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  67                                             Tiefseebergbau
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          Inhalt

               Zusammenfassung                                                                    3

            1 Einleitung                                                                          4

            2 Die Tiefsee                                                                         5
               2.1 Biotope der Tiefsee                                                            5
                   2.1.1 Sensitivität gegenüber Störungen (Risiken)                               6
               2.2 Minerale der Tiefsee                                                           7
                   2.2.1 Manganknollen                                                            7
                   2.2.2 Polymetallische Krusten                                                  9
                   2.2.3 Massivsulfide                                                            9

            3 Mineralische Rohstoffe                                                            10
               3.1 Einsatz der Rohstoffe                                                        11
               3.2 Gewinnung der Rohstoffe                                                      12

            4 Rechtsrahmen                                                                      13

            5 Der geplante Abbau                                                                16

            6 Risiken                                                                           17

            7 Interessenlage                                                                    19
               7.1 Forschung und Industrie                                                      19
               7.2 Zivilgesellschaft                                                            20

            8 Alternativen                                                                      22

            9 Fazit                                                                             24

          10 BUND-Forderungen                                                                   26

          11 Quellen                                                                            27

          Danksagung
          Wir danken folgenden Personen für die Bereitstellung der Bilder und Abbildungen:
          Titelfoto: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Kiel · Bild 1 und 2: Prof. Dr. Antje Boetius; Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeres-
          forschung, Bremerhaven · Bild 3: Dr. Volker Ratmeyer; MARUM − Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen · Bild 4: Prof. Dr. Wolfgang Bach; MARUM
          − Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen · Bild 5: Jan Steffen; GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Kiel · Bild 6: Björn Völlmar; Bun-
          desanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover · Bild 7 und 8: Jonathan Mesulam · Abbildung 1: Jan Lehmköster; maribus gGmbH, Hamburg · Abbildung 2:
          Bernhard Mergenschröer; VISUELL – Büro für visuelle Kommunikation, Aachen · Abbildung 3: Jan Lehmköster; maribus gGmbH, Hamburg

               2 BUNDposition Tiefseebergbau
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                                    Zusammenfassung

                                    Die Tiefsee gehört zu den letzten vom Menschen           tige Entwicklung (Sustainable Development Goals)
                                    weitgehend unberührten und unerforschten Ökosys-         ergibt sich, dass ein genereller Stopp aller Tiefseeberg-
                                    temen der Erde. Doch mit der weltweit steigenden         bauaktivitäten zwingend notwendig ist. Der BUND
                                    Suche nach neuen Rohstoffquellen rücken die mine-        fordert daher die Bundesregierung auf, im europäi-
                                    ralischen Rohstoffe der Tiefsee in Manganknollen,        schen und internationalen Kontext die Anstrengun-
                                    polymetallischen Krusten und Massivsulfiden zuneh-       gen zum Schutz der Meere und Ozeane deutlich zu
                                    mend in den Fokus. Aktuell sind zahlreiche Explora-      verstärken. Hierzu zählen:
                                    tions- und Forschungsprojekte zum Einstieg in den
                                    Tiefseebergbau in Planung.                               • Alle Vorhaben und politischen Initiativen zum
                                                                                               Abbau mineralischer Ressourcen in der Tiefsee zu
                                    Ohne Wissen über diese Ökosysteme sowie über ihre          stoppen. Dies umfasst die sofortige Beendigung
                                    Bedeutung für globale Prozesse ist die Rohstoffförde-      der wirtschaftlichen Förderpolitik des Tiefseeberg-
                                    rung in der Tiefsee nicht zu verantworten. Der Tief-       baus.
                                    seebergbau birgt enorme ökologische Risiken, da eine
                                    große Anzahl der ältesten und sensibelsten Ökosyste-     • Sich stärker als bisher für die Ausweisung von
                                    me der Erde negativ beeinflusst oder dauerhaft             Meeresschutzgebieten mit effektiven Manage-
                                    zerstört werden würde.                                     mentstrategien und Nullnutzungszonen auf Basis
                                                                                               transparenter und partizipativer Verfahren ein-
                                    Der ungehemmte Verbrauch endlicher Ressourcen und          zusetzen, statt den Tiefseebergbau zu fördern.
                                    ein steigender Bedarf an primären mineralischen Roh-
                                    stoffen sind nicht zukunftsfähig. Der Tiefseebergbau     • Das Vorsorgeprinzip bei allen meeresbezogenen
                                    ist angesichts der ökologischen Risiken und sozialen       Aktivitäten konsequent zu beachtet.
                                    Probleme keine vertretbare Lösung. Wenn wir eine
                                    nachhaltige Gesellschaft gestalten wollen, um der        • Den Ausbau unabhängiger Meeresforschung hin-
                                    Erde und kommenden Generationen eine Zukunft zu            sichtlich Erhalt und Schutz der marinen Umwelt
                                    ermöglichen, muss der Verbrauch mineralischer Res-         zu fördern und die Ergebnisse öffentlich zugäng-
                                    sourcen massiv eingeschränkt werden. Der verblei-          lich zu machen.
                                    bende Bedarf primärer Rohstoffe kann und muss
                                    durch eine Kreislaufwirtschaft, welche Recycling und     • Die deutschen Erkundungslizenzen ruhen zu las-
                                    Urban Mining einschließt, Laufzeitverlängerung von         sen und keine Abbaulizenzen zu beantragen.
                                    Geräten, Reparaturfreundlichkeit, Shared Economy-
                                    Konzepte und Substitution reduziert werden. Diese        Der BUND fordert von der Bundesregierung den Ein-
                                    Alternativen sind mit sehr viel geringeren ökologi-      stieg in eine nachhaltige Rohstoff- und Ressourcen-
                                    schen Kosten verbunden. Sowohl der Import primärer       wirtschaft anstelle der Förderung des Tiefseeberg-
                                    terrestrischer Mineralien, die unter den derzeit herr-   baus.
                                    schenden fatalen Bedingungen produziert werden, als
                                    auch ein möglicher Tiefseebergbau stellen eine Exter-
                                    nalisierung der ökologischen und sozialen Folgen
                                    unseres Konsums und Energiebedarfs dar.

                                    Daraus und vor dem Hintergrund der auch von
                                    Deutschland umzusetzenden UN-Ziele für nachhal-

                                                                                                                     BUNDposition Tiefseebergbau   3
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          1        Einleitung

          Die Tiefsee ist neben der Antarktis eine der letzten     dertechnik (Blue Mining, Blue Nodules) sowie durch
          wahren und großen Wildnisse unseres Planeten. Die        national geförderte Projekte aktiv an der Entwicklung
          Lebensräume, ihre Bewohner und die Wechselwir-           dieses Industriezweiges beteiligt. Diese Vorhaben sind
          kungen in den Ökosystemen sind weitgehend unbe-          einer breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbe-
          kannt. Die Zahl der unerforschten Tiefseearten wird      kannt.
          auf einige Millionen geschätzt.
                                                                   Der Tiefseebergbau birgt gewaltige ökologische Risi-
          Auf dem Grund der Ozeane lagern große Mengen an          ken, die bisher weder hinreichend erforscht und ver-
          mineralischen Rohstoffen. Mangan, Kupfer, Silber,        standen sind noch die notwendige Beachtung bei den
          Gold und seltene Erden sind in verschiedenen geolo-      geplanten Aktivitäten zur Förderung von Rohstoffen
          gischen Formen gebunden und finden sich auf und          aus der Tiefsee finden.
          im Meeresgrund in ausgedehnten Regionen. Mehrere
          Staaten planen daher Vorhaben zur Erschließung der       Im Folgenden stellen wir die Lagerstätten und ihre
          Tiefsee als Rohstoffquelle. Bisher findet der Abbau      Umgebung vor und erläutern die Gewinnung und
          mineralischer Rohstoffe dort nicht statt, doch es wur-   Verwendung mineralischer Rohstoffe. Die aktuellen
          den bereits Lizenzen zur Erkundung des Tiefseebodens     Aktivitäten zum Tiefseebergbau und die damit ver-
          für Gebiete erteilt, die zusammen der Größe Europas      bundenen möglichen Folgen werden dargestellt und
          entsprechen.                                             Alternativen aufgezeigt.

