Spiel - Theater Verband Tirol

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Spiel - Theater Verband Tirol
darstellendes                                                                  Österreichische Post AG

spiel
                                                                                   MZ 02Z0300004 M
                                                   Theater Verband Tirol, Stadlweg 25, 6020 Innsbruck

Nr. 04 | 2020

Lust auf Theater
Interviews
Besprechungen
Informationen

„die mutprobe“ Teresa waas, manuel wenda
Koproduktion: spectACT, Dekanat Wilten, katholische Frauenbewegung
Spiel - Theater Verband Tirol
Spiel - Theater Verband Tirol
Editorial
                     Liebe
       Theaterkolleginnen und -kollegen!

Das Jahr 2020 wird wohl in die Geschichte eingehen.
Es sind Dinge passiert, die niemand für möglich gehal-
ten hätte. Damit meine ich weniger die Tatsache, dass
eine weitere Seuche die Erde heimsucht. Das hatten wir
in usnerer Historie leider schon öfter. Vielmehr meine ich
die Maßnahmen, die weltweit politisch, gesellschaftlich,
wirtschaftlich und kulturell vollzogen wurden.
Seit mittlerweile Jahrzehnten forderten Umweltschützer
ein Herunterfahren des Wachstums. Diese wurden als
weltfremde Spinner in ein sozialromantisches Eck ge-                                    Über das definieren wir uns primär, egal ob im nichtpro-
stellt. Und jetzt schafft es ein kleiner Virus, die gesamte                             fessionellen oder im professionellen Bereich.
Welt lahmzulegen.                                                                       In vielen Gesprächen merke ich bereits einen gewissen
Unmittelbare gesundheitliche Folgen wurden versucht                                     Rückzug. Leute widmen sich anderen Hobbies, gehen in
abzuwenden. Wirtschaftliche Folgen werden kommen.                                       ihre ursprünglichen Berufe zurück, lassen sich umschulen
Die gesamte Kulturbranche wurde auf Null herunter-                                      oder nehmen irgendwelche anderen Jobs an. Es droht
gefahren. Über Systemrelevanz wurde diskutiert. Über                                    ein empfindlicher Aderlass!
Langzeitfolgen einer kulturlosen Zeit schon weniger und
über die persönlichen Konsequenzen der Kulturschaffen-                                  Deshalb wird es Zeit, eine Perspektive zu entwickeln, eine
den beinahe nichts.                                                                     mittelfristige Planung zu starten und uns das zu erhalten,
Abgesehen von den finanziellen Hilfen, die gut funktionie-                              was die Uressenz unserer Kreativität ist -
ren, haben wir Künstler*innen ja eine ganz hohe Identifi-                               Lust auf Theater!
kation mit unserem Schaffen. Wir wollen spielen, schrei-
ben, inszenieren, bauen, konzipieren, proben, technisch                                 Bleibt cool und alles Liebe!
begleiten. Unserem Publikum eine Geschichte erzählen.                                   Euer Thomas Gassner

Impressum:
Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: Theater Verband Tirol, Stadlweg 25, 6020 Innsbruck,
www.theaterverbandtirol.at; thomas@theaterverbandtirol.at
Redaktion, graphische Gestaltung: Thomas Gassner, Redaktionsmitarbeit: Almud Magis, Stephanie Larcher-Senn, Benjamin Nicolussi Castellan, Julia
Jenewein und Sarah Milena Rendel
Titelfoto: spectACT; Foto-Editoral: Arnold Weißenbach
Druck: Gutenberg/Werbering; Auflage: 4.000 Stück
Blattrichtung: Das Theatermagazin „Darstellendes Spiel“ ist eine unabhängige und kostenlose Zeitung des Theater Verbands Tirol und erscheint viermal jähr-
lich. Kein Teil des Magazins darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verbands reproduziert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Für eventuelle Fehler wird nicht gehaftet. Für zur Verfügung gestellte Fotos, Texte usw. liegt das Copyright beim Auftraggeber.
Mit Namen gekennzeichnete Beiträge entsprechen nicht zwangsläufig der Meinung des Vorstandes des TVT.

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Spiel - Theater Verband Tirol
MIT ROSA-

                                                    Inhalt
01            mit rosaroter brille
              Mini-interviews                             04   Dies & DAS
                                                               Berichte vom Verband

              Marco Schmitzer                                  Hermann Freudenschuss in Funktionärspension

              Christian Riml                                   Die neue Hängetasche des Verbandes

              Juliana Haider                                   Neuwahl 2020

              Dominik Kapferer                                 Licht an - Licht aus, ein Gedicht zum Lockdown

              Nora Winkler                                     Ein Nachruf - Reda Roshdy

              Priska Zimmermann

              Benjamin Nicolussi Castellans Gedanken

                                                          05   abgespielt
                                                               besprechungen

02            nah & fern                                       „Die Reise der Verlorenen“ Westbahntheater
              Berichte aus den bezirken                        „Nur Kinder, Küche, Kirche“ Triebwerk 7

              Theatergruppe Oberlienz                          „Fern von Europa“ Stadttheater Kufstein

              Kolping-Volksbühne Weissenbach                   „111 Jahre Fern von Europa“ Institut kultureller

                                                               Kompostierung

                                                               „Mein Freund Kurt“ Steudltenn

                                                               „Das Haus auf Monkey Island“ Lendbräukeller

03            dies & das
              Berichte von den Fachverbänden
                                                               „Nur ein Tag“ Kühne Bühne

                                                               „Der verliebte Großvater“ Dorfbühne Itter

              Die Mutprobe -                                   „Komödie im Dunkeln“ Theater Rum
              Ein Projekt von spectACT, Dekanat Wilten,
                                                               „Zwei, Vier, Sex“ Kellertheater Innsbruck
              Katholische Frauenbewegung
                                                               „Godot kommt“ Bogentheater Innsbruck

                                                               „Dunkel lockende Welt“ theater praesent

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Spiel - Theater Verband Tirol
ROTER BRILLE

      MIT ROSAROTER BRILLE
                                     Mini-Interviews
Wir haben uns einmal umgehört, wie es den Theaterleuten in Zeiten der Plage so geht. Hier ein
                      paar Interviews von unserem Redaktionsteam:

                                     Marco Schmitzer
                     spielt auf vielen Bühnen landab - landauf.
1. Welchen Stellenwert hatte das          Wenn wir ein Stück vorbereiten, ein          In meinem Beruf spiele ich ein, zwei Rol-
Theater im Lockdown oder hat es           neues Team für zwei, drei Monate zu-         len - auf der Bühne kann ich unzählige
jetzt in der Corona-Krise für dich?       sammengewürfelt wird, freu ich mich          Rollen spielen und wenn wir mit dem
                                          auf die Dynamik, die dieses Team dann        Publikum gemeinsam träumen, werden
Ein österreichischer Theatermacher hat    entwickelt.                                  sie für einen Abend oder auch nur einen
dieses Jahr gemeint, wenn Kunst und       Diese Erfahrungen kann ich im Beruf          Augenblick Realität.
Kultur schweigen müssen, schweigt         gleich mitnehmen.
auch ein Teil des kritischen Denkens.                                                  Danke für das Gespräch.
Das konnte ich so beobachten, und         3. Welche Rolle aus Theater, Film,
ich war auch richtig sauer, als ich die   Fernsehen wolltest du schon immer
Gleichgültigkeit der Politik darüber      mal spielen?
wahrgenommen habe.                                                                                                 Foto: privat
Ich habe es genossen, im September        Meine Traumrolle ist eigentlich immer
und Oktober spielen zu dürfen und The-    die aktuelle.
ater zu besuchen. Das war Balsam für      Was mich reizen würde - ein zynisch-
die Seele.                                verschlossener Charakter in einer Fa-
                                          milienschlacht um Liebe: Brick aus „Die
2. Welchen Zusammenhang gibt es           Katze auf dem heißen Blechdach“.
zwischen deinem Beruf und deiner
Lust am Theaterspielen?                   4. Wie würdest du das Verhältnis
                                          zwischen Beruf und Theaterarbeit
In meinem Beruf schule ich unter an-      gestalten, wenn du keinen wirt-
derem auch Mitarbeiter*innen, und ich     schaftlichen Druck hättest?
habe schon beobachtet, dass Bühnen-
präsenz mein Selbstbewusstsein ge-        Ohne wirtschaftlichen Druck würde ich
stärkt hat.                               sofort das Verhältnis ändern - von jetzt
Ich gehe nun viel souveräner mit Kon-     Vollzeit Bürojob auf Vollzeit Theaterspie-
flikten und neuen Situationen um.         len und Theater „schaffen“.

