Tiefseebergbau - Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:36 Seite 1 - Bund für Umwelt und Naturschutz ...
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Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:36 Seite 1 67 Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:36 Seite 2 Inhalt Zusammenfassung 3 1 Einleitung 4 2 Die Tiefsee 5 2.1 Biotope der Tiefsee 5 2.1.1 Sensitivität gegenüber Störungen (Risiken) 6 2.2 Minerale der Tiefsee 7 2.2.1 Manganknollen 7 2.2.2 Polymetallische Krusten 9 2.2.3 Massivsulfide 9 3 Mineralische Rohstoffe 10 3.1 Einsatz der Rohstoffe 11 3.2 Gewinnung der Rohstoffe 12 4 Rechtsrahmen 13 5 Der geplante Abbau 16 6 Risiken 17 7 Interessenlage 19 7.1 Forschung und Industrie 19 7.2 Zivilgesellschaft 20 8 Alternativen 22 9 Fazit 24 10 BUND-Forderungen 26 11 Quellen 27 Danksagung Wir danken folgenden Personen für die Bereitstellung der Bilder und Abbildungen: Titelfoto: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Kiel · Bild 1 und 2: Prof. Dr. Antje Boetius; Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeres- forschung, Bremerhaven · Bild 3: Dr. Volker Ratmeyer; MARUM − Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen · Bild 4: Prof. Dr. Wolfgang Bach; MARUM − Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen · Bild 5: Jan Steffen; GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Kiel · Bild 6: Björn Völlmar; Bun- desanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover · Bild 7 und 8: Jonathan Mesulam · Abbildung 1: Jan Lehmköster; maribus gGmbH, Hamburg · Abbildung 2: Bernhard Mergenschröer; VISUELL – Büro für visuelle Kommunikation, Aachen · Abbildung 3: Jan Lehmköster; maribus gGmbH, Hamburg 2 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:36 Seite 3 Zusammenfassung Die Tiefsee gehört zu den letzten vom Menschen tige Entwicklung (Sustainable Development Goals) weitgehend unberührten und unerforschten Ökosys- ergibt sich, dass ein genereller Stopp aller Tiefseeberg- temen der Erde. Doch mit der weltweit steigenden bauaktivitäten zwingend notwendig ist. Der BUND Suche nach neuen Rohstoffquellen rücken die mine- fordert daher die Bundesregierung auf, im europäi- ralischen Rohstoffe der Tiefsee in Manganknollen, schen und internationalen Kontext die Anstrengun- polymetallischen Krusten und Massivsulfiden zuneh- gen zum Schutz der Meere und Ozeane deutlich zu mend in den Fokus. Aktuell sind zahlreiche Explora- verstärken. Hierzu zählen: tions- und Forschungsprojekte zum Einstieg in den Tiefseebergbau in Planung. • Alle Vorhaben und politischen Initiativen zum Abbau mineralischer Ressourcen in der Tiefsee zu Ohne Wissen über diese Ökosysteme sowie über ihre stoppen. Dies umfasst die sofortige Beendigung Bedeutung für globale Prozesse ist die Rohstoffförde- der wirtschaftlichen Förderpolitik des Tiefseeberg- rung in der Tiefsee nicht zu verantworten. Der Tief- baus. seebergbau birgt enorme ökologische Risiken, da eine große Anzahl der ältesten und sensibelsten Ökosyste- • Sich stärker als bisher für die Ausweisung von me der Erde negativ beeinflusst oder dauerhaft Meeresschutzgebieten mit effektiven Manage- zerstört werden würde. mentstrategien und Nullnutzungszonen auf Basis transparenter und partizipativer Verfahren ein- Der ungehemmte Verbrauch endlicher Ressourcen und zusetzen, statt den Tiefseebergbau zu fördern. ein steigender Bedarf an primären mineralischen Roh- stoffen sind nicht zukunftsfähig. Der Tiefseebergbau • Das Vorsorgeprinzip bei allen meeresbezogenen ist angesichts der ökologischen Risiken und sozialen Aktivitäten konsequent zu beachtet. Probleme keine vertretbare Lösung. Wenn wir eine nachhaltige Gesellschaft gestalten wollen, um der • Den Ausbau unabhängiger Meeresforschung hin- Erde und kommenden Generationen eine Zukunft zu sichtlich Erhalt und Schutz der marinen Umwelt ermöglichen, muss der Verbrauch mineralischer Res- zu fördern und die Ergebnisse öffentlich zugäng- sourcen massiv eingeschränkt werden. Der verblei- lich zu machen. bende Bedarf primärer Rohstoffe kann und muss durch eine Kreislaufwirtschaft, welche Recycling und • Die deutschen Erkundungslizenzen ruhen zu las- Urban Mining einschließt, Laufzeitverlängerung von sen und keine Abbaulizenzen zu beantragen. Geräten, Reparaturfreundlichkeit, Shared Economy- Konzepte und Substitution reduziert werden. Diese Der BUND fordert von der Bundesregierung den Ein- Alternativen sind mit sehr viel geringeren ökologi- stieg in eine nachhaltige Rohstoff- und Ressourcen- schen Kosten verbunden. Sowohl der Import primärer wirtschaft anstelle der Förderung des Tiefseeberg- terrestrischer Mineralien, die unter den derzeit herr- baus. schenden fatalen Bedingungen produziert werden, als auch ein möglicher Tiefseebergbau stellen eine Exter- nalisierung der ökologischen und sozialen Folgen unseres Konsums und Energiebedarfs dar. Daraus und vor dem Hintergrund der auch von Deutschland umzusetzenden UN-Ziele für nachhal- BUNDposition Tiefseebergbau 3
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:36 Seite 4 1 Einleitung Die Tiefsee ist neben der Antarktis eine der letzten dertechnik (Blue Mining, Blue Nodules) sowie durch wahren und großen Wildnisse unseres Planeten. Die national geförderte Projekte aktiv an der Entwicklung Lebensräume, ihre Bewohner und die Wechselwir- dieses Industriezweiges beteiligt. Diese Vorhaben sind kungen in den Ökosystemen sind weitgehend unbe- einer breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbe- kannt. Die Zahl der unerforschten Tiefseearten wird kannt. auf einige Millionen geschätzt. Der Tiefseebergbau birgt gewaltige ökologische Risi- Auf dem Grund der Ozeane lagern große Mengen an ken, die bisher weder hinreichend erforscht und ver- mineralischen Rohstoffen. Mangan, Kupfer, Silber, standen sind noch die notwendige Beachtung bei den Gold und seltene Erden sind in verschiedenen geolo- geplanten Aktivitäten zur Förderung von Rohstoffen gischen Formen gebunden und finden sich auf und aus der Tiefsee finden. im Meeresgrund in ausgedehnten Regionen. Mehrere Staaten planen daher Vorhaben zur Erschließung der Im Folgenden stellen wir die Lagerstätten und ihre Tiefsee als Rohstoffquelle. Bisher findet der Abbau Umgebung vor und erläutern die Gewinnung und mineralischer Rohstoffe dort nicht statt, doch es wur- Verwendung mineralischer Rohstoffe. Die aktuellen den bereits Lizenzen zur Erkundung des Tiefseebodens Aktivitäten zum Tiefseebergbau und die damit ver- für Gebiete erteilt, die zusammen der Größe Europas