Tiere und Pflanzen der FFH-Richtlinie im Wald - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
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Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft Praxishilfe Tiere und Pflanzen der FFH-Richtlinie im Wald
Impressum Herausgeber Bayerische Landesanstalt Praxishilfe und Bezugsadresse für Wald und Forstwirtschaft (LWF) Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1 85354 Freising Telefon: +49 (0) 81 61/4591-0 Tiere und Pflanzen der FFH-Richtlinie poststelle@lwf.bayern.de www.lwf.bayern.de Verantwortlich Dr. Peter Pröbstle, Leiter der LWF im Wald Autoren Philipp Gilbert, Anna Kanold, Christine Franz, Martin Lauterbach, Patrick Bilan, Klaus Schreiber, Sarah Schneider, Siegmar Wüst, Beatrix Enzenbach, Veronika Zimmerer und Stefan Müller-Kroehling Redaktion Michael Mößnang, Christine Hopf Layout Christine Hopf, Andrea Nißl Titelfoto Gero Brehm, AELF Fürstenfeldbruck Druck Druckerei Lanzinger, Oberbergkirchen Auflage 2.800 Stück, Juni 2022
Inhalt Einführung7 Erläuterungen8 Amphibien Gelbbauchunke 10 Eremit 50 Käfer Kammmolch12 Hirschkäfer52 Springfrosch14 Alpenbock54 Heldbock56 Säugetiere Bechsteinfledermaus16 Grubenlaufkäfer58 Großes Mausohr 18 Hochmoorlaufkäfer60 Kleinabendsegler20 Scharlachkäfer62 Mopsfledermaus22 Gestreifter Bergwald-Bohrkäfer 64 Luchs24 Veilchenblauer Wurzelhalsschnellkäfer 66 Wildkatze26 Baummarder 28 Frauenschuh68 Pflanzen Iltis30 Prächtiger Dünnfarn 70 Alpenschneehase32 Biber34 Gekieltes Zweizeilblattmoos 72 Moose Baumschläfer36 Grünes Besenmoos 74 Haselmaus38 Grünes Koboldmoos 76 Alpensteinbock40 Kärntner Spatenmoos 78 Gams42 Rudolphs Trompetenmoos 80 Schmetterlinge Heckenwollafter44 Bildnachweis, Literatur 82 Kleiner Maivogel 46 Maßnahmentabelle Spanische Flagge 48 4 5
Einführung Die Waldnatur in Bayern ist vielfältig. Von den kühlen Hochlagen der Alpen über das Flach- und Hügelland bis in die wärmeren Gegenden in Franken trifft man unterschiedlichste Lebensräume an. Diese Wald typen beherbergen verschiedenste charakteristische Arten, für die wir besondere Verantwortung tragen. Es ist uns ein besonderes Anliegen, diese erstaunliche Artenvielfalt in den Wäldern zu erhalten. Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000, bestehend aus Fauna- Flora-Habitat (FFH)- und Vogelschutzgebieten (SPA), zielt auf den Erhalt der biologischen Vielfalt ab. Stellvertretend für die heimische Artenvielfalt wurden seitens EU einige Schirmarten ausgewählt und in den Anhängen II, IV und V unter gesonderten Schutz gestellt. Eine Vielzahl davon sind klassische Waldarten. Jede gelistete Art steht für wichtige und seltene Strukturen im Wald wie Totholz, Baumhöhlen oder lichte Wälder. Vom Erhalt dieser Strukturen profitieren weitere, nicht in den Anhängen der Richtlinien aufgeführte Arten, die jedoch dieselben Strukturansprüche besitzen und ebenso ein Teil der vielfältigen Waldnatur sind. In den ausgewiesenen Natura 2000-Schutzgebieten sollen die dort ge- schützten Arten (aufgeführt im Standarddatenbogen des jeweiligen Ge- biets sowie in der Bayerischen Natura 2000-Verordnung (BayNat2000V)) in einem günstigen Zustand erhalten oder dieser wiederhergestellt wer- den. Der Zustand der Arten darf sich nicht verschlechtern (Verschlechte- rungsverbot). Das Gebietsmanagement basiert auf Managementplänen, welche konkrete Angaben zum Zustand der Arten machen und bei Be- darf geeignete Maßnahmen vorschlagen. In dieser Praxishilfe werden die Arten der FFH-Anhänge in Form von Steckbriefen vorgestellt. Darin werden die vielfältigen Lebensweisen abge bildet, eingeordnet und die relevantesten Ansprüche herausgearbeitet, um den Praktikern den täglichen Umgang mit den Arten in unseren Wäldern zu erleichtern. 6 7
Erläuterungen S streng und besonders geschützt Arten mit der Kennzeichnung »besonders« Laubwald Schutzstatus Waldzusammen nach §7 BNatSchG S b besonders geschützt oder »streng geschützt« sind auch außerhalb der Natura 2000-Schutzgebiete über das Arten- setzung Mischwald § – nicht geschützt schutzrecht nach §44 BNatschG geschützt. Nadelwald 0 Ausgestorben, Verschollen G Gefährdung unbekannten Ausmaßes Alte, totholz- und biotopbaumreiche Wälder Rote Liste 1 Vom Aussterben bedroht R Extrem selten Bayern 2 2 Stark gefährdet V Vorwarnliste Waldtypen Die Kategorie bezieht sich auf Arten reifer Waldentwicklungsphasen, die durch einen relativ hohen Anteil an Totholz und Biotopbäumen geprägt sind. 3 Gefährdet D Daten unzureichend * Nicht gefährdet Feuchte oder luftfeuchte Wälder bzw. Kleingewässer FFH II Tier– und Pflanzenarten, für deren Erhaltung Schutzgebiete In diese Kategorie fallen Arten feuchter Waldstandorte (z. B. Sumpf-, FFH-Anhang im Natura2000-Netz ausgewiesen werden müssen Bruch- oder Auwälder) sowie Arten in Wäldern mit einem Bestandes IV innenklima, das sich durch hohe Luftfeuchtigkeit auszeichnet. IV Tier– und Pflanzenarten, die europaweit unter Schutz stehen, auch außerhalb der ausgewiesenen Schutzgebiete V Tier– und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, deren Entnahme aus der Natur und Nutzung Gegenstand von Verwaltungs- Sonderstrukturen maßnahmen sein können Umfasst Arten, die sich aufgrund ihrer sehr speziellen Habitatansprüche nur teilweise oder überhaupt nicht in andere Kategorien einordnen lassen. * Prioritäre Art S N Verbreitung nival Lichte Wälder 2700 m Hier leben Arten der standorts- oder nutzungsbedingt licht bestockten 2400 m Wälder, inklusive der Übergänge zu halboffenen Landschaften. alpin 2100 m 1900 m subalpin 1400 m 1200 m Mehrschichtige Wälder montan Alle Arten in Wäldern, die auf dem überwiegenden Flächenanteil 700 m 600 m zwei oder mehr vertikale Bestandesschichten aufweisen. 