Strom sparen - Kirix Vermögensverwaltung AG
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INVEST Energieversorger Strom sparen Über Jahrzehnte waren Aktien von Energieversorgern wie RWE und Eon so sicher wie Renten. Dann kamen Absturz und radikaler Umbau. Wie gut sind die Papiere heute? TEXT: MAXIMILIAN RÖSGEN FOTOS: MAX B R U N N E RT 124 Capital Ausgabe 12/2020
Johannes Schares schaut auf die Links: de facto aufteilen. Doch 2008 kam Konstruktion aus Hunderten inei- Beim Tagebau Garzwei- der erste Einschnitt: Hohe Schul- nander verwebten Stahlstangen, es ler errichtet RWE den, seit jeher Teil des Geschäfts, wa- den Windpark Jüchen ist der Sockel einer der sechs neu- ren für Investoren plötzlich ein rotes en Windturbinen. Hier im Wind- Unten: Tuch. 2011 dann stieg Deutschland park Jüchen, ganz im Westen Nord- Johannes Schares, seit nach der Reaktorkatastrophe von Fu- rhein-Westfalens, errichtet Schares 2007 bei RWE, leitet kushima hektisch aus der Atomkraft für den Energiekonzern RWE Wind- den Bau der Windräder aus, 2019 auch noch aus der Kohle- räder. Bald schon sollen sie saube- energie. Innerhalb weniger Jahre ren Strom erzeugen, doch hoch über wurden den Konzernen Geschäfts- den Äckern schwebt trotzdem noch felder genommen, in die sie über eine dicke, weiße Wolke. „Das ist Jahrzehnte eine Menge Geld inves- das Braunkohlekraftwerk tiert hatten. Neurath“, sagt Schares. Die RWE-Aktie hat Im Windpark Jü- so seit dem Allzeithoch chen treffen zwei Welten im Januar 2008 bis heu- aufeinander. Kohle und te 67 Prozent ihres Werts Wind, brennende Öfen verloren, die Eon-Antei- und rotierende Windrä- le sogar 80 Prozent – wäh- der, fossile Energieträger rend der Dax im selben und erneuerbare Ener- Zeitraum 47 Prozent zu- gie. Oder, wenn man es gelegt hat. Zwar bringt das nach der Konzernstruk- grundsätzlich ja weiterhin tur von RWE ausdrücken sichere Geschäftsmodell will: RWE Power trifft auf auch weiter eine Dividen- RWE Renewables, beides de, die aber wird dauernd hundertprozentige Töch- gekürzt oder gestrichen. ter der Holding. Auf einem Und überhaupt: Was nützt Teil des Tagebaus Garz- dem Aktionär eine Aus- weiler baut der Energie- schüttung, wenn der Akti- konzern seit Monaten den enkurs immer weiter nach eigenen Windpark aus, die unten läuft? gesamte Anlage soll ein- Darum also ein neu- mal 27 Megawatt Leistung er Anlauf: Nach vielen Jah- bringen und Energie für ren des Jammerns haben 26 000 Haushalte liefern. RWE und Eon in den ver- Der Konzern setzt gangenen vier Jahren ihre große Hoffnungen in den Geschäfte grundlegend Windpark. Bis 2040 möch- neu geordnet, Sparten ver- te RWE klimaneutral wer- kauft, Unternehmensteile den. CEO Rolf Schmitz getauscht, Anteile über- hofft, den Konzern durch den Aus- nommen. Eon hat sich dabei auf die bau der erneuerbaren Energien wie- Netze und das Endkundengeschäft der zu einem „Wachstumsunterneh- konzentriert, RWE auf die Stromer- men“ zu machen. Es wäre an der Zeit. zeugung. Es war ein Kraftakt. An des- 15 Lange waren die Aktien von sen Ende allerdings stellt sich nicht Energieversorgern ein Investment, nur für Anleger die Frage: Wie ste- mit dem Anleger ruhig schlafen hen die beiden Konzerne denn nun konnten: unspektakulär, aber zuver- eigentlich da? lässig. Doch nicht nur RWE, auch der An Johannes Schares ist all das noch größere Konkurrent Eon hat Hin und Her nicht spurlos vorbeige- wilde Jahre hinter sich. Bis zur Fi- gangen. Auf seinem Helm klebt noch nanzkrise ging es für beide stets auf- Prozent von Eon gehören heute ein Sticker mit dem Firmenlogo der wärts, die Versorgerriesen aus Essen RWE. Die Übernahme der Anteile Innogy SE, in der RWE einst sein Ge- konnten sich den deutschen Markt war Teil des Konzernumbaus schäft mit erneuerbaren Ener- 125
