Bibliotheken in Sachsen // U1 BIS - Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen SONDERHEFT August 2O17
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BIS Bibliotheken in Sachsen // U1 Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen SONDERHEFT August 2O17 Die neue Zentralbibliothek Dresden im Kulturpalast Vorgeschichte • Konzepte • Architektur • Realisierung
BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R HEFT // 1 EDITORIAL Es ist geschafft! Dresden hat die seit der Zerstörung der Stadt im und sind die Vorteile, die durch die Zentralbiblio- Jahr 1945 anhaltenden Interimslösungen überwun- thek für den Kulturpalast zu Buche stehen: endlich den und endlich wieder eine Zentralbibliothek im brummt der Palast den ganzen Tag. Kinder, Jugend- Herzen der Stadt erhalten. liche und junge Erwachsene, die (bisher?) keine Konzertbesucher waren, nehmen das Haus nun in Hervorzuheben ist der erfreuliche parteiübergrei- Besitz. Es entsteht tatsächlich ein Haus der Kultur fende Wille, diese Zentralbibliothek ohne Ein- und Bildung! schnitte in die erfolgreiche Arbeit des Netzes der Stadtteilbibliotheken umzusetzen. Dank sagen möchte ich den Stadtmüttern und -vätern für die klugen Entscheidungen, der KID und Die neue Zentralbibliothek hat nur wenig mehr den Bauleuten für die gute Qualität und die Raum, nicht mehr Personal, auch nicht mehr (anstrengende, aufregende und) überregional aufse- Bestände als die fusionierten Haupt- und Musik- henerregende Pünktlichkeit, unserem „Baulöwen“ bibliothek und die Jugendbibliothek medien@age, Roman Rabe, stellvertretend für alle Kolleginnen aber viel mehr Arbeits- und Lernplätze, welche auch und Kollegen, die hoch engagiert den Erfolg des innenarchitektonisch an die schönsten Stellen der Bauprojektes sicherten und die nun die neue Zen- Bibliothek gelegt wurden. tralbibliothek mit Leben füllen und in die Zukunft führen. Die zentrale Lage des Kulturpalastes, direkt zwi- schen Alt- und Neumarkt und die Wahrnehmung in Dieses Sonderheft des BIS berichtet über die Ent- der Stadtmitte, ist neben der direkten Partnerschaft stehung der neuen Zentralbibliothek Dresden von mit Philharmonie und Herkuleskeule der größte den ersten Konzepten bis zur Eröffnung. Es lässt Gewinn für die Städtischen Bibliotheken Dresden. dabei Planer der unterschiedlichsten Gewerke, Mit- mieterinnen im Haus sowie Bibliotheksmitarbei- Den Nutzerinnen und den Nutzern stehen durch terinnen und -mitarbeiter zu Wort kommen. Ziel ist die Fusionseffekte, durch den Einsatz modernster es, die Ideen, die hinter der gebauten Zentralbiblio- Technologien und ein innovatives Personalkonzept thek stehen, zugänglich und nach- eine hohe Angebots- und Aufenthaltsqualität mit lesbar zu machen sowie Erfahrun- AREND FLEMMING deutlich erweiterten Öffnungszeiten zur Verfügung. gen, Knowhow und Problemlösun- gen an die Leser weiterzugeben. Ich DIREKTOR DER Genauso wichtig für die Vorbereitung, Finanzierung wünsche eine interessante Lektüre. STÄDTISCHEN BIBLIOTHEKEN und pünktliche (!) Umsetzung des Projektes waren DRESDEN
INHALT Näher dran Dirk Hilbert 4 Ein Dritter Ort Im Zentrum Annekatrin Klepsch 5 Ein neues Zuhause … Claudia Woldt 6 … auch für die Dresdner Philharmonie ...längst überfällig! Matthias von Rüdiger 8 Zentrum für Baukultur Sachsen eröffnet Voll vermietet Axel Walther 9 Der neue Kulturpalast aus Sicht des Betreibers Der Kulti war prägend Thomas Kübler 10 Zur historischen Nutzung des Kulturpalastes Rangfolge eindeutig Matthias Horst 14 Der Architektenwettbewerb 2008 bis 2009 Im Schatten der Preisträger Roman Rabe 16 Interessante Wettbewerbsentwürfe zur Bibliothek Kulturpalast 3.0 Petra Eggert 18 Weiterbauen an einem Kulturdenkmal Ein Haus, das Menschen begeistert Stephan Schütz 20 Zum architektonischen Konzept des Umbaus Der kurze Weg in den Palast Roman Rabe 22 Zur Vorgeschichte des Zentralbibliotheksprojektes Fundament der Bauplanung Marit Kunis-Michel / Roman Rabe / 24 Das bibliothekarische Konzept – aktueller Stand Daniela Sitte-Zöllner Der Logik des Gebäudes folgend Roman Rabe 28 Einrichtung der Bibliotheksräume Chill-out Gabriel Bensch 32 Unikate Sitzmöbel für Kinder und Jugendliche
BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R HEFT // 3 Die neue Zentralbibliothek Dresden im Kulturpalast Die Aufmerksamkeit lenken Helmut Angerer 36 Zum Beleuchtungskonzept für die Bibliothek Für hohe Aufenthaltsqualität Gerald Tittel 38 Lüftung und Klimatisierung der Zentralbibliothek Komplexer als gedacht Matthias Seipel 40 Planung der Medientransport- und –sortieranlage Orientierung an jedem Ort Heike Nehl 42 Das Leitsystem für den neuen Kulturpalast Per Smartphone auf Drachenjagd Thomas Hölzel 46 Katalogintegriertes 3D-Gebäudeinformationssystem Unaufhaltsam auf das Ziel zu Roman Rabe 48 Illustrierte Notizen zum Bauablauf Gegenüberstellung Roman Rabe 51 Bauliche Anforderungen und ihre Umsetzung Sechs Bereiche – eine Bibliothek Roman Rabe 54 Die Teams der Zentralbibliothek stellen sich vor Bereich Jugend Martina Reinhold 55 Bereich Musik Juliane Linke 56 Bereich Sach- und Fachliteratur Karin Schoppe 57 Bereich Schöne Literatur, Spielfilm Sylvia Meißner 58 Bereich Heimatkunde, Kunst, Reisen Petra Hochwald 59 Kinderbibliothek Lena Schulz 60 Hoch motiviert Katrin Kahl / Marit Kunis-Michel / 61 Bericht von Umzug und Eröffnung Elke Ziegler Besucherstimmen 63 Steckbrief Kulturpalast und Zentralbiliothek 64 Autoren 67 Impressum 68
GRUSSWORTE Näher dran eschafft! Nach dem Theaterbau Kraftwerk Veranstaltungs- und Ausstellungsmöglichkeiten. G Mitte, der Ende letzten Jahres viel beachtet an den Start ging, ist nun der Kulturpalast- Umbau abgeschlossen. Dresden schulterte gleich Und vor allem ist sie – zusammen mit den beiden anderen Partnern im Haus – ein lebendiger, kom- munikativer Ort. Er bietet gemeinsames Entwick- zwei kulturelle Großprojekte auf einmal. Dies ist lungspotenzial, so dass man noch einiges Überra- ohne Beispiel in der Stadtgeschichte und umso schende erwarten kann. erfreulicher für alle, die daran Anteil haben. Nach der Diskussion um die Neuausrichtung der Unsere Städtischen Bibliotheken Dresden gehören Dresdner Spielstätte war genau das der stadtpoliti- dazu. Für sie ist der Einzug in den Kulturpalast sche Wille und planerische Ansatz. Der Umbau des Dresden das wichtigste Innovationsprojekt in die vielseitig genutzten und beliebten Kulturpalastes im Zukunft. Ihre beiden zentralen Einrichtungen – die Innern bot die Chance, den „betagten Dresdner“ fit Haupt- und Musikbibliothek und die Jugendbiblio- für die Zukunft zu machen. Nicht nur ein erstklassi- thek medien@age – verschmelzen im Kulturpalast ger Konzertsaal für die Dresdner Philharmonie soll- Dresden zur neuen Städtischen Zentralbibliothek, te entstehen, sondern ein Haus voller Leben, von und das inklusive der damit verbundenen Vorteile. morgens bis abends besucht, spannend für alle Generationen, anregend und offen. Mitten ins Stadtzentrum gerückt, ist hier natürlich eine hervorragende Anbindung für alle Besucher- Dies ist gelungen! Die Zeiten, da sich am Kulturpa- gruppen gegeben. Einladende Räume mit Sicht nach last die Geister scheiden, sind vorbei. Im Gegenteil: draußen, mehr Fläche und längere Öffnungszeiten, Das denkmalgeschützte Gebäude mit dem leuchten- modernste Nutzungsbedingungen und umfassender den Kupferdach verbindet die Geister. Kunstgenuss Service – nicht nur die Adresse, sondern auch das und Bildungserlebnis liegen hier nun eng beieinan- Konzept sind nun noch näher dran an den bisheri- der. Jetzt ist es an den Dresdnerin- DIRK HILBERT gen und neuen Bibliotheksnutzern. nen und Dresdnern, ihren Kulturpa- last zurückzuerobern und Gäste der OBERBÜRGERMEISTER Mehr noch: Die öffentliche Einrichtung präsentiert Stadt zu begeistern. Ich wünsche DER LANDESHAUPTSTADT sich als völlig neuer Freiraum zum Entdecken, Stau- allen Besuchern bewegende Erleb- DRESDEN nen und Lernen. Sie verfügt über attraktive Arbeits-, nisse!
BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R HEFT // 5 Ein Dritter Ort im Zentrum ie Digitalisierung verändert nicht nur unsere lichen Fläche auf 5.000 m2 mit 500 Arbeitsplätzen, D Arbeitswelt, unsere Kommunikation und unser Zusammenleben. Auch die Rolle kom- munaler Bibliotheken wird durch technische einem Veranstaltungsraum für fast 200 Personen sowie 2.000 m2 für die Verwaltung der Bibliotheken, die zugleich Dienstleister für das Filialnetz der Modernisierungsprozesse hinterfragt. Angesichts Bibliotheken ist. eines scheinbar unbegrenzt verfügbaren Wissens im Internet, rund um die Uhr abrufbarer Unterhal- Entscheidend für die Stadtentwicklung in sozialer, tung, Nachrichten und Kultur in Mediatheken politischer wie städtebaulicher Hinsicht ist mit der sowie dem Zuwachs an E-Books stellt sich die Eröffnung der Zentralbibliothek am 29. April die Frage, wozu eine neue Zentralbibliothek notwendig Schaffung eines Dritten Ortes, der Menschen einer ist und was eine millionenschwere Investition der Stadtgesellschaft räumlich und intellektuell zusam- Kommune rechtfertigt. men und in Austausch bringt. Der amerikanische Soziologe Ray Oldenburg prägte bereits 1999 den Die Städtischen Bibliotheken Dresden haben für die Begriff des Dritten Ortes, der Menschen informell zurückliegenden Jahre trotz wachsender medialer und regelmäßig jenseits kommerzialisierter Stadt- und kultureller Konkurrenz in der Landeshauptstadt räume, jedoch mit Aufenthaltsqualität zusammen- und trotz Ressourceneinschränkungen eine Erfolgs- bringt. Bibliotheken als Dritter Ort sind Teil der bilanz vorzuweisen. Über Jahre wuchs die Zahl der kommunalen Bildungslandschaft, wenn sie es schaf- Nutzerinnen und Nutzer sowie die Anzahl entliehe- fen, zu anerkannten Lern- und Informationsorten zu ner Medien und 2016 durfte sich Dresden „Vorlese- werden. Mit der Entscheidung von Stadtverwaltung hauptstadt“ nennen, da dank des Engagements der und Stadtrat, für die Städtischen Bibliotheken Dres- Bibliotheken die bundesweite Höchstzahl an Vorle- den eine Zentralbibliothek im Kulturpalast zu severanstaltungen zu verzeichnen war. Diese Erfolge schaffen, hat die sächsische Landeshauptstadt den sind nicht zuletzt einem leistungsfähigen Filialnetz Grundstein für eine Stadtbibliothek im 21. Jahrhun- mit 19 Stadtteilbibliotheken und einer Fahrbiblio- dert gelegt, die jenseits der für den Wissenschafts- thek zu verdanken. Doch wofür braucht es dann in betrieb arbeitenden SLUB den Ansprüchen einer Dresden eine Zentralbibliothek? Wissensgesellschaft und des lebenslangen Lernens gerecht werden kann. Eine digitalisierte Gesell- Die Entscheidung zugunsten einer neuen Zentralbi- schaft, in der sich dank des Internets Raum- und bliothek fiel bereits 2008 mit dem Beschluss des Zeitgrenzen aufzulösen scheinen, die sich jedoch Dresdner Stadtrates zum Umbau des Kulturpalastes. zugleich in Echokammern ausdifferenziert, hat ein Mit der Planung eines neuen Herzstücks der Städti- Bedürfnis nach Authentizität und Unmittelbarkeit, schen Bibliotheken im Kulturpalast waren viele die sich an einem Dritten Ort wie einer öffentlichen Hoffnungen verbunden, städtebaulich, bibliotheka- Bibliothek mit niedrigen Zugangs- risch und finanziell. Nicht alle Hoffnungen gingen barrieren realisieren lassen. Der ANNEKATRIN KLEPSCH auf, vielmehr waren Planungs- und Bauphase ein Kulturpalast mit der Zentralbiblio- Lernprozess in vielfacher Hinsicht. Unumstößlich thek bietet die Chance auf einen ZWEITE BÜRGERMEISTERIN ist die qualitative Verbesserung in der räumlichen neuen magischen Ort in der Kultur- BEIGEORDNETE FÜR Ausstattung durch die Vergrößerung der öffent- landschaft der Stadt. KULTUR UND TOURISMUS
6 // BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R H E F T Ein neues Zuhause … …auch für die Dresdner Philharmonie von CLAUDIA WOLDT it der Eröffnung des neuen Konzertsaales musste grundsätzlich nach einer neuen Lösung M beginnt am 28. April 2017 eine neue Ära für das Dresdner Musikleben und insbe- sondere für die Dresdner Philharmonie. Erstmals gesucht werden. Sie wurde erst mit dem Dresdner Kulturpalast gefunden, in dessen Mehrzwecksaal die Dresdner Philharmonie 1969 unter der Leitung in seiner 150-jährigen Geschichte erhält das ihres damaligen Chefdirigenten Kurt Masur einzog. Orchester einen Konzertsaal, der mit einer heraus- Er umfasste 2.400 Plätze und war für die damaligen ragenden Architektur und erstklassigen Akustik Verhältnisse zunächst eine gute Lösung. Bald erwies den Qualitäten dieses Spitzen-Klangkörpers tat- er sich jedoch als akustisch unzulänglich, und in sächlich gerecht wird. den 1990er Jahren begann eine intensive Suche nach Alternativen. Ertüchtigung des vorhandenen Die Vorgeschichte Saales? Neubau eines Konzerthauses? Die Stadt Mit der Einweihung des Konzertsaals im damaligen entschied sich nach langwierigen Diskussions- und Dresdner Gewerbehaus begann 1870 die Geschich- Entscheidungsprozessen für einen neuen Konzert- te der Dresdner Philharmonie, zunächst unter dem saal im vorhandenen Kulturpalast – akustisch erst- Namen „Gewerbehausorchester“. Bis zur Zerstö- klassig und sowohl für die Dresdner Philharmonie, rung des Gewerbehauses 1945 verfügte das Orche- als auch bedeutende Gastorchester und Gäste ande- ster dort zwar über einen ansprechenden Saal, mit rer künstlerischer Genres geeignet. Nun ist er fertig zunehmender Größe des Orchesters wurde er aber und wird sowohl der Dresdner Philharmonie mit langsam zu klein, die akustischen Ansprüche wuch- ihrem einzigartigen „Dresdner Klang“ als auch sen mit der Zeit, und nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Gästen ganz neue Impulse verleihen.