400 m kollin 300 m planar Vorkommen Deutschlandweiter Erhaltungszustand Die Höhenstufen sind für günstig Störungs in der kontinentalen und alpinen bio- Arten dargestellt, bei denen Vorkommen ungünstig–unzureichend geographischen Region (FFH-Bericht 2019) die Höhenverbreitung eine Besonderheiten empfindliche in Felsspalten Art günstig wesentliche Rolle spielt. ungünstig–unzureichend ungünstig–schlecht unbekannt/Daten unzureichend kein Vorkommen Jagdrecht Arten, die dem Jagdrecht unterliegen. Für sie gelten Vorkommen 2006–2018 Stand: 6.10.2021 Jagd- und Schonzeiten und sie unterliegen der gesetz Quellen: FFH-Bericht 2019, Bayerische Forst- lichen Hegepflicht (§ 1 BJagdG und § 2 (1) Nr.1 BJagdG). verwaltung, Bayerische Umweltverwaltung 8 9
S 2 FFH Gelbbauchunke § II, IV Bombina variegata Linnaeus, 1758 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial Ursprünglich ist die Gelbbauchunke eine Art Als Pionierart ist die Gelbbauchunke an sich der Gewässerauen, wo aufgrund der Gewässer rasch verändernde Lebensräume angepasst. dynamik natürliche temporäre Kleinstgewäs- So können juvenile Tiere neu entstandene ser entstehen konnten. Heute findet man sie Gewässer auch in mehreren Kilometern Entfer- hauptsächlich in anthropogen entstandenen nung zügig besiedeln. Adulte Gelbbauchunken Gewässern z. B. in Abbaustellen, auf Truppen- bleiben jedoch standorttreu. Im Sommer wird übungsplätzen oder in Fahrspuren auf Erd zwischen Laich- und Aufenthaltsgewässern so- wegen. Diese für die Reproduktion wichtigen wie Tagesverstecken an Land gewechselt. Die Gewässer sind idealerweise flach, gut besonnt, Überwinterung findet in frostfreien Verstecken vegetationsfrei sowie arm an Prädatoren. Die im Umkreis von wenigen hundert Metern um in der Nähe liegenden Aufenthaltsgewässer, die Gewässer statt. die zwischen den Laichperioden (bis zu drei im Jahr) oder von noch nicht geschlechtsreifen Individuen genutzt werden, können hingegen Beratungsempfehlungen strukturreicher und kühler sein. Als Tages- und Erhaltung bzw. Anlage eines ausreichenden Netzes Winterverstecke werden Erdhöhlen, Stein geeigneter (temporärer) Kleinstgewässer (Gruppen haufen oder Totholz in direkter Umgebung von jeweils 3 –5 Gewässern in maximaler Entfernung von 1.500 Metern voneinander) der Gewässer aufgesucht. Erhaltung bzw. Schaffung eines strukturreichen Landlebensraumes in Gewässernähe (Totholz, Reisig- Ernährungsweise und Steinhaufen) Als Nahrung dienen der Gelbbauchunke über- Kein Pestizideinsatz in Nähe der Gewässer wiegend Insekten, vor allem Ameisen, Blatt Instandsetzung von Wegen, Grabenpflege oder das Gelbbauchunken haben sich mit ihrer kurzen Larvenentwicklung ideal an läuse und Schwebfliegen, aber auch Milben, Verfüllen von Fahr- und Rückespuren ausschließlich Laichgewässer angepasst, die nur wenige Wochen Wasser führen. Asseln, Spinnen und Schnecken. Die Larven er- außerhalb der Laichzeit (Mitte April bis Anfang nähren sich im Wasser vorwiegend von Grün September) in Vorkommensgebieten Verbreitung und Bestandssituation algen und Detritus. Wiederherstellung der Gewässerdynamik an Fließ Der Verbreitungsschwerpunkt der Gelbbauchunke in gewässern Deutschland liegt im Süd-Westen der Bundesrepublik, während im Norden und Osten Nachweise fehlen. In Bayern ist die Verbreitung lückig und zeigt drei Schwer- punkte: Die tonigen Böden des Unteren Keupers, das Donautal und das Alpenvorland. Die Gelbbauchunke Phänologie Hauptphase Nebenphase kommt bis in eine Höhe von circa 1.000 m ü.NN vor. Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Insgesamt ist ein Bestandsrückgang festzustellen. Winterquartier Vorkommen Adulte im Wasser ungünstig–unzureichend Eiablage, Larvenstadium ungünstig–schlecht Juvenile im Wasser 10 11
S 2 FFH Kammmolch § II, IV Triturus cristatus Laurenti, 1768 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial Kammmolche verbringen im Vergleich zu den Die adulten Tiere sind standorttreu und halten anderen heimischen Molcharten ausgesprochen sich überwiegend im Wasser oder in unmittel lange Zeit im Laichgewässer. Sie bevorzugen barer Nähe dazu an Land auf. Nur durch die größere, tiefe, besonnte und dadurch wärme- frisch entwickelten Jungtiere erfolgt eine Aus- re Gewässer, die fischfrei sind. Besonders ge breitung von wenigen hundert Metern um ihr eignet sind Gewässer im späten Sukzessions Ursprungsgewässer. stadium, die im Uferbereich und im Wasser üppige Vegetation aufweisen. Dabei dienen die Pflanzen gleichzeitig als Versteck und zur Beratungsempfehlungen Eiablage. Die Präferenz beim Landlebensraum Zu hohe Fischbestände in Gewässern reduzieren liegt klar bei Laub- und Mischwäldern. Die Über- oder entfernen winterung findet sowohl im Gewässer als auch Ggf. Auflichten und Freistellen von Gewässern an Land unter Steinen, Totholz, in Kleinsäuger Anreicherung des Uferbereichs und der näheren bauten oder Wurzelhöhlungen in direkter Um- Umgebung mit