaft, die ihrerseits durch Geschwindigkeit. Die Bevölkerung aller Mitgliedstaaten das Zusammentreffen mit Interessengruppen und durch wird in den nächsten Jahrzehnten altern; in vielen Mitglied- Abstimmungsprozesse lernen kann, Befunde aus dem Labor staaten wird sie auch schrumpfen. Sowohl innerhalb der in die Realität zu übersetzen. Europäischen Union als auch innerhalb der Mitgliedstaaten selbst bestehen bereits heute zum Teil erhebliche regionale Unterschiede in den Bereichen Bevölkerungsentwicklung, Kinder und Familie, Binnen- und Außenwanderung, Alte- rung und Sozialsysteme, Wirtschaft und Arbeitsmarkt sowie 22 Demografiepolitik im Querschnitt
Bildung. Es ist zu erwarten, dass sich diese künftig in Teilen den Erfahrungsaustausch über nationale Grenzen hinweg verstärken werden. Während die Akteurinnen und Akteure durchzuführen und gegebenenfalls Synergien zu schaffen. in Wissenschaft und Forschung europaweit sehr gut ver- Wo gemeinsame Positionen gefunden werden, können netzt sind, findet ein Austausch zu Fragen des demografi- diese auch gegenüber internationalen Partnern mit größe- schen Wandels auf politischer Ebene EU-weit bislang nur rem Nachdruck geltend gemacht werden. Ziel ist daher die zu speziellen Einzelaspekten, wie beispielsweise zu Fragen Schaffung eines europäischen Netzwerks der Demografie- der Raumordnung, statt. Das Bundesministerium des politik. Innern, für Bau und Heimat sieht großes Potenzial darin, Abb. 12: EU-Mitgliedstaaten und ihre Bevölkerungszahl in Millionen (2020) Länderkürzel: (AT) Österreich (BE) Belgien (BG) Bulgarien (CY) Zypern (CZ) Tschechien FI (DE) Deutschland 5,5 (DK) Dänemark (EE) Estland SE (ES) Spanien 10,3 (FI) Finnland (FR) Frankreich (EL) Griechenland EE (HR) Kroatien 1,3 (HU) Ungarn LV (IE) Irland 1,9 (IT) Italien (LT) Litauen DK LT (LU) Luxemburg 5,8 2,8 (LV) Lettland IE (MT) Malta 5,0 (NL) Niederlande (PL) Polen NL PL (PT) Portugal 17,4 38,0 (RO) Rumänien DE (SE) Schweden BE 83,2 (SI) Slowenien 11,5 LU CZ 10,7 SK (SK) Slowakei 0,6 5,5 AT HU FR 8,9 9,8 RO 67,1 HR 19,3 IT SI 4,1 60,2 2,1 BG 7,0 PT ES 10,3 47,3 EL 10,7 CY 0,9 MT 0,5 Quelle: EUROSTAT, Darstellung: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Résumé des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Ende der 19. Legislaturperiode 23
Internationale Kooperationsplattformen stärken forderungen einer alternden Bevölkerung gegenüber und erproben neue Wege, mit dieser Entwicklung umzugehen. Demografische Entwicklungen in Ländern außerhalb der Hier gilt es, Erfahrungen auszutauschen und voneinander EU können sich direkt und indirekt auf die Länder der EU zu lernen. In vielen Ländern Afrikas hingegen gibt es sehr auswirken, zum Beispiel, wenn es um Wanderungsbewe- viel mehr junge als alte Menschen und es werden Möglich- gungen geht. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, kann sich keiten eruiert, die sogenannte demografische Dividende für Abwanderung in außereuropäischen Ländern auf dem euro- die wirtschaftliche Entwicklung zu nutzen. Deutschland päischen Kontinent als Zuwanderung bemerkbar machen, kann hier seine Erfahrungen mit demografiesensiblem Poli- was Auswirkungen auf Bevölkerungsgröße und –zusam- tikdesign aktiv in den internationalen Dialog einbringen. mensetzung der betroffenen Länder hat. Die demografische Aufgrund der Wechselwirkungen zwischen demografischen Entwicklung in Ländern außerhalb Europas ist grundsätz- Entwicklungen innerhalb und außerhalb der EU sieht sich lich vielseitig: Während in vielen Ländern Afrikas die Bevöl- das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat in kerungszahl weiter ansteigt, gibt es immer mehr Länder mit der Verantwortung, die internationale Dimension deutscher stagnierenden oder rückläufigen Bevölkerungszahlen. Asia- Demografiepolitik zu stärken und Bezüge zu Deutschland tische Länder wie beispielsweise Japan, Singapur und Thai- klar herauszuarbeiten. land sehen sich – ähnlich wie Deutschland – den Heraus- Abb. 13: Kontinente nach gegenwärtiger Bevölkerungsentwicklung Bevölkerungszahl 2020 Bevölkerungswachstum 2020 1 Millarde 500 Millionen 100 Millionen hohes moderates kein Einwohner Einwohner Einwohner Wachstum Wachstum Wachstum Datenquelle: UN, Berechnungen und Darstellung: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 24 Demografiepolitik im Querschnitt
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