Staatstheater Braunschweig 2022/2023
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Hier schlagen unsere Herzen Wurzeln. Liebes Publikum, wir können es nicht glauben, dass ein Krieg in Europa unsere Hoffnungen auf die Transfor- mation unserer Gesellschaft hinsichtlich Klimawandel, Gleichberechtigung, Antidiskrimi- nierung so geschmälert hat. Wieder reden wir über Despoten, menschenvernichtende Waffen, Kriegsopfer, Geflüchtete. Und dieser schreckliche Konflikt findet so nah bei uns statt. Wie anachronistisch ist das? Was sind das für Zeiten? In unserem Spielplan wollen wir uns trotz dieses historischen Rückschritts die womöglich umso brennenderen Fragen nach dem gesellschaftlichen Wandel stellen. Im Zentrum steht dabei unser Jahresprojekt »Ausweitung des Ringgebiets«. Hinter dieser durchaus mit Braunschweiger Attributen spielenden Überschrift verbirgt sich eine sparten- übergreifende und perspektivenreiche Auseinandersetzung mit dem mythologischen Stoff »Der Ring des Nibelungen« und dem von diesem Stoff nicht zu trennenden Komponisten Richard Wagner. Dabei werden wir uns auf die Suche nach neuen Ansätzen, nach neuen künstlerischen Formen machen, um den Wagnerschen Weltentwurf zu betrachten, zu hinterfragen, aus einer neuen Sicht heraus zu denken. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Staatstheaters, dass wir ein so groß gedachtes Projekt in so konsequenter Weise quer durch alle Sparten miteinander gestalten. Eine kreative Herausforderung. Besonders freut uns auch die Zusammenarbeit mit dem Herzog Anton Ulrich-Museum. Flankierend zur großen Max Beckmann-Ausstellung (28.10.2022 – 12.02.2023) hat das Staatstheater mit dem Museum eine begleitende Reihe konzipiert, die uns den Menschen Beckmann und seine Zeit über sein malerisches Werk hinaus näherbringen wird. Beckmann ist in Braunschweig aufgewachsen und zwar direkt gegenüber dem Staatstheater in einer Wohnung, die heute unsere Schauspieldramaturgie beherbergt. In einige seiner weltbe- rühmten Bilder sind Erfahrungen seiner Braunschweiger Zeit eingeflossen. Gerne gehen wir diese Kooperation mit dem »Louvre des Nordens« ein. Daneben gibt es noch viel zu entdecken, wie z. B. die selten gespielte Oper »Dante« oder die charmante Operette »Cloclo«. Das Tanztheater lädt renommierte Gastchoreograf:innen wie Stijn Celis, Ihsan Rustem, Guy Nader und Maria Campos sowie den Komponisten Steffen Schleiermacher zu Uraufführungen ein. Das Familienstück zur Weihnachtszeit wird dieses Jahr »Robin Hood«. Das Schauspiel stellt sich die Frage nach der Verantwortung des Einzelnen und widmet sich neben klassischen Stoffen wie »Peer Gynt« und dem »Schim- melreiter« auch wieder vielen neuen Texten und Projekten wie dem Rechercheprojekt »Vergessen, dass« über Demenz. Das JUNGE! Staatstheater kooperiert erstmalig mit dem Theater Fadenschein für »Der Bär, der nicht da war«. Unser Orchester hat mit Werken u. a. von Wagner, Bruckner, Debussy bis Rihm und Neuwirth ein sehr prominentes Programm. Überzeugen Sie sich selbst, wie vielfältig die Angebote für die nächste Saison sind. Die Pandemie hoffentlich hinter uns lassend, zeigen wir wieder die ganze Bandbreite unseres ressourcenreichen Mehrspartenhauses. Bleiben Sie uns gewogen. Ob Kulturprojekte, Umweltinitiativen oder Sportveranstaltungen Ihre – wir engagieren uns für vielfältige Projekte im Braunschweiger Dagmar Schlingmann Stefan Mehrens Land. Und das aus Überzeugung. Schließlich sind wir seit über 265 Generalintendantin Verwaltungsdirektor Jahren ein starker Partner für die Menschen hier vor Ort. Und tief in der Region verwurzelt. oeffentliche.de/engagements 3 Editorial
September Oktober November Dezember AUSWEITUNG DES RINGGEBIETS And the Stars Look Very SAWTIK. Deine Stimme Die lange Nacht der tanzwärts! Extrem Different Today Literatur tanz JUNG! WIEDERAUFNAHME C: Taoufiq Izzediou Tanzprojekt mit Braunschweiger:innen URAUFFÜHRUNG Schauspiel WIEDERAUFNAHME 06.10.2022, Kleines Haus 05.11.2022, Kleines Haus & Aquarium C: Tanzensemble Eine musikalische Hommage an David Bowie 02.12.2022, Kleines Haus AUSWEITUNG DES RINGGEBIETS Wilhelm Raabe- R: Deborah Epstein Das Musikdrama Rheingold Cloclo 09.09.2022, Aquarium Literaturpreis PeerSchauspiel Gyntvon Henrik Ibsen PREMIERE von Richard Wagner Operette von Franz Lehár PREMIERE ML: Srba Dinić, R: Isabel Ostermann Preisverleihung ML: Mino Marani, R: Dirk Schmeding PREMIERE 08.10.2022, Großes Haus 06.11.2022, Kleines Haus 03.12.2022, Großes Haus R: Michael Talke Salut Salon – Die Magie Das Lied der Stadt Die Zauberflöte 10.09.2022, Großes Haus AUSWEITUNG DES RINGGEBIETS der Träume (nicht für dich) Oper von Wolfgang Amadeus Mozart WIEDERAUFNAHME To Fall JUNGES! Safely ML: Christine Strubel, R: Dagmar Schlingmann Gastspiel Schauspiel von Ivana Sajko URAUFFÜHRUNG 09.12.2022, Großes Haus URAUFFÜHRUNG Musiktheater von Katharina Kern 09.10.2022, Großes Haus R: Malena Große Der Prozess I – Eichmann & Jeannette Petrik (Libretto) & Diana Syrse (Komposition) 12.11.2022, Aquarium Frau Ada denkt Unerhörtes ML: Johanna Motter, R: Jörg Wesemüller Braunschweig International 10.12.2022, Kleines Haus 11.09.2022, Lokpark Schauspiel von krügerXweiss WIEDERAUFNAHME Schauspiel von Martina Clavadetscher WIEDERAUFNAHME Theaterfest Film Festival R: Milena Mönch Das geheime Leben 14.10.2022, Aquarium Spielzeitauftakt Preisverleihung 2. Sinfoniekonzert des Waldes 18.09.2022, Großes & Kleines Haus 12.11.2022, Großes Haus Vergessen, dass Robin Hood Werke von Ravel, Bartók JUNGES! Konzert für Kinder ab 7 Jahren PREMIERE ML: Stefan Soltesz ML: Thomas Dorsch, Juri Tetzlaff Stückentwicklung von Jan Neumann URAUFFÜHRUNG 16. / 17.10.2022, Großes Haus PREMIERE JUNGES! Familienstück zur Weihnachtszeit 11. / 12.12.2022, Großes Haus R: Jan Neumann von Stephan Beer & Georg Burger AUSWEITUNG DES RINGGEBIETS 4. Sinfoniekonzert 23.09.2022, Kleines Haus R: Stephan Beer Siegfried – Eine Bewegung 13.11.2022, Großes Haus AUSWEITUNG DES RINGGEBIETS Werke von Rihm, Ives, Krenek, Mozart 1. Sinfoniekonzert Der ideale Mann Tanztheater von Steffen Schleiermacher URAUFFÜHRUNG ML: Marc Niemann (Komposition) und Gregor Zöllig (Choreografie) 18. / 19.12.2022, Großes Haus Werke von Wagner, Mendelssohn Bartholdy, Liszt ML: Srba Dinić Komödie von Oscar Wilde PREMIERE ML: Srba Dinić 29.10.2022, Großes Haus Deutsche Fassung von Elfriede Jelinek nach einer Übersetzung 25. / 26.09.2022, Großes Haus von Karin Rausch R: Dagmar Schlingmann Amerikanische 19.11.2022, Kleines Haus Traum-Musik Das Hotel JUNGES! Konzert für Kinder ab 5 Jahren & Familien Theaterstück SZENISCHE LESUNG ML: Santiago E. Osorio, Musik: Aaron Copland von Max Beckmann 29. / 30.09. / 03.10.2022, Kleines Haus R: Lukas Pergande 25. / 27.11.2022, Aquarium Häppi Bürste JUNGES! Schauspiel WIEDERAUFNAHME 3. Sinfoniekonzert ML: Jörg Wockenfuß, R: Jörg Wesemüller Werke von Brahms, Mozart, Schleiermacher 30.09.2022, Lokpark ML: Srba Dinić 27. / 28.11.2022, Großes Haus Her. Olimpia. Trojan Rooms Maschinenerotik tanz JUNG! WIEDERAUFNAHME Installatives Schauspiel von Christoph Diem WIEDERAUFNAHME C: Tiago Manquinho R: Christoph Diem 24.11.2022, Kleines Haus 23.09.2022, Aquarium 4 Spielzeitübersicht 5 Spielzeitübersicht