bundenen möglichen Folgen werden dargestellt und entsprechen. Alternativen aufgezeigt. Aufgrund der technologischen Entwicklungen und der damit verbundenen verbesserten Erschließungs- möglichkeiten haben sich auch die Aktivitäten Deutschlands und der EU in Richtung Tiefseebergbau in den letzten Jahren verstärkt. Der Tiefseebergbau ist Teil der europäischen „Blue Growth Strategy“ und auch auf nationaler Ebene spielen strategische Inte- ressen eine Rolle. Im Auftrag der Bundesregierung führt die Bundes- anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Erkundungen zu marinen mineralischen Rohstoffen in den zwei deutschen Lizenzgebieten im Pazifik und Indischen Ozean durch. Für die Erschließung von Roh- stoffressourcen auf eigenen marinen Claims wird argumentiert, dass die Importabhängigkeit Deutsch- lands reduziert werden soll. Darüber hinaus ist Deutschland Partner in mehreren europäisch geförderten Forschungsprojekten mit dem Ziel der Erforschung der ökologischen Folgen des Tiefseebergbaus (u. a. MIDAS, JPI-Oceans „MiningIm- pact“) und ist an Projekten zur Entwicklung von För- 4 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:36 Seite 5 2 Die Tiefsee Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffes Tief- 2.1 Biotope der Tiefsee see. Im Allgemeinen wird der Bereich ab einer Meeres- In der Tiefsee gibt es kein Licht, es herrschen fast über- tiefe von 200 bis 800 Metern als Tiefsee bezeichnet. all niedrige Temperaturen von -1 bis +4 Grad Celsius Die Tiefsee ist der größte Lebensraum unseres Plane- und ein immenser Druck. Bei einer Wassertiefe von ten und umfasst mehr als 70 Prozent des globalen 1.000 Metern ist der Druck hundertmal so hoch wie Ozeanvolumens. Die in einer Meerestiefe von 1.000 an der Oberfläche. Hier lebt eine sehr spezialisierte Metern und mehr liegenden Bereiche entsprechen Tierwelt. In tausenden Metern Tiefe kommen beispiels- etwa 62 Prozent der gesamten Erdoberfläche. Es wird weise Korallen, Seesterne, Oktopusse und Schwämme geschätzt, dass der Tiefseeboden fast 80 Prozent der vor. Beim Abbau von Tiefseeressourcen würden auch gesamten Biomasse der marinen Bodenzone enthält Habitate zerstört, inklusive der daran angepassten (Thurber et al., 2014). Arten. Da die Lebensgemeinschaften der Tiefsee bisher nicht anthropogenen Störungen ausgesetzt sind, weiß Die Geschichte der Tiefseeforschung ist relativ jung, man nicht, ob sie diese kompensieren können und es da die herrschenden extremen Bedingungen enorme ist unbekannt, ob sie sich regenerieren (Boetius, 2015; technische und logistische Anforderungen mit sich Boetius & Haeckel, 2018). bringen. Bis heute wurden weltweit deutlich weniger als 1 Prozent des Meeresbodens unter 1.000 Meter Manganknollenfelder: Ein neu entdeckter Tiefsee- Wassertiefe erforscht (Heinrich-Böll-Stiftung, 2017). krake laicht nur an Schwämmen, die auf Mangan- Die Tiefseeforschung steht bei der Erkundung der knollen vorkommen. Es ist wahrscheinlich, dass die komplexen Ökosysteme noch ganz am Anfang. Brutzeit über Jahre dauert (Purser et al., 2016). Bild 1 und Bild 2: Tiefseekrake Cirrate Octopus, „Caspar“ (links: © GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, JPIO SO242- 2; rechts: © Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven, JPIO SO242-2) BUNDposition Tiefseebergbau 5
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:36 Seite 6 Legende Manganknollen Hohe See Massivsulfide Ausschließliche Wirtschaftszone Kobaldkrusten Deutsche Explorationslizenz Quelle: ISA 2014, Maribus 2014 Darstellung: A. Müller, 2015 Abbildung 1: Globale Verteilung mariner mineralischer Rohstoffe (© maribus gGmbH, 2014) Seeberge (Seamounts): Auf Seebergen finden sich unterschiedlich und viele Arten sind selten oder gar Kaltwasserkorallen, die bis zu tausend Jahre alt wer- einzigartig. Dabei sind sie oft wenig mobil. Die Arten, den können. Aufgrund eines großen Nahrungsange- die auf sehr spezielle Umgebungsbedingungen ange- botes kommen auch Haie oder Thunfische an Seeber- wiesen sind, brauchen für ihre Verbreitung ein Netz gen zum Teil in großer Zahl vor – so beispielsweise von Lebensräumen. im Südwestpazifik (maribus gGmbH, 2014). Ein Abbau mineralischer Ressourcen reißt Lücken in Hydrothermalquellen (Schwarze Raucher): Auch dieses Habitatnetz und könnte damit zum Aussterben Hydrothermalquellen bilden die Grundlage für Oasen seltener Arten führen. In der Tiefsee läuft die Zeit der Tiefsee, da sich hier vielfältiges Leben in einzig- vollkommen anders als an Land. Äußerst langsame artigen Ökosystemen findet. Garnelen, Schnecken Wachstums- und Regenerationsprozesse bestimmen und Krebse leben in ausgeklügelten Symbiosen mit den Lebensraum. Die Sedimentationsrate1 liegt in der Bakterien, die statt Sonnenlicht und pflanzlicher Pro- Tiefsee unter 1 Millimeter in tausend Jahren, im Watt duktion chemische Prozesse als Energiequelle nut- sind es im gleichen Zeitraum 2 bis 3 Meter. Somit sind zen. die Folgen von Eingriffen noch lange spürbar. Die Organismen produzieren nur wenige Nachkommen. 2.1.1 Sensitivität gegenüber Störungen (Risiken) Dadurch sind sie besonders sensibel und gefährdet. Die Biodiversität der Tiefsee ist besonders empfindlich, Sterben die Elterntiere, kann sich der Bestand kaum 1 Die Sedimentationsrate bezeichnet die Geschwindigkeit da hier oft einer geringen Anzahl von Individuen eine erholen (maribus gGmbH, 2014). Auch aufgrund der der Ablagerung von Einträgen große Artenvielfalt gegenübersteht. Jedes Habitat ist langsamen Regenerationsprozesse ist der Lebensraum aus der Wassersäule. 6 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:36 Seite 7 anthropogenen Eingriffen gegenüber sehr verletzlich. Seltene Erden 1989 pflügten deutsche Forscher im Pazifik 10 km² Metalle der Seltenen Erden werden heute in der Meeresboden versuchsweise um. Sie wollten unter- Herstellung vieler Konsumgüter (z. B. Computer, suchen, was Tiefseebergbau in diesen fragilen Lebens- LCD-Bildschirme und Digitalkameras) und in gemeinschaften anrichtet. 