Strahlende Zukunft? Der Kunstmarkt im Umbruch - Douglas Kunstberatung

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Strahlende Zukunft? Der Kunstmarkt im Umbruch - Douglas Kunstberatung
Das Kunstmagazin der ZEIT

Nº181                          Februar 2021                                                                                Seit 1927

                               Strahlende Zukunft? Der Kunstmarkt im Umbruch
    € 13,– (A, I, LUX, NL)
    SFR 20,– (CH)
    € 11,80 (D)
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                                          Tilla Durieux Gesicht einer Epoche Pablo Picasso Der Künstler und sein Galerist
                                                 Trends & Tendenzen Vom Onlineboom bis zum Wiener Aktionismus
Strahlende Zukunft? Der Kunstmarkt im Umbruch - Douglas Kunstberatung
WELTKUNST

                                           INHALT
                                                       N° 181

                                                                                                                  Bilder: Auktionshaus im Kinsky GmbH, Wien/Maria Lassnig, „Der Frank und die Frankfurterin“, 1970, verkauft am 25.06. 2020/VG Bild-Kunst, Bonn 2021; Peter Sevriens/Courtesy Van der Grinten Galerie, Köln; Kleindienst, Leipzig
Kolumnen
10   Zeitmaschine
12   Was bewegt die Kunst?
     Das Humboldt Forum muss sich
     der Kolonialismusfrage stellen
14   Drei Wünsche
16   Hand des Meisters
17   Heimliche Zwillinge
17   Kritikerfrage
98   Obrist
     Der Starkurator unterwegs
     zum digitalen Atelierbesuch

Geschichten
18   DAS GESICHT EINER EPOCHE
     Die Schauspielerin Tilla Durieux
                                                                 26                                  Special

     avancierte seit 1903 zum Star und
                                                  Ein außergewöhnliches Auktionsjahr            KUNST-
                                                Zu den Topkünstlern in Österreich gehört
     faszinierte zahlreiche Künstler wie
                                                 Maria Lassnig, deren »Der Frank und die        MARKT
     Renoir, Beckmann oder Barlach
                                              Frankfurterin« bei Im Kinsky zum Aufruf kam       S . 26 bis
                                                                                                             55
26   LICHT IM DUNKEL
     Die höchsten Auktionszuschläge
     2020 in Deutschland, der Schweiz,
     Österreich und international. Das
     Krisenjahr meisterten die Häuser
     auch dank des Onlinegeschäfts

42   TURBULENTE AUKTIONEN
     Vier Phänomene des Jahres 2020:
     boomende Kunst aus Österreich,
     Topzuschläge für Möbel, Museen
                                                                                            85
                                                                                       Schamane privat
     verkaufen ihre Kunstwerke, Rätsel
     um einen Torso von Lehmbruck                                                  Bislang unveröffentlichte
                                                                                    Fotos von Joseph Beuys
56   GENER ATIONSWECHSEL                                                           nähern sich im Jubiläums-
     Marie-Catherine Gräfin Douglas                                                 jahr dem Überkünstler
     findet neue Wege für die
     Kunstberatung ihres Vaters

64   MONOPOL AUF PICASSO

                                                14
     Wer nach 1954 in Deutschland
     eine Grafik des Jahrhundertgenies
     kaufen wollte, kam am Galeristen
     Michael Hertz nicht vorbei                Heimspiel
                                             Kunst für zu
68   DER GRÜNE HIMMEL                          Hause vom
     Vor 100 Jahren entdeckten Kana-          Wollgeweih
     das Malerinnen und Maler die           bis zur Miniatur
     wilde Natur ihres Heimatlands            aus Pakistan

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Strahlende Zukunft? Der Kunstmarkt im Umbruch - Douglas Kunstberatung
Bilder: Art Gallery of Ontario 2008/224; Ramon Haindl für WELTKUNST; Grisebach GmbH/Eugen Spiro, „Portrait Tilla Durieux“, verkauft am 29.11. 2019 bei Grisebach, Berlin/VG Bild-Kunst, Bonn 2021

