TANNACKER-ZEITUNG 2021 - STIFTUNG TANNACKER TEILHABE VON MENSCHEN MIT BEEINTRÄCHTIGUNG
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STIFTUNG TANNACKER Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung Ta n n a c k e r - Z e i t u n g 2 0 2 1 n n w e n i g e r m e h r i s W e t ...
Wenn weniger mehr ist ... Amanda Francesca Manzone und Samuel Gerber, Begleitpersonen Seit einigen Jahren lebe ich in der Pension Alpen- blick in Rothenburg. Immer mit dabei sind meine Art- genossen, zwei euphorische Ziegen und eine Katze, welche aber lieber im Haus bei den Gästen lebt. An einem sonnigen Tag im September kamen zwei Busse mit neuen Gästen an. Dass war eine laute und lustige Gruppe, das sag ich Ihnen. Sie meinten, dass sie eigentlich ans Meer hätten fahren wollen, dies aber wegen einem Virus nicht möglich gewesen sei. Ihr Motto schien «eifach ä chli si» zu sein, sie machten nämlich nicht viel mehr als spazieren gehen, im Garten liegen, singen, Musik hören und essen. Lustig war es, als sie Tischfussball spielten, sie können froh sein habe ich nicht mitgespielt. Wenn das Haus leer ist, übe ich nämlich immer heimlich. Diese Menschen mit Begleitung, welche da waren, waren wirklich sehr lieb. Freundlich lächelten sie mich an, sangen sehr schön und hatten es sich nicht zum Ziel gesetzt, mich zu streicheln, das mag ich nämlich nicht. Im Gegensatz zu den Begleitpersonen, die wollten mich immer streicheln und rannten dann trotzdem kreischend davon. Wenigstens fand das der Rest der Gruppe lustig. Jeden Abend sassen die Begleitpersonen im Sprudel- bad unter dem Sternenhimmel und meinten, wie schön diese Ferien seien, aber dass ich mein abendliches Bad nicht nehmen konnte, daran haben sie nie gedacht. Amanda, das Lama In leichter Sprache: Das Geschenk Corona Corona hat uns manches weggenommen. • Wir dürfen vieles nicht mehr tun. • Wir dürfen nicht mehr überall hingehen. Hat Corona uns auch etwas geschenkt? • Etwas Wichtiges für die Zukunft? Das Geschenk Leitartikel von Claus Detreköy, Direktor • Etwas Wertvolles für unser Leben? Die Corona-Pandemie hat uns anderen Menschen zu helfen, etwas allen zweifellos manches genom- selbst zu tun, sich Zeit zu nehmen. Corona hat uns Zeit geschenkt. men. Hat sie uns dabei aber auch Der eigenen Persönlichkeit, der In- • Wir dürfen langsam sein. etwas geschenkt? Etwas, das für die tuition, den eigenen Ideen Raum zu Zukunft wichtig und wertvoll bleibt? geben. Ja, einfach sich selbst zu sein. • Wir müssen weniger Aufgaben erledigen. Gelang es uns, dieses «Weniger» Vielleicht wurde unser Hamster- rad zwischenzeitlich etwas gebremst. des vergangenen Jahres zu erleben, Viele von uns denken jetzt nach. so wurde uns damit gleichzeitig ein Das Immer-Mehr, das Immer- • Was ist sinnvoll? «Mehr» geschenkt. Schneller, das Immer-Weiter, der äusserliche Glanz waren auf einmal Immer wieder durften wir dies in • Warum tun wir etwas? nicht mehr das Mass aller Dinge. der Stiftung Tannacker erleben. Wun- derbare Momente. Oft gemeinsam. Viele von uns haben Zeit für neue Sachen. Vielleicht aber rasten wir wei- ter im Hamsterrad. Denn es musste Weniger ist gewiss nicht immer • Es gibt gute Gespräche sein. Oder wir dachten, es müsse sein. mehr. Dieses Weniger schon. Hof- • Es gibt schöne Begegnungen. fentlich kein flüchtiges Geschenk! Doch wir spürten immer deut- • Es gibt neue Ideen. licher, dass etwas fehlt. Sinnfragen gewannen an Bedeutung wie schon • Wir helfen einander. lange nicht mehr. Vielleicht wuchs der Wunsch nach Wir können uns selber kennenlernen. weniger oder etwas anderem. Nach • Wer bin ich? einem tiefgründigen Gespräch, nach einer schönen Begegnung oder einer • Was tut mir gut? Umarmung. Sich auf etwas oder je- manden wirklich einzulassen, einem Das alles können wir nun tun. Das ist das Geschenk. 2
Oase Michaela Bajraktar Begleitperson Kennst du den kleinen Rasen zwischen dem Ausflug nach dem anderen machen, doch wir Bald gesellten sich weitere Leute, von ande- Wohnheimgebäude und der WG Villa? konnten viel Zeit auf dem Areal der Stiftung ren Wohngruppen zu uns, um gemeinsam die Tannacker verbringen. Oase auf dem Rasen zwischen den Wohn- Für mich ist das ein Ort der Begegnung. Ein gruppen zu geniessen. Ort, wo im Herbst die bunten Blätter liegen, Wenn ich an den letzten Sommer zurück- wo im Winter Schneeballschlachten veranstal- denke, sehe ich eine bestimmte wunderbare Es wurden Geschichten vorgelesen, Anek- tet werden könnten, wo im Frühling die ersten Situation vor mir: Es war ein besonders heis- doten erzählt, Musik gehört und als Krönung Sonnenstrahlen hin scheinen und (liebe Men- ser Tag und eine Person schlug vor, dass wir gab es selbstgemachte Eiskaffees und Glacen schen vom technischen Dienst, bitte haltet die Füsse im Planschbecken baden könnten. aus der Cafeteria für alle, die wollten. euch doch kurz die Ohren bzw. die Augen zu) Gesagt, getan. Wir stellten unser Becken Vermutlich ist überall auf der Welt mo- wo im Sommer Sonnenschirme über Picknick- auf den Rasen vor der Villa. Sofort zogen mentan eine ähnliche Stimmung. Alle hoffen, decken und Planschbecken gespannt werden. die Villaner*innen mit. Wir stellten mehr dass bald wieder Normalität einkehrt. Und Nein, wir konnten mit den begleiteten Sonnenschirme auf, und holten mehr Stüh- doch bewies uns der Lockdown, dass weniger Personen nicht wie in den Jahren zuvor einen le, denn bald wurde es eng ums kühle Nass. eben wirklich mehr sein kann. In leichter Sprache: Mehr oder weniger Weniger Wegen Corona können wir weniger tun. • Viele Orte sind geschlossen. • Wir können weniger Leute treffen. • Wir erhalten weniger Besuche. Mehr oder weniger Elisabeth Schenk Jenzer Präsidentin Stiftungsrat • Unser Tag ist nicht mehr gleich wie vorher. • Vieles ist nicht mehr möglich. Weniger ist weniger. Das haben Der Tagesablauf muss anders geplant wir alle im letzten Frühling gemerkt, werden. Die Freizeit muss anders Das ist schwierig für uns. als wegen Corona plötzlich alles ge- gestaltet werden. Freundschaften schlossen war. Das merken wir alle müssen anders gepflegt werden. Mehr in diesem Winter, wo vieles wieder Der Wegfall des Gewohnten Dafür können wir jetzt anderes tun. geschlossen ist. Weniger Treffen mit macht uns den Blick