Sinfonie konzert 2020/21 - Sinfonieorchester Münster
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Ottorino Respighi (1879–1936) GLI UCCELLI (Die Vögel) – Suite für kleines Orchester I. Preludio II. La colomba (Die Taube) III. La gallina (Die Henne) IV. L’usignuolo (Die Nachtigall) V. Il cucù (Der Kuckuck) LANG LANG spielt für Antonio Vivaldi (1678–1741) »Se garrisce la rondinella« aus ORLANDO FINTO PAZZO RV 727 »Quell’usignolo ch’al caro nido« aus ARSILDA, REGINA DI PONTO RV 700 Pietro Torri (ca. 1650–1737) SARAH & MICH »Amorosa rondinella« aus NICOMEDE Andrea Stefano Fiorè (1686–1732) »Usignolo che col volo« aus ENGELBERTA Francesco Gasparini (1661–1727) »Bell’augelleto che vai scherzando« aus L’ORACOLO DEL FATO Ausgabe der Partituren von Giovanni Andrea Sechi Einojuhani Rautavaara (1928–2016) CANTUS ARCTICUS – Konzert für Vögel und Orchester op. 61 Ve r w a n d e l n S i e I h r Wo h n z i m m e r i n I h re n pr i v at e n Kon z e r t s a a l m it s p i r i o , d e m I. Suo (Der Sumpf) b e e i n d r u c k e n d e n S e l b s t s pi e l s y s t e m v on St e i nw ay & S on s . G e n i e ß e n S i e Kü n s t l e r II. Melankolia (Melancholie) w i e L a n g L a n g o d e r Mu s i k v on Fre d d y Me rc u r y s o aut h e nt i s c h w i e b e i e i n e m III. Joutsenet muuttavat (Ziehende Schwäne) L i v e - Kon z e r t . Wa n n i m m e r u n d s o l a n g e S i e m ö g e n . B i s S i e s e l b s t w i e d e r i n d i e Ta s t e n g re i f e n m ö c ht e n . s t e i nway s p i r i o – s p i e l e n & s p i e l e n l a s s e n . Solistin: Núria Rial, Sopran Sinfonieorchester Münster Dirigent: Golo Berg Stream am Sonntag, 23. Mai 2021, ab 18 Uhr info@pianomicke.de w w w. s t e i n way - m u e n s t e r . d e
Kurz gefasst! Ottorino Respighi Einojuhani Rautavaara GLI UCCELLI CANTUS ARCTICUS Entstehung: 1928, Dauer: 20 Minuten Entstehung: 1972, Dauer: 18 Minuten Uraufführung am 12. Juni 1928 in São Paulo (Brasilien) Uraufführung am 18. Oktober 1972 in Oulu (Finnland) unter der Leitung des Komponisten unter der Leitung von Stephen Portman Respighi, 1936 Rautavaara, um 2000 Respighi gilt als Erneuerer der italienischen Instrumentalmusik im 20. Jahrhundert, Rautavaara galt bis zu seinem Tod im Jahr 2016 als der führende Komponist Finn- der viel für die Erforschung und Wiederentdeckung der Musik der Renaissance und lands. In seinem Schaffen gehen Tradition und Moderne Hand in Hand, ideologische des Barock leistete. Dazu gehörte auch die Bearbeitung der Musik aus dieser Zeit, Scheuklappen blieben ihm ein Leben lang fremd. Der CANTUS ARCTICUS ist sein am wozu auch die Suite GLI UCCELLI zählt. Die barocken Vorlagen, die die Laute ver- häufigsten gespieltes Werk, in dem sich Zuspielungen echter Vogelstimmen des schiedener Vögel nachahmen, kleidete der Komponist mit viel Feingefühl in ein Polarkreises mit dem Orchesterklang zu einer ebenso mystischen wie faszinierenden klangschönes orchestrales Gewand. Einheit verbinden. Es ist eine Liebeserklärung an die Natur seiner Heimat und ein Aufruf zum Naturschutz. Vivaldi, Torri, Fiorè und Gasparini Opernarien Entstehung: Zwischen 1708 und 1728 Dauer: Insgesamt 27 Minuten Uraufführungen: November 1714 in Venedig (ORLANDO FINTO PAZZO), Oktober 1716 in Venedig (ARSILDA), Oktober 1728 in München (NICOMEDE), 1708 in Mailand Vivaldi, 1725 (ENGELBERTA), vermutlich 1709 in Venedig oder Wien (L’ORACOLO DEL FATO) In der Barockoper verkörperten Vögel eine ganze Reihe von Gefühlszuständen – sie konnten ebenso Boten der Liebe wie von Seelenqualen sein. Zumeist wurde dazu die Solostimme in den Arien mit einem gleichberechtigten Soloinstrument kombi- niert, häufig einer Flöte. Wie aussdrucksvoll und einfallsreich die verschiedenen italienischen Komponisten mit diesem Thema umgegangen sind, zeigt die Auswahl aus teilweise unbekannten Opern dieser Zeit. 2 3