                                                                                                                                                                                                                                                         Agenda
                                                                                                                                                                                                                                                         78    KUNSTWELT

                                                                                                                                                                                                       68
                                                                                                                                                                                                     Nordlichter
                                                                                                                                                                                                                                                               Pinaults neues Museum,
                                                                                                                                                                                                                                                               Kriegsbeute kehrt zurück nach
                                                                                                                                                                                                                                                               Caputh, Ritter in New York

                                                                                                                                                                                                    Kanadas Weite                                        80    BR ÂNCUŞIS BIOTOP
                                                                                                                                                                                                      inspirierte                                              Die Sackgasse Impasse Ronsin
                                                                                                                                                                                                    Malerinnen wie                                             war eine Künstleroase in Paris
                                                                                                                                                                                                      Emily Carr
                                                                                                                                                                                                    zu einer neuen                                       82    AUSSTELLUNGEN
                                                                                                                                                                                                     Bildsprache                                               Boucher in Karlsruhe, de Chirico in
                                                                                                                                                                                                                                                               Hamburg, Surinam in Amsterdam

                                                                                                                                                                                                                                                         84    SCHAUFENSTER
                                                                                                                                                                                                                                                               Teeschale von Sybille Abel-Kremer

                                                                                                                                                                                                                                                         85    100 JAHRE BEUYS
                                                                                                                                                                                                                                                               Neue Fotos des Kunstrevolutionärs
                                                                                                                                                                                                                                                               in der Van der Grinten Galerie

                                                                                                                                                                                                                                                         86    MESSEN
                                                                                                                                                                                                                                                               Die Brafa findet in Galerien statt,
                                                                                                                                                                                                                                                               die Wiener Interconti im Hotel

                                                                                                                                                                                                                                                         88    STILKUNDE
                                                                                                                                                                                                                                                               Tragsessel

                                                                                                                                                                                                                                         18
                                                                                                                                                                                                                                      Antlitz für alle
                                                                                                                                                                                                                                                         90    ZURÜCK IN DIE SECHZIGER
                                                                                                                                                                                                                                                               Christos und Jeanne-Claudes
                                                                                                                                                                                                                                                               Sammlung bei Sotheby’s erinnert
                                                                                                                                                                                                                                                               an eine radikale Dekade
                                                                                                                                                                                                                                     Zahllose Künstler
                                                                                                                                                                                                                                       porträtierten
                                                                                                                                                                                                                                                         92    AUKTIONEN
                                                                                                                                                                                                                                     Tilla Durieux, so
                                                                                                                                                                                                                                                               Münzen bei Gerhard Hirsch,
                                                                                                                                                                                                                                     auch Eugen Spiro
                                                                                                                                                                                                                                                               »British. Cool.« bei Bonhams,
                                                                                                                                                                                                                                       im Jahr 1902
                                                                                                                                                                                                                                                               Quittenbaum bietet Design

                                                                                                                                                                                                                                                         8     Editorial
                                                                                                                                                                                                                                                         97    Impressum

                                                                                                                                                                                                               56
                                                                                                                                                                                                             Gut beraten
                                                                                                                                                                                                                                                         97    Vorschau

                                                                                                                                                                                                       Dem Kunstverstand von
                                                                                                                                                                                                    Marie-Catherine Gräfin Douglas
                                                                                                                                                                                                       folgen Sammler weltweit

                                                                                                                                                                                                                                                              instagram.com/WeltkunstMagazin
                                                                                                                                                                                                                                                                    facebook.com/weltkunst
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                                                                                                                                                                                                                                             7
Strahlende Zukunft? Der Kunstmarkt im Umbruch - Douglas Kunstberatung
K U N S T B E R AT U N G D OUG L A S

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Strahlende Zukunft? Der Kunstmarkt im Umbruch - Douglas Kunstberatung
K U N S T B E R AT U N G D OUG L A S

Generationswechsel
Marie-Catherine Gräfin Douglas führt die legendäre Kunstberatung
         ihres Vaters weiter. Dass es so kam, überrascht sie
  selbst am meisten – und zeugt vom Mut, neue Wege zu gehen

