Midterm Blues: Nicolas Sarkozy zur Hälfte seiner Amtszeit
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Idées pour une Europe sociale 1 FRANKREICH-ANALYSE Büro Paris www.fesparis.org Januar 2010 Midterm Blues: Nicolas Sarkozy zur Hälfte seiner Amtszeit Ernst Hillebrand Nicolas Sarkozy leidet am „midterm blues“. Auch im internationalen Rahmen war die Wenig will ihm gelingen, und nichts scheint Performance des Präsidenten nicht aus einem Umfragetief herauszuführen, schlecht: er stellte sich früh auf die Seite das sich im Laufe des Jahres 2009 stetig derjenigen, die eine stärkere Regulierung vertieft hat. Zur Halbzeit seiner Amtszeit des Weltfinanzsystems forderten. Mit der äußern nur noch 32% der Franzosen, Begrenzung von Bonus-Zahlungen forcierte Vertrauen in ihren Präsidenten zu haben. er ein Symbolthema für das verletzte 63% erklären dagegen, kein Vertrauen zu Gerechtigkeitsempfinden der Steuerbürger haben (TNS-Sofres 4./5. Januar). angesichts der Langzeitkosten der Bankenrettung. Natürlich hat die Auf den ersten Blick erscheint diese Ent- französische Öffentlichkeit registriert, dass wicklung überraschend. Schließlich ist es diese Initiativen weitgehend verpufft sind, der französischen Regierung unter der ebenso wie Sarkozys Engagement in Führung Sarkozys in den letzten zwölf Kopenhagen nicht von Erfolg gekrönt war. Monaten gelungen, das Land vergleichs- Die positive Rolle des Präsidenten beim weise unbeschadet durch die Finanzkrise Management der Finanzkrise wurde von zu führen: Der Einbruch der Wirtschaft war der französischen Öffentlichkeit dennoch sehr viel geringer als in vergleichbaren anerkannt. Im September erklärten 52% Ländern (-2,2% des BIP; dagegen der Franzosen, dass Sarkozy die Krise eher Deutschland -4,9%, UK -4,4%). Der Anstieg gut gemeistert habe. Diese Wahrnehmung der Arbeitslosigkeit konnte begrenzt wer- erklärt – neben der Schwäche der den und die Konsumausgaben der Haus- oppositionellen Kräfte – auch das gute halte blieben stabil. Der Preis für diese Sta- Ergebnis der UMP bei den Europawahlen bilisierung – eine Ausweitung des Haus- vom 7. Juni. Die UMP gewann dort 27,9% haltsdefizits auf 8,5% des BIP im kommen- der Stimmen, ein Zugewinn von beinahe den Jahr – war unvermeidbar und fällt im- 11%. Die gleichzeitige Implosion der PS mer noch geringer aus als etwa in Groß- (16,4%, minus 12,5%) verstärkte das Gefühl britannien. Eine noch im Frühjahr denkbare eines konservativen Kantersieges. Radikalisierung sozialer Auseinanderset- zungen konnte durch eine kluge Politik der Konfrontationsvermeidung und der Ko- Persönliche Schwächen Sarkozys operation mit den Gewerkschaften ver- hindert werden. Dass der Gesamteindruck von Person und Regierungsbilanz am Jahresende 2009 dennoch ein negativer ist, hat Gründe, die Ernst Hillebrand ist Leiter des Pariser Büros jenseits des Managements der Finanzkrise der Friedrich-Ebert-Stiftung liegen.
