Raubbau Klimawandel Corona-Krise - magazin FILMVERLOSUNG: Becoming Animal zu gewinnen!
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Leben heißt handeln 3.50 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 145/2.2020 magazin Tatorte: FILMVERLOSUNG: Kohle killt Klima Becoming Animal zu gewinnen! Verkehr: E-Mobilität ist keine Lösung Wald: Europäische Urwälder schützen Raubbau Klimawandel Corona-Krise
tatorte Illegalen Holzeinschlag stoppen! Europas letzte Urwälder retten! Foto: ROBIN WOOD/Linckh Unterschreiben Sie heute noch unsere Petition an Bundesagrarministerin Klöckner. Deutsch- land trägt eine große Verantwortung: Unser Hunger nach Holz, Papier und Zellstoff zerstört die letzten Natur- und Urwälder Europas. Im zweiten Halbjahr 2020 wird Deutschland die Ratspräsidentschaft der EU übernehmen. Wir fordern von Bundesagrarministerin Klöckner eine klare Position für eine starke Waldstrategie und die verbindliche Umsetzung von Wald- naturschutzmaßnahmen: www.robinwood.de/urwald. Unterstützen Sie unseren Kampf für die Rettung der Wälder und den Schutz des Klimas! Bitte spenden Sie, damit wir mehr Druck machen können. Herzlichen Dank! Schauen Sie dafür auf Seite 14 bis 19 dieser Ausgabe. 2 Nr. 145/2.20
editorial Die Magazin-Redaktion kurz vor der Corona-Krise Liebe Leserinnen und Leser! Das Foto der Magazinredaktion oben entstand bei unserer noch zuvorzukommen. Auch aktuell erreichen uns schlechte letzten persönlichen Redaktionssitzung in Berlin. Jetzt sitzen Nachrichten aus Rumänien: Den Stillstand durch Corona nutzt wir alle im Homeoffice und treffen uns wie das ganze Land die rumänische Holzlobby, um weiter Tatsachen zu schaffen. online und per Telefon. Die Corona-Krise hat unseren Alltag Die Zahl der Lkws, die die rumänischen Karpaten mit Holz und unsere Arbeitswelt verändert, aber die Umweltprobleme ladungen verlassen, hat einen neuen Höchststand erreicht! bleiben, auf die wir mit spektakulären Aktionen und unserer Im zweiten Halbjahr 2020 wird Deutschland die EU-Ratsprä- unermüdlichen Öffentlichkeitsarbeit weiter hinweisen wer- sidentschaft innehaben und trägt gerade dann große Verant- den. Ab Seite 6 dieser Ausgabe beantworten die Autorinnen wortung für den Schutz der Wälder in Europa. Wir möchten Fragen wie Corona und Umweltthemen zusammenhängen. gemeinsam mit Ihnen bei Bundeslandwirtschaftsministerin Wie wirkt sich die Epidemie auf die Autoindustrie und unsere Julia Klöckner Druck machen, dass sie klar Position für eine Mobilität aus? Was hat die dramatische Entwaldung weltweit starke europäische Waldstrategie bezieht. Dieser Magazinaus- mit zunehmenden, neuen Infektionskrankheiten zu tun? gabe liegt eine Unterschriftenlisten bei, die den Schutz der europäischen Wälder fordert. Sie können aber auch online Seit einem Jahr engagieren wir uns in einer großen Kam- unsere Petition unterstützen: www.robinwood.de/urwald. Nur pagne mit unseren Bündnispartnern Agent Green und gemeinsam können wir die einmaligen europäischen Wälder EuroNatur für den Schutz der rumänischen Urwälder: Zum retten. Herzlichen Dank! Beispiel im Sommer 2019 vor Ort mit einem riesigen Banner über einem von Kahlschlag bedrohten Tal oder in Brüssel vor Nach Redaktionsschluss dieser Magazinausgabe veröffent- dem Hauptsitz der EU-Kommission. Diese Proteste zeigten lichte Frau Klöckner die aktuellen Waldschadenszahlen für Wirkung. Im Februar 2020 beschloss die EU ein Vertragsver- 2019. Sie sind verheerend: Mit 78 Prozent sichtbar geschä- letzungsverfahren gegen Rumänien wegen des ungebremsten digter Waldbäume ist der Wert auf Rekordniveau. Alle An- Raubbaus in ihren Wäldern. Ein großer gemeinsamer Erfolg! strengungen von Wald- und Agrarpolitik müssen jetzt endlich Doch die rumänischen Urwälder sind weiter in Gefahr. darauf zielen, diesen Trend umzukehren! Die aktuellen Zahlen Anfang März schlugen unsere Partner vor Ort Alarm: Neue und mehr Informationen dazu finden Sie auf unserer Home- Kahlschläge in den Buchenwäldern für den Bau einer trans- page. Wir vertrauen auf Ihre Unterstützung und Ihr Engage- nationalen Hochspannungsleitung! Die ROBIN WOOD-Ak- ment. Bleiben Sie aktiv und gesund! Herzlichen Dank tiven machten sich sofort auf den Weg und wiesen in einer im Namen der Magazin-Redaktion eindrucksvollen Banneraktion mitten im Kahlschlaggebiet Ihre auf den Raubbau hin. Hier hatten die Rodungsteams aber in ungeheuerlicher Geschwindigkeit schon ganze Arbeit geleistet, um möglichen Einschränkungen durch die EU Nr. 145/2.20 3
inhalt perspektiven 6 Was bedeutet die Corona-Krise für die Klimabewegung? Seite 6 Foto: Chris Jewiss Free Images tatorte Klimaprotest in Corona-Zeiten 9 Klimawandel: Schneller als die Polizei erlaubt 9 Rumänische Urwälder retten! 10 Rettet Hamburgs Wälder! 1 1 Kraftwerk Datteln 4: Unnötig und 12 schädlich für die Energiewende Seite 10 Foto: ROBIN WOOD Seite 14 wald 14 Krimi zwischen Horror und Hoffnung: Kampagne für den Schutz der rumänischen Natur- und Urwälder 20 Desaster fürs Klima: Der Umstieg von Kohle auf Holz 22 Wälder unter Druck: Warum die Bioökonomie unsere Biosphäre bedroht 27 Machen Sie den Wald-Fußabdrucktest! Foto: ROBIN WOOD 4 Nr. 145/2.20
inhalt Chris Jewiss Free Images verkehr 28 Teslas Giga-Fabrik in Brandenburg: Eine sozial- ökologische Verkehrswende sieht anders aus 31 Energiewende im Verkehr: Mehr als eine bloße Antriebswende 33 Dannenrod: Wald statt Asphalt 34 Demo in Oldenburg: Mobilität für Alle! Seite 28 Seite 38 internes Impressum 36 Videoclips von ROBIN WOOD 38 Andrea Zander: Fundraising macht glücklich 38 Heftmitte internes Jahresbericht 2019 37 Filmverlosung: Becoming Animal zu gewinnen Heftmitte: Auf acht Seiten der ROBIN WOOD- Jahresbericht 2019 Foto: Pay Numrich Nr. 145/2.20 5