             VON                                          FOTOS
   CHR ISTI A N E M EI X N ER                        R A MON H A I N DL

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Strahlende Zukunft? Der Kunstmarkt im Umbruch - Douglas Kunstberatung
K U N S T B E R AT U N G D OUG L A S

Eigentlich war alles geklärt. Marie-Catherine
Gräfin Douglas würde die letzten Aufträge
ihres Vaters zu Ende bringen und danach das
Büro in Frankfurt abschließen. Den Platz
von Christoph Graf Douglas einzunehmen,
                                                          E
                                                   ge. Auch wenn sich Christoph Graf Douglas
                                                   als Geschäftsführer für Sotheby’s Deutsch-
                                                   land gut in die bayerische Metropole gefügt
                                                   hätte, wo das Auktionshaus seit 1969 ansässig
                                                   war. Für den Vielreisenden hatte die Stadt
                                                                                                     liebsten war ihm der Verbleib der Schätze in
                                                                                                     ihrem geschichtlichen Wirkungsraum. »Er
                                                                                                     hatte ein großes historisches Interesse«, sagt
                                                                                                     seine Tochter. »Es war immer ein Thema, wie
                                                                                                     die Kultur dem Land erhalten bleiben könn-
daran denkt die Dreißigjährige keinen Mo-          am Main jedoch geografisch klare Vorteile.        te. Er hat nach Lösungen gesucht.«
ment. Der Kunstberater ist eine Legende,                1995 traf der promovierte Kunsthistori-            Mit dem Vater hat sie viel über Kunst ge-
sein plötzlicher Tod im Herbst 2016 beendet        ker und Experte für altes Silber dann eine Ent-   sprochen, auch über seine Rolle bei den Ver-
die ebenso erfolgreiche wie diskrete Vermitt-      scheidung: Er verließ das Auktionshaus und        handlungen. »Ich fand das hochinteressant.
lungsarbeit eines »Kunst-Gentlemans«, wie          verlegte sich auf die Vermittlung weniger, da-    Aber das ist natürlich an eine Person gebun-
ihn das Magazin Der Spiegel in einem Por-          für herausragender Objekte. Neben der             den und hat viel mit Vertrauen zu tun.« Als
trät genannt hat.                                  »Darmstädter Madonna« aus dem Besitz des          Graf Douglas mit 68 Jahren völlig überra-
      Gräfin Douglas lebt damals in Berlin,        Hauses Hessen veräußerte er eine wichtige         schend starb, war für sie klar: »Ich fahre zu
seit drei Jahren ist sie für die Galerie Michael                                                     den Kunden, um die Geschäfte abzuschließen,
Haas tätig, die gerade einen großen Neubau                                                           und dann wird die Kunstberatung zuge-
eröffnet hat. Das erste Praktikum absolvierte          »Ich war mir unsicher, wie                    macht.« Schon diese Entscheidung war von
sie bei Haas noch während der Schulzeit,                                                             Bedenken begleitet. Gerade liefen erneut Ver-
hier schätzt sie die Zusammenarbeit mit zeit-             die Kunden reagieren                       handlungen wegen des Meisters von Meß-
genössischen Künstlern, während in Frank-               würden, wenn plötzlich                       kirch: Es ging um zwei Flügel des Hochaltars