                                                                                                        darstellendes spiel | 5
Spiel - Theater Verband Tirol
MIT ROSA-

                          Christian Riml alias „Hagi“
                             Volksschauspieler aus Leidenschaft

1. Welchen Stellenwert hatte das                                                                              Foto: Dino Bossmini
Theater im Lockdown oder hat es
jetzt in der Corona-Krise für dich?
(Also, hat es dir gefehlt oder hat es
nichts ausgemacht,...)

Einen sehr großen Stellenwert, wenn
nicht den größten. Es macht mir sehr
viel aus, dass nichts stattfinden kann,
bzw. auch, wenn ich nicht spielen darf.
Ich stehe seit meinem siebten Lebens-
jahr, also mittlerweile 50 Jahre, auf der
Bühne und habe durch die Krise umso
mehr gemerkt, wie wichtig mir Theater
ist. Vor allem auch, weil es in den letzten
sechs Jahren so gut lief: Ich habe mich
persönlich weiterentwickelt und auch
größere Rollen bekommen. Online habe
ich kaum kaum etwas verfolgt, außer           Fernsehen wolltest du schon immer          schauspielern und alles langsamer an-
ziemlich fleißig die Kulturquarantäne.        mal spielen?                               gehen, mehr eigene Projekte realisieren
                                                                                         und Träume verwirklichen. Es ist leich-
                                              Ich würde gern mal, auf deutsch ge-        ter, wenn man nicht ständig den Druck
2. Welchen Zusammenhang gibt es               sagt, ein „richtiges Schwein“ spielen,     hat, ob/wann das nächste Engagement
zwischen deinem Beruf und deiner              das „größte Schwein, dass es über-         kommt. Auch die Wintersaison würde
Lust am Theaterspielen?                       haupt gibt“. Interessant wäre eine Rolle   ich wahrscheinlich anders gestalten,
                                              angesiedelt um 1933-1945. Aber egal        wenn es z.B. das Angebot gäbe, von
Also, ich bin ja in der Sommersaison          ob Täter oder Opfer, einen Nazi zu spie-   Jänner bis März irgendwo zu spielen,
hauptberuflich Schauspieler und im            len oder auch einen KZ-Insassen oder       ich würde meine Tasche packen - „und
Winter als Skilehrer und auch im Après-       Verfolgten würde mich reizen.              tschüss!“. Theater ist einfach mein Le-
Ski tätig. Aber Zusammenhang gibt es                                                     ben. Aber schauen wir mal, wie jetzt al-
da keinen, da bin ich ein völlig anderer                                                 les weitergeht. Ich hoffe einfach, etwas
Mensch. Ich denk mir immer „Reiß dich          4. Wie würdest du das Verhältnis          mehr als sonst, auf den Sommer.
zamm Hagi, zieh es durch, im Sommer           zwischen Beruf und Theaterarbeit
kannst du ja dann wieder spielen (lacht).     gestalten, wenn du keinen wirt-            Danke für das Gespräch.
                                              schaftlichen Druck hättest?

3. Welche Rolle aus Theater, Film,            Ich   würde   natürlich   hauptberuflich

6 | darstellendes spiel
Spiel - Theater Verband Tirol
ROTER BRILLE

                            Juliana „Tschulie“ Haider
                 Vollblutmusikerin & ebensolche Schauspielerin

1. Welchen Stellenwert hatte das             anstaltung konnte natürlich nicht statt-    3. Welche Rolle aus Theater, Film,
Theater im Lockdown oder hat es              finden, soll aber im Dezember über das      Fernsehen wolltest du schon immer
jetzt in der Corona-Krise für dich?          Stromboli als Stream online gehen und       mal spielen?
(Also, hat es dir gefehlt oder hat es        bald live nachgeholt werden.
nichts ausgemacht,...)                                                                   „Die eine Wunschrolle“ gibt es für mich
                                             2. Welchen Zusammenhang gibt es             nicht. Wenn ich eine Rolle lese, dann
Ob Theater mir fehlt - JA!!! Vor und auf     zwischen deinem Beruf und deiner            entstehen bei mir Bilder dazu im Kopf,
der Bühne! Ich finde die Situation richtig   Lust am Theaterspielen?                     ich werde neugierig und kriege Lust,
schlimm, nicht nur, dass es kein Thea-                                                   mir die Figur zu erarbeiten (überlegt).
ter gibt, sondern auch keine Konzerte.       Ich bin ja doppelt von der Krise betrof-    Obwohl, was mich sehr reizen würde,
Ohne Kultur ist es schwer auszuhalten.       fen, da ich in der Musikschule „Musika-     wäre einmal einen Schwarzweißfilm zu
Im ersten Lockdown war ich noch recht        lische Früherziehung“ mit 4- bis 6-Jäh-     drehen. Einen Stummfilm à la Charlie
kreativ, aber schön langsam verlässt ei-     rigen und die „Musikwerkstatt“ mit den      Chaplin, was Clowneskes.
nen die Lust. Zusammen mit meinem            größeren Kids unterrichte und zugleich
Papa Siggi, Jochen Hampl und Samuel          regelmäßig Theater spiele, beides liegt      4. Wie würdest du das Verhältnis
Plieger proben wir gerade das Konzert-       nun auf Eis. Meine Tätigkeiten sind sehr    zwischen Beruf und Theaterarbeit
format „Lockdown Paradise“, in dem           artverwandt, das Darstellende Spiel         gestalten, wenn du keinen wirt-
wir uns die emotionalen Höhen und Tie-       fließt in den Unterricht ein, im Gegenzug   schaftlichen Druck hättest?
fen, die man während eines Lockdowns         inspiriert mich die Arbeit mit den Kin-
durchwandert, von der Seele spielen          dern sehr als Schauspielerin.               Ich mache beides sehr gern und will
und musikalisch verarbeiten. Die Ver-                                                    auch beides machen. Dabei geht es
                                                                                         nicht nur um die finanzielle Absiche-
                                                            Foto: Katharina Klotz
                                                                                         rung, mir würde einfach etwas fehlen.
                                                                                         Die Musik und das Theater inspirieren
                                                                                         sich an- und voneinander, das eine ist
                                                                                         wie ein nährender Boden für das jeweils
                                                                                         andere. Es ist nicht schön, wenn man
                                                                                         ständig das Gefühl vermittelt bekommt,
                                                                                         dass der eigene Beruf „nicht gebraucht“
                                                                                         wird. Wie schön wäre es, wenn diese
                                                                                         Krise Verbesserungen für die Kunst-
                                                                                         und Kulturszene mit sich brächte - ein
                                                                                         Ministerium für „UNS“?! Um Joseph
                                                                                         Beys zu zitieren: „Kunst = Mensch =
                                                                                         Kreativität = Freiheit“.

                                                                                         Danke für das Gespräch.

                                                                                                         darstellendes spiel | 7
Spiel - Theater Verband Tirol
MIT ROSA-

                                       Dominik Kapferer
ist jugendliche 31 und ursprünglich aus Gries im Sellrain, lebt aber seit bald neun Jahren in
Innsbruck. Er arbeitet als Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger bei den Tirol Kliniken.
Zum ersten Mal Theaterluft geschnuppert hat er bei der Heimatbühne Gries im Sellrain und
ist später über den Verein PureRuhe zu seinem jetzigen Hauptverein Theater.Rum gekommen.
              Zwischendurch hat er auch schon einmal im BogenTheater gespielt.

Welchen Stellenwert hatte das                                         den Alltag zu vergessen oder beiseite
Theater im Lockdown oder hat es                                       zu schieben, und um wieder eine neue
jetzt in der Corona-Krise für dich?                                   Facette von sich selbst zu entdecken.

