Städte im Klimawandel - zur ambivalenten Rolle der Städte im Klimawandel und ihren Handlungsmöglichkeiten - Ulrike Weiland
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Städte im Klimawandel – zur ambivalenten Rolle der Städte im Klimawandel und ihren Handlungsmöglichkeiten Ulrike Weiland
Städte im Klimawandel – zur ambivalenten Rolle der Städte im Klimawandel und ihren Handlungsmöglichkeiten Inhalt 1. Relevanz des Themas: Wieso Städte im Klimawandel? 2. Globaler Klimawandel 3. Zum Beitrag von Städten zum Klimawandel 4. Zur Betroffenheit von Städten durch den Klimawandel 5. Handlungsmöglichkeiten: Mitigation und Adaptation 6. Forschungs- und Entwicklungsbedarf
1. Wieso Städte im Klimawandel? Global: Verstädterung bis Megaurbanisierung - 50 % der Weltbevölkerung in Städten - 70 % bis 2050 v.a. in Entwicklungs- und Schwellenländern Europa: > 80 % der Bevölkerung urban Städte - wirtschaftliche + gesellschaftliche Zentren - kulturelle + ökonomische Werte - Zentren von Innovationen ¾ Zunahme Industrie- + Energieproduktion ¾ Zunahme von Verkehr Foto: Weiland
2. Globaler Klimawandel Veränderungen von globaler Lufttemperatur, Meeresspiegelhöhe und Schneebedeckung der nördlichen Hemisphäre 1850 - 2007 Quelle: IPCC 2007
2. Globaler Klimawandel Anstieg der atmosphärischen Konzentration klimarelevanter Gase ab 1850 in ppmv Quelle: Stern 2007, S. 4
2. Globaler Klimawandel Veränderungen des Temperatur- und Energiehaushalts - Erhöhung der Lufttemperaturen - Erwärmung der Ozeane, Meeresspiegelanstieg - Auftauen des Permafrostbodens - Eisalbedo-Temperatur-Rückkopplungseffekt - Veränderungen phänologischer Phasen - Zunahme von Extremereignissen Veränderung hydrologischer Kreisläufe - Zunahme + Abnahme durchschnittlicher Niederschlagsmengen - Abnahme der Wasserführung von Gletscherflüssen
2. Globaler Klimawandel Konfliktkonstellationen als Treiber internationaler Destabilisierung Städte (Auswahl) 1 – New Orleans 2 – La Habana 3 – San Juan 4 – Caracas 1 13 5 – Recife 2 3 14 6 – Rio de Janeiro 10 15 4 7 – Sao Paulo 11 8 – Buenos Aires 5 9 – Santiago de Chile 10 – Dakar 6 7 12 11 – Lagos 9 12 – Durban 8 13 – Delhi 14 – Mumbai 15 - Chennai Verändert nach WBGU 2008: 175
Wechselbeziehungen zwischen sozio-ökonomisch- technischem Subsystem und Umwelt-Subsystem Arbeitsschritte: Ermittlung der 1. Beiträge der Städte zum Klimawandel 2. Betroffenheit der Städte durch den Klimawandel 3. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel
3. Zum Beitrag der Städte zum Klimawandel Städte: Input-Output-Systeme Quelle: Duvigneaud, P.; Denayer-de Smet, S. (1977)
3. Zum Beitrag der Städte zum Klimawandel ¾ Produktion von Treibhausgasen (THG) - 75 – 85 % der anthropogenen THG-Emissionen in Agglomerationen der Industrieländer - durch ¼ der Weltbevölkerung - 75 – 80 % der CO2-Emissionen durch Städte - davon 30 – 35 % durch Verkehr ¾ Energieverbrauch - 75 % des globalen Energieverbrauchs in Städten – große Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern ¾ Beiträge unterschiedlich groß
Treibhausgas-Emissionen nach Quellen im Jahr 2000 Quelle: Stern 2007
4. Zur Betroffenheit von Städten Veränderungen der Jahresdurchschnittstemperaturen für 2100 nach dem A2 Szenario Verändert nach: Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2007: 9 Quelle: Heat Island Group, 2000
4. Zur Betroffenheit von Städten Voraussichtliche Änderungen der Durchschnittstemperaturen in Deutschland gg.1971-2000 im Winterhalbjahr 2031 bis 2060 2071 bis 2100 Verändert nach: MPI, zit. in Bojanowski 2008