furt überwiegend Historisches seinen Besit-                                                          der Stiftskirche St. Martin im oberschwäbi-
zer wechselt. Weshalb sollte sie das aufgeben,            die Tochter vor ihnen                      schen Meßkirch. Das Haus Fürstenberg woll-
um in die übergroßen Fußstapfen des Grafen                 steht. Ich dachte, sie                    te sie dem Land Baden-Württemberg zum
zu treten?                                                                                           Kauf anbieten. Eine anspruchsvolle Aufgabe
      Dessen Liste komplizierter, am Ende je-
                                                        zeigen mir einen Vogel.«                     für Marie-Catherine Gräfin Douglas gleich
doch erfolgreicher Verhandlungen ist beein-                                                          zu Beginn: »Ich wollte auf keinen Fall die
druckend lang. Dank ihm konnte etwa die                                                              Kunden enttäuschen und war mir unsicher,
Stiftung Preußischer Kulturbesitz 2013 die         deutsche Sammlung von Expressionisten und         wie sie reagieren würden, wenn plötzlich die
Reisetagebücher Alexander von Humboldts            verhandelte den Verbleib zentraler Werke des      Tochter vor ihnen steht und sagt, ich nehme
erwerben – Graf Douglas akquirierte Spen-          Meisters von Meßkirch aus der Sammlung des        das jetzt in die Hand. Ich dachte, die Leute
den für den Ankauf und brachte zugleich die        Hauses Fürstenberg in Baden-Württemberg.          zeigen mir einen Vogel.«
Besitzer dazu, auf einige Millionen Euro zu        Casanovas Memoiren bot er mit Erfolg der                Es kam anders. Die ehemaligen Kunden
verzichten. Er versteigerte Kunst aus dem Be-      französischen Nationalbibliothek an.              ihres Vaters machen ihr im Gegenteil Mut.
sitz der Welfen und vermittelte 2011 die                 Solche Coups setzen ein erstklassiges       »Marie-Catherine«, hieß es, »deine Vorbehal-
Schutzmantelmadonna von Hans Holbein               Netzwerk voraus. Douglas, der aus altem           te sind Quatsch. Wir kennen dich und ver-
dem Jüngeren an den Sammler und Unter-             schottischem und badischem Adel stammt,           trauen dir.« Ähnlich verhielten sich die en-
nehmer Reinhold Würth. Und eben Würth              pflegte beste Verbindungen zur deutschen          gen Freunde ihres Vaters, zu denen Prinz
verdankt die junge Kunsthistorikerin, neben        Aristokratie, die sich aus unterschiedlichen      Bernhard von Baden gehörte. Für das Haus
Prinz Bernhard von Baden, schließlich ihren        Gründen von ihren Kunstschätzen trennte.          Baden hatte Graf Douglas 1995 bei Sotheby’s
Sinneswandel.                                      Mal ging es um ein herrschaftliches Erbe          eine gigantische Auktion mit über 25 000­
      Entspannt sitzt sie im ehemaligen Büro       und die damit verbundenen Apanagen. Häu-
des Vaters. Schmal, sehr präsent und selbst-       figer aber verfielen Schlösser, das Geld wurde
bewusst. Die Entscheidung für Frankfurt,           für deren Unterhalt gebraucht. Doch statt         Gräfin Douglas in ihrem Büro. Die antiken
das sei Anfang der Achtzigerjahre eine prag-       bloß seine Chance zu wittern und Provisio-        Möbel sind ebenso Teil der Einrichtung ge-
matische gewesen, erzählt Marie-Catherine          nen nach oben zu treiben, verhandelte Chris-      blieben wie die venezianische Dame auf ­
Gräfin ­Douglas. München, die Hochburg der         toph Graf Douglas stets als Erstes mit den je-    einem Pastell nach Liotard (li.) oder das Bild
Antiquitäten, kam für ihre Eltern nicht infra-     weiligen Bundesländern über Ankäufe; am           eines Verwandten von Lovis Corinth (S. 56)