Da eigentlich im Mai unsere Premie-                                   Welche Rolle aus Theater, Film,
re stattfinden hätte sollen, steckten                                 Fernsehen wolltest du schon immer
wir beim ersten Lockdown mitten in                                    mal spielen?
der Probezeit, und es fiel dann schon
schwer, einfach aufzuhören.                                           Ach, da würde es in jedem Bereich ei-
Wir probierten es anfangs mit Zoom-                                   nige geben, sodass ich mich für keine
Konferenzen. Aber es wurde schnell                                    spezielle entscheiden könnte. Ich finde
klar, dass sie nur für Spaß und Aus-                                  vor allem Serien auch sehr spannend.
tausch genützt werden können. Mir                                     Am meisten interessiert mich eine Figur,
hat das Theater in dieser Zeit wirklich                               die sich in einer psychischen oder phy-
sehr gefehlt, weil wir bis zum ersten                                 sischen Ausnahmesituation befindet.
Lockdown intensiven Kontakt hatten,
der dann von heute auf morgen nicht                                   Wie würdest du das Verhältnis zwi-
mehr möglich war.                                                     schen Beruf und Theaterarbeit ge-
                                                                      stalten, wenn du keinen wirtschaft-
Welchen Zusammenhang gibt es                                          lichen Druck hättest?
zwischen deinem Beruf und deiner
Lust am Theaterspielen?                                               Wenn dies möglich wäre, würde ich
                                                                      sicher mehr im kreativen Bereich ma-
Für mich persönlich gibt es immer                                     chen. Ich könnte mir da auch die ver-
Zusammenhänge. In jeder Lebensla-                                     schiedensten Möglichkeiten vorstellen.
ge, sei es privat oder beruflich, nimmt                               Trotzdem bin ich sehr froh, einen fixen
man immer wieder gewisse Rollen                                       Arbeitsplatz zu haben und genieße die
                                                       Foto: privat
ein und verkörpert diese, so auch im                                  Möglichkeit, in meiner Freizeit und ohne
Theater. Das Schöne ist, dass Theater                                 wirtschaftlichen oder finanziellen Druck
einfach ein großartiger Ausgleich ist.                                zu spielen.
Wenn man sich darauf einlassen kann
und will, ist dies ein perfekter Weg, um                              Danke für das Gespräch.

8 | darstellendes spiel
Spiel - Theater Verband Tirol
ROTER BRILLE

                                            Nora Winkler
Nora ist 22 Jahre alt, kommt aus Imst und studiert Vergleichende Literaturwissenschaften in
Innsbruck. Theater spielt sie seit ihrem 16. Lebensjahr und ist normalerweise zweimal im Jahr
   auf der Bühne zu sehen. Sie ist Mitglied bei der Bühne Imst Mitte und der Theatergruppe
                                        Vorderes Ötztal.

1. Welchen Stellenwert hatte das           schen, den Hamlet zu spielen. Ich muss   gestalten, wenn du keinen wirt-
Theater im Lockdown oder hat es            zugeben, da hab ich mich irgendwie er-   schaftlichen Druck hättest?
jetzt in der Corona-Krise für dich?        tappt gefühlt…
                                                                                    Auf jeden Fall 100% Darstellende Kunst!
Ich habe es wirklich sehr vermisst. Ich    4. Wie würdest du das Verhältnis
hätte in zwei Produktionen gespielt, die   zwischen Beruf und Theaterarbeit         Danke für das Gespräch.
beide abgesagt werden mussten.
Aber ich habe die Theaterszene im                                                                     Foto: Alexandra Rangger
Lockdown als sehr solidarisch erlebt.
Und zum Glück gab es ja viele Online-
Angebote, wie die Kulturquarantäne
usw.

2. Welchen Zusammenhang gibt es
zwischen deinem Beruf und deiner
Lust am Theaterspielen?

Einen sehr großen Zusammenhang,
würde ich sagen. Denn in meinem Stu-
dium geht es zum Beispiel auch um Ver-
gleiche zwischen verschiedenen Medi-
en und Theatertheorien. Ich überlege
auch, nach Wien zu gehen und Schau-
spiel zu studieren.

3. Welche Rolle aus Theater, Film,
Fernsehen wolltest du schon immer
mal spielen?

Meine Uni-Professorin erklärte mal den
sogenannten Hamlet-Komplex. Da geht
es darum, dass viele Künstler sich wün-

                                                                                                    darstellendes spiel | 9
Spiel - Theater Verband Tirol
MIT ROSA-

                                   Priska Zimmermann
Gebürtige Hallerin und mit kurzem Intermezzo wieder zurück nach Hall i. T. gezogen, spielt bei
                                   der Kolpingbühne Hall.

Welchen Stellenwert hatte das The-                                                                      Foto: privat
ater im Lockdown oder hat es jetzt
in der Corona-Krise für dich? (Also,
hat es dir gefehlt oder hat es
nichts ausgemacht,...)

Ich vermisse es! Als Zuschauerin und
als Beteiligte. Theater ist so viel mehr
als nur Unterhaltung! Für mich hat es
eine unfassbar soziale Komponente, sei
es, dass man mit Freunden und Familie
sich eine Auszeit vom Alltag nimmt und
einfach genießt oder gemeinsam mit
anderen ein Projekt erarbeitet. Die ge-
meinsame Zeit mit den Beteiligten und
die Faszination, was entstehen kann,
die Entwicklung von der ersten Probe
bis zur letzten Vorstellung, einfach das
ganze Drum und Dran. Natürlich habe
ich jede sich bietende Gelegenheit ge-
nützt, um ein Stück zu besuchen bzw.        glücklicherweise mit einer Gleitzeitver-   würde wohl den Umfang des Interviews
hat unser Verein, selbstverständlich un-    einbarung auch meinem Theaterver-          sprengen…
ter Einhaltung aller Auflagen, versucht,    langen sehr entgegenkommt. Daher
ein Kinderstück für diesen Winter auf       ergibt sich für mich genügend Zeit,        Wie würdest du das Verhältnis zwi-
die Beine zu stellen. Wir haben noch        um der Leidenschaft des Theaterspie-       schen Beruf und Theaterarbeit ge-
nicht aufgegeben und hoffen, wenigs-        lens nachzugehen und meiner Kreativi-      stalten, wenn du keinen wirtschaft-
tens im Dezember zu etwas Abwechs-          tät freien Lauf lassen zu können. Und      lichen Druck hättest?
lung und Normalität beitragen zu kön-       ehrlich gesagt, kann es im Büro auch
nen.                                        manchmal ein ziemliches Theater sein ;)    Ein bisschen mehr Theater, ein biss-
                                                                                       chen weniger Arbeit. Vielleicht so 50:50.
Welchen Zusammenhang gibt es                Welche Rolle aus Theater, Film,            Und dann schauen, wie’s läuft. Anpas-
zwischen deinem Beruf und deiner            Fernsehen wolltest du schon immer          sen könnte man‘s dann ja immer noch.
Lust am Theaterspielen?                     mal spielen? In alphabetischer Rei-        Denn erstens kommt es anders und
                                            henfolge oder nach Erscheinungs-           zweitens als man denkt. Und schlauer
Ich bin als Sekretärin in der technischen   jahr?                                      ist man immer erst hinterher. ;)
Abteilung eines Bauträgers tätig. Ein
klassischer Nine-to-five-Job, der ei-       Es gibt so viele interessante Charakte-    Danke für das Gespräch.
gentlich von 8 bis 17 Uhr geht, aber        re… hier eine kurze Auswahl zu treffen

10 | darstellendes spiel
ROTER BRILLE

        Benjamin Nicolussi Castellans regelmäßige
                    Dialoggedanken
                                            Der Teufel im Detail
Das Behandlungszimmer einer Psychotherapeutin. Sie sitzt im Sessel neben der Couch und macht sich Notizen.
                        Vor der Couch erscheint in einer Flammensäule der Teufel.

Psychotherapeutin: Ah, der Herr Teufel.    T: Wie ich schon sagte: Der „Vater“ hat     schön eindeutig. Heute ist das Spek-
Nehmen wieder einmal die letzten fünf      auch kein Geschlecht. Aber zu Ihrer         trum so divers wie bei euren Ge-
Minuten ihrer Einheit in Anspruch?         Frage: Auch wenn ich kein Geschlecht        schlechtern. Ihr feiert Leute, die euch
                                           habe, so hab ich es doch mit euch al-       Leid verursachen und ausbeuten. Ihr
Teufel: Entschuldigen Sie bitte, hab die   len in allen möglichen und unmöglichen      erhebt Geiz und Maßlosigkeit zu Idea-
Zeit übersehen. Und wegen der Anre-        Stellungen schon getrieben. Alltag in       len. Wie sollen meine Mitarbeiter und
de: Ich habe kein Geschlecht.              der Hölle.                                  ich da noch effizient arbeiten?