4. Zur Betroffenheit von Städten Projizierte Niederschlagsänderungen für 2100 (A2 Szenario) Verändert nach: Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2007: 10
4. Zur Betroffenheit von Städten Niederschlagsänderungen in Prozent (gg. 1971 – 2000) 2031 – 2060 2071 – 2100 2071 – 2100 Jahresdurchschnitt Sommer Winter Verändert nach: MPI, zit. In Bojanowski 2008
4. Zur Betroffenheit von Städten Geschätzter globaler Meeresspiegelanstieg bis 2300 (3ºC) Mechanismus Anstieg in m Thermische Ausdehnung 0,4 bis 0,9 Abschmelzen der Gletscher 0,2 bis 0,4 Abschmelzen des Grönlandeises 0,9 bis 1,8 Abschmelzen der Antarktis 1,0 bis 2,0 Gesamt 2,5 bis 5,1 Quelle: WBGU 2006, S. 36
4. Zur Betroffenheit von Städten Boston bei einem Anstieg von 3 m bzw. 5 m Quelle: Mazria, Kershner, 2007, S. 6
4. Zur Betroffenheit von Städten Extremereignisse Leipzig, 16.06.2006 Fotos: M. Bayer
4. Zur Betroffenheit von Städten Langfristige + saisonale Änderungen Beispiele für Städte Erhöhung der Steigerung des ‘Wärmeinsel-Effekts’ Madrid, Rom, Athen Lufttemperatur Gesundheitsbeeinträchtigungen und -gefährdungen in (sommer-)warmen Regionen vermehrte Bildung von Ozon und Photooxidantien Veränderungen von Regional und saisonal unterschiedl. Niederschlägen Zu- oder Abnahme der durchschn. Niederschlagsmenge mit Folgen für die Trink- und Brauchwasser- versorgung Anstieg des Verlust von Siedlungsräumen und alle Küstenstädte Meeresspiegels landwirtschaftlichen Nutzflächen Abschmelzen von Abnahme der Wasserführung von New Delhi Gletschern Flüssen + Beeinträchtigung der Wasserversorgung von Städten
4. Zur Betroffenheit von Städten Extremereignisse Beispiele für Städte Erhöhung der Hitzewellen, Steigerung des ‚Heat Island Madrid, Rom, Athen Lufttemperatur Effects’ Sommersmog Mexico City Zunahme von Wirbelstürmen und New Orleans, Habana Zyklonen Veränderungen von Starkregen mit Überflutungen und Caracas, Santiago Niederschlägen Hangrutschungen Anstieg des Überflutungen mit Risiken für alle Küstenstädte Meeresspiegels Menschen, Tierwelt, Landschaft; u.a. Beeinträchtigung der Trinkwasser- qualität und Verbreitung von Infektionskrankheiten Abschmelzen von Trockenfallen von Flüssen New Delhi Gletschern Gefährdung der Trinkwasserversorgung von Städten Gefährdung der Kühlkapazitäten von Kraftwerken
4. Zur Betroffenheit von Städten Städte = Orte der Produktion systemischer Risiken → Risiko = f (Gefahr, Vulnerabilität) Verstärkung von Naturgefahren durch menschliche / gesell- schaftliche Aktivitäten Wechselwirkungen natürlicher Hochwasser Risik und anthropogener Faktoren Gefahr Risiko o Vulnerabilität Systemische Risiken: Hangrutschung Komplexität, Unsicherheit, Mehrdeutigkeit Produktion von unerwünschten Nebenfolgen im ‘Normalbetrieb’ können zur Bestandsgefährdung sozial-ökologischer Systeme führen Abbildung nach Birkmann 2007
5. Handlungsmöglichkeiten Klimaschutz (mitigation) und Anpassung (adaptation) Globale Ebene Verminderung „Mitigation“ Kontinentale Ebene Art und Umfang der Handlungsmöglichkeiten von Städten im Klimawandel Nationale Ebene sind u.a. von der internationalen Klimapolitik, dem nationalstaatlichen Steuerungssystem und naturräumlichen Gegebenheiten abhängig – Regionale Ebene deshalb wird im Folgenden Anpassung Bezug auf Deutschland „Adaptation“ genommen. Lokale Ebene Quelle: eigene Darstellung