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     Bild links: Willem de Kooning/VG Bild-Kunst, Bonn 2021; rechts oben: Isa Genzken/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
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Objekten organisiert. Prinz Bernhard sagte            Der Familienunternehmer und Kunst-           die der gemeinsamen Büroetage in den Acht-
zu mir: »Das machst du jetzt!«                   sammler Reinhold Würth, dem ihr Vater da-         zigerjahren ihren exquisiten Stempel aufge-
     Ein Sprung ins kalte Wasser sei es gewe-    mals die Sammlung Fürstenberg vermittelte         drückt hat. Mit der Stoffbespannung im
sen, aber der Freund der Familie habe von        und der zu einem seiner wichtigsten Kunden        »Zeltzimmer« ebenso wie den marmorierten
seinen eigenen Aufgaben erzählt, in die er hi-   zählte, reagierte professionell: »Bieten Sie      Wänden und dem aufwendig restaurierten
neingewachsen sei. »Das schaffst du!« Wie        mir Kunst an, und wir werden sehen«, habe         Parkett. Der Stil der neuen Firmenchefin
zum Beweis seiner Überzeugung übertrug er        er damals gesagt. »Sie müssen etwas draus         blitzt durch, wenn sie etwa einen »Weltemp-
ihr den Sitz des Vaters im Kulturbeirat Klos-    machen.« Douglas legte sich ins Zeug, das Er-     fänger« aus Beton der Künstlerin Isa Genzken
ter und Schloss Salem, in dem neben der          gebnis ihrer Verhandlungen um den Meister         zwischen die Erinnerungsstücke stellt oder
Adelsfamilie auch Vertreter des Landes und       von Meßkirch lässt sich heute in der Staatli-     die Fotografie ihrer eigenen kleinen Tochter.
die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-      chen Kunsthalle Karlsruhe bewundern: Hier               Respekt vor der Lebensleistung ihres
Württemberg sitzen. »Du übernimmst hier          hängen nun die um 1535 entstandenen Tafeln        Vaters spiegelt sich darin, aber vielleicht auch
die Nachfolge und wirst sie auch in Frank-       »Der heilige Johannes der Täufer mit der Stif-    eine größere Ähnlichkeit zwischen beiden,
furt übernehmen«, erklärte Prinz Bernhard        terin Apollonia von Henneberg« und »Die           als man im ersten Moment vermutet. Sie fällt
von Baden überzeugt. Sie solle es einfach aus-   Heilige Maria Magdalena«.                         beim Abgleich beider Biografien auf. Auch
probieren. »Wenn es nichts für dich ist,              Ein paar Jahre später wirkt es wie selbst-   Marie-Catherine Gräfin Douglas lernte nach
machst du die Kunstberatung zu. Du wirst es      verständlich, dass Marie-Catherine Gräfin         dem Studium der Geschichte und Kunstge-
aber später wahnsinnig bereuen, wenn du es       Douglas die Räume im Frankfurter Westend          schichte in München und Paris in Auktions-
nicht versuchst.«                                übernommen hat. Und zwar so, wie alles war.       häusern. Zuerst beim Londoner Versteigerer
                                                 Immer noch schaut der von Lovis Corinth           Bonhams, später in der Berliner Dependance
                                                 1893 gemalte Verwandte Carl Wilhelm Frei-         des traditionsreichen Auktionshauses Lem-
                                                 herr von Gayling zu Altheim auf ein abge-         pertz, wo sie zwei Jahre lang tätig war, bevor
Auf dem Schreibtisch steht das Porträt des
Vaters. Neue Akzente setzt die Kunstbe­
                                                 wetztes Ledersofa, schwere Vorhänge mit           sie zur Galerie Michael Haas wechselte.
raterin mit Gruppenausstellungen, an denen       Quasten und dunkelrote Wände. Hinter ei-                Den Einstieg in die Douglas Kunstbera-
auch Raha Raissnia mit einer mehrteiligen        nem antiken Schreibtisch türmt sich die im-       tung erleichterte ihr die langjährige Mitar-
Arbeit (2011/13) beteiligt war (oben links),     posante Bücherwand. Ein klassisches Her-          beiterin des Vaters, Melanie Schäfer, die be-
und einem »Weltempfänger« von Isa ­              renzimmer, eingerichtet von ihrer Mutter,         reits seit Sotheby’s-Tagen für ihn tätig war
Genzken im Arbeitszimmer (oben rechts)           der Innenarchitektin Bergit Gräfin Douglas,       und das Unternehmen weiter begleitet. »Die-