INVEST Energieversorger gien gebündelt hatte. „Eigentlich LANGER SINKFLUG Blick auf das durchschnittliche Kurs- könnte ich das mal erneuern“, sagt Performance der RWE- und ziel zeigt jedoch, dass RWE 12,8 und Schares. Innogy gehört nämlich Eon-Aktie im Vergleich zum Dax. Eon sogar 21,2 Prozent hinter den heute zu Eon. Nachdem RWE Inno- Indexiert, 2008 = 100 Vorhersagen liegt. Werner Eisen- gy 2016 zunächst aus schierer Geld- 200 mann von der DZ Bank ist einer der not an die Börse brachte, hat Eon im Dax Analysten, die die Aktien von RWE Zuge des großen Umbaus 2019 die RWE zum Kauf einstufen. „Die Bewertung Mehrheit an Innogy übernommen. Eon ist für die Marktaussichten und das Vertrieb, Netze und Namen gingen 100 Wachstumspotenzial nicht gerecht- dabei an Eon, genau wie die meisten fertigt“, meint er. RWE ist auf der Ba- Mitarbeiter; das Geschäft mit den sis der geschätzten Gewinne für das erneuerbaren Energien aber – all die Jahr 2020 aktuell mit einem Kurs- Windparks und Wasserkraftwerke – 0 Gewinn-Verhältnis von 20 bewertet. 2008 2020 blieb bei RWE. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis, das Schares ist also weiterhin bei den Börsenwert mit dem Eigenkapi- RWE beschäftigt. Dort hat er ja auch tal eines Unternehmens vergleicht, angefangen, 2007 bei der RWE Power BUNTE MISCHUNG beläuft sich gerade einmal auf 1,2. AG. Er hat jahrelang Kohlekraftwer- Aus diesen Energiequellen Das liege deutlich unter dem Bran- ke konzipiert, zuletzt ein Steinkohle- produziert RWE Strom. Anteile am chenschnitt, so Eisenmann. und Biomassekraftwerk im nieder- Gesamtmix 2019, in Gigawatt Wachstumschancen sieht er ländischen Eemshaven. Nun baut er besonders im nordamerikanischen Hydro, Windkraftanlagen. „Das ist ganz an- Pump Biomasse Markt. RWE produziert dort 34 Pro- ders, als große Kraftwerke zu bauen. speicherung, 1,2 andere zent seiner erneuerbaren Energi- 2,4 0,4 Die Aufgaben sind weniger komplex, en. Im Offshore-Bereich, bei Wind- Offshore- die Herausforderungen liegen woan- Wind Solar parks, die im Meer stehen, ist RWE 0,1 ders“, sagt er. Vom Baubeginn bis zur 2,5 weltweit Nummer zwei. „Energie- fertigen Windmühle dauert es dafür versorger müssen kein schlechtes In- auch meist nur zwölf Monate, bis ein Gas vestment sein“, sagt Eisenmann. Der Atom Kraftwerk steht, vergehen Jahre. 2,8 13,7 Analyst verweist auf Unternehmen wie Ørsted und Nextera Energy, de- Steinkohle ren Aktien in den vergangenen Jah- KOMMT GUT AN 4,0 Braunkohle 10,3 ren immer weiter gestiegen sind. Der große Konzernumbau hat Scha- Onshore-Wind Im Vergleich zu internationa- res allerdings nicht nur als Mitar- 6,1 len Energieunternehmen laufen die beiter betroffen, sondern auch als Gewinnmargen der deutschen Wer- Aktionär: Er kauft regelmäßig RWE- te allerdings deutlich hinterher. Bei Aktien, meist über das Mitarbeiter- RWE blieben in den vergangenen programm. Wie viele andere Aktio- DOPPELVERDIENER fünf Jahren durchschnittlich 16,3 näre hat er am eigenen Leib erfahren, Energieriesen im Vergleich: Die Prozent Gewinn vor Abschreibun- wie viel RWE die politischen Ent- Konzernzahlen von gen, Zinsen und Steuern (EBITDA) scheidungen des vergangenen Jahr- RWE und Eon für das Jahr 2019 hängen. Bei Eon waren es 12,7 Pro- zehnts kosten. Und er hat auch er- RWE Eon zent. Von Zahlen wie beim dänischen lebt, wie wenig die Corona-Pandemie Konkurrenten Ørsted (27,9 