Strom ohne Atom Der Konflikt, die Bewegung, die Zukunft - ESG
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Publik-Forum D O S S I E R Strom ohne Atom Der Konflikt, die Bewegung, die Zukunft ESG Diese PDF ist zu Ihrem persönlichen Gebrauch 1>
< DOSSIER Editorial Der Konflikt DOSSIER > ist Chef des Sachverständigenrates für Um- FOTO: PA/ROESSLER weltfragen der Bundesregierung und damit einer der »Umweltweisen«. Seine Weisheit scheint bei der Regierung Liebe Leserinnen, liebe Leser, kaum gefragt. Ihr Energiekonzept setzt zwar breit an, ist aber auf die Interessen der Atomkonzerne zugeschnitten. Klar: Auch die Bundesregierung hat sich entschieden. Sie folgt mit ihrem Atomkurs den Angela Merkel will den Umstieg auf erneu- Wünschen der großen Energiekonzerne. Nach den Beschlüssen des Kabinetts erbare Energien. Bis zum Jahre 2050 sollen müssen sich die Deutschen auf weitere 25 bis 30 Jahre Atomkraft einstellen. Das bedeutet noch mehr strahlenden Atommüll, noch größere Unfallgefahren und dafür weniger Chancen für die erneuerbaren Energien, denen die Atomkraft vor allem Offshore-Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee, aber auch Solaranlagen so weit ausgebaut sein, dass 2050 rund Zukunft gehört. Stattdessen wird die Macht der Großkonzerne mit ihren zentralistischen Großtechnologien weiter zementiert. für immer? 80 Prozent des Stroms ökologisch produ- ziert werden. Im gleichen Zeitraum soll viel Strom eingespart werden. Für den Klima- Mit ihrem Kotau vor den Konzernen verpasst die Regierung eine große schutz rechnet die Regierung mit einer Mil- Die Regierung gehorcht den großen Chance: nämlich in Deutschland endgültig eine Energiewirtschaft lion Elektrofahrzeuge 2020 und sechs Mil- Energiekonzernen aufs Wort lionen 2030, das klimaschädliche Kohlendi- durchzusetzen, die künftigen Generationen so wenig Lasten wie möglich oxid aus Kohlekraftwerken will die Regie- hinterlässt, die die Endlichkeit der Ressourcen respektiert und die die rung abscheiden und unter die Erde pres- Grundlage für eine innovative und nachhaltige Wirtschaft bietet. Dabei haben sen. Um für diesen Übergang bis 2050 je- zahlreiche Wissenschaftler aus unterschiedlichen politischen Lagern längst doch »verlässlich billigen Strom zu haben«, nachgewiesen, dass Strom ohne Atom schon in wenigen Jahrzehnten möglich so Merkel, baut die Regierung den Atom- ist. Längst wissen Unternehmensberater, dass das Gros der künftigen konzernen eine Brücke: Sie verlängert die Arbeitsplätze grün sein wird oder gar nicht. Die Bundesregierung ignoriert Laufzeiten der Reaktoren – als Gegenleis- diese Chancen. tung sollen die Betreiber jährlich 2,3 Milli- arden Euro in den Bundeshaushalt zahlen. Deshalb wächst der Widerstand gegen ihre Atompolitik – auch bei Menschen, die sich bisher kaum politisch engagiert haben. Dieser Widerstand weckt die Eine Brücke zu den Konzernen Hoffnung, den Atomkurs der Regierung noch kippen zu können. Mit dem Mit der Theorie von der Atomkraft als Brü- vorliegenden Dossier wollen wir diese Hoffnung stärken. Es zeigt auf, wie cke zu den Erneuerbaren unterwirft sich Städte und Regionen schon heute erfolgreich in das Zeitalter der die Regierung den Konzernen. Deren Spit- erneuerbaren Energien einsteigen. Es zeigt auf, wie auch bundesweit eine zen wissen genau, dass ihr Atomstrom im nächsten Jahrzehnt leicht ersetzt werden Stromversorgung ohne Atom möglich ist. Und es zeigt auf, wie vielfältig und kann. Schon im vergangenen Jahr war fantasievoll sich immer mehr Menschen gegen die Atompolitik engagieren, Strom aus acht Reaktoren überflüssig. Wer- weil sie wissen: Politik bewegt sich nur, wenn sich die Menschen bewegen. den jedes Jahr – wie fest geplant – mehrere Wenn nicht jetzt, wann dann? Von Wolfgang Kessler ren immer wieder mit geringerer Leistung Tausend Megawatt Solaranlagen und meh- arbeiten und verschoben die Reststrom- rere Tausend Megawatt Windkraft dazuge- In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine ebenso aufregende wie spannende E s geschah im Morgengrauen des mengen auf andere Kraftwerke. So muss- baut, ist der Atomstrom bald überflüssig. Lektüre 6. September. Um 5.23 Uhr hatten ten bisher nur die Reaktoren in Stade und Solange jedoch die Atomkraftwerke wei- die Spitzen von RWE, E.On, Vatten- Obrigheim vom Netz, alle anderen konnten ter laufen, hemmt der Atomstrom die Er- fall und EnBW mit der Bundesregierung sie bis zum Regierungswechsel retten. neuerbaren: Er verstopft die Netze. Wollen vereinbart, dass ihre 17 Atomreaktoren dezentrale Anbieter mal mehr, mal weniger durchschnittlich zwölf Jahre länger laufen Kampf gegen die Erneuerbaren sauberen Strom einspeisen – je nach Sonne Wolfgang Kessler (Publik-Forum) dürfen, als bisher vereinbart. Spätestens Parallel versuchten die Konzerne, die er- und Wind –, dann müssten die Atomkraft- um 5.24 Uhr müssen in den Zentralen der neuerbaren Energien und die Kraft-Wär- werke flexibel zu- oder abgeschaltet wer- Dieses Dossier wird gemeinsam getragen von: Konzerne die Sektkorken geknallt haben. me-Kopplung klein zu halten und zu dis- den. Was Gaskraftwerke können, dauert bei attac, Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, Campact, Evangelische Auf diese Vereinbarung hatten die Kon- kreditieren. Sie begründeten jede Strom- Atomanlagen fünfzig Stunden. Studierendengemeinden, Katholische Landjugendbewegung Deutschlands, zernspitzen seit 2001 hingearbeitet. Das preiserhöhung mit dem Ökostrom. Sie Die Brücke zur Atomkraft hat deshalb Publik-Forum, Franz Alt: www.sonnenseite.com, X-tausendmal quer war jenes Jahr, in dem sie mit Rot-Grün den heimsten Genehmigungen für den Bau von Folgen für Jahrzehnte: noch mehr Atom- langfristigen Ausstieg aus der Atomkraft Offshore-Windparks ein, ohne diese zu müll, wachsende Unfallgefahren, weniger vereinbaren mussten. Durch zähes Verhan- bauen. Ihre Ziele sind klar: Sie wollen ihre Chancen für erneuerbare Energien. Und deln und mit dem Druckmittel hoher Ent- Macht als zentrale Großanbieter gegen die niemand sage, in 25 Jahren sei endgültig schädigungsforderungen konnten sie den wachsende Konkurrenz dezentraler Anbie- Schluss. Kaum war die Tinte unter der impressum: Publik-Forum Dossier: Strom ohne Atom. Der Konflikt, die Bewegung, die Zukunft Herausgeber: Publik-Forum, attac, Bund für Umwelt- und Naturschutz Ausstieg aus der Atomkraft bis etwa 2022 ter wie zum Beispiel kommunaler Stadt- Atomvereinbarung trocken, sagte RWE- Deutschland, Campact, Evangelische Studierendengemeinden, Katholische Landjugendbewegung Deutschlands, Franz Alt: www.sonnenseite.com, X-tausendmal quer Re- strecken. Für kritische Beobachter war werke stärken. Ihre zusätzlichen Gewinne Vorstandsmitglied Rolf Martin Schmitz, daktion: Wolfgang Kessler (v.i.S.d.P.), Teresa Schneider, Barbara Tambour Gestaltung: Armin Rohrwick Titelbild: pa/Fellens Verleger: Publik-Forum Verlagsgesellschaft schon damals klar, dass sie alles tun wür- durch verlängerte Laufzeiten könnten bis dass man »in acht Jahren« wieder über das mbH, gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer Richard Bähr; ladungsfähige Anschrift für Redaktion und Verlag: Krebsmühle, D-61440 Oberursel Postanschrift: Pu- blik-Forum, Postfach 2010, D-61410 Oberursel Telefon: 06171/7003–0 Fax: 06171/7003–40 E-Mail: verlag@publik-forum.de Web: www.publik-forum.de Druck: Dierichs den, um den Ausstieg zu hintertreiben. Und zu 80 Milliarden Euro betragen, schätzt Thema werde reden müssen. Sie wollen Druck + Media GmbH & Co. KG, Frankfurter Straße 168, 34121 Kassel © Oktober 2010 Publik-Forum Verlagsgesellschaft mbH das taten sie. Zunächst ließen sie Reakto- Olav Hohmeyer. Der Flensburger Professor Atomkraft für immer. ■