Frankreich-Analyse 2 Hierzu zählen zunächst einmal persönliche tert, dass Sarkozy – als Staatspräsident Schwächen: Nicolas Sarkozy hat im Laufe oberster Dienstherr der am Verfahren be- des Jahres – erneut – eine Reihe von per- teiligten Justizbeamten – mitten im Ver- sönlichen „Fehlleistungen“ begangen, die fahren in einem Interview nicht von den sich auf sein Image negativ ausgewirkt „Angeklagten“ sprach, sondern von den haben. Bemerkenswert ist hier vor allem „Schuldigen“ in diesem Verfahren. Das die Affäre um seinen Sohn Jean. Der 23- Urteil soll am 28. Januar verkündet werden; jährige Jura-Student wollte sich im Herbst die Anklage forderte bei ihrem Plädoyer mit Unterstützung seines Vaters zum Präsi- am 20. Oktober eine Haftstrafe von 18 denten der Entwicklungsgesellschaft des Monaten auf Bewährung für de Villepin Pariser Geschäftsviertels La Défense wäh- wegen „Mithilfe zur Verleumdung“. len lassen – einer Firma, die im Jahr 2008 1 Mrd. Euro Umsatz machte. Diese nepotisti- Die „Mauerspecht-Affäre“ erinnerte an die sche Operation rief auch bei konservati- effekthascherische und wenig solide ven Bürgern große Empörung hervor, die Kommunikation der Anfangszeit der Präsi- darin einen Verrat an den Prinzipien von dentschaft Sarkozys. Zum 20. Jahrestag des Leistungsanerkennung und Meritokratie Mauerfalls ließ der Präsident auf seiner sahen. Die Internet-Seite des Elysée-nahen Facebook-Seite verlauten, er sei, durch „Figaro“ brach unter dem Massenzugriff Gerüchte über bevorstehende Ereignisse seiner Leserschaft zeitweise zusammen. Erst alarmiert, am 9. November 1989 nach nach einer Springflut negativer Reaktionen Berlin geflogen und habe dort abends am ließ sich Nicolas Sarkozy davon überzeu- Brandenburger Tor der Öffnung der Mauer gen, die Operation abzublasen. Sie hat beigewohnt. Recherchen von Journalisten dennoch erheblichen politischen Schaden ergaben relativ schnell, dass dies kaum der verursacht und das Image des Präsidenten Fall gewesen sein konnte. Sarkozy blieb als eines Anwalts von Leistungsprinzip und aber bei seiner Version, anstatt zuzugeben, Tüchtigkeit – ein wichtiger Aspekt der dass er sich schlicht im Datum getäuscht Marke Sarkozy® – nachhaltig beschädigt. hatte: er war wohl erst am 10. November nach Berlin gereist und hatte dort dann die Als negativ erwies sich letztendlich auch Mauer – von westlicher Seite aus – besich- der Clearstream-Prozess. Nicolas Sarkozy ist tigt. – neben einer Reihe anderer Persönlichkei- ten des öffentlichen Lebens – Nebenkläger in diesem Verfahren. Es geht hier um die Grenzen der Politik der „ouverture“ Fälschung von Namenslisten angeblicher Zu diesen persönlichen Schwächen – Klei- Empfänger von Schmiergeldzahlungen im nigkeiten verglichen mit den Marotten und Zusammenhang mit dem Verkauf von Fre- gatten an Taiwan in den 90er Jahren. dem Amtsgebrauch etwa eines Silvio Berlusconi, aber auch des einen oder an- Diese sollen über Konten des Luxemburger deren Amtsvorgängers Sarkozys – gesellten Finanzdienstleisters Clearstream abge- wickelt worden sein. Der als Mitwisser an- sich im Jahr 2009 ernsthaftere politische Probleme. Vor allem kam Sarkozys Politik geklagte ehemalige Premierminister der wahltaktischen „ouverture“ zum links- Dominique de Villepin wird verdächtigt, liberalen Milieu deutlich an ihre Grenzen. während seiner Amtszeit nichts gegen die Ihr politischer Schaden dürfte 2009 für den ihm bekannte Manipulation der Listen un- Präsidenten und die UMP erstmals größer ternommen zu haben, um die Präsident- als ihr Nutzen gewesen sein. Mangels pro- schaftsambitionen Sarkozys zu zerstören. minenterer Überläufer aus dem Lager der Die Verteidigungsstrategie de Villepins vor Linken wurde bei der Kabinettsumbildung und während des Prozesses bestand essen- nach den Europawahlen der frühere Sozia- tiell darin, sich als Opfer einer persönlichen list Eric Besson auf den Schleudersitz des Vendetta eines skrupellosen, den Justizap- Immigrations- und Identitätsministers be- parat missbrauchenden Staatspräsidenten fördert. Der ehemalige TV-Moderator zu präsentieren: „Mein Kampf ist der Kampf Frédéric Mitterrand wurde aufgrund seiner aller, die Opfer von Machtmissbrauch entfernten Verwandtschaft mit dem frü- wurden.“ Diese Strategie blieb nicht ohne heren sozialistischen Staatschef zum Kul- Wirkung auf die veröffentlichte Meinung. turminister ernannt. Beide Personalia erwie- Dies wurde nicht zuletzt dadurch erleich- sen sich in der Folge als problematisch: Friedrich-Ebert-Stiftung, 41bis, bd. de la Tour-Maubourg, F - 75007 Paris, Tel. +33 1 45 55 09 96