          Aufgrund der technologischen Entwicklungen und
          der damit verbundenen verbesserten Erschließungs-
          möglichkeiten haben sich auch die Aktivitäten
          Deutschlands und der EU in Richtung Tiefseebergbau
          in den letzten Jahren verstärkt. Der Tiefseebergbau
          ist Teil der europäischen „Blue Growth Strategy“ und
          auch auf nationaler Ebene spielen strategische Inte-
          ressen eine Rolle.

          Im Auftrag der Bundesregierung führt die Bundes-
          anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)
          Erkundungen zu marinen mineralischen Rohstoffen
          in den zwei deutschen Lizenzgebieten im Pazifik und
          Indischen Ozean durch. Für die Erschließung von Roh-
          stoffressourcen auf eigenen marinen Claims wird
          argumentiert, dass die Importabhängigkeit Deutsch-
          lands reduziert werden soll.

          Darüber hinaus ist Deutschland Partner in mehreren
          europäisch geförderten Forschungsprojekten mit dem
          Ziel der Erforschung der ökologischen Folgen des
          Tiefseebergbaus (u. a. MIDAS, JPI-Oceans „MiningIm-
          pact“) und ist an Projekten zur Entwicklung von För-

              4 BUNDposition Tiefseebergbau
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                                    2         Die Tiefsee

                                    Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffes Tief-   2.1 Biotope der Tiefsee
                                    see. Im Allgemeinen wird der Bereich ab einer Meeres-       In der Tiefsee gibt es kein Licht, es herrschen fast über-
                                    tiefe von 200 bis 800 Metern als Tiefsee bezeichnet.        all niedrige Temperaturen von -1 bis +4 Grad Celsius
                                    Die Tiefsee ist der größte Lebensraum unseres Plane-        und ein immenser Druck. Bei einer Wassertiefe von
                                    ten und umfasst mehr als 70 Prozent des globalen            1.000 Metern ist der Druck hundertmal so hoch wie
                                    Ozeanvolumens. Die in einer Meerestiefe von 1.000           an der Oberfläche. Hier lebt eine sehr spezialisierte
                                    Metern und mehr liegenden Bereiche entsprechen              Tierwelt. In tausenden Metern Tiefe kommen beispiels-
                                    etwa 62 Prozent der gesamten Erdoberfläche. Es wird         weise Korallen, Seesterne, Oktopusse und Schwämme
                                    geschätzt, dass der Tiefseeboden fast 80 Prozent der        vor. Beim Abbau von Tiefseeressourcen würden auch
                                    gesamten Biomasse der marinen Bodenzone enthält             Habitate zerstört, inklusive der daran angepassten
                                    (Thurber et al., 2014).                                     Arten. Da die Lebensgemeinschaften der Tiefsee bisher
                                                                                                nicht anthropogenen Störungen ausgesetzt sind, weiß
                                    Die Geschichte der Tiefseeforschung ist relativ jung,       man nicht, ob sie diese kompensieren können und es
                                    da die herrschenden extremen Bedingungen enorme             ist unbekannt, ob sie sich regenerieren (Boetius, 2015;
                                    technische und logistische Anforderungen mit sich           Boetius & Haeckel, 2018).
                                    bringen. Bis heute wurden weltweit deutlich weniger
                                    als 1 Prozent des Meeresbodens unter 1.000 Meter            Manganknollenfelder: Ein neu entdeckter Tiefsee-
                                    Wassertiefe erforscht (Heinrich-Böll-Stiftung, 2017).       krake laicht nur an Schwämmen, die auf Mangan-
                                    Die Tiefseeforschung steht bei der Erkundung der            knollen vorkommen. Es ist wahrscheinlich, dass die
                                    komplexen Ökosysteme noch ganz am Anfang.                   Brutzeit über Jahre dauert (Purser et al., 2016).

          Bild 1 und Bild 2: Tiefseekrake Cirrate Octopus, „Caspar“ (links: © GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, JPIO SO242-
          2; rechts: © Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven, JPIO SO242-2)

                                                                                                                        BUNDposition Tiefseebergbau   5
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            Legende
               Manganknollen         Hohe See
               Massivsulfide         Ausschließliche Wirtschaftszone
              Kobaldkrusten          Deutsche Explorationslizenz

            Quelle: ISA 2014, Maribus 2014
            Darstellung: A. Müller, 2015

          Abbildung 1: Globale Verteilung mariner mineralischer Rohstoffe (© maribus gGmbH, 2014)

          Seeberge (Seamounts): Auf Seebergen finden sich              unterschiedlich und viele Arten sind selten oder gar
          Kaltwasserkorallen, die bis zu tausend Jahre alt wer-        einzigartig. Dabei sind sie oft wenig mobil. Die Arten,
          den können. Aufgrund eines großen Nahrungsange-              die auf sehr spezielle Umgebungsbedingungen ange-
          botes kommen auch Haie oder Thunfische an Seeber-            wiesen sind, brauchen für ihre Verbreitung ein Netz
          gen zum Teil in großer Zahl vor – so beispielsweise          von Lebensräumen.
          im Südwestpazifik (maribus gGmbH, 2014).
                                                                       Ein Abbau mineralischer Ressourcen reißt Lücken in
          Hydrothermalquellen (Schwarze Raucher): Auch                 dieses Habitatnetz und könnte damit zum Aussterben
          Hydrothermalquellen bilden die Grundlage für Oasen           seltener Arten führen. In der Tiefsee läuft die Zeit
          der Tiefsee, da sich hier vielfältiges Leben in einzig-      vollkommen anders als an Land. Äußerst langsame
          artigen Ökosystemen findet. Garnelen, Schnecken              Wachstums- und Regenerationsprozesse bestimmen
          und Krebse leben in ausgeklügelten Symbiosen mit             den Lebensraum. Die Sedimentationsrate1 liegt in der
          Bakterien, die statt Sonnenlicht und pflanzlicher Pro-       Tiefsee unter 1 Millimeter in tausend Jahren, im Watt
          duktion chemische Prozesse als Energiequelle nut-            sind es im gleichen Zeitraum 2 bis 3 Meter. Somit sind
          zen.                                                         die Folgen von Eingriffen noch lange spürbar. Die
                                                                       Organismen produzieren nur wenige Nachkommen.
          2.1.1 Sensitivität gegenüber Störungen (Risiken)             Dadurch sind sie besonders sensibel und gefährdet.
          Die Biodiversität der Tiefsee ist besonders empfindlich,     Sterben die Elterntiere, kann sich der Bestand kaum       1 Die Sedimentationsrate
                                                                                                                                 bezeichnet die Geschwindigkeit
          da hier oft einer geringen Anzahl von Individuen eine        erholen (maribus gGmbH, 2014). Auch aufgrund der          der Ablagerung von Einträgen
          große Artenvielfalt gegenübersteht. Jedes Habitat ist        langsamen Regenerationsprozesse ist der Lebensraum        aus der Wassersäule.