< DOSSIER Der Konflikt Der Konflikt DOSSIER > Todsichere Lager len? Warum nicht! Lange Zeit galt die Asse als »Pilotprojekt« für das geplante große Endlager im Salzstock Gorleben. Davon Dinosaurier ade spricht heute keiner mehr, aber die Atom- Kein Gramm Atommüll ist bisher schadlos entsorgt. Atomkraftwerke sind viel schneller ersetzbar, als die Regierung gemeinde – jener Filz aus Betreibern, Poli- Atomkraft – die Fakten Und so strahlt er weiter, wo immer er liegt tikern und Aufsichtsbehörden – verfolgt ih- glauben macht. Ein Plädoyer re Interessen trotzdem sehr beharrlich. Sie ● Derzeit sind auf der Welt 437 Atom- lässt jetzt wieder den Salzstock erkunden. kraftwerke in Betrieb. 54 Atommeiler ten dort nahezu kostenlos 126 000 Fässer, Über eine Million Jahre strahlt der hoch FOTO: PRIVAT Von Gunhild Seyfert Von Thorben Becker befinden sich momentan im Bau, und von denen heute keiner mehr genau weiß, radioaktive Müll, so lange müsste hier geo- 24 weitere sind in Planung. Gleich- D D ie Regierung sind in Not – welt- was darin ist. Den Lieferanten wurde er- logisch alles stabil bleiben. Chemische Re- ie Bundesregierung hat ihr »ener- weit: Für die vielen Millionen Ton- laubt, den Inhalt selbst zu deklarieren, und aktionen mit dem eingelagerten Müll dürf- giepolitisches Gesamtkonzept« zeitig werden aktuell 78 Reaktoren nen strahlenden Abfalls gibt es keiner überprüfte ihre Angaben. Die Abfall- te es nicht geben. Kontakt zu Grund- oder beschlossen. Obwohl Kanzlerin stillgelegt oder demontiert. auf der ganzen Welt kein sicheres Endlager. gebinde sind nicht gekennzeichnet und Meerwasser und zur Biosphäre dürfte nicht Merkel und die Minister Norbert Röttgen ● In Deutschland sind 17 Reaktoren Kein Gramm Atommüll ist bislang schadlos heute nicht mehr zugänglich. Jahrtausende- vorkommen. Vor 20 000 Jahren formte die und Rainer Brüderle in blumigen Worten in Betrieb; 12 Atommeiler werden entsorgt. Nur wenn das gewährleistet wäre, lang sei die Asse sicher, beteuerte man. Tat- letzte Eiszeit die Berge, Seen und Flüsse. von einer »Revolution« und von erneuer- demontiert oder stillgelegt. Es ist dürften nach deutschem Recht Atomkraft- sächlich hielt sie nur 20 Jahre. Ein Endlager müsste Sicherheit für den baren Energien und Effizienz reden, geht werke überhaupt betrieben werden. Damit Jeden Tag fließen 12 000 Liter Laugen ein, fünfzigfachen Zeitraum gewährleisten. es im Kern nur um eines: die Verlängerung kein neues Atomkraftwerk geplant. ihr Betrieb dennoch irgendwie rechtlich die nicht zu stoppen sind. Einzelne oder Gorleben. Bei der »geordneten Zwi- der AKW-Laufzeiten bis über das Jahr 2040 ● Der Anteil der Atomkraft an der abgesichert ist, geben Regierungen soge- ganze Ketten von Gruben können jetzt ein- schenlagerung« stehen die Behälter mit hinaus. Es geht nicht um ein zukunftsfähi- Stromerzeugung in Deutschland liegt nannte »Entsorgungsvorsorgenachweise«. brechen. Also muss man die strahlende hoch radioaktivem Müll in oberirdischen ges Energiekonzept und nicht um eine Brü- bei 29 Prozent. Atomkraftwerke de- Als »Nachweis« staatlicher Vorsorge müs- Fracht wieder aus der Asse rausholen. Aber Hallen. Die Castoren sollen da abkühlen, cke zu den erneuerbaren Energien. Denn sen mal die einen, mal die anderen herhal- wie? Keiner weiß das. Wie man ein »Endla- denn sie sind sehr heiß. Tritt Radioaktivität diese können die Atomkraft deutlich früher cken rund 16 Prozent des globalen ten: die vom Einsturz bedrohte Asse oder die ger« räumt – dafür gibt es keinen Plan. Da aus, gelangt sie über die großen Öffnungen als geplant ersetzen. Die Fachleute der Thorben Becker ist der Teamleiter Strombedarfs. Erkundungen im Salzstock Gorleben, die gibt es halt mal ein neues Experiment. für den kühlenden Wind direkt in die Luft. Bundesregierung vom Sachverständigen- Klimaschutz beim BUND ● 2009 lag der Anteil der Atomkraft Atommülltransporte ins Ausland, insbeson- Morsleben in Sachsen-Anhalt liegt nur In solch einer besseren Kartoffelscheune rat für Umweltfragen und vom Umwelt- an der Primärenergieerzeugung hier- dere Russland, oder die »geordnete Zwi- 45 Kilometer östlich der Asse. Das ist auch so stehen die Castoren auch am Rande von bundesamt fordern eine Richtungsent- zulande bei 11 Prozent. Weltweit wer- schenlagerung«. Das klingt richtig ordent- ein kurzlebiges »Endlager«, vielleicht noch Gorleben. Beim letzten Castortransport ins scheidung gegen die Atomkraft. Aber sie treiber: Die Zusatzgewinne der AKW-Be- lich und rührend besorgt. In Wirklichkeit gefährlicher als die Asse. Wieder gibt es Zu- Wendland im Jahre 2008 registrierten Um- werden ignoriert. treiber durch die Verlängerung der Lauf- den in etwa 3 Prozent der Primär- schafft die Atomwirtschaft riesige hochge- flüsse von Laugen und die Gefahr, dass un- weltschützer am vorbeifahrenden Atom- Angela Merkel und ihren Ministern geht zeiten belaufen sich auf bis zu 94 Milliar- energie mit Atomkraft erzeugt. fährliche Müllhaufen und einen Berg von terirdisch alles einstürzt. Bergeweise stapel- müll-Zug alarmierende Strahlungswerte. es nicht um ein ernst gemeintes Energie- den Euro. Nur ein kleiner Teil davon soll in ● Mehr als 200 000 Tonnen hochra- unlösbaren Problemen, den unsere Kinder ten sich Ende der 1980er-Jahre die Fässer 1,5 Milliarden Euro hat man bislang in konzept für Deutschland. Sie arbeiten an einen Energieeffizienz- und Klimaschutz- dioaktiven Mülls gibt es heute welt- und alle folgenden Generationen erben. mit Atommüll an den westdeutschen Kraft- die Erkundungen des Salzstocks Gorleben einer grundsätzlichen Richtungsentschei- fonds eingezahlt werden. Von diesem Geld weit. Im Jahr 2020 werden es Schät- Die Asse schreckt wie ein Mahnruf auf: werken. Zum Glück kam die Wiedervereini- versenkt. Die Räumung der Asse ver- dung mit langfristigen Folgen. Sie planen wird etliches wieder an die Stromkonzerne Schlampig, verantwortungslos und chao- gung – und mit ihr Umweltministerin Angela schlingt wohl 3,7 Milliarden Euro. Die