Frankreich-Analyse 3 relativierende Äußerungen Mitterrands ten einen Teil dieses Stimmpotentials für die anlässlich der Verhaftung Roman Polanskis Rechte zu erschließen, haben bisher in der Schweiz und einige darauf hin von ebenso wenig gebracht. Sie haben aber der Front National ausgegrabene Zitate das Image des Präsidenten in der Immigra- aus einem halb-autobiographischen tionsfrage unscharf werden lassen und der Schlüsselroman des Ministers, in denen er Front National dadurch neues Leben ein- die Freuden des homosexuellen Sextouris- gehaucht. Die „Carla-Brunisierung“ mus schildert, empörten Teile des konser- Sarkozys in soziokulturellen Fragen schuf für vativen Kernklientels der UMP. Sie gaben die Front Nationale eine unverhoffte der Front National einen willkommenen Chance, wieder eine biologische Nische in Anlass, sich als authentische Verfechter der politischen Landschaft Frankreichs zu der moralischen Werte der „Normalbevöl- finden. Anfang 2010 wirkt die Schaukel- kerung“ wieder in Erinnerung zu bringen. politik Sarkozys – one step to the right, one Diese Zuckungen der schon erledigt ge- step to the left – wahltaktisch zunehmend glaubten Front National müssen die UMP disfunktional. beunruhigen: ohne die Stimmen aus der Anhängerschaft dieser Partei ist die Rechte nicht mehrheitsfähig. Das Gegenfeuer, das Managementsdefizite in der Regierung der Elysée mit einer großen Debatte über Wenn man von einer „over-triangulation“ die „nationale Identität“ unter Leitung des im taktischen Bereich sprechen kann, so Identitätsministers Eric Besson anzündete, kann man bei der Führung der langfristigen funktionierte aber nur begrenzt. Die wahl- Reformpolitik von einem „under-manage- taktische Instrumentalisierung dieses The- ment“ sprechen: Der personalisierte und mas gefiel weder einem liberaleren bür- voluntaristische Politikstil Sarkozys führt im- gerlichen Milieu noch der Durchschnittsbe- mer wieder zu sachlich-inhaltlichen Män- völkerung. Diese wünscht zwar eine solche geln in der Durchführung der langfristigen Debatte angesichts der potentiell gesell- Reformvorhaben. Die Steuerungsressour- schaftsverändernden Folgen von Immig- cen im Elysée sind schlicht nicht ausrei- rationsprozessen – aber eben als ernsthafte chend, um komplexere Reformvorhaben in Auseinandersetzung um eine Frage, die als der beabsichtigten Form und in den ge- Alltagsproblem einem nicht ganz unerheb- planten Zeitrahmen ordentlich zu organi- lichen Teil der französischen Gesellschaft sieren. Folge sind immer wieder Verzöge- auf den Fingern brennt, und nicht als eine rungen und substantielle inhaltliche wahltaktische Spielerei zugunsten der Re- gierungspartei, die durch eine heftige Zen- Schwächen, die zu Abstimmungsnieder- lagen der Regierung im Parlament und – sur (ca. 20% der Beiträge auf der für die im Falle der Gesetze zur Internet-Über- Debatte eingerichteten Website wurden nicht online gestellt) noch weiter entwertet wachung und bei der Frage der Einführung einer CO2-Steuer – zur Annullierung der wurde. Der besondere Eifer des Konverti- Gesetze durch den Verfassungsrat führten. ten, den Eric Besson bei der Führung seines Amtes an den Tag legt – Schließung des Eine unter Führung des Fraktionsvorsitzen- den Jean-François Copé kecker gewor- „Dschungels“ von Calais, Abschiebung dene UMP-Parlamentsfraktion artikuliert von abgelehnten Asyl-Bewerbern nach immer wieder ihre Unzufriedenheit mit den Afghanistan – stößt Beobachter rechts wie überfallartigen Initiativen des Präsidenten, links ab und ließ dem ehemaligen wirt- die ohne vorherige Konsultation mit dem schaftspolitischen Sprecher der PS zum, so Parlament in die politische Arena gewor- die linkspopulistische „Marianne“ „meist- fen werden. Paradebeispiel für diese per- gehassten Mann Frankreichs“ werden. manente Improvisation war die von Sarkozy im Februar aus dem Hut gezau- Gleichzeitig ist nicht zu erkennen, dass berte Abschaffung der Gewerbesteuer, diese Politik der symbolischen Härte in ir- die die Gemeinden einer zentralen Ein- gendeiner Form effizient wäre. Das Ver- nahmequelle beraubt und zu großer Unzu- sprechen Sarkozys, die illegale Einwande- friedenheit auch bei der UMP führte. rung in den Griff zu bekommen, konnte bisher nicht annähernd erfüllt werden. Die parallelen Versuche Sarkozys, durch Akte symbolischer Politik zugunsten von Migran- Friedrich-Ebert-Stiftung, 41bis, bd. de la Tour-Maubourg, F - 75007 Paris, Tel. +33 1 45 55 09 96
Frankreich-Analyse 4 Eine magere Reformbilanz der Finanzierung von Forschung und Ent- wicklung, Ausweitung von Lohnzusatzleis- Die Bilanz der Regierung bei längerfristigen tungen für Geringverdiener, Sicherung Reformvorhaben ist denn auch eher einer Grundversorgung bei öffentlichen mager. Eine vom „Figaro“ durchgeführte Dienstleistungen im Falle von Streiks und Befragung des Kabinetts zum Jahresan- Arbeitskämpfen, Einstieg in eine Strategie fang 2010 brachte ein interessantes Ergeb- eines „grünen Wachstums“ mit dem nis zutage: Nicht die als schicksalhaft ver- „Grenelle de l’environnement“, erweiterte kauften „Großreformen“ wie die Steuer- Integrationsangebote an Jugendliche in senkungen für die Wohlhabenden, der den Vorstädten, Einführung einer CO2- Kampf gegen die 35-Stunden-Woche, die Steuer) zählen hierzu ebenso, wie eine Abschaffung der Gewerbesteuer oder die konstruktive Rolle Frankreichs im europäi- Reform der Gebietskörperschaften führen schen Integrationsprozess, die aktive Rolle die Hitliste der vollbrachten Taten an, son- Frankreichs bei der Klimaschutzpolitik, beim dern die Autonomisierung der Universitä- G-20-Prozess und bei der Regulierung des ten, die eher magere Verfassungsreform Weltfinanzsystems. Notwendige gesell- von 2008, die gutgemeinten, aber vagen schaftliche Diskussionsprozesse, die durch Absichtserklärungen des Umweltgipfels das Diktat der political correctness zu „Grenelle de l’environnement“ sowie die lange verhindert worden sind, wie die De- Schaffung eines Rechtsrahmens für „Ich- batte um die Werte und die Identität der AGs“. Der UMP-Fraktionsvorsitzende Jean- französischen (Zuwanderungs-)Gesellschaft François Copé datiert – abgesehen von wurden unter seiner Amtszeit angegan- ein paar „kleinen Sachen“ („trucs“) – die gen. Im Gegensatz zum von der Opposi- letzte gelungene größere Reform in Frank- tion und den linksliberalen Medien gerne reich sogar auf das Jahr 2003 zurück…. Die gezeichneten Bild eines „libertiziden“ Prä- wirklichen Probleme Frankreichs – eine sidenten, der systematisch alle Quellen von unzureichende Innovationskultur in den Meinungsautonomie zu beseitigen ver- kleinen und mittleren Unternehmen, unzu- sucht, sind in der Amtszeit Sarkozys eine reichende Ausgaben für FuE in der Fläche, Reihe von Affären vor Gericht gelandet, ein Schul-, Ausbildungs- und Universitäts- die in den Jahren davor dem Zugriff der system, das den ökonomischen und sozia- Justiz weitestgehend entzogen gewesen len Realitäten des Landes nicht gerecht waren. Selbst wenn es sich dabei in erster wird, eine verhärtete Massenarbeitslosig- Linie um interne Abrechnungen zwischen keit, eine hohe und steigende Jugendar- verschiedenen Clans der UMP handeln beitslosigkeit, eine wachsende soziale, sollte, so kann die Tatsache, dass mit kulturelle und lebensweltliche Segregation Jacques Chirac zum ersten Mal ein ehe- der Gesellschaft, ein überkomplexes Ver- maliger Präsident (wegen seiner Machen- waltungssystem und ein zu hohes, nicht schaften als Bürgermeister von Paris) vor zuletzt durch Steuergeschenke an die Gericht erscheinen muss, durchaus als ein Wohlhabenden und die Kosten der Ret- Beitrag zur Stärkung der rechtsstaatlichen tung der financial assets des Besitzbürger- Kultur des Landes gesehen werden. In die- tums verschärftes Staatsdefizit – sind auch selbe Richtung geht das Clearstream- 2009 nicht wirklich angegangen worden. Verfahren, aber auch die Verurteilung des Hinzu kommt das ungelöste Problem, wie ehemaligen Innenministers Charles