frei auf andere anderen sind weniger Treffen. Weni- Möglichkeiten. Wir haben mehr Zeit Wir können Neues erfinden. ger Besuche sind weniger Besuche. und merken, was man mit ihr auch • Wir backen ein Brot. Wie vielen Menschen ist es mir noch machen könnte: Brot backen, schwergefallen, auf Familie und eine Hose nähen, das Zimmer blau • Wir streichen das Zimmer blau. Freunde, Restaurants und Reisen, streichen, Radieschen anpflanzen, • Wir pflanzen Radieschen. Ausflüge und Ausgang zu verzichten. eine Sonnenblume malen, trommeln. Wie soll dann weniger mehr sein? • Wir malen eine Sonnenblume. Weniger Möglichkeiten zu haben, Wenn vieles nicht mehr möglich gibt mehr Zeit, neue Möglichkeiten • Wir trommeln. ist, muss vieles neu gedacht werden. zu entdecken. Wir entrümpeln den Das gibt uns ein gutes Gefühl. Alltag und merken: Das ist ein gutes Gefühl! Ohne Corona Trotzdem: Ich freue mich auf eine Zeit, wenn weniger Corona uns wie- Wir freuen uns, wenn Corona vorbei ist. der mehr Bewegung erlaubt. Wenn • Wir können uns wieder frei bewegen. wir wieder Kurse besuchen, einen YB-Match schauen und aus vollem • Wir können einen Kurs besuchen. Hals ein Lied singen dürfen. Wenn • Oder einen YB-Match. wir wieder andere umarmen dürfen. Fest und lange und ohne Angst. • Wir können uns wieder umarmen. Ohne Angst. 3
Wenn weniger mehr ist ... Auch der Schriftsteller Sunil Mann weiss, dass manchmal weniger mehr ist. Er kennt sich auch sonst aus mit Widersprüchlichkeiten und Gegensätzen. Für die Tannacker-Zeitung 2021 hat er eine berndeutsche Geschichte geschrieben. Die Sonnen und Sterne hat Selma Bengü, be- gleitete Person, gezeichnet. Martha Im erschte Momänt meint d Martha, sie heig wär worde, us ihre und em Geri. Wenn sie denn sech girrt. hätt ja gseit u mit ihm wär mitgange. Einfach «Das cha doch unmöglech si», seit sie zue sech ame Morge los, ufe Bahnhof u de use i d Wält. sälber, aber o wo sie zum zwöite Mal – und itz viel Sie wär e anderi worde als sie itz isch, ganz sicher, gnauer – luegt, isch sie sech nid ganz sicher. das ischere bewusst. Sie wär ds Australie gsi und ufem Kilimandscharo obe, hätt d Rocky Moun- Dr glich Körperbou, klar, e chli schlaksiger itz, tains gseh u wär im Rote Meer ga touche. Är hett d Grössi schtimmt aber ungefähr. Är isch natür- ihre immer wieder Charte gschribe, dr Geri, emel lech o elter worde, äs chliises Buggeli hett er, graui, e Zitlang. fasch wiissi Haar. Aber so gseh sie vo hinde öppe alli us, die alte Manne im Dorf. Nume – so wie Aber wär sie ächt o glücklech worde? Ds Läbe dä Kärli louft, so isch dr Geri geng gloffe. Scho mit em Kari isch nid sones ufregends, nie gsi, denn und immer no, dä Schritt wird d Martha nie aber sie hei drü Chind übercho, jetzt si scho vier vergässe. Grosschind da, sie hei dr Hof, immer no, und am Morge, we sie ufschteit, dänkt sie fasch immer, wie Einzig sis Gsicht hett sie nid gseh, är isch guet s ihne doch gieng. grad vor Bushaltestell abboge, wo sie uf ihn isch ufmerksam worde. Isch denn es Stück d Dorf- Aber mängisch, i dene dunklere Momänt, wo schtrass z derab Richtig Migros. Langsam u doch d Martha chli gnue hett vo däre ganze Harmo- ziilgrichtet, so wie früecher, wie wenn är überzügt nie u däm duurende Zfridesi, wünschti sie sech, wär, dass die ganzi Wält uf ihn wartet u sech ersch me chönnt i Spiegel luege u gsähch dert, wie ds witerdräiht, wenn är de o aacho isch. Das hett ihre Läbe wär usecho, weme ds einte oder andere Mal rächt Iidruck gmacht, denn. andersch hätti entschide. Weme eis früecher wär abboge oder dr Blinker hätt gsetzt u de trotzdäm Fasch wär si ufgschprunge u wieder usgschti- eifach graduus wär gfahre. ge, doch irgendöppis hett se im letschte Momänt zrügghalte. U so luegt d Martha däm Maa hin- Aber vilech wird eim ds Glück nume so richtig derhär, bis der Bus abfahrt u plötzlech gschpürt si bewusst. We me weiss, dass irgendwo tief i eim es ganz fiins Zieh ir Härzgägend. Sehnsucht oder drin äs Chörnli Zwiifel ligt, wo jederzit chönnt es liisligs Beduure vilech. Was hätt chönne si, was afaa usschlah. Wenn weniger Lärche ... . . . m e h r L i n d e i s t. Im September 2020 wird eine alte Lärche gefällt, nach allen Regeln der Holzfällerkunst. Einen Monat später, im Oktober 2020, wird dafür im Innenhof des Tannackers eine Linde gesetzt. Schon bald wird sie Schatten und Ruhe spenden. 4
Stefanie Glauser Fachverantwortliche Teilhabe-Konzept Wenn weniger mehr ist Im Speziellen: Wenn weniger besondere Unternehmungen zu mehr alltäglichen Tätigkeiten und gemeinschaftlichen Erlebnissen führen. Welche Bedeutung misst das Teilhabe-Konzept der Qualität von Aktivitäten zu? Einschränkungen im Privaten, aber vor allem Ein- Unten schränkungen an der Teilhabe am öffentlichen Le- findest du ben veränderten unser Leben in Corona-Zeiten. Das diesen Text war und ist auch in der Stiftung Tannacker nicht in leichter anders. Weniger Ausflüge, weniger Besuche externer Sprache. Angebote, weniger direkte Kontakte. Diese werden ersetzt durch andere Aktivitäten wie mehr Spazier- T e i l h a b e - Ko n z e p t gänge, mehr Telefonieren oder anderen Personen Ein Handbuch für den Alltag schreiben, mehr Backen, mehr Fotos ansehen, mehr Zeichnen, mehr Gesellschaftsspiele spielen. «Wenn du zu uns kommst, schauen wir, dass du möglichst kompetent mit einem möglichst ge- Den Blick wieder vermehrt auf die Mitwirkung, die Mitbestimmung sunden Körper an möglichst alltäglich normalen und Mitverantwortung in Alltags-Situationen zu konzentrieren, birgt Lebens-Situationen teilhaben kannst.» So lautet grosse Chancen für die alltägliche Teilhabe. Denn bei einer Aktivität das Teilhabe-Versprechen an alle Personen mit Be- einfach mit dabei zu sein, bedeutet nicht automatisch, dass die Person einträchtigung, welche in der Stiftung Tannacker mit Begleitung an dieser Lebenssituation auch wirklich kompetent teil wohnen und arbeiten. hat. Dies hängt erheblich von der Art des Einbezogenseins sowie der Qualität der Lebens-Situation ab. Erleben ist stets subjektiv. Wie Teil- Dieses Versprechen ist das Herz-Stück unseres habe erlebt wird, ist individuell. agogischen Konzeptes, politisch eingebettet in der UNO-Behindertenrechts-Konvention und dem In der Stiftung Tannacker versuchen wir Aktivitäten