im- das Aus für einen raschen und umfassen- zurückfließen: Wenn den Betreibern höhe- zungen zufolge ungefähr tisch wird hierzulande Atommüll gelagert. Merkel. Sie erlaubte, den strahlenden Müll mensen Risiken und Kosten tragen aber den Umstieg auf erneuerbare Energien. re Kosten für Sicherheitsnachrüstungen 445 000 Tonnen sein. Das stillgelegte Salzbergwerk im nieder- zu einem Spottpreis ins ehemalige DDR- nicht E.On, RWE, EnBW und Vattenfall, son- Wir brauchen dagegen eine Richtungs- über 500 Millionen Euro pro Jahr entste- ● Weltweit existiert derzeit kein End- sächsischen Landkreis Wolfenbüttel wurde Endlager Morsleben zu verfrachten. War- dern die Allgemeinheit und die kommen- entscheidung für erneuerbare Energien hen, erhalten Sie wieder Geld vom Staat. lager für hochradioaktiven Abfall. In ab 1967 zum »Versuchsendlager« für nungen von Geologen ignorierte sie. den Generationen. Deshalb ist Atomener- und Energieeffizienz und gegen die unfle- Einen energiepolitischen Grund für die den USA ist die Endlagerfrage mo- schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Irgendwo muss das strahlende Zeug ja gie für die Konzerne so profitabel, deshalb xiblen Dinosaurier von gestern, Atom- und Verlängerung der Laufzeiten gibt es nicht. Atomindustrie und Atomforscher entsorg- hin. Wieder mal neue Erkundungen anstel- halten sie mit allen Mitteln daran fest. ■ Kohlekraftwerke. Das Gerede von Laufzeit- Die deutschen Atomkraftwerke könnten mentan wieder völlig offen. Schwe- verlängerungen als »Brücke« zu den Er- problemlos durch erneuerbare Energien den und Finnland wollen als erste neuerbaren ist energiepolitischer Unsinn. ersetzt werden. Vor Kurzem hat der BUND Länder auf der Welt in etwa zehn Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke aufgezeigt, dass sich allein durch verstärkte Jahren Endlager in Betrieb nehmen. behindern den weiteren Ausbau der erneu- Aktivitäten zur Verringerung des Stromver- ● Laut einer Greenpeace-Studie wur- erbaren Energien. Die Bundesregierung brauchs bis 2020 sechs AKW zusätzlich will den Anschein erwecken, dass die Er- einsparen ließen. Schon im ersten Quartal den im Zeitraum von 1950 bis 2010 neuerbaren trotz Laufzeitverlängerungen 2010 erzielte Deutschland mit gut 9 Milliar- für Atomenergie 204 Milliarden Euro weiter ausgebaut werden können. Dies den Kilowattstunden den höchsten Strom- staatliche Subventionen ausgegeben. sieht ihr Beratergremium, der Sachver- Exportüberschuss seiner Geschichte, ob- Der Energiekonzern RWE und das ständigenrat für Umweltfragen, anders und wohl die Atomkraftwerke Krümmel und Deutsche Atomforum wiesen diese warnt davor, dass damit das weltweit be- Brunsbüttel nicht eine einzige Kilowatt- achtete Erfolgsmodell der Förderung er- stunde produzierten. Ohne Probleme mit Zahlen als »irreführend« zurück. Sie Tausend Jahre sei der neuerbarer Energien in Deutschland durch der Stromversorgung zu bekommen, kön- nennen ihrerseits keine Zahlen. Müll in der Asse das Erneuerbare-Energien-Gesetz insge- nen acht AKW sofort stillgelegt werden. ● In der Atomindustrie arbeiten we- sicher, hieß es: Doch samt unter Druck gerät und sich die Bedin- Wenn der Ausbau der erneuerbaren Ener- niger Menschen als für die zumeist schon nach 20 Jahren gungen für erneuerbare Stromerzeugung gien dann weiter voranschreitet, sind die dezentral erzeugten erneuerbaren ist sie nicht mehr verschlechtern. Weichen für die Zukunft gestellt: Abschied FOTO: PA/KLAR ganz dicht. Die Fässer Die Einzigen, die von den längeren AKW- von den Dinosauriern, hin zu erneuerbaren Energien. Das Verhältnis beträgt in müssen raus Laufzeiten profitieren, sind die AKW-Be- Energien. ■ etwa 1 : 7. ■ Teresa Schneider Publik-Forum DOSSI ER 4 Oktober 2010
< DOSSIER Die Bewegung Die Bewegung DOSSIER > Freunde der Erde David gegen Goliath Studenten sagen »Nein« Ärzte gegen Atomkraft Die Schöpfung bewahren Jugend bewegt das Land Die Mitglieder des Bunds für Umwelt Ein wenig mutet die Geschichte an wie Eine Fahrt zu den Protesten im Wendland Die Organisation Internationalen Ärzte Der Arbeitskreis Leben nach Tscherno- Eine nachhaltige Entwicklung für eine und Naturschutz Deutschland (BUND) David gegen Goliath. Denn der Kirchliche vor 13 Jahren stand am Anfang. Der ge- für die Verhütung des Atomkrieges byl in der evangelischen Kirchengemein- lebenswerte Zukunft ist das zentrale Anlie- verstehen sich als »Freunde der Erde« Umweltkreis Ronneburg in Thüringen waltfreie Widerstand der Demonstranten (IPPNW) kritisiert seit Jahren die Lauf- de Langgöns in Hessen ruft Pfarrerinnen gen der jungen Christinnen und Christen, und setzen auf erneuerbare Energien hatte nie mehr als dreißig Leute. Sie ha- hat die Teilnehmer aus der Evangeli- zeiten der technisch veralteten deut- und Pfarrer auf, gegen die von der Regie- die sich in der Katholischen Landjugend- und Energieeffizienz statt auf die über- ben aber Erstaunliches bewirkt und schen Studentengemeinde Oldenburg schen Atomkraftwerke. »Nun sollen sie rung geplanten längeren Atomkraftwerks- bewegung Deutschlands(KLJB) organi- kommene Risikotechnologie Atomkraft. kämpfen bis heute. Es geht um den Uran- (ESG) überzeugt. Seitdem engagiert sich mit Strommengen-Tricksereien vierzig laufzeiten zu protestieren, sich solidarisch sieren. Deshalb engagieren sich die Ju- Aus diesem Grund organisiert der BUND bergbau als Zulieferer für die Atomwirt- die Studentengemeinde gegen Atomkraft. bis sechzig Jahre lang in Betrieb blei- mit den Demonstranten gegen Atomkraft gendlichen auch für den Atomausstieg. Mit gemeinsam mit anderen die große Anti- schaft. Die Wismut AG, eine deutsch-sow- Durch Reisen ins Wendland entstanden ben«, erklärt Atomexperte Henrik Paulitz, zu zeigen und einen entsprechenden Ap- rund 70 000 Mitgliedern zählt die KLJB zu Atom-Auftaktkundgebung am 6. Novem- jetische Aktiengesellschaft, hat in Thürin- enge Kontakte zu den Kirchengemeinden, der für die Ärzteorganisation in Brüssel pell zu unterzeichnen. »Die Nutzung der den größten deutschen Jugendverbänden. ber in Dannenberg. »Wenn die Politik so gen bis 1989 Uran abgebaut. 1988 gründe- die seit dreißig Jahren gegen die Castor- sitzt. Auch die neuesten deutschen Atom- Atomenergie übersteigt ganz grundsätz- Seit mehr als sechzig Jahren setzt sie sich einseitig die Interessen der großen te sich der kirchliche Umweltkreis mit transporte und die Endlagerung protestie- kraftwerke seien nicht sicher, warnt die lich die Fähigkeit des Menschen zur Ver- für die Interessen junger Menschen in Stromkonzerne vertritt und damit die Si- dem evangelischen Pfarrer Wolfram Hä- ren. »Die Studierenden haben erfahren, IPPNW. Diese wurden Anfang der antwortungsübernahme und ist als tech- ländlichen Regionen ein. Mit anderen Ju- cherheitsinteressen der Bevölkerung decke, um auf die tödliche Gefahr auf- Engagement lohnt sich. Und den Men- 1990er-Jahre nachgerüstet. Das greife nisches Megasystem nicht ausreichend gendverbänden gründete die KLJB 2004 hintanstellt, dann werden wir uns dieser merksam zu machen. Später, nach 1989, schen im Wendland hat unsere Solidarität, aber nicht bei Unfallszenarien wie einem fehlerfreundlich. Der Zeithorizont von das Jugendbündnis Zukunftsenergie: ein Politik auch aktiv widersetzen!