Versteckmöglichkeiten z.B. Totholz gebung zum Gewässer statt. und Steinhaufen Ggf. Schaffung neuer (Sekundär-)Gewässer mit Ernährungsweise > 0,5 m Tiefe und > 100 m² Größe in Nähe bestehen- der Laichgewässer (max. 500 bis 1.000 m Entfer- Im Wasser ernähren sich adulte Tiere von Schne- nung) cken, Insekten(-larven), Würmern und Klein- Pufferzonen zu landwirtschaftlich genutzten Flächen krebsen. Nicht selten werden auch die Larven um die Gewässer der eigenen Art und anderer Lurche gefressen. Verzicht auf Maßnahmen, die das Grundwasser ab- Die Nahrung der Larven besteht vor allem aus senken oder Fließgewässer regulieren Kammmolche verbleiben vergleichsweise lange Zeit in ihren Laichgewässern. Wasserflöhen, Kleinkrebsen und Mückenlarven. Die Männchen tragen zur Paarungszeit eine farbenprächtige »Wassertracht«. Auch an Land jagt die Art nachts Insekten, de- ren Larven sowie Schnecken und Regenwürmer. Verbreitung und Bestandssituation Der Kammmolch kommt, wenn auch sehr lückenhaft, deutschlandweit vor. Auch in Bayern zeigt sich ein lücken- haftes und regional sehr inhomogenes Verbreitungsbild. Hier ist er vor allem im Bereich des Fränkischen Schicht stufenlandes und des voralpinen Moor- und Hügellandes anzutreffen. Als Flachlandart besiedelt er die Mittel- und Phänologie Hauptphase Nebenphase Tieflagen bis etwa 1.000 m ü.NN. Der Bestand entwickelt Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez sich in weiten Teilen Bayerns rückläufig. Winterquartier Vorkommen Adulte/Subadulte i. Wasser ungünstig–unzureichend Eiablage, Larvenstadium ungünstig–schlecht Juvenile im Wasser 12 13
S V FFH Springfrosch § IV Rana dalmatina Fitzinger, 1839 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial Der Springfrosch ist eine wärmeliebende Art, Die adulten Tiere nutzen die Laichgewässer als die zum Laichen stehende, besonnte und fisch- sogenannte »Frühlaicher« nur im Frühjahr von freie Gewässer bevorzugt, die gelegentlich aus- Januar bis März. In dieser Zeit legen die Weib- trocknen. Sie sollten reich an Vegetation sein chen zwischen 300 und 1.800 Eier in faustgroßen und flache Uferbereiche aufweisen. Die Palette Ballen an Strukturen unter Wasser ab. Den Rest der angenommenen Gewässergrößen reicht des Jahres verbringen sie in ihren Landlebens dabei von wenigen bis über mehrere tausend räumen (Sommerquartier), die im Umkreis von Quadratmeter. Von allen heimischen Frosch bis zu 1.500 m liegen können. Während adulte lurchen bevorzugt er die trockensten Wald Tiere standorttreu sind, besiedeln Jungtiere rasch bereiche. Landlebensräume sind lichte, warme, neue Lebensräume. Die Winterquartiere befin- trockene und strukturreiche Laubwälder mit den sich in unmittelbarer Nähe der Laichgewässer Totholz, Kraut- und Strauchschicht. unter Moospolstern, Erdschollen, Steinen, Blatt- haufen oder in Lückensystemen im Boden. Ernährungsweise Rund die Hälfte der Beutetiere sind Lauf- und Beratungsempfehlungen Rüsselkäfer. Daneben dienen Blattkäfer, Flie- Anlage oder Wiederherstellung (Entlandung) geeig gen, Ohrwürmer, Schlupfwespen und andere neter Laichgewässer(-gruppen). Max. Entfernung wirbellose Tiere als Nahrung. Den geringsten von Gewässerkomplexen 1.000–2.000 m Anteil machen Schnecken und Regenwürmer Landlebensraum um Gewässer strukturreich gestalten aus. Pufferstreifen um die Laichgewässer, um Eintrag von Schad- und Nährstoffen zu verhindern Verbindungen/Korridore (z. B. Waldrandgestaltung, Für die Ablage seiner Laichballen nutzt der Springfrosch vorzugsweise Hecken) zwischen Gewässer und Wald sowie zwi- sonnenexponierte und vegetationsreiche Gewässer. schen Populationen schaffen oder wiederherstellen Zu hohe Fischbestände in geeigneten Gewässern re- duzieren oder entfernen Verbreitung und Bestandssituation Die geschlossenen Verbreitungsgebiete des Springfroschs Vermeiden von Holzeinschlägen während der Aktivi- tätsperiode (Januar–März) am und um das Gewässer liegen in Süd- und Südosteuropa sowie in Teilen Zentral- europas. Innerhalb von Deutschland sind die bekannten Areale der Art stark fragmentiert, wobei Bayern das größte zusammenhängende Vorkommensgebiet auf- Phänologie Hauptphase Nebenphase weist. Hier werden Höhenlagen bis 750 m ü.NN besiedelt. Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez In einigen Regionen Bayerns nehmen die Bestände der Winterquartier Art zu und eine leichte Expansion der räumlichen Verbrei- Adulte im Wasser ♂ verbleiben länger als ♀ Vorkommen tung ist zu beobachten. Eiablage, Larvenstadium günstig Adulte (Sommerquartier) ungünstig–unzureichend Juvenile (Sommerquartier) 14 15