Januar Februar März April Woyzeck Der hinkende Teufel / Schimmelreiter Dante Die Geschichte vom Schauspiel nach Georg Büchner WIEDERAUFNAHME Schauspiel nach der Novelle von Theodor Storm PREMIERE Oper von Benjamin Godard PREMIERE von Tom Waits, Kathleen Brennan & Robert Wilson R: Felicitas Brucker ML: Mino Marani, R: N.N. Soldaten R: Ulrike Arnold, ML: Clemens Rynkowski 11.03.2023, Großes Haus 01.04.2023, Großes Haus 06.01.2023, Großes Haus AUSWEITUNG DES RINGGEBIETS Mach mit! Komische Kammeroper von Jean Françaix / PREMIERE Niemand wartet auf dich Die Walküre Musiktheater von Igor Strawinsky ML: Mino Marani, R: Jessica Schauer (AT) JUNGES! Schauspiel PREMIERE Schauspiel von Lot Vekemans PREMIERE 04.02.2023, Kleines Haus Schauspiel von Caren Jeß URAUFFÜHRUNG R: Merlin Mölders R: Udo van Ooyen R: Alexandra Holtsch April 2023, Aquarium Die letzte Pflanze… 13.01.2023, Kleines Haus 16.03.2023, Kleines Haus Der Diamantenherzog und Der Weg der Arbeitenden wird dietanzerste sein. Der Bär, der nicht da war JUNGES! Schauspiel nach dem Bilderbuch von Oren Lavie das brennende Schloss KlasseEinins Paradies JUNG! WIEDERAUFNAHME PREMIERE C: Teresa Rotemberg Kooperation mit dem Theater Fadenschein Gastspiel, Hip-Hop-Oper mit der Jazzkantine WIEDERAUFNAHME Projekt von Daniele Szeredy nach dem Film »La URAUFFÜHRUNG 08.02.2023, Kleines Haus R: Katharina Schmidt & Miriam Paul 08.04.2023, Großes Haus classe oparaia va in Paradiso« von Elio Petri & Ugo Pirro 19.03.2023, Theater Fadenschein AUSWEITUNG DES RINGGEBIETS Dog Oper Days R: Daniele Szeredy AUSWEITUNG DES RINGGEBIETS tanzwärts! Generationen 20.01.2023, Aquarium 7. Sinfoniekonzert PREMIERE von David T. Little Professor Mamlock ML: Alexis Agrafiotis, R: Balázs Kovalik Tanzprojekt mit Braunschweiger:innen URAUFFÜHRUNG 11.02.2023, Großes Haus Werk von Richard Wagner C: Tanzensemble Schauspiel von Friedrich Wolf PREMIERE ML: Srba Dinić 14.04.2023, Kleines Haus Silent Bodies – Loud Voices R: Christoph Mehler 19. / 20.03.2023, Großes Haus 8. Sinfoniekonzert 21.01.2023, Großes Haus Dreiteiliger Tanzabend mit Choreogafien von URAUFFÜHRUNG Slow Violence Stijn Celis, Ihsan Rustem, Guy Nader und Maria Campos Werke von Firsova, Daetwyler, Neuwirth, Debussy 25.02.2023, Großes Haus ML: Mario Parisotto Fünfteiliges Mini-Residenzprogramm 16. / 17.04.2023, Großes Haus 6. Sinfoniekonzert Kuratiert von: Lukas Pergande Meeres-Sinfonie 28.01. – 12.03.2023, Aquarium Werk von Anton Bruckner 5. Sinfoniekonzert ML: Gerd Schaller JUNGES! Konzert für Jugendliche & Erwachsene 26. / 27.02.2023, Großes Haus Moderiertes Konzert mit Musik von Claude Debussy Werke von Schleiermacher, Mintzer, Strauss 18.04.2023, Großes Haus ML: Srba Dinić Annie 29. / 30.01.2023, Großes Haus JUNGES! Musical von Charles Strouse (Musik) PREMIERE & Martin Charhin (Liedtexte) ML: Mike Garling, R: Markus Schneider 29.04.2023, Großes Haus 6 Spielzeitübersicht 7 Spielzeitübersicht
Mai Juni AUSWEITUNG DES RINGGEBIETS Aus Sprechoper der Fremde Götterdämmerung PREMIERE in 7 Szenen von Ernst Jandl R: Christoph Diem Musikdrama von Richard Wagner PREMIERE 05.05.2023, Aquarium ML: Srba Dinić, R: Isabel Ostermann, Dagmar Schlingmann, C: Gregor Zöllig Stolz und Vorurteil* 03.06.2023, Großes Haus AUSWEITUNG DES RINGGEBIETS (*oder so) Ausweitung des Komödie von Isobel McArthur nach Jane Austen PREMIERE R: N.N. 06.05.2023, Kleines Haus Ringgebiets. Das Festival JUNGE! Blümchen 07. – 19.06.2023, Großes & Kleines Haus, Stadtgebiet AUSWEITUNG DES RINGGEBIETS von Kindergartenkindern für Senior:innen am Muttertag 14.05.2023, in der Stadt 10. Sinfoniekonzert 9. Sinfoniekonzert Werke von Vivaldi, Scelsi, Wagner ML: Mino Marani Werke von Rachmaninow, Tschaikowsky 19. / 25.06.2023, Großes Haus ML: Srba Dinić 14. / 15.05.2023, Großes Haus Die InselJUNGES! desSchauspiel Dr. Moreau Funken WIEDERAUFNAHME nach H. G. Wells R: Markolf Naujoks JUNGES! Schauspiel von Till Wiebel PREMIERE 22.06.2023, Lokpark R: Emel Aydoğdu 26.05.2023, Kleines Haus Klassik auf dem Hügel JUNGES! Konzert für Kinder ab 6 Jahren & Familien Musik für vier Fagotte 28. / 30.06. / 02.07.2023, Theaterpark Weitere Wiederaufnahmen in Planung: Clevergirl. Mit Freiheit und Angstmän auf Widerstand – Ich intergalaktischer bin nicht Sophie Mission Scholl JUNGES! Schauspiel JUNGES! Schauspiel Fake Voices knistern knuspern rauschen JUNGES! Musiktheater JUNGES! Konzert 8 Spielzeitübersicht 9 Brendon Feeney, Tanztheater
Ausweitung des Ringgebiets Eine spartenübergreifende Neuinter- pretation von Richard Wagners »Der Ring des Nibelungen«, wie sie noch kein Theater zuvor versucht hat, steht im Mittelpunkt der Spielzeit 2022 / 2023. Das Musiktheater, das Staatsorchester, das Schauspiel, das Tanztheater und das JUNGE! Staatstheater bündeln ihre Kräfte. Ein umfangreiches Rahmen- programm sorgt für eine »Ausweitung des Ringgebiets« – nicht nur in den Stadt- raum Braunschweigs hinein. Zum Finale im Juni 2023 lädt das Staatstheater zu einem zwölftägigen Ring-Festival mit u. a. zwei zyklischen Aufführungen von »Das Rheingold«, »Die Walküre (AT)« (UA),»Siegfried – Eine Bewegung« (UA) und »Götterdämmerung«. 10 Braunschweig, Kattreppeln 11 Ausweitung des Ringgebiets
Den »Ring« umgibt wie vielleicht kein anderes Diesen Fragen will sich das Staatstheater Werk der Musiktheatergeschichte ein Nimbus Braunschweig unter dem Titel »Ausweitung des Monumentalen. Im Laufe der Rezeptions- des Ringgebiets« stellen – natürlich in Anspie- geschichte galt und gilt er als Prestigeprojekt lung auf die Braunschweiger Stadtteile Östli- und Machtgebärde in der Theaterwelt und in ches und Westliches Ringgebiet, die ihre der Politik. Gleichzeitig wurden anhand von Namen in den 1880er Jahren erhielten, als Neuinszenierungen regelmäßig Anstöße zu den begonnen wurde, eine Ringstraße um den his- aktuellen Themen der jeweiligen Zeit gesucht, torischen Stadtkern zu bauen, der wiederum schildert Wagner doch in seinem Epos eine von der Oker wie ein Ring umschlossen wird. Welt im Umbruch, demokratische Zerfallspro- zesse und den Verlust eines Narrativs, das Ausgehend von Wagners »Ring des Nibelun- vorbehaltlos geteilt wird. gen« möchte das Staatstheater Braunschweig einen Weg einschlagen, der sich dezidiert aus Auch in Braunschweig hat das Werk eine lange den Qualitäten eines Mehrspartenhauses ent- Geschichte. Bereits 1878 / 1879, zwei Jahre faltet und aktiv den Austausch mit der Stadt- nach der Uraufführung in Bayreuth, wurde gesellschaft sucht. Dabei wird die Idee eines Richard Wagners »Der Ring des Nibelungen« in »Universalgenies« wie bei Wagner durch die Braunschweig im Theater am Steinweg erst- Exzellenz