               6 BUNDposition Tiefseebergbau
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                                    anthropogenen Eingriffen gegenüber sehr verletzlich.         Seltene Erden
                                    1989 pflügten deutsche Forscher im Pazifik 10 km²            Metalle der Seltenen Erden werden heute in der
                                    Meeresboden versuchsweise um. Sie wollten unter-             Herstellung vieler Konsumgüter (z. B. Computer,
                                    suchen, was Tiefseebergbau in diesen fragilen Lebens-        LCD-Bildschirme und Digitalkameras) und in
                                    gemeinschaften anrichtet. 26 Jahre später war bei            Windkraftanlagen, Elektroautos und Energie-
                                    einer Expedition im selben Gebiet zu erkennen, dass          sparlampen eingesetzt. Die verwendete Bezeich-
                                    sich das umgepflügte Gebiet nicht erholt hatte und           nung Seltene Erden ist missverständlich. Der
                                    mit dem ursprünglichen Ökosystem nicht mehr zu               Name stammt aus der Zeit der Entdeckung dieser
                                    vergleichen war (Schrader, 2016).                            Elemente und beruht auf der Tatsache, dass sie
                                                                                                 zuerst in seltenen Mineralien gefunden wurden
                                    Die Auswirkungen eines industriellen Tiefseebergbaus         und nicht darauf, dass sie selten vorkommen.
                                    wären somit um ein Vielfaches verheerender als dieser        Thulium, das seltenste stabile Element der Metal-
                                    vergleichsweise kleine Eingriff zu Forschungszwecken.        le der Seltenen Erden, ist immer noch häufiger
                                    Berechnungen zufolge müssten pro Unternehmung                vorhanden als Gold oder Platin. Da die Metalle
                                    jährlich 3 Millionen Tonnen Manganknollen gefördert          nur in sehr kleinen Mengen in verstreuten Mine-
                                    werden damit sie wirtschaftlich wäre. Je nach Knol-          ralien vorkommen erfolgt die Gewinnung meist
                                    lenzahl und -größe pro Fläche kommt diese Menge in           als Nebenprodukt durch die chemische Aufbe-
                                    einem Gebiet von ungefähr 425 km² vor (Madureira             reitung bei der Gewinnung anderer, stärker kon-
                                    et al., 2016). Rechnet man mit geringen Verlusten bei        zentriert vorliegender Metalle aus deren Erzen
                                    dem Abbau der Knollen, so würde jeder einzelne               (Wikipedia, 2018).
                                    Lizenznehmer in jahrzehntelangen Abbauunterneh-
                                    mungen pro Woche mindestens ein Gebiet von der
                                    Größe des beschriebenen Testgebietes zerstören.            2.2.1 Manganknollen
                                                                                               Manganknollen sind kartoffelähnliche Klumpen, die
                                                                                               bis zu 27 Prozent aus dem Metall Mangan bestehen.
                                    2.2 Minerale der Tiefsee                                   Sie wachsen um etwa 5 Millimeter in einer Million
                                    Mineralische Rohstoffe kommen in der Tiefsee in ver-       Jahren und sind in Tiefen zwischen 4.000 und 6.000
                                    schiedenen Formen vor. Sie sind in Manganknollen,          Metern auf dem Meeresboden zu finden. Andere Ele-
                                    polymetallischen Krusten (Kobaltkrusten) und Massiv-       mente wie Kupfer, Kobalt, Zink und Nickel sind mit
                                    sulfiden gebunden (s. Abbildung 1).                        0,2 bis 1 Prozent enthalten, der Eisenanteil liegt bei
                                                                                               15 Prozent. Sie kommen in vielen Meeresgebieten vor,
                                    Die Vorkommen sind in sehr langsamen Wachstums-            die Größe und Anzahl der vorgefundenen Knollen
                                    prozessen von bis zu 30 Millionen Jahren entstanden.       variiert dabei stark (maribus gGmbH, 2014). Eine
                                    So unterschiedlich die Vorkommen sind, so unter-           industrielle Gewinnung der Rohstoffe aus Mangan-
                                    schiedlich ist auch die Fauna, die dort angesiedelt ist.   knollen durch Verhüttung findet derzeit aus techni-
                                    Auf Massivsulfiden finden sich vollkommen andere           schen und wirtschaftlichen Gründen nicht statt. Das
                                    marine Lebensgemeinschaften als auf Manganknol-            weltweit größte bekannte Knollengebiet ist die
                                    lenfeldern oder polymetallischen Krusten.                  Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) im Pazifik mit einer
                                                                                               Größe von 9 Millionen Quadratkilometern. Wie die
                                                                                               meisten Manganknollenvorkommen liegt sie in den
                                                                                               internationalen Gewässern der hohen See.

                                                                                                                      BUNDposition Tiefseebergbau   7
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                                                                                      Raucher (© MARUM −
                                                                                      Zentrum für Marine
                                                                                      Umweltwissenschaften,
                                                                                      Universität Bremen)

                                                                                      Bild 4:
                                                                                      Lebensgemeinschaft an
                                                                                      Hydrothermalquelle
                                                                                      (© MARUM − Zentrum
                                                                                      für Marine Umwelt-
                                                                                      wissenschaften,
                                                                                      Universität Bremen)

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                                    2.2.2 Polymetallische Krusten                            Meer strömt. Viele chemische Elemente sind in
                                    Polymetallische Krusten, auch Kobaltkrusten genannt,     Massivsulfiden oft nur in geringen Mengen enthalten,
                                    sind harte, metallhaltige Schichten des Meeresbodens.    dafür finden sich teilweise Gold- und Silber-
                                    Sie bilden sich auf den Felshängen von untermeeri-       konzentrationen, welche die Konzentration in Land-
                                    schen Vulkanen, so genannten Seebergen. Diese Krus-      vorkommen übertreffen (maribus gGmbH, 2014).
                                    ten entstehen ähnlich wie Manganknollen, indem sich
                                    im Laufe von Jahrmillionen Metallverbindungen aus        Hydrothermalquellen entstehen dadurch, dass durch
                                    dem Wasser auf dem Gestein ablagern. Expert*innen        Spalten am Meeresboden Meerwasser bis zu mehrere
                                    schätzen, dass es weltweit mindestens 33.000 Seeber-     Tausend Meter tief in den Untergrund eindringt. Das
                                    ge gibt. Die genaue Zahl ist nicht bekannt und           Meerwasser wird in der Tiefe durch vulkanische Akti-
                                    erst wenige Seeberge wurden genauer untersucht           vität auf bis zu rund 400 Grad Celsius aufgeheizt und
                                    (maribus gGmbH, 2014). Im Unterschied zu den Man-        löst Metalle und Schwefel aus dem umgebenden Vul-
                                    ganknollen, die auf dem Meeresgrund liegen, sind         kangestein bis es durch die Quellen wieder ins Meer
                                    polymetallische Krusten fest mit dem Untergrund ver-     strömt (maribus gGmbH, 2014). Dort entstehen dann
                                    bunden und müssten für einen Abbau abgespalten           durch Ausfällungen schwefelhaltige Erze, so genannte
                                    werden.                                                  Massivsulfide, wobei sich oft schornsteinartige Struk-
                                                                                             turen bilden. Diese werden schwarze Raucher
                                    Die meisten bisher bekannten ergiebigen Krustenvor-      genannt, da das austretende Wasser durch die Mine-
                                    kommen liegen nicht in internationalen Gewässern,        ralien meist schwarz gefärbt ist.
                                    sondern in den Hoheitsgebieten von Anrainerstaa-
                                    ten.                                                     Hydrothermalfelder finden sich sowohl in internatio-
                                                                                             nalen Gewässern als auch in Hoheitsgewässern von
                                    2.2.3 Massivsulfide                                      Anrainerstaaten. Forscher schätzen, dass es weltweit
                                    Massivsulfide entstehen an heißen ozeanischen Quel-      rund 90.000 Hydrothermalquellen geben könnte. Ver-
                                    len, aus denen mit Sulfiden angereichertes, bis zu 400   mutlich enthalten aber nicht alle wertvolle Metalle
                                    Grad Celsius warmes Wasser aus dem Untergrund ins        (maribus gGmbH, 2014).

                                                                                                                                          Manganknolle Pazifik
                                                                                                                                          4.400 m Wassertiefe

          Bild 5: Seestern in einem Manganknollenfeld (© ROV-Team; GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel)
          Bild 6: Eine durchgeschnittene Manganknolle (© Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe)

                                                                                                                    BUNDposition Tiefseebergbau   9
Tiefseebergbau - Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:36 Seite 1 - Bund für Umwelt und Naturschutz ...
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 10

          3          Mineralische Rohstoffe

          Die folgende Abbildung 2 zeigt die globalen terres-            größten abbauenden Staaten jährlich zusammen
          trischen Rohstoffvorkommen im Vergleich mit aus-               genommen etwa 0,1 Prozent der globalen wirtschaft-
          gewählten marinen Vorkommen. Diese dürfen dabei                lich abbaubaren Ressourcen (US Geological Survey,
          nicht als Reserven eingeordnet werden, da sie noch             2013, 2015, 2017b). Die globale Fördermenge an
          nicht technisch-wirtschaftlich gefördert werden kön-           Kobalt, welches u. a. für die Produktion von Lithium-
          nen. Sie sind als Ressourcen einzustufen.                      Ionen Akkus verwendet wird, betrug 2016 1,8 Prozent
                                                                         der Reserven (US Geological Survey, 2017a). So kann
          Die Abbildung 2 zeigt, dass die terrestrischen Reser-          der globale Rohstoffhunger an seltenen Erden und
          ven, also die momentan wirtschaftlich abbaubaren               anderen Mineralien noch auf lange Sicht durch ter-
          Ressourcen, noch sehr groß sind. Zum Beispiel belau-           restrische Vorkommen gedeckt werden, selbst wenn
          fen sich die globalen Reserven an seltenen Erden auf           er nicht durch ökonomische und technologische
          110 Millionen Tonnen. Seit 2011 förderten die sieben           Innovationen eingedämmt werden sollte. Die Gewin-

          Metallgehalte in Millionen Tonnen (Manganknollen und Kobaltkrusten)

           Globale
           Landreserven *

           Globale Reserven
           und Ressourcen
           an Land **

           Manganknollen
           in der CCZ

            Kobaltkrusten im
            Westpazifik

                                               Mangan           Kupfer          Titan            Nickel            Kobalt             Seltenerdeoxide

             * Reserven sind Vorkommen, die nachgewiesen und nach dem heutigen Stand der Technik wirtschaftlich abbaubar sind.
           ** Ressourcen sind Vorkommen, die noch nicht sicher ausgewiesen sind oder gegenwärtig noch nicht technisch-wirtschaftlich gefördert werden können.