26 Jahre später war bei Windkraftanlagen, Elektroautos und Energie- einer Expedition im selben Gebiet zu erkennen, dass sparlampen eingesetzt. Die verwendete Bezeich- sich das umgepflügte Gebiet nicht erholt hatte und nung Seltene Erden ist missverständlich. Der mit dem ursprünglichen Ökosystem nicht mehr zu Name stammt aus der Zeit der Entdeckung dieser vergleichen war (Schrader, 2016). Elemente und beruht auf der Tatsache, dass sie zuerst in seltenen Mineralien gefunden wurden Die Auswirkungen eines industriellen Tiefseebergbaus und nicht darauf, dass sie selten vorkommen. wären somit um ein Vielfaches verheerender als dieser Thulium, das seltenste stabile Element der Metal- vergleichsweise kleine Eingriff zu Forschungszwecken. le der Seltenen Erden, ist immer noch häufiger Berechnungen zufolge müssten pro Unternehmung vorhanden als Gold oder Platin. Da die Metalle jährlich 3 Millionen Tonnen Manganknollen gefördert nur in sehr kleinen Mengen in verstreuten Mine- werden damit sie wirtschaftlich wäre. Je nach Knol- ralien vorkommen erfolgt die Gewinnung meist lenzahl und -größe pro Fläche kommt diese Menge in als Nebenprodukt durch die chemische Aufbe- einem Gebiet von ungefähr 425 km² vor (Madureira reitung bei der Gewinnung anderer, stärker kon- et al., 2016). Rechnet man mit geringen Verlusten bei zentriert vorliegender Metalle aus deren Erzen dem Abbau der Knollen, so würde jeder einzelne (Wikipedia, 2018). Lizenznehmer in jahrzehntelangen Abbauunterneh- mungen pro Woche mindestens ein Gebiet von der Größe des beschriebenen Testgebietes zerstören. 2.2.1 Manganknollen Manganknollen sind kartoffelähnliche Klumpen, die bis zu 27 Prozent aus dem Metall Mangan bestehen. 2.2 Minerale der Tiefsee Sie wachsen um etwa 5 Millimeter in einer Million Mineralische Rohstoffe kommen in der Tiefsee in ver- Jahren und sind in Tiefen zwischen 4.000 und 6.000 schiedenen Formen vor. Sie sind in Manganknollen, Metern auf dem Meeresboden zu finden. Andere Ele- polymetallischen Krusten (Kobaltkrusten) und Massiv- mente wie Kupfer, Kobalt, Zink und Nickel sind mit sulfiden gebunden (s. Abbildung 1). 0,2 bis 1 Prozent enthalten, der Eisenanteil liegt bei 15 Prozent. Sie kommen in vielen Meeresgebieten vor, Die Vorkommen sind in sehr langsamen Wachstums- die Größe und Anzahl der vorgefundenen Knollen prozessen von bis zu 30 Millionen Jahren entstanden. variiert dabei stark (maribus gGmbH, 2014). Eine So unterschiedlich die Vorkommen sind, so unter- industrielle Gewinnung der Rohstoffe aus Mangan- schiedlich ist auch die Fauna, die dort angesiedelt ist. knollen durch Verhüttung findet derzeit aus techni- Auf Massivsulfiden finden sich vollkommen andere schen und wirtschaftlichen Gründen nicht statt. Das marine Lebensgemeinschaften als auf Manganknol- weltweit größte bekannte Knollengebiet ist die lenfeldern oder polymetallischen Krusten. Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) im Pazifik mit einer Größe von 9 Millionen Quadratkilometern. Wie die meisten Manganknollenvorkommen liegt sie in den internationalen Gewässern der hohen See. BUNDposition Tiefseebergbau 7
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 8 Bild 3: Schwarzer Raucher (© MARUM − Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen) Bild 4: Lebensgemeinschaft an Hydrothermalquelle (© MARUM − Zentrum für Marine Umwelt- wissenschaften, Universität Bremen) 8 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 9 2.2.2 Polymetallische Krusten Meer strömt. Viele chemische Elemente sind in Polymetallische Krusten, auch Kobaltkrusten genannt, Massivsulfiden oft nur in geringen Mengen enthalten, sind harte, metallhaltige Schichten des Meeresbodens. dafür finden sich teilweise Gold- und Silber- Sie bilden sich auf den Felshängen von untermeeri- konzentrationen, welche die Konzentration in Land- schen Vulkanen, so genannten Seebergen. Diese Krus- vorkommen übertreffen (maribus gGmbH, 2014). ten entstehen ähnlich wie Manganknollen, indem sich im Laufe von Jahrmillionen Metallverbindungen aus Hydrothermalquellen entstehen dadurch, dass durch dem Wasser auf dem Gestein ablagern. Expert*innen Spalten am Meeresboden Meerwasser bis zu mehrere schätzen, dass es weltweit mindestens 33.000 Seeber- Tausend Meter tief in den Untergrund eindringt. Das ge gibt. Die genaue Zahl ist nicht bekannt und Meerwasser wird in der Tiefe durch vulkanische Akti- erst wenige Seeberge wurden genauer untersucht vität auf bis zu rund 400 Grad Celsius aufgeheizt und (maribus gGmbH, 2014). Im Unterschied zu den Man- löst Metalle und Schwefel aus dem umgebenden Vul- ganknollen, die auf dem Meeresgrund liegen, sind kangestein bis es durch die Quellen wieder ins Meer polymetallische Krusten fest mit dem Untergrund ver- strömt (maribus gGmbH, 2014). Dort entstehen dann bunden und müssten für einen Abbau abgespalten durch Ausfällungen schwefelhaltige Erze, so genannte werden. Massivsulfide, wobei sich oft schornsteinartige Struk- turen bilden. Diese werden schwarze Raucher Die meisten bisher bekannten ergiebigen Krustenvor- genannt, da das austretende Wasser durch die Mine- kommen liegen nicht in internationalen Gewässern, ralien meist schwarz gefärbt ist. sondern in den Hoheitsgebieten von Anrainerstaa- ten. Hydrothermalfelder finden sich sowohl in internatio- nalen Gewässern als auch in Hoheitsgewässern von 2.2.3 Massivsulfide Anrainerstaaten. Forscher schätzen, dass es weltweit Massivsulfide entstehen an heißen ozeanischen Quel- rund 90.000 Hydrothermalquellen geben könnte. Ver- len, aus denen mit Sulfiden angereichertes, bis zu 400 mutlich enthalten aber nicht alle wertvolle Metalle Grad Celsius warmes Wasser aus dem Untergrund ins (maribus gGmbH, 2014). Manganknolle Pazifik 4.400 m Wassertiefe Bild 5: Seestern in einem Manganknollenfeld (© ROV-Team; GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel) Bild 6: Eine durchgeschnittene Manganknolle (© Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) BUNDposition Tiefseebergbau 9
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 10 3 Mineralische Rohstoffe Die folgende Abbildung 2 zeigt die globalen terres- größten abbauenden Staaten jährlich zusammen trischen Rohstoffvorkommen im Vergleich mit aus- genommen etwa 0,1 Prozent der globalen wirtschaft- gewählten marinen Vorkommen. Diese dürfen dabei lich abbaubaren Ressourcen (US Geological Survey, nicht als Reserven eingeordnet werden, da sie noch 2013, 2015, 2017b). Die globale Fördermenge an nicht technisch-wirtschaftlich gefördert werden kön- Kobalt, welches u. a. für die Produktion von Lithium- nen. Sie sind als Ressourcen einzustufen. Ionen Akkus verwendet wird, betrug 2016 1,8 Prozent der Reserven (US Geological Survey, 2017a). So kann Die Abbildung 2 zeigt, dass die terrestrischen Reser- der globale Rohstoffhunger an seltenen Erden und ven, also die momentan wirtschaftlich abbaubaren anderen Mineralien noch auf lange Sicht durch ter- Ressourcen, noch sehr groß sind. Zum Beispiel belau- restrische Vorkommen gedeckt werden, selbst wenn fen sich die globalen Reserven an