Tatort Bottwartal Helga Becker
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STEINHEIMER NACHRICHTEN Beiträge zur Heimatkunde Nr. 01· 2021 I Helga Becker Tatort Bottwartal Von Gerichtsbarkeit und Missetaten – Teil 1 Krimis in Film, Fernsehen oder Literatur desordnung. Nach dieser Ordnung soll- Als höhere Gerichtsinstanz fungier- erfreuen sich großer Beliebtheit. Dem ten Vogt und Gerichte alle Kriminalfäl- te das Hofgericht, das seinen Sitz Publikum wird ein riesiges Angebot an le sowie Zivilstreitigkeiten bis zu einem die meiste Zeit in Tübingen hatte. Für schauerlichen, spannungsgeladenen Streitwert von 6 Pfund Heller verhan- Streitigkeiten mit reichsunmittelbaren und diffizilen Fällen vor Augen geführt. deln. Das Urteil wurde durch Umfrage Herrschaften wie Reichsrittern, Reichs- Viele Sonntagabende werden dem unter den Gerichtsmitgliedern gefällt. städten und Klöstern war das Reichs- ‚Tatort‘ gewidmet. Viele Lesestunden Da sich die frühen Gerichte aus Bür- kammergericht zuständig. Das Marba auf dem Sofa oder im Bett verbracht. gern zusammensetzten, die meist nur cher Gericht fungierte unter Vorsitz Eifersucht, Habgier, Affekt oder blan- wenige juristische Kenntnisse hatten, des Vogtes als Vertreter des Herzogs ke Not lassen die Handelnden zu Ver- wurden oft, später regelmäßig, Gut- auch als Halsgericht, d. h. es konnte brechern werden. Wir genießen diese achten der Tübinger Juristenfakultät auch die Todesstrafe verhängen. Abgründe, weil sie außerhalb unseres eingeholt und deren Maßgaben meist Dieses Recht wurde übrigens auch Lebensradius geschehen. Weit weg, auch befolgt. Als weiteres lokales Gre- Melchior Jäger von Gärtringen zuge- ohne Bezug zu uns oder unserem Um- mium, das mit Strafgewalt ausgestattet sprochen, der mit der Zuteilung des feld. Ist das aber tatsächlich so? Ist war, ist der Kirchenkonvent zu nennen, Höpfigheimer Schlosses als Lehen unser direktes Milieu, das Bottwartal, der ab 1642 in allen Gemeinden des auch das Recht erhielt, Stock und Gal- wirklich eine Region des Guten, Harm- Herzogtums Württemberg gebildet gen aufzurichten. Soweit bekannt, hat losen, Friedlichen? In zwei Beiträgen worden war und meist sittliche und mo- er von diesem Recht jedoch keinen zur Heimatkunde gehen wir dieser Fra- ralische Vergehen verhandelte. Gebrauch gemacht. ge nach und finden in der Geschichte, aber auch in der jüngeren Vergangen- heit Vorfälle, die dagegensprechen. Grundsätzliches zur Rechtsprechung Um Unrecht zu ahnden wurden schon früh in der Geschichte Gremien einge- setzt, die über das (richtige) Strafmaß zu urteilen hatten. Nach altem Selbstver- waltungsrecht übte ursprünglich in den Städten und Dörfern eine Anzahl aus- gewählter Bürger die Rechtsprechung und Verwaltung aus, das sogenannte Gericht. Ergänzt wurde das Gericht durch eine Anzahl von Personen, die meist vom Gericht bestimmt, manch- mal auch von der Bürgerschaft gewählt wurden – dem Rat. Den Vorsitz des Ge- richts hatte in den Dörfern der Schult- heiß, in den Städten der Untervogt. Grundlage für die Urteile waren in Württemberg die 1530 vom Reichstag in Augsburg beschlossene Halsgerichts- ordnung Kaiser Karls V. und ab 1555 auch die neue württembergische Lan- Halsgerichtsordnung und Württembergische Landesordnung