Núria Rial studierte Gesang und Klavier in ihrer Heimat Katalonien. Sie wechselte nach Basel in die Klasse von Kurt Widmer, machte 2003 ihren Abschluss und gewann den Helvetia Patria Jeunesse in Luzern für ihre herausragenden Fähigkeiten als Sängerin. Ihre feine, klare Stimme, das weich schwingende Timbre, Musikalität und Ausdrucksstärke öffneten ihr auf internationaler Ebene rasch die Türen. Als Konzertsängerin arbeitet sie mit Dirigenten wie Ivan Fischer, Paul Goodwin, Trevor Pinnock, Howard Griffiths, Teodor Currentzis, René Jacobs, Neville Marriner, Thomas Hengelbrock oder Laurence Cummings. Dabei wird sie von Spitzenensembles wie Concerto Köln, The English Concert, Kammerorchester Basel, Collegium 1704, Il Giardino armonico, Accademia del Piacere oder Il Pomo d’Oro u. a. begleitet. Núria Rial hat sich viel mit Barockmusik und historischer Aufführungspraxis beschäftigt und sich so einen Namen gemacht. Sie hat zahl- reiche CDs für verschiedene Labels aufgenommen. Seit Januar 2009 ist sie Exklusivkünstlerin bei Sony Classical/BMG Masterworks. Ihre CD »Ave Maria« gewann den holländischen Edison Award. Im Jahr 2009 erhielt sie den beliebten Echo-Klassik gleich in zwei Kategorien. Zum einen war sie Nachwuchssängerin des Jahres mit dem Album »Haydn-Arie per un amante« (L’Orfeo Barock- orchester) und zum anderen wurde die CD »Teatro d’Amore« mit Philippe Jaroussky (L’Arpeggiata) gekürt. 2010 folgte der Echo Klassik für die CD »Via Crucis» mit Christina Pluhars »L’Arpeggiata« und 2012 wurde Núria Rial für ihre CD »Telemann« mit dem Kammerorchester Basel in der Kategorie »Beste Opernarien CD« ein weiterer Echo verliehen. Ihre jüngsten Aufnahmen »Muera Cupido« mit dem Gambisten Fahmi Alqhai und »Mother« mit Dima Orsho und Musica Alta Ripa (beide DHM) widmen sich ausgewählten Bühnenwerken des 18. Jahrhunderts in Spanien sowie barocken Arien und arabischen Liedern, die sich mit den Facetten der Mutterrolle auseinandersetzen. Für ihre CD »Muera Cupido« mit der Accademia del Piacere erhielt Núria Rial 2020 einen Opus Klassik. 4
Sebastian Schmidt studierte Blockflöte und Traversflöte in Freiburg und Frankfurt am Main. Zu seinen Lehrern zählen Prof. Agnes Dorwarth, Prof. Michael Schneider und Prof. Karl Kaiser. Derzeit studiert er in der Solistenklasse (Konzertexamen) bei Prof. Jan Van Hoecke an der HfMDK in Frankfurt am Main. Wichtige musikalische Impulse erhielt er außerdem u. a. von Reinhard Goebel und Hille Perl. Er konzer- tiert als Solist sowie in verschiedenen Kammermusikformationen. Er arbeitete u. a. mit Dorothee Oberlinger, Maurice Steger, Stefan Temmingh und konzertierte mit namhaften Orchestern, wie dem Orchestre de l’Opéra Royal de Versailles oder dem Capricornus Consort Basel. Seine Engagements führten ihn in renommierte Konzertsäle im In- und Ausland. Er ist Preisträger nationaler und interna- tionaler Wettbewerbe und erhielt zahl- reiche Stipendien. So gewann er den II. Preis des internationalen Block- flöten-Wettbewerbs Nordhorn