Prozent), Umsatz das Geschäft beeinflusst. Strom wird Nextera Energy (46,8) oder der fran- in Mio. Euro 13 125 41 484 immer gebraucht. So liefen die Aktien zösischen Gesellschaft Électricité de von RWE und Eon seit Beginn des Jah- Bereinigtes EBITDA France (23,5) sind die deutschen Un- res merklich besser als der Dax – und in Mio. Euro 2 489 5 558 ternehmen weit entfernt. die Versorger damit das erste Mal seit Nettoschulden Das wirft die Frage auf, ob Grö- Langem wieder besser als andere Sek- in Mio. Euro 9 298 39 430 ße im deutschen Energiegeschäft toren. „Die Neuausrichtung des Kon- Verschuldungsgrad überhaupt ein Vorteil ist. Rolf Kiecke- zerns ist eine Kehrtwende“, sagt er. in Prozent 3,7 7,1 busch ist Vorstand der Vermögens- Analysten scheinen das so zu verwaltung Kirix. Er konzentriert sehen. Aus ihren Kurs- und Gewinn- sich vor allem auf die kleinen Anbie- revisionen lässt sich schließen, dass Quellen: Refinitiv, Unternehmen ter. „Die haben den Vorteil, dass In- die Neuordnung gut ankommt. Ein Stand: 10/2020 novationen schneller und reibungslo- 126 Capital Ausgabe 12/2020
ser entstehen und umgesetzt werden Instituts für Solare Energiesysteme Das mag die kleinen Unternehmen, können“, sagt er. Das sei besonders mit im Schnitt 6,1 Cent bereits güns- die nicht mit den Altlasten einer im Feld der erneuerbaren Energien tiger, eine Kilowattstunde Strom Energiewende zu kämpfen haben, wichtig. „Viele kleine Unternehmen aus Onshore-Windkraft zu erzeu- begünstigen. „Jedoch können diese können dabei das, was RWE und Eon gen als aus Stein- oder Braunkoh- Spieler meist keine teuren Investiti- versuchen, effektiver leisten“, sagt le (8,1 Cent und 6,3 Cent). Aufgrund onen wie ganze Offshore-Windparks Kieckebusch, der etwa 500 Mio. Euro des lang gezogenen Ausstiegs werden finanzieren“, sagt Vermögensverwal- Kundengelder verwaltet. diese Energiequellen bei den Großen ter Kieckebusch. Er sieht die Berech- aber noch eine Weile eine Rolle spie- tigung der großen Versorger genau in len. Auch Solarstrom ist mit 7,6 Cent diesen Großprojekten. RÜCKSTAND DER RIESEN pro Kilowattstunde längst konkur- DZ-Bank-Analyst Eisenmann Als Beispiel nennt er 7C Solarparken: renzfähig und sogar günstiger als betont, dass die beiden Energiekon- eine AG mit Sitz in Bayreuth, spezi- Erdgas (8,9 Cent). Lediglich die Off- zerne bei Skaleneffekten und güns- alisiert auf den Erwerb und Betrieb shore-Windkraft, bedingt durch die tigeren Konditionen zur Schulden- von Fotovoltaikanlagen, mit einer immensen Kosten beim Bau, ist mit aufnahme Vorteile gegenüber den Marktkapitalisierung von rund 233 10,8 Cent teurer als die konventio- Kleinen hätten. Anders als bei RWE Mio. Euro. Das Unternehmen erziel- nellen Energieträger. Nimmt man empfiehlt er für Eon allerdings le- te 2019 bei einem Umsatz von 43 Mio. die Umwelt- und Gesundheitskosten diglich: „Halten“ – und weist auf die Euro ein EBITDA über 38,1 Mio. Euro noch in die Rechnung auf, ist ohne- hohe Verschuldung von Eon hin, die – eine Marge von strahlenden 88 Pro- hin keine der fossilen oder nuklea- das Unternehmen weniger robust zent. In den vergangenen fünf Jah- ren Alternativen günstiger als Ener- mache als andere im Energiesektor. ren gab es eine EBITDA-Marge von gie aus Wind oder Sonne. Die Nettoverschuldung von im Schnitt 85 Prozent; RWE und Eon Eon betrug Ende 2019 rund 39 Mrd. können davon nur träumen. Euro, getrieben durch die Kosten der Der Rückstand der Riesen Die Verschalung steht, Innogy-Übernahme. Das bereinig- könnte unter anderem an den Kos- nun kann aus Beton der te EBITDA liegt bei knapp 5,6 Mrd. ten der Stromerzeugung liegen. So nächste Windrad- Euro, der Verschuldungsgrad bei 7,1. ist es nach Zahlen des Fraunhofer- Sockel gegossen werden RWE hat 2019 ein bereinigtes 127