seltenen Erden auf er nicht durch ökonomische und technologische 110 Millionen Tonnen. Seit 2011 förderten die sieben Innovationen eingedämmt werden sollte. Die Gewin- Metallgehalte in Millionen Tonnen (Manganknollen und Kobaltkrusten) Globale Landreserven * Globale Reserven und Ressourcen an Land ** Manganknollen in der CCZ Kobaltkrusten im Westpazifik Mangan Kupfer Titan Nickel Kobalt Seltenerdeoxide * Reserven sind Vorkommen, die nachgewiesen und nach dem heutigen Stand der Technik wirtschaftlich abbaubar sind. ** Ressourcen sind Vorkommen, die noch nicht sicher ausgewiesen sind oder gegenwärtig noch nicht technisch-wirtschaftlich gefördert werden können. Quelle: Maribus gGmbH 2014 (Hrsg.), Seite 67 und 75, Grafische Darstellung: VISUELL, Aachen Abbildung 2: Vergleich terrestrischer und ausgewählter mariner Rohstoffvorkommen (© Misereor) 10 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 11 nung ist oft mit einer geringen Effizienz und großen Heizkörpern oder Waschmaschinen (s. Tabelle 1). Sie Abraummengen verbunden. Eine Reduzierung des werden vor allem in der Industrie, in der Produktion Bedarfs ist notwendig, da der terrestrische Bergbau von Konsumelektronik, im Sektor der erneuerbaren immense negative ökologische Auswirkungen hat und Energien und der elektrifizierten Mobilität verwendet. die Folgen eines marinen Bergbaus noch nicht einmal Momentan wird durch die globale ökonomische Ent- abschätzbar sind. wicklung, dem momentanen Stand der Technik, der ansteigenden Nachfrage bei Konsumelektronik und 3.1 Einsatz der Rohstoffe durch den industriellen Wandel (Industrie 4.0 und so Mineralische Rohstoffe, insbesondere seltene Erden, genanntes Green Growth) ein großer Bedarf an finden sich unter anderem in Smartphones, Laptops, Metallen in Zukunftstechnologien2 prognostiziert. Displays, LEDs, Windkraftanlagen, Solarzellen, Elek- Zukunftsstrategien wie die Verzahnung industrieller troautos, Akkus und seit neuestem auch in vernetzten Produktion mit moderner Informations- und Kom- Element Verwendung Vorkommen Cadmium (Cd) Akkus, Solarzellen MS Eisen (Fe) Stahl, Industriemagnete MK, PK Gallium (Ga) LEDs, Solarzellen MS Germanium (Ge) Smartphones, Solarzellen MS Gold (Au) Wertanlage, Schmuck, Elektroindustrie MS Indium (In) Displays, Legierungen, Fotovoltaik MS Kobalt (Co) verschleiß- und wärmefeste Stähle MK, PK Kupfer (Cu) Stromkabel, Elektromotoren, Baugewerbe, Windkraftanlagen MK, MS Lithium (Li) Akkus, Luft- und Raumfahrttechnik MK Mangan (Mn) rostfreie Stähle, LEDs MK, PK Molybdän (Mo) Stahl MK Nickel (Ni) Korrosionsschutz, rostfreie Stähle MK, PK Platin (Pt) Abgaskatalysatoren, Schmuck, Metallbeschichtungen PK, MS Selen (Se) Halbleiter- und Stahlherstellung, Düngemittel MS Seltenerdmetalle Dauermagnete, Akkus, LEDs, Windkraftanlagen MK, PK Silber (Ag) Wertanlage, Schmuck, chem. Industrie (Katalysator) MS Tellur (Te) Rostfreie Stähle, Halbleiter, Fotodioden PK, MS 2 „Technologie, von der man Zinn (Sn) Bronzebestandteil, LEDs, Displays MK, MS annimmt, dass sie die Zukunft maßgeblich bestimmen wird“; abgerufen am 25.1.17 von http://de.thefreedictionary.com/ Tabelle 1: Verwendung von mineralischen Rohstoffen und Art der marinen Lagerstätten: Manganknollen Zukunftstechnologien (MK), polymetallische Krusten (PK), Massivsulfide (MS) (Daten u. a. aus maribus gGmbH, 2014) BUNDposition Tiefseebergbau 11
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 12 munikationstechnik sowie der Energiewandel zur begrenzten Welt“ davor, dass der Explorationsdruck Dekarbonisierung aller Wirtschafts- und Lebens- in ökologisch sensiblen Regionen steigt (Sachverstän- bereiche führt bei dem derzeitigen Umgang mit den digenrat für Umweltfragen, 2012). Dazu gehört mit Ressourcen zu einer wachsenden Nachfrage nach der Tiefsee ein großer, bisher relativ unberührter Teil mineralischen Rohstoffen und seltenen Erden. unseres Planeten. Da der Abbau mineralischer Rohstoffe immer mit 3.2 Gewinnung der Rohstoffe erheblichen ökologischen Auswirkungen und Risiken Mineralische Rohstoffe lassen sich durch Recycling verbunden ist, sollte auch bei energiesparenden Tech- (Sekundärrohstoffe) und durch Bergbau (Primärroh- nologien wie LEDs und bei der alternativen Energie- stoffe) gewinnen. Die heute im Landbergbau geförder- erzeugung der Ressourcenbedarf bei der Herstellung ten Erze zur Gewinnung von Kupfer haben meist eine nicht außer Acht gelassen werden. Statt die CO2-Ein- geringe Konzentration von 1 Prozent oder weniger. sparung isoliert zu betrachten, spielt vielmehr der Somit werden für die Gewinnung gewaltige Landmas- gesamte „ökologische Rucksack“ eine Rolle. Im Land- sen abgebaut und der Aufwand der Verhüttung ein- bergbau werden mineralische Rohstoffe aufgrund schließlich des Energie- und Wasserverbrauchs ist hoher ökologischer und sozialer Standards und der immens. Seltene Erden kommen in terrestrischen Vor- damit verbundenen Kosten nur selten in Ländern des kommen nur in geringen Konzentrationen in Erzen globalen Nordens gefördert. Stattdessen findet der vor. In Manganknollen finden sich zum Teil höhere Abbau oft in Ländern statt, in denen die sozialen und Konzentrationen. Für die Extraktion von Metallen sind ökologischen Bedingungen kritisch sind. Mancher unterschiedliche Prozesstechniken3 entwickelt und sieht nun den Tiefseebergbau als Lösung, um die erprobt worden, die allerdings nur in Forschungspro- Probleme an Land zu umgehen. Dabei ist aber zu jekten untersucht worden sind und deren technische bedenken, dass die ökologischen Risiken nicht ein- Realisierbarkeit und Wirtschaftlichkeit weitgehend schätzbar sind. Die Technologien zum Abbau und der unbekannt ist. Der Abbau von seltenen Erden an Land Verhüttung stehen erst am Anfang der Entwicklung. erfolgt über Säuren, mit denen die Metalle aus den Der ökologische Schaden durch Bergbau kann nur Bohrlöchern gewaschen werden. Dabei bleibt der ver- eingedämmt werden, wenn der Verbrauch der Primär- giftete Schlamm zurück und es fallen große Mengen rohstoffe durch konsequentes Recycling und Substi- toxischer Rückstände an. Zusätzlich zu dieser Gefahr tution4 reduziert wird. für die Umwelt besteht ein permanentes Risiko für das 3 z. B. die DeepSea Venture-, Austreten von Radioaktivität, da viele Vorkommen sel- Cuprion- oder INCO-Prozess- techniken (Pophanken et al., tener Erden radioaktive Substanzen enthalten. 