P: Wie soll ich Sie dann ansprechen?       P: Wie fühlen Sie sich als oberster Höl-    P: Aber was interessiert Sie denn unse-
                                           lenfürst?                                   re Ordnung der Dinge?
T: Teufel. Einfach Teufel. Oder … ach
egal, nennen Sie mich, wie Sie wollen.     T: Im Endeffekt ist es eine Leitungsposi-   T: Von der ist doch alles abhängig.
Ihr Menschen seid doch sowieso erst        tion wie jede andere. Und das mit dem       Ihr habt doch uns und diese Konzep-
zufrieden, wenn ihr allem euren Stem-      Zerwürfnis zwischen Gott und mir ist        te erschaffen. Nicht umgekehrt. Und
pel aufgedrückt habt. Gott hat übrigens    auch mehr eine Marketingstrategie als       ihr passt sie an eure Weltsicht an, wie
auch kein Geschlecht.                      sonst was. Nachdem wir das nämlich          es euch beliebt. Ich bin ein einfacher
                                           von den Mehrgötterpantheons über-           Dienstleister und meine Klientel erodiert
P: Warum haben WIR dann mindestens         nommen hatten, stellte sich die Frage,      meine Arbeitsgrundlage. Geht denen
zwei biologische und etliche soziale?      wer die Unterwelt organisiert. Bei meh-     im Himmel übrigens genauso. Wir ver-
                                           reren Göttern findet sich normalerweise     suchen uns ja anzupassen und entwi-
T: Was weiß ich. Wegen dem Sex ver-        schon einer, der den Job übernimmt.         ckeln immer neue Bewertungssysteme.
mutlich.                                   Aber ein Gott allein, der muss auch aufs    Aber der Aufwand ist die Hölle.
                                           Image achten. Also haben wir euch ein
P: Damit wir uns versündigen?              bisschen Drama geboten und ich hab          P: Berufliche Neuorientierung?
                                           unten angefangen. Hat auch Spaß ge-
T: Kaum. Bis auf Extremfälle, wie Verge-   macht, die erste Zeit zumindest.            T: In meinem Alter? Nein, danke.
waltigung und so, interessiert es mich
herzlich wenig, wen und wie jemand         P: Was ist passiert?                        P: Okay, gut. Die Zeit ist ohnehin um.
pudert.                                                                                Danke, Herr Teufel. Nächste Woche zur
                                           T: Ihr seid passiert. Ihr Menschen, die     selben Zeit?
P: Aber das Thema scheint Sie zu be-       ihr alles in Frage stellen müsst und kei-
schäftigen. Stört es Sie, dass ihr Vater   ne natürliche Ordnung auf sich beruhen      T: Gern. Und im Vertrauen: Achten Sie
Sie ohne Geschlecht erschaffen hat?        lassen könnt. Früher war die Unter-         auf Ihren Ausdruck. Die kleinen Gender-
                                           scheidung zwischen gut und böse so          sünden bestraf ich irgendwann doch.

                                                                                                      darstellendes spiel | 11
Nah & Fern

                                         NAH & FERN
                     Berichte aus den Bezirken

       Theatergruppe                                    Theater -
         Oberlienz                              Mehr als eine Leidenschaft
                                              Die Theatergruppe Oberlienz gibt es seit dem Jahr 2000.
        osttirol                                     Sie ist wohl eine der jüngsten im Bezirk.

E
               nde der 1950er- bis
               60iger-Jahre spielte die
               Landjugend einige The-
               aterstücke,      meistens
bäuerliche Stücke und einmalige Auf-
führungen im Dorfgasthaus oder im
kleinen alten Gemeindesaal. Dann wur-
de es wieder still ums Theater.
Unsere Obfrau, Unterassinger Sieglin-
de, hat selbst nie gespielt, war aber flei-
ßige Theaterbesucherin. Im Jahr 1999
verspürte sie den Wunsch, selbst eine
Gruppe zu gründen, da es zu jener Zeit
und viele Jahre zuvor keine Theater-
gruppe gab. Um Wissen für das Vorha-
ben einzuholen, kehrte sie bei der Hin-
terbergler - Theatergruppe in Ainet ein,
wo man mit Ratschlägen sehr behilflich
war. Das große Volksbühnenhandbuch
wurde bestellt und Tag und Nacht gele-
sen. Die Obfrau entschied sich dann für
ein Stück mit sechs Personen:
„Das emanzipierte Dorf“.
Die Suche und das Werben um geeig-
nete Spieler gestaltete sich nicht so                                           Foto: Theatergruppe Oberlienz

12 | darstellendes spiel
Nah & fern

Foto: Theatergruppe Oberlienz

einfach. Zwei ältere Originale aus den      noch gar nichts und bekamen die Büh-        Besondere Aktivitäten haben wir nicht.
50er-Jahren holte sie zuerst ins Boot,      ne als Leihgabe von den Hinterberg-         Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der
dann noch weitere vier, die zu überzeu-     lern. Bekleidung und Maske waren uns        Bedürftigen im Notfall helfend zur Seite
gen waren. Alle besaßen viel Talent. Zu-    von Beginn an sehr wichtig. Wir spiel-      steht. Nach der Spielsaison gibt es im-
dem gelang es ihr, eine mehr als qualifi-   ten zuerst jährlich und seit einiger Zeit   mer ein gemeinsames Essen, auch mit
zierte Frau für die Maske zu gewinnen.      alle zwei Jahre. Die Gruppe hat sich        den freiwilligen Helfern rund ums Thea-
Als vor ungefähr 20 Jahren das Ge-          selbstverständlich durch die verschie-      ter. Ausflüge werden ebenso absolviert,
meindezentrum gebaut wurde, dachte          denen Stücke vergrößert, besteht aus        aber nicht jährlich. Wir besuchen auch,
man nicht an eine Theatergruppe, und        maximal zehn bis elf aktiven Spielern.      wenn möglich, andere Aufführungen
wir mussten ohne eigene Räumlich-           Auch Trauriges hat es gegeben. Be-          und Gruppen im Bezirk.
keiten auskommen. Im April 2000 war         sonders erschüttert waren wir, als die
dann die erste Aufführung mit großem        zwei vorher genannten Originale inner-      Unsere Motivation ist der Spaß am
Erfolg, denn es war ja sozusagen al-        halb von zwei Jahren krankheitshalber       Spielen – unser Ziel, dem Publikum
les neu für die Bevölkerung, und alle       verstorben sind. Eine große Lücke hat       eine entspannte Atmosphäre zu bie-
waren sehr neugierig. Es folgten dann       sich aufgetan. Auch einen kurzfristigen     ten und für kurze Zeit aus dem Alltag
dreizehn Stücke, alles Bauernstücke         Spielerausfall am vorletzten Tag einer      zu entführen. Der größte Lohn ist der
und Lustspiele: „Drei Eisbären“, „Die       ausverkauften Aufführung gab es. Ein        Applaus und die lächelnden Gesichter
Ledigensteuer“, „Die Männerwallfahrt“,      erfahrener Schauspieler aus der Nach-       des Publikums.
„Das Heiratsgenie“ und weitere publi-       bargemeinde Debant lernte in zwanzig
kumswirksame Stücke.                        Stunden den Text und rettete somit die      Theatergruppe Oberlienz
Bei der ersten Aufführung hatten wir        Aufführung meisterhaft.

                                                                                                       darstellendes spiel | 13
Nah & Fern

 Kolping-Volksbühne                           Leidenschaftliche „Theaterla“
    Weissenbach
                                                   aus dem Außerfern
                                           Die sympathische Truppe unterhält seit mittlerweile 45 Jahren
          reutte
                                                 ihr Publikum mit abwechslungsreicher Theaterkost.

I
      Ferdinand Kerle bewog im Jahre        Schulgebäude, welche 232 Arbeits-       gend gebraucht!
      1976 Walter Rotter und Johann         stunden in Anspruch nahm.               Die Kolpingbühne war wieder geboren
      Alber, der Kolpingbühne Weis-         Die Mitwirkenden verbuchten damit       und begann jährlich ein neues Stück
      senbach wieder neues Leben            einen Riesenerfolg auf den Brettern,    zur Aufführung zu bringen. Spieler fan-
einzuhauchen. Sie begannen mit Hilfe        die die Welt bedeuten … und das im      den sich zu der Zeit noch genug.
tatkräftiger Unterstützer mit der sofor-    wahrsten Sinne des Wortes, denn Bret-   1985 übersiedelten „Die Theaterla“ in
tigen Renovierung der Bühne im alten        ter wurden bei der Renovierung genü-    den Mehrzwecksaal des neu errich-