deshalb so zu Behindertenkonzept des Kantons Bern. Seit meh- gestalten, dass die Personen mit Begleitung diese gut erleben, darin reren Jahren orientiert sich die professionelle ihre Fertigkeiten anwenden, ihre Stärken und Talente einbringen und Arbeit der Stiftung Tannacker an der grösstmög- Mitverantwortung übernehmen können. lichen Selbst-Bestimmung, Eigen-Verantwortung Wir hoffen, dass wir durch ein Mehr an Qualität das Weniger an und sozialen Teilhabe. Quantität ein wenig kompensieren konnte. Es geht uns hierbei insbesondere um die Hal- tung. Ein Einstehen für persönliche Eigenart und menschliche Vielfalt, für Entwicklung und Entfal- tung, für gemeinschaftliche Erlebnisse, für Lebens- In leichter Sprache: Qualität, für Selbst-Bestimmung und Mitwirkung, für Rechte, Pflichten und Verantwortung, für Was wir jeden Tag tun, ist wichtig. teilhabe-orientierte Zugänge bei der Arbeit, beim Wohnen und in der Freizeit, für den Alltag als Lernfeld und dafür, dass nicht immer alles perfekt Weniger Falsche Teilhabe sein soll und kann. Wegen Corona gibt es Es gibt auch Teilhabe, die gar Im vergangenen Jahr haben wir unser Handbuch • weniger Ausflüge keine ist: zum Teilhabe-Konzept grundlegend überarbeitet und erneuert. Besonderen Wert legten wir dabei, in • weniger Besuche • Ich bin dabei. Zusammenarbeit mit Res Brandenberger, auf eine • weniger Angebote Das genügt nicht. möglichst verständliche Sprache. Das Handbuch enthält nebst den agogischen und konzeptionel- ausserhalb des Tannackers Es kommt auf mehr an: len Grundlagen eine Beschreibung aller fachlichen Werkzeuge sowie zahlreiche Praxis-Beispiele. Es ist Mehr • Wie bin ich dabei? in erster Linie ein internes Arbeits-Instrument, soll • Bei was bin ich dabei? aber gleichzeitig auch einen Beitrag leisten zur Zu- Wegen Corona gibt es sammenarbeit mit Angehörigen und interessierten • mehr Spaziergänge Kreisen. Kompetente Teilhabe • mehr Telefonieren Jede Person erlebt • mehr Briefe-Schreiben eine Handlung anders. • mehr Backen Wichtig ist die Frage: • mehr Zeichnen • Wie erlebe ICH die Handlung? • mehr Gesellschafts-Spiele Kompetent teilhaben heisst: Das ist gut. • Ich erlebe die Handlung gut. Denn das gibt mehr Teilhabe. • Es braucht meine Fertigkeiten. Teilhabe • Es braucht meine Stärken Teilhaben heisst: und Talente. • Ich kann mitmachen. • Ich trage Verantwortung. • Ich kann mitbestimmen. • Ich kann Verantwortung So haben wir mehr. Das 245-seitige Handbuch kann für CHF 35 tragen. Und nicht weniger. (exkl. Versandkosten) in der Stiftung Tannacker bezogen werden. 5
Co r o n a - Allta g Uf und drvo Annelise Widmer Begleitperson und Gruppenleiterin Uf und drvo ... ist leichter gesagt Riggisberg waren schön, könnte ich als getan, vor allem in der Corona- wieder gehen? Und ... Und ... Zeit. Und dennoch gilt es während Nils Brunner, begleitete Person, lebt auf der Wohngruppe Grün und arbeitet Alle wollen auf einmal etwas er- dem Alltag auf der WG, eine posi- im Atelier Lebensmittel in Moosseedorf. Während des Lockdowns von Mit- zählen, es ist wie ein Virus, der sich tive Stimmung zu schaffen und für te März bis Mitte Mai 2020 konnte er seine Eltern nicht besuchen. Seine durch den Raum schlängelt und eine gute Atmosphäre zu sorgen. Mutter, Regine Brand Brunner, erzählt, wie sie diese Zeit erlebt haben. sehr ansteckend wirkt. Nur gott- Wie soll dies gelingen!? Ein Blitz- gedanke durchquert meinen Kopf. lob ist dies nicht der Corona-Virus, sondern der «Weisch-no-Virus» und 1 2 W o c h e n i m Ta n n a c k e r Wie ist es, sich etwas Gutes zu tun dieser ist tausendmal schöner. Wie jeden Montagmorgen nach geforderten Verhaltensweisen an- und etwas Schönes vorzunehmen? einem gemeinsamen Wochenen- passen und auf manches verzich- Leuchtende Augen und lachen- Ja, das ist genau das Richtige, was de ist Nils auch an jenem 2. März ten konnte, was ihm so viel Freude de Gesichter sind zu sehen, es wird es in diesem Moment braucht! freudig angespannt in den chicen macht. Dass er dabei gesund und noch und noch von vergangenen Daher gibt es an diesem Tag ein Zeiten geschwärmt. Bei den Einen Tesla des Taxiunternehmens gestie- zufrieden geblieben und eigenstän- feines Vermicelle-Dessert, was wie- und Anderen sind gar Freudenträ- gen. Trotz zunehmend beunruhi- diger geworden ist, erfüllt uns mit derum für grosse Freude sorgt, da nen zu sehen und die Bauchmuskeln gender Informationen zu Corona Zuversicht und Stolz. Nils hat ge- dies alle lieben. Bei dieser Gelegen- werden dabei arg in Anspruch ge- hätten wir uns zu dem Zeitpunkt lernt zu facetimen, was auch heute heit wird rege aus der Vergangen- nommen. nicht vorstellen können, erst am 6. unsere Kontakte zwischen den Wo- heit erzählt. Weisch no ... als die Juni wieder ein paar Tage mit Nils chenenden belebt. Was für eine lockere Stimmung daheim verbringen zu dürfen. Frau mein Vermicelle stibitzte; am Natürlich gab es schwierige herrscht in diesem Augenblick, ver- Fasnachtsumzug; wo hast du dich Dazwischen liegen Monate der Momente, wo Zweifel aufkamen, gessen ist all der Verzicht auf die damals versteckt? Ich war Lotto- Verunsicherung, der Sorge, der wie lange er das noch mitmachen etlichen Vorhaben. Im Moment königin; bei dieser Wette habe ich Einschränkung und vor allem der würde. So meinte Nils bei einem zählen nur die erlebten Geschich- gewonnen; damals habe ich un- Längizytti. Wegen unserer Arbeits- Gespräch: «Hesch du e Schlüssu, ten, es kommt mir vor wie einzel- zählige Tore geschossen, ich war situation mit auswärtigen Ver- dass i hie use cha, i ha mini Täsche ne geheimnisvolle Diamanten, die Torschützenkönig. Weisst du noch, pflichtungen und Homeoffice ab packt». aufblitzen; und vergessen ist der als ich dich in die Putzkammer ein- Mitte März konnten wir uns trotz Corona-Virus. Zu wissen, dass Nils in guten geschlossen habe? Weisst du noch, aller Bedenken, wie Nils als Fami- was ich dir damals ins Ohr ge- Kann uf und drvo also auch ein Händen ist, Gespräche mit den lienmensch die lange Trennung von flüstert habe? Die Ferientage in Abstecher in die Vergangenheit sein!? Betreuenden und anderen Eltern uns bewältigen würde, nicht vor- sowie der Austausch mit der Heim- stellen, ihn für unbestimmte Zeit leitung haben geholfen, zuversicht- daheim zu begleiten. lich und vertrauensvoll zu bleiben. So wurden diese Monate für uns Gewöhnlich hat man als Eltern auch zu einer Zeit des Loslassens eines Kindes mit einer Beeinträchti- und Vertrauens in die Begleitung im gung selten Anlass, im herkömmli- Tannacker und in die Fähigkeit von chen Sinn Stolz zu empfinden. Nils, Herausforderungen zu meis- tern und daran zu reifen. Sein Be- Dass Nils mit viel Zuwendung finden konnten wir ausschliesslich und Unterstützung diese Zeit so aus Distanz oder vermittelt durch gut gemeistert hat, erfüllt uns die Begleitpersonen der Gruppe Eltern durchaus mit Stolz und gibt einschätzen. Gewissheit, dass sein Wohlergehen nicht ausschliesslich von uns ab- Es beruhigte uns sehr zu mer- hängt. ken, dass Nils die Situation auf seine Weise verstehen, sich an die 6