S 3 FFH Bechsteinfledermaus § II, IV Myotis bechsteinii Kuhl, 1817 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial Die Bechsteinfledermaus ist – neben der Nym- Die Weibchen bilden »Wochenstubenverbän- phenfledermaus – die am engsten an den Le de«, die alle zwei bis drei Tage das Quartier bensraum Wald gebundene heimische Fleder- wechseln. Eine Kolonie von etwa 20 Weibchen mausart. Sie bevorzugt strukturreiche Laub- nutzt in der Wochenstubenzeit ein Gebiet von oder Mischwälder mit einem großen Angebot circa 300 ha Waldfläche und bis zu 50 Quar an Baumhöhlen, wobei sie vor allem ältere tiere. Die Männchen verbleiben dagegen zum Spechthöhlen mit kuppelförmiger Höhlendecke Teil mehrere Wochen lang im gleichen Quartier. als Quartier annimmt. Nistkästen werden eben- Die individuellen Jagdhabitate liegen in direkter falls gerne bewohnt. Bechsteinfledermäuse Umgebung des Tagesverstecks, im Normalfall jagen in unmittelbarer Umgebung zu ihren in Entfernungen von wenigen hundert Metern. Quartieren, bevorzugt in mehrschichtigen und unterwuchsreichen Buchen- oder Buchen- Eichenwäldern. Vorkommen in Nadelwäldern Beratungsempfehlungen sind selten. Die Bechsteinfledermaus weist eine Erhaltung von Höhlenbäumen (mindestens 5 Stück/ sehr hohe Reviertreue auf. Aus diesem Grund ha) und stehendem Totholz ist eine Kontinuität in ihrem Lebensraum be Förderung von mehrschichtigen Waldbeständen und sonders wichtig. Zur Überwinterung nutzt sie strukturreicher Waldrandgestaltung vermutlich Stollen, Keller oder Höhlen. Kleinflächige Bewirtschaftung Verzicht auf Hiebsmaßnahmen um bekannte Wo- Ernährungsweise chenstuben im Zeitraum von April bis Ende August Die Bechsteinfledermaus gehört zu den »Glea- Vernetzung von Waldgebieten durch Hecken nern«, d. h. sie liest ihre Beute im Rüttelflug von strukturen Mehrschichtige Laubwälder mit einem großen Angebot von Baumhöhlen sind Blättern, Zweigen und vom Boden auf. Vermut- Minimierung von Störungen an bekannten Winter- typisches Jagdhabitat und bevorzugter Lebensraum der Bechsteinfledermaus. lich jagt sie auch krabbelnd auf Ästen. Neben quartieren (Besucherlenkung, Vergitterung) Schmetterlingen und Zweiflüglern zählen daher Verbreitung und Bestandssituation auch viele flugunfähige Gliederfüßer zu ihrem Das Verbreitungsgebiet der Bechsteinfledermaus ist Beutespektrum. weitgehend auf Europa beschränkt. Deutschland be herbergt fast ein Viertel der europäischen Population und hat deshalb eine besondere Verantwortung für diese Art. In Bayern kommt sie vor allem in den großen Phänologie Hauptphase Nebenphase Laubwäldern Frankens (Spessart, Haßberge, Steiger- Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez wald, Frankenalb) vor, in Süd- und Ostbayern ist sie Sommerquartier nur lückenhaft vertreten. Geburt Vorkommen Wochenstuben ungünstig–unzureichend Paarung unbekannt/Daten unzureichend Winterquartier 16 17
S * FFH Großes Mausohr § II, IV Myotis myotis Borkhausen, 1797 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial Große Mausohren sind Gebäudefledermäuse, Die Wochenstubenkolonien weisen eine hohe die strukturreiche Landschaften mit hohem Bindung an ihre Quartiere auf, die sie über Anteil geschlossener Wälder in der Umgebung Jahrzehnte traditionell nutzen. Die Jagdgebie- als Jagdhabitate benötigen. Optimal sind Laub- te liegen in einem Radius bis zu 15 km um die und Mischwälder mit geringer Kraut- und Wochenstube und werden oft über feste Flug Strauchschicht und mehreren Metern hindernis- routen entlang von Hecken, Baumreihen oder freiem Luftraum. Offenland (Äcker, Weiden, anderen linearen Strukturen angeflogen. Jedes Obstgärten, frischgemähtes Grünland) oder Na- Individuum bejagt ein eigenes Gebiet von circa delwälder werden auch, aber seltener genutzt. 30 bis 35 ha Größe – meist über Jahre hinweg. Die Wochenstubenquartiere sind i.d.R. geräu Die Distanzen zwischen Sommer- und Winter- mige, warme sowie störungs- und zugluftfreie quartieren liegen zwischen 50 und 100 (max. Dachstühle in Kirchen oder anderen alten Ge- 200) Kilometern. bäuden. Fledermauskästen oder Baumhöhlen werden nur einzeln von solitär lebenden Männ- chen oder Weibchen ohne Junge besetzt. Die Beratungsempfehlungen Art überwintert in Stollen, Höhlen und Naturverjüngung und Bepflanzungen kleinflächig Kellern. durchführen, damit nicht abrupt großflächig Jagd- habitat (Boden ohne Vegetation) verloren geht Ernährungsweise Erhaltung von Höhlenbäumen Im langsamen bodennahen Flug werden vor Laubbaumanteil erhöhen, wenn zu gering allem Großinsekten am Boden oder im Flug Erhaltung von Strukturen wie Heckenstreifen, Ga erbeutet. Neben Laufkäfern (85 %) gehören leriewälder oder Feldgehölze als Vernetzungslinien Laub- und Mischwälder mit geringem Unterwuchs sind die bevorzugten auch andere Gliedertiere wie zum Beispiel Kohl- und sichere Flugrouten zwischen Wochenstuben- Jagdhabitate des Großen Mausohrs. quartieren und Jagdhabitaten und Wiesenschnaken, Spinnen, Hundertfüßer, Käferlarven, Heuschrecken und Schmetterlings- Minimierung von Störungen an bekannten Winter- quartieren (Besucherlenkung, Vergitterung, Infor Verbreitung und Bestandssituation raupen zum Nahrungsspektrum. mationstafeln) Das Große Mausohr ist eine europäische Art. In Deutsch- land ist es weit verbreitet und zählt zu den nicht selte nen Fledermausarten. Bayern beherbergt die größten Bestände Mitteleuropas. Das Große Mausohr ist hier mit Ausnahme der Hochlagen von Fichtelgebirge, Baye Phänologie Hauptphase Nebenphase rischem Wald und Alpen sowie einiger waldarmer Agrar- Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez landschaften fast flächendeckend verbreitet. Sommerquartier Geburt Vorkommen Wochenstuben günstig Paarung ungünstig–unzureichend Winterquartier 18 19