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se Kontinuität war nach dem plötzlichen Tod     einarbeiten und für ein Ziel kämpfen.« Gera-       Freud, Christa Näher, Daniel Richter und jun-
meines Vaters auch für die Kunden wichtig.      de, bei einem Kunden, sei es um Wandteppi-         gen Talenten wie Lucie Beppler aus Frankfurt,
Ich habe sicher ein gutes Auge für Kunst, er-   che gegangen – eine gänzlich neue Aufgabe          die die Kunstberaterin schon länger verfolgt:
kenne Qualität und habe mich auf bestimm-       für sie, aber »immer wieder spannend«.             »Mich fasziniert die Ambivalenz ihrer Papier-
te Epochen fokussiert. Aber ich bin keine Ex-         Wo sich die Douglas Kunstberatung ver-       arbeiten. Die Bildräume, die sie durch ihre
pertin etwa für alte Bücher und arbeite         ändert, geschieht dies in kleinen Schritten.       feinen Strichführungen schafft, wirken fragil.
deshalb wie mein Vater mit diversen Spezia-     Diskretion ist weiter selbstverständlich. Nur      Gleichzeitig entsteht durch das dichte Linien-
listen zusammen, die Werke in meinem Auf-       manchmal, wie bei der »Madonna im Wald«            gefüge ein scheinbar undurchdringliches Ge-
trag schätzen. Erst dann sage ich den Kun-      von Otto Dix, die seit März 2019 im Museum         webe.« Außerdem wolle sie zeigen, wie gut
den, zu welchen Konditionen ich glaube,         Haus Dix am Bodensee hängt, erfährt man            man mit Alt und Neu leben könne; dass sich
ihre Schätze vermitteln zu können.«             von Douglas� Intervention. Allerdings gibt es      geerbte Dinge integrieren ließen und für äs-
      Und das Geschick im Verhandeln, die       inzwischen eine Website – ein Medium, für          thetische Spannung sorgten, sagt Douglas,
Psychologie erfolgreicher Gespräche: Liegt      das sich ihr Vater nicht begeistern konnte –       während sie auf die noch hängenden Bilder
das möglicherweise in den Genen? Eher           und neue Kunden, die sich eine Sammlung            zeigt. Und auf ein Gemälde, das an der Wand
nicht, sagt Douglas und lacht. Ihr Vater habe   aufbauen wollen. »Junge Leute meiner Gene-         lehnt, als »Beispiel für die alte Kunst«, um die
viel telefoniert, sei mit den Kunden in Kon-    ration.« Manche begleiten sie zu Auktionen         es auch weiterhin geht. Ein Kunde möchte
takt geblieben. »Ganz ähnlich sehe ich meine    nach Paris, London oder New York, ihrem            sich von dem Bild trennen, doch zuerst wird
Stärken im Interesse an den Menschen. Dazu      Pflichtprogramm. Umgekehrt lud sie Kunden,         es gereinigt. Der Firnis ist dunkel geworden.
begeistere ich mich für Kunst, kann mich        die sich mehr für alte Kunst interessieren, 2019        »Ausstellungen haben mir schon in der
                                                nach Berlin zum Gallery Weekend und führ-          Galerie Spaß gemacht. Vor ein paar Jahren
                                                te persönlich durch die zeitgenössische Gale-      dachte ich, ich würde damit weitermachen
                                                rieszene und die Ausstellung »Mantegna und         und mich ausschließlich mit aktueller Kunst
Für die Atmosphäre im Büro sorgte die ­
Innenarchitektin Bergit Gräfin Douglas
                                                Bellini« in der Gemäldegalerie.                    auseinandersetzen. Aber manchmal schließt
1985: Das stoffbespannte Konferenzzimmer              Neu sind auch die Ausstellungen in den       sich eine Tür, und eine andere geht auf.« Bei
mit der großen Lampe von Ingo Maurer er-        Frankfurter Räumen. Gleich zwei fanden bis         Marie-Catherine Gräfin Douglas war es die
innert an ein Zelt. Als Kind drückte ihre       zum Corona-Ausbruch im Frühjahr 2020               Tür ins väterliche Büro. Und wenn heute je-
Tochter Marie-Catherine ihre Hand auf die       statt, beide mischten Werke des 18. Jahrhun-       mand sagt, das seien ja große Fußstapfen,
frisch m
       ­ armorierte Wand im Flur (oben re.)     derts mit solchen von Lovis Corinth, Lucian        entgegnet sie: »Man findet seinen Weg.« ×

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