Andreas Stegers üblicher Alltag als begleitete Person ist das Atelier Papier Eigentlich lebt Guy Moser als begleitete Person auf der Wohngruppe Chalet Malen in Bäriswil. Während des Lockdowns von Mitte März bis Juni 2020 und arbeitet im Atelier Holz Metall und in der Küche in Moosseedorf. konnte er seiner Arbeit im Tannacker nicht nachgehen. Seine Angehörigen Während des Lockdowns von Mitte März bis Mitte Mai 2020 lebte er erzählen, wie sie diese Zeit erlebt haben. zuhause bei seinen Eltern. Sie berichten über diese Zeit. 9 W o c h e n Zu h a u s e 1 2 W o c h e n Zu h a u s e Der erste Gedanke – Dauer der gängern, die ebenfalls Frischluft Während dieser Zeit hat Guy konnte er erkennen und sie richtig Einschränkung höchstens zwei Wo- tanken wollten. Zu ihnen konnten gerne nach dem Frühstück, nach benennen. Auch sein örtliches Ge- chen, fast wie Ferien. Wir halten wir gut Abstand halten. dem Abendessen in der Küche beim dächtnis ist gut. Er findet stets un- uns an die gegebenen Regeln und Abtrocknen und beim Wegräumen sere Wohnung. Später wechselten wir für unse- passen uns an: etwas länger schla- von bestimmten Gegenständen ge- re Spaziergänge ins Areal der UPD Abends nach dem Abendessen hat fen, an der frischen Luft spazieren, holfen. Waldau, in die wunderschöne An- Jürgen mit Guy Leseübungen ge- den Abend geniessen und dazwi- lage mit grossen, schattenspenden- Bei gutem Wetter hat er gemein- macht. Guy hat sich im Lesen bei schen essen. den Bäumen und einem Teich mit sam mit uns an grösseren Spa- verlängerter Lesedauer verbessert. Für eine Stunde an der frischen vielen kleinen Kaulquappen. Bei ziergängen teilgenommen, die in Die ausgewählten Texte waren Ge- Luft fuhren wir mit Andreas im schönem Wetter picknickten wir an Richtung Thun oder in Richtung schichten aus dem Alltag und aus Rollstuhl fast täglich zum Flugplatz einem grossen Steintisch mit Bank, Interlaken verliefen. dem Sport. Bei jeder Leseübung hat Belp, wo wir einen sauberen, ebe- «fasch wie im Tessin». Jürgen Guy Fragen gestellt, zum Danach haben wir es uns auf nen Feldweg zwischen Kohl- und Beispiel: Wo ist dieser Ort? Wer Bald vermisste Andreas seine der Terrasse gemütlich gemacht Rapsfeld vorfanden. Wir staunten hat das gesagt? Guy konnte mehr- Kolleg*innen vom Tannhölzli. Er mit einem Würfelspiel, das Guy immer wieder, wie schnell die kleine mals gute Antworten geben. Die sehnte sich nach anderer Gesell- mit Zahlen beschäftigt hat. Bei Rapspflänzchen in die Höhe wuch- von uns ausgewählten Geschichten schaft als der unseren und ver- kleineren Würfelzahlen sollte Guy sen und in kurzer Zeit das ganze waren solche, die als leicht lesbar misste den gewohnten Alltag mit die Summe erklären, was ihm nicht Feld gelb zu blühen begann. Bis auf für Erwachsenen eingestuft sind. der Fahrt im roten Auto. Auch wir gut gelungen ist. Wenn er gefragt eine ehemalige Praktikantin mit ih- Eltern sehnten den Tagesentlas- wurde, welche Zahl auf dem Wür- Trotz Pandemie war es eine gute rer Familie, die Andreas vor Jahren tungsplatz herbei, um für einige fel zu sehen sei, hat er in der Regel gemeinsame Zeit mit sehr schönem im Burehus Bäriswil begleitet hat- Stunden frei zu sein von der «Pflege richtig geantwortet. Auch grössere Wetter! te, begegneten wir nur schnellen und Betreuung rund um die Uhr». Zahlen, zum Beispiel 25 oder 32 Velofahrern und anderen Spazier- Larissa Schlatter Begleitperson D e r m a s k i e r t e Ta n n a c k e r Die Fasnacht fand gerade mal so Auch bei den Begegnungen, im knapp einen Platz in der Tannacker - Tannacker oder ausserhalb, lächel- Geschichte. ten wir unsere Mitmenschen an und staunten ab und zu, dass da Es wurden tatsächlich die Mas- keine Reaktion zu sehen war. Wie ken wieder aus den Schachteln ge- auch, wenn der blaue Schleier un- zaubert. Dabei ging es nicht um den ser Zahnpasta-Lächeln verhüllt. Clown, die Hexe oder den Hund. Die blauen Mundschürzen dienen Ein Teil von uns liegt also im ganz alleine der Gesundheit. Verborgenen und die Distanz muss zwingend eingehalten werden. Ja, und da zeigte sich, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist. So Trotzdem möchten wir offen- haben wir in kurzer Zeit das neue bleiben und nehmen unser Gegen- Accessoire angenommen und auch über aus einem neuen Blickwinkel ausserhalb des Tannackers, ohne uns wahr. dessen bewusst zu sein, getragen. Doch spätestens am Abend bei der Zahnpflege war da was im Wege. 7
Begrüssungen Emanuel Borter Nick Ehrenzeller Jonas Suter René Koller Wohngruppe Baumhus Bäriswil Wohngruppe Baumhus Bäriswil Externat Externat Emanuel ist ein gestandener, Nick ist direkt nach der HPS- Jonas Suter arbeitet seit Anfang «Salü ! Ig bi der René! Ig ha Ang- 35-jähriger Mann und war, bevor Schule in Bern, mit 18 Jahren, zu uns Oktober neu bei uns im Atelier Aus schd vor dir !» er zu uns ins Baumhus schnuppern ins Baumhus gekommen. Da es durch Alt mach Neu und im Atelier Textil/ Da ist er nun, der René. Gross kam, in zwei anderen Institutionen. Corona zu Verzögerungen beim Ein- Papier. Jonas bereichert unsere Ate- steht er vor mir mit seinem tiefen tritt kam, ist er, ohne zu schnuppern, lierteams mit seiner offenen, fröh- Nach drei Wochen Schnupperzeit Bass und seinem breiten Bärndütsch, am 5.7.2020 bei uns eingetreten. lichen Art ungemein und hat sich war für ihn, seine Eltern und unsere bei unserer Erstbegegnung im Juli 20. Er hat sich sofort selbständig