Strengere Regeln im Med- tech-Sektor: Die revidierte Medizinprodukteverordnung
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N Monthly Newsletter May 2021 Life Sciences Strengere Regeln im Med- tech-Sektor: Die revidierte Medizinprodukteverordnung Lorenza Ferrari Hofer, Philipp Groz, Sarah Leins-Zurmuehle Key Take-aways 1. 2. 3. Zur Verstärkung der Produktesicherheit Hersteller, Importeure und Händler Da das Anerkennungsabkommen mit gelten in der Schweiz und in der EU seit müssen zusätzlichen regulatorischen der EU (MRA) nicht rechtzeitig aktuali- 26. Mai 2021 neue, strengere Regeln für Anforderungen nachkommen. siert werden konnte, hat der Bundes- Medizinprodukte. rat kurzfristig weitere Bestimmungen erlassen, um damit verbundene negative Auswirkungen zu mildern.
Monthly Newsletter / May 2021 1 Revision der Schweizer Der Warenverkehr im Bereich Medizinprodukte sowohl von Medizinprodukteverordnung der Schweiz in die EU als auch umgekehrt ist bedeutsam. Um auch in Zukunft den freien Warenverkehr innerhalb Europas zu gewährleisten, wurden die regulatorischen Vorschriften in der Am 26. Mai 2021 trat nach mehrjährigen Revisionsbestrebun- Schweiz den Bestimmungen der MDR weitgehend angepasst. gen die revidierte Medizinprodukteverordnung ("revMepV") Dies liegt sowohl im Interesse der Schweizer Hersteller von Me- in der Schweiz in Kraft. dizinprodukten, welche in die EU exportiert werden, als auch im Die revMepV regelt die Anforderungen an das Inverkehr- Interesse von ausländischen Herstellern, welche ihre Produkte in bringen und den Vertrieb von Medizinprodukten. Medizinpro- die Schweiz absetzen. Nicht zuletzt dient dieser freie Warenver- dukte sind Heilmittel, deren Hauptwirkung nicht durch ein Arznei- kehr auch der sicheren Versorgung des Schweizer Gesundheits- mittel (also ein Produkt chemischen oder biologischen Ursprungs) wesens mit Medizinprodukten aus dem europäischen Ausland. erzielt wird. Sie umfassen Instrumente, Apparate, Geräte, Vor diesem Hintergrund ist auch das seit dem Jahre 2002 Software, Implantate und andere Gegenstände, die gemäss in Kraft stehende Abkommen über die gegenseitige Anerken- ihrer Zweckbestimmung im oder am menschlichen Körper wirken. nung von Konformitätsbewertungen zwischen der Schweiz Anwendungsbeispiele für Medizinprodukte sind Fieberthermo- und der EU (Mutual Recognition Agreement, "MRA") vor grosser meter, Verbandsmaterialien, Spritzen, Blutzuckermessgeräte oder Bedeutung. Dieses stellt den möglichst ungehinderten Markt- auch Health-Apps mit medizinischer Zweckbestimmung. zugang durch Abbau technischer Handelshemmnisse sicher. Nach der bisherigen Medizinprodukteregulierung wurde Das MRA muss mit Blick auf die grundlegenden regulatorischen für die Qualifikation als Medizinprodukt zwingend eine medi- Änderungen in der EU und der Schweiz im Medizinprodukterecht zinische Zweckbestimmung vorausgesetzt. Diese konnte nachgeführt werden. Dieser Prozess ist aber aufgrund der paral- bspw. in der Diagnose oder Behandlung von Krankheiten, lel laufenden Gespräche über das Institutionelle Rahmenab- Verletzungen und Behinderungen, der Untersuchung oder kommen zwischen der Schweiz und der EU ins Stocken geraten. Veränderung der Anatomie, der In-Vitro-Diagnostik oder dem Da die Aktualisierung des MRA nicht mehr rechtzeitig bis zum Bereich der Empfängnisverhütung liegen. Inkrafttreten der revMepV abgeschlossen werden konnte, hat Neu werden verschiedene Produktegruppen be- der Bundesrat am 19. Mai 2021 kurzfristig