 Foto: Kolping-Volksbühne Weissenbach

14 | darstellendes spiel
Nah & fern

Foto: Kolping-Volksbühne Weissenbach; 40 Jahre Mitgliedschaft; Walter Rotter

                                                                                          Wilhelm
                                                                                          Köhler
                                                                                          Verlag
teten Gemeindehauses, wo wir noch
heute unser Publikum begeistern dür-
                                           nen leidenschaftlichen Theaterspieler
                                           und wunderbaren Kollegen.
                                                                                         NEUE ADRESSE:
fen.                                       2007, zum 30-jährigen Bühnenjubilä-             D-81825 München
1991 wagten sich die Spieler mit Ob-       um, wagten wir uns an das Stück „Ver-           Rauschbergstr. 3a,
mann Elmar Schwarzenbrunner, Clau-         giss nicht, dort ist die Tür“. Wir waren
                                                                                       Tel.: 0049/89/3605489-0
dia Lang als Regisseurin (mit Unter-       die Ersten, die nach dessen Urauffüh-
stützung Ekkehard Schönwieses) und         rung das Stück spielten. Von hervorra-      Telefax 0049/89/3615196
Spielerin mit dem Stück „Boot ohne         genden Spielern voller Emotionen und        wilhelm-koehler-verlag.de
Fischer“ ins ernste Metier.                Gefühl gespielt und mit einem wunder-
Diese Herausforderung meisterten sie       vollen Bühnenbild war es nach der Pre-     Volksstücke, Komödien,
mit Bravour und wurden auf Grund ih-       miere vor dem tosenden Applaus sehr
rer schauspielerischen Leistungen vom      still im Saal geworden. Liegengebliebe-     Lustspiele, Schwänke
Landesverband der Tiroler Volksbüh-
nen für schulische Zwecke ins Bier-
                                           ne Taschentücher sprachen Bände.
                                           2013 wurde zu Ehren des verstorbenen
                                                                                            und Boulevard
stindl eingeladen.                         Gründungsmitglied Ferdl Kerle noch-              in Dialekt und
1992 wurden „Die geputzten Schuhe“,        mals „Die geputzten Schuhe“ (seine
mit dem Bühnengründer Ferdinand            Rolle spielte sein Schwiegersohn und              Hochdeutsch
Kerle in der Hauptrolle zu einem Publi-    Obmann Niels Gerhardt) aufgeführt.
kumsmagneten. Er lehrte uns, in jedem      Mit einer guten Ausgewogenheit von           Bräutigam, Kaspari,
Stück unser Bestes zu geben.
Mit Spielern der Bühnen Höfen, Reutte,
                                           lustigen und ernsten Stücken schafften
                                           wir es bis heute, unser Publikum immer
                                                                                       Kling, Landstorfer, Lex
Heiterwang und Bach nahmen wir an          wieder aufs Neue von unserem Kön-             Pfaus, Pohl, Santl,
Aufführungen der Theaterwerkstatt wie      nen zu überzeugen. Es dankt uns jedes
z.B. „Die hölzerne Schüssel“, „Teile der   Jahr mit zahlreichen Besuchen unserer           Schaurer, Vitus
7 Todsünden“ (die Eav) und „Nur Gott
allein war Zeuge“ teil.
                                           Aufführungen.
                                           Großer Dank gilt natürlich denen, die
                                                                                         Wallner, Willinger
1997 verabschiedete sich unser letz-       die Bühne wiederbelebt haben - die wir               u.v.m.
tes Gründungsmitglied Ferdl Kerle aus      in ihrem Sinne so weiterführen wollen.
gesundheitlichen Gründen vom aktiven                                                     suche auch unter:
Theaterleben. Wir verloren dadurch ei-     Kolping-Volksbühne Weissenbach
                                                                                           theatertexte.de
                                                                                      theaterverbandtirol.at
                                                                                            darstellendes spiel | 15
dIES & DAS

                                             DIES & DAS
          Berichte aus den Fachbereichen
                                   Die Mutprobe.
                  Was, wenn wir es mit der Angst zu tun bekommen?
                                             Von Sonja Prieth und Armin Staffler

Ein Projekt von spectACT – Verein für politisches und soziales Theater - gemeinsam mit dem
    Dekanat Wilten Land und der kfb – Katholische Frauenbewegung Tirol und Österreich.

„Die Geschichte, die Sie gleich sehen          scheidung werden sie und ihr Umfeld        gegnen können – und bietet Gelegen-
werden, ist erfunden. Sie ist Fiktion.“ So     mit Entscheidungen, Enttäuschungen         heit zum Ausprobieren. Nachdem das
wichtig dieser Hinweis des Theaterpä-          und Mustern aus der eigenen Ver-           Stück einmal durchgespielt wurde, be-
dagogen Armin Staffler vor Beginn der          gangenheit konfrontiert. Für Mitgefühl     ginnt es von Neuem, diesmal allerdings
Aufführung ist, so unvollständig ist er        scheint dabei kein Raum zu sein: Mari-     mit Unterbrechungen. Jede Person im
ohne die Ergänzung, die er gleich dran-        as beste Freundin Bernie (Irina Kapavik)   Publikum kann jederzeit eingreifen, sich
hängt: „Und die Geschichte hat mit un-         sieht ihren Lebenstraum zerbrechen, ihr    für einen Moment in eine der Rollen
serem Leben zu tun.“ Wie fiktiv ist sie        Sohn Paul (Manuel Wenda) ist in alten      begeben und damit neue Prozesse in
also wirklich?                                 Kränkungen gefangen. Selbst der So-        Gang setzen. Die Schauspieler*innen
Das kann jede Zuseherin, jeder Zuse-           zialarbeiter Toni (Ossi Hundegger) wid-    reagieren flexibel, feinfühlig und mutig
her bald für sich beantworten – im Stil-       met sich mehr der Dokumentation des        auf die Richtungsänderung. Verän-
len oder auch im Austausch mit den             Gesprächs als der Frau, die bei ihm Rat    derung wird möglich, etwa wenn eine
anderen Anwesenden, die eingeladen             sucht. Lauter Egoisten?                    Person der anderen plötzlich zuhört,
sind „mit offenen Augen, Ohren und             „Menschen bekommen es mit der              ohne gleich wieder über sich selbst zu
vor allem mit offenem Herzen“ der Dar-         Angst zu tun, wenn Veränderungen an-       reden. „Es geht im Forumtheater nicht
bietung zu folgen. Rund zwanzig Minu-          stehen“, sagt Armin Staffler. „In unse-    nur um die individuellen Geschichten
ten dauert das Stück „Die Mutprobe.            rem Stück begegnen Menschen ihren          der Figuren“, sagt Projektleiter Armin
Was, wenn wir es mit der Angst zu              Ängsten auf unterschiedliche Art und       Staffler, „sondern um uns Menschen
tun bekommen?“, das die Gruppe                 Weise, finden ihren Weg, mit ihnen um-     als soziale Wesen, die gemeinsam die
um Armin Staffler gemeinsam erarbei-           zugehen – scheitern allerdings dabei.“     Gesellschaft bilden und diese auch ge-
tet hat und nun dem Publikum in bes-           Ja, die Geschichte hat mit unserem Le-     stalten können.“
ter Forumtheater-Manier zur Verfügung          ben zu tun. Wer hat noch nie eine Situ-
stellt: zum Mitfühlen und Weiterdenken,        ation erlebt, in der er/sie unfähig war,   Beteiligung eröffnet Räume
zum Hinterfragen und Experimentieren.          auf ein Gegenüber adäquat einzuge-
                                               hen? Wer war noch nie damit konfron-       Auch wenn es schwierig scheinen mag,
Egoistisch oder überfordert?                   tiert, aus Angst und Überforderung zu      aus dem Publikum heraus auf die Büh-
                                               erstarren oder auch zu flüchten?           ne zu gehen – es gelingt, unter ande-
Maria (Petra Unterberger), eine Frau,                                                     rem durch die umsichtige und wert-
die nach Jahren den Kampf gegen den            Veränderung ermöglichen                    schätzende Art, in der Armin Staffler als
Krebs aufgibt und eine Vielfalt an Ängs-                                                  Moderator einen sicheren und „angst-
ten, die damit für sie und ihr Umfeld          Das Forumtheater „Die Mutprobe“            freien“ Rahmen zu schaffen weiß.
verbunden sind, stehen im Zentrum              stellt die Frage, wie wir einander und     Vier Vorstellungen konnten noch statt-
des Stücks. Im Zuge von Marias Ent-            unseren Ängsten lebensbejahender be-       finden – in Innsbruck, Völs, Schönberg