II Beiträge zur Heimatkunde Nr. 01· 2021 www.stadt-steinheim.de sollte bei einer Enthauptung kein Ge- Licht. Hunn wurde exhumiert und auf metzel angerichtet, sondern der Kopf dem Kirchhof ehrenvoll begraben. mit einem präzisen Schlag vom Rumpf getrennt werden. Bei der Folter sollten Während des Prozesses wurde be- die Verletzungen schmerzhaft, aber kannt, dass auch die Mutter der Anna nicht zwingend lebensgefährlich sein. Elisabeth Hunn, Magdalena Wien aus Außerdem waren die Scharfrichter Großbottwar und der Marbacher Trom- verpflichtet, die Verletzten anschlie- peter Hans Jörg Betz von der Tat ge- ßend zu verarzten – und sei es auch wusst hatten und dass die Hunn auch nur, um ihre Prozessfähigkeit zu erhal- mit dem Bürger und Wundarzt Paul ten. Bekannt in Württemberg war der Ludwig Jenisch, der mit der Schwester Scharfrichter Johann Christoph Neher des Ermordeten verheiratet war, Ehe- aus Stuttgart, der auch nach Ludwigs- bruch begangen hatte. Während die burg und Marbach berufen wurde. gedungenen Mörder Veyhel und Peiler nicht dingfest gemacht werden konn- Peinliche Befragung, kolorierter Holz- DIE BÖSE TAT ten, wurde Magdalena Wien nach schnitt aus der Bamberger Halsgerichts- Tötung im Affekt? dreivierteljähriger Gefangenschaft des ordnung von 1507 Die älteste Tat, auf die ich bei den Landes verwiesen, später jedoch be- Recherchen in unser Archivbibliothek gnadigt. Betz musste das Land dauer- Bevor die Todesstrafe ausgesprochen gestoßen bin, wurde im Jahr 1641 ver- haft verlassen. Die Anstifter Anna Elisa- wurde, ging in den meisten Fällen ein übt, also während des Dreißigjährigen beth Hunn und Georg Friedrich Schwab peinlicher (von Pein, Schmerz) Prozess Kriegs. In der Nähe von Murr verletzte wurden im Juni 1677 durch den Stutt- voraus, also ein Strafprozess, der oft der Marbacher Johann Eustachius garter Scharfrichter hingerichtet. Hunns mit Folter verbunden war. Ausgeführt von Buchholz bei einem Streit Georg Kopf wurde zur Abschreckung neben wurde die Folter durch Folterknechte, Ludwig Thumb von Neuenburg und dem Hochgericht (Galgen) auf einen meist unter der Aufsicht des Scharf- Stetten zu Köngen mit einem Pistolen- Pfahl gesteckt und sollte dort auf unbe- richters, der die Todesurteile durch Rä- schuss so schwer, dass dieser kurz da- stimmte Zeit bleiben. dern, Hängen oder Enthaupten auch rauf starb. Buchholz wurde arrestiert, selbst ausführte. kam aber zunächst gegen eine Kau- Zwei Jahre später wurde mit Hunns Kopf, Der Beruf des Scharfrichters wurde in tion von 3000 Gulden frei. Auf Grund oder mit dem, was davon übriggeblie- den Familien über viele Generationen eines Gutachtens der juristischen Fa- ben war, Schindluder getrieben. An- weitergegeben. Was zum einen auch kultät Tübingen wurde er jedoch zum gestiftet von einem Badergesellen, der daran gelegen haben mag, dass die- Tode durch das Schwert verurteilt. ihm Geld geboten hatte, nahm Hans se Familien als weitgehend