                                                                                Quelle: Maribus gGmbH 2014 (Hrsg.), Seite 67 und 75, Grafische Darstellung: VISUELL, Aachen

          Abbildung 2: Vergleich terrestrischer und ausgewählter mariner Rohstoffvorkommen (© Misereor)

              10 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 11

                                             nung ist oft mit einer geringen Effizienz und großen        Heizkörpern oder Waschmaschinen (s. Tabelle 1). Sie
                                             Abraummengen verbunden. Eine Reduzierung des                werden vor allem in der Industrie, in der Produktion
                                             Bedarfs ist notwendig, da der terrestrische Bergbau         von Konsumelektronik, im Sektor der erneuerbaren
                                             immense negative ökologische Auswirkungen hat und           Energien und der elektrifizierten Mobilität verwendet.
                                             die Folgen eines marinen Bergbaus noch nicht einmal         Momentan wird durch die globale ökonomische Ent-
                                             abschätzbar sind.                                           wicklung, dem momentanen Stand der Technik, der
                                                                                                         ansteigenden Nachfrage bei Konsumelektronik und
                                             3.1 Einsatz der Rohstoffe                                   durch den industriellen Wandel (Industrie 4.0 und so
                                             Mineralische Rohstoffe, insbesondere seltene Erden,         genanntes Green Growth) ein großer Bedarf an
                                             finden sich unter anderem in Smartphones, Laptops,          Metallen in Zukunftstechnologien2 prognostiziert.
                                             Displays, LEDs, Windkraftanlagen, Solarzellen, Elek-        Zukunftsstrategien wie die Verzahnung industrieller
                                             troautos, Akkus und seit neuestem auch in vernetzten        Produktion mit moderner Informations- und Kom-

                                             Element                    Verwendung                                                        Vorkommen

                                             Cadmium (Cd)               Akkus, Solarzellen                                                MS
                                             Eisen (Fe)                 Stahl, Industriemagnete                                           MK, PK
                                             Gallium (Ga)               LEDs, Solarzellen                                                 MS
                                             Germanium (Ge)             Smartphones, Solarzellen                                          MS
                                             Gold (Au)                  Wertanlage, Schmuck, Elektroindustrie                             MS
                                             Indium (In)                Displays, Legierungen, Fotovoltaik                                MS
                                             Kobalt (Co)                verschleiß- und wärmefeste Stähle                                 MK, PK
                                             Kupfer (Cu)                Stromkabel, Elektromotoren, Baugewerbe, Windkraftanlagen          MK, MS
                                             Lithium (Li)               Akkus, Luft- und Raumfahrttechnik                                 MK
                                             Mangan (Mn)                rostfreie Stähle, LEDs                                            MK, PK
                                             Molybdän (Mo)              Stahl                                                             MK
                                             Nickel (Ni)                Korrosionsschutz, rostfreie Stähle                                MK, PK
                                             Platin (Pt)                Abgaskatalysatoren, Schmuck, Metallbeschichtungen                 PK, MS
                                             Selen (Se)                 Halbleiter- und Stahlherstellung, Düngemittel                     MS
                                             Seltenerdmetalle           Dauermagnete, Akkus, LEDs, Windkraftanlagen                       MK, PK
                                             Silber (Ag)                Wertanlage, Schmuck, chem. Industrie (Katalysator)                MS
                                             Tellur (Te)                Rostfreie Stähle, Halbleiter, Fotodioden                          PK, MS
          2 „Technologie, von der man
                                             Zinn (Sn)                  Bronzebestandteil, LEDs, Displays                                 MK, MS
          annimmt, dass sie die Zukunft
          maßgeblich bestimmen wird“;
          abgerufen am 25.1.17 von
          http://de.thefreedictionary.com/
                                             Tabelle 1: Verwendung von mineralischen Rohstoffen und Art der marinen Lagerstätten: Manganknollen
          Zukunftstechnologien               (MK), polymetallische Krusten (PK), Massivsulfide (MS) (Daten u. a. aus maribus gGmbH, 2014)

                                                                                                                                BUNDposition Tiefseebergbau   11
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 12

          munikationstechnik sowie der Energiewandel zur          begrenzten Welt“ davor, dass der Explorationsdruck
          Dekarbonisierung aller Wirtschafts- und Lebens-         in ökologisch sensiblen Regionen steigt (Sachverstän-
          bereiche führt bei dem derzeitigen Umgang mit den       digenrat für Umweltfragen, 2012). Dazu gehört mit
          Ressourcen zu einer wachsenden Nachfrage nach           der Tiefsee ein großer, bisher relativ unberührter Teil
          mineralischen Rohstoffen und seltenen Erden.            unseres Planeten.

                                                                  Da der Abbau mineralischer Rohstoffe immer mit
          3.2 Gewinnung der Rohstoffe                             erheblichen ökologischen Auswirkungen und Risiken
          Mineralische Rohstoffe lassen sich durch Recycling      verbunden ist, sollte auch bei energiesparenden Tech-
          (Sekundärrohstoffe) und durch Bergbau (Primärroh-       nologien wie LEDs und bei der alternativen Energie-
          stoffe) gewinnen. Die heute im Landbergbau geförder-    erzeugung der Ressourcenbedarf bei der Herstellung
          ten Erze zur Gewinnung von Kupfer haben meist eine      nicht außer Acht gelassen werden. Statt die CO2-Ein-
          geringe Konzentration von 1 Prozent oder weniger.       sparung isoliert zu betrachten, spielt vielmehr der
          Somit werden für die Gewinnung gewaltige Landmas-       gesamte „ökologische Rucksack“ eine Rolle. Im Land-
          sen abgebaut und der Aufwand der Verhüttung ein-        bergbau werden mineralische Rohstoffe aufgrund
          schließlich des Energie- und Wasserverbrauchs ist       hoher ökologischer und sozialer Standards und der
          immens. Seltene Erden kommen in terrestrischen Vor-     damit verbundenen Kosten nur selten in Ländern des
          kommen nur in geringen Konzentrationen in Erzen         globalen Nordens gefördert. Stattdessen findet der
          vor. In Manganknollen finden sich zum Teil höhere       Abbau oft in Ländern statt, in denen die sozialen und
          Konzentrationen. Für die Extraktion von Metallen sind   ökologischen Bedingungen kritisch sind. Mancher
          unterschiedliche Prozesstechniken3 entwickelt und       sieht nun den Tiefseebergbau als Lösung, um die
          erprobt worden, die allerdings nur in Forschungspro-    Probleme an Land zu umgehen. Dabei ist aber zu
          jekten untersucht worden sind und deren technische      bedenken, dass die ökologischen Risiken nicht ein-
          Realisierbarkeit und Wirtschaftlichkeit weitgehend      schätzbar sind. Die Technologien zum Abbau und der
          unbekannt ist. Der Abbau von seltenen Erden an Land     Verhüttung stehen erst am Anfang der Entwicklung.
          erfolgt über Säuren, mit denen die Metalle aus den      Der ökologische Schaden durch Bergbau kann nur
          Bohrlöchern gewaschen werden. Dabei bleibt der ver-     eingedämmt werden, wenn der Verbrauch der Primär-
          giftete Schlamm zurück und es fallen große Mengen       rohstoffe durch konsequentes Recycling und Substi-
          toxischer Rückstände an. Zusätzlich zu dieser Gefahr    tution4 reduziert wird.
          für die Umwelt besteht ein permanentes Risiko für das                                                             3 z. B. die DeepSea Venture-,

          Austreten von Radioaktivität, da viele Vorkommen sel-                                                             Cuprion- oder INCO-Prozess-
                                                                                                                            techniken (Pophanken et al.,
          tener Erden radioaktive Substanzen enthalten.                                                                     2013)

                                                                                                                            4 Substitution bezeichnet die
          Das BUND Hintergrundpapier „Ressourcenschutz ist                                                                  Ersetzung oder Reduzierung
          mehr als Rohstoffeffizienz“ befasst sich unter ande-                                                              knapper bzw. ökonomisch oder
                                                                                                                            ökologisch kritischer Rohstoffe
          rem mit diesem Thema. Es wird festgestellt, dass der                                                              bei der Herstellung von Indus-
          Bergbau und die Aufbereitung von Erzen weltweit zu                                                                triegütern. Sie kann durch den
                                                                                                                            Einsatz anderer Technologien
          den größten Einzelquellen von Umweltgiften gehören                                                                und durch verstärkten Kapital-
          (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V.,                                                               einsatz erreicht werden, was
                                                                                                                            aber unter den derzeitigen
          2015). Der Sachverständigenrat Umwelt (SRU) warnt                                                                 Rahmenbedingungen nicht
          in seinem Umweltgutachten „Verantwortung in einer                                                                 ausreichend gemacht wird.