16 | darstellendes spiel
DIES & DAs

und Lienz. Die Premiere am Dienstag,
29. September 2020, im Haus der
Begegnung in Innsbruck war ein viel-
versprechender Auftakt, der Auf- und
Umbrüche erahnbar gemacht und
Möglichkeitsräume eröffnet hat. Dies
zeigt unter anderem die Rückmeldung
einer Frau aus dem Publikum: „Die ge-
samte Thematik sprach mich sehr an,
und es war eine starke, aber gut be-
wältigbare Herausforderung. Einzelne
Aspekte haben bei mir noch sehr nach-
gewirkt. Der Moderator ging mit viel Re-
spekt auf die neuen Spieler*innen ein.                                                                     Foto: spectACT
Auch die Rückfragen an das Publikum
fand ich gut, denn so wurde es noch         sollen noch mehrere Aufführungen in       Zusammenleben zu ermöglichen? Das
mehr miteinbezogen, und es wurden           ganz Österreich stattfinden.              Theater bietet dabei die Möglichkeit,
sehr viele Denkprozesse angeregt. Da        Aufgrund der nicht vorhersehbaren Ent-    genau hinzuschauen und hinzuspüren,
konnte sicher jede*r etwas mitnehmen.       wicklung kann es zu kurzfristigen Ände-   um anschließend einen lebendigen Dia-
Die Wirksamkeit dieses Stückes und          rungen kommen. Auch deshalb bitten        log zu führen, der das Geschehen und
die Art der gemeinsamen Bearbeitung         wir darum, dass Sie bei der Anmeldung     das Gesehene von mehreren Blickwin-
ist verblüffend!“                           unter info@spectACT.at Name, E-Mail-      keln her beleuchtet. Veränderungen
In Völs, Schönberg und Lienz waren          Adresse und Telefonnummer hinterlas-      werden dabei auf der Bühne sicht- und
die Rückmeldungen ähnlich, nur wur-         sen. Danke! Wir treffen Maßnahmen,        erlebbar. Forumtheater geht als Metho-
de das Publikum verständlicherweise         um Theater und Begegnung stattfinden      de auf den Brasilianer Augusto Boal
immer weniger, bis schließlich klar war,    lassen zu können.                         (1931–2009) zurück und wird von Ar-
dass zu den geplanten Terminen in Sis-                                                min Staffler im Sinne des Theaters zum
trans, Kufstein und Telfs niemand mehr      Mitwirkende                               Leben nach David Diamond praktiziert.
kommen dürfe. Es gibt aber den Pas-         Sandra Aufhammer (Cafébetreiberin
sus, dass „Proben und künstlerische         Giulia), Ossi Hundegger (Sozialarbei-     Projektleitung,     Workshopleitung
Darbietungen ohne Publikum, die zu          ter Toni), Irina Kapavik (Marias Freun-   und Regie
beruflichen Zwecken erfolgen (mit CO-       din Bernie), Michael Heiss (Pauls Vater   Mag. Armin Staffler, Theaterpädagoge
VID-19-Präventionskonzept)“ (https://       Leonhard), Petra Unterberger (Maria),     und Politologe
www.bmkoes.gv.at/Themen/Corona/             Teresa Waas (Pauls Lebensgefährtin
Maßnahmen-für-Veranstaltungen.html)         Sarah), Manuel Wenda (Marias Sohn
stattfinden dürfen. „Also findet Theater    Paul), Moderation (sog. „Joker“ im        Kontakt und weitere Infos
statt. Theater findet, statt nur zu su-     Forumtheater) Mag. Armin Staffler, The-   spectACT - Verein für politisches und
chen.“ So hat es Armin Staffler bei allen   aterpädagoge und Politologe.              soziales Theater
Aufführungen gesagt und so wird es                                                    c/o Haus der Begegnung
bleiben. „Wer etwas will, findet Wege.      Hintergrund zur Methode:                  Rennweg 12
Wer etwas nicht will, findet Gründe.“       Forumtheater                              6020 Innsbruck
(angeblich: Albert Camus)                   Forumtheater ist eine in theatrale Form   ZVR 398841684
                                            gegossenen Frage. Wie sollte die im       www.spectact.at
Infos                                       Stück gezeigte Realität verändert wer-    Mag. Armin Staffler, Obmann
Für alle, die sich verblüffen, berühren     den, um ein friedlicheres/respektvol-     armin.staffler@spectACT.at
und anregen lassen wollen, planen wir       leres/heilsameres – und im Falle von      0664 53 06 012
Termine für 2021 in Tirol, anschließend     „Die Mutprobe“ lebensbejahenderes –

                                                                                                    darstellendes spiel | 17
Kurz & Bündig

                                  KURZ & BÜNDIG
                             Berichte vom Verband
Hermann Freudenschuss, Obmann-Stellvertreter
       Langjähriger Funktionär und Visionär des Theater Verbandes Tirol,
geht in Funktionärspension und widmet sich ab nun der Familie und der Freizeit.

       Hermann
       H         heldenhaft
       E	Entdeckergeist/Entwicklungen initiieren
       R	risikobereit
       M	mutig
       A         aktiver kreativer Theatermann
       N	nachdenklich
       N	        neue Wegen gehen                                                                               Foto: privat

H
                  ermann ist für mich           ihn dafür am liebsten aus dem Verband      Mut, da muss man das Risiko eingehen,
                  ein Held, nicht nur,          ausgeschlossen, denn man mag diejeni-      dass manche nicht mehr mit einem oder
                  weil er so heldenhafte        gen nicht, die unangenehme Wahrheiten      schlecht über einen reden. Das ist hel-
                  Projekte initiiert hat, wie   zur Sprache bringen. Daher geschieht       denhaft.
Held/-in Tirol, bei dem es um die Ver-          es ja so selten. Hermann hat eben die-
breitung von Theatermethoden in Tiroler         sen Seltenheitswert und nahm die Ag-       Hermann ist einer, der Entwicklun-
Schulen im Andreas-Hofer-Jahr 2009              gressionen, die ihm entgegenschlugen,      gen in Gang brachte und dranblieb,
ging, sondern weil er trotz seines grund-       in Kauf, weil es ihm um die Sache ging     wenn es darum ging, ein neues Projekt
sätzlichen Harmoniebedürfnisses die             und ihm die Weiterentwicklung des The-     in die Welt zu bringen. Er hat die Initia-
Stimme erhebt, wenn es gilt, Missstän-          ater Verbandes zu einer modernen Ser-      tive für die Organisation von vielen für
de aufzuzeigen. Er ist keiner der hinten-       vicestelle für die Mitgliedsbühnen, die    die Theaterlandschaft Tirol sehr wich-
herum schimpft, sondern er bringt die           tatsächliche Vernetzung der Theater-       tigen Projekten gesetzt. Hermann hat
Kritik dort an, wo sie hingehört. Er macht      spielenden in Stadt und Land und eine      mehrere nationale und internationale
das ruhig und sachlich. Und er muss-            sichtbare Qualitätsentwicklung im Ama-     Jugendtheaterfestivals in Hall organi-
te dafür in einer Krisenzeit des Theater        teurtheaterbereich am Herzen lag. Jetzt,   siert, er war der Motor für das grundvig-
Verbands Tirol mit der Missbilligung von        nachdem die Verbandsarbeit auf ruhigen     Projekt „Teatro forma. Theater bildet“,
denen leben, die es nicht mögen, wenn           Schienen läuft, nehmen viele für sich in   bei dem Vertreter*innen von Schulen,
Autoritäten in Frage gestellt werden und        Anspruch, den Impuls dazu gegeben zu       Theater und Therapieeinrichtungen aus
lieber den Kopf in den Sand stecken,            haben. Den Stein ins Rollen gebracht       Zwickau, Rom, Hall in Tirol und Inns-
als sich zu exponieren. Manche hätten           hat aber Hermann. Dafür braucht es         bruck über zwei Jahre lang voneinander

18 | darstellendes spiel
Kurz & Bündig

lernten und in einen intensiven fachlichen
Austausch miteinander traten. Hermann
verstand es, viele unterschiedliche Men-
schen einzubinden und gab Impulse für
verschiedenste Aktivitäten: Er hat bei-
spielsweise Daniel Pöhacker eingeladen,
das Projekt „Teatro forma“ als Filmema-
cher zu begleiten. Pöhackers Film doku-
mentiert auf wunderbare Weise die Arbeit
der Projektbeteiligten.
Hermann engagierte sich jahrelang im
Theater Service Tirol, vor allem als die Ge-
fahr bestand, dass diese Einrichtung für
die Unterstützung von Theaterleuten aus
verschiedensten Sparten von Kulturpoliti-
kern geschlossen werden sollte. Hermann
war auch Mitglied im Team, das die Fusion
der zwei existierenden Theaterverbände
zu einem Verband vorbereitete. In seiner
gelassenen Art brachte er Sachverhalte
auf den Punkt und blieb hartnäckig, wenn
es darum ging, breitgefächerte Fort- und
Ausbildungsangebote in der neuen Ver-
bandsstruktur zu verankern und der Viel-
falt der Theaterlandschaft zu erhalten und
zu fördern. Hermann hat wesentlich bei
der Entwicklung von neuen Formaten für
Austausch im Rahmen des Theater Net-
zes Tirol mitgewirkt. Er selbst hat als ers-
ter mehrere Regisseure*innen aus ganz
Tirol dafür gewonnen, Kurzstücke für ei-
nen gemeinsamen Aufführungsabend zu
entwickeln und über diese Arbeit in einen
Dialog hinsichtlich Qualitätskriterien für
den Amateurtheaterbereich zu kommen.
Der dabei entstandene Todsündenzyklus
von Kranewitter in der Burg Hasegg bleibt
mir unvergesslich.
Um all das zu realisieren, braucht es ei-
nen langen Atem, Entdeckergeist, den
Glauben daran, dass sich Ideen und Vor-
stellungen in die gewünschte Richtung
entwickeln, braucht es vor allem auch
die Fähigkeit, Menschen einzubinden, sie
für eine Idee zu begeistern, sie für das
                                                        Foto: privat
Mitmachen zu gewinnen und auch das