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Klimaschutzpolitik IEKP Ziel: Senkung der THG-Emissionen um 40 % Gesetzesvorhaben: BRD Novelle KWK-Gesetz, Novelle EE-Gesetz, EE-Wärme-Gesetz, Novelle 2007 Energiewirtschaftsgesetz und Erlass einer EnergiewirtschaftsVO, Novelle EnergieeinsparVO, Weiterentwicklung des CO2-Gebäudesanierungs- programms, etc IEKP EU Ziel: Senkung THG-Emissionen um 20 % gg. 1990 12/2008 Steigerung der Nutzung erneuerbarer Energiequellen in EU bis 2020 auf 20 % des Endenergieverbrauchs (derzeit ca. 8,5 %) BRD: Steigerung auf 18 % Senkung des Energieverbrauchs um 20 % durch Steigerung der Energieeffizienz DAS Ziel: Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf max. 2ºC über dem vorindustriellen Niveau BRD Maßnahmen: 12/2008 Information, Dialog, Bewusstseinsbildung Unterstützung verschiedener Akteure, u.a. Anreize+Förderung Verbesserung der Wissensbasis, u.a. durch Forschung und Indikatoren- entwicklung
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel ausgewählte Handlungsfelder + Instrumente auf kommunaler Ebene ¾ Verkehrswesen ¾ Energie- und Wärmeversorgung ¾ Bauwesen ¾ Siedlungsstruktur ¾ Raum- und Umweltplanung incl. Bauleitplanung ¾ Integrierte Stadtentwicklungsplanung ¾ Klimaschutzkonzepte
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Verkehrswesen Verringerung des THG-Ausstoßes (Bsp.) - (Technische Innovationen) - (energie- u. emissionsbezogene Besteuerung) - Verkehrsvermeidende Siedlungsplanung - Förderung des schienengebundenen Verkehrs - Förderung von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr - Lokale Verkehrsbeeinflussung durch City Maut, Verkehrsleitsysteme, Umweltzonen etc. SEITE 27
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Energieversorgung mit alternativen Energien Fotos: André Künzelmann
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Energieversorgung: Kraft-Wärme-Kopplung Quelle: ASUE o.J. SEITE 29
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Energieversorgung: Geothermie Nutzung der in Tiefenwässern gespeicherten Wärmeenergie unterhalb der Oberfläche der festen Erde Wasser- Potenzielle temperatur Nutzung Gelber > 60 ºC Wärme- Bereich gewinnung Roter > 100 ºC Strom- Bereich erzeugung Quelle :Institut für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsaufgaben, GFZ 2008 SEITE 30
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Bauwesen: Nutzung der Sonnenenergie Heliotrop – Experimentierhaus des Plusenergiestandards Quelle: Solarsiedlung GmbH 2008
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Bauwesen Passivhäuser zur Senkung des Jahresheizwärmeverbrauchs in kWh / (m2a) Quelle: Passivhaus Institut o.J. SEITE 32
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Bauwesen: Solarthermie Globalstrahlung in Deutschland Solarthermieanlage Jahressummen in kWh/m2 1981-1995 Quelle: Deutscher Wetterdienst o.J. SEITE 33
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Bauwesen: Wärmedämmung im Bestand Quelle: Fachhochschule Bielefeld o.J. SEITE 34
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Siedlungsstruktur ¾ Nutzungsmischung zur Vermeidung von Verkehr ¾ Entkernung und Begrünung von verdichteten Innenstädten ¾ Grünverbundsysteme und Durchlüftungskorridore ¾ Erhalt/Schaffung offener Wasserflächen + Wasserrückhalteflächen ¾ Freihaltung von Flächen, die durch Überschwemmungen oder Hangrutschungen gefährdet sind ¾ Freihaltung von Flächen für Schutzanlagen (Wälle, Dämme)