um sehr schnell im Tannacker eingelebt. Wohngruppe klar, dass er ab August Dank der Unterstützung von Pia Ist das nicht von grundauf ehr- 2020 dauerhaft auf der Wohngruppe seine neue Zimmereinrichtung ge- Weber (Training für Orientierung lich, wenn man jemanden kennen bleiben wird. kümmert und sich dabei von allen und Mobilität) fand sich Jonas trotz lernt und grad erfährt, dass er etwas Seiten Hilfe geholt. Er arbeitet sehr gerne im Atelier. seiner Sehbehinderung schon innert unsicher ist, nicht so recht weiss was Er konnte sich nach und nach immer Nick ist ein durchweg dynami- kürzester Zeit alleine im Tannacker ihn erwartet und deshalb halt auch mehr einbringen. scher und energiegeladener junger zurecht. sagt : «Ig ha Angschd vor dir.» Mann. Er hat sich sehr schnell einge- In seiner Freizeit liebt er es, ge- lebt und ist durch seine Hilfsbereit- Jonas stellt sich kurz vor. Hab ich das denn nicht auch ein mütlich Kaffee zu trinken und wann schaft und Empathie sehr gut von wenig, diese Unsicherheit vor ihm? Hallo ich heisse Jonas gehe gerne immer es geht, ein kleines Schoggi- den anderen Mitbewohnern aufge- Haben wir das nicht alle vor einem an YB-Matchs, fahre in meiner Frei- reiheli dazu zu geniessen. nommen worden. Gerne beteiligt er Neubeginn? Wer erinnert sich nicht zeit Bus, Tram, und andere öffentli- sich bei allerhand Arbeiten und in daran, wie schwierig es ist, an einem Er ist sehr gerne mit seinen Mit- che Verkehrsmittel und treffe mich der Freizeit an vielen unterschiedli- unbekannten Ort zu beginnen, vor bewohnern zusammen, achtet aber gerne mit Menschen, die ich kenne. chen Angeboten. Seine Leidenschaft fremden Menschen? auf etwas Distanz und ist eher ein gilt dem SCB, und er findet alles In den Tannacker kam ich, weil es stiller Beobachter. Dies scheint er Wir arbeiten zusammen im Le- technische, wie Lastwagen, Bagger mir im Blindenheim zu eintönig und aber zu geniessen, und er wirkt dabei bensmittel-Atelier in Bäriswil. Aus usw. hochinteressant. langweilig wurde. Ich schnupperte sehr ruhig und entspannt. Es huscht dem anfänglichen «Chef, chasch du im Tannacker, und es gefiel mir so- ihm dabei öfters ein Lächeln über Seine Freizeit verbringt er sehr mir hälfe?» ist ein «Ralf, ig bruche fort sehr gut. Nach dem Schnuppen das Gesicht. gerne mit Fahrradfahren, und er Hilf» geworden und wir zwei haben durfte ich zum Glück auch gleich ist begeisterter Trottinett-Fahrer. gelernt, dass aus einer Angst ganz Mit Begeisterung fährt er auf sei- bleiben, darüber habe ich mich sehr Nick wünscht sich von Herzen eine langsam Vertrautheit werden kann. nem eigenen Tandem und er liebt es, gefreut. mit dem grossen Bus unterwegs sein Freundin und kann sich durchaus Du bist ein fleissiger Mitarbeiter eine Heirat und ein Zusammenleben Zu meinen Lieblingsarbeiten ge- zu dürfen. Gerne ist Emanuel dabei, und ich glaub, dass du deine Unsi- vorstellen. hören mit dem Accucut Formen aus- wenn es darum geht, einen Ausflug cherheiten, die wohl ein Stück weit stanzen, Seiten für die «Notizblöckli» zu machen. Nach verschiedenen Ateliereinsät- zu dir gehören, je länger je mehr et- in eine Form füllen und « Chräueli» zen hat sich Nick dazu entschlossen, was hinter dir lassen kannst. Ich hel- Emanuel bereichert unsere Wohn- auf einen Draht aufziehen. Mir ge- beim technischen Dienst zu arbeiten. fe dir gerne dabei. gruppe mit seiner besonnenen Art, fällt im Tannacker die Abwechslung und wir freuen uns auf viele gemein- Er liebt es mit Maschinen zu hantie- Deine originelle Art viele Fra- der Arbeiten besonders gut. same Jahre. ren und im Freien zu sein, dies gefällt gen zu stellen, überrascht mich stets ihm sehr gut. Dabei kann er sich kör- Nun warte ich gespannt auf aufs neue, denn wer fragt mich denn Schön, dass du da bist. perlich gut einbringen. einen freien Wohnplatz auf einer der sonst schon immer wieder mal: «Du Wohngruppen des Tannackers. Nick bringt viel Power und Leben Ralf, wie heissisch du?» Gabriela Josi auf die Wohngruppe. Wir freuen uns Wer weiss, vielleicht sollte ich Begleitperson und Jonas Suter, den weiteren Lebensweg mit dir ge- mir das tatsächlich mal genauer Gruppenleiterin begleitete Person, hen zu dürfen. überlegen. in Zusammenarbeit Gabriela Josi mit Melinda Lambrigger, Ich freu mich, dass du bei uns Begleitperson und Begleitperson bist, René. Gruppenleiterin Ralf Menzel Begleitperson Jennifer Schaller ruppe Chalet Willkommen zurück! Auf der Wohng Com- r Auskunft geben über verschiedene Im April 2019 war Jennifer Schalle uns men, puterspiele, Filme und Bücher, die auf die Wohngruppe Grün gekom und Ma n- 2019 jeweils in die Welt der Animes hatte sich dann Ende November ist das zu lebe n. gas eintauchen liessen. Jennifer entschieden, wieder zu Hause innen zu- Wohlergehen ihrer Mitbewohner* Nun ist sie wieder in den Tannacker und so unt er- ppe immer sehr wichtig, rückgekehrt und wohnt auf der Gru beim stützt sie uns beispielsweise Chalet. n, Essen servieren und Kaffee verteile Jennifer Schaller ist 24 Jahre alt und wenn ihre Mitbewohner*innen es sel- dig. die meistert ihren Alltag sehr selbstän ber nicht können. Auch fehlt bei ihr Zei ch- ach t Sie hat eine grosse Begabung fürs Frage: «Wie geits dir, was hesch gm eils nen und Schreiben. So erstellt sie jew am Wuchenänd?» nur selten. Begleitperso nen bei neu eintretenden Michaela Bajraktar m- oder begleiteten Personen die Willko Begleitperson ent mensplakate. Jennifer kann kompet 8