tatorte Foto: Chris Jewiss Free Images Was bedeutet die Corona-Krise für die Klimabewegung? 1. Den Ausweg aus der Krise mitgestalten – für eine sozial-ökologische Gesellschaft 19. März 2020: Den Aktiven von ROBIN WOOD geht es • Auch nehmen Regierungen Erkenntnisse aus der Wissen- genauso wie allen anderen: Die Corona-Krise beherrscht die schaft ernst und richten ihr Handeln danach aus. Klima- Gedanken. Wir leben im Ausnahmezustand. Es fühlt sich forscher*innen fordern das seit langem nachdrücklich, an, als wäre ein dystopischer Film plötzlich real geworden. aber bisher weitgehend vergeblich. Rasend schnell und radikal hat sich das gesellschaftliche und • Die Politik räumt dem Schutz der Gesundheit von Men- individuelle Leben geändert. Obwohl wir hierzulande noch in schen oberste Priorität ein, während sonst wirtschaftliche der Anfangsphase der Pandemie stecken, ist bereits klar, dass Interessen – trotz umweltzerstörerischer und klima- sie tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis hinterlassen und schädlicher Auswirkungen – Vorrang bekommen und die Gesellschaft auf Jahre einschneidend verändern wird. soziale Ungleichheit als selbstverursacht diffamiert wird. Was bedeutet dieser ungewollte, gesellschaftliche Stresstest riesigen Ausmaßes für die Umwelt- und Klimagerechtig- Zugleich zeigt die Pandemie, wie stark und schnell das öffent- keitsbewegung? Der öffentliche Diskursraum zum Thema liche Leben und die Grundrechte eingeschränkt werden, wenn Klimakrise ist geschrumpft. Dabei sind die Auswirkungen Notstand herrscht. Die EU-Staaten schotten sich nach außen der Klimakatastrophe nicht weniger real oder bedrohlich als und gegeneinander ab und handeln nationalistisch. Überwa- die der Corona-Pandemie, auch wenn diese zumindest im chung und Disziplinierung nehmen zu. Die Zahl der Hand- globalen Norden nicht im gleichen Tempo für alle sichtbar lungsalternativen schrumpft. Autoritäres Durchsetzen tritt an werden. Auf der anderen Seite der Weltkugel sind sie bereits die Stelle von demokratischen Aushandlungsprozessen. bitterer Alltag. Um solchen Tendenzen angesichts einer sich verschärfenden Über den Rückgang von CO2-Emissionen durch die Coro- Klimakrise und eines dramatischen Artensterbens entgegen- na-Krise zu jubeln, wäre zynisch. Eine Pandemie ist kein zutreten, wird die Umwelt- und Klimagerechtigkeitsbewe- nachhaltiger Klimaschutz. In der aktuellen Notsituation geht gung dringend gebraucht. Gemeinsam müssen wir verhin- es darum, auf allen Ebenen die akuten, existentiell bedroh- dern, dass die aktuelle Krise den Nährboden für dauerhafte lichen Folgen dieser sich schnell ausbreitenden Infektions- autoritäre Verschiebungen bildet. krankheit zu bewältigen. Eine Diskussion, wie wir aus dieser Krise herauskommen, wird sich anschließen. Sie sollte durch Wir von ROBIN WOOD machen uns daher Gedanken, wie eine starke Klima- und Umweltschutzbewegung mitgestaltet wir auch in Corona-Zeiten unsere politischen Ziele verfolgen werden – mit dem Ziel, die Milliarden öffentlicher Mittel, die können. Vorübergehend werden wir Treffen online abhalten, zur Bewältigung der Corona-Folgen fließen werden, für den uns weiterbilden, andere Protestformen nutzen und neue sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft zu nutzen. Wege suchen, uns zu organisieren. Und wir wollen die Zusam- menhänge von Corona und Umweltthemen beleuchten: Was Die jetzige Pandemiekrise führt uns drastisch vor Augen, was hat die dramatische Entwaldung der Welt mit zunehmenden Regierungen der Industriestaaten können – was sie aber trotz- Infektionen durch neuartige Krankheiten zu tun? Wie wirkt dem bislang nicht getan haben, um einen ebenfalls globalen, sich die Epidemie auf die Autoindustrie, auf globale Mobilität existenzgefährdenden Klimanotstand abzuwenden: und die Emissionen aus? Das sind nur zwei Fragen, die wir • In der Pandemiekrise setzen sich Regierungen im Sinne aufgreifen wollen, um uns in die Debatte über den sozial-ökol- des Gemeinwohls gegen starke Lobbys, etwa der Auto- und gischen Wandel einzumischen. der Energieindustrie, durch. Das „Primat der Politik“ funk- tioniert – anders als in der internationalen Klimapolitik. Ute Bertrand, ROBIN WOOD-Pressesprecherin 6 Nr. 145/2.20
perspektiven 2. Die Welt steht still – und die sozial-ökologische Verkehrswende ist notwendiger denn je 27. März 2020: Die Corona-Pandemie hält die Welt in Atem. reich eben auch diejenigen im ÖPNV gehören. ROBIN WOOD Die Straßen sind vielerorts so gut wie leer, der Zugverkehr unterstützt diese Forderungen und setzt sich dafür ein, dass ist massiv ausgedünnt und Busse fahren ohne Fahrgäste. sich die Arbeitsbedingungen der ÖPNV-Beschäftigten auch Die Selbstverständlichkeit, mit der wir alltäglich mobil sind, über die Krise hinaus nachhaltig verbessern! wird durch die Krise massiv infrage gestellt – auch, weil plötzlich viel mehr Menschen die Möglichkeit bekommen, Gleichsam wird durch die Krise immer klarer, dass viele von zuhause zu arbeiten. Was bis vor wenigen Wochen in vor allem klimaschädliche Produktionsbetriebe eben nicht vielen Unternehmen noch nicht möglich war, könnte nun systemrelevant sind – so war die Automobilproduktion in unser Mobilitätsverhalten langfristig verändern. Deutschland im März und April so gut wie eingestellt. In den deutschen VW-Werken standen die Bänder still, um die Be- Dennoch sind viele Menschen, die systemrelevante Berufe schäftigten vor einem Infektionsrisiko zu schützen. Auch die ausüben und ihren Job nicht ins Home-Office verlegen kön- meisten europäischen VW-Werke sowie einzelne Standorte nen, nach wie vor auf Mobilität angewiesen. In Zeiten wie in Russland, Mexiko und den USA waren stillgelegt. Daim- diesen greifen viele auf ihr eigenes Auto zurück, um sich vor ler hatte seine Produktion eingestellt, bei MAN in München Infektionen zu schützen – doch nicht alle Menschen besitzen und bei Audi in Ingolstadt und Neckarsulm gibt es ebenfalls ein eigenes Auto. Daher wird jetzt empfohlen, auf das Fahr- Kurzarbeit, das Gleiche ist bei Porsche. Die Auswirkungen von rad umzusteigen, da das Infektionsrisiko beim Radfahren Corona treffen aber vor allem kleinere Zulieferbetriebe hart . erstens relativ gering ist und es zweitens nicht nur in Zeiten von Corona positive Auswirkungen auf die Gesundheit hat, Die Corona-Krise verstärkt außerdem das Wegbrechen von z.B. weil die Lunge gut belüftet und besser durchblutet wird. Absatzmärkten, sowohl in China als auch Westeuropa. Hier Auch beim Radfahren ist es natürlich wichtig, Abstand zu machen aktuelle Beispiele aus den USA, wo Autobauer nun halten – was aber bei den vielen stehenden Autos, die Fuß- Beatmungsgeräte herstellen sollen, deutlich, dass die von der und Fahrradwege zuparken, gar nicht so einfach ist! Daher Klimabewegung lange geäußerte Forderung nach einer Um- fordern wir eine Umwidmung von Straßenraum für Fuß- rüstung von profitorientierter auf eine gemeinwohlorientierte gänger*innen und Radfahrer*innen – auch über die Coro- Produktion nicht nur sinnvoll, sondern auch möglich ist! na-Krise hinaus! Auch im Flugverkehr sind die Veränderungen umwälzend. Viele Menschen können allerdings nicht auf Radfahren Der globale Flugverkehr ist weitestgehend zum Stillstand ge- ausweichen, weil sie z.B. mobilitätseingeschränkt sind, oder kommen. Lufthansa hat 95 Prozent aller Flüge gestrichen und weil Radwege noch immer an vielen Orten nicht gut genug Kurzarbeit für viele tausend Mitarbeiter*innen angemeldet ausgebaut und gefährlich sind. Daher