// 7 Der Konzertsaal sterkonzerten auch Konzerte mit internationalen Konzipiert und realisiert wurde der Saal vom re- Stars aus Jazz und Weltmusik. Und an über 70 nommierten Architekturbüro von Gerkan, Marg Abenden im Jahr gehört er anderen Genres wie und Partner. Mit ihrer hervorragenden Expertise Musical, Filmmusik, Ballett, Pop und vielem mehr. haben die Architekten in enger Zusammenarbeit Vom „Phantom der Oper“ über die Zehn Tenöre, mit dem niederländischen Akustikbüro Peutz einen Max Raabe bis zu Hansi Hinterseer ist für alle etwas Raum entwickelt, der die Bedingungen des denk- dabei. malgeschützten Gebäudes optimal nutzt: Er greift Elemente der Weinbergs- wie auch der Schuhkarto- Die räumliche Nähe mit dem anderen „Hauptmie- narchitektur auf und ist mit 21.500 m3 Raumvolu- ter“ des neuen Kulturpalastes, den Städtischen men ähnlich groß wie seine „Geschwister“, die Ber- Bibliotheken, eröffnet beiden Institutionen ganz liner Philharmonie und das Leipziger Gewandhaus. neue Möglichkeiten der Kooperation. Was läge Die Bühne mit 210 m2 verfügt über Hubpodien näher, als im Konzertsaal auch Lesungen für ein und ein eigens konzipierter Plafond sorgt dafür, großes Publikum zu veranstalten, möglicherweise dass die Musiker sich bestens gegenseitig hören kön- gepaart mit Musik? Oder den Bestand der Biblio- nen. Im Parkett und auf den zwei Rängen finden theken zu nutzen, um Konzertbesucher mit insgesamt circa 1.800 Besucher Platz. Büchern, Noten oder Tonträgern auf bestimmte musikalische Ereignisse vorzubereiten? Konkretes Die „Königin der Instrumente“ ist bereits geplant: In der Reihe „Wortbilder und Einmalig in der Dresdner Orgellandschaft ist die Klangfarben“ werden in den Räumen der Biblio- Konzertorgel der Firma Eule Orgelbau Bautzen im thek Geschichten mit Musik und über Musiker neuen Saal des Kulturpalastes. Sie wurde sozusagen erzählt. Musiker der Philharmonie geben den Ton in den neuen Raum „hineinkomponiert“: Die an und Bibliothekare der Zentralbibliothek haben Orgel verfügt über fast 4.000 Pfeifen in 67 Regi- das Wort. Zu bestimmten musikalischen Themen stern und korrespondiert technisch und klanglich wird es Führungen für Schulklassen in den Räumen mit den speziellen Anforderungen der Raumakustik der Musikbibliothek geben, und bei „Musik und im neuen Konzertsaal. Fünf große Klangwerke wer- Spiel“ in den Räumen der Zentralbibliothek wer- den von vier Manual- und einer Pedalklaviatur den die Kleinen während der Matineekonzerte der angespielt. Jedes Teilwerk erhält seinen eigenen Dresdner Philharmonie an Sonntagvormittagen Klangcharakter: Das Hauptwerk fungiert als kraft- musikalisch betreut. Ganz konkret wird es das erste voll führender klanglicher Kern, das Pedal als gro- Mal zum Tag der offenen Tür der Dresdner Philhar- ßes und zugleich anschmiegsames Bassfundament. monie im August 2017, wo auch zahlreiche gemein- Das II. Manual hat den Schwerpunkt auf deutscher same Angebote mit den Bibliotheken für die Besu- Romantik, das III. Manual ist englisch und franzö- cher des Hauses geplant sind. Möglichkeiten, die sisch orientiert, und das IV. Manual ist mit ausge- sowohl die Dresdner Bildungslandschaft bereichern prägten Klangfarben der englischen und amerikani- als auch für die Ausstrahlung dieses wunderbaren schen Spätromantik ausgestattet. Hauses mitten im Zentrum der Kultur- und Musikstadt Dresden CLAUDIA Auf gute Nachbarschaft! maßgeblich sein werden – die WOLDT Ab dem 28. April 2017, dem Tag der lange ersehn- Dresdner Philharmonie freut sich ten Eröffnung des Hauses, veranstaltet die Dresdner auf ihren neuen Konzertsaal und Philharmonie im neuen Saal neben ihren Orche- ihre neuen Nachbarn!
8 // BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R H E F T ...längst überfällig! Zentrum für Baukultur Sachsen eröffnet von MATTHIAS VON RÜDIGER ten. Das Zf BK will diese positiven Ansät- ze weiter fördern, indem es die Akteure miteinander vernetzt, damit ihr Engage- ment unterstützt und so die vorhandenen Kräfte bündelt. Vor allem gilt es, einer breiteren Öffentlich- keit das Wissen um alle mit der gebauten Umwelt verbundenen ästhetischen, ökologi- schen, ökonomischen und soziologischen Fragen zu vermitteln, zu entwickeln und damit das Bewusst- as längst überfällig war, wird nun Wirk- sein und die Sensibilität für die Baukultur zu schär- W lichkeit: Nach zweijähriger intensiver Vor- bereitungszeit öffnete am 8. Juni 2017 das Zentrum für Baukultur Sachsen – Zf BK – im fen. Unter dem Dach des ZfBK werden unterschied- liche Veranstaltungen wie Ausstellungen, Diskussio- nen, Vorträge, Versammlungen und Workshops neuen Kulturpalast am Dresdner Altmarkt seine stattfinden. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf Pforten! Die gebaute Umwelt umgibt uns Tag für der Vermittlungsarbeit insbesondere für die jüngere Tag. Sie hat wesentlichen Anteil daran, ob sich die Generation liegen. Dass die Zentralbibliothek der Menschen mit dem Ort, in dem sie leben, identifi- Städtischen Bibliotheken Dresden im Kulturpalast zieren und ob sie sich dort wohlfühlen. Deshalb ihre neue Heimstatt gefunden hat, ist für unser Zen- geht Baukultur uns alle an! Ganz Sachsen braucht trum ein glücklicher Umstand. Ergeben sich daher dringend den niveauvollen baukulturellen dadurch doch viele Möglichkeiten der Zusammenar- Diskurs über Fragestellungen zur gebauten Umwelt beit. So können beispielsweise Besucher unseres und ihrer Zukunftsfähigkeit – gleichermaßen in Zentrums auf die umfangreichen Bestände der Zen- den Städten, Gemeinden und auf dem Land. tralbibliothek zur Thematik Baukultur direkt zugreifen, umgekehrt können die Informations- und Deshalb hat sich im Jahre 2015 eine Initiative ver- Bildungsangebote des ZfBK den Bibliotheksbesu- schiedener Institutionen zusammen gefunden mit chern unmittelbar zugutekommen. dem Ziel, einen zentralen Ort in Dresden mit Aus- strahlung auf ganz Sachsen zu schaffen, der einen Im Laufe der Zeit werden sich aber aktiven Beitrag zur baukulturellen Entwicklung lei- sicherlich weitere Kooperations- MATTHIAS stet, eben ein Zentrum für Baukultur. Schon heute möglichkeiten ergeben. Auf die VON RÜDIGER sind überall in Deutschland und auch in ganz Sach- Zusammenarbeit mit den Städti- sen vielfältige Aktivitäten und Initiativen zur Förde- schen Bibliotheken freuen wir uns rung der baukulturellen Entwicklung zu beobach- daher schon sehr!
BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R HEFT // 9 Voll vermietet Der neue Kulturpalast aus Sicht des Betreibers von AXEL WALTHER m 28. April wurde der Kulturpalast in Dres- mbH, besser bekannt als Schmidt’s Restaurant und A den nach jahrelanger Schließung endlich wiedereröffnet. Im Zentrum der Stadt erhiel- ten die Bürgerinnen und Bürger ihr traditionsrei- Gourmet-Catering in Hellerau. Den Ostflügel des Erdgeschosses teilt sich das Zentrum für Baukultur Sachsen mit einem Büro für die Dresdner Kultur- ches Haus zurück und nehmen es noch einmal neu hauptstadt-Bewerbung. in Besitz. Ziel war es, das 1967 bis 1969 entstande- ne Gebäude zu einem Haus der Künste und des Größter Nutzer im Haus ist die Zentralbibliothek. Wissens, einem Raum für Kommunikation und An einem Ort, der für jeden Dresdner hervorragend einem Ort der Begegnung zu gestalten. Jeder Besu- erreichbar ist, öffnet die Bibliothek, außer sonntags, cher kann sich nun von der Realisierung dieser Visi- täglich von 10 bis 19 Uhr. Aber auch außerhalb die- on überzeugen. ser Zeiten stehen den Nutzern öffentlich zugäng- liche Terminals zur Medienrückgabe zur Verfügung. Eigentümer des Hauses ist die Kommunale Immobi- Täglich werden bis zu 4.000 Besucher in den Biblio- lien Dresden GmbH & Co. KG, kurz KID. Diese theksräumen erwartet. Auf circa 5.000 m2 Fläche Tochtergesellschaft der Landeshauptstadt Dresden stehen insgesamt 300.000 Bücher, Karten, CDs, entstand 2013 mitten im Planungsprozess eigens für DVDs, LPs, Noten und Spiele zur Nutzung und die Übernahme der Bauherrenfunktion vom Hoch- Ausleihe bereit. bauamt und für die spätere Betreibung des Kultur- palastes. In vier Jahren Bauzeit und mit einem Inve- Für alle Mieter des Kulturpalastes sichert die KID stitionsvolumen von circa 105 Millionen Euro reibungslose Abläufe im und um das Haus. Mehr als (inklusive Ausstattung und Außenanlagen) wurde 20 Mitarbeiter kümmern sich um das kaufmänni- der denkmalgeschützte Kulturpalast behutsam sche und technische Facility Management. Hierzu modernisiert und für die Zukunft umgebaut. Die zählt neben dem Betreuen der haustechnischen KID übernahm mit der Eigentümer- auch die Ver- Anlagen auch die Gewährleistung von Sicherheit, mieterfunktion und startet mit einer idealen Aus- Sauberkeit und einem guten Miteinander. Die KID gangslage: Das Haus ist zur Eröffnung komplett ver- ist Ansprechpartner für alle großen und kleinen mietet. Wünsche der Mieter und unterstützt diese bei der Organisation ihrer Veranstaltungen, also Konzerten, Schwerpunkt der Umbaumaßnahmen bildete die Theateraufführungen und Lesungen. Der Gedanke Schaffung eines hochwertigen Konzertsaales mit ist einfach: Die Mieter sollen sich ganz auf ihre Auf- einer Akustik, die internationalen Anforderungen gaben konzentrieren können. Der einwandfreie gerecht wird und der Dresdner Philharmonie ange- Zustand des Hauses, das Funktionieren der moder- messene Bedingungen bietet. Hier können bis zu nen Technik sowie darüber hinausgehende Service- 1.785 Besucher sowohl klassische als auch moderne dienste können vorausgesetzt und als gegeben ange- Musik hören und genießen. Im Erdgeschoss und im nommen werden. 1. Zwischengeschoss verteilen sich die Proben- und Büroräume der Philharmonie. Im Untergeschoss hat Wir laden Sie, liebe Leser des BIS-Magazins herzlich das bekannte Dresdner Kabarett „Die Herkuleskeu- ein, unser rundherum erneuertes Haus und natürlich le“ ein neues Zuhause gefunden. Dessen Theatersaal besonders die Zentralbibliothek zu fasst 250 Zuschauer. Im Westflügel des Erdgeschos- besuchen und sich einen eigenen AXEL ses lädt zukünftig ein modernes Restaurant und im unmittelbaren Eindruck zu verschaf- WALTHER Foyer des 1. Obergeschosses jetzt schon ein kleines fen. Viel Spaß aber vor allem beim Cafe zum Verweilen ein. Beide werden geführt von Lesen und Stöbern! der König Albert Gaststättenbetriebsgesellschaft
10 // BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R H E F T Der Kulti war prägend Zur historischen Nutzung des Kulturpalastes von THOMAS KÜBLER ass der Autor 1965 im Jahr der Fertigstellung D Die Geschichte des Baus einer mehrfach überarbeiteten Gesamtkon- Die Dokumentation setzt schon unmittelbar nach zeption für ein „Haus der Sozialistischen Kriegsende 1945 ein, als es um Grundsatzdebatten Kultur“ hier in Dresden geboren ist, tut nichts zur ging: Wiederaufbau nach historischem Vorbild ver- Sache. Wohl aber der Umstand, dass der Kulti ihn sus Demonstration einer sozialistischen Vision. Die fast fünf Jahrzehnte begleitet hat. Über die Aktenbestände im Stadtarchiv, insbesondere die beschriebene Zeitspanne hinweg haben Schüler- Pläne zeigen das zähe Ringen der verschiedenen konzerte, Jugendclub-Mitgliedschaft, Dixieland- Lager, dokumentieren Einflussnahmen der Rück- Festival, Ferienarbeit, Tanzfestival, Tauschbörsen, kehrer aus der Sowjetunion und die deutliche Ideo- vergessene Anoraks und ein über Stunden verloren logisierung des städtebaulichen Diskurses. Eine geglaubter Sohn des Autors das Verhältnis eng monumentale Krone, im Sinne einer Stadtkrone geschmiedet. Die berufsbedingte Übernahme und sollte das zentrale Kulturhochhaus an der Nordseite Betreuung des Kulturpalast-Archivbestandes durch des Altmarkts kennzeichnen. Nachdem der „Erste das Stadtarchiv ab 2012 tat ihr Übriges dazu. Mit Dresdner Aufbauplan“ von 1946 noch die Ruinen Freude erlebte das Stadtarchiv die intensive Benut- wichtiger Baudenkmale der Innenstadt konservieren zung des Kulturpalast-Aktenbestandes für den oder wiederherstellen wollte, entstand ein Jahr spä- geplanten Umbau. Die Vollständigkeit der Überlie- ter der Vorschlag für einen Neubeginn mit einem ferung war für dieses Interesse ein Glücksfall. Haus der Kultur und der Partei an der Nordseite des Altmarktes, das einen Festsaal in 60 Metern Höhe haben sollte. Die größenwahnsinnige Nähe zu den Blick vom Haus Altmarkt Gauforum-Plänen ein Jahrzehnt zuvor lies das zum Kulturpalast in Papier jedoch schnell wieder verschwinden. Dresden (Entwurf), 1956 Die Nordseite des Altmarktes war seit jeher ein städtebaulicher Premiumort, der im Zuge des Wie- deraufbaus des Altmarktes Ende der Fünfzigerjahre folgerichtig erneut in den planerischen Mittelpunkt rückte. Der Diskussion um ein Wahrzeichen des Sozialismus folgend hatte der damalige Chefarchi- tekt für das Stadtzentrum, Herbert Schneider, schon 1953 den Vorschlag unterbreitet, ein 124 Meter hohes Turmhaus als städtebauliche Dominante und „Altar der Kultur“ zu errichten, an dessen Fuß dann die Großdemonstrationen den Sozialismus das Sie- gen lehren sollten. Da der Wohnungsbau am Alt- markt und an der Thälmannstraße aber Priorität hatte, blieb alles bis Ende der 50er Jahre „gedeckelt“. In dieser Dekade rückte mit dem 20. Parteitag der KPdSU aber auch die sowjetische Führung von stali- nistischen Architekturauffassungen ab. Ein erster Wettbewerb für das Dresdner Kulturhaus wurde 1959 ausgelobt. Dem einzigen Entwurf ohne gigan- tische Turmvariante, den ein Team unter Leitung von Professor Leopold Wiel vorgelegt hatte, wurde
BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R H EFT // 11 zu diesem Zeitpunkt noch eine „ideologische Schwäche“ attestiert. Nach einer Intervention von Moskauer Architekten 1962 fand er jedoch große Zustimmung. Dass die extra nach Moskau gereiste Delegation ein Votum für Wiels „Campanile“ als zeitgemäße städtebauliche Position gegen die bis dahin vorherrschende „symmetrischen Pücklertor- ten“ abgab, kam unerwartet und brachte die Ent- scheidung zugunsten von Wiels Entwurf. Wiel übergab die Überarbeitung und Ausführungs- planung dem „VEB Dresden-Projekt“, wo unter den Architekten Wolfgang Hänsch und Herbert Löschau das ehrgeizige Projekt realisiert wurde. Dass sich der Entwurf von Wiel durchsetzen konnte, sieht Hänsch im Rückblick als Entsprechung „ ... jener seltsamen Parole, die, wenn ich mich recht erinnere, von Professor Minter stammte: Der Sozialismus hat nicht in die Höhe, sondern in die Breite zu gehen“ (Zitat aus: Wolfgang Hänsch, Architektur der Moderne, Hrsg.: Wolfgang Kil, Berlin 2009, S. 23). Eine drastische Kürzung der Investitionssumme im Jahre 1965 erforderte eine radikale Reduzierung der Kulturpalast im Rohbau mit sechseckigem Saal (oben), 1968 und Blick über den Altmarkt zum Kulturpalast (links) Bauträume, die bis1967 eine auch finanziell vertret- bekannte Sechseckdach-Variante. Die Fassaden wur- bare Ausführungsvariante hervorbrachte. Um den den nach allen Seiten durch geschosshohe, montier- Planungsvorlauf nicht einzubüßen, wurde das Pro- bare Elemente aus Alu-Glas geschlossen und soweit jekt des großen Saales fast unverändert übernom- untergeordnete Raumgruppen die Fassade berühr- men und nur der Bereich der ihn umgebenden ten, erhielten sie massive Außenwände aus Beton- Funktionsräume soweit reduziert, dass der „umbaute strukturelementen. Raum eines Geschosses eingespart werden konnte. Um annähernd die alte Gesimshöhe wieder zu errei- Der Saal chen, wurden die verbliebenen Geschosse in ihrem Der große Saal bildete den Mittelpunkt des Hauses Luftraum erhöht“ (Zitat aus Hänsch/Löschau, Haus und war deshalb auch der Ausgangspunkt für alle der sozialistischen Kultur in: Deutsche Architektur räumlichen Beziehungen. Für maximal 2.700 Perso- 1968, S. 212). Das ursprünglich über dem Saal ange- nen ausgelegt, wurde er als Mehrzwecksaal für phil- ordnete Planetarium und eine sich darüber spannen- harmonische Konzerte, Estradenprogramme, Kon- de Stahlbetondecke „verlor“ gegen die markante, gresse, Ballett- und Choraufführungen sowie für
12 // BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R H E F T Großer Saal mit Orgel, 1977 Filmvorstellungen genutzt. Das vom VEB Sächsi- spiel des Kinderchores Les Poppys aus Paris, „Das scher Brücken- und Stahlhochbau Dresden geschaf- Brückenmännchen“, die Konzerte des Sächsischen fene Kippparkett bot eine große Flexibilität in der Bergsteigerchores „Kurt Schlosser“, das Internatio- Saalnutzung. Die drehbaren Gassentürme galten als nale Tanzfestival, am 16. Oktober 1989 das State- technisches Novum. In einer sogenannten Normal- ment von Manfred von Ardenne, im Revolutions- bestuhlung gab es im Parkett circa 1.200 und in den jahr die internationale Pressekonferenz von Helmut Rängen 1.000 Sitze. Bei Großveranstaltungen wurde Kohl und Hans Modrow, 1991 der Auftritt von im Parkett auf 1.700 Plätze aufgestockt. Bei Konfe- Jonny Cash, 1994 von Bonny Tyler (im selben Jahr renzen an Tischen wurden nur das Parkett mit 1.000 wird die Konzert- und Kongressgesellschaft gegrün- und das Podium mit der jeweils veranstaltungsrele- det). Und immer gab es Messe- und Tauschbörsen vanten Platzanzahl (bis 40!) bestuhlt. Die Konzert- im Foyer und in den Obergeschossen, die im Som- bestuhlung zählte 2.200 Plätze (mit Chor) oder mer erst ab 1986 erträglich wurden, nachdem die 2.300 (ohne Chor). Bei Tanzveranstaltungen fanden vom Ardenne-Institut entwickelten bedampften normalerweise 800 Teilnehmer Raum und Platz, bei Thermoscheiben eingebaut waren und dem Haus Sportveranstaltungen bis 1.500. nach außen eine „goldene Note“ gaben. Hauptnutzer waren die Dresdner Philharmonie mit Die Räume um Saal herum durchschnittlich 60 Konzerten im Jahr und die Der Kulturpalast Haus baute sich funktionell vom Staatskapelle, die bis zur Eröffnung ihrer neuen Keller her auf. Hier waren neben den technischen Spielstätte 1985 etwa 40 Konzerte jährlich gab. Räumen, Tischlerwerkstätten und Malerräumen Daneben waren es Jugend- und Schülerkonzerte, auch die Ausweichgarderoben für Ensembles unter- Rundfunkkonzerte sowie Chor- und Orgelkonzerte, gebracht sowie die Personalgarderobe für über 100 die vielen in Erinnerung geblieben sind. Im Kultur- Mitarbeiter der Gaststätten und Versorgungs- palast fanden ab 1971 zum Beispiel statt: das bereiche. 1. Internationale Schlagerfestival, das 1. Internatio- nale Dixieland-Festival, „Prominente einmal Im Erdgeschoss befand sich die Garderobenhalle anders“, ab 1978 die Dresdner Musikfestspiele, das für 3.000 Besucher, Kasse, Information, Orchester- Schlagerfestival „Goldener Rathausmann“, das Gast- graben und Instrumentenlager, Notenlager und ein
BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R H EFT // 13 Orchesterproberaum. Dem folgte ein 1. Zwischen- Das Restaurant im 1. Ober- geschoss mit Foyer, Kippparkett, Orchesterhebe- geschoss wurde schon bühne, Bühne, Telefonzellen, Kapellmeister- und damals von den Deutschen Solistengarderoben sowie Maskenbildnerräumen. Werkstätten Hellerau Hier waren auch die Bibliothek (8.000 Bände und ausgestattet und war Zeitschriften) und ein Archiv untergebracht. Auch bekannt durch das Wand- die damals personell aufgestockte Telefonvermitt- bild „Heitere Reminiszen- lung und die zentralen Sanitäreinrichtungen befan- zen aus Dresden“ und die den sich hier. einzigartige Kranichdecke. (1969) Im 1. Obergeschoss erwartete die Besucher an der Ostseite eine Gaststätte mit 205 stets reservierten Plätzen und vergnüglich langen „Sie werden plat- ziert“-Warteschleifen. Über 100 Köche, Kellnerin- nen und Kellner versorgten Gäste, Personal, Funk- tionäre, rollten bei Tanzveranstaltungen oder Empfängen unter anderem der Großbetriebe mal Das Studiotheater im eben acht Buffets in den Saal. Obwohl Preisstufe III 1. Obergeschoss, ebenfalls schon als „gehoben“ galt, blieben die Preise ausgestattet durch die erschwinglich: Das „Radi“ kostete 63 Pfennige, die Deutschen Werkstätten Käseplatte 2,30 Mark, das Schweineschnitzel 3,10 Hellerau, bot 192 Besu- Mark, und ein Drei-Gang-Menü durchschnittlich chern Platz und verfügte 7,40 Mark. Nach 1990 führte der städtische Veran- über eine komplette staltungsbetrieb das Restaurant, ab 1995 „Fest und Bühnen- und Filmtechnik. Gut“, schließlich bis zum Ende das Hilton-Catering. (1970) Die Studiobühne im 1. Obergeschoss hatte einen festen Platz im Veranstaltungsbetrieb des Kulti – hier gab es Kabarett, Schauspiel, Lesungen, Dixie- land, Soloauftritte, aber auch Tagungen. 