und ist Bundespreisträger des Wettbewerbs »Jugend musiziert«. Er war mehrfacher Finalist des GWK-Förderpreises Musik in Münster. Im Jahr 2016 wurde er als Kursstipendiat des Liebenberger Meisterkurses bei Prof. Dorothee Ober- linger ausgewählt und 2020 als Stipen- diat in die »Werner Richard – Dr. Carl Dörken Stiftung« aufgenommen. Neben seiner Tätigkeit als Konzert- flötist unterrichtet er an der Musik- und Singschule Heidelberg. Im Jahr 2019 hatte er einen Lehrauftrag am Dr. Hoch’s Konservatorium in Frank- furt am Main. 7
Ottorino Respighi GLI UCCELLI Vögel faszinieren Menschen schon seit Jahrtausenden und ihr Gesang ist so- wohl ein natürlicher Quell der Freude wie der Inspiration. Nicht zuletzt wird er in jüngster Zeit sogar gezielt eingesetzt, um gestressten Großstadtbewohnern ein Gefühl der Ruhe und Entspannung zu geben, sei es mittels in der Wohnung auf- stellbarer Soundboxen oder mithilfe von Apps. Von ihm geht also eine unmittel- bare Wirkung auf die Psyche aus – Frühlingsgefühle etwa haben immer das Vogel- gezwitscher als unterschwellige Begleitmusik. Dass auch Komponisten diese Urform von Musik in ihre Werke einbezogen haben, liegt auf der Hand und hat eine lange Tradition: Von Heinrich Ignaz Franz Bibers »Sonata representativa« für Solovioline über Vivaldis VIER JAHRESZEITEN und Beethovens PASTORALE bis hin zu einem Komponisten wie Olivier Messiaen, für den Vögel gar »die größten Künstler unter den Lebewesen« waren – zeitlebens zeichnete er mit Akribie und Hingabe über 700 Vogelstimmen auf, die Grundlage für seine Kompositionen wurden. Respighis Suite GLI UCCELLI reiht sich hier nahtlos ein, jeder Satz imi- tiert den Klang eines anderen Vogels. Dabei greift der italienische Komponist auf (früh-)barocke Musik sowohl seiner Vorgänger als auch auf französische Kompo- nisten wie Jacques Gallot (1625–1696) oder Jean-Philippe Rameau (1683–1764) zurück und kleidet sie in einen modernen Orchesterklang. Die Erforschung der – vorrangig italienischen – Musik des 16. bis 18. Jahrhunderts war eine der Passio- nen Respighis. Er liebte es, diese bis dato völlig unbekannte Musik zu bearbeiten und ihr damit neues Leben einzuhauchen. Neben GLI UCCELLI wurden besonders »… die Nachtigall hat just die drei zwischen 1917 und 1931 entstandenen Orchestersuiten unter dem Titel italienische Manieren, das ANTICHE DANZE ED ARIE berühmt, die auf Lautenkompositionen des 16. und meiste sind Triller und Läufe 17. Jahrhunderts beruhen. Für GLI UCCELLI suchte sich Respighi gezielt verschie- mit der Stimme, sie klagt dene, thematisch passende Vorlagen zusammen und erstellte die fünfsätzige überhaupt nicht, sondern Suite für kleines Orchester. Sie entstand 1928 auf einer Konzertreise durch Brasi- singt aus vollem Halse ihre lien, während eines Aufenthalts in São Paulo wurde sie schließlich uraufgeführt. stolzen Bravour-Arien.« Typisch für Respighi ist die höchst raffinierte, wirkungsvolle und fein abgestufte Hans Christian Andersen Instrumentation, die auch GLI UCCELLI so reizvoll macht. Bereits zuvor hatte er (1805–1875) Vogelgesang für ein eigenes Werk vorgesehen, in PINI DI ROMA soll per Tonband 9