von Kollektiven aus verschiedenen mals aufgeführt – als vierte Bühne der Welt mit Sparten ersetzt. Es geht also nicht mehr nur einer zyklischen Wiedergabe nach München, um eine Synthese der Künste zu einem Leipzig und Wien. Es folgten in den nächsten Gesamtkunstwerk, sondern viel mehr um die Jahrzehnten weitere Interpretationen und nach Gebrochenheit und Heterogenität als Modell 1945 zunächst »Die Walküre« (1954 / 1955 einer Gesellschaft in Transformation. und 1969 / 1970), »Das Rheingold« (1958 / 1959) und »Siegfried« (1964 / 1965) In einem gemeinsamen Arbeitsprozess widmen einzeln. Dann 1976 – 78 wieder als »Ring«, 1981 sich die Sparten des Hauses in der Spielzeit als Zyklus von Heribert Esser (Musikalische 2022 / 2023 einer Neuinszenierung des Leitung) und Hans-Peter Lehmann (Regie) und »Rings«. zuletzt 1999 – 2001 von Jonas Alber (Musikali- sche Leitung) und Uwe Schwarz (Regie), dabei 2001 auch als Zyklus. Die Schaffung wie die Rezeption eines musik- theatralen Kunstwerks waren für Richard Wag- ner (1813 – 1883) untrennbar mit dem Anspruch verbunden, gesellschaftspolitische Ideen und Visionen aufzuzeigen und so unmit- telbar zu den Diskursen seiner Zeit beizutragen. Dieses »Neue« meint hierbei auch stets eine Reform des Theaters – die Mittel der »klassi- schen« Oper waren in seinen Augen nunmehr unzulänglich. Heute haben sich die Mittel der darstellenden Künste erneut verändert und die Theater sehen sich mit den Fragen konfron- tiert: Welche Formen und Formate, welche Arbeitsweisen und Rezeptionshaltungen sind heute zeitgemäß? Wie verortet sich das Theater in der Stadtgesellschaft? 12 Braunschweig, Jahnstraße 13 Ausweitung des Ringgebiets
Das Rheingold To Fall Safely MUSIKTHEATER Vorabend des Bühnenfestspiels »Der Ring JUNGES! Uraufführung des Nibelungen« von Richard Wagner Premiere am 11.09.2022, Lokpark Premiere am 08.10.2022, Großes Haus Das Auftragswerk an die Komponistin Diana Syrse und Katharina Kern Den sogenannten Vorabend des »Rings« gestaltet das Musiktheater mit & Jeannette Petrik (Libretto) fragt: Wie können wir Richard Wagners Gesangssolist:innen aus dem Ensemble sowie Gästen und dem Staats- Einfluss in der Gegenwart anerkennen und uns gleichzeitig von ihm orchester Braunschweig. Drei Schauspieler:innen ergänzen die Beset- befreien? Die Musikalische Leitung liegt bei Johanna Motter, Regie zung. Regie führt Isabel Ostermann, die Musikalische Leitung liegt bei führt Jörg Wesemüller. Eine Produktion für eine Sopranistin, einen Generalmusikdirektor Srba Dinić. Mehr auf S. 20. Countertenor, einen Bariton und eine:n Tänzer:in. Mit dem Staatsor- chester Braunschweig. Mehr auf S. 38. Die Walküre (AT) Konzertprogramm zur »Ausweitung des Ring- SCHAUSPIEL Uraufführung Premiere am 16.03.2023, Kleines Haus Für den Beitrag des Schauspiels zum »Ring« schreibt die mehrfach gebiets« preisgekrönte Autorin Caren Jeß ein neues Stück für das Staatstheater Braunschweig. Inszenieren wird Alexandra Holtsch, die nicht nur STAATSORCHESTER Sinfoniekonzerte 1, 7 & 10 Regisseurin, sondern auch Komponistin ist. Eine Produktion für 25. & 26.09.2022; 19. & 20.03.2023; 19. & 25.06.2023, Großes Haus Schauspieler:innen, Instrumentalist:innen und einen Sänger. Mehr auf S. 28. Das »Unbehagen«, das die Kunst und das Wirken Wagners verbunden mit seinem Antisemitismus und dessen Rezeptionsgeschichte hervorru- fen, ist Anlass für einige programmatische Gegenüberstellungen und Siegfried – Eine Bewegung Ergänzungen im Konzertprogramm, das das »Ring-Projekt« begleitet. Die Faust-Sinfonie von Franz Liszt, der gewissermaßen als Chefdenker des sogenannten »Neudeutschen« gelten kann, ist in Verbindung mit der TANZTHEATER Uraufführung Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy hierbei wie ein musikalischer Premiere am 29.10.2022, Großes Haus Steinbruch zu denken: Wagner bedient sich aus dessen Material während seiner frühen Schaffensphase zur Entwicklung seiner eigenen Das Tanztheater beteiligt sich mit einem Auftragswerk an den Leipziger Tonsprache. Unvermeidlich ist es, auch dabei seinen Antisemitismus zu Komponisten Steffen Schleiermacher, der den inhaltlichen Kern aus denken und auszustellen: die, nach Adorno, »Amfortaswunde im Wagners Oper in eine Lebensrealität transferiert, in der Natur nur Fleisch der deutschen Kulturgeschichte«, die nicht heilen kann und noch eine Behauptung ist. Die Choreografie besorgt Gregor Zöllig. Mit heilen darf. Die Präsentation des Siegfried-Idylls, als Überforderung dem Tanzensemble und dem Staatsorchester Braunschweig. des Helden, in Kombination mit »Natura renovatur« von Giacinto Scelsi Mehr auf S. 34. kann als Abbildung des Scheiterns der sozialen Utopie Wagners (nicht der musikalischen!) und der Lichtseite seines avantgardistischen Ansat- zes verstanden werden. Die Frage nach der Fortschreibung des Werk- Götterdämmerung Gedankens steht im Raum; vermittelt werden soll, dass Wagnerkritik unweigerlich immer auch eine Kritik der Moderne ist… Mehr auf S. 46 & 48 . ALLE SPARTEN Dritter Tag des Bühnenfestspiels »Der Ring des Nibelungen« von Richard Wagner Premiere am 03.06.2023, Großes Haus Das Ende der Tetralogie markiert gleichzeitig den Höhepunkt der Braunschweiger »Ausweitung des Ringgebiets«. Die zuvor in einzelnen Projekten arbeitenden Sparten kommen in dieser Produktion zusam- men und erforschen neue Potentiale des kollektiven Arbeitens. So wird zwar die gesamte Musik der »Götterdämmerung« mit Staatsorchester und Sänger:innen erklingen, aber mit unterschiedlichen ästhetischen Sprachen und Sichtweisen inszeniert, choreografiert, erforscht… Mehr auf S. 22 & 35. 14 Braunschweig, Bockstwete 15 Ausweitung des Ringgebiets
Ring-Modulator Zur »Ausweitung des Ringgebiets« hat das JUNGES! Projektreihe Staatstheater gemeinsam mit der jungen Fortlaufend während der gesamten Spielzeit an besonderen Braunschweiger Fotografin Melina Rudolf Orten der Stadt eine Fotoserie produziert. Die ersten Bilder, aufgenommen im Braunschweiger Stadt- Der »Ring-Modulator« ist ein partizipatives, spartenübergreifendes raum, sind hier zu sehen. Melina Rudolf Projekt des JUNGEN! Staatstheaters und bringt Musik, Motive, studiert an der HBK Braunschweig Kunst- Geschichten, Orte und Figuren aus Richard Wagners »Ring des Nibe- wissenschaft und interessiert sich für die lungen« auf eine Braunschweiger Frequenz. Menschen und Architektur Schnittstelle zwischen Dokumentation und werden befragt, Workshops und Aktionen sorgen für eine »Ausweitung Inszenierung in der Fotografie. des Ringgebiets«. Ein Projekt von Iris Kleinschmidt und Sarit Streicher. Mehr auf S. 44. tanzwärts! Extrem TANZTHEATER Uraufführung Premiere am 02.12.2022, Kleines Haus Angelehnt an Gregor Zölligs Neuinterpretation des »Siegfried« beschäf- tigen sich auch in »tanzwärts! Extrem« die teilnehmenden Braun- schweiger:innen mit Themen des Widerstands und des Aufbruchs. Aktivist:innen, die die Welt verändern wollen – und zwar JETZT und nicht irgendwann. Was treibt sie an? Wann stehen wir selbst für etwas ein und setzen mit unseren bewegten Körpern ein Zeichen? Mehr auf S. 35. tanzwärts! Generationen TANZTHEATER Uraufführung Premiere am 14.04.2023, Kleines Haus »tanzwärts!