«, heißt es wurden vom Bund, 7,5 Milliarden Euro für die authentische Präsenz junger Christen, kleinen Leck, sagt Paulitz zu Publik- Halbwertzeiten führt das Kriterium von bundesweites Netzwerk, in dem sich Ju- beim BUND. Er beteiligt sich auch an der eine ordnungsgemäße Stilllegung und die Kraft gegeben«, sagt Bildungsreferent Forum und verweist auf die Risiko-Studie Umkehrbarkeit ad absurdum«, heißt es in gendliche für den raschen Ausbau erneu- gewaltfreien Blockade des Castortrans- Revitalisierung der Landschaft bereitge- Torsten Gieselmann. Inzwischen gestaltet 2001. Die Bundesregierung erkläre zu- dem Appell, zitiert aus einer Stellungnah- erbarer Energien einsetzen und den voll- portes der Kampagne X-tausendmal quer. stellt. Der Umweltkreis hat mehrfach gra- die ESG Konzerte, Gottesdienste und das dem mit ihrem neuen Energiekonzept me der Evangelischen Kirche in Hessen ständigen Verzicht auf fossile Energieträ- Der Landesverband Rheinland-Pfalz des vierende Nachlässigkeiten angeprangert Gorlebener Gebet im Wendland mit. Sie der »erfolgreichsten Wirtschaftsbranche und Nassau aus dem Jahr 2006. ger und Atomenergie fordern (www.zu BUND ruft überdies zur Teilnahme an den und durch öffentliche Aktionen und Un- informiert daheim und auf Kirchentagen den Krieg«: den erneuerbaren Energien. Gegründet wurde der Arbeitskreis vor kunftsenergie.org). Außerdem ist die KLJB Montagsspaziergängen gegen Atomkraft terschriftensammlungen Versäumnisse über Atomkraft und erneuerbare Ener- Entscheidend sei aber auch, dass die Zu- zwanzig Jahren unter anderem von Pfar- Gründungsmitglied der Klima-Allianz, ei- auf. Sie finden derzeit jeden Montagabend verhindert. Gleichzeitig klärt er bis heute gien. stimmungspflicht des Bundesrates nicht rer Eberhard Klein und dem Religionsleh- nem Zusammenschluss von mehr als 100 in Bad Kreuznach, Hachenburg, Kaisers- über den Uranbergbau und die Risiken Bestärkt in ihrem Engagement wurde einfach wegdiskutiert werde. rer Gerhard Keller. Das Motto seiner Mit- Organisationen, die für den Klimaschutz lautern, Koblenz, Landau, Ludwigshafen, der Atomkraft auf. Und kämpft dafür, dass die ESG durch eine Chorreise nach Swa- IPPNW vertritt in Deutschland 7000 glieder lautet: »So soll die Welt nicht blei- kämpfen (www.klima-allianz.de). Mainz, Neustadt an der Weinstraße, Saar- Halden mit hoch radioaktivem Material kopmund in Namibia. Dort lernten die Ärzte und ist Mitveranstalter großer De- ben.« Sie meinen damit: Atomkraftwerke www.kljb.org, Tel. 02224/94650 brücken, Trier und Worms statt. bei Selingstädt in Thüringen endlich sa- jungen Christen Menschen kennen, die monstrationen gegen die Atomkraft. Vor soll es nicht länger geben. Seit 1990 leistet Doch der BUND mobilisiert nicht nur, er niert werden. als Vorarbeiter in der dortigen Uranmine der letzten Bundestagswahl hatte die Or- der Arbeitskreis Aufklärungsarbeit. Und sorgt auch mit Studien, die er finanziert, Frank Lange, Tel. 03671/579672 gearbeitet hatten. Der tödliche Zusam- ganisation mit einer Faltblattaktion schickt seitdem Hilfstransporte zu Tscher- für neue Argumente: Deckt etwa auf, wie menhang zwischen Uranabbau und Atom- »Glaubst du das wirklich?« 2,5 Millionen nobylopfern in die Ukraine. Bisher waren Stachel im Fleisch schlecht es um die Sicherheitslage in deut- kraft wurde ihnen schlagartig bewusst. Menschen erreicht. Sie wollte über die es 27 Transporter, beladen mit medizini- Sie wurden nach der Reaktorkatastrophe schen Atommeilern bestellt ist (»Atom- Auch darüber informieren sie seither und Strategien der Parteien, insbesondere der scher Grundausstattung für das Kranken- von Tschernobyl gegründet und bürsten strom 2009: Sauber, sicher, alles im Griff?«) halten Kontakt nach Namibia. CDU und FDP, aufklären. Die Abkürzung haus in der ukrainischen Stadt Borispol, seither die Atompolitik ihrer Partei gegen oder dass mindestens sechs Atomkraftwer- ESG Oldenburg, Quellenweg 55a, 26129 Olden- IPPNW steht für International Physicians mit Kleidern und Schuhen für eine Klei- den Strich: die Christlichen Demokraten ke in Deutschland abgeschaltet werden burg, Tel. 0441/9736563, esg@uni-oldenburg.de for the Prevention of Nuclear War. Die derkammer, mit Bügeleisen und Nähma- gegen Atomkraft (CDAK). Zu ihnen ge- könnten, wenn der Stromverbrauch durch Ärzte engagieren sich seit 1982 für eine schinen für eine Nähstube. hören Abgeordnete und ehemalige Minis- mehr Effizienz verringert würde. Wer Welt ohne atomare Bedrohung und Krieg. www.ak-tschernobyl-langgoens.de ter, Lehrer, Journalisten, Naturwissen- selbst effizienter mit Strom in den eigenen 1985 erhielten sie den Friedensnobelpreis. Tel. 0641/4941963 schaftler und Juristen. Mehr als 700 Leute vier Wänden umgehen will, findet Anre- Tel. 030/6980740, www.ippnw.de bilden den Stachel im Fleisch der über- gungen unter www.bund.net/bundnet/ser wiegend atomfreundlichen C-Parteien. vice/oekotipps. Seit mehr als zwanzig Jahren betreiben sie www.bund.net Lobbyarbeit gegen besonders atom- freundliche Unionsabgeordnete. CDAK- Leute waren an so gut wie allen Demons- trationen gegen die Atompolitik und ge- gen Castortransporte beteiligt. Zudem provozieren sie die Atomlobby immer wie- der mit dem Verweis auf eine Untersu- chung der Prognos AG in Basel. Danach würde der Atomstrom zwei Euro pro Kilo- wattstunde kosten, müssten sich die Atombetreiber gegen mögliche Katastro- phen auch nur annähernd versichern. FOTO: PA/WAGNER