S 2 FFH Kleinabendsegler § IV Nyctalus leisleri Kuhl, 1817 Lebensraum und Habitatstrukturen Der Kleinabendsegler ist eine typische Wald- und Baumfledermaus. Seine Tagesverstecke und Wochenstubenquartiere befinden sich hauptsächlich in Baumhöhlen und -spalten in alten Laub- und Mischwäldern mit hohen Laub- baumanteilen. Es werden aber auch Fledermaus- kästen und Nisthöhlen angenommen. Teleme trie-Untersuchungen zeigten, dass Abendsegler- Wochenstubenverbände sehr häufig – teilweise täglich – das Quartier wechseln. Ein großes Angebot an Höhlen- bzw. Spaltenbäumen im Insektenreiche Waldlichtungen und Waldränder sind Sommerhabitat ist für die Art dementsprechend typische Jagdhabitate des Kleinabendseglers. wichtig. Die Jagdgebiete werden wahrscheinlich nicht nach Strukturen, sondern nach dem Nah- Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial rungsangebot und freiem Flugraum ausgewählt. Die Art hat einen relativ großen Aktionsradius. Die Weibchen aus Wochenstuben befliegen re- Ernährungsweise gelmäßig etwa 5 km entfernte Gebiete. Einzel- Der Kleinabendsegler zeigt wenig Beute-Spe ne Individuen konnten aber auch schon wesent- zialisierung. Er jagt opportunistisch meist nach lich weiter vom Quartier entfernt beobachtet mittelgroßen Fluginsekten im freien Luftraum werden. Kleinabendsegler zählen zu den Fern- in Höhen von etwa 4 bis 15 m, wo das Nah- wanderern. Sie verbringen den Winter in Quar- rungsangebot reich ist. Dementsprechend wer- tieren in südlichen Regionen und überwinden Baumspalten und -höhlen werden vom Kleinabendsegler als Tagesverstecke den keine Jagdgebiete bevorzugt und die Tiere dabei bis zu 1.500 km. und Wochenstubenquartiere genutzt. wechseln oft in einer Nacht zwischen mehreren Nahrungshabitaten. Als Jagdgebiete werden Verbreitung und Bestandssituation vor allem Lichtungen und Schneisen in Wäldern, Beratungsempfehlungen Der Kleinabendsegler kommt bis auf NW-Schottland, Windwurfflächen, Kahlschläge und andere freie Erhaltung von Höhlen- und Biotopbäumen in aus Skandinavien und Nordrussland in ganz Europa vor. Flugflächen genutzt. Auch über Gewässern, reichender Anzahl Sein Status ist jedoch in vielen Ländern nicht bekannt. Bach- und Flussauen sind Kleinabendsegler bei Erhaltung von Totholz Auch in ganz Deutschland gibt es Nachweise, die Kennt- der Jagd zu beobachten. Ggf. Erhöhung des Laubbaumanteiles nisse zur Verbreitung und Bestandesgröße sind jedoch unzureichend. In Bayern zeigt seine Verbreitung einen deutlichen Schwerpunkt im Nordwesten mit Spessart, Phänologie Südrhön, Mainfränkischen Platten sowie Fränkischem Nicht darstellbar, da Kenntnisse noch unzu Vorkommen Keuper-Lias-Land. reichend. ungünstig–unzureichend unbekannt /Daten unzureichend 20 21
S 3 FFH Mopsfledermaus § II, IV Barbastella barbastellus Schreber, 1774 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial Die Mopsfledermaus kommt in nahezu allen Die Mopsfledermaus ist eine ortstreue Art. Ihre Waldtypen vor. Nadelwald wird ebenso besie Sommer- und Winterquartiere sind meist nicht delt wie Misch- und Laubwald. Die Sommer- weit voneinander entfernt (bis 20 km). In ihrem quartiere von Einzeltieren und Wochenstuben Jagdverhalten ist sie relativ mobil. Ihre Jagdge- (i.d.R. 10–15 Tiere) liegen in Wäldern vor allem biete befinden sich meist in einem Radius von hinter abstehender Rinde von absterbenden 4–5 km um das bewohnte Quartier. In einer oder toten Bäumen, seltener auch in Baumhöh- Nacht werden i.d.R. mehrere Jagdreviere auf len oder -spalten. Wegen ihres häufigen Quar- gesucht, wofür oft Waldwege, Wasserläufe tierwechsels ist die Art auf ein hohes Quartier- und andere lineare Strukturen als Verbindungs angebot angewiesen. Als Sekundärquartiere achsen genutzt werden. Die Mopsfledermaus werden auch Spalten hinter Holzverkleidungen, ist eine niedrigfliegende Art und wird deshalb Fensterläden etc. an Gebäuden genutzt. Die Art überproportional häufig Verkehrsopfer. überwintert hauptsächlich in Höhlen, Kellern und Gewölben, zieht jedoch wegen ihrer Kälte- toleranz erst bei tiefen Frosttemperaturen in Beratungsempfehlungen die unterirdischen Quartiere. Bei milder Winter- Erhaltung von Totholz und Habitatbäumen mit Rin- witterung werden wahrscheinlich Verstecke an dentaschen, Spalten und Höhlen (≥ 4 Spaltenquar- Bäumen als Winterquartier genutzt. tierbäume/ha) Erhaltung/Schaffung von Gehölz(rand)-strukturen Ernährungsweise an verkehrsarmen Straßen oder Wegen, Wasserläu- fen und Feldrainen Mopsfledermäuse sind von ihrem Beutespek Verzicht auf Hiebsmaßnahmen um bekannte Wo- trum her stark auf Kleinschmetterlinge speziali- chenstuben im Zeitraum von April bis Ende August Biotopbäume mit Rindentaschen sind das typische Quartierhabitat der siert, die bis zu 90 % ihrer Nahrung ausmachen Mopsfledermaus. Minimierung von Störungen an bekannten Winter- und im Flug erbeutet werden. Sie jagt vor allem quartieren (Besucherlenkung, Vergitterung, Infor- im Kronenraum des Waldes, aber auch entlang mationstafeln) Verbreitung und Bestandssituation von Strukturen wie Waldrändern und Wald Das Verbreitungsgebiet der Mopsfledermaus ist über wegen. wiegend europäisch mit einer nördlichen Verbreitungs- grenze in England, Irland und Südskandinavien. Inner- halb von Deutschland ist sie vor allem in den ostdeut- schen Bundesländern und in Bayern stärker verbreitet. Phänologie Hauptphase Nebenphase Da rund 16 % der bekannten Vorkommensgebiete in Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Deutschland liegen, hat die Bundesrepublik eine be Sommerquartier sondere Verantwortung für diese Art. Geburt Vorkommen Wochenstuben günstig Paarung ungünstig–unzureichend Winterquartier 22 23