sind nach wie vor – fordert aber gleichzeitig staatliche Milliardenhilfen. Es kann einige Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen nicht sein, dass fossile und klimaschädliche Industrien mit – und es wird deutlich, dass der Betrieb des ÖPNV auch in Milliardenpaketen gerettet werden, während viele kleine Un- Krisenzeiten systemrelevant ist. Während der Corona-Pan- ternehmen und Organisationen bereits jetzt um ihre Existenz demie sind ÖPNV-Beschäftigte einem höheren Infektions- kämpfen müssen. Es muss jetzt darum gehen, Lohnabhängige risiko ausgesetzt, auch wenn es Sicherheitsregeln gibt – z.B. und Selbstständige finanziell abzusichern. Nach Corona darf darf in den meisten Bussen nur noch hinten eingestiegen die Klimakrise aber nicht mit milliardenschweren Konjunk- werden. In der Öffentlichkeit wird daher aktuell zurecht turprogrammen angeheizt werden. Denn auch die Klimakrise eine drastische Verbesserung der Arbeitsbedingungen, fordert Menschenleben! Bezahlung und Wertschätzung von systemrelevanten Beruf gefordert – zu denen neben Beschäftigen im Gesundheitsbe- Dominique Just, ROBIN WOOD-Mobilitätsreferentin Foto: Chris Mueller / iStock Nr. 145/2.20 7
perspektiven Foto: Rob Blakers 3. Waldnaturschutz ist Epidemie-Prävention! 29. März 2020: Wegen der Corona-Pandemie steht die Welt • Eine in einem Teil des brasilianischen Amazonas durch- kopf. Die Gesundheitssysteme in vielen Ländern der Welt geführte Studie stellte nach einer Entwaldung des Ge- kollabieren, die Wirtschaftssysteme brechen zusammen, die bietes um vier Prozent innerhalb von drei Jahren einen Bildungssysteme stehen still, unsere alltäglichen gesell- Anstieg des Malariarisikos um 50 Prozent fest. schaftlichen Routinen funktionieren plötzlich nicht mehr. • Doch nicht nur in den tropischen Urwäldern erhöht Zehntausende Menschen verlieren innerhalb kürzester Zeit sich die Gefahr der Übertragung von Infektionskrank- ihre körperliche Unversehrtheit oder ihr Leben, Freiheits- heiten durch Entwaldung. 2017 war die Verbreitung der rechte werden massiv eingeschränkt. Und mal wieder lässt Lyme-Borreliose in Nordamerika auf neuem Rekord- sich alles darauf zurückführen, dass der Mensch unbelehr- niveau. Neben der Klimaerwärmung wird der engere bar wirtschaftliche Interessen vor den Erhalt intakter natür- Kontakt zwischen Menschen und Überträger-Tierarten, licher Lebensräume stellt. wie Hirschen und Mäusen als Ursache betrachtet. Deren Populationen stiegen im Zuge der Urbanisierung und Stammt Corona vom Pangolin Schuppentier? Oder von Landumnutzung an. einer Fledermaus? Offenbar hat ein Wildtier des Waldes die Krankheit auf den Menschen übertragen. Das ist nahelie- Stabile alte Waldökosysteme als Prävention für Epidemien gend, denn eine große Anzahl aller Erreger, die Epidemien auslösen, stammt von Wildtieren. Die Virologin Sandra Ähnlich wie zur Milderung der Klimakrise sind die Wälder Junglen, die an der Berliner Charité Viren erforscht, die der Welt auch echte Tausendsassa, um Epidemien vorzubeu- noch keinen Kontakt zu Menschen hatten, erklärt diesen gen! In einem artenreichen Ökosystem haben Tiere eigene Zusammenhang in einem Artikel in der Wochenzeitschrift Lebens- und Jagdräume, regulieren sich die Populationen der Freitag mit pragmatischen Worten: „Lebensräume und der Arten untereinander und haben Krankheiten eine ent- intakte Ökosysteme werden zerstört, Arten sterben aus und sprechend geringere Übertragungsrate. es gibt mehr Tiere einer Art, unter denen sich Infektions- krankheiten besser verbreiten können. Der Mensch zerstört Doch nicht nur in Bezug auf die Infektionswege von Tier in immer größerer Geschwindigkeit die ursprünglichen zu Mensch ist der Waldschutz ein relevanter Faktor für Lebensräume der Tiere und rückt ihnen zugleich immer die Prävention von Pandemien. Neueste Untersuchungen näher auf die Pelle. Die Artgrenze kann von Viren so leichter beschreiben einen Zusammenhang zwischen Luftver- überschritten werden.“ schmutzung durch Feinstaubpartikeln und der Übertragung von Infektionskrankheiten. Das Corona-Virus hätte sich Die Entwaldung unserer Welt – aus Holzhunger, für Mono aufgrund der starken Feinstaubbelastung in Norditalien in kulturen, intensive Weidewirtschaft – verursacht Klimaschä- solch einer Geschwindigkeit und Anzahl verbreitet. Gibt es den und ein dramatisches Artensterben. Entwaldung führt effektivere Feinstaubfilter als Wälder? Sie sind die einzigen auch zur Übertragung von neuen Infektionskrankheiten von und dabei unglaublich effektiven natürlichen Filtersysteme Tieren auf Menschen und ist damit ursächlich für Epidemien der Landökosysteme. verantwortlich! Hier einige Beispiele: Der Zusammenhang zwischen der Verbreitung von Infek- • Die Fledermäuse Westafrikas lebten ursprünglich in tionskrankheiten und Entwaldung ist ein weiteres Mosaik- Urwäldern, die jetzt für den Anbau von Kakao in Monokul- stück, das uns als Weltgesellschaft auffordert, endlich acht- turen zerstört werden. Durch die Zerstörung ihrer Baum- sam mit unseren letzten intakten Ökosystemen umzugehen höhlen, suchen sich die Fledermäuse zunehmend Quartiere und eine sozial-ökologische Wende einzuleiten. Waldnatur- in urbanisierten Gebieten. In einem dieser Gebiete fanden schutz ist Epidemie-Prävention. Forscher*innen vor einigen Jahren im Blut einer Fledermaus Bestandteile des Genoms des Zaire-Ebola-Stammes. Jana Ballenthien, ROBIN WOOD- Waldreferentin 8 Nr. 145/2.20
tatorte Klimaprotest in Corona-Zeiten 7. April 2020: Zum Weltgesundheitstag mach- die Menschen des globalen Südens, haben wird. Extremwetterereignisse ten ROBIN WOOD-Umweltaktivist*innen in wie Hitze, Dürren und Überschwemmungen rauben schon jetzt Millionen Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mit Menschen ihre Existenzgrundlage, und werden weiter zunehmen. kreativen Mitteln auf die drohenden Folgen Daher muss jetzt verhindert werden, dass nach der Corona-Krise für Unter- der Klimakatastrophe aufmerksam. Die Ak- nehmen, etwa aus der Automobil- und Energiebranche, Umweltauflagen tivist*innen hängten an verschiedenen Orten gelockert werden, um den Aufschwung zu fördern – und damit das Wachs- Plakate auf, die gemeinsam den Satz ergeben: tum ausgerechnet der fossilen Branchen anzukurbeln, die am stärksten zur „Corona ist nur ein Vorgeschmack auf die Klimakatastrophe beitragen. Klimakrise“. Die Aktion dokumentierten sie per Video, das sie auf den social media-Kanä- Stattdessen sollte die Gesellschaft aus der Pandemie- und der Klimakrise len von ROBIN WOOD verbreiteten, https:// lernen: Machbar und nötig sind insbesondere eine Energieversorgung auf