ehrlos gal- Seine Frau und viele Marbacher Bür- Eicheler, Knecht bei Kaspar Hey in Stein- ten und gemieden wurden. Eine Aus- ger baten für Buchholz um Gnade. heim, den Schädel vom Pfahl herun- bildung in anderen Berufen war daher Er selbst konnte ins Feld führen, dass ter. Wie Eicheler später dazu aussagte, oft gar nicht möglich. Sie wurden in bereits sein Vater dem Herzog ge- wollte der Badergeselle jedoch nichts der Regel für die Vollstreckung von dient und er selbst in seiner Jugend mehr von der Geschichte wissen. Daher Urteilen zwar gut bezahlt, mussten je- auf Malta gegen den „Erbfeind“ steckte Eicheler den Kopf, als makab- doch auch niedrige Arbeiten wie das gekämpft habe. Tatsächlich wurde ren Scherz, in ein Luftloch des Viehstalls Vergraben der Leichname, die Besei- Buchholz begnadigt und lediglich seines Dienstherrn. Dessen Frau erschrak tigung toter Tiere oder die Beaufsichti- zu einer Geldstrafe von 1000 Gulden darüber so sehr, dass sie den Kopf mit gung von Prostituierten übernehmen. verurteilt. Zudem wurde er für zwei einem Pfahl packte und ihn in den Gar- Jahre „in den Zehnten von Marbach ten des Steinheimer Klosterhofmeisters constenniert“, er durfte in dieser Zeit schleuderte. Eicheler wurde zu vier Wo- seinen Wohnsitz also nicht wechseln. chen Arbeitshaft auf dem Hohenasperg verurteilt. „Der decollirtin Hunnin Kopf“ Ein spektakulärer Auftragsmord ist für wurde durch den Kleemeister (Abde- das Jahr 1676 dokumentiert. Anna Eli- cker) aus Großbottwar „zum Cörper be- sabeth Hunn aus Marbach hatte ihren graben“, der wohl nach der Hinrichtung Mann, den Tuchscherer Johann Sebas- am Galgen verscharrt worden war. tian Hunn gegen 50 Reichstaler „durch Erst Anfang 1682 wurde der gedunge- bestellte Hans Georg Veyhel, einen Bor- ne Mörder, Hans Peiler bei einem Dieb- denwirker zu Marbach, und Hans Peiler stahl in Beilstein gefangen genommen. von Hoff, Bottwarer Amts, den 2. Juni Beim Verhör in Marbach sagte er aus, 1776 im Bett und Schlaf“ erwürgen las- dass Anna Hunn und ihre Mutter ur- Der Scharfrichter, Zeitschrift idowa sen. Involviert war auch ihr Liebhaber, sprünglich verlangt hatten, er solle der Schreiber Georg Friedrich Schwab, Annas Mann mit Schaidwasser (Sal- Andererseits galten sie als hervorra- den sie nur ein halbes Jahr später heira- petersäure) töten, das ihm die Därme gende Heiler, die vom gemeinen, ar- tete. Die beiden gedungenen Mörder „aufreißen möchte“. Die inzwischen men Volk eher aufgesucht wurden, als hatten Hunn erwürgt und ihn im Stall mit 71-jährige Magdalena Wien wurde da- die teuren, in der Praxis oft sogar we- einem Strick an einen Balken gehängt. raufhin doch noch hingerichtet und ihr niger kenntnisreichen Ärzte. Denn für Der Plan ging zunächst auf und Hunn Kopf ebenfalls am Marbacher Galgen die erfolgreiche Ausübung ihres Beru- wurde als Selbstmörder unter dem auf einen Pfahl gesteckt. Auch Peiler fes waren gute anatomische Kennt- Marbacher Galgen verscharrt. 1677 wurde enthauptet und sein Leichnam nisse eine wichtige Voraussetzung. So kam der schändliche Mord jedoch ans auf das Rad geflochten.