Pasqua die französische Industrie auf den Export- im „Angolagate“-Verfahren (ein Jahr Haft) verdrängungswettbewerb ihrer deutschen sowie die Verhaftung eines der unerschüt- Konkurrenten reagieren kann, ohne die terlichsten Barone der „Chiraquie“, des soziale Situation in Frankreich zu belasten Senators für Polynesien, Gaston Flosse, und die Binnennachfrage zu schwächen. Anfang November wegen Korruptions- vorwürfen. Es gibt auch Positives Natürlich hat die Regierungszeit Sarkozys zu Perspektiven für 2010 ihrer Halbzeit auch positive Ansätze ge- Das Jahr 2010 ist ein Scharnierjahr für die bracht. Eine Reihe von prinzipiell vernünfti- Regierung. Im März 2010 stehen die Regio- gen Initiativen (Universitätsreform, Reform nalwahlen an. An sich kann die PS dort nur der gymnasialen Oberstufe, Ausweitung verlieren und die UMP dort nur gewinnen: Friedrich-Ebert-Stiftung, 41bis, bd. de la Tour-Maubourg, F - 75007 Paris, Tel. +33 1 45 55 09 96
Frankreich-Analyse 5 die Sozialisten kontrollieren 20 der 22 Regi- onen Frankreichs. Allerdings zeigen Umfra- Ein zweiter Bericht der FES-Paris zur Lage der gen, dass die Stellung der UMP momentan Sozialistischen Partei Frankreichs Anfang 2010 eher fragil ist. Große Eroberungspläne hat erscheint in wenigen Tagen. die Regierungspartei daher ad acta ge- legt. Ihre Strategie besteht darin, ihre bei- den letzten Regionen – das Elsass und Kor- Der Inhalt dieses Beitrags gibt die Meinung des sika – zu verteidigen und vielleicht den Autors und nicht die der Friedrich-Ebert-Stiftung einen oder andern Überraschungserfolg wieder. woanders zu suchen. Dies wird allerdings nicht leicht sein, da die sozialistischen Re- Verantwortlich: Dr. Ernst Hillebrand, Leiter des gionalpräsidenten mittlerweile regional Pariser Büros der FES stark verankerte politische Größen darstel- len, deren Regierungsbilanz – wie auch auf kommunaler Ebene - durchaus positiv ist. Halbzeitwahlen stellen zudem auch in Weitere Artikel als Download unter: Frankreich so etwas wie Denkzettelwahlen http://www.fesparis.org/publications.php für die nationale Regierung dar. Eine Niederlage bei diesen Wahlen wird daher « Der kulturelle Austausch zwischen von der Regierungspartei im Moment als Deutschland und Frankreich – eine eher unvermeidbar angesehen. Interessant Bestandsaufnahme », von Jacques-Pierre wird sein, in wie weit die Strategie der UMP, Gougeon, Dezember 2009 durch die Sammlung des rechten Lagers eine neue Wahldynamik gegenüber einer traditionell zersplittert antretenden Linken « Links von der PS: Frankreichs linker zu schaffen, bei diesen Wahlen funktio- politischer Rand organisiert sich neu », von nieren wird. Auch wird es interessant sein Renaud Dély, März 2009 zu sehen, ob die Front National tatsächlich unter der Führung Marine Le Pens noch « Espoir Banlieue - Ein Marshall-Plan für die einmal Aufwind bekommt. Danach muss französischen Vorstädte? », von Ernst Sarkozy die Weichen für 2012 stellen. Dies Hillebrand und Christian Kreuder-Sonnen, bedeutet, die wirtschaftliche Erholung März 2009 sicher zu stellen und die Arbeitslosigkeit in vertretbaren Grenzen zu halten, ohne da- bei das Staatsdefizit außer Kontrolle gera- ten zu lassen, über die Projekte einer „großen Staatsanleihe“ zusätzliches Wachstum zu initiieren und die größten Achillesfersen seiner Regierungsbilanz – die Stagnation des verfügbaren Einkommens der Durchschnittsbevölkerung und der ungebrochene Anstieg von Gewaltkrimi- nalität und gefühlter Unsicherheit – zu be- seitigen. Beide Punkte berühren den Mar- kenkern des Sarkozysmus. Als große Re- formvorhaben für 2010 stehen theoretisch auch noch eine Rentenreform auf der Tagesordnung (die aber vermutlich nur sehr vorsichtig angegangen werden wird) sowie die endgültige Einführung der CO2- Steuer unter Berücksichtigung der Vorga- ben des Verfassungsrates. Was auf alle Fälle nicht erwartet werden sollte, ist ein liberales Reformfeuerwerk, wie es 2007 angekündigt worden war. Die Realität hat Nicolas Sarkozy im Krisenjahr 2009 endgül- tig eingeholt. Friedrich-Ebert-Stiftung, 41bis, bd. de la Tour-Maubourg, F - 75007 Paris, Tel. +33 1 45 55 09 96
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