S 1 FFH Luchs § II, IV Lynx lynx Linnaeus, 1758 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial Luchse benötigen störungsarme Rückzugs- Luchse haben enorme Raumansprüche und sind gebiete und besiedeln vor allem größere, un- sehr mobil. Die Reviergröße kann in Mitteleuro- zerschnittene Waldgebiete. Jedoch sind sie pa 50–400 km² betragen. Sie wird durch die auch in der reich strukturierten Kulturland- Faktoren Gelände, Habitatqualität, Beuteange- schaft zu finden, da hier die Rehwilddich- bot und Nachbarreviere beeinflusst. Die Männ- ten höher sind. Dabei sind Wald-Feld-Über- chen, auch Kuder genannt, beanspruchen ge- gänge als Jagdgebiet besonders attraktiv. wöhnlich größere Reviere als die Luchskatzen. Entscheidend für die Entwicklung des Luchsbe- Ernährungsweise standes ist die Anzahl der Weibchen, die Junge Der Luchs ist ein nachtaktiver Pirschjäger, der haben. Luchsweibchen erlangen nach circa zwei seine Beute überrascht und mit einem gezielten Jahren die Geschlechtsreife und bekommen Biss, meist in die Kehle, erlegt. Den Hauptnah- i. d. R. zwei bis drei Junge. Kuder nehmen meist rungsanteil bildet das Reh. Einen geringeren ab dem 3. Lebensjahr an der Paarung teil. Anteil am Beutespektrum machen Gämsen oder Jungtiere anderer Cerviden, aber auch Hasen und Raubwild aus. Nur selten werden Nutz- Beratungsempfehlungen tiere wie Schafe oder Ziegen gerissen. Ein aus- Erhaltung unzerschnittener Waldgebiete gewachsener Luchs frisst im Mittel etwa 1,5 Verzicht auf weitere Erschließung von Wäldern bis 2 kg Fleisch pro Nacht, was etwa einem Reh (öffentliche Straßen/Forstwege) pro Woche entspricht. Schaffung von Grünbrücken (Vernetzung der Teil populationen für genetischen Austausch) Kanalisieren von Wanderwegen, um Ruhezonen Unzerschnittene Waldgebiete mit Felsstrukturen sind das Primärhabitat der Der Luchs unterliegt dem Jagd- zu schaffen Luchse. recht und ist ganzjährig geschont. Vermeidung von Störungen während der Jungen- aufzucht von Mitte Mai bis Juli Verbreitung und Bestandssituation Waldbesitzer und Jagende für Luchse sensibilisieren Nachdem der Luchs in Deutschland vor etwa 200 Jahren Luchssichtungen an das Landesamt für Umwelt ausgerottet worden war, begannen in den 1970er Jah- melden ren aktive Wiederansiedlungsprojekte. Heute gibt es in Deutschland drei voneinander isolierte Luchspopulatio- nen: eine im Harz, eine im Pfälzerwald und die dritte im Bayerischen und südlichen Oberpfälzer Wald sowie dem Phänologie Hauptphase Nebenphase tschechischen Böhmerwald. Bei Zählungen 2019/20 konn- Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez ten deutschlandweit insgesamt 194 Luchse (inkl. 64 Jung- Paarung Vorkommen tiere) nachgewiesen werden, davon allein in Bayern 71 In Tragzeit ungünstig–schlecht dividuen (inkl. 20 Jungtiere). Obwohl die Anzahl der Luch- Wurfzeit kein bekanntes Verbreitungsgebiet se steigt, gilt der Erhalt der Population als nicht gesichert. Führungszeit 24 25
S 2 FFH Wildkatze § IV Felis silvestris Schreber, 1777 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial In Deutschland besiedelt die Wildkatze vor- Außerhalb der Paarungszeit sind Wildkatzen aus- zugsweise struktur- und deckungsreiche Wald gesprochene Einzelgänger. Die Streifgebiete er landschaften. Primär werden alte Eichen- und reichen bei Kudern bis zu 10 km² Größe. Sie über- Buchenmischwälder angenommen - weniger schneiden sich oft mit mehreren, nur circa 2 bis Nadelwälder. Wichtig ist ein hoher Anteil an 5 km² großen Streifgebieten der Katzen. In der Waldrandzonen. Wesentliche Habitatelemente Ranzzeit von Januar bis März sind Wildkatzen sind zudem offene Areale wie Windwürfe, kuder sehr aktiv und die Streifgebiete meist Lichtungen oder Wiesen und Felder. Als Ver größer als im Sommer. Die Weibchen sind schon stecke und für die Aufzucht der Jungen werden mit einem Jahr geschlechtsreif (Männchen erst Fels- und Baumhöhlen, Reisighaufen, Wurzel mit 2 Jahren) und ziehen i.d.R. einen Wurf pro teller, Dickichte, alte Dachs- und Fuchsbauten, Jahr mit bis zu sechs (selten acht) Jungen auf. aber auch Holzpolter genutzt. Nach einem halben Jahr löst sich der Familienver band auf und die Jungen suchen sich ihre eige- Ernährungsweise nen Reviere. Die Hauptnahrung der Wildkatze bilden fast ausschließlich Mäuse (bis zu 90 %). Aber auch Beratungsempfehlungen Kleinvögel, Amphibien, Reptilien oder Fische Erhaltung lichter, strukturreicher Mischwälder mit werden erbeutet. Aas wird gemieden. Die hohen Laubholzanteilen Meinung, Wildkatzen könnten auch größeren Belassen von Bäumen mit Faulhöhlen sowie von Tieren nachstellen, konnte durch umfangreiche starkem, stehendem und liegendem Totholz Untersuchungen widerlegt werden. Diese Fehl- In Gebieten mit Wildkatzenvorkommen auf Ab- einschätzung führte zu einer massiven Ver schuss von Katzen mit Wildfärbung verzichten (Ver- wechslungsgefahr) Die Wildkatze bevorzugt strukturreichen Laubwald als Lebensraum. folgung der Wildkatze, bis sie 1934 durch das Reichsjagdgesetz unter Schutz gestellt wurde. Schaffung von Wanderkorridoren (strukturreiche Waldränder und Uferstreifen, Hecken und Feld gehölze, Grünbrücken oder Wildtunnel an Straßen) Verbreitung und Bestandssituation Sensibilisierung der Waldbesitzer und Verzicht