N a c h r uf e Dominic Binggeli Antoinette Piller Henry Pavkovic Livio Mettler 7. August 1981 – 24. Februar 2020 30. Mai 1971 – 22. März 2020 9. September 1968 – 2. April 2020 14. Oktober 1987 – 13. Dezember 2020 Du wurdest unerwartet aus dem Antoinette kam im Oktober 1994 Es ist schon einige Zeit vergangen, Als dein Herz nicht mehr woll- Leben gerissen und hast eine grosse in den Tannacker, auf die Gruppe trotzdem vermissen wir dich immer te oder konnte, da hast du dich an Lücke hinterlassen. Lila in Moosseedorf, bevor sie im noch sehr. Du warst ein alt eingeses- deinem Luft-Ballon festgehalten und Februar 2012 zu uns in die WG sener «Chaletaner». Du kommst uns bist ganz leicht davon, sanft mit ei- Du hast im Tannacker nicht oder Baumhus nach Bäriswil wechselte. nach wie vor im Alltag viel in den nem Lächeln und freundlich wie du nur selten geredet, aber deine Mimik Sinn. immer warst, hast du uns bestimmt und dein Lachen hast du gekonnt Sie bemühte sich immer mit aller noch gewunken, uns einen Kuss- eingesetzt. Wir wussten immer, ob Kraft, so gut und so viel wie mög- Im Wohnzimmersessel hast du mund geschenkt, fröhlich, ohne es dir gut geht, oder ob dich etwas lich zu helfen, egal was und wo. Sie immer alles beobachtet und dich ab Trauer, einfach weiter, oder mit dei- stört. Im Tannacker warst du gut war immer zur Stelle, wenn etwas Allen köstlich amüsiert, vor allem nen Worten: «Verbii». Weil das halt vernetzt und freutest dich über viele zu erledigen war und genoss dann wenn jemandem etwas herunter- so ist und weil das ja für dich immer Freundschaften. Da haben dir dein die gemeinsame Zeit und die Ge- gefallen ist. so war, wenn etwas schön war, dann Charme und Schalk und die Teilnah- spräche, die währenddessen statt- Eines deiner Leidenschaften war war das halt danach auch verbii. Für me an den vielen gruppenübergrei- fanden sehr. Die dadurch erfahrene jedoch «Furt go», am liebsten in ein dich war das ja ganz einfach, du leb- fenden Winterlagern geholfen. Wertschätzung der Wohngruppe und Restaurant und dort ein Stück Torte test mir das vor. Man freut sich auf der Begleitpersonen war für sie Du warst ein guter Läufer und oder im Sommer einen Glace-Cup etwas. Und dieses Freuen fing für sehr wichtig und bescherte ihr viele gerne in Bewegung. Deshalb über- essen gehen, welchen du genüsslich dich immer ganz früh an. Wochen- Glücksmomente. nahmst du viele Botengänge und und in aller Ruhe verspeisen konn- lang konntest du dich auf die Ostern, Ämtli, welche dich kreuz und quer Musik und Singen waren ihre test. Natürlich schön geordnet von die Bea-Messe, die Ferien, deinen durch den Tannacker führten. grösste Leidenschaft, sie konnte eine oben nach unten. Dein Schmunzeln, Geburtstag, Weihnachten freuen. Wenn dann noch das Wäschewägeli Unmenge Lieder komplett auswen- wenn dir das Dessert serviert wur- Dein Freuen war für uns, die wir dir quietschte und ratterte, war die Freude dig vortragen und ist dadurch richtig de, werden wir immer in Erinnerung nahe waren, nicht ganz so einfach, riesig. aufgeblüht. behalten. Du warst ein Geniesser in da es in deinem Denken soviel Raum vielen Belangen. einnahm und du dasselbe von uns Deine Lieblingsarbeit war das Ihr absolutes Lieblingsatelier war Kontrollieren der K-Lumethölzli. hier in Bäriswil, das Lebensmittel- Deine wohl erzogene Art und verlangtest. Dann spürten wir deine Nach den Ferien ranntest du oft zur atelier, wo sie eine besondere Freund- deine Gründlichkeit in deinen Taten Ungeduld stark. Wir konnten dich Kiste und hast bereits im Stehen an- schaft mit Ralf Menzel verbunden waren ganz besonders. aber auch verstehen, weil wir deine gefangen Hölzli «abezlah». Gerne hat. Gelegentliche Wechsel schätzte Leidenschaften mochten. Ich jeden- Jetzt siehst du vom Himmel hin- falls mochte sie. hast du zum Arbeiten Musik gehört sie nicht besonders. unter und amüsierst dich sicherlich und mit Gegenständen den Takt ge- Wie einsam sich nun wohl die Besonders wichtig war für weiter ab uns, dies machst du be- klopft. Hattest du nichts zur Hand, Waschmaschinen in der Lingerie in Antoinette die intensive Beziehung stimmt ohne die körperlichen Ein- zogst du kurzerhand deine Schuhe Bäriswil fühlen mögen, nun da du zu ihren Eltern und ihrem Bruder schränkungen, welche dir hier zu aus und benutztest sie als Schlag- nicht mehr bei uns bist? Vor den blin- und dessen Familie. Sie hat sich sehr schaffen machten. instrumente. Einige wenige Male kenden Lichtern, den Geräuschen, über die regelmässigen Besuche und habe ich dich laut singen gehört und Henry du wirst immer in unseren der drehenden Trommeln konntest Treffen mit ihrer Familie gefreut. war beeindruckt, wie genau du die Herzen bleiben. du gebannt sitzen. Ein wenig erin- Töne getroffen hast. Liebe Antoinette, wir hoffen fest, nerte mich das manchmal an meine dass du nach deiner langen und Michaela Poschung Jugend, als wir die Lichter und Ge- An deinen Geburtstagen hast du schweren Krankheit sanft und ge- Begleitperson und räusche der Flipperkästen liebten. uns jeweils alle ins Restaurant zu borgen deinen himmlischen Frieden Gruppenleiterin einem feinen Mittagessen eingela- Deine unendlich grosse Liebe finden durftest. den und strahltest auf deinem Platz. zu Drehorgeln durftest du bei mir Wenn es ans Geschenke auspacken Wir denken an dich ... im Atelier immer wieder ausleben, ging, konnten wenige mit dir mithal- wenn du nachmittags vor Arbeits- ten. Das Papier flog nur so davon, Gabriela Josi schluss die auf youtube verewigten und wenn deine heissgeliebten Bret- Begleitperson und Videos zu Drehorgeltreffen schau- zeli darin auftauchten, war auch die- Gruppenleiterin test. So glücklich und ganz vertieft se Hürde schnell überwunden und dabei sehe ich dich jetzt gerade. die Schachtel geöffnet. Es gibt wun- Wir hören unten dein Musik hat uns verbunden. derschöne Bilder von dir, strahlend, Klingeln an der Haustüre. Du ko in Mitte von einem Fötzelimeer am mmst mit Waren wir nicht eine tolle dem Lift herauf, schlei Boden. chst dich Band? Du mit der Rassel, heimlich zu unserem At elier ... Andreas als Dirigent, Edi mit Im Tannacker erkannte man dich Ich: «Wer kommt denn dem Tambourine und ich mit schon von weitem an deinen schönen da?» dem Akkordeon? leuchtenden Kleidern und an deinem Du: «Guggus ...!» dynamischen Schritt. Heute war ich an deiner Alle: «Eh, de Livio isch da!» Beerdigung, morgen ist Heilig- Dominic, du hast unser Leben be- Soviele Jahre haben abend. Du liebtest Weihnach- reichert mit deinen Farben, deinem wir zu- sammen gearbeitet. Al ten so sehr. Grad vorhin war Lachen und deinem Wesen. Wir ver- le mochten dich. Deine «Zwischen ich nochmal schnell draussen missen dich sehr! durchmas- sagen», deine Müntschis in der Winternacht und mir , dein La- chen, deine Hilfsbereitsc schien, als wenn ich leise von Barbara Neukomm haft, dein geschicktes Können. Weitem den Klang einer Dreh- Begleitperson Und nun ohne dich ...? orgel hörte ... Ralf Menzel Begleitperspon 9