                                               darstellendes spiel | 19
Vertrauen darauf, dass die jeweiligen       Oft entwickelten die Theatergruppen
Menschen auch ihren Mann oder ihre          auch Stücke zu eigenen Ideen oder
Frau stehen werden. Hermann gibt al-        Anliegen. Hermann wurde Experte da-
len das Gefühl, die richtige Wahl für die   rin, Spielprozesse mit verschiedensten
jeweilige Aufgabe zu sein.                  Methoden und Übungen so zu gestal-
                                            ten, dass sie von einer Idee zu einem
Hermann ist ein aktiver, kreativer          Stück führten. Seine diesbezüglichen
Theatermann. Es ist sein Verdienst,         Erfahrungen hat er auch in Workshops
dass das Schultheater ab Ende der           und Seminaren weitervermittelt. Viele
1980er-Jahre in Tirol neue Wege             ehemalige Spieler*innen aus Hermanns
ging, dass es neben dem herkömm-            Theatergruppen haben nach der Matu-
lichen „Germanisten-Theater“, in dem        ra künstlerische Wege eingeschlagen,
Schüler*innen auf der Bühne sich im         sind heute im Theaterbereich tätig oder
Aufsagen von ungekürzten Theater-           Mitglieder des Projekttheaters Hall, ei-
stücken übten, plötzlich jugendgemä-        ner von Hermann gegründeten Theater-
ße Stücke gab, ein frischer Wind von        gruppe. Hier werden seit einigen Jahren
der Bühne her wehte, weil die Jugend-       unter seiner Regie alljährlich Stücke auf-
lichen dort ihre Spielfreude, ihre Zeige-   geführt, die sonst selten oder gar nicht
lust ausleben durften. Hermann ent-         auf Bühnen zu sehen sind.
wickelte mit seinen Theatergruppen          Hermann ist nachdenklich. Im Nachden-
am Franziskanergymnasium Hall einen         ken entwickelt er neue Inszenierungs-
neuen Stil, in denen sich die Spielen-      methoden oder auch Lösungswege für
den Texte der Weltliteratur aneigneten,     Herausforderungen und Probleme im
d.h. sich zu eigen machten, sich im         Verband. Er ist kein Grübler, er ist ein
Spiel fremde Rollen erarbeiteten und        Nachdenker und beschreitet gerne neue
sie mit ihren persönlichen Eigenheiten      Wege.
versahen. Das machte ihre Darstel-
lung lebendig: Sie agierten frei und        Hermann war jahrzehntelang mein
ungezwungen auf der Bühne, und sie          Wegbegleiter im Theater. Seine
machten auch deutlich, wie sie selbst       Freundschaft schätze ich sehr. Er ist
das Stück interpretierten. Nie werde        für mich ein Held, einer dessen muti-
ich den Abend am Innsbrucker Gü-            ge Stimme mir im Theater Verband Tirol
terbahnhof vergessen, an dem Her-           sehr fehlen wird. Sein klarer Blick, sein
manns Theatergruppe, die DileTtan-          wacher Geist, sein offener Sinn jedoch
ten, „Im Osten geht die Sonne unter“        haben in der Amateurtheaterlandschaft
aufführten, ein Stück, das sich mit der     in Tirol Spuren hinterlassen und werden
Todesfuge von Paul Celan beschäftig-        in vielerlei Hinsicht weiterleben.
te. Ich sehe heute noch die Bilder vor
mir, spüre die Beklemmung, die sich
in mir damals breitmachte, aber auch        Irmi Bibermann
den Respekt, den ich für die Gruppe
empfand, die sich mit größter Konzen-       Schriftführerin des Verbandes
tration und Ernsthaftigkeit dem Spiel       Fachbereichsvertreterin
hingab.                                     Theaterpädagogik
Kurz & Bündig

                       Lockdown und Kreativität
Es gibt nun vom Theater Verband Umhängetaschen, nicht nur um was reinzugeben,
sondern auch um den Theater Verband in die Straßen zu tragen. Bedruckt mit einem
                           Spruch. And the winner is:

                    „Lieber Hängetasche als Texthänger“
             von Magdalena Zorn - KuHlturstall Axams.

I
       ch weiß ja nicht, wie es euch         tigend. In kürzester Zeit trudelten an die    Gewinnerin vorgestellt und ihr der
       während des ersten Lockdowns          60 Vorschläge bei mir ein. Nach Ablauf        Preis (10 Taschen) in einem offiziel-
       ergangen ist. Ich für meinen Teil     der Einreichfrist hatten wir somit die Qual   len Akt übergeben werden. Auch alle
       habe endlich meine Overlock Näh-      der Wahl. Insgesamt vergaben sechs            Teilnehmer*innen der Vollversamm-
maschine ausgepackt. Na ja, immerhin         Personen Punkte von 1 bis 3. Das er-          lung sollten eine Tasche erhalten. Lei-
fristete diese bereits seit drei Jahren,     gab auf Anhieb einen klaren Gewinner-         der machte uns Covid-19 einen Strich
originalverpackt wohlgemerkt, ihr Da-        spruch. Magdalena Zorn vom „KuHltur-          durch die Rechnung, und so luden wir
sein bei mir. Dann noch schnell Stoffe,      stall“ aus Axams setzte sich gegen ihre       Magdalena zur Übergabe der Hänge-
Schneideplatte, Rollschneider und Garn       Konkurrenz mit „Lieber Hängetasche als        taschen zu uns ins Büro.
bestellt, selbstverständlich vom österrei-   Texthänger“ durch.                            Wir bedanken uns bei allen kreativen
chischen Händler, und schon glich mein       So, das war nun geschafft. Die Ta-            Köpfen für die Teilnahme!
Wohnzimmer eher einer Schneiderwerk-         schen wurden produziert, und im Rah-
statt und das große Experimentieren          men der Vollversammlung sollte die            Priska Teràn
konnte starten. Nachdem eine Freundin
von mir in dieser Zeit Geburtstag hatte,     Foto: TVT; Magdalena Zorn, Obmann Klaus Mayramhof
machte ich mich daran, verschiedene
Taschen für sie zu nähen, unter anderem
eine Hängetasche, und da kam sie – die
Idee. Schon länger sprachen wir im
Büro darüber, dass Umwelttaschen öf-
ters einmal recht praktisch wären. Aber
nur eine einfache Umwelttasche – FAD.
Ein cooler Spruch musste also her. Das
wäre doch was. Und was lag da näher,
als unsere vielen kreativen Mitglieder
einzubinden und einen Sprüchewettbe-
werb auszuschreiben. Schnell wurde die
Idee in unserer wöchentlichen Dienstbe-
sprechung präsentiert, für gut befunden,
und schon ging der Aufruf über unseren
Newsletter raus. Das Echo war überwäl-

                                                                                                          darstellendes spiel | 21
Kurz & Bündig

                     INFOS AUS DEM BÜRO

                                        WAHL 2020
                                   Liebe Mitglieder des TVT!