einen Änderungserlass stimmt, die auch ohne medizinische Zweckbestimmung zur totalrevidierten revMepV verabschiedet. Die vorgesehenen der Schweizer Medizinprodukteregulierung unterstehen. Dabei Änderungen traten ebenfalls per 26. Mai 2021 in Kraft und sollten handelt es sich mehrheitlich um Produkte, deren Einsatz im die drohenden negativen Auswirkung der verzögerten Aktuali- oder am Körper mit gewissen Sicherheits- oder Gesundheits- sierung des MRA abmildern. Ohne die Erleichterungen des MRA bedenken einhergeht, weil sie eine Wirkung auf den Körper müssen beispielsweise Hersteller aus der EU unter der revMepV aufweisen oder einen operativen Eingriff bedingen. So müssen seit dem 26. Mai 2021 einen Bevollmächtigten in der Schweiz neu bspw. auch (korrigierte oder auch nur farbige) Kontakt- ernennen und die Produkte mit seinen Angaben kennzeichnen. linsen, Füllstoffe zur Faltenunterspritzung, Geräte zur Fettent- Die revMepV sieht nun Übergangsfristen vor, um den betroffenen fernung sowie gewisse Haar- und Hautentfernungsgeräte den Akteuren hierfür mehr Zeit zu gewähren. Vorgaben der Medizinprodukteregulierung gerecht werden. Zudem qualifizieren als Medizinprodukte nun auch Erzeug- nisse, welche spezifisch zur Reinigung, Desinfektion oder 3 Die wichtigsten Neuerungen Sterilisation von Medizinprodukten bestimmt sind. 3.1 Höherklassifizierung und Neukonformitätsbewertung Abhängig von dem mit einem Medizinprodukt einhergehenden 2 Hintergrund: Neue EU-Medizin- Risiko, der Kontaktdauer zum Menschen sowie ihrer Invasivität produkteverordnung (MDR) werden die Medizinprodukte in den Medizinprodukteklassen I bis III neu eingestuft. Dies führt punktuell zu einer Höherklas- sifizierung einzelner Produkte. So wird bspw. Software mit Gleichzeitig mit dem Inkrafttreten der revMepV begann auch medizinischer Zweckbestimmung (inklusive entsprechende die Geltung der neuen EU-Medizinprodukteverordnung (Me- Mobile Apps) statt wie bisher der Klasse I neu regelmässig dical Device Regulation 2017/745, "MDR"), welche bereits im mindestens der Klasse IIa angehören. Auch das in Zahnfül- Mai 2017 in Kraft trat. lungen und -prothesen oftmals enthaltene Nanomaterial wird Die MDR, welche die bisherige EU-Medizinproduktericht- bspw. nun grundsätzlich höher klassifiziert. linie ersetzt, zielt im Wesentlichen darauf ab, die Effektivität Diese Höherstufung geht mit zusätzlichen regulatori- und Sicherheit von Medizinprodukten zu erhöhen. Hinter- schen Pflichten einher. Zentral ist hierbei, dass bei Medizinpro- grund dieser Entwicklung waren verschiedene Vorfälle mit dukten ab Klasse IIa für die Konformitätsbewertung zwingend fehlerhaften Medizinprodukten in der Vergangenheit. Nach eine Konformitätsbewertungsstelle (sog. bezeichnete Stelle) wie vor sollen Medizinprodukte – im Gegensatz zu Arzneimit- zu involvieren ist. Es genügt daher nicht, wenn der Hersteller teln – zwar nicht einer eigentlichen behördlichen Zulassungs- selbst in einer Erklärung bestätigt, dass seine Produkte allen kontrolle unterliegen. Das Prinzip der Selbstkontrolle bleibt Anforderungen entsprechen. Vielmehr müssen sich diese also bestehen. Jedoch werden erhöhte Anforderungen an die Medizinprodukte nun praktisch innert bestimmter Übergangs- Sicherheit und Konformitätsbewertung der Medizinprodukte fristen einer Neukonformitätsbewertung unter den neuen vor dem Markteintritt wie auch an die Überwachung nach dem Bestimmungen unterziehen. Dabei kommt es zurzeit zu Inverkehrbringen gestellt. einem Engpass bei den wenigen bezeichneten Stellen, was zu