< DOSSIER Die Bewegung Die Bewegung DOSSIER > »Ich war 1985 viele Nächte draußen im Taxöldener Forst, zuerst um Bäume vor der Rodung zu schützen, später um in Wackers- dorf Wache zu halten. Meine berufliche Entwicklung ging direkt aus diesem Widerstand hervor. Die Menschen fragten uns im- mer: Woher kommt denn bei euch der Strom? Und wir sagten: Aus Sonne, Wind, Wasser! Inzwischen hat unsere Firma rund 400 Windkraftanlagen gebaut, in Deutschland, Frankreich und Tschechien.« FOTO: PA/GALUSCHKA; FOTO (HINTERGRUND): PA/KLEINSCHMIDT gisela wendling-lenz, Bankkauffrau und Windkraft-Unternehmerin »Ich setze mich für einen Ausstieg aus »Wenn man mit den Falschaussagen der der Atomenergie ein, weil sie laufend Atomwirtschaft heizen könnte, wären die Opfer hervorbringt: verstrahlte Mi- Kernkraftwerke schon vom Netz.« nenarbeiter beim Uranabbau, die Op- roger willemsen, Schriftsteller und fer von Reaktorkatastrophen. Und Fernsehmoderator, im Rahmen was heute noch nicht einmal in An- der Kampagne »Wir sind Aussteiger!« sätzen erkennbar ist: die Opfer, die »Die Initialzündung der Atommüll noch in Tausenden von unseres Aktions- Jahren fordern wird. Atomenergie bündnisses war ein passt nicht in Gottes gute Schöpfung.« Film über Uran- gerhard keller, abbau in Australien. Religionslehrer, Gründer des Arbeitskreises Danach war uns Leben nach Tschernobyl in der schnell klar, dass »Ich war in meiner Jugend auf Demos, bin aber nie evangelischen Kirchengemeinde Langgöns wir aktiv bleiben darüber hinaus aktiv geworden. Letztes Jahr, nach den wollen. Im vergan- Störfällen in Krümmel, habe ich gedacht: Jetzt reicht’s, genen Jahr haben jetzt muss ich was machen. Der Bus zur Demo nach wir viel gemacht: Berlin war meine erste Aktion. Ich wusste: Einen Bus Zum Beispiel die große Evakuierungs- vollkriegen, das kann ich auf jeden Fall. Zurzeit fühlen übung, mit der wir die Absurdität im Fall ei- wir den Stadtwerken hier auf den Zahn. Die haben nes GAUs im AKW Neckarwestheim ver- nämlich auch Atomstrom in ihrem Mix.« deutlicht haben. Zusätzlich haben wir neu- nina dittmers, 31, Mediengestalterin »Ich halte Atomkraft für absolut aso- lich eine Energiegenossenschaft gegründet. zial und unchristlich, weil tausende Die wird zunächst Solaranlagen bauen. Aber Generationen nach uns enorme Las- wir träumen auch von einer Biogasanlage ten auferlegt werden. Mir ist wichtig, und Windenergie. Wir wollen nicht nur weg dass man politisches Engagement mit vom Atom, sondern auch etwas in die ande- »Ich bin Aussteiger, weil ich sauberen Strom Spaß verbindet. So kamen mein re Richtung tun.« franz wagner, 46, Arzt für uns und alle zukünftigen Generationen Freund Wolfgang und ich auf die Idee möchte! Atomkraftwerke bergen ein Risiko, es mit dem Anti-Atom-Hoffest. Sechs Stunden lang tolles Pro- gibt kein Endlager für den Strahlenmüll, durch gramm mit Live-Musik, Infoständen zu erneuerbaren Ener- den Uranabbau werden weite Landstriche ver- gien, eine Rede zum Atomdesaster aus der Sicht eines Bauern, seucht, und unzählige Uranminenarbeiter er- 300 Besucher und 1800 Euro Einnahmen für das Aktions- krankten bereits an Leukämie.« bündnis ausgestrahlt. Ein wunderschönes Fest.« Corinna Harder, Studentin, im Rahmen der Kampagne Ulf Allhoff-Cramer, 50, Biolandwirt aus Detmold »Wir sind Aussteiger!« »Es ist nicht zu verantworten, dass »Es ist notwendig, neue Energiequellen kommenden Generationen ein solch zu erschließen und beim Stromver- ungelöstes und weiter wachsendes brauch zu sparen. Die Atomenergie ist Problem hinterlassen wird.« nicht zukunftsträchtig. Die Frage der nikolaus schneider, EKD-Ratsvorsitzender Endlagerstätte ist absolut nicht geklärt.« robert zollitsch, Vorsitzender der Deutschen »Ich bin dabei! Keine Verlängerung – kein FOTO: EPD/DIECKMANN FOTO: PA/GALUSCHKA Bischofskonferenz Abzocken der Verbraucher – stopp mit der Lobbypolitik!« Renan Demirkan, Autorin und Schauspielerin, im Rahmen der Kampagne »Wir sind Aussteiger!« Publik-Forum DOSSI ER 8 Oktober 2010
< DOSSIER Die Bewegung DOSSIER > Mut zum Mitmachen Aufraffen zum Hinsetzen Online demonstrieren Ausstieg selber machen Atomkraft Schluss jetzt! »Atomkraft? Nein danke« – die Anti- Anfang November wird die Straße nach Die Telefone der Abgeordneten von CDU/ »Stromkundinnen und -kunden können Für das globalisierungskritische Netz- Atom-Sonne lacht auf Fahnen, T-Shirts, Gorleben wieder kalt sein. Vielleicht auch CSU und FDP der jeweiligen Wahlkreise durch den Wechsel des Stromanbieters werk attac steht die Auseinandersetzung Aufklebern, Transparenten und Buttons, nass und schmutzig, wie so häufig im haben an den letzten beiden September- den Atomausstieg selber machen«, sagte mit den Energieriesen E.On, RWE, Vatten- die das Anti-Atom-Bündnis ausgestrahlt Herbst. Doch dies wird viele Tausend tagen fast ununterbrochen geklingelt: Florian Noto, Sprecher der Kampagne fall und EnBW und deren wirtschaftlicher vertreibt. Mit Kakao durch eine Schablone Menschen nicht davon abhalten, sich dort Tausende Bürger haben bei den Politikern Atomausstieg selber machen. Beson- und politischer Macht im Mittelpunkt. At- auf den Cappuccino gestreut, zwinkert die auf den Boden zu setzen, um sich der angerufen und sie aufgefordert, sich der ders empfehlenswert seien die Elektrizi- tac kritisiert eine internationale Energie- Anti-Atom-Sonne einem sogar aus dem Atompolitik der Regierung und dem für Atompolitik der Regierung zu widerset- tätswerke Schönau, Greenpeace Energy, politik, die so mächtige Energieriesen Milchschaum zu. Die Kampagne ausge- November geplanten Castortransport nach zen. Das Kampagnen-Netzwerk Campact Lichtblick und Naturstrom. »Wer noch entstehen lässt, während es dezentrale strahlt stellt neben diesen Materialien vor Gorleben zu widersetzen. Die Anti-Atom- hatte in Zusammenarbeit mit dem Bund Strom von E.On, RWE, Vattenfall oder Ansätze viel schwerer hätten. allem Hintergrundwissen und Leitfäden Initiative X-tausendmal quer ruft jetzt zu für Umwelt und Naturschutz Deutschland EnBW bekommt, finanziert damit das dre- Gleichzeitig verknüpft das Netzwerk die für Aktionen gegen Atomkraft bereit. Die dieser Art des zivilen Ungehorsams auf: In (BUND) zu einer »Telefondemonstration« ckige Atomgeschäft dieser Konzerne«, sagt ökologische mit der sozialen Frage. »Die bundesweite Anti-Atom-Organisation den Tagen nach der Großdemonstration aufgerufen. Die im Jahr 2004 entstandene Noto. Viele andere Stromversorger wür- Stromkonzerne verzeichnen aberwitzige möchte Menschen dazu ermutigen, für am 6. November in Dannenberg protestie- Online-Plattform Campact initiiert zahl- den den Strom direkt oder über die Gewinne, während Ärmeren in diesem den Atomausstieg aktiv zu werden. Dafür ren die Aktivisten von X-tausendmal quer reiche Aktionen, bei denen sich Menschen Strombörse bei den vier Atomkonzernen Land der Strom abgeklemmt wird«, sagt liefert sie fantasievolle Aktionsideen für mit einer Sitzblockade auf der Castor- via Internet organisieren. Dabei geht es kaufen. »Atomausstieg selber machen« ist attac-Sprecherin Jutta Sundermann. In- Gruppen und Einzelpersonen: Von transportstrecke bei Gorleben. Das Camp nicht nur um Proteste gegen Atomkraft, eine Kampagne von 21 Umweltverbänden. ternational hätten Milliarden Menschen Flashmobs über Plakatierpartys, Unter- zur Vorbereitung der Sitzblockade findet sondern aktuell um einen Baustopp von Gemeinsam empfehlen sie Ökostroman- keinen Zugang zur Energieversorgung. schriftaktionen, inszenierten Gesprächen bereits ab dem 4. November in Gedelitz Stuttgart 21 und einen Volksentscheid so- bieter, die keinen Strom von den Atom- Dafür zerstörten der Abbau von Uran und über Atomkraft in U-Bahnen bis hin zu statt. Dort trainieren sich die Aktivisten in wie um Proteste gegen die geplante Hal- konzernen kaufen und den Ausbau der Atommüll, für den es