« versteht sich schon von Beginn an als generationenüber- greifendes Projekt. Inspiriert durch die »Götterdämmerung« werden diesmal die Generationen selbst zum Thema. Nur wenn die alte Ord- nung in Frage gestellt wird, kann etwas Neues entstehen. Aber: Es ist gar nicht so leicht, in die Fußstapfen der »Älteren« zu treten. Möchte das eine jüngere Generation überhaupt? Mehr auf S. 35. Ausweitung des Ringgebiets. Das Festival ALLE SPARTEN 07.–19.06.2023, Großes & Kleines Haus, Lokpark, Stadtraum Im Juni 2023 lädt das Staatstheater Braunschweig zu einem zwölftägi- gen Ring-Festival mit zwei zyklischen Aufführungen (07.06. – 10.06. & 13.06. – 18.06.) von »Das Rheingold«, »Die Walküre (AT)« (Uraufführung), »Siegfried – Eine Bewegung« (Uraufführung) und »Götterdämmerung«. Begleitet werden die Zyklen von einem Sinfoniekonzert mit u. a. Wagners »Siegfried-Idyll«, Interventionen im Stadtraum, Gesprächs- runden und einer besonderen Opernjukebox. 16 Braunschweig, Lessingplatz 17
Die Geschichte Zyklus Sicher ist alle Max Beckmann Das Staatstheater Braun- schweig und das Herzog Anton Ulrich-Museum veran- stalten gemeinsam eine vom Soldaten MUSIKTHEATER von Igor Strawinsky am 11. & 12.02.2023 im Herzog Anton Ulrich-Museum Max Beckmann STAATSORCHESTER Kunst auch Rausch »Musik und Bilder« Das Schauspiel des Staatstheaters Braun- Sinfoniekonzerte 3 / 4 / 5 schweig entwickelt ein akustisch-theatrales Close-up in drei Schritten zum Künstler Max Reihe begleitend zur großen sonntags mit anschließendem Lunch und Beckmann. Premiere im Kleinen Haus Museumsbesuch im HAUM Sonderausstellung »Max (mit »Der hinkende Teufel« von Jean Françaix) 27. / 28.11.2022; 18. / 19.12.2022; Das Hotel am 04.02.2023 29. / 30.01.2023, Großes Haus wird Beckmann. Es begann Musikalische Leitung: Mino Marani Werke der Komponisten Steffen Schleierma- in Braunschweig«. Regie: Jessica Schauer cher, dessen Auftragskomposition mit dem SCHAUSPIEL Theaterstück von Max Beckmann Titel »The Beginning – Fünf Beckmann Bilder« Szenische Lesung, eingerichtet von (28.10.2022 – 12.02.2023) Max Beckmanns Schaffen ist in Teilen geprägt uraufgeführt wird, und Wolfgang Rihm, der in Lukas Pergande von grimmig ironischen Bildfolgen mit grotes- verschiedenen Werken seines Œuvres Arbeiten 25. / 27.11.2022, Aquarium ken Gestalten von pulsierendem Leben, von Max Beckmann reflektiert und deutet, wer- leuchtender Farbkraft und dramatischer den in einem programmatischen Kontext mit Max Beckmann als Dramatiker: »Das Hotel« ist Rhythmik mit kontrastierenden lyrischen und Musik aus Beckmanns Schaffenszeit präsen- ein Panorama einer Dekadenzgesellschaft, ein introvertierten Tönen (Selbstporträts). Viele tiert. Dabei sind auch die Vorlieben des Theater des Lebens. Im Zentrum steht als eine Gemälde sind theatral anmutende Bildinsze- Malers, dessen Lieblingskomponisten Wolf- Art Selbstporträt Beckmanns der Hoteldirektor nierungen und zeigen tatsächlich immer gang Amadeus Mozart und Igor Strawinsky Zwerch, der zwischen seiner Frau und seiner wieder die Welt des Theaters, des Zirkus und gewesen sind, prägend für das Programm. Geliebten steht und letztlich beide Frauen in des Varietés. Das Thema des Zurschaustel- Die Aufführung des »Heldenlebens« von den Tod treibt. »Wenn man dies alles, den lens trieb ihn zeitlebens an. Viele Gemälde Richard Strauss trägt dem Umstand Rechnung, ganzen Krieg oder auch das ganze Leben nur sind gleichermaßen Stills des »Welttheaters«; dass Max Beckmann einer der bedeutendsten als eine Szene im Theater der Unendlichkeit sie sind wesentlich beeinflusst durch die Selbstporträtisten der Kunstgeschichte ist. erfasst, dann ist vieles leichter zu ertragen.« Erfahrungen des Künstlers im Ersten Welt- Richard Strauss ist der einzige Komponist von krieg und durch die dramatischen politischen Weltrang, der das musikalische Selbstporträt Entwicklungen während seines Exils nach in vielfältiger Weise pflegte. Hier die Aufzäh- 1937. Strawinskys Spiel für eine Wanderbühne lung von einigen weiteren entsprechenden Max wird aus dem Kriegsjahr 1917, »Die Geschichte vom Werken: »Tod und Verklärung«, »Sinfonia Soldaten«, bildet in verschiedener Hinsicht die domestica« und die Konversationsoper »Inter- mezzo«, die das intime Familienleben des Beckmann frühe Erfahrungswelt Beckmanns ab. Vom Regen in die Traufe, mag Strawinskys Komponisten auf die Bühne bringt. Hierbei SCHAUSPIEL Sound-Installation von namenloser Soldat denken – denn auf dem Weg kommt es zur Gegenüberstellung von Beispie- Alexandra Holtsch Max Beckmann (1884–1950), einer der wich- zum Heimaturlaub begegnet er ausgerechnet len verfemter und gefeierter Kunst der natio- Ab Oktober 2022, Museumspark tigsten und einflussreichsten Maler des 20. dem Teufel. Der verspricht ihm große Reichtü- nalsozialistischen Zeit. mer, wenn der Soldat ihm seine Geige über- Mit Textschnipseln, Original-Tönen aus Jahrhunderts, schuf seine Hauptwerke in Ber- lässt, doch der Teufel hat noch eine Bitte: Der Tagebüchern, Briefen, Schriften und Doku- lin, Frankfurt, Paris, Amsterdam, St. Louis und New York. Wenig beachtet wird meist, dass Soldat möge ihm das Geigenspiel beibringen. Allerdings vergehen nicht – wie er meint – drei Beckmanns menten von Zeitgenossen entsteht eine Annä- herung an Max Beckmanns Leben, seine Zeit Beckmann seine Jugendjahre in Braunschweig verbrachte. Hier wurde er zum Künstler. Früh Tage in Gesellschaft des Teufels, sondern drei Jahre, in denen der Soldat seine Braut, seine Musicbox und die damit verbundenen Katastrophen- und Krisenerfahrungen. Die Installation ist frei Freunde und Familie verliert. Das Geld allein zugänglich und führt die Ausstellung des faszinierte Beckmann die Welt der Literatur, macht ihn aber auch nicht glücklich, und so STAATSORCHESTER Mittagskonzerte Museums über den öffentlichen Raum in das setzt er nun alles daran, wenigstens seine im HAUM mit moderierten Musikbeiträgen Theater. des Theaters, der Musik. Tatsächlich lagen die Geige zurückzuerlangen ... und anschließender Führung Wohnungen, in denen er aufwuchs, in Sicht- Mit einem Kammerensemble und wenigen Werke von Germaine Tailleferre, Nadia weite zum Herzoglichen Museum (heute Her- Zuhause Darsteller:innen wird Jessica Schauer Stra- Boulanger, Erik Satie, Darius Milhaud, Kurt winskys Gleichnis vom Soldaten in den Weill, Paul Dessau u. a. zog Anton Ulrich-Museum) wie auch zum Hof- Räumen des Herzog Anton Ulrich-Museums in theater (heute Staatstheater). Bezug zu der Beckmann-Ausstellung setzen. Kammermusikalische Formationen des SCHAUSPIEL Eine Lesung Zuvor wird die Inszenierung – mit Jean Staatsorchesters bieten während der Ausstel- Herbst 2022, Magnitorwall 