bit.ly/2Xhjdme. ROBIN WOOD fordert, mit Basis Erneuerbarer Energien, der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmit- den Milliarden an öffentlichen Geldern zur tel und aufs Rad, die Verlagerung von Flügen bis 1.000 Kilometer auf die Bewältigung der Corona-Krise die Gesellschaft Schiene und Verkehrsvermeidung, etwa durch regionale Produktion von konsequent sozial-ökologisch umzugestalten. Lebensmitteln. Zudem muss – auch mit Blick auf den Artenschutz und die Vorbeugung weiterer Pandemien – die Zerstörung von Wäldern gestoppt Die Corona-Krise verdrängt zurzeit alle ande- werden. ren Themen von der politischen Agenda und aus den Medien. Massive politische Eingriffe in die Grundrechte sowie in die Wirtschaft werden derzeit – schnell und weitgehend ohne Debatte – umgesetzt, um die Pandemie aufzuhalten. Jeden Tag sterben Menschen an Covid19. Daher leuchtet es ein, dass die Gesell- schaft diese Einschränkungen in Kauf nimmt. Im Kontrast dazu tritt besonders deutlich hervor, wie wenig die Regierungen bisher gegen die Klimakrise getan haben. Dabei ist der Klimawandel eine globale Gefahr mit ebenfalls tödlichen Folgen. Die internationale Klimaforschung hat erdrückende Belege da- für, welche verheerenden Folgen ein weiterer globaler Temperaturanstieg, insbesondere für Klimawandel – schneller als die Polizei erlaubt Hamburg, 21. Februar 2020: Es war wieder soweit. Viele jun- Foto: Ute Bertrand ge Menschen gingen am Freitag auf die Straße, um laut zu sein. Laut für Hamburgs Klimapolitik, die sich JETZT än- dern muss! Darauf machten laut Fridays for Future 60.000 Teilnehmende, darunter auch ROBIN WOOD-Aktive, vor der Bürgerschaftswahl mit vielen bunten Schildern und Sprechchören aufmerksam. Zwei ROBIN WOOD-Akti- vist*innen seilten sich von einer Brücke ab, zwischen sich ein Banner mit der Aufschrift „Klimawandel – schneller als die Politik erlaubt!“. Denn in Hamburg qualmt noch immer das Kohlekraftwerk Moorburg, es sollen Wälder abgeholzt werden und der Flughafen wird ausgebaut. All dies belastet das Klima. Deshalb fordern wir: Hamburgs Klimapolitik muss sich JETZT ändern! Nr. 145/2.20 9
tatorte Protest in Brüssel am 4. Februar 2020 Rumänische Urwälder retten! Protest bei der Waldkonferenz in Brüssel Deswegen nutzte ROBIN WOOD die Konferenz, um auf euro- päischer Ebene auf die Wichtigkeit des Erhalts bestehender Brüssel, 4. Februar 2020: Anfang Februar fand in Brüssel die Natur- und Urwälder aufmerksam zu machen. erste Waldkonferenz der Europäischen Kommission statt. Mit ungefähr 20 Aktivist*innen von ROBIN WOOD und Expert*innen von NGO, aus Politik, Wirtschaft und For- zahlreichen europäischen und internationalen Waldnatur- schung diskutierten dort über die Zukunft europäischer und schutz-NGO entfalteten wir ein 50 Meter langes Banner vor internationaler Wälder. Der Ansatz der neuen europäischen dem Hauptsitz der EU-Kommission: „Save European Primary Waldstrategie ist gut: Zerstörte und beschädigte Wälder sol- Forests!“ Mit Bärenkostümen und Kettensäge inszenierten len wieder aufgeforstet und ökologisch aufgewertet werden. wir ein Aufsehen erregendes Straßentheater und führten Aber diese Maßnahmen machen wenig Sinn, wenn nicht der Kommission die tägliche Zerstörung in den Natur- und gleichzeitig noch verbliebene hochwertige Wälder effektiv Urwäldern Europas vor Augen. geschützt werden. Hier muss die EU in ihren Zielen und Maßnahmen dringend Elisabeth Klingberg, ROBIN WOOD nachbessern! Bisher hält die illegale Zerstörung wertvoller rumänischer Urwälder ungebremst an. Urwald in Rumänien kahlgeschlagen Iardastita-Urwald, Baile Herculane, Rumänien, 4. März 2020: Anfang März schlugen unsere Partnerorganisationen in Rumänien Alarm: Kahlschläge in den Buchen-Urwäldern für den Bau einer transnationalen Hochspannungsleitung! Eine kleine Gruppe von ROBIN WOOD-Aktivist*innen machte Fotos: ROBIN WOOD 10 Nr. 145/2.20
tatorte sich sofort auf den Weg, um gemeinsam vor Ort gegen diesen Raubbau zu protestieren. Auf einer schonungslos in den Hang geschlagenen Straße organisierten wir mit den Aktivist*innen vor Ort unsere Aktion. Der unaufhörliche Regen und das 50 Meter lange, neongelbe Banner un- terstrichen die Dramatik der Situation und der dort stattfindenden Ereignisse. Bereits am Tag vor der Aktion erkundeten wir das Terrain. Wir liefen durch den ursprüng- lichen Wald und standen plötzlich auf einem kahlgeschlagenen Plateau. An dessen Rand konnten wie die Arbeiten und den Abtransport der alten Bäume direkt beobachten. Diese Ein- drücke waren sehr erschreckend. Die Rodungen fanden schon seit Wochen mit einer ungeheu- erlichen Geschwindigkeit statt, um möglichen Einschränkungen durch die EU zuvorzukom- men. Wir müssen unbedingt die letzten wilden Urwälder Europas schützen! Nicht noch mehr Bäume dürfen der Profitgier zum Opfer fallen! Lesen Sie mehr zum Hintergrund der Aktion und den rumänischen Urwäldern ab Seite 14 dieser Magazinausgabe. Iardastita-Urwald, Rumänien, 4. März 2020 Lea, ROBIN WOOD Rettet Hamburgs Wälder! Hamburg, 14. Februar 2020: Unter dem Motto „Rettet Hamburgs Wälder“ gingen eine Woche vor den Bürger- schaftswahlen viele Menschen auf die Straße, um sich für den Erhalt von wertvollen Hamburger Ökosystemen wie dem Vollhöfner Wald und dem Heimfelder Moor einzu- setzen. Um weiteres Artensterben zu verhindern, müssen Profitinteressen von Unternehmen dem Naturschutz untergeordnet werden. Es dürfen keine weiteren Wäl- der abgeholzt werden – weder für Hafenerweiterungen noch für den Ausbau eines Mercedes-Werkes oder einer Autobahn! Zur Demo rief die „Klimaschutzinitiative Vollhöfner Wald“ auf und ROBIN WOOD-Aktivist*innen zeigten ihre Meinung auf einem Banner. Vor dem Rathaus kletterten sie auf zwei hohe Laternen und spannten ein Banner mit der Aufschrift „Ruhe im Wald! Waldnaturschutz Foto: Jana Ballenthien vor Profit!“ Außerdem hielt unsere Waldreferentin Jana Ballenthien eine Rede. Klar ist: Der Erhalt des Stadtgrüns und einzigartiger Biotope muss in Hamburgs Klimapoli- tik durchgesetzt werden! Wir können es uns als Gesell- schaft nicht mehr leisten, Waldflächen für die Industrie zu opfern! Am 23. April 2020 veröffentlichte ROBIN WOOD gemeinsam mit 17 Initiativen eine Erklärung um Hamburgs letzte Wildnis zu retten: www.vollhoefnerwald.de/pdf/Gemeinsame_Erklaerung_Zukunft_Vollhoefner_Wald.pdf Nr. 145/2.20 11