INVEST Energieversorger 80 EBITDA von 2,5 Mrd. Euro erzielt. neue Technologien schneller wach- Bei einer Nettoverschuldung von sen. An Schlagworten mangelt es den 9,3 Mrd. Euro bedeutet das einen Essenern nicht: Smart Cities, Smart Verschuldungsgrad von 3,7. Meter, Vehicle-to-Grid. Überhaupt scheinen Anle- Entsprechend ehrgeizige Zie- ger einen klaren Gewinner der In- le hat sich Eon für seine Aktionä- nogy-Transaktion zu sehen: Wäh- Prozent des Gewinns re gesetzt: Man will die Dividende stammen bei Eon derzeit aus rend die Eon-Anteile seit Beginn des bis einschließlich 2022 um bis zu dem Netzgeschäft Jahres etwa 6,6 Prozent verloren ha- fünf Prozent pro Jahr erhöhen und ben, sind die Aktien von RWE in der- gleichzeitig Schulden abbauen. Ob selben Zeit um 19 Prozent gestiegen. dieser Plan wirklich aufgeht, wird Auch auf Fünfjahressicht hat sich sich in Deutschland – dem aktuell RWE besser geschlagen als größten Markt für Eon – in Eon. An vielen Stellen hört Berlin entscheiden. Denn man, dass RWE mit dem sollte die Bundesregie- Erzeugungsgeschäft den rung die Entgelte für das besseren Deal geschlossen Stromnetz senken, dürf- habe. Das Wachstum liege te Eon vor der nächsten in der Erzeugung, die Sta- Krise stehen – nur dies- bilität dagegen in den Net- mal mit deutlich höheren zen und im Endkundenge- Schulden in den Büchern. schäft – das scheinen auch Atom- und Kohle- Investoren so zu bewerten. ausstieg haben gezeigt, dass sich der Wille der Po- litik schnell ändern kann STABILES NETZ – im Zweifel gegen die In- Bei Eon sieht man das frei- teressen der heimischen lich anders. „Jedes Wind- Unternehmen. Politische kraftwerk, jede Solaran- Entscheidungen könnten lage, jede Ladesäule muss aber auch für einen zu- ans Netz angeschlossen sätzlichen Gewinn sorgen. werden“, sagt ein Sprecher Die Investmentbank Gold- des Unternehmens. Mit man Sachs untersuchte der RWTH Aachen haben jüngst, wie sich der „Green die Essener eine Studie Deal“ der Europäischen erstellt. Durch die Ener- Kommission auf die Ge- giewende und die immer schäftsaussichten der Ver- stärkere Elektrifizierung sorger auswirken könn- des Alltags sollen allein te. Als einen der großen in Deutschland bis 2050 Profiteure sehen sie ganz rund 110 Mrd. Euro für klar RWE. Sollte das ehr- den Ausbau der Energieinfrastruk- geizige Programm der EU-Kommis- tur nötig werden. sion durchgehen, das klimaneutra- Mehr als 50 Millionen Kunden le Energieproduktion mit knapp 500 hat Eon in Europa und ist so einer Mrd. Euro fördern möchte, sehen die der größten Anbieter des Kontinents. Banker das Potenzial für ein Kursplus 80 Prozent des Gewinns kommen der RWE-Aktie von fast 50 Prozent. dabei aus dem regulierten Netzge- Sollte der europäische Weg weltweit schäft. Das hat den Vorteil, dass Um- Schule machen, sei sogar ein Plus von sätze und Margen stabil planbar sind. 64 Prozent für RWE drin. Die Wachstumsstrategie von Eon ist Der Windpark Jüchen, gebaut deswegen ein „Hybrid“: Vier bis fünf Hinter den Braunkohle auf dem alten Braunkohletagebau Prozent pro Jahr soll das Geschäfts- förderbändern des von Garzweiler, wäre dann nur ein feld der Netze wachsen, gleichzeitig Tagebaus drehen sich in Garz kleines Vorzeigemodell – für eine soll das Endkundengeschäft durch weiler die Windräder ganz neue Zukunft. 128 Capital Ausgabe 12/2020
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