2013) 4 Substitution bezeichnet die Das BUND Hintergrundpapier „Ressourcenschutz ist Ersetzung oder Reduzierung mehr als Rohstoffeffizienz“ befasst sich unter ande- knapper bzw. ökonomisch oder ökologisch kritischer Rohstoffe rem mit diesem Thema. Es wird festgestellt, dass der bei der Herstellung von Indus- Bergbau und die Aufbereitung von Erzen weltweit zu triegütern. Sie kann durch den Einsatz anderer Technologien den größten Einzelquellen von Umweltgiften gehören und durch verstärkten Kapital- (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V., einsatz erreicht werden, was aber unter den derzeitigen 2015). Der Sachverständigenrat Umwelt (SRU) warnt Rahmenbedingungen nicht in seinem Umweltgutachten „Verantwortung in einer ausreichend gemacht wird. 12 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 13 4 Rechtsrahmen Die Regeln für alle Meeresnutzungen wie Schifffahrt, Fischerei, Erdgas- und Erdölförderung sowie für die • Internationale Meeresbodenbehörde, IMB Meeresforschung und den Umweltschutz werden (engl. International Seabed Authority, ISA) durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten mit Sitz in Kingston, Jamaika Nationen (SRÜ), das größte völkerrechtliche Geset- • Kommission zur Begrenzung des Festlandso- zeswerk, festgelegt. Es gilt für alle unterzeichnenden ckels, Zusammentreten in der Regel in New Staaten, einschließlich der Binnenländer. Allerdings York, USA fehlen unter den Mitgliedstaaten einige einflussreiche Staaten, wie z. B. die USA. Das Abkommen teilt das Meer in verschiedene Rechtszonen auf. Je nachdem, Das Übereinkommen unterscheidet folgende Meeres- wo sich Rohstoffvorkommen befinden, gelten unter- gebiete (s. Abbildung 3): schiedliche Regeln für die Erkundung (Exploration) • Küstenmeer, 12 Seemeilen von der Küste und die mögliche Förderung. Auch ein möglicher Tief- • Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), seebergbau wird durch das SRÜ geregelt. Momentan 200 Seemeilen werden die Abbauregularien für mineralische Res- • Festlandsockel sourcen bei der Internationalen Meeresbodenbehörde • Hohe See entwickelt. Die Hoheitsbefugnisse eines Staates nehmen dabei mit zunehmender Entfernung von der Küste ab. Die Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten ersten drei Zonen unterliegen der Souveränität des Nationen (SRÜ), englisch „United Nations Con- Küstenstaates, im Gebiet der hohen See ist die Inter- vention on the Law of the Sea“ (UNCLOS), ist ein nationale Meeresbodenbehörde (IMB) zuständig. internationales Abkommen des Seevölkerrechts, das die Meere in rechtliche Bereiche aufteilt und die Befugnisse der Staaten insbesondere zur Nut- zung regelt. Das SRÜ trat 1994 in Kraft und gilt Aufgrund von geologischen Gegebenheiten des als „Verfassung der Meere“. Das SRÜ definiert die Festlandsockels kann der Einflussbereich eines Ozeane als gemeinsames Erbe der Menschheit Küstenstaates erweitert werden. Da im Festland- als Ganzer. Das Übereinkommen besagt, dass die sockel häufig Lagerstätten von Erdöl und Erdgas Nutzung der Meere gerecht aufgeteilt und der sowie Gashydrate, Kobaltkrusten und Massivsul- ökologische Lebensraum der Ozeane geschützt fide vorkommen, haben viele Staaten ein Inte- werden müssen. Es propagiert einen ökonomi- resse, ihr Meeresgebiet zu vergrößern. Sie müssen schen und technologischen Ausgleich zwischen die Erweiterung der Länderbefugnisse bei der Industrie- und Entwicklungsländern und einen Festlandsockelkommission in New York beantra- Schutz der Meere gegenüber anthropogenen gen. Zurzeit werden die Besitzverhältnisse über Schäden. alles, was sich im Ozean befindet und verkaufen lässt, gründlich auf den Kopf gestellt. Kritiker Mit dem Seerechtsübereinkommen wurden meh- sprechen von der „zweiten großen Kolonisati- rere internationale Institutionen geschaffen: onswelle” unseres Planeten, die fast unbemerkt • Internationaler Seegerichtshof mit Sitz in von der Öffentlichkeit stattfindet (Jenisch, 2015). Hamburg, Deutschland BUNDposition Tiefseebergbau 13
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 14 Innere Gewässer bis Basislinie Küstenmeer Hohe See bis 12 sm (Meeresufer) Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) bis 200 m Festlandsockel erweiterbar Kontinentalschelf Festlandabhang Anstieg Tiefseeboden Abbildung 3: Seerechtszonen (© maribus gGmbH, 2014) Die IMB hat ihren Sitz in Jamaika. Sie ist eine kleine unabhängiger Forschungsinstitute Mängel bei Trans- Behörde mit knapp 40 Mitarbeiter*innen aus ver- parenz und Partizipationsmöglichkeiten dar. Bei der schiedenen Ländern. In jährlichen Sitzungen treffen rechtlichen und technischen Kommission der Behörde, sich zusätzlich die Versammlung der Mitgliedsstaaten welche die Regularien für die Erkundung und den Tief- (Assembly) sowie der Rat (Council) als Exekutivorgan, seebergbau festlegt, wurden Probleme bezüglich der unterstützt von der Finanzkommission und der ein- Unparteilichkeit und der Kapazitäten festgestellt flussreichen rechtlichen und technischen Kommission. (Christiansen et al., 2016; Johnson et al., 2016). Die Behörde verwaltet den Meeresboden jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheitsbefugnisse, Die IMB vergibt Lizenzen für die Erkundung und die hohe See, was in etwa 50 Prozent der Erdober- eventuell zukünftig auch für die Ausbeutung speziel- fläche entspricht (Jenisch, 2015). Damit hat die ler Meeresgebiete. Sie ist auch für die Überwachung Behörde einen enormen Einfluss auf die Zukunft der Tätigkeiten am Tiefseeboden zuständig. Im Zeit- unseres Planeten. raum von 2001 bis 2017 hat die IMB insgesamt 27 Explorationslizenzen vergeben. Sie erteilte 17 Lizen- Bei der Bewältigung der enormen Aufgaben der Mee- zen für eine Fläche von jeweils 75.000 km² für die resbodenbehörde treten erhebliche Defizite auf. In der Erkundung von Manganknollen, 4 Lizenzen für jeweils jüngsten Zeit legten Studien im Auftrag der IMB und 3.000 km² für die Erkundung von Mangankrusten und 14 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 15 6 Lizenzen für die Erkundung von Massivsulfiden den sich auch in den ausschließlichen Wirtschafts- (jeweils 10.000 km²) (Umweltbundesamt, 2017). Die zonen von Küstenländern. Meist sind dies kleine Lizenzen laufen über 15 Jahre, danach können sie um Pazifikstaaten, von denen einige Mängel bei demo- 5 Jahre verlängert oder eine Abbaulizenz kann bean- kratischen Prozessen haben. So werden Entscheidun- tragt werden. Dazu kann am Ende der Exploration ein gen der Regierungen häufig gegen den Willen der „Pilot-Mining-Test“ stattfinden, um die Durchführung Bevölkerung getroffen und Menschenrechte verletzt des Bergbaus am Tiefseeboden zu testen. (Barcham, 2007). Zum Beispiel lag