tatorte Foto: Stephan Röhl Kraftwerk Datteln 4: Unnötig und schädlich für die Energiewende! Berlin, 16. März 2020: Mit einer Kletteraktion protestierten vische Land aus der Kohle aussteigen. An Datteln 4 wird sich ROBIN WOOD-Aktivist*innen vor der finnischen Botschaft zeigen, ob Sanna Marin Wort hält. Anders als vom Betreiber in Berlin gegen die geplante Inbetriebnahme des Steinkohle Uniper und NRW Ministerpräsident Armin Laschet zuletzt kraftwerks Datteln 4. Die Aktivist*innen spannten ein behauptet, würde die Inbetriebnahme von Datteln 4 laut Banner mit der Aufschrift „How dare you? – Stop Datteln 4“ Berechnungen des Bundesumweltministeriums und des zwischen Fahnenmasten vor dem Botschaftsgebäude. Die Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zu einem finnische Regierung ist über den Energieerzeuger Fortum an zusätzlichen Ausstoß von zehn bis 40 Millionen Tonnen CO2 dem Kraftwerksbetreiber Uniper beteiligt. gegenüber dem ursprünglichen Abschaltplan der Kohlekom- mission führen. Dabei ist schon dieser Kohleausstiegsplan ROBIN WOOD hält Datteln 4 für eine klimapolitische viel zu lasch und eine Absage an internationale Klimage- Bankrotterklärung und einen Bremsklotz für die Energie- rechtigkeit. wende. Statt eines neuen fossilen Großkraftwerks müsse jetzt zügig der Ausbau eines dezentralen Energiesystems auf Zusätzlich zum enormen CO2-Ausstoß würde die Inbetrieb- Basis Erneuerbarer Energien vorangetrieben werden. Paral- nahme von Datteln 4 auch zu einem weiteren Import von lel zu der Kletteraktionen protestierten Aktivist*innen vom Steinkohle führen. Und Steinkohle tötet – durch das An- Bündnis Ende Gelände vor der Botschaft. Die Proteste liefen heizen der Klimakrise sowie durch massive Zerstörung und wegen der Corona-Pandemie nur in reduzierter Besetzung. Menschenrechtsverletzungen in den Abbaugebieten. Für den Profit weniger Unternehmen in den Industrieländern Am nächsten Tag fand die Jahreshauptversammlung von dürfen nicht weiter Millionen Menschenleben weltweit aufs Fortum in Helsinki statt. Die finnische Regierung unter Spiel gesetzt werden. Der Klimawandel wartet nicht auf Premierministerin Sanna Marin hat sich den Klimaschutz das Ende der Corona-Pandemie. ROBIN WOOD wird weiter auf die Fahnen geschrieben. Bis 2029 soll das skandina- Druck für einen zügigen Kohleausstieg machen. 12 Nr. 145/2.20
tatorte Aktiv für die Umwelt Foto: ROBIN WOOD/Fux Fotos: ROBIN WOOD Aktiv werden? – ROBIN WOOD im Überblick Darum geht’s: Mit kreativen Aktionen und klaren bei fachlichen Fragen, Recherche, Aktionsvorbereitung und Forderungen mischt sich ROBIN WOOD öffentlichkeits- Pressearbeit und übernimmt Verwaltungsaufgaben. Über die wirksam in politische Debatten ein und streitet für eine wichtigen Anliegen des Vereins entscheiden die ehrenamt- umweltverträgliche und sozial gerechte Gesellschaft. Die lich Aktiven basisdemokratisch. Kampagnen-Schwerpunkte von ROBIN WOOD liegen in Die themenspezifische Arbeit erfolgt überregional in Fach- den Bereichen Wald, Tropenwald, Klima, Energie und gruppen, unterstützt durch hauptamtliche Kräfte. Ziele, Mobilität. Inhalte und Forderungen der Aktivitäten im Fachgebiet Bundesweit organisieren sich ROBIN WOOD-Aktive in werden dort diskutiert und im Konsens beschlossen. zahlreichen Regionalgruppen, siehe auch robinwood.de/ Weitere Informationen über ROBIN WOOD gibt es im Internet Regionalgruppen. An Orten, an denen keine Gruppen unter robinwood.de. Kontakt: ROBIN WOOD-Bundesgeschäfts- bestehen, sind Neugründungen möglich. Die Bundesge- stelle, Bremer Str. 3, 21073 Hamburg, 040 3808920, schäftsstelle in Hamburg unterstützt die lokalen Gruppen info@robinwood.de Nr. 145/2.20 13
tropenwald ROBIN WOOD war 2019 und 2020 gemeinsam mit den Partnerorganisationen in Brüssel und direkt vor Ort in Rumänien für den Schutz der einmaligen Wälder aktiv Fotos: ROBIN WOOD/Linckh Foto: ROBIN WOOD 14 Nr. 145/2.20
wald Krimi zwischen Horror und Hoffnung Kampagne für den Schutz der rumänischen Natur- und Urwälder Im Sommer 2019 spannten wir bei chte das Dokument und die Missstände Ort Kontakt zu Wissenschaftler*innen, einer spektakulären Aktion ein riesiges in der Waldwirtschaft wurden so gut wie die zwar mit uns als NGO zusammen- Banner über eine tiefe Schlucht in den nicht verfolgt. arbeiteten, aber bei allen gemeinsamen von Kahlschlag bedrohten rumänischen Aktivitäten tunlichst darauf achteten, Urwäldern. Im vorletzten Magazin, der Repression und Morde dass davon keine Foto- oder Video- Ausgabe 143/4.2019, habe ich Ihnen davon beweise erstellt wurden. Und das aus berichtet. Wir protestierten gemeinsam Wenige Monate später erfuhren wir von gutem Grund. Denn in der Vergangen- mit unseren rumänischen und europä- zwei entsetzlichen Morden, die inner- heit wurde eine Person sofort in eine ischen Bündnispartnern Agent Green halb eines Monats an den rumänischen andere Stadt versetzt, direkt nachdem und EuroNatur gegen den Ausbau einer Waldrangern Raducu Gorcioaia und sie auf Videos bei einer waldpolitischen Nationalstraße durch wertvolle Schutzge- Liviu Pop verübt worden waren. Beide Aktion zu sehen war. biete in den rumänischen Karpaten. Vom waren in den Wäldern unterwegs, um Ausbau betroffen wären sowohl Natura illegale Waldfällarbeiten zu dokumen- Eine Person, die wir besuchten, wies 2000-Gebiete, die unter dem Schutz der tieren. Sie wurden misshandelt und uns eindringlich darauf hin, in der Europäischen Union stehen, als auch Flä- ermordet. Raducu Gorcioaia und Liviu Nähe ihres Hauses keinerlei politische chen des UNESCO-Weltnaturerbes zum Pop sind nicht die einzigen Opfer der Symbole zu tragen und uns unauffällig Schutz der europäischen Buchenwälder. rumänischen Holzmafia. Allein 2019 zu verhalten, damit sie ihren Job nicht Die derzeitige rumänische Interimsregie- gab es 16 Angriffe, 650 waren es in den verlöre. Eine andere, mit der wir sehr rung hat die Pläne zum Ausbau der Straße letzten fünf Jahren. Darunter sind sechs vertraut waren, begann uns plötzlich nun vorläufig eingestellt. Unsere Aktion Morde und unzählige schwere Verlet- zu siezen, als staatliche Autoritäten hat ihren Teil dazu beigetragen. Ein großer zungen durch Hieb- und Stichwaffen. in Hörweite waren. Sie gab uns damit Erfolg! Trotzdem blieben wir wachsam. zu verstehen, dass sie uns offiziell Welche neuen, schockierenden Ent- Die Repression gegenüber Menschen, nicht kennen durfte. Wir konnten eine wicklungen sich ereigneten, und welche die sich in Rumänien für den Wald- geführte Wanderung durch die Wälder hoffnungsvollen Erfolge unsere Kampagne naturschutz einsetzen, begegnete erleben, wurden aber auch hier wieder seitdem hervorbrachte, erfahren Sie in uns immer wieder während unserer darauf hingewiesen, von unserer diesem Artikel. Besuche in Rumänien. So hatten wir vor Begleitperson keine Fotos oder Videos Im September wurde die Studie PRI- In Rumänien befinden sich die größten zusammenhängenden Buchenurwälder MOFARO (PRIMary and Old-Growth unseres Planeten. Ihr Schutz muss oberste Priorität haben. Im Gegensatz zu den Forest Areas of Romania) veröffent- Wirtschaftswäldern überstehen sie seit Jahrhunderten jede Krise licht. Dieser Studie zufolge wachsen in Rumänien immer noch mehr als 525.000 Hektar Natur- und Urwäl- der. Doch so hoffnungsvoll die neuen Zahlen auch sind, die Entwaldung der rumänischen Ur- und Naturwaldflä- chen schreitet rasant voran. Bis Ende 2019 geheim gehaltene Zahlen aus der Nationalen Forstinventur belegen nun, dass zwischen 2013 und 2018 jährlich 38 Millionen Kubikmeter Holz geerntet worden sind – rund doppelt so viel wie in den Waldmanagementplänen geneh- migt waren. Die Regierung verheimli- Nr. 145/2.20 15