18 Die benachbarten Kunstinstitutionen haben Françaix’ »Der hinkende Teufel« zum Doppel- lungsperiode in verschiedenen kleinen Mit- daher eine enge Zusammenarbeit vereinbart abend kombiniert – am 4. Februar im Kleinen tagskonzerten Programme, die mit Werken der Im Salon des ehemaligen Wohnhauses der Haus des Staatstheaters ihre Premiere feiern. oben genannten Komponist:innen ein Reper- Familie Beckmann am Magnitorwall, heute und gemeinsam für die gesamte Dauer der Mehr auf S. 21. toire der sogenannten klassischen Moderne zum Staatstheater gehörig und Heimat der Ausstellung ein vielseitiges Programm in allen zur Aufführung bringen, das auch besonders Schauspieldramaturgie, findet eine Lesung Sparten konzipiert, das u. a. im Museum, im die Vorliebe Max Beckmanns für Zirkus- und statt, mit Selbstzeugnissen und Briefen Varietémusik sowie für den Jazz abbildet, über Beckmanns. ehemaligen Wohnhaus der Familie Beckmann den Beckmann notierte: »Ich liebe den Jazz so. (heute Räumlichkeiten der Schauspieldrama- Das ist eine vernünftige Musik. Was könnte turgie des Staatstheaters) und im Museums- man daraus machen.« park stattfinden wird. 18 Max Beckmann 19 Max Beckmann
Musiktheater 08.10.2022, Großes Haus 03.12.2022, Großes Haus 04.02.2023, Kleines Haus 11.02.2023, Großes Haus 01.04.2023, Großes Haus Premiere Premiere Premiere Premiere Premiere Das Rheingold Cloclo Der hinkende Dog Days Dante Richard Wagner Franz Lehár Teufel / Die David T. Little Benjamin Godard Musikalische Leitung: Srba Dinić Musikalische Leitung: Mino Marani Geschichte Musikalische Leitung: Alexis Agrafiotis Musikalische Leitung: Mino Marani vom Soldaten Regie: Isabel Ostermann Regie: Dirk Schmeding Regie: Balázs Kovalik Regie: N. N. Bühne: Stephan von Wedel Bühne: Pascal Seibicke Bühne: N. N. Bühne: N. N. Kostüme: Julia Burkhardt Kostüme: N.N. Kostüme: N. N. Kostüme: N. N. Dramaturgie: Sarah Grahneis Dramaturgie: Theresa Steinacker Jean Françaix / Igor Strawinsky Dramaturgie: Sarah Grahneis Dramaturgie: Theresa Steinacker Vorabend des Bühnenfestspiels Operette in drei Akten Musikalische Leitung: Mino Marani Oper in drei Akten Oper in vier Akten »Der Ring des Nibelungen« in vier Bildern Libretto von Bela Jenbach Regie: Jessica Schauer Libretto von Royce Vavrek Libretto von Édouard Blau Dichtung vom Komponisten Bühne & Kostüme: Jessica Krepinsky nach der Kurzgeschichte von Judy Budnitz in deutscher Sprache mit Übertiteln Dramaturgie: Theresa Steinacker in französischer Sprache mit deutschen in deutscher Sprache mit Übertiteln in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln »Ich bin meinem Mann treu, denn er hat es Komische Kammeroper von Jean Françaix Übertiteln Im vielfach als »mystisch« beschriebenen nicht anders verdient!«, wirft sich Melousine, Libretto vom Komponisten nach dem gleich- Florenz ist in Aufruhr. Nach einer längeren Es-Dur entwickelt sich über Minuten der die Gattin des Bürgermeisters von Perpignan, namigen Roman von Alain-René Lesage Ein Krieg hat Amerika ins Chaos gestürzt – die Abwesenheit ist der junge Dante Alighieri in Beginn des sogenannten Vorabends des »Ring stolz in die Brust. Ihr Ehemann Severin in französischer Sprache mit Übertiteln Schulen sind geschlossen, Strom und Gas seine Heimatstadt zurückgekehrt und sieht, des Nibelungen«. Die Wogen des Rheins, die Cornichon hält es mit der Treue jedoch nicht abgestellt, die Straßen leer bis auf militärische wie der Kampf der kaisertreuen Ghibellinen Kraft der Natur … Diese Natur ist aber bereits so genau – bei seinen Aufenthalten in Paris ist Musiktheaterwerk von Igor Strawinsky, in zwei Fahrzeuge. Diese aber bringen schon lange gegen die Anhänger des Papstes, die Guelfen, zu diesem Zeitpunkt beschädigt, wie wir in der er für die umschwärmte Tänzerin Cloclo Teilen zu singen, zu spielen und zu tanzen keine Rationen mehr. Erst verschwanden die seine Heimatstadt zu zerreißen droht. Wäh- »Götterdämmerung« erfahren werden: Götter- Mustache entbrannt. Eines Tages fängt Melou- Libretto von Charles Ferdinand Ramuz Nachbarn, nun sind auch keine Tiere mehr da. rend er in den politischen Kämpfen zu vermit- vater Wotan war es, der längst die Weltesche sine einen Brief Cloclos an ihren Gatten ab, in deutscher Sprache Dennoch zieht Vater Howard täglich mit teln versucht, muss er erfahren, dass sein beschnitten hat. Nun hat er sich hinsichtlich glaubt allerdings, dass sich hinter der zärtli- seinem Gewehr los, um Nahrung für seine Vertrauter Simeone glücklich verlobt ist – aus- der neuen Burg für seine Götterfamilie verkal- chen Anrede »Papachen« eine uneheliche Es ist ein heiter-frivoles Teufelchen, das in fünfköpfige Familie zu erbeuten – erfolglos. gerechnet mit Béatrice, seiner Flamme aus kuliert. Die Bauherren Fafner und Fasolt kann Tochter verbirgt. Da ihre eigene Ehe kinderlos Françaix’ augenzwinkernder Kammeroper Der Verfall der Zivilisation manifestiert sich Kindertagen, die ›ihren‹ Dante ebenfalls nie er nicht bezahlen (zumindest nicht mit seiner geblieben ist, reist Melousine prompt nach durch die Großstadt zieht und in die Häuser mehr und mehr im Verhalten der Familienmit- vergessen hat… Schwägerin Freia, da er ohne sie altern und Paris, um die vermeintliche Tochter zu adop- hineinlinst, die »aufgeschnitten wie Pasteten« glieder. Während ihre beiden Brüder sich Während Dantes dichterisches Schaffen in der schwach werden würde). Da Wotans gesamtes tieren. Eine willkommene Gelegenheit für vor ihm liegen. Dort sieht es Ehebrecher und langweilen und zunehmend antisozial werden, Literatur und der bildenden Kunst zahllose Machtkonstrukt jedoch auf der Einhaltung von Cloclo, der Pariser Polizei zu entfliehen – von Verbrecher, leichte Damen und eine brave findet die junge Lisa plötzlich einen ungewöhn- Spuren hinterlassen hat, muss man diese – von Verträgen fußt, muss eine Lösung her. Die der sie gesucht wird, weil sie einen Polizisten Anwaltstochter, die ausgerechnet ihren alles lichen Freund: Prince, ein Mann in einem einzelnen Figuren der »Göttlichen Komödie« Fügung wollte es, dass zuvor Alberich dem geohrfeigt hat –, im Landleben von Perpignan andere als ehrlichen Vater zum Thema ihres Hundekostüm. Anfangs befremdet von dem wie Francesca da Rimini oder Gianni Schicchi Rhein und dessen Töchtern das Gold entrissen das Dorfmädchen zu mimen und dabei allen Aufsatzes »Der ehrliche Mann« macht. Mit verkleideten Mann, wird er nach und nach abgesehen – auf der Opernbühne fast schon hatte, indem er tat, was Wotan nicht ver- Männern den Kopf zu verdrehen. Witz, Hintersinn und spitzer Zunge kommen- mehr wie ein Haustier behandelt. Als die mit der Lupe suchen. In Benjamin Godards mochte: der Liebe abzuschwören. Die Konfron- Lehárs 1924 in Wien uraufgeführte »Cloclo« ist tiert der Teufel das Treiben, doch ohne einzu- Ressourcen immer knapper werden und der 1890 uraufgeführter Oper allerdings rückt der tation zwischen ihnen und der unbedingte