             12 BUNDposition Tiefseebergbau
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                                    4        Rechtsrahmen

                                    Die Regeln für alle Meeresnutzungen wie Schifffahrt,
                                    Fischerei, Erdgas- und Erdölförderung sowie für die        • Internationale Meeresbodenbehörde, IMB
                                    Meeresforschung und den Umweltschutz werden                  (engl. International Seabed Authority, ISA)
                                    durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten               mit Sitz in Kingston, Jamaika
                                    Nationen (SRÜ), das größte völkerrechtliche Geset-         • Kommission zur Begrenzung des Festlandso-
                                    zeswerk, festgelegt. Es gilt für alle unterzeichnenden       ckels, Zusammentreten in der Regel in New
                                    Staaten, einschließlich der Binnenländer. Allerdings         York, USA
                                    fehlen unter den Mitgliedstaaten einige einflussreiche
                                    Staaten, wie z. B. die USA. Das Abkommen teilt das
                                    Meer in verschiedene Rechtszonen auf. Je nachdem,        Das Übereinkommen unterscheidet folgende Meeres-
                                    wo sich Rohstoffvorkommen befinden, gelten unter-        gebiete (s. Abbildung 3):
                                    schiedliche Regeln für die Erkundung (Exploration)       • Küstenmeer, 12 Seemeilen von der Küste
                                    und die mögliche Förderung. Auch ein möglicher Tief-     • Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ),
                                    seebergbau wird durch das SRÜ geregelt. Momentan           200 Seemeilen
                                    werden die Abbauregularien für mineralische Res-         • Festlandsockel
                                    sourcen bei der Internationalen Meeresbodenbehörde       • Hohe See
                                    entwickelt.
                                                                                             Die Hoheitsbefugnisse eines Staates nehmen dabei
                                                                                             mit zunehmender Entfernung von der Küste ab. Die
                                      Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten               ersten drei Zonen unterliegen der Souveränität des
                                      Nationen (SRÜ), englisch „United Nations Con-          Küstenstaates, im Gebiet der hohen See ist die Inter-
                                      vention on the Law of the Sea“ (UNCLOS), ist ein       nationale Meeresbodenbehörde (IMB) zuständig.
                                      internationales Abkommen des Seevölkerrechts,
                                      das die Meere in rechtliche Bereiche aufteilt und
                                      die Befugnisse der Staaten insbesondere zur Nut-
                                      zung regelt. Das SRÜ trat 1994 in Kraft und gilt         Aufgrund von geologischen Gegebenheiten des
                                      als „Verfassung der Meere“. Das SRÜ definiert die        Festlandsockels kann der Einflussbereich eines
                                      Ozeane als gemeinsames Erbe der Menschheit               Küstenstaates erweitert werden. Da im Festland-
                                      als Ganzer. Das Übereinkommen besagt, dass die           sockel häufig Lagerstätten von Erdöl und Erdgas
                                      Nutzung der Meere gerecht aufgeteilt und der             sowie Gashydrate, Kobaltkrusten und Massivsul-
                                      ökologische Lebensraum der Ozeane geschützt              fide vorkommen, haben viele Staaten ein Inte-
                                      werden müssen. Es propagiert einen ökonomi-              resse, ihr Meeresgebiet zu vergrößern. Sie müssen
                                      schen und technologischen Ausgleich zwischen             die Erweiterung der Länderbefugnisse bei der
                                      Industrie- und Entwicklungsländern und einen             Festlandsockelkommission in New York beantra-
                                      Schutz der Meere gegenüber anthropogenen                 gen. Zurzeit werden die Besitzverhältnisse über
                                      Schäden.                                                 alles, was sich im Ozean befindet und verkaufen
                                                                                               lässt, gründlich auf den Kopf gestellt. Kritiker
                                      Mit dem Seerechtsübereinkommen wurden meh-               sprechen von der „zweiten großen Kolonisati-
                                      rere internationale Institutionen geschaffen:            onswelle” unseres Planeten, die fast unbemerkt
                                      • Internationaler Seegerichtshof mit Sitz in             von der Öffentlichkeit stattfindet (Jenisch, 2015).
                                        Hamburg, Deutschland

                                                                                                                    BUNDposition Tiefseebergbau   13
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           Innere Gewässer bis Basislinie

                                            Küstenmeer                                                               Hohe See
                                            bis 12 sm
           (Meeresufer)

                                                             Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ)
                                                             bis 200 m

                                            Festlandsockel                                                                      erweiterbar

                                            Kontinentalschelf                                    Festlandabhang                    Anstieg            Tiefseeboden

          Abbildung 3: Seerechtszonen (© maribus gGmbH, 2014)

         Die IMB hat ihren Sitz in Jamaika. Sie ist eine kleine                               unabhängiger Forschungsinstitute Mängel bei Trans-
         Behörde mit knapp 40 Mitarbeiter*innen aus ver-                                      parenz und Partizipationsmöglichkeiten dar. Bei der
         schiedenen Ländern. In jährlichen Sitzungen treffen                                  rechtlichen und technischen Kommission der Behörde,
         sich zusätzlich die Versammlung der Mitgliedsstaaten                                 welche die Regularien für die Erkundung und den Tief-
         (Assembly) sowie der Rat (Council) als Exekutivorgan,                                seebergbau festlegt, wurden Probleme bezüglich der
         unterstützt von der Finanzkommission und der ein-                                    Unparteilichkeit und der Kapazitäten festgestellt
         flussreichen rechtlichen und technischen Kommission.                                 (Christiansen et al., 2016; Johnson et al., 2016).
         Die Behörde verwaltet den Meeresboden jenseits der
         Grenzen des Bereichs nationaler Hoheitsbefugnisse,                                   Die IMB vergibt Lizenzen für die Erkundung und
         die hohe See, was in etwa 50 Prozent der Erdober-                                    eventuell zukünftig auch für die Ausbeutung speziel-
         fläche entspricht (Jenisch, 2015). Damit hat die                                     ler Meeresgebiete. Sie ist auch für die Überwachung
         Behörde einen enormen Einfluss auf die Zukunft                                       der Tätigkeiten am Tiefseeboden zuständig. Im Zeit-
         unseres Planeten.                                                                    raum von 2001 bis 2017 hat die IMB insgesamt 27
                                                                                              Explorationslizenzen vergeben. Sie erteilte 17 Lizen-
         Bei der Bewältigung der enormen Aufgaben der Mee-                                    zen für eine Fläche von jeweils 75.000 km² für die
         resbodenbehörde treten erhebliche Defizite auf. In der                               Erkundung von Manganknollen, 4 Lizenzen für jeweils
         jüngsten Zeit legten Studien im Auftrag der IMB und                                  3.000 km² für die Erkundung von Mangankrusten und

                  14 BUNDposition Tiefseebergbau
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          6 Lizenzen für die Erkundung von Massivsulfiden           den sich auch in den ausschließlichen Wirtschafts-
          (jeweils 10.000 km²) (Umweltbundesamt, 2017). Die         zonen von Küstenländern. Meist sind dies kleine
          Lizenzen laufen über 15 Jahre, danach können sie um       Pazifikstaaten, von denen einige Mängel bei demo-
          5 Jahre verlängert oder eine Abbaulizenz kann bean-       kratischen Prozessen haben. So werden Entscheidun-
          tragt werden. Dazu kann am Ende der Exploration ein       gen der Regierungen häufig gegen den Willen der
          „Pilot-Mining-Test“ stattfinden, um die Durchführung      Bevölkerung getroffen und Menschenrechte verletzt
          des Bergbaus am Tiefseeboden zu testen.                   (Barcham, 2007). Zum Beispiel lag Papua Neuguinea
                                                                    2017 auf Rang 140 von 180 Staaten im Korruptions-
          Momentan gibt es dafür bei den meisten Lizenzneh-         wahrnehmungsindex von Transparency International,
          mern keine ausgereiften Gerätschaften und die             ein Zeichen für ein hohes Maß an Korruption (Trans-
          Abbauregulierungen sind bei der Seebodenbehörde           parency International, 2017). In Papua Neuguinea
          noch in der Entwicklung (Christiansen et al., 2016). So   wurden schon zahlreiche Lizenzen für den Tiefsee-
          wurden bisher noch keine Abbaulizenzen vergeben.          bergbau vergeben.