noch keine Lö- Großdemonstrationen – das Aktionsange- gewaltfreiem Widerstand. Seit 1996 orga- bierung von Bundesfördermitteln für die – erneuerbarer Energien vorantreiben. sung gebe, ganze Lebensräume. bot ist vielfältig. Eine 120 Kilometer lange nisiert die bundesweite Initiative X-tau- klimafreundliche – Dämmung von Altbau- Auf der Internetseite www.Atomausstieg- Den wirtschaftlichen und politischen Ein- Menschenkette vom Atomkraftwerk sendmal quer« Proteste gegen Castor- ten. Campact bündelt Protest-E-Mails und selber-machen.de wird erklärt, wie man fluss der Energieriesen zu beschränken, Brunsbüttel zum Atomkraftwerk Krümmel transporte und das mögliche Endlager für -Anrufe und vernetzt Online-Kampagnen den Stromanbieter wechselt: Anbieter das ist das Ziel einer Kampagne, die Attac hatte ausgestrahlt gemeinsam mit Bünd- radioaktiven Abfall in Gorleben. Zusätzlich miteinander. So können Atomgegner auf aussuchen, Vertrag ausfüllen und abschi- schon vor zwei Jahren gestartet hat. Vor nispartnern im April dieses Jahres organi- zu Protestaufrufen bietet X-tausendmal der Internetseite von Campact zum Bei- cken, fertig. Das kostenlose Infopaket mit Ort arbeiten attac-Aktive für eine Ener- Dossier/2926_Atom 19.10.2010 ohne Strom/beste 14:06 siert. »Die Anti-Atom-Bewegung hat sich quer Infomaterial und Beratung zu juristi- spiel einen an die Regierung gerichteten den Broschüren der Ökostromanbieter giewende ohne Atom und Kohle. Sie betei- sehr verändert. Sowohl zahlenmäßig als schen Fragen im Zusammenhang mit Pro- Appell für den Atomausstieg unterzeich- kann auch telefonisch unter 0800/7626852 ligen sich an den Aktionen zivilen Unge- Publik-Forum auch hinsichtlich der Zusammensetzung«, hat Jochen Stay, Sprecher von ausge- testaktionen und schult Atomgegner in ge- waltfreiem Widerstand. Denn Gewaltfrei- nen und sich über Aktionen gegen Atom- kraft informieren. Aktuell hält Campact bestellt werden. www.Atomausstieg-selber-machen.de horsams gegen die Castor-Transporte. »Atomenergie ist wie Finanzmarktkapita- shop strahlt, dabei festgestellt. »Der Protest ge- heit ist das Grundprinzip der Initiative. mehr als 308 000 Menschen mit einem un- lismus: Die Gewinne streichen wenige ein, gen Atomkraft geht heute durch alle Be- www.x-tausendmalquer.de entgeltlichen Newsletter über den Protest die Risiken trägt die Bevölkerung«, kriti- völkerungsschichten und Altersgruppen.« Tel. 040/40186848 gegen Atomkraft auf dem Laufenden. siert Hendrik Sander von der Arbeits- www.ausgestrahlt.de; Tel. 040/25318940 www.campact.de Auf der Sonnenseite gruppe »Energie–Klima–Umwelt«, die die »Die Sonne schickt keine Rechnung« ist Aktivitäten koordiniert. der Slogan, mit dem Franz Alt, der langjäh- www.attac-netzwerk.de/ag-eku rige Leiter des politischen Fernsehmaga- eku@attac.de Aktionen zins »report«, für Solarenergie wirbt. Auf ● Anti-Atom-Montagsspaziergänge in seiner Website www.Sonnenseite.com zahlreichen Städten; www.bund-rlp.de bietet er stets aktuelle Nachrichten zu er- ● 28. Oktober: Anti-Atom-Frühstück neuerbaren Energien, Umwelt, Politik und und Protestkette am Reichstags- Menschenrechten. Neben Buch- und DVD- gebäude in Berlin von 8 bis 9 Uhr. Tipps sind dort auch gute Links zu Ener- An diesem Tag stimmt der Bundestag giespar-Ratgebern und einem Solardach- über die Laufzeitverlängerung ab. Check zu finden. Der Journalist Franz Alt ● 6. November: und seine Frau Birgit Alt sind Überzeu- Großdemo in Dannenberg ● Infos über weitere Termine: gungstäter: Vor 17 Jahren schon haben sie auf dem Dach ihres Hauses eine Fotovol- Strom ohne Atom FOTO: PA/BIMMER www.ausgestrahlt.de taik-Anlage zur Stromerzeugung und Son- Das Dossier hat 16 Seiten und wird www.x-tausendmalquer.de nenkollektoren, die Warmwasser bereiten, zu folgenden Staffelpreisen installiert. angeboten: bis zu 4 Exemplare je www.sonnenseite.com 2 €; ab 5 Ex. je 1 €; ab 10 Ex. je 0,90 €; ab 20 Ex. je 0,80 €; ab 50 Ex. je 0,70 €; ab 100 Ex. je 0,60 €; ab 300 Ex. je 0,40 €, ab 1000 Ex. je 0,30 €. Bei Bestellwert unter 25 € zuzüglich 2,50 € Versand. Bestellnummer 2926 < 10 Diese PDF ist zu Ihrem persönlichen Gebrauch Hier können Sie gedruckte Exemplare dieses Dossiers bestellen 11 >
< DOSSIER Die Zukunft Die Zukunft DOSSIER > Was geschieht, wenn der Wind nicht Strom. Wie in Cuxhaven: Die Aggregate ei- Fläche zu verteilen. Dabei gab es nur eine weht und die Sonne nicht scheint? nes Kühlhauses werden abhängig vom Richtung des Lastflusses: von den Kraft- Windstrom gesteuert – sie werden automa- werken zum Verbraucher. Wenn nun zu- Dann nutzt man Wasserkraft, Bioenergie tisch in Betrieb gesetzt, wenn durch eine nehmend dezentrale Erzeuger ins Netz oder gespeicherten Wind- und Solarstrom. steife Brise im Stromnetz ein Überschuss einspeisen, muss dessen Architektur ange- Und solange man noch nicht bei hundert an Energie herrscht. Für die Konservierung passt werden. Prozent erneuerbaren Energien angelangt des Fisches im Kühlhaus spielt es keine Für die Fotovoltaik muss das Netz in der ist, werden die fossilen Energien gezielt ein- Rolle, wann die Kältemaschinen laufen, Fläche verstärkt werden, damit Strom von gesetzt, wenn die erneuerbaren nicht aus- denn das Gebäude ist so gedämmt, dass es den Scheunendächern in die Zentren flie- reichen. Die Zeiten, als Kohlekraftwerke mehrere Tage ohne Strom kühl bleibt. ßen kann. Für die Windkraft müssen Mit- rund um die Uhr liefen, gehen damit Eine solche Verlagerung des Verbrauchs tel- und Hochspannungsnetze verstärkt zwangsläufig zu Ende. Aus diesem Grund, ist volkswirtschaftlich oft billiger als der werden, damit die Energie von der Küste in werden unter den fossil befeuerten Kraft- Bau von Stromspeichern. Deswegen wer- die Industriezentren kommt. All das erfor- werken die Gaskraftwerke im Vorteil sein, den sich auch Privathaushalte in Zukunft dert ein Umdenken, erhebliche Planungs- weil sie am flexibelsten sind. daran gewöhnen, große Verbräuche – etwa leistung, und es kostet natürlich auch Geld, Die erneuerbare Energieversorgung das Laden eines Elektroautos – in Zeiten das den Strompreis verteuert. setzt neue Steuersysteme voraus. Kraftwer- mit großem Stromangebot zu verlegen. Doch die Kosten sind nicht der entschei- ke, die speicherbare Energien nutzen – also dende Aspekt, der den Ausbau des Netzes auch Wasserkraftwerke und Biogasanla- Verkraften die Netze den massiven behindert. Vielmehr stößt die Stromwirt- gen – werden nach den Erfordernissen der Ausbau der erneuerbaren Energien? schaft auf Proteste betroffener Bürger, die Stromnetze gesteuert. Eine neue Infra- neue Stromtrassen in ihrer Heimat ableh- struktur der Datenübermittlung wird man Die derzeitigen Netze wurden in den ver- nen. Alternativ sind auch Erdkabel denk- dafür aufbauen müssen – »smart grid« gangenen hundert Jahren aufgebaut, um bar, die zwar weniger Widerstand