Papua Neuguinea 2017 auf Rang 140 von 180 Staaten im Korruptions- Momentan gibt es dafür bei den meisten Lizenzneh- wahrnehmungsindex von Transparency International, mern keine ausgereiften Gerätschaften und die ein Zeichen für ein hohes Maß an Korruption (Trans- Abbauregulierungen sind bei der Seebodenbehörde parency International, 2017). In Papua Neuguinea noch in der Entwicklung (Christiansen et al., 2016). So wurden schon zahlreiche Lizenzen für den Tiefsee- wurden bisher noch keine Abbaulizenzen vergeben. bergbau vergeben. Die Höhe und die Verwendung der Abbaugebühren werden bei der Meeresbodenbehörde verhandelt. Ob Tiefseebergbau wirtschaftlich sein wird, hängt auch davon ab, ob die Lizenzgebühren die ökologi- schen Risiken berücksichtigen und in welchem Maße Umweltauflagen implementiert werden. Da die ökolo- gischen Risiken nicht bekannt sind, können sie aller- dings nicht realistisch in die Lizenzgebühren ein- gepreist werden. Darüber hinaus sieht das Seerecht Kompensationszahlungen für rohstoffexportierende Staaten vor, die durch die Konkurrenz der aus der Tiefsee geförderten Ressourcen Einbußen erleiden. Diese Zahlungen müssten auch aus den Gebühren finanziert werden. Wenn die Explorationslizenz nicht verlängert und auch keine Abbaulizenz beantragt wird, läuft sie aus. Deutschland hält zwei Explorati- onslizenzen, eine für ein Manganknollengebiet im Pazifik, bei dem die Erkundung bis 2021 läuft und eine für ein Gebiet mit Massivsulfiden, die bis 2029 datiert ist (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, 2016a, 2016c). Zusammen nehmen die beiden Gebiete 85.000 km² ein, das entspricht der Fläche Österreichs. Tiefseebergbau kann aber nicht nur in dem Gebiet jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheits- befugnisse stattfinden. Mineralische Ressourcen fin- BUNDposition Tiefseebergbau 15
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 16 5 Der geplante Abbau Bereits 1978, vor in Kraft treten des Seerechtsüber- phie, Knollenbelegung, Ressourcenabschätzung und einkommens, hat ein internationales Konsortium, an Umweltbedingungen sind eine wichtige Vorausset- dem auch deutsche Unternehmen beteiligt waren, zung für die Durchführung einer solchen Prüfung. mehrere Hundert Tonnen Manganknollen aus dem Sowohl bei der Entwicklung der Abbautechnologie 5.000 Meter tiefen Pazifik gehoben. Umwelt- als auch bei der Durchführung des Abbautests erge- schützer*innen befürchteten auch damals, dass die ben sich gute Möglichkeiten für die deutsche Indus- Sammelmaschinen erhebliche Schäden auf dem Tief- trie für neue Geschäftsfelder. Das Bundesministerium seeboden anrichten und protestierten (Pluta, 2016). für Wirtschaft und Energie strebt die Flankierung der technischen Entwicklung durch eine finanzielle För- Das Bergbauvorhaben in der Tiefsee, welches am wei- derung an.“ (Bundesanstalt für Geowissenschaften testen fortgeschritten ist, ist in der ausschließlichen und Rohstoffe, 2016b, S. 6) Wirtschaftszone von Papua Neuguinea geplant. Das kanadische Unternehmen Nautilus Minerals Inc. Neben dem Einsatz von Tiefseebaggern, wie sie für strebt an, Massivsulfide, die Gold, Silber und Kupfer den Abbau vor der Küste Papua Neuguineas entwi- enthalten, aus 1,6 km Tiefe abzubauen (Nautilus ckelt wurden, gibt es Pläne, weniger invasive Techni- Minerals, 2018). Das Gebiet des Pilotprojektes liegt ken zu entwickeln. Es ist aber fraglich, ob sich solche nur 30 km von der Küste entfernt. Somit sind gravie- Konzepte technisch und wirtschaftlich durchsetzen rende Folgen für die sehr auf Fischerei angewiesene werden, wenn einmal der Weg für den kommerziellen Bevölkerung zu erwarten (Luick, 2012; solwarami- Tiefseebergbau geebnet ist. Außerdem sind auch die ning.org, o.J.). mineralischen Vorkommen selbst Grundlage für den Lebensraum sessiler und mobiler Fauna. Ein weiteres Abgesehen von den Plänen in Papua Neuguinea wird zentrales Problem ist der immens hohe technische die Gesamtzahl der Bergbauvorhaben innerhalb von und logistische Aufwand für das Monitoring von öko- AWZ-Gebieten auf 25 geschätzt (Jenisch, 2015). In logischen Folgewirkungen und Schäden. Deutschland und der EU gibt es Bestrebungen in der nächsten Zeit einen „Pilot-Mining-Test“ durchzufüh- ren. Dieser könnte im Pazifik, im indischen Ozean oder nah der Azoren stattfinden. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) schreibt in ihrem Newsletter vom Oktober 2016: „Die Explorationsarbeiten auf Manganknollen im deutschen Lizenzgebiet sind so weit fortgeschritten, dass ein Pilot-Mining-Test durchgeführt werden kann. Da bei einem solchen Test eine Fläche von mehr als 10.000 m² bearbeitet wird, muss gemäß den Regularien der IMB (internationale Meeresboden- behörde, die Verfasser*innen) eine Umweltverträg- lichkeitsprüfung ein Jahr vor dem Test vorgelegt werden. Die in den Teilgebieten durchgeführten de- taillierten Erkundungsarbeiten hinsichtlich Topogra- 16 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 17 6 Risiken Unser Wissen über die Tiefsee und deren Einfluss auf dauerhaft zerstört. Manganknollenfelder entstehen globale Prozesse ist derzeit noch sehr gering. Die in Millionen von Jahren und selbst die Sedimente des renommierte Ozeanforscherin Sylvia Earle schreibt in Tiefseebodens brauchen aufgrund der niedrigen Sedi- ihrem Artikel „Deep Sea Mining: An Invisible Land mentationsrate in der Clarion-Clipperton-Zone Mil- Grab“: lionen von Jahren für den biochemischen Wiederauf- bau von einem Zentimeter. Der Meeresboden würde „Die Rolle des Lebens in der Tiefsee bezüglich des durch die Förderanlagen umgegraben und somit der Kohlendioxidkreislaufes ist kaum verstanden. Der Lebensraum und alle darin vorkommenden Arten ver- Einfluss des mikrobiellen Systems, das erst kürzlich nichtet. Die Folgen der Eingriffe werden dadurch ver- entdeckt wurde, und die vielfältigen Ökosysteme in schärft, dass viele Gemeinschaften des Meeresbodens der Wassersäule und im Meeresboden müssen erst räumlich isoliert sind, viele Arten sehr langsam wach- noch tiefgehend erforscht werden. Wie könnte ein sen und sich stark unterscheiden, wodurch eine Wie- Arzt die internen Funktionen eines Patienten verste- derbesiedlung durch gleiche Artengemeinschaften hen, wenn er nur die Haut eines Patienten sehen oder sehr unwahrscheinlich ist. Es ist davon auszugehen, nur kleine Stichproben des Körperinnern nehmen dass die meisten der verursachten Schäden weiträu- könnte?