die letzte durchweg heitere Operette des greifen – die Menschen sind schon durchtrie- Hunger größer, wirft seine Gegenwart unbe- italienische Dichter und Politiker mitten ins Machtanspruch beider setzt ein Räderwerk an Meisters der ›Silbernen‹ Operettenära. Die ben genug. queme Fragen der Menschlichkeit auf: Wie Zentrum des dramatischen Geschehens und Ereignissen in Gang, das am Ende der Tetralo- hinreißend schwungvolle Partitur birgt In Strawinskys »Geschichte vom Soldaten« handeln wir, wenn die Welt um uns herum wird vom Schatten Vergils, wie in einer Voraus- gie einen ganzen Weltentwurf vernichten wird. selbstverständlich den ein oder anderen hingegen wird der Teufel aktiv: Er bietet einem verroht und ihr Wertekonstrukt zerfällt und schau auf die »Göttliche Komödie«, sogar in die In ihrer Inszenierung des »Rheingolds« wird Walzer – aber auch schmissige Foxtrotts, Soldaten auf Fronturlaub große Reichtümer wie lange können wir human sein, wenn der Reiche der Hölle und des Himmels geführt. Isabel Ostermann den Fokus auf diese Charak- glutvolle Tangos, Blues und Java lassen die an, wenn der ihm im Gegenzug seine Geige Ausnahmezustand Alltag geworden ist und wir Berührende Arien und mächtige Chortableaus tere legen und hierbei die Verbindungen 1920er Jahre musikalisch auferstehen. überlässt. Doch der Soldat muss feststellen, ums eigene Überleben kämpfen müssen? zeugen von der Handschrift eines zu Unrecht zwischen den Antagonisten freilegen, deren dass Geld allein ihn nicht glücklich macht und David T. Little und Royce Vavrek zeichnen mit fast vergessenen französischen Komponisten, Willenskräfte sich gegenseitig bedingen und setzt nun alles daran, wenigstens seine Geige ihrer Adaption der Kurzgeschichte »Dog Days« der sich dem herrschenden »wagnérisme« verderben. zurückzuerlangen. ein Portrait einer Familie, die extremen seiner Zeit verweigerte und die französische Zwei Facetten des Diabolischen und seiner Umständen ausgesetzt ist. Littles atmosphäri- Operntradition in der Nachfolge Gounods und Verführungskraft auf den Menschen nimmt sche Musik verbindet klassische Opernele- Massenets fortschreiben wollte. dieser Doppelabend in den Blick. Regie führt mente wie Ensembles und gefühlvolle Arien Jessica Schauer, die zuletzt im Kleinen Haus mit zeitgenössischen Kompositionstechniken »The Last Five Years« inszenierte. Am 11. & 12. wie harmonischer Repetition, sich verschie- Februar zeigt das Staatstheater im Rahmen des benden Strukturen und Timbres und Einflüs- Max Beckmann-Schwerpunktes »Die sen aus Rock und Heavy Metal. Geschichte vom Soldaten« in den Räumlichkei- ten des Herzog Anton Ulrich-Museums. 20 Musiktheater 21 Musiktheater
03.06.2023, Großes Haus 09.12.2022, Großes Haus Premiere Wiederaufnahme Götterdämmerung Die Zauberflöte Richard Wagner Wolfgang Amadeus Mozart Musikalische Leitung: Srba Dinić Musikalische Leitung: Christine Strubel Regie und Choreografie: Isabel Ostermann, Regie: Dagmar Schlingmann Dagmar Schlingmann, Gregor Zöllig Bühne: Sabine Mader Bühne: Hank Irwin Kittel, Stephan von Wedel Kostüme: Inge Medert Kostüme: Julia Burkhardt Dramaturgie: Sarah Grahneis Dramaturgie: Sarah Grahneis, Ira Goldbecher Große Oper in zwei Aufzügen von Dritter Tag des Bühnenfestspiels »Der Ring Wolfgang Amadeus Mozart, Dichtung von des Nibelungen« Emanuel Schikaneder Dichtung vom Komponisten in deutscher Sprache mit Übertiteln in deutscher Sprache mit Übertiteln Dagmar Schlingmann zeigt mit der »Zauber- Liebe, Macht und Intrige – Schicksale, die flöte« eine surreale Welt, in der die Linien miteinander so tief verwoben sind, dass die zwischen Gut und Böse verschwimmen. Ist es Protagonist:innen im Geflecht ihrer Vergan- – wie anfänglich von der Königin behauptet genheit und Familiengeschichten immer weiter – Sarastro, der ein Tyrann ist und gestürzt wer- verketten, nicht ahnend, dass der Untergang den muss oder vertreten er und sein Gefolge unmittelbar bevorsteht. Doch wessen? Und die besseren Ideen? In der Konfrontation mit wenn die Welt brennt, kann aus der Asche diesen unterschiedlichen Systemen und etwas Neues entwachsen? Gedankenwelten sind es die jungen Protago- Mit der »Götterdämmerung« findet Richard nist:innen, die ihre eigenen Werte und damit Wagners Tetralogie ein Ende von nicht nur auch ihren eigenen, neuen Weg in die Zukunft enormem Ausmaß, sondern auch gewaltigem finden müssen. utopischen Potenzial. Dieses »Ende« markiert gleichzeitig den Höhepunkt der Braunschwei- »Es ist eine Freude, Mozarts ermutigende ger »Ring«-Saison. Die zuvor in einzelnen Musik wiederzuerleben. Die Inszenierung Projekten arbeitenden Sparten kommen in stellt wichtige Fragen, am Ende hängt die dieser Produktion zusammen und erforschen Schöpfung an einem zarten Schmetterling – neue Potentiale des kollektiven Arbeitens. So leider wohl ein zutreffendes Bild unserer wird zwar die gesamte Musik der »Götterdäm- Situation.« (Braunschweiger Zeitung) merung« mit Staatsorchester und Sänger:innen erklingen, aber mit unterschiedlichen ästheti- schen Sprachen und Sichtweisen inszeniert, choreografiert, erforscht … Außerdem ist das Musiktheater beteiligt an den Produktionen: To Fall Safely JUNGES! Musiktheater Siegfried Tanztheater Die Walküre (AT) Schauspiel 22 Musiktheater 23 Ekaterina Kudryavtseva, Musiktheater
Schauspiel 10.09.2022, Großes Haus 23.09.2022, Kleines Haus 12.11.2022, Aquarium 19.11.2022, Kleines Haus 23.01. – 12.03.2023, Aquarium Premiere Uraufführung Uraufführung Premiere Mini-Residenzprogramm Peer Gynt Vergessen, dass Das Lied der Stadt Der ideale Mann Slow Violence I – V Henrik Ibsen Jan Neumann (nicht für dich) Oscar Wilde Kuratiert von: Lukas Pergande Rauminstallation: Florian Barth Regie: Michael Talke Regie: Jan Neumann Ivana Sajko Regie: Dagmar Schlingmann Bühne & Kostüme: Agathe MacQueen Bühne & Kostüme: Dorothee Curio Bühne: Sabine Mader »Slow Violence« beschreibt eine Form von Musik: Johannes Mittl Musik: Camill Jammal Regie: Malena Große Kostüme: Inge Medert Gewalt, die sich langsam und unbemerkt Dramaturgie: Katharina Gerschler Dramaturgie: Volker Bürger Rauminstallation: Florian Barth Musik: Alexandra Holtsch ausbreitet, von Leid und Schaden, die über Kostüme: Swantje Silber Dramaturgie: Katharina Gerschler Jahre oder Jahrzehnte entstehen. So löst Dramatisches Gedicht von Henrik Ibsen Eine Stückentwicklung von Jan Neumann Musik: Hans Könnecke Gewalt, die durch Klimawandel, Entwaldung, aus dem Norwegischen von Christian & Ensemble / Auftragswerk des Staatsthea- Dramaturgie: Holger Schröder Komödie von Oscar Wilde in der Ölverschmutzungen oder die ökologischen Morgenstern ters Braunschweig deutschen Fassung von Elfriede Jelinek Folgen von Kriegen verursacht wird, zwar Ein Mann strandet in einer fremden Stadt. nach einer Übersetzung von Karin Rausch zunehmend auch schnelle Katastrophen wie Wer ist das überhaupt: Ich? Fort aus seiner Was bleibt, wenn die Erinnerung