Nachdem die geplante Vollver-       ner anderen Lösung.                  Der Wahlvorschlag des Vor-
sammlung des TVT im März dem                                             stands erhielt eine große Zu-
Lockdown zum Opfer gefallen         Nachdem im Lauf des Som-             stimmung. Über die Detailer-
war, haben wir versucht, wäh-       mers der Gesetzgeber auch die        gebnisse wurden die Mitglieder
rend des Sommers Lösungen           schriftliche Wahl, auch in Fällen,   ja bereits informiert.
für die anstehenden Wahlen zu       in denen das in Statuten nicht
finden. Am sinnvollsten erschien    vorgesehen war, für zulässig         Namens des gesamten Vor-
uns eine Neuanberaumung. Mit        erklärte, haben wir uns für die      stands bedanke ich mich für
dem damit verbundenen Vorlauf       Durchführung einer Briefwahl         das Vertrauen. Wir werden alles
erschien uns ein Termin im Ok-      entschieden. Unter tatkräftiger      daransetzen, dieses zu rechtfer-
tober geeignet.                     Mithilfe unseres Büros haben         tigen und werden in der neuen
Ein von der Vereinsbehörde auf-     wir diese logistische Heraus-        Periode unsere Engergie weiter
gebauter Druck (Androhung von       forderung bewältigt. Der Lohn        für den Theater Verband Tirol
Strafen und Vereinsauflösung)       dafür war die für uns sehr über-     einsetzen.
und die neuerliche schwierige       raschende und erfreulich hohe
Coronalage zwangen uns zu ei-       Wahlbeteiligung.                     Klaus Mayramhof
                                                                         Landesobmann

22 | darstellendes spiel
Kurz & Bündig

   Stephanie Larcher-Senns lyrische Gedanken
                 zum Lockdown
                          LICHT AN - LICHT AUS

wohlig aufgeregt die herzen             als das Licht erlischt
alle schon bereit                       herrscht plötzlich dunkelheit
glitzernd aller augen schon             still ist´s auch und
gleich ist auftrittszeit                nichts zu sehen weit und breit

rasch die plätze eingenommen            leere stühle
schon vergessen jede zeit               stille förmlich schreit
still, gespannt auf was da kommt        niemand kommt
schenken volle aufmerksamkeit           alles nur zur sicherheit

licht erleuchtet nun die Bretter        die figuren sind erstarrt
ganz egal ob´s draußen schneit          weder freud noch wahres leid
die figuren begeistern alle             applaus ist nicht mehr vorstellbar
das zu feiern uns befreit               weit entfernt die bühnenzeit

Foto: Kühne Bühne

                                                           darstellendes spiel | 23
EIN LEBEN FÜR TANZ UND THEATER
                           Reda Roshdy ist nicht mehr unter uns.
            Schauspiele Kauns trauert - der Theater Verband Tirol schließt sich an.

                      Es gibt im Leben für alles eine Zeit,
                        eine Zeit der Freude, der Stille,
                         der Trauer und eine Zeit der
                             dankbaren ERINNERUNGEN!!

R
                eda Roshdy, für viele     Wir sind alle schockiert und sehr trau-   Danke Reda für Alles. Mir wera di nia
                unvergessliche, lusti-    rig über das Ableben von Reda. Er ver-    vergessa und stets mit am Lächeln an
                ge und lehrreiche Mo-     starb am 22. November 2020 im Alter       di denka!
                mente möchten wir dir     von 65 Jahren.
danken! Mit deiner speziellen und kre-    Wir werden dich in Ehren halten und       RUHE IN FRIEDEN!
ativen Art hast du dein Können und        in positiver Erinnerung an dich denken.   Unser herzliches Beileid ergeht an dei-
Wissen an uns Schauspieler weiter-        Ruhe in Frieden! Das Können, das du       ne Familie.
gegeben.                                  uns vermittelt hast, werden wir versu-
Dein unverwechselbares Lächeln und        chen, in Demut und Anerkennung wei-       Josef Falkeis (Schauspiele Kauns)
dein Schmäh werden uns in positiver       terzutragen.
Erinnerung bleiben.
Bei zahlreichen Großproduktionen
wie „Wiesejaggl“, „xxxAlpin - Der
Berg ruft“, „Pfarrer Maaß“, „Talkönig“,
„Simba – König der Tiere“ und zuletzt
beim „Kaiser Max“ warst du nicht nur
unser Choreograph, sondern auch
unser Mentor und standest uns mit
Rat und Tat zur Seite.

(Bild bei der Probe 2018 in Kauns)

Sein besonderes Verdienst war, dass
Reda seine Arbeit und seine Bega-
bung zu großen Teilen unentgeltlich
im Amateurtheater einbrachte.                                                              Foto: TVT; Schauspiele Kauns

24 | darstellendes spiel
A
               m 22.11.2020 starb           Seither waren wir Partner bei zahl-      rung hervorgerufen für darstellerische
               nach längerer Krankheit      reichen Projekten, zunächst im Kul-      Leistungen, bei denen Darsteller über
               der Tänzer, Regisseur,       turgasthaus Bierstindl, wo er päda-      sich hinausgewachsen sind.
               Tanzpädagoge und bis         gogisch, als Coach und Choreograf
zuletzt auch Lehrkraft am Konservato-       zahlreiche Produktionen mitgestalte-     Dies haben auch die Schauspiele
rium in Innsbruck. Er hat nie viel Wind     te, wie z. B. beim „Schüler Gerber“ im   Kauns sehr schnell zu schätzen ge-
um sich gemacht, wenig ist von ihm im       Rahmen des Festivals „finale 1999“.      wusst und ihm zum Coachen der Frei-
Netz zu finden. In seiner Lebendigkeit      Dem Bierstindl ist er bis zuletzt treu   lichtaufführungen bei den Schlosshäu-
und der Freude an Unmittelbarkeit in        geblieben und bescherte den Ritter-      sern geholt. Redas Arbeiten hier waren
der Begegnung, auf der Bühne, hinter        spielen besonders erfolgreiche Kin-      nach der Uraufführungsserie vom
der Bühne und im Alltag hatte er immer      dertheaterproduktionen.                  „Wiesejaggl“, „Pfarrer Maß“, „Talkönig“,
einen Witz auf Lager, aber nicht zum                                                 „xxxalpin“ und schließlich „Simba“ eine
Selbstzweck, sondern gepaart mit der        Ein treuer Begleiter und Erfolgsga-      Musterleistung der Zusammenschau
Herausforderung zu künstlerischer Dis-      rant war für mich Reda besonders         von Tanz, Musik, Gesang, Maske und
ziplin.                                     bei Großproduktionen. Auf seine Be-      Ausstattung. Mit Redas letzter Arbeit
                                            gabung hinkonzipiert gestaltete er die   in Kauns drückte er der Produktion
Reda Roshdy wurde in Kairo geboren,         Umsetzung des Volksschauspielmu-         „Der nackte Kaiser Max“ den Stempel
wo er mit Auszeichnung die Russische        sicals „Kleiner Mann bleib dran“. Für    seiner choreografischen Visionen auf
Ballettschule absolvierte und sich dar-     sein Konzept einer regionalen Fas-       und hinterließ Impulse für eine Urauf-
aufhin in Moskau zum Tanzpädagogen          sung von „Romeo und Julia“ schrieb       führung, die aus Coronagründen noch
ausbilden ließ. Seine außergewöhnliche      ich nach seinen Vorstellungen „Ro-       nicht stattgefunden hat.
Begabung als klassischer Solotänzer         med und Julia“ für die Freilichtspiele
bestätigte sich zunächst an der Oper        in Tulfes. Glänzend gelang ihm die       Ekkehard Schönwiese
in Kairo und den weiteren Stationen:        Regie von „Vollmond, ein Mitsommer-
an der Staatsoper und an der Deut-          nachtstraum“ im Thaurer Schloss.
schen Oper in Berlin. An der Staats-        Nicht minder begeisterte er bei „Ti-
oper in Wien ließ er sich daraufhin als     roler Freiheit“ in Grinzens mit seinen
Publikumsliebling verehren. Dann holte      großen choreografischen Bildern,
ihn Helmut Wlasak als Tänzer, Choreo-       ganz gegen die Tradition mit schönen
grafen und Pädagogen an das Tiroler         Schlachtgemälden. Mehrfach holte
Landestheater. Danach widmete er            ihn auch die Theaterwerkstatt Döl-
sich als Tanzpädagoge und Regisseur         sach, wenn es beim „modernen The-
der Erziehung von TänzerInnennach-          ater“ um die Umsetzung heikler Stoffe
wuchs und der Professionalisierung          ging. Beim Kosakendrama „Lauf, Kat-
des außerberuflichen Theaters in Tirol      inka“ etwa hatte das Ensemble Pferde
und Südtirol. Er war bis zuletzt mit sei-   zu spielen. Gewaltig war auch, was
nem kritischen Blick bei internationalen    er beim „Das Erler Faustspiel“ für die
Tanz-Ausscheidungsveranstaltungen           Passionsspiele Erl 1997 beitrug.
ein gefragter Juror.
                                            Er hatte die Fähigkeit, spontan große,
Ich lernte Reda 1988 bei seiner Einstu-     heterogene Spielgemeinschaften in
dierung meiner Revue „I wer narrisch –      kürzester Zeit zu exemplarischen und
Szenen der Entmündigung“ am Tiroler         unkonventionellen Schaubildern zu
Landestheater kennen und schätzen.          motivieren und hat mit Witz Begeiste-

                                                                                                   darstellendes spiel | 25
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