         Die Höhe und die Verwendung der Abbaugebühren
         werden bei der Meeresbodenbehörde verhandelt.
         Ob Tiefseebergbau wirtschaftlich sein wird, hängt
         auch davon ab, ob die Lizenzgebühren die ökologi-
         schen Risiken berücksichtigen und in welchem Maße
         Umweltauflagen implementiert werden. Da die ökolo-
         gischen Risiken nicht bekannt sind, können sie aller-
         dings nicht realistisch in die Lizenzgebühren ein-
         gepreist werden. Darüber hinaus sieht das Seerecht
         Kompensationszahlungen für rohstoffexportierende
         Staaten vor, die durch die Konkurrenz der aus der
         Tiefsee geförderten Ressourcen Einbußen erleiden.
         Diese Zahlungen müssten auch aus den Gebühren
         finanziert werden. Wenn die Explorationslizenz nicht
         verlängert und auch keine Abbaulizenz beantragt
         wird, läuft sie aus. Deutschland hält zwei Explorati-
         onslizenzen, eine für ein Manganknollengebiet im
         Pazifik, bei dem die Erkundung bis 2021 läuft und
         eine für ein Gebiet mit Massivsulfiden, die bis 2029
         datiert ist (Bundesanstalt für Geowissenschaften und
         Rohstoffe, 2016a, 2016c). Zusammen nehmen die
         beiden Gebiete 85.000 km² ein, das entspricht der
         Fläche Österreichs.

         Tiefseebergbau kann aber nicht nur in dem Gebiet
         jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheits-
         befugnisse stattfinden. Mineralische Ressourcen fin-

                                                                                                                     BUNDposition Tiefseebergbau   15
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          5          Der geplante Abbau

          Bereits 1978, vor in Kraft treten des Seerechtsüber-      phie, Knollenbelegung, Ressourcenabschätzung und
          einkommens, hat ein internationales Konsortium, an        Umweltbedingungen sind eine wichtige Vorausset-
          dem auch deutsche Unternehmen beteiligt waren,            zung für die Durchführung einer solchen Prüfung.
          mehrere Hundert Tonnen Manganknollen aus dem              Sowohl bei der Entwicklung der Abbautechnologie
          5.000 Meter tiefen Pazifik gehoben. Umwelt-               als auch bei der Durchführung des Abbautests erge-
          schützer*innen befürchteten auch damals, dass die         ben sich gute Möglichkeiten für die deutsche Indus-
          Sammelmaschinen erhebliche Schäden auf dem Tief-          trie für neue Geschäftsfelder. Das Bundesministerium
          seeboden anrichten und protestierten (Pluta, 2016).       für Wirtschaft und Energie strebt die Flankierung der
                                                                    technischen Entwicklung durch eine finanzielle För-
          Das Bergbauvorhaben in der Tiefsee, welches am wei-       derung an.“ (Bundesanstalt für Geowissenschaften
          testen fortgeschritten ist, ist in der ausschließlichen   und Rohstoffe, 2016b, S. 6)
          Wirtschaftszone von Papua Neuguinea geplant. Das
          kanadische Unternehmen Nautilus Minerals Inc.             Neben dem Einsatz von Tiefseebaggern, wie sie für
          strebt an, Massivsulfide, die Gold, Silber und Kupfer     den Abbau vor der Küste Papua Neuguineas entwi-
          enthalten, aus 1,6 km Tiefe abzubauen (Nautilus           ckelt wurden, gibt es Pläne, weniger invasive Techni-
          Minerals, 2018). Das Gebiet des Pilotprojektes liegt      ken zu entwickeln. Es ist aber fraglich, ob sich solche
          nur 30 km von der Küste entfernt. Somit sind gravie-      Konzepte technisch und wirtschaftlich durchsetzen
          rende Folgen für die sehr auf Fischerei angewiesene       werden, wenn einmal der Weg für den kommerziellen
          Bevölkerung zu erwarten (Luick, 2012; solwarami-          Tiefseebergbau geebnet ist. Außerdem sind auch die
          ning.org, o.J.).                                          mineralischen Vorkommen selbst Grundlage für den
                                                                    Lebensraum sessiler und mobiler Fauna. Ein weiteres
          Abgesehen von den Plänen in Papua Neuguinea wird          zentrales Problem ist der immens hohe technische
          die Gesamtzahl der Bergbauvorhaben innerhalb von          und logistische Aufwand für das Monitoring von öko-
          AWZ-Gebieten auf 25 geschätzt (Jenisch, 2015). In         logischen Folgewirkungen und Schäden.
          Deutschland und der EU gibt es Bestrebungen in der
          nächsten Zeit einen „Pilot-Mining-Test“ durchzufüh-
          ren. Dieser könnte im Pazifik, im indischen Ozean oder
          nah der Azoren stattfinden. Die Bundesanstalt für
          Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) schreibt in
          ihrem Newsletter vom Oktober 2016:

          „Die Explorationsarbeiten auf Manganknollen im
          deutschen Lizenzgebiet sind so weit fortgeschritten,
          dass ein Pilot-Mining-Test durchgeführt werden
          kann. Da bei einem solchen Test eine Fläche von mehr
          als 10.000 m² bearbeitet wird, muss gemäß den
          Regularien der IMB (internationale Meeresboden-
          behörde, die Verfasser*innen) eine Umweltverträg-
          lichkeitsprüfung ein Jahr vor dem Test vorgelegt
          werden. Die in den Teilgebieten durchgeführten de-
          taillierten Erkundungsarbeiten hinsichtlich Topogra-