Monthly Newsletter / May 2021 zeitlichen Verzögerungen führen kann. heitsrelevanten Belange im Zusammenhang mit dem Inver- Zu berücksichtigen ist, dass die Bescheinigungen, die kehrbringen des Produkts. Er bildet in der Schweiz die primäre von nach dem EU-Recht bezeichneten Stellen mit Sitz in einem Anspruchsperson für Swissmedic und hat bspw. zu gewährleis- EU- oder EWR-Staat ausgestellt werden und nach altem Recht ten, dass Behörden auf die technische Dokumentation und die automatisch anerkannt wurden, auch bis zur Aktualisierung des Konformitätserklärung zugreifen können. Handelt es sich um MRA den Bescheinigungen schweizerischer Stellen gleich- einen Hersteller aus einem EU- oder EWR-Staat oder hat der gestellt werden. Dies ist der Fall, sofern glaubhaft dargelegt Hersteller einen Bevollmächtigten mit Sitz in einem solchen werden kann, dass die angewandten Konformitätsbewertungs- Staat benannt, so bestehen folgende Übergangsfristen zur Be- verfahren den schweizerischen Anforderungen genügen und nennung eines Schweizer Bevollmächtigten: sie von einer aus Sicht der Schweiz ausreichend qualifizierten — für Produkte der Klasse III, implantierbare Produkte der Stelle ausgestellt wurden. Klasse IIb und aktive implantierbare Medizinprodukte: bis zum 31. Dezember 2021; — für nicht implantierbare Produkte der Klasse IIb und Produk- te der Klasse IIa, wie insbesondere Medizinprodukte-Soft- ware: bis zum 31. März 2022; Klare Verschärfung — für Produkte der Klasse I: bis zum 31. Juli 2022. der regulatorischen Da die bevollmächtigte Person erheblichen regulatorischen Rahmenbedingungen für Pflichten und Haftungsrisiken unterliegt, ist eine detaillierte vertragliche Regelung zwischen Hersteller und Bevollmächtig- Medtech-Unternehmen. tem unabdingbar. Für alle dem Hersteller in der Distributionskette nach- gelagerten Akteure (Bevollmächtigte, Importeure, Händler) sind weiter diverse Zusammenarbeits- und Aktenaufbewah- rungspflichten vorgesehen. Dadurch soll unter anderem die 3.2 Nachweis der klinischen Bewertung Rückverfolgbarkeit der vertriebenen Medizinprodukte sicherge- Der Nachweis der Einhaltung der grundlegenden Sicherheits- stellt werden. Dies erlaubt im Falle von Sicherheitsbedenken die und Leistungsanforderungen eines Medizinproduktes be- rasche Identifikation und Kontaktierung betroffener Personen. inhaltet nun auch gesetzlich ausdrücklich einen Nachweis der Die Hersteller oder ihre Bevollmächtigten, wie auch klinischen Bewertung. Die klinische Bewertung umfasst das die Importeure haben sich innerhalb von drei Monaten nach Etablieren eines systematischen und geplanten Prozesses zur erstmaliger Inverkehrsetzung von Medizinprodukten auf dem kontinuierlichen Sammlung und Analyse von klinischen Daten Markt bei Swissmedic zu registrieren und die eingetrage- zur Sicherheit und Leistung des Produkts. Entsprechend ist nen Daten regelmässig zu aktualisieren. Wirtschaftsakteure, die klinische Bewertung über die Lebensdauer eines Medizin- die bereits vor dem 26. Mai 2021 unter Einhaltung der Anfor- produkts laufend zu aktualisieren. Im Falle von implantierba- derungen der MDR in Verkehr gebracht worden sind, haben ren Medizinprodukten und Produkten der Klasse III müssen die Registrierung bis zum 26. November 2021 vorzunehmen. grundsätzlich auch klinische Prüfungen durchgeführt werden. Die Schweizer Behörden werden voreinst – mit Ausnahme öffentlich zugänglicher Daten – keinen Zugriff haben auf die 3.3 