schwindet? Eine Brücke erzählt dort ein vielstimmiges Überflutungen, Lawinen oder Erdbeben aus, engen Existenz versteigt sich Peer in Fantasien Wenn Vertrautes fremd wird, das eigene Leben Lied, nicht nur über diesen Mann und seine Bei einem Treffen der höheren Gesellschaft im zum größten Teil aber findet sie allmählich von Wagemut und Größe. Als Lügner und rätselhaft? Wenn selbst alltägliche Handlungen Geschichte, von Aufbruch und zerstörten Hause des populären Politikers Robert Chil- statt, bleibt unsichtbar. Die Verantwortlichen Entführer aus dem Dorf getrieben, gerät er nicht mehr alleine bewältigt werden können? Hoffnungen. »Das Lied der Stadt (nicht für tern taucht die charmante Mrs. Cheveley auf. sind ebenfalls nicht offensichtlich, aber die unter die Trolle. Rastlos die Welt durchirrend, Aus unseren Erinnerungen bauen wir unsere dich)« ist auch ein Lied über die Möglichkeiten Unter deren polierter Oberfläche steckt Opfer sind es. landet er in einem Kairoer Irrenhaus, wird in Identität, unsere Persönlichkeit. Sartre sagte: und Grenzen der Kunst angesichts einer allerdings ein stahlharter Kern: Sie weiß, wie Im wöchentlichen Wechsel mit dem laufenden Amerika ein berühmter Reeder, Sklavenhänd- »Je suis mon passé/Ich bin meine Vergangen- Wirklichkeit, in der Menschen, die diese der vermeintlich Untadelige seinen kometen- Spielplan im Aquarium öffnen wir unsere ler und Pelztierjäger. Einen Lebensentwurf heit.« Bin ich nicht mehr ich, wenn ich mich Brücke täglich überqueren, abstürzen in haften Aufstieg in Gang gesetzt hat und auch, Spielstätte für einen Teil der Spielzeit für fünf nach dem anderen streift er ab. Nach jedem nicht mehr erinnere? soziale Not: »Der Fall eines Menschen ist wie man dieses Wissen nutzt. Die Cocktails Mini-Residenzen. Jeweils eine Woche lang Scheitern erfindet er sich an neuem Ort als ein Unter Demenz leiden in Deutschland ca. 1,8 größer als die Kunst«, schreibt Ivana Sajko. sind kaum halb geleert, da erpresst sie den forschen Gastkünstler:innen und Gruppen Anderer, schlägt mit zunehmender Brutalität, Millionen Menschen, bis 2050 wird mit 2,7 Eine Cover-Version von Knut Hamsuns Roman Polit-Lebemann schon, im Kongress ein unterschiedlicher Disziplinen zur langsamen die sich aus einem Gefühl von Minderwertig- Millionen gerechnet. Fast jede:r kennt demente »Hunger« wollte die Autorin zunächst verfas- dubioses Projekt zu unterstützen. »Jeder hat Gewalt und präsentieren ihre Ergebnisse dann keit speist, Kapital aus wechselnden Identitä- Menschen oder hat Erfahrungen mit Demenz sen, doch dann hat sie einen anderen Weg heutzutage seinen Preis. Der Haken ist leider, jeweils am Wochenende. ten. Verschiedenste Rollen probierend, findet in der Familie. Dennoch wird die Krankheit eingeschlagen. Durch die vielen unterschied- dass die meisten Leute so schrecklich teuer Mit dabei sind Bezugsgruppe Rainer Rauch er nur eines nicht: sich selbst. aus dem öffentlichen Bewusstsein gedrängt – lichen Blickwinkel, die sie einnimmt, hat sie geworden sind…« Um einem Korruptionsskan- (Installation und Performance aus Braun- Im Kern ein Märchenstoff, ist Ibsens dramati- die Krankheit macht Angst. Dabei verlieren ein Panorama unserer Welt geschaffen, ein dal zu entgehen, Mandat wie Ruf zu retten, schweig), Bokoya (Jazz und Hip Hop aus Köln sches Gedicht von 1867 auch ein Bilderbogen demente Menschen lange nicht alle Fähigkei- Sprechoratorium voller Träume und (Des-) kontert Chiltern mit turbulenten Vertu- und Bielefeld), Institut für Widerstand im des 19. Jahrhunderts. Sein »nordischer Faust« ten, geschweige denn alle auf einmal. Illusionen: »Ich weiß nicht, in welchem schungsversuchen. Postfordismus (Dokufiktion aus Berlin) und fragt nicht nur nach der Konstruktion von Der Schauspieler, Autor und Regisseur Jan Ausmaß man die Kunst durch die wahre Elfriede Jelinek spitzt Oscar Wildes Polit- Rubarb Dance & Art (Tanz und Illustration). Identität, sondern erzählt von einer Welt in Neumann entwickelt seine Stücke in gemeinsa- Tragödie, durch die wahre Frustration, durch Komödie um Insidergeschäfte und Doppel- rasanter Transformation, von Kolonialismus, mer Arbeit mit den Schauspieler:innen. Häufig die wahre Wunde betrügen kann, aber in dem moral sprachlich wie inhaltlich so zu, dass Imperialismus und den Folgen ungebremsten beschäftigt er sich mit Themen wie Trauer, Tod, Raum, in dem das noch immer möglich ist, lebt hinter der gehobenen viktorianischen Gesell- Fortschritts, denen wir uns heute stellen historischen Umbrüchen und anderen Krisen- der Text als Kunst.« (Ivana Sajko) schaft unsere unmittelbare Gegenwart sichtbar müssen. erfahrungen. Seine Arbeit zeichnet sich durch Die kroatische Autorin und Theaterregisseu- wird, die nicht weniger korrumpiert ist. Denn, eine ernsthafte Begegnung mit den Inhalten bei rin, geboren 1975 in Zagreb, gilt als eine der mit Robert Chiltern gesprochen: »Die Wahrheit gleichzeitiger spielerischer Leichtigkeit aus. So wichtigsten zeitgenössischen Stimmen der süd- ist eine so komplexe Angelegenheit wie die gelingt es Jan Neumann, den Dingen, vor osteuropäischen Literatur. Ihre Werke wurden Politik ein komplexes Geschäft ist.« denen wir die Augen verschließen, den Schre- vielfach ausgezeichnet und außerhalb ihrer cken zu nehmen und sie mitten ins Leben zu Heimat vor allem im deutschsprachigen stellen. Theaterraum zur Aufführung gebracht. 24 Schauspiel 25 Schauspiel
13.01.2023, Kleines Haus 20.01.2023, Aquarium 21.01.2023, Großes Haus Premiere Uraufführung Premiere Niemand wartet Der Weg der Professor auf dich Arbeitenden Mamlock Lot Vekemans Klasse ins Friedrich Wolf Regie: Udo van Ooyen Paradies Regie: Christoph Mehler Bühne & Kostüme: Loriana Casagrande Bühne & Kostüme: Jennifer Hörr Ein Projekt von Daniele Szeredy Dramaturgie: Holger Schröder Kooperation mit dem Kellertheater nach dem Film »La classe oparaia va in Winterthur (CH) Paradiso« von Elio Petri und Ugo Pirro Professor Mamlock ist ein überzeugter Patriot und Demokrat, verwundet im Ersten Weltkrieg Ein alter Mann, ein Politiker und ein Schau- Regie: Daniele Szeredy und für seine Tapferkeit ausgezeichnet. Mit spieler treten nacheinander auf, bewegt von Rauminstallation: Florian Barth großer Disziplin hat er eine Klinik aufgebaut der Frage nach der Sinnhaftigkeit ihres Tuns. Kostüme: Alena Nienstedt und genießt am Vorabend der »Machtergrei- Was hinterlasse ich für Spuren in der Gesell- Dramaturgie: Katharina Gerschler fung« der Nazis einen herausragenden Ruf als schaft? Wie konkret kann ich Entwicklungen Chirurg. Doch mit dem Wechsel der politischen beeinflussen? Wie werde ich gehört oder 1971. Lulù, Prototyp des männlichen Beschäf- Verhältnisse ist für ihn als Jude sein bisheriges wahrgenommen? Wie weit liegen einstige tigten in der Schwerindustrie, folgt den Leben nur noch Makulatur. Ungläubig muss er Ideale und gelebte Wirklichkeit auseinander? Aufstiegs- und Konsumversprechen