192 Sitz- plätze bot sie, auch privat anmietbar. Verschiedene Garderobenräume und Mitarbeiterspeiseräume besetzten die Nordseite, während sich an der West- seite neben der Studiobühne der große Gesell- Nach Modernisierungsmaß- schaftsraum mit 124 Plätzen und daneben der kleine nahmen entstanden in den Gesellschaftsraum mit 48 Plätzen anschloss und Gesellschaftsräumen ab zusammengelegt fast 200 Tanzwütigen genügend 1994 moderne Kongress- Fläche bot. Ein besonderer Stolz war der „Bild- säle. (2009) werferraum“ mit Projektoren für 35- und 70-mm- Film und einer Bildwandentfernung von 32 Metern in den Festsaal – ein Novum zu der Zeit. Ein 2. Zwi- schengeschoss bot Zugang zum Rang, zu Arzt- und Presseräumen sowie Dolmetscherkabinen. Hier arbeiteten auch die Ton- und Beleuchtungsmeister. Im 2. Obergeschoss gab es sieben Club- und soge- nannte „Zirkelräume“ für verschiedene Arbeitsge- meinschaften und Ausstellungen. Direkt über dem Restaurant befand sich auf diesem Geschoss noch ein sogenannter „Imbissraum“ mit 116 Sitz- und 180 stattfand, blieb fast nie ohne Außenwirkung, auch Stehplätzen. Weitere Gesellschaftsräume für bis zu die Diskussion um seine Zukunft selbst nicht, die 200 Besucher sowie die Büros der Hausleitung und die Dresdner stark polarisierte. der Philharmonie schlossen sich an. Zu besonderen Höhepunkten, wie Pioniertreffen, Republikgeburts- Möge er das wieder werden: ein prägender Ort fest- tagen oder Fachtagungen tummelten sich nicht sel- licher Kultur, ein Ort des Aufeinandertreffens vieler ten über 3.000 Besucher im ganzen Haus. Nicht nur Menschen, von Dresdnern und Gästen der Stadt, bei den riesigen Karnevalsveranstaltungen 1985 und von Jung und Alt, ein Ort des Ler- 1988 glich der Kulti einem Bienenstock. nens, des Lachens, der Musik und THOMAS auch wieder guter Gastronomie, ein KÜBLER Ein Wunsch nun sogar ganztägig und für jeder- Der Kulti war prägend. Und das nicht nur baulich, mann geöffnetes Haus, das einem sondern auch inhaltlich. Was in ihm über 45 Jahre Bienenstock gleicht.
14 // BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R H E F T Rangfolge eindeutig Der Architektenwettbewerb 2008 bis 2009 von MATTHIAS HORST m Jahr 2008 wurde seitens des Hochbauamts der einen Seite die Vertreter der Ausloberin, also der I Landeshauptstadt Dresden im Rahmen eines mehrstufigen Verhandlungsverfahrens ein inter- nationaler zweiphasiger Architektenwettbewerb Stadt Dresden, unter anderem mit der damaligen Oberbürgermeisterin Helma Orosz, dem Finanzbür- germeister Hartmut Vorjohann, dem Kulturbürger- durchgeführt. Dieser Wettbewerb wurde entspre- meister Dr. Ralf Lunau als Sachpreisrichter mit chend der damals geltenden Richtlinie in Abstim- erfahrenen Planern und Architekten als Fachpreis- mung mit der Architektenkammer Sachsen als opti- richter, darunter Prof. Eckhard Gerber, Dortmund, mal geeignetes Verfahren angesehen, um der kom- Prof. Annette Menting, Leipzig, sowie dem Inten- plexen Aufgabe zum Umbau und zur Sanierung des danten der Dresdner Philharmonie Anselm Rose Kulturpalastes als herausragendes Gebäude der und dem Direktor der Städtischen Bibliotheken Nachkriegsmoderne in Dresden gerecht zu werden. Prof. Arend Flemming sowie weiteren Sachverstän- Unser Büro Schubert Horst Architekten Partner- digen. Diese Beratungen im Ratskeller des Dresdner schaft in Dresden wurde vom damaligen Hochbau- Rathauses nahmen zwei Tage in Anspruch. Ziel war amt der Stadt mit der Gesamtorganisation des es, aus den eingereichten 28 Entwürfen die besten Wettbewerbs und aller folgenden Vergabeverfahren auszuwählen und davon maximal acht für die Über- beauftragt. arbeitung in der 2. Phase zu benennen. Zum Abschluss der 1. Wettbewerbsphase traten sieben Zur Teilnahme am Finalisten in die 2. Phase ein. Hierfür wurden vom Wettbewerbsverfahren Preisgericht gleichlautende allgemeingültige Aspek- waren zunächst 69 An- te beschrieben, die die Teilnehmer in die Lage ver- träge eingegangen, von setzten, ihre Wettbewerbsarbeit unter den Bedin- denen sich nach ent- gungen der bereits in der Auslobung und im sprechender Prüfung Protokoll des Kolloquiums genannten Prüfkriterien der im EU-Amtsblatt weiterzubearbeiten. bekanntgemachten Kri- terien 40 Bewerbungs- Am 2. Juni 2009 wurden von den Finalisten die anträge zur Teilnahme an der 1. Phase des Wettbe- überarbeiteten Wettbewerbsbeiträge abgegeben und werbs qualifizierten. Diese Teilnehmer erhielten im einer vertiefenden Vorprüfung unterzogen, bei der Dezember 2008 die Wettbewerbsunterlagen, waren insbesondere die Hinweise aus der Preisgerichtssit- im Januar 2009 zu einer Ortsbegehung und einem zung der 1. Phase sehr intensiv auf ihre Umsetzung Kolloquium eingeladen; 28 von ihnen haben am überprüft wurden. Am 17. und 18. Juni 2009 trat 19. März 2009 ihre Entwürfe anonym eingereicht. das Preisgericht erneut zusammen. Nach einer inter- Nach einer intensiven Vorprüfung der Wettbewerbs- nen Vorstellung der Vorprüfergebnisse wurde die beiträge in Bezug auf die Bewertungskriterien der Anonymität der Entwurfsverfasser aufgehoben und Auslobung trat am 22. und 23. April 2009 unter der die Entwürfe von ihnen persönlich präsentiert. Dies Leitung des Hamburger Architekten Prof. Jörg war insofern ein wertvoller Beitrag für die Entschei- Friedrich, der zuletzt die Planung für den Umbau dungsfindung, als dass die Verfasser nun persönlich des Kraftwerk Mitte zum Kulturzentrum erbracht die hinter ihrem Entwurf stehenden Ideen und hat, das Preisgericht zusammen, um die Entwürfe zu Überlegungen vortragen und auch auf Rückfragen diskutieren und fünf bis acht Teilnehmer für die durch das Preisgericht antworten konnten. Nach 2. Wettbewerbsphase auszuwählen. den Präsentationen trat das Preisgericht zur finalen Die Zusammensetzung des Preisgerichts war ent- Entscheidungsberatung zusammen, in der ausführ- sprechend der Bedeutung der Aufgabe von hoher lich diskutiert wurde. Nach mehreren Rundgängen fachlicher Qualifikation. So diskutierten auf der fiel die Festlegung der Rangfolge leicht, gleichwohl
BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R H EFT // 15 das Stimmenverhältnis zu den drei Preisträgern auch 1. Preis der spannenden Diskussion und den unterschiedli- chen Meinungen des Preisgerichts Rechnung trug. Die wesentlichen Entwurfsspezifika der drei Preis- träger sollen hier kurz erwähnt werden: 1. Preis gmp Generalplanungsgesellschaft mbH, Berlin Der Entwurf besticht durch die klare Definition des zentralen Haupteingangs, der alle Bereiche durch das Hauptfoyer mit Zugang vom Altmarkt mit inte- grierten Infotresen und Ticketcafé als zentrale Anlaufstelle erschließen soll. Das Konzertfoyer erstreckt sich über drei Ebenen vom 1. Zwischenge- 2. Preis schoss bis zum 2. Obergeschoss. Der Konzertsaal ist mit weinbergartigen Zuschauerterrassen als „tekto- nische Schollen“ um das zentrale Orchesterpodium gestaltet. Hinter dem Eingangsbereich beidseitig des Saalkörpers teilt sich die Bibliothek in zwei „Türme“, die über interne Treppenanlagen mit Aufzug erschlossen werden und sich in der Galerieebene entlang der Rosmariengasse verbinden. Die subtil beabsichtigte Erhaltung beziehungsweise Rekon- struktion der Fassade des Kulturpalasts und die dadurch gefestigte Identitätsbildung für die Bürge- rinnen und Bürger der Stadt war sehr überzeugend. 3. Preis 2. Preis HPP Hentrich-Petschnigg & Partner, Leipzig Der neue Konzertsaalkörper ist seitlich umgeben mit durchgehenden Lufträumen, die über Dach- oberlichter von oben belichtet werden. Der neue Konzertsaal wird als Quaderform („Schuhschach- tel“) gestaltet mit flach ansteigendem Parkett und umlaufenden Zuschauerrängen auf drei Ebenen. Im Erdgeschoss soll der Saalkörper „als unterquerbare Skulptur“ erlebbar werden. Dieser Beitrag ist in Bezug auf den Konzertsaal als sehr eigenständiger und selbstbewusster Entwurf bewertet worden. Die Konzeption der Bibliothek und ihre Erschließung überzeugt jedoch nicht. Die Eingriffe in die Bausub- Dass sich am Ende der Preisgerichtssitzung deren stanz erschienen zu groß, als dass sich hier eine Mitglieder einstimmig für den 1. Preis und somit für Mehrheit des Preisgerichts zu Gunsten einer Reali- den Entwurf des Architekturbüros von Gerkan, sierungsentscheidung abzeichnen konnte. Marg und Partner (gmp Generalplanungsgesell- schaft mbH, Berlin) entschieden haben, war eine 3. Preis logische und konsequente Folge aus der hohen Qua- Caruso Torricella Architetti, Milano/Italien lität des Entwurfs und der Meinungsbildung des Der Saal ist intern „als eine Einheit rund um die Preisgerichts. Der nun fertiggestellte phantastische Bühne“ geplant. Die Zuschauerplätze umgeben auf Konzertsaal, die hervorragenden Räume der Biblio- den verschieden ansteigenden Ebenen ähnlich dem thek, sowie die behutsame Sanierung der übrigen Weinbergprinzip das Orchesterpodium. Einzelne Flächen verleihen dem Kulturpalast Dresden einen Laufgänge führen zu den Eingängen in den Saal. Der neuen Glanz und der Elbmetropole einen weiteren Eingang der Bibliothek befindet sich an der Galerie- kulturellen Höhepunkt. straße am östlichen Seitenfoyer. Der Entwurf Wir sehen, dass der gewählte Weg, im Wettbewerb besticht durch den Einbau eines eigenständigen, unter vielen den besten, wirtschaftlichsten und funk- nahezu „schwebenden“ amorph geformten Baukör- tionalsten Architekturentwurf zu pers. Diese Absicht erscheint zu formalistisch und erhalten, der richtige war. So ist der MATTHIAS dem Haus in Bezug auf seine Entstehungszeit und – neue – alte Kulturpalast Dresden HORST geschichte nicht angemessen, gleichwohl der Saal- auch im Sinne der Baukultur ein form, ebenso wie bei der Arbeit des 1. Rangs, eine leuchtendes Beispiel und ein Plädoy- große Sympathie entgegengebracht wird. er für die Wettbewerbskultur.
16 // BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R H E F T Im Schatten der Preisträger Interessante Wettbewerbsentwürfe zur Bibliothek von ROMAN RABE ie Jury eines Architektenwettbewerbs für bibliothek in das Gebäude. Seine Stellungnahmen D ein so komplexes Gebäude wie den Kultur- palast muss bei der Entscheidung Prioritä- ten setzen. So manche gute Idee und so mancher fanden Eingang in die Einzelprüfberichte der Vor- prüfung. Aus ihnen wird hier zitiert. interessante Entwurf geht unumgänglich leer aus. Für den Kulturpalast hatte das Saalkonzept und Wettbewerbsarbeit 1025 (Abb. 1 – 5) die mit ihm verbundene akustische Herausforde- Gewers & Partner GPAI, Berlin rung großen Einfluss auf die Auswahl der Sieger- entwürfe. Um die Vielfalt der Wettbewerbsbeiträge Stellungnahme des Sachverständigen in Bezug auf die Zentralbibliothek zu dokumentie- „Schon durch die Eingangssituation ragt diese ren, sollen an dieser Stelle stellvertretend zwei Ent- Arbeit heraus. Das Atrium mit eigenem Aufzug und würfe vorgestellt werden, die es nicht unter die Prä- einer Treppe verleiht der Bibliothek einen angemes- mierten geschafft haben. Auszüge aus den beiden senen Auftakt und wird der ‚Schaufensterfunktion‘ Entwurfsgrundrissen illustrieren die jeweilige gerecht. Die Bibliothek wird hier im Sinne der Aus- Bewertung des von den Städtischen Bibliotheken loberin als Kommunikations-Erlebnis- und Begeg- Dresden hinzugezogenen Sachverständigen Olaf nungsraum, im besten Sinne als Leselandschaft ver- Eigenbrodt, damals Baureferent der Humboldt- standen. Die Struktur ist zeitgemäß, flexibel und Universität Berlin, zur Integration der Zentral- abwechslungsreich.“ 1 2 3
BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R H EFT // 17 4 5 Wettbewerbsarbeit 1028 (Abb. 6 – 8) 6 ARGE Pitz & Hoh Architektur und Denkmalpflege, Berlin, mit Holzer Kobler Architekturen, Zürich Stellungnahme des Sachverständigen „Auch diese Arbeit verlegt den Zugang der Bibliothek nach Südwesten [gemeint ist Südosten, speziell die Verschiebung Richtung Altmarkt; Anm. d. Verf.], was die Bedeutung der Zentralbibliothek für die Stadt 7 8 unterstreicht. Die Konzentration auf das 2. Oberge- Hauptfoyer gelegenen Bereiche zur Wilsdruffer Stra- schoss macht die Bibliothek insgesamt sehr übersicht- ße hin löst das in anderen Entwürfen lich. Die wenigen Bereiche in anderen Geschossen entstehende Problem eines ‚Engpas- ROMAN gliedern sich dort jeweils gut in andere Funktionen ses‘ im Norden des 2. Obergeschos- RABE des Hauses ein. Die sehr aufgelockerte und offene ses. Insgesamt ein überzeugendes, Struktur lässt auch einen Wechsel von ruhigen und zeitgemäßes Konzept, das auch die lauten Bereichen zu. Die Nutzung der über dem notwendige Flexibilität bietet.“