wald im September letzten Jahres ihre erste Foto: Knut Hildebrandt Beschwerde gegen die rumänischen Behörden bei der EU-Kommission ein- reichten. Sie prangerten damit unter anderem die Kahlschläge in rumä- nischen Natura 2000-Gebieten an, die ohne adäquate Umweltverträglichkeits- prüfung durchgeführt werden. Durch die Beschwerde wurden die Frevel in den Wäldern der Karpaten sichtbar. Alle EU-Kommissionsmitglieder, Mitglieder des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments sind nun informiert. Waldnaturschutz zum Mittagessen Die ersten Erfolge zeigten sich bei einer Lunchdebatte der Grünen-Fraktion des Europäischen Parlaments, zu der Unsere letzten Naturwälder sind unsere auch ROBIN WOOD Ende Januar 2020 Versicherung. Wir brauchen diese Öko eingeladen war. Wir trafen dort alte systeme! Sie speichern riesige Mengen Bekannte, zum Beispiel den ehema- CO2 und sind der Lebensraum unendlich ligen Forstinspektor Mihail Hanzu, ein vieler Arten Experte für die rumänische Waldma- nagementpläne, der in seinem Berufs- leben unzählige Male von Repressionen einem europäischen „man on the moon betroffen war. Mehrmals wurde er moment“. Diese Hoffnung teilen wir offen mit Mord bedroht, als „Volks- nicht. Noch nicht. schädling“ und als psychisch krank Die zwei Werkzeuge, die den Green diffamiert, weil er das korrupte System Deal waldpolitisch repräsentieren, sind der Forstwirtschaft nicht hinnehmen die Biodiversitätsstrategie, die aktuell wollte. im zehnjährigen Turnus aktualisiert Neben verschiedenen europäischen anzufertigen oder gar zu veröffentli- wird, und die neue europäische Wald- Waldnaturschutzorganisationen chen – aus Angst vor einem Jobverlust. strategie, mit deren finaler Version im nahmen an der Debatte überraschend Deshalb ist es besonders wichtig, dass Herbst oder nun durch Corona verzö- viele Mitglieder des EU-Parlaments teil. die Akteur*innen des Waldnaturschut- gert spätestens Anfang nächsten Jahres Noch vor Ort schlossen sie Koalitionen zes international zusammenstehen. So zu rechnen ist. Bisher sind beide Strate- für eine gemeinsame Politik im Sinne verurteilte ROBIN WOOD gemeinsam gien eher stumpfe Schwerter im Kampf des Waldnaturschutzes. mit einer überwältigenden Zahl von für den Schutz der letzten verbliebenen 50 internationalen NGO die Morde Natur- und Urwälder Europas. Denn sie EU – Achtung, wir machen Druck! in einem Brief an die rumänische Re- zielen vornehmlich darauf ab, forst- gierung. Unsere rumänischen Bünd- wirtschaftlichen Bestrebungen einen Kaum zwei Wochen später waren wir nispartner*innnen brauchen unsere ökologischen Anstrich zu geben. mit über zehn unserer Aktiven erneut Unterstützung! in Brüssel. Zum ersten Mal in der Ge- Wir fordern hingegen eine starke schichte des Vereins protestierten wir Die EU muss aktiv werden! europäische Waldstrategie, die es uns direkt vor dem Hauptsitz der EU- Kom- ermöglicht bereits bestehende Gesetze, mission, also der europäischen Zen- Ende des Jahres 2019 ging ein Raunen wie Natura 2000, konsequent durchzu- trale der Macht. In Sturm und Regen durch Europa, als EU- Kommissions- setzen. Wir fordern die Kartierung und spannten wir unser 50 Meter langes präsidentin Ursula von der Leyen den verbindlichen Schutz von Natur- Banner, das auch schon in den rumä- den sogenannten Green Deal ausrief. und Urwäldern und die konsequente nischen Karpaten über der Schlucht Ihr zufolge soll er nichts Geringeres Verfolgung von Verstößen gegen hing. Diesmal hieß es leicht abgeän- leisten, als „unsere Wirtschaft wieder Gesetze des Waldnaturschutzes! dert „Save European Primary Forests!“ mit unserem Planeten in Einklang zu Dieses Ziel verfolgen auch unsere Mit Bärenkostümen, Kettensäge und bringen“. Von der Leyen benutzte gar Bündnispartner EuroNatur und Agent Sägespänen führten wir über zwei das Wort „Revolution“ und sprach von Green, die gemeinsam mit Client Earth Stunden lang ein aufsehenerregendes 16 Nr. 145/2.20
tropenwald Unterstützen Sie uns bitte, um gemeinsam die letzten europäischen Urwälder zu retten. Herzlichen Dank! Foto: ROBIN WOOD Nr. 145/2.20 17
wald ne immer wieder zur Sprache gebracht Fotos: ROBIN WOOD haben. Es ist ein großer Schritt in die richtige Richtung und es ist unser gemeinsamer politischer Erfolg! Rumänien rodet weiter – wir protestierten in den Karpaten! Unsere Freude währte allerdings nicht lange. Mitte Februar dieses Jahres erreichte uns die Nachricht, dass der mehrheitlich staatseigene Energie- konzern Transelectrica den Bau einer Hochspannungsleitung plane, deren Schneise über 30 Kilometer durch 14 Schutzgebiete in den Karpaten verlau- fen soll. Natura 2000-Gebiete und Ge- biete, die selbst von der rumänischen ROBIN WOOD machte Druck in Regierung als besonders schützens- Brüssel. Kurze Zeit später gab es werte „Virgin Forest“ kategorisiert positive Entwicklungen auf EU-Ebene: wurden, seien betroffen. Ungefähr 100 Anfang Februar startete die EU- Kom- Hektar hochgradig schützenswerte mission ein Vertragsverletzungsverfah- Natur und Urwälder würden der ober- ren, in dem sie Rumänien aufforderte irdischen Hochspannungsleitung LEA die illegalen Abholzungspraktiken zu (linie electrica aeriana) weichen müs- unterbinden sen, die vom südlichen Portile de Fier über Resita einmal über die Karpaten bis ins nördliche Arad führen soll. Und Straßentheater auf. Menschen inter- und Urwälder. So viel Rückhalt und das, obwohl alternative Streckenver- nationaler Naturschutzorganisationen, die vielen neuen Netzwerke stärkten läufe möglich sind. zum Beispiel aus Estland, den USA, unsere Kampagne für die rumänischen Wir waren sehr überrascht, dass Rumä- Belgien, Brasilien, Tasmanien, Ungarn, Wälder. nien trotz des laufenden Vertragsver- Rumänien, der Slowakei und Schweden letzungsverfahrens dieses Vorhaben unterstützten uns dabei. Diese Bünd- Die EU schreitet ein verfolgte. Als