Vivaldi, Torri, Fiorè und Gasparini im dritten Satz (»I pini del Gianicolo«) der Gesang einer Nachtigall eingespielt Opernarien werden – anders als in Rautavaaras CANTUS ARCTICUS hat dies aber nur dekora- tiven Charakter. Sie taucht im vierten Satz von GLI UCCELLI wieder auf, diesmal allerdings mit rein instrumentalen Mitteln. Beginn und Schluss der Suite bildet ein Cembalostück des bis heute ziemlich unbekannten Komponisten Bernardo Die Kunstwelt des Barock war mit Vögeln dicht bevölkert. Tauben, Nachti- Pasquini (1637–1710), die »Taube« des zweiten Satzes gurrt nach einer Vorlage gallen, Lerchen, Schwäne, Schwalben oder geflügelte Gottheiten waren Sinnbilder von Jacques Gallot, die »Henne« scharrt und gackert nach dem Vorbild von für hingebungsvolle Liebe ebenso wie für höllische Qualen und diverse Gemüts- Rameau und die »Nachtigall« schließlich singt nach dem Volkslied »Engels Nach- zustände dazwischen. Besonders greifbar wurde dies in der Barockoper, wo die tegaeltje« des niederländischen Blockflötenvirtuosen Jacob van Eyck (1590–1657). Vogelthematik fast immer in der Kombination einer Singstimme (meist natürlich Respighi goss all diese Stücke für Soloinstrumente in ein impressionistisch inspi- ein Sopran) mit einem Soloinstrument (naheliegenderweise eine Block- oder riertes orchestrales Klanggewand, so dass sich zwei farbenprächtige musikalische Querflöte) auftritt. Beide treten in einen mitunter virtuosen Wettstreit und be- Stillagen miteinander vermischen. Dabei entstand seine wohl liebenswerteste feuern sich gegenseitig, wer dem Gesang der Vögel am nächsten komme. Die Komposition. Arien der vier italienischen Komponisten sind Paradebeispiele hierfür. Der bekannteste unter ihnen ist Antonio Vivaldi, dessen Opernschaffen erst in den letzten Jahrzehnten wieder stärker ins Bewusstsein rückt. Die sprudelnde Kreati- vität des Instrumentalkomponisten findet sich auch in seinen Werken für die Bühne – der Anspruch des verwöhnten venezianischen Publikums verlangte dies ohnehin. ORLANDO FINTO PAZZO (etwa: Orlando spielt verrückt) ist sein Opern- erstling für das Teatro Sant’Angelo, dessen großer Erfolg den Boden für weitere Aufträge bereitete. In der Arie »Se garrisce la rondinella« am Schluss des zwei- ten Akts drückt die dämonische Zauberin Ersilla mit der Metapher einer Schwalbe ihre widersprüchlichen Gefühle zwischen Liebe und Abneigung für einen Ritter aus. Zwei Jahre nach ORLANDO entstand die Opera seria ARSILDA ebenfalls für das Teatro Sant’Angelo. Hier dient die Nachtigall als Sinnbild für die Treue, die dem Protagonisten Barzane in der Arie »Quell’usignolo ch’al caro nido« seine Untreue vorhält. Pietro Torri – vom Gardasee stammend – wirkte nach Statio- nen in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden am kurfürstlichen Hof in München. Die Titelrolle in seiner Oper NICOMEDE sang kein Geringerer als ein gewisser Carlo Broschi, besser bekannt als Farinelli. Die einzigartige Karriere des damals 23-jährigen Kastraten hatte bereits derartig Fahrt aufgenommen, dass man ihn auch in München hören wollte. Die Arie »Amorosa rondinella« gibt einen Eindruck von der Gesangskunst, mit der er ganz Europa verzückte: Der schier endlose Atem in Verbindung mit bruchlosen Wechseln zwischen Legato, Verzierungen und virtuosen Koloraturen. In Italien war neben Venedig die Stadt 11