              16 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 17

                                    6        Risiken

                                    Unser Wissen über die Tiefsee und deren Einfluss auf   dauerhaft zerstört. Manganknollenfelder entstehen
                                    globale Prozesse ist derzeit noch sehr gering. Die     in Millionen von Jahren und selbst die Sedimente des
                                    renommierte Ozeanforscherin Sylvia Earle schreibt in   Tiefseebodens brauchen aufgrund der niedrigen Sedi-
                                    ihrem Artikel „Deep Sea Mining: An Invisible Land      mentationsrate in der Clarion-Clipperton-Zone Mil-
                                    Grab“:                                                 lionen von Jahren für den biochemischen Wiederauf-
                                                                                           bau von einem Zentimeter. Der Meeresboden würde
                                    „Die Rolle des Lebens in der Tiefsee bezüglich des     durch die Förderanlagen umgegraben und somit der
                                    Kohlendioxidkreislaufes ist kaum verstanden. Der       Lebensraum und alle darin vorkommenden Arten ver-
                                    Einfluss des mikrobiellen Systems, das erst kürzlich   nichtet. Die Folgen der Eingriffe werden dadurch ver-
                                    entdeckt wurde, und die vielfältigen Ökosysteme in     schärft, dass viele Gemeinschaften des Meeresbodens
                                    der Wassersäule und im Meeresboden müssen erst         räumlich isoliert sind, viele Arten sehr langsam wach-
                                    noch tiefgehend erforscht werden. Wie könnte ein       sen und sich stark unterscheiden, wodurch eine Wie-
                                    Arzt die internen Funktionen eines Patienten verste-   derbesiedlung durch gleiche Artengemeinschaften
                                    hen, wenn er nur die Haut eines Patienten sehen oder   sehr unwahrscheinlich ist. Es ist davon auszugehen,
                                    nur kleine Stichproben des Körperinnern nehmen         dass die meisten der verursachten Schäden weiträu-
                                    könnte?“ (Earle, 2016) (Übersetzung S. Buhmann)        mig und irreversibel sein werden. Dazu kommt, dass
                                                                                           sich das reichste Leben in den Gebieten findet, wo
                                    Ebenso fehlen vertiefte Erkenntnisse über die Aus-     die Manganknollendichte am höchsten ist und die
                                    wirkungen einer Rohstoffförderung auf Ökosysteme       somit am interessantesten für die Ausbeutung sind.
                                    und Lebensgemeinschaften in der Tiefsee. Obwohl
                                    sich die für einen Abbau benötigten Technologien       Neben den direkten Auswirkungen durch die Entnah-
                                    noch in der Entwicklung befinden und somit auch        me der Hartsubstrate birgt der Tiefseebergbau auch
                                    mögliche Folgen spekulativ sind, kann man bereits      viele weitere Gefahren. Es ist zu erwarten, dass gra-
                                    von bestehender Ressourcenförderung von Öl, Gas,       vierende ökologische Eingriffe mit dem Tiefseeberg-
                                    Diamanten und Sand im Meer Rückschlüsse auf die        bau und der Förderung des abgebauten Materials ein-
                                    Umwelteinflüsse ziehen. Neben chronischen Ölver-       hergehen. Dazu gehören langlebige Sedimentwolken
                                    schmutzungen entstehen beim Meeresbergbau Trü-         in der Wassersäule, der Transfer von nährstoffreichem
                                    bungsfahnen und Kraterlandschaften, wodurch es zur     Tiefenwasser in höhere Meeresschichten und die Frei-
                                    Bildung von sauerstoffarmen „Totwasserbereichen“       setzung von toxischen Stoffen. Sedimentwolken kön-
                                    kommen kann. Die Resuspension von Sedimentpar-         nen abhängig von Partikelgröße und Strömung auch
                                    tikeln in den Trübungsfahnen führt häufig zur Frei-    fern des eigentlichen Fördergebiets noch Auswirkun-
                                    setzung von Nährstoffen, wodurch der Sauerstoff-       gen auf das Leben im Meer nehmen. Korallen,
                                    gehalt abnimmt. Darüber hinaus wirken tiefe            Schwämme und andere filtrierende Arten in der Tief-
                                    Abbaulöcher als Sedimentfallen für Detritus und        see würden von Sedimenten bedeckt, könnten sich
                                    Pflanzenreste und weisen in ihren tieferen Bereichen   nicht mehr ernähren und würden absterben. Ebenso
                                    (unterhalb von 7 m im Meeresboden) anoxische           würden Hartsubstrate wie zum Beispiel Steine,
                                    Bedingungen auf (von Nordheim & Boedeker, 1998).       Muschelschalen und Manganknollen bedeckt werden,
                                                                                           die für eine Wiederbesiedlung durch Larven benötigt
                                    Durch einen geplanten Rohstoffabbau in der Tiefsee     werden. Durch eine erhöhte Eintrübung der eupho-
                                    würde eine große Anzahl der ältesten und sensibels-    tischen Wassersäule kann es zu Änderungen der Pri-
                                    ten Ökosysteme der Erde direkt beeinflusst oder gar    märproduktion kommen und damit zur Veränderung

                                                                                                                  BUNDposition Tiefseebergbau   17
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          ganzer Nahrungsketten. Sedimentwolken können           den betroffenen Gebieten führen, wodurch eine der
          somit auch in oberen Wasserschichten zu einem ver-     meist wenigen Einnahmequellen wegbrechen würde.
          änderten Wanderverhalten von Meeressäugern, Haien      Somit erhöht der Tiefseebergbau nicht nur die bereits
          und Meeresschildkröten führen, oder für sie essen-     bestehende Belastung der Meere durch Schifffahrt,
          tielle Habitate vernichten und deren Fortbestand       Klimawandel, Fischerei, Aquakultur und Energiege-
          gefährden. Durch das Aussterben einer Art können       winnung, er hat auch unkalkulierbare Folgen für viele
          die Funktionen der Ökosysteme so gestört werden,       Menschen.
          dass sie komplett zusammenbrechen.

          Durch das Zurückpumpen von nährstoffreichem Tief-
          seewasser in die Wassersäule wären küstennahe Öko-
          systeme und solche im offenen Meer betroffen. Wie
          zum Beispiel im Gebiet des Pilotprojektes Solwara 1,
          das nur 30 km von der Küste von Papua-Neuguinea
          entfernt ist (solwaramining.org, o.J.). Durch eine
          erhöhte Nährstoffkonzentration kann es zu Algen-
          blüten kommen und in deren Folge zu sauerstoffar-
          men und toxischen Bedingungen, die zu einem Mas-
          sensterben führen können. Im Prozesswasser können
          auch Schwermetalle enthalten sein, die die Entwick-
          lung von Embryos, Larven und Juvenilen der Meeres-
          lebewesen beeinträchtigen. Schwermetalle lagern
          sich entlang der Nahrungskette an und werden
          schlussendlich auch von Menschen konsumiert. Wei-
          tere Risiken für die Meeresumwelt ergeben sich aus
          dem Lärm und dem Lichteintrag, der bei der Erkun-
          dung sowie dem Abbau entsteht und durch eine
          Zunahme des Schiffsverkehrs und dessen Gefahren
          wie zum Beispiel Kollisionen und Leckagen.

         Der Tiefseebergbau hat nicht nur negative Auswir-
         kungen auf marine Ökosysteme, sondern bedroht
         auch die Lebensgrundlagen der Bevölkerung in den
         Anrainergebieten. Dezimierte Fischbestände gefähr-
         den das Auskommen und die Kultur von Fischern und
         ganzer Gemeinschaften. Kontaminierte Rückstände,
         die bei der Aufbereitung der Rohstoffe an Land ent-
         stehen, können küstennahe Ökosysteme verseuchen
         und die Gesundheit und Nahrungsgrundlage der
         Menschen aufs Spiel setzen. Eine zerstörte Umwelt
         würde ferner zu einem Rückgang des Tourismus in

             18 BUNDposition Tiefseebergbau
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                                    7         Interessenlage