auf In den 1930er Jahren war die Wildkatze in Deutschland Die Wildkatze unterliegt dem Jagd- Abtransport von Holzpoltern zu Beginn der Jungtier- nahezu ausgerottet. Aufgrund der Auswilderungsprojek- recht und ist ganzjährig geschont. aufzucht (April–Juni) in Gebieten mit Wildkatzenvor- te seit den 1980er Jahren (in Bayern: Spessart, Steiger- kommen wald und Bayerischer Wald) hat sich der Bestand in Deutschland wieder auf circa 5.000 Tiere erhöht. In Bayern leben derzeit wieder mindestens 700 Individuen Phänologie Hauptphase Nebenphase (2019) – Trend positiv. Verbreitungsschwerpunkte liegen Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez vor allem nördlich der Donau. Paarung Vorkommen Tragzeit ungünstig–unzureichend Wurfzeit Wurf kann bis August erfolgen kein bekanntes Verbreitungsgebiet Jungenaufzucht (ca. 5 Mon.) 26 27
– * FFH Baummarder § V Martes martes Linnaeus, 1758 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial Der Baummarder ist ein scheuer Bewohner Scheinbar bestimmt das Nahrungsangebot die strukturreicher Waldgebiete. Im Vergleich zum Reviergrößen des Baummarders. Die einzelgän- Steinmarder gilt er als Kulturflüchter, meidet gerischen Marder verteidigen ihre Territorien offene Bereiche und die Nähe menschlicher aggressiv gegen Artgenossen. Männchen be Infrastruktur. Ruheplätze können Kobel von anspruchen bis zu 1.180 ha, Weibchen 700 bis Eichhörnchen, Vogelnester, Baumhöhlen oder 900 ha. Die Tagesverstecke werden von den In- Astgabeln sein. Die Jungen werden meist in dividuen fast täglich gewechselt und nur selten Baumhöhlen zur Welt gebracht, weshalb bio mehrmals genutzt. Die Aufzucht der Jungen topbaumreiche Altbestände eine wichtige findet ab Ende März hauptsächlich in Baum- Struktur im Marderrevier darstellen. höhlen statt. In dieser Zeit hat die Fähe einen wesentlich kleineren Aktionsraum. Im Herbst Ernährungsweise löst sich die Mutter-Familie auf. Die jungen Der Baummarder hat ein recht breites Beute- Baummarder suchen dann nach freien Revieren. spektrum. Der Hauptbestandteil liegt bei kleinen Beutetieren wie Mäuse, Vögel oder Insekten. Früchte, Regenwürmer und auch Beratungsempfehlungen Säugetiere bis Hasengröße wurden bei Nah- Förderung von strukturreichen, biotopbaumreichen rungsanalysen ebenfalls nachgewiesen. Altbeständen Fragmentierung noch unzerschnittener Waldgebiete vermeiden Der Baummarder unterliegt dem Große strukturreiche Waldgebiete sind der Lebensraum der Baummarder, Jagdrecht. Die Jagdzeit erstreckt die als »Kulturflüchter« menschliche Nähe meiden. sich in Bayern vom 16. Oktober bis zum 28. Februar. Verbreitung und Bestandssituation Der Baummarder ist in ganz Europa verbreitet und hat fast überall einen günstigen Erhaltungszustand. Auf Grundlage der Streckenlisten auf Hegegemeinschafts ebene liegen für Bayern flächendeckende Nachweise vor. Phänologie Hauptphase Nebenphase Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Ranzzeit Tragzeit (260–290 Tage) Pausierende Embryonalentwicklung Vorkommen Wurfzeit günstig Jungenaufzucht 28 29
– * FFH Iltis § V Mustela putorius Linnaeus, 1758 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial Feuchtgebiete sind die primären Lebensräume Iltisse sind dämmerungs- und nachtaktive Jäger. des Iltisses. Sekundär nutzt er strukturreiche Die Streifgebiete sind 1 bis 11 km² groß, je nach Waldränder und Landschaften mit Hecken. Nahrungsangebot und Lebensraumqualität. Im Winter trifft man ihn auch in der Nähe Obwohl sich die Territorien innerhalb der ver- des Menschen, mit Ruheplätzen zum Beispiel schiedenen Geschlechter stark überschneiden, in Holzstößen, Feldscheunen oder auf Bauern- gehen sich diese weitgehend aus dem Weg. höfen. Ernährungsweise Beratungsempfehlungen Auf dem Speiseplan des Iltisses stehen haupt- Erhaltung des Lebensraums durch Verzicht auf Ent- sächlich Amphibien und Kleinsäuger. Weitere wässerungsmaßnahmen, Verrohrung von Gräben Beutetiere sind Hasenartige, Insekten, seltener sowie weitere Intensivierung der Landwirtschaft auch Vögel, Eier oder Früchte und im Winter Bei Bau von Brücken über Gewässer auf einen ausrei- vermehrt Aas. Die Zusammensetzung variiert chend breiten Uferrandstreifen für die Durchgängig- keit achten, damit weniger Straßenverkehrsopfer zu stark durch die jahreszeitliche Verfügbarkeit verzeichnen sind der Nahrung. Es werden auch Nahrungsvorräte Wiedervernässungsmaßnahmen und Anlage von angelegt. strukturreichen Waldrändern schaffen neue Lebens- räume mit zusätzlichem Nahrungsangebot Der Iltis unterliegt dem Jagdrecht. Die Jagdzeit erstreckt sich in Bayern vom 1. August bis zum 28. Februar. Der primäre Lebensraum des Iltisses erstreckt sich entlang natürlicher In der Streckenliste hat sich die Zahl Gewässer. der gemeldeten Iltisse in Bayern seit 1985 kontinuierlich auf etwa 800 Stück halbiert. Verbreitung und Bestandssituation Der Iltis ist nur in Europa verbreitet. Der Erhaltungs zustand reicht in den einzelnen Ländern von »un günstig« bis »günstig«, zum Teil ist er nicht bekannt. In der kontinentalen biogeografischen Region wurde er zuletzt (2019) mit »ungünstig« und negativem Gesamttrend bewertet. Im Alpenraum befindet er sich stabil in einem »günstigen« Erhaltungszustand. Phänologie Hauptphase Nebenphase Vorkommen Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez günstig Ranzzeit ungünstig–unzureichend Wurfzeit 30 31