Gesangstexte Pietro Torri: »Amorosa rondinella« aus NICOMEDE Libretto: Domenico Lalli Amorosa rondinella Die verliebte Schwalbe quanto mai si racconsola, findet großen Trost, quando riede al tetto amato wenn sie das geliebte Dach erreicht, dove il nido amor gli diè. wo ihr Nest ihr Geborgenheit gab. Antonio Vivaldi: »Se garrisce la rondinella« aus ORLANDO FINTO PAZZO Par che dica in sua favella, Sie scheint in ihrer Sprache zu sagen, Libretto: Grazio Braccioli quando intorno a lui sen vola, während sie es umfliegt: verno rio mai più non torni Möge der harte Winter nie wiederkommen, Se garrisce la rondinella Wenn die Schwalbe zwitschert che mi vuol lontan da te. der mich von dir trennen will. credi pur che tale anch’ella glaube ich, dass sie auch rinfacciando va’ al suo bene ihrem Gefährten Vorwürfe macht Andrea Stefano Fiorè: »Usignolo che poco amor e poco fé. für unzureichende Liebe und Treue. col volo« aus ENGELBERTA Libretto: Pietro Pariati/Apostolo Zeno Poggia al colle, scende al prato, Sie landet am Hang, steigt auf die Wiese hinab e del cuor mesto, agitato, und ergießt all die bittere Trauer Usignolo, che col volo Nachtigall, die du im Flug deinen Gesang va’ sfogando le rie pene in ihrem traurigen, besorgten Herzen, sciogli il canto in verdi rami, zwischen den grünen Zweigen entfaltest, e cercando al duol mercé. Mitleid suchend für ihren Kummer. vanne a dì, tu che ben ami, da du auch die Liebe kennst, flieg zu meinem al mio sposo il mio martirio. Geliebten und schildere ihm meine Qual. Dì che cede alla mia fede Sag ihm, dass meine Treue Antonio Vivaldi: »Quell’usignolo ogni tronco in quelle piante, stärker ist als jeder Ast in diesem Grün ch’al caro nido« aus ARSILDA, REGINA che ogni fronda è più costante und dass jeder noch so zarte Zweig fester DI PONTO di quel cor per cui sospiro. ist als jenes Herz, für das ich schmachte. Libretto: Domenico Lalli Quell’usignolo Die Nachtigall, Francesco Gasparini: »Bell’augelletto ch’al caro nido die ihrem geliebten Nest che vai scherzando« aus L’ORACOLO si mostra fido, treu bleibt, DEL FATO ch’io sono infido verkündet laut, Libretto: Pietro Pariati gridando va. ich sei untreu. Bell’augelletto Anmutiges Vöglein, Poi, se tra fonde Und wenn sie losfliegt che vai scherzando das du lustig Vola e s’asconde, und sich zwischen den Zweigen versteckt, cui verdi rami, von Zweig zu Zweig springst, mi par che dica scheint sie den freundlichen Lüften t’intendo: tu mi chiami, ich höre dich: Du rufst mich, all’aura amica: zu sagen: e parla in te l’amor. und aus dir spricht die Liebe. soffrir non posso Untreue l’infedeltà. kann ich nicht ertragen. Se vai sfogando Wenn du den süßen, quel dolce affetto beliebten Gefühlen che piace tanto, freien Lauf lässt, t’intendo: tu col canto verstehe ich dich: Mit deinem Gesang saluti il primo albor. begrüßt du den Tagesanbruch. 12 13
Ausschnitt aus dem musik- theoretischen Traktat Einojuhani Rautavaara MUSURGIA UNIVERSALIS von Athanasius Kircher, 1650. Vermutlich handelt es sich CANTUS ARCTICUS hier um den ersten Versuch, Vogelstimmen in musikali- scher Notation festzuhalten. »Der im Jahr 1972 komponierte CANTUS ARCTICUS, ein ›Konzert für Vögel und Orchester‹, ist mein am häufigsten gespieltes Orchesterwerk und zählt offenbar zu den bekanntesten und beliebtesten Kompositionen der neuen finnischen Musik. Die Eindringlichkeit und Magie dieser Komposition entsteht durch die an und für sich simple Musik des Orchesters, die als Kontrapunkt zu den Stimmen arktischer Vögel auf einem Tonband komponiert worden ist – Vögel und Sinfonieorchester befinden sich in ständiger Interaktion. Die Vogelstimmen wurden am Polarkreis und in den nördlichen Sümpfen von Liminka, einem Ort ganz im Norden der Ost- see, aufgenommen. Das Tonband mit ihren Stimmen ist