“ (Earle, 2016) (Übersetzung S. Buhmann) mig und irreversibel sein werden. Dazu kommt, dass sich das reichste Leben in den Gebieten findet, wo Ebenso fehlen vertiefte Erkenntnisse über die Aus- die Manganknollendichte am höchsten ist und die wirkungen einer Rohstoffförderung auf Ökosysteme somit am interessantesten für die Ausbeutung sind. und Lebensgemeinschaften in der Tiefsee. Obwohl sich die für einen Abbau benötigten Technologien Neben den direkten Auswirkungen durch die Entnah- noch in der Entwicklung befinden und somit auch me der Hartsubstrate birgt der Tiefseebergbau auch mögliche Folgen spekulativ sind, kann man bereits viele weitere Gefahren. Es ist zu erwarten, dass gra- von bestehender Ressourcenförderung von Öl, Gas, vierende ökologische Eingriffe mit dem Tiefseeberg- Diamanten und Sand im Meer Rückschlüsse auf die bau und der Förderung des abgebauten Materials ein- Umwelteinflüsse ziehen. Neben chronischen Ölver- hergehen. Dazu gehören langlebige Sedimentwolken schmutzungen entstehen beim Meeresbergbau Trü- in der Wassersäule, der Transfer von nährstoffreichem bungsfahnen und Kraterlandschaften, wodurch es zur Tiefenwasser in höhere Meeresschichten und die Frei- Bildung von sauerstoffarmen „Totwasserbereichen“ setzung von toxischen Stoffen. Sedimentwolken kön- kommen kann. Die Resuspension von Sedimentpar- nen abhängig von Partikelgröße und Strömung auch tikeln in den Trübungsfahnen führt häufig zur Frei- fern des eigentlichen Fördergebiets noch Auswirkun- setzung von Nährstoffen, wodurch der Sauerstoff- gen auf das Leben im Meer nehmen. Korallen, gehalt abnimmt. Darüber hinaus wirken tiefe Schwämme und andere filtrierende Arten in der Tief- Abbaulöcher als Sedimentfallen für Detritus und see würden von Sedimenten bedeckt, könnten sich Pflanzenreste und weisen in ihren tieferen Bereichen nicht mehr ernähren und würden absterben. Ebenso (unterhalb von 7 m im Meeresboden) anoxische würden Hartsubstrate wie zum Beispiel Steine, Bedingungen auf (von Nordheim & Boedeker, 1998). Muschelschalen und Manganknollen bedeckt werden, die für eine Wiederbesiedlung durch Larven benötigt Durch einen geplanten Rohstoffabbau in der Tiefsee werden. Durch eine erhöhte Eintrübung der eupho- würde eine große Anzahl der ältesten und sensibels- tischen Wassersäule kann es zu Änderungen der Pri- ten Ökosysteme der Erde direkt beeinflusst oder gar märproduktion kommen und damit zur Veränderung BUNDposition Tiefseebergbau 17
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 18 ganzer Nahrungsketten. Sedimentwolken können den betroffenen Gebieten führen, wodurch eine der somit auch in oberen Wasserschichten zu einem ver- meist wenigen Einnahmequellen wegbrechen würde. änderten Wanderverhalten von Meeressäugern, Haien Somit erhöht der Tiefseebergbau nicht nur die bereits und Meeresschildkröten führen, oder für sie essen- bestehende Belastung der Meere durch Schifffahrt, tielle Habitate vernichten und deren Fortbestand Klimawandel, Fischerei, Aquakultur und Energiege- gefährden. Durch das Aussterben einer Art können winnung, er hat auch unkalkulierbare Folgen für viele die Funktionen der Ökosysteme so gestört werden, Menschen. dass sie komplett zusammenbrechen. Durch das Zurückpumpen von nährstoffreichem Tief- seewasser in die Wassersäule wären küstennahe Öko- systeme und solche im offenen Meer betroffen. Wie zum Beispiel im Gebiet des Pilotprojektes Solwara 1, das nur 30 km von der Küste von Papua-Neuguinea entfernt ist (solwaramining.org, o.J.). Durch eine erhöhte Nährstoffkonzentration kann es zu Algen- blüten kommen und in deren Folge zu sauerstoffar- men und toxischen Bedingungen, die zu einem Mas- sensterben führen können. Im Prozesswasser können auch Schwermetalle enthalten sein, die die Entwick- lung von Embryos, Larven und Juvenilen der Meeres- lebewesen beeinträchtigen. Schwermetalle lagern sich entlang der Nahrungskette an und werden schlussendlich auch von Menschen konsumiert. Wei- tere Risiken für die Meeresumwelt ergeben sich aus dem Lärm und dem Lichteintrag, der bei der Erkun- dung sowie dem Abbau entsteht und durch eine Zunahme des Schiffsverkehrs und dessen Gefahren wie zum Beispiel Kollisionen und Leckagen. Der Tiefseebergbau hat nicht nur negative Auswir- kungen auf marine Ökosysteme, sondern bedroht auch die Lebensgrundlagen der Bevölkerung in den Anrainergebieten. Dezimierte Fischbestände gefähr- den das Auskommen und die Kultur von Fischern und ganzer Gemeinschaften. Kontaminierte Rückstände, die bei der Aufbereitung der Rohstoffe an Land ent- stehen, können küstennahe Ökosysteme verseuchen und die Gesundheit und Nahrungsgrundlage der Menschen aufs Spiel setzen. Eine zerstörte Umwelt würde ferner zu einem Rückgang des Tourismus in 18 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 19 7 Interessenlage 7.1 Forschung und Industrie how zahlreicher maritimer Forschungsinstitute an Im April 2014 gründete sich die „DeepSea Mining Alli- einer Stelle praxisnah für die Industrie zusammen- ance“ in Hamburg mit vornehmlich Mitgliedern aus fassen und so strategisch in Wettbewerbsvorteile für der Industrie. In ihrem Interesse lag es von Beginn an, den Standort Deutschland umsetzen.“ (Kruse, 2016) eine gemeinsame Plattform für Partner aus Industrie und Forschung zu bieten. Inzwischen sind einige For- In der europäischen Union ist ein möglicher Tiefsee- schungsinstitute beigetreten. Nach eigener Aussage bergbau Teil der Blue Growth Strategie. 2015 unter- sind die Hauptziele der Allianz die Forcierung der Ent- zeichneten die französische und die deutsche Regie- wicklung von Tiefseebergbau-Projekten in Deutsch- rung sowie Industriepartner aus Frankreich und land und international, die Unterstützung von Inno- Deutschland ein „Memorandum of Understanding“ vations-, Forschungs- und Entwicklungsprojekten, zur weiteren Zusammenarbeit im Tiefseebergbau. Oft eine enge Zusammenarbeit mit führenden For- werden Probleme beim terrestrischen Bergbau als schungsinstituten unter besonderer Berücksichtigung Argument für den Tiefseebergbau angebracht. Neben aller umweltrelevanten Aspekte und die Erstellung abnehmender Effizienz und darum einem steigenden einer „Strategie-Roadmap“ mit dem vorläufigen Ziel- Anteil von Abraum könnte die stärker werdende Sen- punkt der Durchführung eines „Pilot-Mining-Tests“ sibilität der Verbraucher*innen hinsichtlich der Her- (DeepSea Mining Alliance, 2018). Die europäische stellungsbedingungen mineralischer Rohstoffe den Wissenschaft ist stark in die Erkundung der lizensier- Tiefseebergbau als Alternative erscheinen lassen. Es ten Gebiete eingebunden. Einerseits wird dadurch