www.stadt-steinheim.de Beiträge zur Heimatkunde Nr. 01· 2021 III Kreis gebildet hatten, auf Kosten der bescheinigte ihm einen ungemeinen Stadt 1 Imi 9 Maß (ca. 35 Liter) Wein Jähzorn, Rachgier und Gewalttätigkeit. ausgegeben worden sei. Mit dem Vogt Kapff und den Großbott- warer Bürgern lag von Wartmann daher Von einem tragischen Tötungsdelikt in ständigem Händel. Die Streitigkeiten wird 1710 berichtet. Der 54jährige führten soweit, dass er sein Wohnhaus in Johann Jakob Reyhlen aus Spiegel- Großbottwar 1719 verkaufte und in das berg wurde von Musketieren nach obere Stockwerk des Gasthauses Hirsch Marbach gebracht. Er hatte seinem in Kleinbottwar einzog. einjährigen Sohn, wohl in geistiger Umnachtung, mit einer Sense den Der Wirt im Gasthaus Hirsch, Johann Ja- Hals aufgeschnitten und war darüber kob Zillhardt, mit der Tochter des Gais- in höchste Verzweiflung geraten. Das bergschen Hausvogts Schildknecht Urteil fiel deshalb milde aus. Er wur- verheiratet und Sohn des Ochsenwirts de lediglich zur Bestreitung der Ge- in Beilstein, war von Haus aus Metzger. richtskosten und einem halben Jahr Auch er soll einen hitzigen Kopf gehabt Zwangsarbeit verurteilt. Diese wurde haben und es wird berichtet, Zillhardt jedoch so lange ausgesetzt, bis der sei so stark gewesen, dass er einmal gesundheitlich angeschlagene Ver- in seiner Wirtshausstube fünf Dragoner urteilte wieder bei Kräften war. überwältigte, um einem bedrohten Das Aufziehen, Farbholzschnitt aus dem Laienspiegel von Ulrich Tengler, 1508 Wenige Jahre später, Ende 1689, er- schütterte ein Kindsmord die Men- schen. Die verheiratete Maria Johan- na Mayer aus Höpfigheim hatte ein außereheliches Kind geboren und mit Hilfe ihrer Mutter Katharina Rukwid le- bendig begraben. Angeblich habe das Kind noch zweimal geschrien, als die Frauen es in die Grube warfen. Im Februar 1690 gaben beide vor Gericht die Tat ohne „die Tortur“ (Folter) zu. Im März widerriefen sie jedoch ihre Aus- sagen. Nun wurde der Scharfrichter Gasthaus Hirsch in Kleinbottwar einst und heute zur Folter bestellt. Die Kindsmutter wur- de befragt, während sie an den hinter Das tragische Ende des Hirschwirts Schumacher zu helfen. Zillhardt und dem Rücken zusammengebundenen Zillhardt in Kleinbottwar im Jahr 1720. von Wartmann führte das Schicksal also Armen „aufgezogen“ worden war. Sie Der Oberst Johann Anton von Wart- im Gasthaus Hirsch zusammen. Das gab zu Protokoll, dass sie befürchtete, mann, 1661 unweit von Reval in Livland Verhältnis der beiden war erwartungs- ihren Mann zu verlieren, wenn er von (heute Tallin in Estland) geboren, ab- gemäß angespannt und eskalierte am dem Kind erfahren hätte. Zunächst solvierte eine erstaunliche militärische 15. Oktober 1720. habe sie versucht, mit Kräutern, die Karriere. Bereits in jungen Jahren diente ihre Mutter ihr gegeben hatte, eine er in schwedischen, russischen, öster- An diesem Tag konnte Zillhardt nicht, Fehlgeburt einzuleiten. Das habe je- reichischen und kaiserlichen Heeren. wie mit von Wartmann vereinbart, selbst doch nicht geklappt und man habe 1685 heiratete er die jüngste Schwes- dessen Weinmost aus dem Weinberg beschlossen, das Kind umzubringen. ter des damaligen Schlossherren auf holen, sondern schickte den Anwalt Bei der Geburt habe es noch gelebt. Schaubeck, Sebastian von Gaisberg. Thomas Ladner. Da dieser nicht recht- Die Ehe war wohl sehr stürmisch und zeitig erschien, kam von Wartmann in Die Mutter, Katharina Rukwied be- unglücklich, was auch am ungestü- Rage und stellte zunächst Ladner zur hauptete