nur rudimentär bear- beitet. Der erste Satz, ›Der Sumpf‹, beginnt mit einem Duett zweier Soloflöten. Allmählich schließen sich weitere Holzbläser und jene Vogelstimmen an, die man im kurzen Frühling auf den großen Sümpfen hört. Am Satzende beginnen die Streicher eine breit angelegte Melodie. Sie gleicht der inneren Stimme eines ein- samen Wanderers in der Wildnis. Im zweiten Satz, ›Melancholie‹, ist das hohe Zwitschern einer Ohrenlerche verlangsamt und gleichzeitig in einer bedeutend niedrigeren Tonhöhe als normal zu vernehmen. Im abschließenden Satz, ›Zie- hende Schwäne‹, findet auch auf dem Tonband mittels überblendeter Stimmen Mailand ein Zentrum der Oper. Hier wirkte zeitweise Andrea Stefano Fiorè, der der Singschwäne ein großartiges Crescendo statt. Hierdurch entsteht der Ein- eigentlich als Hofkapellmeister in Turin angestellt war. In Mailand entstand die druck, die Zahl der Schwäne würde ständig zunehmen, bis dann alle in der Ferne Opera seria ENGELBERTA, die von Engelberga, der Gattin Ludwigs II. (825–875) entschwinden.« Mit diesen Worten skizzierte der finnische Komponist Einojuhani aus dem Geschlecht der Karolinger handelt. Die Arie »Usignolo che col volo« Rautavaara sein CANTUS ARCTICUS, mit dem er bis heute regelmäßig in den Kon- beschwört wie schon bei Vivaldi die Nachtigall als Symbol treuer Liebe, der die zertsälen zu hören ist. Bereits aus der Art der Beschreibung wird deutlich, dass Königin nachtrauert. Ein seinerzeit sehr berühmter, aber heute vergessener sich der Komponist romantischer Topoi bedient, etwa wenn er beim Duett der Komponist ist Francesco Gasparini, der vor allem für Venedig und Rom zahl- Soloflöten zu Beginn des ersten Satzes in die Partitur schreibt: »Man denke an reiche Opern schrieb. Der Anlass für die Komposition der Serenade L’ORACOLO den Herbst und Tschaikowski« oder den »einsamen Wanderer in der Wildnis« DEL FATO (Das Orakel des Schicksals) war der Geburtstag von Elisabeth Christine beschwört. Tatsächlich fällt CANTUS ARCTICUS in die neoromantische Phase in von Braunschweig-Wolfenbüttel, der Gemahlin Kaiser Karls VI. und Mutter Maria Rautavaaras Schaffen in den 1970er Jahren. Offenbar war dies eine bewusste Theresias. In der Arie »Bell’augelleto che vai scherzando« begrüßt Aurora, die Abkehr vom Serialismus, mit dem er sich im Jahrzehnt zuvor beschäftigte – der Göttin der Morgenröte, den Tagesanbruch, bei dem sich ein Vögelchen in Form wiederum eine Reaktion auf die neoklassische Phase der 1950er Jahre war. In einer Flöte hören lässt. dieser Zeit wurde der Grundstein seiner Karriere durch keinen Geringeren als den 14 15
90-jährigen Jean Sibelius gelegt, der ihm 1955 ein Stipendium zum Studium in den USA (in New York und Tanglewood) ermöglichte. Hier lernte er u. a. bei Aaron Copland und Roger Sessions. Sein Leben lang blieb er der Sibelius-Akademie in Helsinki – der einzigen Musikhochschule Finnlands – eng verbunden, zuletzt von 1976 bis 1990 als Professor für Komposition. Er starb 2016 an den Folgen einer Hüftoperation. Der Anlass zur Komposition des CANTUS ARCTICUS war die erste Promotions- feier der 1958 gegründeten Universität in Oulu, der nördlichsten Großstadt der EU. Statt einer herkömmlichen Festmusik entschied sich Rautavaara für ein Kon- zert mit selbst aufgezeichneten Vogelstimmen der Umgebung von Oulu, die er mit dem Klang des Orchesters zu einer komplexen musikalischen Einheit ver- schmolz. Die Feier