Au s bl i c k 2 0 2 1 Frühling Mit einer ersten externen Wohnung in Moossee- dorf erweitert die Stiftung Tannacker ihr Ange- bot für Menschen, die eigenverantwortlicher wohnen möchten. Spätsommer Aufgrund der Coronapandemie werden die geplanten Italien-Ferien der Bewohnerinnen und Bewohner durch vielfältige Ferienprojekte in der Schweiz ersetzt. Herbst Der Wohn- und Essbereich der Gruppe Villa wird mit einer baulichen Erweiterung grosszü- giger und gemütlicher. 27. November 2021 Tannacker-Märit der Stiftung Tannacker in Moosseedorf Gisela Arpagaus ist Begleitperson und Gruppenleiterin im Tannacker. Sie macht sich ein paar bunte Gedanken. Die andere Freiheit S t i fu n g s r at Was wäre, wenn wir unser Leben als Bild anschauen würden? Wir würden Elisabeth Schenk Jenzer erkennen, dass wir die Künstler*innen sind und die Farbpalette in unseren Hän- Präsidentin den halten. Unser Leben lang entscheiden wir auf unserem Gemälde, welche Kirchdorf Farben darauf zu sehen sein sollen. Wir haben somit eine grosse gestalterische im Stiftungsrat seit 2006 Möglichkeit, auch wenn unser Lebensbild sich in einem beweglichen Rahmen befindet. Dieser wird vom Staat, der Kultur, der Religion mit all seinen Normen, Marianne Rohr Staub Vizepräsidentin Werten vorgegeben. Sobald sich der Umriss verändert, schauen wir wehmütig Ostermundigen auf die Dinge, welche sich nun ausserhalb befinden. Es erscheint uns, als ob wir im Stiftungsrat seit 2006 die Freiheit verloren hätten. All jene, die in der Veränderung eine Chance sehen, werden einen Schritt zurückgehen. Sie werden ihr Kunstwerk aus einer neuen Sydney Peter Allanson Perspektive betrachten und die andere Freiheit entdecken. All jene Farben, wel- Ipsach che schon beinahe verblasst waren. im Stiftungsrat seit 2014 Aus diesem Grund fühle ich mich nicht eingeengt, sondern habe nun das Hannelore Hogartz grosse Glück, längst vergessene Leidenschaften aufleben zu lassen, neue Wege Bern zu gehen. im Stiftungsrat seit 2009 Seien Sie also mutig. Sie müssen Ihr Lebensbild nicht vollenden, sondern mit den unzähligen Farben, Schattierungen und Nuancen lebendig erhalten. Erich A. Kalbermatter Gümmenen im Stiftungsrat seit 2009 Tannacker-märit 2021 Sabine Lustenberger Biel Unser traditionsreicher im Stiftungsrat von 2000 bis 2020 Tannacker-Märit findet am Käthi Rubin-Walthert Samstag Heimberg 27. November 2021 im Stiftungsrat seit 2020 in Moosseedorf statt. Adrian Wiesmann Bern Es erwartet Sie ein vielfältiges Angebot im Stiftungsrat seit 2018 an künstlerischer Unterhaltung, selbst- gefertigten Produkten und kulinari- schem Genuss. Lassen Sie sich von dem neu gestalteten Impressum vorweihnachtlichen Anlass verzaubern! Redaktion Stiftung Tannacker, Res Brandenberger PC-Konto 30-11420-8 Web stiftung-tannacker.ch Auflage 5700 Expl. Gestaltung/Satz Res Brandenberger allenfalls gmbh Druck Prolith AG, Schönbühl Fotos Erika Marong und zVg Titelseite Zeichnung Beatrice Kocher, begleitete Person Illustrationen Leichte Sprache © Reinhild Kassing 10
Chronik 2020 Z a h l e n u n d Fa k t e n z u m J a h r 2 0 2 0 24. Februar 2020 Dominic Binggeli, begleitete Person in der Kantonsbeiträge 67 % • 2 Standorte: Moosseedorf und Bäriswil Tagesstätte, verstirbt. Pensionsbeiträge 32 % • 10 Wohngruppen 9. März 2020 diverse Erträge 1% • Arbeitsplätze in 11 Ateliers und der Ökonomie Wegen COVID-19 wird die Tagesstätte geschlossen. • 81 Plätze für Menschen mit Beeinträchtigung im Bereich Wohnen, 10 Plätze in der Tages- 16. März 2020 struktur sowie 2 geschützte Arbeitsplätze Der Kanton Bern verhängt ein Besuchsverbot in Wohnheimen. • Geleistet wurden Total 27'863 Aufenthalts- tage, verteilt auf 25‘785 Wohnen und Arbeiten 22. März 2020 sowie 2'078 Tagesstruktur und 3‘901 geschützte Antoinette Piller, begleitete Person WG Baum- Arbeitsstunden. hus, verstirbt. • 177 Mitarbeitende teilen sich 112 Vollzeitstellen. 23. März 2020 • Gesamtaufwand 12 Mio Fr. «Bi de schrege Vögu» wird bis auf weiteres abgesagt. Jahresrechnung 2. April 2020 Bilanz per 31. Dezember 2020 Erfolgsrechnung per 31. Dezember 2020 2020 2019 Henry Pavkovic, begleitete Person WG Chalet, verstirbt Aktiven 31.12.2020 31.12.2019 Besoldungen 8'401'025 8'408'765 Kasse, Postcheck 212'448 72'440 Sozialleistungen 1'349'017 1'344'978 11. Mai 2020 Bank 3'686'976 1'970'576 Personalnebenaufwand 134'997 112'701 Wertschriften 1'000 1'000 Honorare für Dienstleistungen Dritter 101'131 78'350 Das Besuchsverbot wird gelockert. Die Besu- Total Personalaufwand 9'986'169 9'944'795 Forderungen Lieferungen & Leistungen 2'209'305 2'403'378 cherkabine und der Besuchertisch in der Turn- übrige kurzfristige Forderungen 1'940 7'903 halle werden eingeweiht. Medizinischer Bedarf 70'334 39'864 aktive Rechnungsabgrenzung 33'142 44'323 Lebensmittel und Getränke 337'505 357'558 Total Umlaufvermögen 6'144'810 4'499'619 Haushalt 70'335 65'543 12. Mai 2020 Mobile Sachanlagen 158'599 286'875 Unterhalt und Reparaturen 467'613 372'631 Die Ferienreise nach Follonica (Italien) wird Immobile Sachanlagen 4'640'238 4'927'686 Aufwand für Anlagennutzung 545'383 545'283 abgesagt. Total Anlagevermögen 4'798'837 5'214'561 Energie und Wasser 116'292 111'902 Ausbildung & Freizeit 16'847 14'446 2. Juni 2020 Total Aktiven 10'943'647 9'714'180 Büro und Verwaltung 236'789 222'413 Die Tagesstätte nimmt den Betrieb wieder auf. Werkzeug- & Materialaufwand 41'463 32'150 Passiven 31.12.2020 31.12.2019 übriger Sachaufwand 91'452 84'042 Total Sachaufwand 1'994'012 1'845'831 29. Juni 2020 Verbindlichkeiten Lieferungen & Leistungen 245’463 208'820 übrige kurzfristige Verbindlichkeiten 294'125 304'807 Total Betriebsaufwand 11'980'182 11'790'625 Rückkehr zum regulären Betrieb in den Ateliers passive Rechnungsabgrenzung 363'996 170'706 sowie den internen Arbeitsplätzen und generelle Total kurzfristiges Fremdkapital 903’584 684'334 Besuchsmöglichkeit für Angehörige, Freunde u.