zunächst, das Kind sei men Gemüt von Wartmanns gelegen Rede. Im Hirsch traf er dann auf Zillhardt, schon im Kübel tot gewesen. Darauf- haben mag. 1698 kaufte er das 1693 mit dem ein heftiger Wortwechsel ent- hin wurde auch sie „ad locum tortu- zerstörte Rechbergsche Freigut in Groß- brannte, in dessen Verlauf Zillhardt von rae“ geführt. Als sie vom Scharfrichter bottwar und baute es um 1700 wieder Wartmann die Wohnung kündigte. Von ebenfalls an den Armen aufgezogen auf (heute Bowinghaus’sches Schloß). Wartmann ging daraufhin nach oben wurde, bestätigte sie jedoch die Aus- Von Wartmann war ein unguter Zeitge- in seine Wohnung, wohin ihm Zillhardt sage ihrer Tochter. Sie habe nur aus nosse. Ihm wurden Ehebruch und ge- folgte. Dort holte von Wartmann seine Angst davor, enthauptet zu werden, fährliche Tätigkeiten durch Schießen, stets geladene Pistole aus der Kammer gelogen. Die Angst war berechtigt. Hauen und Schlagen nachgesagt. und zielte auf Zillhardt. Dieser stürzte sich Mutter und Tochter wurden tatsäch- Familienmitglieder, Bürger, aber auch auf den Oberst, um ihm die Pistole zu lich zum Tode durch das Schwert Magistrat und Vorgesetzte soll er mit entreißen. Von Wartmann drückte ab verurteilt und ihre Köpfe zur Abschre- widerlichsten Beschimpfungen überzo- und schoss Zillhardt in den Leib. Der Wirt ckung auf Pfähle gesteckt. In den gen haben und manch einer sei seines verschied „am anderen Morgen um 7 Protokollen wird berichtet, dass an die Lebens nicht mehr sicher gewesen. Uhr mit Hinterlassung von 4 Waisen und Zuschauer, die um die Richtstatt einen Auch sein Seelsorger, Pfarrer Wieland eines noch ungeborenen Kindes“.
IV Beiträge zur Heimatkunde Nr. 01 2021 www.stadt-steinheim.de Von Wartmann, der zunächst flüch- dem Geistlichen Verwalter Joachim Schaufel, Gabel oder Besen damit ein- tete, wurde von Bürgern aufgegrif- Schmid in Großbottwar ungefähr 1800 reibe, könne man damit ausfahren. Das fen und auf der Kanzlei des unteren Gulden gestohlen hatte. Bei ihrem Ver- habe sie in der Pfalz und auch elf- bis Schlosses in Kleinbottwar verhört. hör in Marbach wurde sie vom Stuttgar- zwölfmal in Murr gemacht. Während der 37 Wochen dauernden ter Scharfrichter Christoph Jakob Neher Untersuchungshaft wurde er in seiner offenbar gefoltert, denn „als der pein- Im Oktober 1739 kam der Befehl aus Wohnung im Hirsch rund um die Uhr lich Beklagten auf dem Rathaus weh Stuttgart, das Mädchen in ein verschlos- von vier Bürgern bewacht. Die Herren und übel“ wurde, lieferte Apotheker Ge- senes Einzelzimmer im Stuttgarter Wai- von Gaisberg zogen sich aus dem Ver- org Friedrich Wohlgemuth einen Schop- senhaus zu bringen. Auch dort gab sie fahren gänzlich zurück. Die Juristenfa- pen „Spanischen Wein“ und ¼ Pfund Zu- zunächst alles zu, widerrief dann jedoch kultät Gießen stellte ein Gutachten ckerbrot, um sie wieder aufzupäppeln. ihre Aussagen. Sie erklärte, dass sie alle auf Tod wegen vorsätzlicher Tötung. Trotz dieser schmerzhaften Behandlung Begebenheiten, die sie berichtet hatte, Das Privatgutachten mehrerer Tübin- und Strafandrohungen besserte sich die nicht selbst erlebt, sondern bei Lichtkar- ger Juristen lautete ebenso. Falls von Schipp aber nicht. 