erhielt dadurch eine eigene, ins Romantisch-Mystische ten- dierende Note mit einem deutlichen Fingerzeig in Richtung eines Aufgabenfelds, dem sich die Universität nach Meinung des Komponisten widmen sollte: Die Erforschung und Bewahrung der empfindlichen Natur am Polarkreis. Die Vorliebe des Komponisten für die Sphäre des Mystischen wurde früh in der Kindheit geprägt, laut eigener Aussage durch einen Traum, in dem er mit einem Engel kämpfte und das Beiwohnen einer griechisch-orthodoxen Bischofsweihe. In einem Interview zur Frage nach seiner Religiosität zitierte er den deutschen Philosophen Friedrich Schleiermacher mit den Worten: »Religiosität ist Sinn und Geschmack für das Unendliche« – eine Einstellung, die auch in Kompositionen wie CANTUS ARCTICUS deutliche Spuren hinterlassen hat. Eine genaue stilisti- sche Einordnung fällt schwer, da viele unterschiedliche Komponenten zusammen- kommen: Da ist der impressionistisch gefärbte Orchestersatz, teils mit roman- tisch anmutender Melodieführung, der mit elektronischen Zuspielungen echter Vogelstimmen in Bezug gesetzt wird – eine interessante Infragestellung der Begriffe von Kunst und Natur. Hinzu kommt an bestimmten Stellen die Aleatorik, also eine Art Zufallsprinzip, in der Dirigent:innen selbst bestimmen können, wann die fixierte Notation ausgeführt wird. Dadurch gleicht keine Aufführung des CANTUS ARCTICUS der anderen. Der kreative und lustvolle Stilpluralismus wurde zum Merkmal von Rautavaaras Musik seit den 1980er Jahren, was ihm nicht zuletzt den Status eines führenden Komponisten seines Landes eintrug. Dass der CANTUS maßgeblich dazu beigetragen hat, verwundert nicht: Von Men- schen gemachte und natürliche Klänge gehen eine faszinierende Symbiose ein. 16
Besetzung I. Violine Flöte Trompete AS S IK KL otzt Maia Shamugia Friederike Wiechert-Schüle Gernot Sülberg Christoph Struck Julia Schriewer Guido Fröhlich Anja Fontaine Oboe Posaune Katrin Philipp Giorgi Kalandarishvili Matthias Imkamp tr II. Violine Jan Stefan Wimmer Pauke/Schlagzeug Ulrike Drüge Klarinette Armin Weigert Adrian Kowollik A Werner Raabe Thomas Jambor N Stefan Marx Achim Pfeifer O Harfe R Viola O Fagott Christiane Steffens C Felix Hansen Heidrun Schulze Gabriele Piras Celesta Reingard Sirotek Boris Cepeda Violoncello Horn Giedrius Žukauskas Cembalo ITGLIED Paola Rodilla Martinez Friederike Peucker Gregor Hollmann* Konrad Balint JETZT M DEN Kontrabass Renate Fischer WER Vorschau Musik baut Brücken zwischen Menschen. Desha alb 10. SINFONIEKONZERT fördern wir auch in sschwierigen Zeiten die Konzerte 23./24./25./26. Juni 2021, jeweils 19.30 Uhr | Theater Münster, Großes Haus unseres Sinfonieorch hesters. Werden Sie jetzt Mitglied M (vorbehaltlich Genehmigung durch die verantwortlichen Stellen) der Freunde und Förrderer des Sinfonieorcheste ers Sinfonie Orchesteer Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) Münster. Münster Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 G-Dur KV 216 Mehr Informationen unter Tel. 0251-5909109 oder o Freun nde Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) age. auf unserer Homepa und Sinfonie Nr. 4 A-Dur op. 90 »Italienische« Förderer www w..freunde-sinfon nieorchester-muensterr..de www.freunde-sinfonieorchester-muenster.de Midori Goto, Violine Sinfonieorchester Münster Stefan Veselka, Dirigent 18 Änderungen vorbehalten! * als Gast
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