wir dann hörten, dass nisarbeit war ein bewegender Moment Rodungsteams aus dem ganzen Land in unserer politischen Arbeit. Die stür- Kurze Zeit später gab es positive Ent- zusammengezogen wurden und alle mischen Winde zerrten am Banner und wicklungen auf EU-Ebene: Anfang Fe- gleichzeitig arbeiteten, war für uns unterstrichen die Dramatik unserer bruar startete die EU- Kommission ein klar, dass Rumänien noch schnell Forderungen nach einem verbind- Vertragsverletzungsverfahren, in dem Tatsachen schaffen wollte. So sollte das lichen und konsequenten Schutz aller sie Rumänien aufforderte die illegalen Großbauprojekt in den streng ge- verbliebenen europäischen Natur- und Abholzungspraktiken zu unterbinden. schützten Gebieten durchgezogen wer- Urwälder. Vier Wochen hatte die rumänische den, bevor das Verfahren der EU-Kom- Regierung Zeit darauf zu reagieren. Bis mission soweit fortgeschritten ist, dass Parallel zu unserer Aktion begann die jetzt gab es keine Reaktion. Auch dies jeder gefällte Baum hohe Geldstrafen internationale Waldkonferenz, zu der wird vermutlich mit Corona begründet. nach sich ziehen würde. die EU- Kommission geladen hatte. An den nächsten beiden Tagen konnte Je nach dem wie Rumänien reagie- Mit Hochdruck begannen wir gemein- ROBIN WOOD-Waldreferentin Jana ren wird, können unterschiedliche sam mit Agent Green eine Aktion Ballenthien erleben, wie unsere Aktion Schritte folgen. Die Kommission kann für Ende März vorzubereiten, die in die Inhalte der Konferenz spürbar zum Beispiel vor den Europäischen direkter Nähe zu den Holzfällarbeiten beeinflusste. Unser Aktionsvideo ging Gerichtshof ziehen, der dann wiede- stattfinden sollte. Am 29. Februar er- durch die Reihen der Teilnehmenden. rum hohe Strafen für Rumänien im hielten wir dann einen Anruf, dass die War zuvor das ohne Frage extrem Falle weiterer illegaler Abholzungen Holzfällungen so rasant fortschritten, wichtige Thema Bioenergie in aller verhängen könnte. Dass das Verfahren dass definitiv nicht damit zu rechnen Munde, so verschob sich der Fokus der tatsächlich begonnen wurde, haben sei, dass Ende März noch Bäume auf Gesprächsthemen auf jedem Podium wir dem unermüdlichen Drängen aller dem geplanten Streckenverlauf stehen und in allen Gesprächen auf den Schutz Waldnaturschutzorganisationen zu würden. Wir mussten die Aktion vor- unserer letzten europäischen Natur- verdanken, die das Thema auf EU-Ebe- ziehen. 18 Nr. 145/2.20
wald Kaum drei Tage später waren drei Aktive („Stromtrasse Fier – Resita NICHT durch Petition zum Schutz von uns in Rumänien, genauer gesagt Nationalparks“). Das aufsehenerregende der rumänischen Wälder: im Iardastita-Urwald im Südwesten Ru- Bildmaterial wurde als Video gestreamt Machen Sie mit! mäniens, und erkundeten die Gegend. und der Umweltminister, die Polizei und Nach knapp 20-stündiger Autofahrt und die lokalen Vertreter*innen der Forstbe- Im zweiten Halbjahr 2020 wird wenig Schlaf wanderten wir die steilen hörde Romsilva telefonisch informiert. Deutschland die EU-Ratspräsident- Hänge der Karpaten hinauf auf das Pla- Zweit- und Drittgenannte erschienen schaft innehaben. Damit übernimmt teau eines Berges. Was wir dort vorfan- kurze Zeit später am Aktionsort. Die Deutschland und insbesondere den, war ungeheuerlich. Die Schneise Vertreter*innen der Forstbehörde waren Bundeslandwirtschaftsministerin Julia war gigantisch. Die Holzfällarbeiten äußerst wortkarg und machten lange Klöckner eine große Verantwortung waren in ihren letzten Zügen. Auch die Gesichter, konfrontiert mit dem Vorwurf für die Wälder Europas. Mit Ihnen letzten Bäume wurden gefällt und für der Illegalität und unseren politischen gemeinsam wollen wir ihr das deutlich den Abtransport vorbereitet. Gegen Forderungen. zeigen: www.robinwood.de/urwald Ende des Tages fanden keine Arbeiten Die Polizei nahm jedoch nicht etwa die mehr statt und es war absehbar, dass an Personalien der Waldzerstörer, son- Diesem Magazin ist eine Petition den Folgetagen auch keine mehr statt- dern die mehrerer Aktivist*innen auf. beigelegt.Wir fordern darin von Mini- finden würden. Wir waren zu spät. Wir werden sehen, wer sich am Ende sterin Klöckner eine klare Position für juristisch verantworten muss. Die Ro- eine starke europäische Waldstrategie Abends trafen sich rund 20 Aktive aus dungen für ein System, das einzig und und die verbindliche Umsetzung von Rumänien und Deutschland. Trotz dem allein auf Profit ausgelegt ist, müssen Waldnaturschutzmaßnahmen: die Fällungen schon abgeschlossenen ein Ende haben! • Natur- und Urwälder kartieren waren, entschlossen sich alle zu einer Nach einem anstrengenden, aber sehr und verbindlich schützen! Aktion am nächsten Tag. Gemeinsam erfolgreichen Aktionstag hatten unsere • Illegalen Holzeinschlag stoppen! wollten wir ein Zeichen setzen und drei Aktiven am nächsten Tag eine lange • Verstöße gegen Gesetze des die Vorgänge ans Licht der Öffentlich- Rückreise vor sich. Fünf Tage nach dem Waldnaturschutzes konsequent keit bringen. Und das gelang uns! Die alarmierenden Anruf waren alle wieder verfolgen! Witterungsverhältnisse waren ähnlich wohlbehalten zu Hause und haben dramatisch wie bei unserer Aktion in damit eine weitere, äußerst bewegende Unterstützen Sie diese Forderung mit Brüssel. Auf den riesigen Forststraßen Geschichte unseres Aktionsvereins Ihrer Unterschrift. Herzlichen Dank! versanken wir förmlich im Matsch, und geschrieben. der Himmel gab alles, was er an Regen zu bieten hatte. Wir spannten unser Corona verursacht nun auch in Rumä- altbekanntes, riesiges Banner, diesmal nien eine schlimme Entwicklung in den wieder mit dem Spruch „Save Romani- Wäldern: Die Zahl der Lkw-Ladungen, an Primary Forests!“, über eine riesige die die Karpaten mit Holz verlassen, ist Kreuzung im Wald. Die Aktivist*innen auf dem Höchststand. Sie haben freie am Boden hielten über ein Dutzend Fahrt, denn durch das Homeoffice der weiterer Banner – unter anderem mit der Ranger ist das Risiko enorm gesunken, Jana Ballenthien, ROBIN WOOD- Forderung: „Electric Power Line Portile bei illegalen Abholzungen erwischt zu Waldreferentin, wald@robinwood.de de Fier – Resita NOT via National Parks“ werden. Tel.: 040 380892-11 Anfang März 2020: Protest gegen erneute Rodungen in den Karpaten Fotos: ROBIN WOOD Nr. 145/2.20 19