hervor- Der Weg zur Energiewende … nennt man das. Dann wird der Strompreis zeitvariabel schwanken: Gibt es viel Strom, Strom von den großen Erzeugern in der rufen, aber teurer sind. ■ FOTO: PHOTOCASE/DESIGNRITTER ist er billig, gibt es wenig, ist er teurer. Man- ANZEIGE cher Kunde wird dann die Waschmaschine … ist steinig, aber möglich. Antworten auf offene Fragen starten, wenn der Strom gerade billig ist. Aber braucht die Industrie nicht trotzdem große Stromspeicher? Von Bernward Janzing und Wind wird immer billiger. Besonders Haben die erneuerbaren Energien in Ja, der Ausbau von Speicherkapazitäten ist bei der Fotovoltaik wird das deutlich: Heute Deutschland genug Potenzial? für eine regenerativ geprägte Stromversor- D en erneuerbaren Energien gehört kostet eine Solarstromanlage nur noch gung wichtig. Die Optionen sind vielfältig: die Zukunft. Dennoch ist der Um- halb so viel wie vor sechs Jahren. Diese Im Jahr 2020 können die erneuerbaren Pumpspeicherwerke sind seit den 1920er- bau einer Stromwirtschaft, die in Entwicklung wird weitergehen, und schon Energien in Deutschland fast die Hälfte des Jahren etabliert: In gebirgigen Regionen mehr als hundert Jahren gewachsen ist, ei- in vermutlich zwei Jahren wird die Kilo- Strombedarfs decken – zu diesem Ergebnis wird mit überschüssigem Strom Wasser in ne gewaltige Aufgabe: Er birgt technische wattstunde Solarstrom vom Dach nicht kam bereits Anfang 2009 der Bundesver- höhere Gefilde gepumpt. Gibt es weniger Herausforderungen, verursacht Kosten mehr teurer sein als die Kilowattstunde band Erneuerbare Energien (BEE). Dass die Strom, dann lässt man das Wasser herun- und hat Einfluss auf Lebensgewohnheiten. Haushaltsstrom aus dem Netz. Berechnungen keinesfalls zu optimistisch terfallen und über Turbinen Strom herstel- Ein solcher Wandel wirft deshalb in Wirt- Während Strom aus Sonne und Wind im- waren, zeigt die Entwicklung: Für das Jahr len. Darüber hinaus gibt es Druckluftspei- schaft und Gesellschaft viele Fragen auf. mer billiger wird, steigen die Preise der fos- 2010 wurde eine Erzeugung von rund 7 Mil- cher – einen solchen betreibt E.On seit Die wichtigsten sollen im folgenden beant- silen Energien. Folglich sichern die heuti- liarden Kilowattstunden Solarstrom ange- Jahrzehnten in Huntorf in Niedersachsen. wortet werden. gen Investitionen in die erneuerbaren Ener- nommen – faktisch wird man bei über Auch in Batterien oder durch Erzeugung gien niedrigere Energiepreise in Zukunft. 10 Milliarden landen. Die installierte Leis- von Wasserstoff lässt sich Windstrom für Sind erneuerbare Energien nicht Noch gar nicht eingerechnet ist dabei, dass tung von knapp 15 000 Megawatt, die im Flautezeiten speichern. viel zu teuer? Jetzt steigt ja noch die die fossilen Energien und die Atomkraft er- BEE-Szenario erst für Ende 2013 anvisiert Ein neues Verfahren zur Stromspeiche- Öko-Umlage auf dem Strompreis. hebliche volkswirtschaftliche Kosten erzeu- wurde, ist in diesen Wochen erreicht. rung hat das Zentrum für Sonnenenergie- gen, die im Strompreis nicht auftauchen. Von 278 Milliarden Kilowattstunden und Wasserstoff-Forschung Baden-Würt- Natürlich kostet es Geld, eine neue Technik Würde man die Klimaschäden durch den Strom aus erneuerbaren Energien geht der temberg vorgestellt: Mit Strom aus über- zu etablieren. Das geschieht in Deutsch- Ausstoß von Kohlendioxid oder die Kosten BEE für das Jahr 2020 aus. Rund die Hälfte schüssigen erneuerbaren Energien wird land durch Einspeisevergütungen, die über von Atommüll und Störfallrisiken in die davon soll die Windkraft liefern, nach wie per Elektrolyse Wasserstoff erzeugt. Durch dem Marktpreis des Stroms liegen. Diese Strompreise einrechnen, dann wären die er- vor überwiegend an Land, aber zunehmend eine chemische Reaktion mit Kohlendioxid Mehrkosten müssen die Stromkunden tra- neuerbaren Energien schon heute wirt- auch auf See. Allerdings hat diese Energie- entsteht dann Methan, also Erdgas. Die gen. Im kommenden Jahr wird die Öko- schaftlich. Dazu kommt, dass der Boom der wende das Landschaftsbild in Teilen Speicherkapazitäten für Erdgas sind strom-Umlage um 1,5 Cent auf 3,5 Cent je Erneuerbaren Hunderttausende von Ar- Deutschlands schon erheblich verändert, enorm – und zudem längst vorhanden: Das Kilowattstunde steigen. beitsplätzen und viel Wertschöpfung in und sie wird es weiterhin tun – das ist der heutige Erdgasnetz kann mehr als 200 Mil- Doch diese Mehrkosten sind nur eine Städten und Regionen schafft, die mit den Preis, der für saubere Energie ohne atoma- liarden Kilowattstunden aufnehmen. Dazu Momentaufnahme. Denn Strom aus Sonne alten Technologien nicht entstehen. re Risiken zu bezahlen ist. kommt die intelligentere Nutzung von < 12 Diese PDF ist zu Ihrem persönlichen Gebrauch Hier können Sie gedruckte Exemplare dieses Dossiers bestellen 13 >
< DOSSIER Die Zukunft Die Zukunft DOSSIER > Die Zukunft hat schon begonnen neuerbare Energien, erläutert der Fünzig- jährige. So bleiben Arbeit und Geld in der Region. Die Zeit läuft Aber gilt Ökostrom nicht gerade in Uni- Sonne, Wind und Biogas: Die Gemeinde Morbach im Hunsrück erzeugt dreimal so viel Ökostrom, Die große Chance: onskreisen als viel zu teuer? Gregor Eibes wie ihre Haushalte benötigen ist anderer Meinung: »Beim zurzeit billige- Sauberer Strom für Deutschland bis 2050 ren Atomstrom sind weder die Probleme beim Uranabbau noch die Endlagerproble- Von Barbara Tambour wollen das Energiekonzept der Hunsrück- ger. Die Anlage erzeugt Strom. Mit der Wär- matik eingerechnet. Er ist hoch subventio- Von Wolfgang Kessler Gemeinde kennenlernen. me, die beim Gären entsteht, wird Holz ge- niert.« Der Bürgermeister ist überzeugt: W A ir befinden uns im Jahr eins der Die »Energielandschaft«, so heißt das Ge- trocknet. Darauf ist der Bürgermeister von »Auf lange Sicht sind die erneuerbaren ngeschlagene Boxer Laufzeitverlängerung. Ganz lände, auf dem Windräder, Fotovoltaikanla- Morbach, Gregor Eibes, besonders stolz: Energien die billigere Lösung.