ist zu befürchten, dass die Industrie wünschenswerte wichtiges Grundlagenwissen über die Tiefsee gewon- Zertifizierungen sozialer und ökologischer Standards nen und andererseits wird so ein großer Teil der Vor- im terrestrischen Bergbau aus ökonomischen Grün- arbeit für einen möglichen Abbau durch öffentliche den ablehnt und den Tiefseebergbau als Alternative Gelder finanziert. Seit 2011 läuft das „Deep Sea Mine- dazu propagiert. Bei den primären Metallrohstoffen rals Project”, welches eine Zusammenarbeit zwischen ist Deutschland fast vollkommen importabhängig. der Pacific Community (SPC) und der Europäischen Von daher spielen neben ökonomischen Interessen Union ist. In dem Projekt geht es um die Gesetzge- sicherlich strategische Überlegungen eine große Rolle, bung und das Management bezüglich mineralischer wenn es darum geht, den Tiefseebergbau voranzu- Ressourcen in den ausschließlichen Wirtschaftszonen treiben. der pazifischen Mitgliedstaaten. Das „Deep Sea Mine- rals Project“ hat 15 pazifische Inselstaaten als Mit- Neben den wirtschaftlichen gibt es auch andere Moti- glieder: die Cook Islands, Mikronesien, Fidschi, Kiribati, ve, in der Tiefsee nach wertvollen Metallen zu suchen. Marshall Islands, Nauru, Niue, Palau, Papua New Gui- Der Geologe Dr. Sven Petersen wird dazu folgender- nea, Samoa, Solomon Islands, Timor Leste, Tonga, maßen in einem Artikel erwähnt: „Die Länder haben Tuvalu und Vanuatu. eventuell ein geostrategisches und kein wirtschaft- liches Interesse, sagt Petersen. Sie könnten auf diese Im November 2016 wurde die Finanzierung eines Weise versuchen, die Rohstoffzufuhr für die heimi- Deutschen Maritimen Zentrums (DMZ) in Hamburg sche Industrie zu sichern, ohne sich von anderen Län- beschlossen. In der Pressemitteilung der CDU/CSU dern abhängig zu machen. Für eine Tiefseebergbau- Fraktion im Bundestag heißt es: „Für die erste Phase lizenz muss eine Regierung nämlich nicht mit einer werden über 3 Jahre insgesamt 9 Mio. € bereitge- anderen Regierung, sondern mit einer UN-Behörde stellt. Die Einrichtung soll das erstklassige Know- verhandeln“. (Pluta, 2016) BUNDposition Tiefseebergbau 19
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 20 Bild 7 und 8: Fischer in Papua Neuguinea (© Jonathan Mesulam) Die deutsche Tiefseebergbau Lobby nennt oft das welche zu 15 Prozent an dem Projekt beteiligt ist, die Argument, dass sie diejenigen seien, die den Tiefsee- Expertise besitzt, um die adäquate und unabhängige bergbau auf die sauberste Weise durchführen würden Aufsicht über das Unternehmen zu führen (Gramling, im Gegensatz zu asiatischen Unternehmen. Einerseits 2014). kann man dieses hinterfragen, wenn man Umwelt- skandale deutscher Unternehmen im Ausland in Deutsche Hilfswerke wie Brot für die Welt und Mise- Betracht zieht. Andererseits wird ein deutscher oder reor unterstützen die Menschen vor Ort im Umgang europäischer Tiefseebergbau den asiatischen nicht mit den Tiefseebergbauvorhaben in der Region und verhindern, sondern müsste mit ihm ökonomisch kon- arbeiten auch in Deutschland zu dem Thema. In den kurrieren, was auf Kosten der ökologischen Standards pazifischen Staaten sind die Erinnerungen an die gehen könnte. Die Weltbank sieht den Tiefseebergbau Atomtests der fünfziger und sechziger Jahre des letz- als einen Fokus für die ökonomische Entwicklung der ten Jahrhunderts noch sehr präsent und viele jeweiligen Regionen. Menschen fühlen sich durch die drohenden Tiefsee- bergbauaktivitäten erneut dem globalen Norden gegenüber ausgeliefert. Neben der wirtschaftlichen 7.2 Zivilgesellschaft Notwendigkeit eines gesunden marinen Lebensrau- Es gibt eine starke Widerstandsbewegung in Papua mes für die Ernährung durch Fischerei und für den Neuguinea und anderen Pazifikstaaten, die versucht, Tourismus hat das Meer in vielen pazifischen Ländern den marinen Lebensraum vor den Bergbauvorhaben auch eine große spirituelle Bedeutung. „Der pazifi- zu bewahren. Die Kritiker werden auch von Seiten der sche Blick auf die Welt trennt nicht zwischen Land Wissenschaft unterstützt. Die Ozeanografin Cindy Van und Meer. Ozeanien wird als ein flüssiger Kontinent Dover, die an Vorstudien in Papua Neuguinea beteiligt betrachtet“, sagt Francisco Marí, Referent für Agrar- war, sagt, dass es unmöglich ist, die Folgen voraus- handel und Fischerei bei Brot für die Welt. Zudem zusagen. Außerdem bezweifelt sie, dass die Regierung, haben die Menschen in Ländern wie Papua Neuguinea 20 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 21 in der jüngeren Vergangenheit sehr schlechte Erfah- rungen mit dem Landbergbau und der einhergehen- den ökologischen Zerstörung sowie mit Korruption in den Regierungen gemacht. Es ist zu befürchten, dass durch die Aktivitäten in For- schung und Entwicklung sowohl in Deutschland als auch europaweit eine Infrastruktur geschaffen wird, die die Weichen in Richtung des Tiefseebergbaus stellt, ohne dass eine öffentliche Abwägung und Ent- scheidungsfindung hinsichtlich der Risiken und des Nutzens stattgefunden hat. Die Meeresschutzorga- nisation Seas At Risk schrieb in einer Stellungnahme zum Entwurfs der Abbauregulierungen der IMB: „Es besteht ein konkretes Risiko, dass es sehr schwierig wird angesichts der Investitionen, die in die Techno- logieentwicklung und die Erkundung geflossen sind, den Prozess zu revidieren sobald die Industrie mit dem Abbau beginnt.“ (Seas At Risk, 2016, S. 4) (Über- setzung S. Buhmann) Insgesamt setzt sich der BUND mit anderen Umwelt- und Sozialverbände für mehr Öffentlichkeit und Transparenz bei dem Thema ein und fordert ein Einstellen der Aktivitäten in Richtung Tiefseebergbau5 (AG Tiefseebergbau, 2018). Sylvia Earle schreibt in „Deep Sea Mining: An Invisible Land Grab”: „Wir brauchen Technologien um die Tief- see zu erreichen, damit unabhängige Forschung durchgeführt werden kann und die Natur des größten Lebensraums der Erde zu verstehen. Am allerwich- tigsten aber ist, dass wir unsere Einstellungen, Tra- ditionen und Politiken über die Natur hinterfragen, die uns dazu gebracht haben, die Güter zu verbren- nen als wenn es kein Morgen gäbe. Das „als wenn es kein Morgen gäbe“ kann Realität werden oder nicht, abhängig davon was wir tun. Oder was wir verfehlen zu tun. Noch ist Zeit eine Wahl zu treffen.“ (Earle, 5 Die AG Tiefseebergbau setzt 2016: Übersetzung S.Buhmann). sich aus Mitgliedsorganisatio- nen der AG Meere im Forum Umwelt und Entwicklung sowie dem AK Rohstoffe zusammen. BUNDposition Tiefseebergbau 21
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