                                    7.1 Forschung und Industrie                                  how zahlreicher maritimer Forschungsinstitute an
                                    Im April 2014 gründete sich die „DeepSea Mining Alli-        einer Stelle praxisnah für die Industrie zusammen-
                                    ance“ in Hamburg mit vornehmlich Mitgliedern aus             fassen und so strategisch in Wettbewerbsvorteile für
                                    der Industrie. In ihrem Interesse lag es von Beginn an,      den Standort Deutschland umsetzen.“ (Kruse, 2016)
                                    eine gemeinsame Plattform für Partner aus Industrie
                                    und Forschung zu bieten. Inzwischen sind einige For-         In der europäischen Union ist ein möglicher Tiefsee-
                                    schungsinstitute beigetreten. Nach eigener Aussage           bergbau Teil der Blue Growth Strategie. 2015 unter-
                                    sind die Hauptziele der Allianz die Forcierung der Ent-      zeichneten die französische und die deutsche Regie-
                                    wicklung von Tiefseebergbau-Projekten in Deutsch-            rung sowie Industriepartner aus Frankreich und
                                    land und international, die Unterstützung von Inno-          Deutschland ein „Memorandum of Understanding“
                                    vations-, Forschungs- und Entwicklungsprojekten,             zur weiteren Zusammenarbeit im Tiefseebergbau. Oft
                                    eine enge Zusammenarbeit mit führenden For-                  werden Probleme beim terrestrischen Bergbau als
                                    schungsinstituten unter besonderer Berücksichtigung          Argument für den Tiefseebergbau angebracht. Neben
                                    aller umweltrelevanten Aspekte und die Erstellung            abnehmender Effizienz und darum einem steigenden
                                    einer „Strategie-Roadmap“ mit dem vorläufigen Ziel-          Anteil von Abraum könnte die stärker werdende Sen-
                                    punkt der Durchführung eines „Pilot-Mining-Tests“            sibilität der Verbraucher*innen hinsichtlich der Her-
                                    (DeepSea Mining Alliance, 2018). Die europäische             stellungsbedingungen mineralischer Rohstoffe den
                                    Wissenschaft ist stark in die Erkundung der lizensier-       Tiefseebergbau als Alternative erscheinen lassen. Es
                                    ten Gebiete eingebunden. Einerseits wird dadurch             ist zu befürchten, dass die Industrie wünschenswerte
                                    wichtiges Grundlagenwissen über die Tiefsee gewon-           Zertifizierungen sozialer und ökologischer Standards
                                    nen und andererseits wird so ein großer Teil der Vor-        im terrestrischen Bergbau aus ökonomischen Grün-
                                    arbeit für einen möglichen Abbau durch öffentliche           den ablehnt und den Tiefseebergbau als Alternative
                                    Gelder finanziert. Seit 2011 läuft das „Deep Sea Mine-       dazu propagiert. Bei den primären Metallrohstoffen
                                    rals Project”, welches eine Zusammenarbeit zwischen          ist Deutschland fast vollkommen importabhängig.
                                    der Pacific Community (SPC) und der Europäischen             Von daher spielen neben ökonomischen Interessen
                                    Union ist. In dem Projekt geht es um die Gesetzge-           sicherlich strategische Überlegungen eine große Rolle,
                                    bung und das Management bezüglich mineralischer              wenn es darum geht, den Tiefseebergbau voranzu-
                                    Ressourcen in den ausschließlichen Wirtschaftszonen          treiben.
                                    der pazifischen Mitgliedstaaten. Das „Deep Sea Mine-
                                    rals Project“ hat 15 pazifische Inselstaaten als Mit-        Neben den wirtschaftlichen gibt es auch andere Moti-
                                    glieder: die Cook Islands, Mikronesien, Fidschi, Kiribati,   ve, in der Tiefsee nach wertvollen Metallen zu suchen.
                                    Marshall Islands, Nauru, Niue, Palau, Papua New Gui-         Der Geologe Dr. Sven Petersen wird dazu folgender-
                                    nea, Samoa, Solomon Islands, Timor Leste, Tonga,             maßen in einem Artikel erwähnt: „Die Länder haben
                                    Tuvalu und Vanuatu.                                          eventuell ein geostrategisches und kein wirtschaft-
                                                                                                 liches Interesse, sagt Petersen. Sie könnten auf diese
                                    Im November 2016 wurde die Finanzierung eines                Weise versuchen, die Rohstoffzufuhr für die heimi-
                                    Deutschen Maritimen Zentrums (DMZ) in Hamburg                sche Industrie zu sichern, ohne sich von anderen Län-
                                    beschlossen. In der Pressemitteilung der CDU/CSU             dern abhängig zu machen. Für eine Tiefseebergbau-
                                    Fraktion im Bundestag heißt es: „Für die erste Phase         lizenz muss eine Regierung nämlich nicht mit einer
                                    werden über 3 Jahre insgesamt 9 Mio. € bereitge-             anderen Regierung, sondern mit einer UN-Behörde
                                    stellt. Die Einrichtung soll das erstklassige Know-          verhandeln“. (Pluta, 2016)

                                                                                                                        BUNDposition Tiefseebergbau   19
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          Bild 7 und 8: Fischer in Papua Neuguinea (© Jonathan Mesulam)

          Die deutsche Tiefseebergbau Lobby nennt oft das         welche zu 15 Prozent an dem Projekt beteiligt ist, die
          Argument, dass sie diejenigen seien, die den Tiefsee-   Expertise besitzt, um die adäquate und unabhängige
          bergbau auf die sauberste Weise durchführen würden      Aufsicht über das Unternehmen zu führen (Gramling,
          im Gegensatz zu asiatischen Unternehmen. Einerseits     2014).
          kann man dieses hinterfragen, wenn man Umwelt-
          skandale deutscher Unternehmen im Ausland in            Deutsche Hilfswerke wie Brot für die Welt und Mise-
          Betracht zieht. Andererseits wird ein deutscher oder    reor unterstützen die Menschen vor Ort im Umgang
          europäischer Tiefseebergbau den asiatischen nicht       mit den Tiefseebergbauvorhaben in der Region und
          verhindern, sondern müsste mit ihm ökonomisch kon-      arbeiten auch in Deutschland zu dem Thema. In den
          kurrieren, was auf Kosten der ökologischen Standards    pazifischen Staaten sind die Erinnerungen an die
          gehen könnte. Die Weltbank sieht den Tiefseebergbau     Atomtests der fünfziger und sechziger Jahre des letz-
          als einen Fokus für die ökonomische Entwicklung der     ten Jahrhunderts noch sehr präsent und viele
          jeweiligen Regionen.                                    Menschen fühlen sich durch die drohenden Tiefsee-
                                                                  bergbauaktivitäten erneut dem globalen Norden
                                                                  gegenüber ausgeliefert. Neben der wirtschaftlichen
          7.2 Zivilgesellschaft                                   Notwendigkeit eines gesunden marinen Lebensrau-
          Es gibt eine starke Widerstandsbewegung in Papua        mes für die Ernährung durch Fischerei und für den
          Neuguinea und anderen Pazifikstaaten, die versucht,     Tourismus hat das Meer in vielen pazifischen Ländern
          den marinen Lebensraum vor den Bergbauvorhaben          auch eine große spirituelle Bedeutung. „Der pazifi-
          zu bewahren. Die Kritiker werden auch von Seiten der    sche Blick auf die Welt trennt nicht zwischen Land
          Wissenschaft unterstützt. Die Ozeanografin Cindy Van    und Meer. Ozeanien wird als ein flüssiger Kontinent
          Dover, die an Vorstudien in Papua Neuguinea beteiligt   betrachtet“, sagt Francisco Marí, Referent für Agrar-
          war, sagt, dass es unmöglich ist, die Folgen voraus-    handel und Fischerei bei Brot für die Welt. Zudem
          zusagen. Außerdem bezweifelt sie, dass die Regierung,   haben die Menschen in Ländern wie Papua Neuguinea

             20 BUNDposition Tiefseebergbau
Position 67 Tiefseebergbau_3_CT_qxd_15.qxp_Position_Lärm.qxd 19.10.18 12:37 Seite 21

                                           in der jüngeren Vergangenheit sehr schlechte Erfah-
                                           rungen mit dem Landbergbau und der einhergehen-
                                           den ökologischen Zerstörung sowie mit Korruption
                                           in den Regierungen gemacht.

                                           Es ist zu befürchten, dass durch die Aktivitäten in For-
                                           schung und Entwicklung sowohl in Deutschland als
                                           auch europaweit eine Infrastruktur geschaffen wird,
                                           die die Weichen in Richtung des Tiefseebergbaus
                                           stellt, ohne dass eine öffentliche Abwägung und Ent-
                                           scheidungsfindung hinsichtlich der Risiken und des
                                           Nutzens stattgefunden hat. Die Meeresschutzorga-
                                           nisation Seas At Risk schrieb in einer Stellungnahme
                                           zum Entwurfs der Abbauregulierungen der IMB: „Es
                                           besteht ein konkretes Risiko, dass es sehr schwierig
                                           wird angesichts der Investitionen, die in die Techno-
                                           logieentwicklung und die Erkundung geflossen sind,
                                           den Prozess zu revidieren sobald die Industrie mit
                                           dem Abbau beginnt.“ (Seas At Risk, 2016, S. 4) (Über-
                                           setzung S. Buhmann) Insgesamt setzt sich der BUND
                                           mit anderen Umwelt- und Sozialverbände für mehr
                                           Öffentlichkeit und Transparenz bei dem Thema ein
                                           und fordert ein Einstellen der Aktivitäten in Richtung
                                           Tiefseebergbau5 (AG Tiefseebergbau, 2018).

                                           Sylvia Earle schreibt in „Deep Sea Mining: An Invisible
                                           Land Grab”: „Wir brauchen Technologien um die Tief-
                                           see zu erreichen, damit unabhängige Forschung
                                           durchgeführt werden kann und die Natur des größten
                                           Lebensraums der Erde zu verstehen. Am allerwich-
                                           tigsten aber ist, dass wir unsere Einstellungen, Tra-
                                           ditionen und Politiken über die Natur hinterfragen,
                                           die uns dazu gebracht haben, die Güter zu verbren-
                                           nen als wenn es kein Morgen gäbe. Das „als wenn es
                                           kein Morgen gäbe“ kann Realität werden oder nicht,
                                           abhängig davon was wir tun. Oder was wir verfehlen
                                           zu tun. Noch ist Zeit eine Wahl zu treffen.“ (Earle,
          5 Die AG Tiefseebergbau setzt    2016: Übersetzung S.Buhmann).
          sich aus Mitgliedsorganisatio-
          nen der AG Meere im Forum
          Umwelt und Entwicklung sowie
          dem AK Rohstoffe zusammen.

                                                                                                      BUNDposition Tiefseebergbau   21
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