perspektiven Fotos: Dogwood Alliance Enviva beutet Wälder nahe des Moccasin Creek in Nord-Ost-Carolina aus, um Holzpellets für die Energiegewinnung zum Beispiel in Europa zu exportieren Desaster fürs Klima: Der Umstieg von Kohle auf Holz Der in weiten Teilen Europas begonnene Das erste Land, das die Umstellung von zu verbrennen – und schadet damit Kohleausstieg läuft zwar viel zu langsam, Kohle auf Biomasse in Angriff nahm, unseren Wäldern, Gemeinden und sollte aber trotzdem eine gute Nachricht war Großbritannien. Dort hat das unserem Klima bei jedem einzelnen für das Klima sein. Leider ist dies nicht im- britische Energieunternehmen Drax Schritt dieser Lieferkette.“ mer der Fall, denn zunehmend werden in Group plc mehr als die Hälfte seiner Europa Kohlekraftwerk nicht abgeschal- Kraftwerkskapazität auf Holzpellets Enviva ist weltweit der größte Holzpel- tet, sondern auf andere kohlenstoffreiche umgestellt. Pellets aus dem Frischholz letproduzent, der in Nordamerika wirt- Brennstoffe wie Holz und Gas umgestellt. langsam wachsender Bäume ist das schaftet und eine wachsende Zahl von Dass fossiles Gas den Klimanotstand an- einzige Biomasseprodukt, das in den Energieunternehmen in Europa und heizt, ist bekannt. Weniger bekannt sind meisten umgewandelten Kohlekraft- darüber hinaus beliefert. Drax kauft die negativen Folgen, wenn von Kohle auf werken verbrannt werden kann. Das nicht nur große Mengen Pellets von Holz umgestellt wird. für die Pellets benötigte Holz wird kom- Enviva, sondern eröffnete auch eigene plett importiert, denn es wird jedes Jahr Pelletwerke in der gleichen Region. mehr Holz verbrannt, als das Vereinigte Das Holz stammt zum größten Teil aus Königreich produziert. Monokultur-Kiefernforsten. Auf den ersten Blick klingt dies nach Drax lässt für den Großteil seiner Pel- einer guten Alternative zur Abholzung lets Laubwälder im Südosten der USA artenreicher Wäldern. In Wirklichkeit kahlschlagen. In einer Waldregion, die dehnen sich die monotonen Baum- im Herzen eines globalen Biodiversi- plantagen in der gesamten Region auf täts-Hotspots liegt. Laut der US-ame- Kosten der Tierwelt und der kohlen- rikanischen Naturschutzorganisation stoffreichen Wälder weiter aus. Die Dogwood Alliance „verwüstet das rasch wachsende Nachfrage nach Unternehmen Enviva Biomass zehntau- Holzpellets wird die Situation nur noch Mit dem Holz von Enviva hat das britische sende Hektar Wald im Süden der USA verschlimmern. Energieunternehmen Drax mehr als die Hälfte und verschifft sie nach Übersee, um Für das Klima macht es kaum einen seiner Kapazitäten auf Pellets umgestellt sie für schmutzige Biomasseenergie Unterschied, wie oder wo Bäume 20 Nr. 145/2.20
wald für Bioenergie gefällt werden. 800 schließen, wenn dieser Betrag wesent- von Holz zur Energiegewinnung im Wissenschaftler*innen erklärten in lich gekürzt würde. gleichen Zuge nicht veranschlagt. einem offenen Brief an die EU: „Selbst In Deutschland gibt es bisher keine wenn die Wälder wieder nachwachsen derartigen Subventionen. Die Lobby Wenn der Ausstieg aus der deutschen dürfen, wird die Nutzung von gezielt arbeit der Industrie hat jedoch bereits Steinkohle zur Eindämmung der für die Verbrennung geerntetem Holz begonnen. Steag und RWE fordern be- eskalierenden Klimakrise beitragen den Kohlenstoff in der Atmosphäre reits Subventionen. Vattenfall und VVG soll, muss dies viel schneller gesche- und die Erwärmung für Jahrzehnte wollen die Umstellung der Anlagen in hen, als es die Regierung beabsichtigt. oder gar Jahrhunderte erhöhen, selbst Hannover und Moorburg auf Holzpel- Auch muss die Klimabewegung dafür wenn es Kohle, Öl oder Erdgas ersetzt. lets unterstützen. Da die Energiekon- kämpfen, dass Kohlekraftwerke tat- Das zeigten viele Studien. Die Faktoren zerne Kompensationen für die Stillle- sächlich stillgelegt und nicht für die dafür sind grundlegender Natur und gung von Kohlekraftwerken fordern, Verbrennung von Biomasse oder gar treten unabhängig davon auf, ob die wird der Druck auf die Politik weiter fossilem Gas umgebaut werden. Waldbewirtschaftung nachhaltig ist“. wachsen, die Umstellung auf Biomasse zu subventionieren. Enviva sieht ein Wie das übrige Europa braucht Energie- und Pelletfirmen sprechen „realistisches“ Potenzial für bis zu vier Deutschland einen schnellen Übergang oft von der Verwendung von Rest- Gigawatt coal-to-biomass-Umwand- zu einer Niedrigenergie-Gesellschaft, stoffen, aber es gibt nicht genug lungen. die mit kohlenstoffarmen, sauberen Sägewerksreste, um mehr als einen Das sind zwar weniger als ein Fünftel Erneuerbaren Energien betrieben wird. Bruchteil der Nachfrage von Drax und der deutschen Kohlekapazität, aber es Alle Energiesubventionen müssen für anderen großen Biomasseanlagen zu würde doppelt so viel Holz benötigt dieses Ziel eingesetzt werden. decken. Häufig deklarieren Unterneh- wie Drax bisher jährlich verbrennt. Die men wie Enviva gesunde Bäume als Folgen für die Wälder und das Klima Almuth Ernsting lebt in Schottland Reststoffe, nur weil sie nicht die opti- wären verheerend und keinen Deut und ist Mitbegründerin der 2006 male Größe für Sägewerke haben. Und besser als bei der Kohleverbrennung. gegründeten Bioenergie-kritischen selbst wenn Sägewerksreste zur Ener- Organisation Biofuelwatch. Sie hat giegewinnung verbrannt werden, zeigt Zusätzlich könnte eine Erhöhung der die Auswirkungen verschiedener For- eine Studie, dass die Auswirkungen Kohlendioxidsteuer ein Anreiz sein, men von Bioenergie untersucht und auf das Klima nicht mit der Aufgabe um Anlagen auf Biomasse umzurüsten, sich für energiepolitische Reformen vereinbar sind, die globale Erwärmung falls diese Steuer zwar Emissionen eingesetzt: wie zum Beispiel die Haus auf 1,5 Grad zu begrenzen. aus Kohle berücksichtigt, aber die isolierung und den Energieverbrauch Klimaauswirkungen der Verbrennung zu verringern. Vorsicht vor der Umwandlung von Kohlekraftwerken in Biomasse- kraftwerke in Deutschland Auch deutsche Energieunternehmen, insbesondere RWE in den Nieder- landen, verbrennen große Mengen Holzpellets aus dem Südosten der USA. Aber auch in Estland werden Flächen kahlgeschlagen, um Pellets aus ganzen Baumstämmen aller Größenklassen herzustellen. Die Abholzungsrate Est- lands liegt weit über der Rate, mit der der in den Wäldern des Landes gespei- cherte und gebundene Kohlenstoffan- teil stabil gehalten werden könnte. Die dortigen Abholzungspraktiken schaden bedrohten und gefährdeten Arten wie dem Flughörnchen und dem Schwarzstorch erheblich. Die Umstellung von Kohle auf Biomas- se kann nicht ohne hohe Subventionen erfolgen. Die Subventionen für Drax Protest von Biofuelwatch vor dem britischen Energieunternehmen Drax. Aber auch deut- belaufen sich auf 1,5 Millionen Euro sche Energieunternehmen, insbesondere RWE, verbrennen große Mengen Holzpellets aus pro Tag und das Unternehmen müsste den USA und Estland Nr. 145/2.20 21
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