Erweiterte Überwachung nach zentrale europäische Datenbank für Medizinprodukte zur Um- dem Inverkehrbringen und Pflicht setzung des MDR (EUDAMED). zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit Hersteller und Vertriebspartner haben Medizinprodukte auch nach dem Inverkehrbringen auf dem Markt weiter zu überwa- 4 Ausblick chen (sog. post-market surveillance). Auch die diesbezüglichen Anforderungen wurden erhöht. Im Falle von sicherheitsrele- Die revidierten Bestimmungen der Medizinprodukteverord- vanten Vorfällen müssen die zuständigen Behörden sofort nach nung bedeuten für Medtech-Unternehmen eine klare Ver- Kenntnisnahme informiert werden (sog. vigilance). schärfung des regulatorischen Rahmens. Die Medizin- Die Hersteller müssen ein für die Risikoklasse und Art des produkteregulierung wird künftig auch für viele Produkte, die Produkts angemessenes Überwachungs- und Qualitätsma- bisher nicht als Medizinprodukte gegolten haben, Anwendung nagementsystem implementieren. Hersteller von Produkten finden. Hersteller von nun höher klassifizierten Produkten (wie der Klassen IIa und höher erstellen neu für jedes Produkt einen bspw. von Software und Apps) werden neu strengeren Sicher- separaten Sicherheitsbericht. Dieser fasst unter anderem die heits- und Dokumentationsvorgaben gerecht werden müssen. Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der Überwachung nach Für europaweit tätige Medizinproduktehersteller und dem Inverkehrbringen zusammen und beschreibt ergriffene Prä- -händler wird es sodann von zentraler Bedeutung sein, ob ventiv- und Korrekturmassnahmen. Der Sicherheitsbericht muss das MRA zwischen der Schweiz und der EU noch aktualisiert regelmässig aktualisiert und den an der Konformitätsbewertung werden kann. Leider sieht es im Moment nicht danach aus. mitwirkenden bezeichneten Stellen vorgelegt werden. Dies könnte bedeuten, dass die zwischen der Schweiz und Neu müssen Hersteller, die ihren Sitz nicht in der Schweiz der EU bisher gültigen gegenseitigen Erleichterungen des haben, für die Schweiz einen Bevollmächtigten benennen. Marktzugangs für Medizinprodukte künftig definitiv verloren Der Bevollmächtigte ist zuständig für die formellen und sicher- gehen werden.
Monthly Newsletter / May 2021 Dr. Lorenza Ferrari Hofer Philipp Groz Roland Mathys Dr. des. Sarah Leins-Zurmuehle Partnerin Zürich Partner Zürich Partner Zürich Associate Zürich lorenza.ferrari@swlegal.ch philipp.groz@swlegal.ch roland.mathys@swlegal.ch sarah.leins@swlegal.ch Der Inhalt dieses Newsletters stellt keine Rechts- oder Steuerauskunft dar und darf nicht als solche verwendet werden. Sollten Sie eine auf Ihre persönlichen Umstände bezogene Beratung wünschen, wenden Sie sich bitte an Ihre Kontaktperson bei Schellenberg Wittmer oder an eine der oben genannten Personen. Schellenberg Wittmer AG ist Ihre Schellenberg Wittmer AG Rechtsanwälte führende Schweizer Wirtschaftskanzlei Switzerland Awards 2021 mit mehr als 150 Juristinnen und Schellenberg Wittmer Firm of the Year Zürich Löwenstrasse 19 Juristen in Zürich und Genf sowie Postfach 2201 8021 Zürich / Schweiz einem Büro in Singapur. Wir kümmern T +41 44 215 5252 uns um alle Ihre rechtlichen Belange – www.swlegal.ch Transaktionen, Beratung, Prozesse. Genf 15bis, rue des Alpes Postfach 2088 1211 Genf 1 / Schweiz T +41 22 707 8000 www.swlegal.ch Singapur Schellenberg Wittmer Pte Ltd 6 Battery Road, #37-02 Singapur 049909 T +65 6580 2240 www.swlegal.sg
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