1729 saß sie wegen zen (abendliche Treffen, bei denen ger- Wartmann auf seiner Behauptung, in mehrerer Diebstähle wieder im Gefäng- ne Spukgeschichten erzählt wurden) Notwehr gehandelt zu haben, behar- nis, floh und wurde wieder gefasst. Nach gehört habe. Auch habe sie Angst vor re, solle er durch alle Grade der pein- einem weiteren peinlichen Prozess wur- Züchtigung und Todesstrafe gehabt, lichen Tortur (Folter) hindurch befragt de ihr am 7. Dezember 1729 „das Leben denn sie sei in Marbach geschlagen werden. Um diese unehrenhafte Be- abgesprochen“ und Schipp wurde von worden und man habe ihr Daumen- handlung zu vermeiden, lieferte der Scharfrichter Neher „mit dem Schwerdt schrauben angelegt. Außerdem habe Oberst schließlich ein Geständnis ab, vom Leben zum Tod gerichtet“. sich der Stuttgarter Scharfrichter neben mit der Einschränkung, er habe Zill- sie gestellt. Man habe ihr gedroht, sie hardt nur in den Fuß schießen wollen. 1739 bis 1741 wurde der letzte akten- würde ein halbes Jahr festgehalten und Das Urteil lautete auf Enthauptung. Es kundige Hexenprozess in Marbach dann hingerichtet, wodurch sie noch wurde am Montag, den 30. Juni 1721 verhandelt. Delinquentin war die erst mehr Angst gehabt habe. zwischen 3 und 4 Uhr morgens in Klein- 13jährige Margaretha Wagner aus Murr. bottwar vollstreckt. Durch den Eßlin- Ein Verwandter hatte sie wegen der Nun richteten sich die Ermittlungen ge- ger Scharfrichter, assistiert von seinem Ausübung von Hexen- und Zauberküns- gen den Marbacher Vogt Venninger. Es Kollegen aus Heilbronn, wurde von ten beim Marbacher Vogtgericht an- stellte sich heraus, dass er Margaretha Wartmann „mit dem Schwert gerich- gezeigt. Margarethas Mutter stammte mit Hilfe seines Bruders, des Ingershei- tet, ohne vom Scharfrichter berührt zu aus Murr, der Vater war Soldat in Preu- mer Pfarrers, Suggestivfragen gestellt werden“. ßen. Die ersten sieben Jahre lebte das hatte. Anstelle von Daumenschrau- ben, die in der Vogtei nicht vorgefun- den wurden, hatte der Stadtknecht mit Bindfaden und doppelten Hölzchen Margarethas Daumen zusammenge- schnürt. Auch hatte er sie vor die Türe geschleppt und mit einem dicken Stock geschlagen, bis sie zu Boden ging und alles gestehen wollte. Scharfrichter Neher hingegen hatte dem Mädchen wohl nichts getan, nur schweigend neben ihr gestanden. Seine bloße An- wesenheit war erschreckend genug. Anfang Januar 1741 kam Margaretha Wagner vom Waisenhaus in Stuttgart ins Ludwigsburger Zuchthaus. Dort ging sie zur Schule, wurde auch dort kon- firmiert und nach tadelloser Führung nach Hause entlassen. Das 18. Jahrhundert war auch die Zeit der großen Räuberbanden in Württem- Strafmethoden, Farbholzschnitt aus dem Laienspiegel von Ulrich Tengler, 1508 berg. Charismatische Anführer vaga- bundierten mit einem wilden Haufen Auch Diebstähle konnten zur Todes- Mädchen bei ihrer Großmutter väterli- aus mittel- und heimatlos gewordenen strafe führen. cherseits in der Pfalz, anschließend bei Soldaten, Bettlern, Gaunern und „aller- 1729 wurde aus diesem Grund über ihrer Tante in Murr. Im Marbacher Frau- hand Weibsvolk“ durch den süddeut- die Großbottwarer Dienstmagd Anna engefängnis gab Margaretha zu, diver- schen Raum. Im zweiten Teil dieses Bei- Magdalena Schipp die Todesstrafe ver- se Hexenkünste zu beherrschen. Unter trags zur Heimatkunde wird von ihren hängt. Sie war zunächst 1725 auffällig anderem könne sie eine besondere Gräueltaten und weiteren, auch aktu- geworden, weil sie ihrem Dienstherrn, Salbe zubereiten. Wenn man Schippe, ellen, Verbrechen die Rede sein. Quellen: Stadtarchiv Steinheim, Albrecht Gühring, von der Urfehde bis zur Hinrichtung, Ludwigsburger Geschichtsblätter 56/2002, Heinrich Meißner, Das Dorf Kleinbottwar – Eine schwäbische Chronik, 1896, Wikipedia, Bildquellen siehe Bildunterschriften
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