ä. Erträge aus Leistungsabgeltung innerkantonal 3'944'397 3'898'714 lanfgrisige verzinsliche Verbindlichkeiten 7'983'000 7'383'000 Ertäge Dienstleistung, Handel & Produktion 51'033 49'234 Zweckgebundene Fonds 1'637'480 1'245'371 Erträge Nebenbetriebe 22'548 24'697 Jennifer Schaller, begleitete Person, zieht in der Erträge aus Leistungen Personal & Dritte 10'607 10'479 WG Chalet in Moosseedorf ein. Rückstellungen Bauprojekte 0 0 Total langfristiges Fremdkapital 9'620'480 8'628'371 Betriebsbeiträge Trägerkanton 8'305'292 8'129'403 Total Betriebsertrag 12'333'877 12'112'527 1. Juli 2020 Stiftungskapital 72'574 72'574 Erster Arbeitstag von René Koller als begleitete Jahresgewinn 347'009 328'901 Ausserordentlicher Aufwand 0 0 Person, in der Tagesstätte in Moosseedorf Total Eigenkapital 419'583 401'476 Ausserordentlicher Ertrag 0 7'000 Total Passiven 10'943’647 9'714'180 Jahresgewinn 347'009 328'901 5. Juli 2020 In der WG Baumhus in Bäriswil zieht Nick Ehrenzeller als begleitete Person ein. 2. August 2020 Emanuel Borter, begleitete Person, bezieht sein Zimmer in der WG Baumhus in Bäriswil. 4. August 2020 Der Tannhölzli-Märit, das Personalfest und das ver- schobene Sommerfest werden definitiv abgesagt. 12. August 2020 Openair Kino in Bäriswil 1. Oktober 2020 Jonas Suter, begleitete Person, tritt in der Tages- stätte in Moosseedorf seine Arbeit an. 22. Oktober 2020 Die Durchmischung der Personen mit Beglei- tung in den Ateliers wird aufgehoben. Ab sofort gilt eine allgemeine Maskenpflicht. Ab 20. November 2020 Im Tannacker wird gewichtelt. 3. und 6. Dezember 2020 Die Jahresrechnung 2020 wur- Dr Samichlous besucht die Wohngruppen in de von der Burkhard & Part- Moosseedorf und in Bäriswil. ner Treuhand GmbH in Bern entsprechend den gesetzlichen 13. Dezember 2020 Vorschriften geprüft. Livio Mettler, begleitete Person in der Tages- stätte, verstirbt. Mit der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des 15./16./17. Dezember 2020 Kantons Bern besteht ein Leis- Gruppenweise Weihnachtsfeiern in Moossee- tungsvertrag mit jährlich neu dorf und in Bäriswil festgelegter Leistungsabgeltung. 11
D i e goldwa a g e Ein Märchen von Res Brandenberger mit einer Zeichnung von Demetrio di Renzo In einem kleinen Land regierte König Rhem. Er war er. Kreuz und quer kutschierte er durch sein spürte aber, wie sein Herz im Bauch aufgeregt wohnte in einem Schloss. Dort sass er auf seinem Königreich, aber es nützte nichts, der Bauch tat hüpfte. Thron und regierte. Er befahl dies, und er verbot ihm immer noch weh, als er zurückkam. «Oder ihr esst weniger, Majestät», sagte das. Vom Morgen bis am Abend. Dazwischen aber, «Man lasse den Hofarzt in den Kerker werfen», Regine W. «Dann seht ihr bald so aus wie ich.» am Morgen, am Mittag und am Abend, setzte er befahl er, als er mit Ach und Weh wieder auf dem Und auch ihr Herz hüpfte, wenn auch in der Brust, sich an die königliche Hoftafel und liess sich das Thron sass. Aber auch davon wurde sein Bauch- einen Bauch hatte sie nicht. Beste auftischen, was sein Hofkoch zu kochen weh nicht besser. wusste. Und so ass Regine W. mehr. Und König Rhem Der König befahl den Hofrat. Das tat er immer, ass weniger. Und jeden Tag setzten sie sich auf die Es schmeckte ihm stets ausgezeichnet und vor wenn er nicht mehr ein und aus wusste. goldene Wippe, die der König im Schlosshof aufge- lauter Zufriedenheit wurde er runder und runder. stellt hatte. Aber immer war die Seite, auf der König «Ihre Majestät sollten sich vermählen», sagte Eines Tages aber, als er sich nach dem Mor- Rhem sass unten, und die Seite, auf der Regine W. der Hofrat in seinem schönsten Hofdeutsch, denn genessen auf den Thron setzte und er mit Regieren sass, oben. Auch wenn sie Platz tauschten. er sprach gerne gewählt. «Der König schaute ihn beginnen wollte, tat ihm sein Bauch weh. Dieser fragend an. «Heiraten, Majestät», erklärte der Weil der König aber die schöne Regine W. so drückte nach vorne gegen seinen Königsrock, er Hofrat. gerne geheiratet hätte, wurde er traurig und hatte drückte auf der Seite gegen den Thron und er gar keinen Appetit mehr. Kaum rührte er die Spei- drückte hinten gegen den Rücken, dass auch der «Kluger Rat», jauchzte der König, denn er war sen des Hofkochs noch an. Und wurde leichter noch zu schmerzen begann. begeistert von der Idee. Und liess den Hofrat mit und leichter. Und tatsächlich. Eines Tags senkte Gold überschütten. Dann liess er wieder anspannen Der König befahl den Hofarzt. Dieser eilte sich die Wippe nur noch ein bisschen, und eine und fuhr mit der königlichen Kutsche durch sein herbei. Er setzte das Hörrohr auf den Bauch Woche später geschah es, die Wippe schwebte im Land, aber diesmal hatte er nur für eines Augen, des Königs und hörte den Bauch ab. Vorne, auf Gleichgewicht. für seine zukünftige Gattin. Fast war er schon in der linken Seite, auf der rechten Seite. Und auch jedem Winkel gewesen, da sah er sie plötzlich: sie Und nun gab es eine grosse Hochzeit. Drei hinten, wo eigentlich der Rücken war. sass da, an einem Dorfbrunnen, erdenschön und Tage und drei Nächte dauerte das Hochzeitsfest. «Hm, hm», murmelte er und wackelte besorgt gertenschlank, und ass einen Apfel. Von überall kamen Gäste. Und alle freuten sich an mit dem Kopf. dem schönen Paar. «Sie passen so gut zusammen», Der König liess halten und beugte sich zum sagten alle. Und immer, wenn der König etwas ass, «Sprecht», sprach der König. «Was fehlt mir Fenster seiner Kutsche hinaus, so gut es eben ging: ass auch die Königin etwas. Und immer, wenn die denn?» «Wie heisst ihr?», fragte er. «Wollt ihr meine Königin nichts ass, ass auch der König nichts. «Ihre Majestät, etwas Bewegung täte Ihnen Frau werden. Und Königin?», fragte er weiter. Die goldene Wippe aber liessen sie im Schloss- gut», sagte der Hofarzt. «Mein Name ist Regine W.», sagte die junge hof stehen. Goldwaage nannten sie diese liebe- Sofort befahl der König, die königliche Kut- Frau. «Ich kann euch nur heiraten, wenn wir beide voll. Und wann immer sie sich daraufsetzten, so sche anzuspannen. Er liebte es, in seinem König- gleich schwer sind, Majestät. Nur so können wir schwebte sie nicht mehr oder weniger, sondern reich spazieren zu fahren und seinen Untertanen glücklich werden.» genau im Gleichgewicht. Und so lebten sie glück- zuzuwinken. Er liess sich zur Kutsche tragen, vier «Da müsst ihr aber noch viel essen; am besten lich und zufrieden. Und wenn sie nicht gestorben Diener brauchte es dazu, so rund und schwer fangt ihr gleich damit an», sprach der König, sind, leben sie noch heute.
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