18 // BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R H E F T Kulturpalast 3.0 Weiterbauen an einem Kulturdenkmal von PETRA EGGERT 1 erjüngt und fit V gemacht für viele neue kulturelle Angebote wurde der Kulturpalast nach drei- einhalbjähriger Sanie- rung im April 2017 wieder eröffnet. Für die Architekten und Denk- malpfleger war die Sa- nierung eine Gratwan- derung zwischen dem Erhalt eines der wichtigsten turpalast war insoweit eine gebaute Vision von architektonischen Zeugnisse der ostdeutschen einer demokratischen Gesellschaft und von allge- Nachkriegsmoderne und den notwendigen und meiner Teilhabe. Eine völlig andere Sprache spre- wünschenswerten baulichen Veränderungen, die chen die Wandbilder „Der Weg der Roten Fahne“ neue Nutzungen mit sich bringen. von Gerhard Bondzin an der Ostfassade des Gebäu- des und „Unser sozialistisches Leben“ von Heinz Vor 60 Jahren, am 13. Februar 1967, wurde der Drache und Walter Rehn im 1. Obergeschoss des Grundstein für den Kulturpalast gelegt, zwei Jahre Foyers, die heute Zeitdokumente der politischen später war der Bau vollendet. Die Architekten Wolf- Statements der damaligen Bauherren sind. Der Kul- gang Hänsch, Herbert Löschau und Heinz Zimmer- turpalast polarisierte; er war über 20 Jahre für viele mann schufen das prägnante Gebäude nach Entwür- Dresdener und Gäste der Stadt der geliebte „Kulti“, fen von Leopold Wiel. Der Kulturpalast sollte für andere das Sinnbild für das Leben in einem damals das erkennbar bedeutendste Bauwerk in der bevormundenden und einengenden Staat. Als nach Kriegszerstörung gerade wieder entstehenden Zeugnis der jüngeren deutschen Geschichte in ihrer Innenstadt Dresdens werden, das auch das Residenz- ganzen Widersprüchlichkeit und als Ausdruck schloss der sächsischen Kurfürsten und Könige in gesellschaftlicher Diskontinuität wurde 2001 das den Schatten stellt. Einerseits sollte jedermann den Wandbild „Weg der roten Fahne“ zum Kulturdenk- Zugang zu Kunst, Kultur und Bildung erhalten, mal erklärt. Neun Jahre später wurde auch das andererseits wurde dieses Ziel mit klaren politischen Gebäude in die Kulturdenkmalliste des Freistaates Direktiven verbunden. Sachsen aufgenommen. Die Doppelfunktion wird auch in der Architektur Als aufgrund von Mängeln beim Brandschutz eine sichtbar; das Gebäude liegt gut erreichbar in der Sanierung unumgänglich geworden war, beschloss Innenstadt. Durch fünf Eingänge zu ebener Erde der Dresdner Stadtrat 2008 den Umbau des Hau- betritt man das Foyer, einen hellen, weiten, licht- ses und gleichzeitig die Vervielfachung der kultu- durchfluteten Raum. Die Fassade der Obergeschos- rellen Angebote. Der Kulturpalast sollte in der se besteht aus großen, in Aluminiumprofile einge- Zukunft feste Spielstätte der Dresdner Philharmo- spannten Glasscheiben, durch die der freie Blick in nie und des Kabaretts „Die Herkuleskeule“ sowie die Stadtlandschaft möglich ist. Der zentrale Saal Zentrale der Städtischen Bibliotheken werden. und die ihn umgebenden Gesellschaftsräume waren Diese neuen Funktionen stellen nie da gewesene wandelbare Multifunktionsräume, was dem seiner- Herausforderungen an das Gebäude. Das Haus ist zeit modernsten Konzept für Kulturbauten ent- seit seiner Wieder eröffnung sieben Tage in der sprach. Alles atmet Offenheit und Weite. Der Kul- Woche für täglich etwa 4.000 Besucher geöffnet.
BIS – Das Magazin der Bibliotheken in Sachsen [2O17] S O N D E R H EFT // 19 2 3 Um den gewaltigen neuen funktionalen Herausfor- Das Motiv der „schwebenden“ Hori- derungen gewachsen zu sein, mussten die innere zontalen prägt das Gebäude. Man 4 Struktur weitgehend und die Haustechnik vollstän- findet es an der Gebäudefassade, die dig erneuert werden. Der Mehrzwecksaal wurde den Eindruck vermittelt, als seien zugunsten eines monofunktionalen Konzertsaals zwei horizontale Betonscheiben beseitigt. Dort wo sich vor der Sanierung eine Stu- „schwebend“ in eine Aluminium- diobühne (Abb. 1 nach dem Umbau mit erhaltener Glas-Konstruktion eingespannt. Decke), Künstlergarderoben, ein Restaurant, Club- Auch die Handläufe der Treppenge- und Konferenzräume befanden, findet man heute länder im Inneren zogen sich wie ein weitläufige Bibliotheksräume, ausgestattet mit mo- schwebendes Endlosband durch das gesamte Gebäu- dernster Medientechnik. Trotz vielfältiger und de. Nachdem aber feststand, dass die Bestandsgelän- unübersehbarer Veränderungen, die der Umbau mit der den aktuellen Bauvorschriften nicht mehr genü- sich brachte, sollte der Charakter des Hauses als gen, musste eine Lösung gefunden werden, die zwei emblematischer Bau der 60er Jahre gewahrt bleiben. Ziele vereinte; zum einen sollte so viel Geländer wie möglich erhalten bleiben, zum anderen musste für Die für die Sechzigerjahre typische Aluminium- die Sicherheit der Besucher gesorgt werden. Die Glas-Fassade war den Anforderungen an modernes Lösung bestand darin, in das Bestandsgeländer im energetisches Bauen sowie den Brandschutz- und Foyer und den seitlichen Treppenhäusern ein Sicherheitsvorschriften nicht mehr gewachsen. Der Sicherheitsglas zu integrieren (Abb. 3). Mit diesem Einsatz moderner Sonnenschutz- und Sicherheits- zusätzlichen Element konnten alle baurechtlichen gläser sowie individuell angepasster Lüftungs- und Sicherheitsmängel behoben werden; so der gemes- Brandschutztechnik machten es möglich, die origi- sen an den aktuellen Sicherheitsstandards zu große nalen Aluminiumelemente zu erhalten. Viele Teile Abstand der Füllstäbe, der ebenfalls zu große der vorhandenen Innenausstattung wie beispielsweise Abstand des Geländers von den Treppenläufen und die Holz- und Marmorverkleidungen des Foyers, die zu geringe Geländerhöhe. wurden vor den umfangreichen Rückbauarbeiten ausgebaut und bis zu ihrem Wiedereinbau in das Der Kulturpalast war nach über 40 Jahren der Nut- sanierte Gebäude eingelagert. Die Deckenverklei- zung nicht nur physisch verschlissen, auch der dung im Foyer (Originalzustand siehe Abb. 4) aus ursprüngliche Zweck seiner Errichtung hatte sich Gipsstrukturelementen fiel hingegen den Umbauar- lange überlebt. Um das Gebäude weiter sinnvoll nut- beiten zum Opfer. Dafür gelang der Erhalt der soge- zen und das Kulturdenkmal erhalten zu können, war nannten „Kranichdecke“, eine reliefartige Decken- eine Sanierung notwendig. Jede der beschriebenen verkleidung aus seriell gefertigten Gipselementen, die Veränderungen greift empfindlich in den aus Sicht an fliegende Kraniche erinnert. Ursprünglich war sie der Denkmalpflege bedeutenden Zeugniswert des Teil des Restaurant-Interieurs, heute schmückt sie die Kulturdenkmals ein. Demgegenüber ist die Sanie- Decke des Lesesaales (Abb. 2 Wiedereinbau). Auch rung auch ein großer Gewinn. Angefüllt mit neuen das Wandbild von Lüder Baier findet in einem der und vielfältigen kulturellen Angeboten wird das die beiden Bibliotheksetagen verbindenden Treppen- historische Gebäude nun wieder sei- häuser einen neuen Platz. Einige originale Foyer- ner zentralen innerstädtischen Lage PETRA leuchten konnten für den Beratungsraum der Biblio- und seiner Bedeutung für die Bürger EGGERT thek gerettet und von den Architekten entworfene gerecht. Und so ist die Sanierung originale Drückergarnituren in Türen der Biblio- ein Kompromiss, der das Überleben theksbüros eingesetzt werden. eines Kulturdenkmales sichert.
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