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Landes- und Regionalplanung (ROG-Novelle v. 22.12.2008) ‚Klima‘ in Grundsätzen der Raumordnung (§ 2 Abs. 2 Nr. 6) … Raumentwicklung unter Berücksichtigung des Klimas … Klimaschutz und Klimaanpassung; Schaffung der räumlichen Voraussetzungen für Ausbau erneuerbarer Energien, sparsame Energienutzung, natürliche Senken + Einlagerung klimaschädlicher Stoffe … Schutz kritischer Infrastrukturen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3) … Vorbeugender Hochwasserschutz (§ 2 Abs. 2 Nr. 6) ‚Klima‘ als Schutzgut der SUP zu Raumplänen (§ 9 ROG) Integrierte Stadtentwicklungskonzepte (ISEK) … nach Leipzig-Charta zur nachhaltigen Europäischen Stadt … Steigerung der Ressourcen- und v.a. Energieeffizienz … Einbezug der Verkehrs- und Energiewirtschaft Klimaschutzkonzepte …
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Klimaschutzkonzept Hamburg 2007 - 2012 Ziele „Vorreiterrolle“: jährlich 2 Mio. to Einsparung von CO2-Emissionen gg. 2007, Senkung des CO2-Ausstoßes um 40 % gg. 1990 Handlungsschwerpunkte Energieversorgung Energieeinsparung bei Neu- und Altbauten Umweltfreundliche Mobilität im Personen-, Wirtschafts-, Schiffsverkehr (Bewusstseins-)Bildung Instrumente, Maßnahmen Kooperationen mit Wirtschaft, zivilgesellschaftl. Inst., Landkreisen Förderprogramme, Kredite (gesch. Kosten 2008: 100 Mio. €) Pilotprojekte, z.B. IBA Hamburg als „Stadtlabor für innovative Konzepte“ Beratung, Bildung, Schulprojekte Ausbau und Verbund von Forschungsreinrichtungen Perspektive Klimaschutzkonzept der Metropolregion
5. Handlungsmöglichkeiten im Klimawandel Bauleitplanung (BauGB) …Berücksichtigung von Umweltbelangen …Klimaschutz als Planungsleitlinie Bebauungsplan - Begünstigung passiver Sonnenenergienutzung Südausrichtung, Vermeidung von Verschattung: Stellung der Gebäude, Baulinien, Baugrenzen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) - Art und Umfang der Wärme- und Energieversorgung (§ 9 Abs. 1 Nr. 12, 13 BauGB) - Verbot der Verwendung bestimmter Heizstoffe (§ 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB) - Begünstigung des Einsatzes von Solaranlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 23b BauGB)
Zusammenfassung 1. Städte tragen durch die Emission von Treibhausgasen in unterschiedlichem Ausmaß zum Klimawandel bei. 2. Städte werden durch den Klimawandel auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlicher Intensität betroffen. 3. Städte wurden in der Klimapolitik bisher wenig adressiert. 4. Städte haben Handlungsmöglichkeiten sowohl zum Klimaschutz sowie zur Klimaanpassung; diese werden bisher wenig genutzt. 5. Inwieweit diese Handlungsmöglichkeiten ausreichen, politisch gesetzte Klimaschutzziele zu erreichen, kann noch nicht abgeschätzt werden. 6. Forschungsbedarf besteht in allen Bereichen.
6. Forschung- und Entwicklungsbedarf ¾ Analyse der spezifischen Beiträge und der spezifischen Betroffenheit von Städten ¾ Verbesserung von Informationsbasis und Methoden Klimamodelle, Szenarien, Indikatoren, Monitoringmethoden ¾ (systemische) Risikoproduktion, Vulnerabilität, Resilienz ¾ Akzeptanz, Motivierung von Akteuren ¾ Entwicklung von angepassten Handlungskonzepten ¾ Reflexive Governance / Adaptive Management ¾ Gestaltung des Klimawandels, u.a. Backcasting-Prozesse
Ulrike Weiland, Prof. Dr.-Ing., Universität Leipzig, Institut für Geographie Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ Tel: +49-341-235-1238 ulrike.weiland@ufz.de Vielen Dank an alle, die Informationen für den Vortrag beigesteuert haben, v.a. Sascha Moritz, Miriam Gieseking, Christian Gadge, Moritz Reese.
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