des erleben, wie die Faschisten seine Reputation Lot Vekemans, eine der bekanntesten zeitge- Wirtschaftsbooms und nimmt ungeheure als Arzt untergraben. Mamlock verliert die nössischen Autorinnen aus den Niederlanden, Arbeitszeiten und körperliche Anstrengung in Leitung der Klinik und ist dennoch lange nicht hat einen beeindruckenden Monolog verfasst, Kauf. Nach einem Arbeitsunfall erkennt er gewillt, den ideologischen Irrsinn und die der in seiner einfachen Setzung großen seine entfremdete Lage, politisiert sich und konkrete Gefahr für sein Leben und das seiner gesellschaftlichen Themen nachspürt. Es geht verliert den Arbeitsplatz. Durch gewerkschaft- Familie anzuerkennen. um Selbstverantwortung und die Wirksamkeit lichen Druck wird er zu leicht verbesserten eigenen Handelns. Am Schluss öffnet die Bedingungen wiedereingestellt. Zurück am Der Arzt, Dramatiker und Politiker Friedrich Autorin das Forum, die vierte Wand wird Fließband, umgeben vom Lärm der Maschinen, Wolf (1888 – 1953) zeigt den beginnenden überwunden und auch das Publikum in diesen erscheint ihm im Traum die Wand, die die Prozess der politischen und menschlichen Prozess der Selbstreflexion mit einbezogen. Arbeitende Klasse durchbrechen muss, um ins Katastrophe, an deren Ende der Holocaust Paradies zu gelangen. stehen sollte, in einer atemberaubenden, Lot Vekemans hat diesen Monolog ursprüng- kammerspielartigen Verdichtung. Beklemmend lich für eine Frau geschrieben, doch einer Fünfzig Jahre später schleppen prekär ist, mit welcher Geschwindigkeit die neue Ideo- Veränderung des Geschlechtes zugestimmt. In Beschäftigte Pakete die Treppe hinauf oder logie Raum greift und an Macht gewinnt. Winterthur und Braunschweig wird er gespielt Schmutzwäsche hinunter, befüllen Super- Während Mamlock immer noch an den von unserem langjährigen Ensemblemitglied marktregale, antworten am Ende von Hotlines, Prinzipien von Vernunft und Aufklärung Götz van Ooyen. steuern Lkw, Busse oder die Räder von festhält, bricht sich der Faschismus Bahn mit Bringdiensten. Vereinzelt und unorganisiert Verfolgung, Folter und Mord. Das Stück scheinen zersplitterte Gruppierungen nur für schrieb Friedrich Wolf 1933 im französischen ihr individuelles Wohl zu kämpfen. Gleichzei- Exil, als unmittelbares Zeugnis der politischen tig lässt der Wirtschaftswandel, geprägt von Ereignisse. Doch die Historie sollte uns dafür Outsourcing, Flexibilisierung und Digitalisie- sensibilisieren, dass Demokratie und Selbstbe- rung, alte Emanzipationslosungen überholt stimmung heute wie morgen keine Selbstläufer und utopisch klingen. Aber die Arbeitende sind und eines kontinuierlichen Schutzes Klasse besteht weiter, sichtbar als Körper im bedürfen. öffentlichen Raum und zugleich unsichtbar als politische Stimme. Und sie sucht weiter nach ihrem Weg ins Paradies. 26 Schauspiel 27 Lina Witte, Schauspiel
11.03.2023, Großes Haus 16.03.2023, Kleines Haus 05.05.2023, Aquarium Premiere Uraufführung Premiere Schimmelreiter Die Walküre (AT) Aus der Fremde Theodor Storm Caren Jeß Ernst Jandl Regie: Felicitas Brucker Regie & Musik: Alexandra Holtsch Regie: Christoph Diem Bühne: N.N. Bühne & Kostüme: Sabine Mader Rauminstallation, Kostüme & Video: Kostüme: N.N. Dramaturgie: Katharina Gerschler Florian Barth Dramaturgie: Ursula Thinnes Dramaturgie: Holger Schröder Für den Beitrag des Schauspiels zur »Auswei- Nach der Novelle von Theodor Storm für tung des Ringgebiets« schreibt Caren Jeß ein Sprechoper in 7 Szenen von Ernst Jandl die Bühne bearbeitet von Felicitas Brucker neues Stück für das Staatstheater Braun- schweig. Die mehrfach preisgekrönte Autorin, »Aus der Fremde« ist eine Sprechoper für drei Der Aufstieg Hauke Heiens zum Deichgrafen die Sprache immer auch musikalisch denkt Personen, ein lichtes, poröses Kunstwerk im ist keine einfache Erfolgsgeschichte. Miss- und sich mit Wagners Werk schon lange Konjunktiv über das Ringen eines Autors mit trauen löst dessen Interesse an Mathematik beschäftigt, wird für ihr Stück von Figurenkon- Sprache, Einsamkeit und dem Verzicht auf die und Naturwissenschaft aus, der Forscher- stellationen und Motiven der »Walküre« wie gelebte Liebe. »Die Rede ist eingespannt in drang, die manische Suche nach der besten Inzest und Rache ausgehen. Ihr Stück wird Dreiergruppen von Zeilen, die Stimme bewegt Deichkonstruktion. Der Deich markiert die keine Überschreibung sein, sondern ein sich an der Grenze eines Singens, das den Grenze zwischen der Gewalt des Meeres, der eigenständiges künstlerisches Werk, das Verlust der Vertrautheit der tragischen Haupt- Natur, dem bewirtschafteten Land des Dorfes. Wagners Musikdrama aufsprengt, ergänzt und figur mit sich selbst und Welt nochmals Tiefer, verschwurbelter Aberglaube bestimmt ins Zeitgenössische erweitert. deutlich markiert« (Ernst Jandl). Entstanden die Dörfler, die lieber einen lebendigen Hund Inszenieren wird Alexandra Holtsch, die nicht ist ein wunderbares Kammerspiel, das mit begraben als der planerischen Klarheit des nur Regisseurin, sondern auch Komponistin großer Leichtigkeit ein ernstes Thema streift. Deichgrafen folgen. Sei die Bedrohung durch ist. In ihren Arbeiten mixt sie zeitgenössische Zugleich ist das Stück eine kleine postmoderne eine Sturmflut auch noch so groß. elektronische Musik mit Werken aus allen Preziose, ein echtes »Kind« der 80er. Dieser Deichgraf ist kein einfacher Charakter. Epochen. Als Musikerin entwickelte sie bereits Ein Außenseiter und ehrgeiziger Sonderling, 2013 an der Deutschen Oper Berlin die Auf- Ernst Jandl (1925 – 2000) feierte vor allem als bei dem sich das permanente Ankämpfen tragskomposition »Der Ring: Next Generation« Lyriker große Erfolge. Seine experimentellen, gegen gläserne Decken in Arroganz und Hybris nach Richard Wagner für Elektronische Musik lautmalerischen Gedichte, die in seiner Heimat gewandelt hat. Je größer die Kluft zwischen und Orchester und wird auch in dieser Pro- Österreich zunächst als kulturelle Provokation den Welten des Deichgrafen und des Dorfes, duktion nicht nur mit Schauspieler:innen, aufgenommen wurden (»schtzngrmm«), umso brüchiger droht der Deich zu werden. sondern ebenso mit Instrumentalist:innen und gehören längst zum literarischen Kanon. Mit einem Sänger arbeiten. der Autorin Friederike Mayröcker, die vermut- Theodor Storm findet in seiner Novelle von lich auch Vorbild für die Frau in seiner 1888 große, fantastische Bilder für das Aufein- Sprechoper ist, pflegte Jandl eine tiefe Bezie- anderprallen von Natur und Fortschritt, für die hung. Mit der Inszenierung dieser Sprechoper unheimliche Macht einer Gesellschaft, die aus erfüllt sich der Regisseur und stellvertretende Angst vor Erneuerung die Naturkatastrophe Schauspieldirektor des Staatstheaters Braun- geschehen lässt. schweig, Christoph Diem, einen lang gehegten Wunsch. 28 Schauspiel 29 Klaus Meininger, Schauspiel
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