« sind besonders ag- Deutschland scheint von der gen und die Biogasanlage stehen, ist von Dass es gelungen ist, Unternehmen in der Pro Jahr erhält Morbach 350 000 Euro an gressiv. Auch, wenn Vorstellung beherrscht, dass es ohne Straßen durchzogen. Auf mehr als hundert Energielandschaft anzusiedeln, die »Ab- Pacht von den Firmen in der Energieland- sie Spitzenmanager der Atom- Atomstrom nicht geht. Ganz Deutschland? basketballfeldgroßen Betonplatten lagerten fallenergie« nutzen, etwa die Firma, die schaft, außerdem Gewerbesteuer. Die Ein- konzerne sind. Diese fürchten Nein! Ein Dorf im Hunsrück produziert im Kalten Krieg Bomben der US-Luftwaffe. Holzpellets herstellt. Ihr Rohstoff: Säge- nahmen fließen unter anderem in zwei För- um ihre Pfründe und ziehen schon jetzt dreimal mehr Ökostrom, als die Es war das größte Munitionsdepot in Euro- Restholz aus nahen Sägewerken. Ihr Strom derprogramme der Gemeinde, die Morba- alle politischen und medialen privaten Haushalte der 11 000-Einwohner- pa. Im oberen Teil des Geländes drehen sich stammt weitgehend von den Windkraftan- cher bei der Renovierung und Dämmung ih- Register, um ihre Macht zu be- Gemeinde Morbach verbrauchen. Auf dem die Rotorblätter der Windkraftanlagen. Die lagen, die in Sichtweite stehen. rer Häuser und beim Bau von Fotovoltaik- wahren. FOTO: FOTOLIA/REINOBJEKTIV Gelände eines ehemaligen Munitionsde- blauvioletten Solarmodul-Flächen glänzen. Warum wird ein CDU-Bürgermeister im und Solarthermieanlagen unterstützen. Doch die Zeit läuft gegen pots der US-Luftwaffe erzeugen 14 Wind- Dazwischen weiden Schafe. ländlich-konservativen Hunsrück zum Mo- Bleibt das Problem des hohen Strombe- sie. Die Experten, die nicht räder, Fotovoltaik-Anlagen mit 10 000 Qua- Das dumpfe »Womm-Womm« der Rotor- tor eines solch innovativen Projekts? »Weil darfs der Gewerbebetriebe im Ort, darun- den großen Energiekonzer- dratmetern Modulfläche und eine Biogas- blätter wird übertönt vom Motorgeräusch die Zeichen der Zeit auch an einem CDU- ter zwei Sägewerke und ein Hersteller von nen verbunden sind, sind sich anlage 45 Millionen Kilowattstunden des Traktors, der die Biogasanlage mit neu- Bürgermeister nicht vorübergehen«, ant- Papier- und Plastiktüten: Er liegt mehr als weitgehend einig: Die Vollver- Strom im Jahr. Genug für etwa 13 000 em Rohstoff versorgt: Fast elegant kurvt wortet Gregor Eibes. »Ich setze auf erneuer- zehnmal so hoch wie der Strombedarf der sorgung Deutschlands mit er- Haushalte. Morbach hat 4400 Haushalte. das Fahrzeug zwischen dem Silo und der bare Energien, weil das neben der ökologi- Haushalte und ist damit der eigentliche neuerbaren Energien bis 2050 Angst hatten anfangs nur die Hotel- und Anlage hin und her. Der Fermenter, in dem schen auch eine ökonomische Frage ist.« Stromfresser. Werden die Gewerbebetriebe ist möglich. »Es wäre sogar Gaststättenbesitzer, die meinten: »Windrä- Grünschnitt und Gülle gären, sieht aus wie Die steigenden Energiepreise träfen die einbezogen, reicht der Morbacher Öko- schon 2030 ohne Probleme der schrecken Touristen ab.« Inzwischen eine riesige Jurte: kreisrund mit einem ländliche, meist weniger einkommensstarke strom rechnerisch bei Weitem nicht aus. möglich, Deutschland mit re- rollen ganze Busgesellschaften an – Kom- kuppelförmigen Dach. Landwirte der Um- Bevölkerung besonders hart. Deshalb setze Windkrafträder der neuesten Generation generativen Energien zu versorgen«, sagt Wassermassen wieder herabstürzen und munalpolitiker ebenso wie Studenten vom gebung beliefern die Biogasanlage mit Si- er auf dezentrale Energieerzeugung. Zudem an einem windgünstigen Bergrücken in Olav Hohmeyer, der »Umweltweise« der Turbinen zur Herstellung von Strom an- Umweltcampus Birkenfeld der Uni Trier lage aus Mais und Gras sowie mit Rinder- müssten im ländlichen Raum Arbeitsplätze Morbach könnten Abhilfe schaffen. Doch Regierung. »Aber da viele konventionelle treiben. Um solche Speicher in großem oder internationale Delegationen. Sie alle gülle, die Gärreste verwenden sie als Dün- geschaffen werden. Beides gelinge durch er- das Gebiet ist Naturpark und damit beson- Kraftwerke noch einige Zeit laufen, ver- Umfang nutzen zu können, ist eine Koope- ders geschützt. Im Büro des Bürgermeis- langsamt sich der Ausbau der erneuerba- ration mit Skandinavien erforderlich, da sie ters wird über den Konflikt zwischen Na- ren Energien.« dort bereits effektiv arbeiten und in gro- turschutz und erneuerbaren Energien Wie der Weg zur Energiewende konkret ßem Maße angelegt werden können. 14 Windräder, eine nachgedacht. aussehen könnte, zeigen Städte wie Mor- ● Abgesichert wird dieses Konzept von Biogasanlage und Andere Pläne nehmen indessen Gestalt bach ebenso wie zahlreiche Studien: massiven Investitionen in die Einsparung 10 000 Quadratmeter an: Ein Infozentrum am Eingang der Ener- ● Die deutschen Atomreaktoren werden bis von Energie durch die Sanierung von Ge- Solarmodule: gielandschaft ist fast fertig, eine Ausstellung 2020 nach dem alten Ausstiegsbeschluss bäuden sowie stromsparende Technolo- Bürgermeister Gregor in zwei Bunkern des ehemaligen Munitions- stillgelegt, Kohlekraftwerke laufen – je gien für Industrie, Büros und Haushalte. Eibes ist stolz auf depots ist in Planung. In einem soll die Ge- nach Alter – bis etwa 2030. Neue Anlagen Zu teuer, wird mancher vielleicht sagen. die Energielandschaft schichte des Kalten Krieges dargestellt wer- werden nicht gebaut. Doch »Kernenergie ist nur deshalb so bil- Morbach den, im anderen der Klimawandel. »Erneu- ● Stadtwerke, Kommunen und Privatleute lig, weil wir einen großen Teil der Kosten erbare Energien verbinden die beiden The- investieren lokal und regional in Wind- in die Zukunft verlagern«, antwortet Olav men Krieg und Klimawandel und bieten Lö- kraft, Solaranlagen, Biomassekraftwerke, Hohmeyer. Dazu kommt, dass die deutsche sungen für beide Probleme«, sagt der für die Biogas und in die Kraft-Wärme-Kopplung. Umweltwirtschaft mit 1,2 Millionen schon Energielandschaft zuständige Gemeinde- ● Großräumig erfolgen in den kommenden heute mehr Menschen als die klassischen mitarbeiter Michael Grehl: »Denn die zwanzig Jahren Investitionen in Offshore- Leitbranchen Maschinenbau (eine Milli- nächsten Kriege werden Kriege um Roh- Windparks und große Solarparks. on) und Automobil (760 000) beschäftigt. stoffe werden.« ● Zeitgleich werden in ganz Europa wie in Nach der Unternehmensberatung Roland Um unabhängiger vom Ölpreis zu wer- Deutschland die Netze ausgebaut, um den Berger wird sich die Zahl der Jobs in der den, hat der Gemeinderat von Morbach ge- Strom auch weiträumig in alle Regionen »Greentech-Industrie« bis 2020 auf über rade beschlossen, die Häuser im Ortskern transportieren zu können. 2,2 Millionen verdoppeln. Wird konse- künftig mittels Nahwärme zu heizen. Statt ● Parallel dazu sorgen Pumpspeicher dafür, quent auf dezentrale erneuerbare Ener- FOTO: © GEMEINDE MORBACH mit Öl oder Gas werden die schiefergedeck- dass unregelmäßig anfallender Strom aus gien umgebaut, entstehen viele Arbeits- ten Häuser dann mit Holzhackschnitzeln Wind und Sonne jederzeit genutzt werden plätze und der größte Teil dieser Wert- geheizt; über ein Nahwärmenetz gelangt die kann: In bergigem Gelände wird bei Strom- schöpfung in den Städten und Regionen. Wärme vom Kraftwerk in die Haushalte. überschuss Wasser in höhere Regionen ge- Strom ohne Atom ist die Zukunft – ökolo- Und Holz gibt es im Hunsrück genug. ■ pumpt. Wird Strom benötigt, lässt man die gisch und ökonomisch. ■ < 14 Diese PDF ist zu Ihrem persönlichen Gebrauch Hier können Sie gedruckte Exemplare dieses Dossiers bestellen 15 >
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