– * FFH Alpenschneehase nival alpin § V Lepus timidus subalpin Linnaeus, 1758 montan kollin planar Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial In den Alpen ist der Schneehase meist oberhalb Der Alpenschneehase ist vorwiegend nachtak- von 1.200 m ü.NN anzutreffen. Im Winter kommt tiv, wobei seine Aktivitätsschwerpunkte in der er auch in tieferen Lagen bis 800 m vor. An das Dämmerung liegen. Die Aktionsräume mehre- Hochgebirge ist er mit seiner gedrungenen Ge- rer Individuen können sich überschneiden und stalt, der jahreszeitlich wechselnden Farbe des es wird kein eigenes Territorium belegt oder Fells und den weit spreizbaren Hinterpfoten mit verteidigt, meist sind sie jedoch einzelgänge- langen Borsten optimal angepasst. Er benötigt risch unterwegs. Zwischen den Sommer- und ein deckungsreiches, aber nicht geschlossenes Ge- tiefer gelegenen Wintereinständen finden lände. Meist findet man ihn zwischen Wald- und saisonale Wanderungen statt. Die Häsinnen Baumgrenze mit enger Verzahnung von Nah- können bis zu zweimal im Jahr trächtig werden, rung und Deckung. Durch den Klimawandel und mit Wurfgrößen zwischen zwei und vier Jun- der damit verbundenen Höhenwanderung der gen. Kreuzungen mit dem Feldhasen in Über- Gehölze nimmt seine Lebensraumfläche ab und lappungsbereichen zeugen unfruchtbare Nach- seine Vorkommen werden stärker fragmentiert. kommen, wodurch sich der Bestand verringert In klimawandelbedingten schneearmen Wintern und der Genpool verarmt. Fast alle naturschutz- macht ihn das weiße Fell zur leichten Beute. relevanten Populationsparameter sind unbe- kannt, weshalb Freilandforschung mit jeglicher Ernährungsweise Fragestellung zu unterstützen ist. Die Nahrung richtet sich nach Jahreszeit und ört- lichem Angebot: im Sommer vorzugsweise Grä- ser, Kräuter und Zwergsträucher, im Winter ein Beratungsempfehlungen hoher Anteil von Zweigen und Rinden verschie- Lenkung von Tourismus, besonders im Winter, da Der Schneehase trägt nur im Winter »Weiß«. In den anderen Monaten ist dener Holzarten und Sträucher. Zur besseren die Art störungsempfindlich ist er mit seinem braunen Sommerfell ebenfalls hervorragend getarnt. Verwertung der Nahrung nimmt er Blinddarm Erhaltung von Deckung, da neben dem Fuchs Feinde losung auf und verdaut sie ein zweites Mal. wie z. B. Steinadler, Kolkrabe, Uhu und bei den Jung- Verbreitung und Bestandssituation hasen Raben und Alpendohlen vor allem aus der Luft kommen Der Schneehase kommt in Europa in Fennoskandinavien nördlich des 52. Breitengrades, in Schottland mit den Der Alpenschneehase unterliegt Shetland- und Färöer-Inseln, in Irland sowie im Alpen- dem Jagdrecht und ist ganzjährig geschont. raum vor. Die verschiedenen Populationen werden als Unterarten gesehen, wobei in den Alpen und damit in Bayern Lepus timidus varronis (Miller, 1901) lebt. Phänologie Hauptphase Nebenphase Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Vorkommen Paarung günstig Setzzeit kein bekanntes Verbreitungsgebiet Weißes Winterhaar 32 33
S * FFH Biber § II, IV Castor fiber Linnaeus, 1758 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial Der Biber ist eine Charakterart großer Fluss- Als »Landschaftsarchitekt« gestaltet der Biber auen und besiedelt bevorzugt Weichholzauen seinen Lebensraum und trägt durch seine Bau und Altwasserarme, aber auch Seen und klei- tätigkeit zur Renaturierung der Gewässer bei. nere Fließgewässer. Voraussetzung für seine Somit ist er eine Schlüsselart für eine Reihe von Ansiedlung ist ein gutes Nahrungsangebot, Folgearten. Die Strukturanreicherung wirkt sich zum Beispiel krautige Uferrandstreifen und ein positiv auf die Anzahl und Biomasse von vielen hoher Anteil an Weichlaubholz – insbesondere anderen gefährdeten Tierarten (z. B. Fische, Weiden und Pappeln. Seinen Bau (Biberburg) Spechte, Fledermäuse) aus. Die Revierlänge be- legt der Biber im Uferbereich des Gewässers trägt an Flüssen zwischen 0,1 und 5 km, wobei an. Grabbare Ufer sind deshalb günstig. Der sich seine Hauptaktivität vor allem auf Gewäs Eingang liegt permanent unter Wasser, um serrandstreifen von 20 m konzentriert. Neue sich vor Feinden zu schützen. Um den Was- Lebensräume werden durch reviersuchende sub- serstand im Revier zu regulieren und um sich adulte Biberpaare erschlossen. Biber sind an die Nahrungsquellen zu erschließen, bauen Biber aquatische Lebensweise gut angepasst. Sie be Dämme, fällen Bäume und legen Kanäle an. sitzen Schwimmhäute zwischen den Zehen der Hinterfüße und bewegen sich bevorzugt schwim- Ernährungsweise mend. Am aktivsten sind Biber im Frühjahr nach Der Biber ist ein reiner Pflanzenfresser. Er er- der harten Winterzeit und im Herbst, wenn sie nährt sich im Sommer von Kräutern der Ufer sich Fettreserven für den Winter anfressen. vegetation und von Wasserpflanzen, im Winter von Wasserpflanzenrhizomen und Rinde, be Beratungsempfehlungen vorzugt von Weiden oder Pappeln. Als Gehölz Gewässerrandstreifen von mindestens 10 m (besser Entlang von Flüssen und Gewässern gestaltet der Biber als Landschafts äsung werden vor allem schwache Stämme 20 m) aus der Nutzung nehmen, um Konflikte mit architekt mit Dammbauten seinen Lebensraum. unter 5 cm bevorzugt, aber auch Bäume mit Bewirtschaftern und Anwohnern zu vermeiden 50 cm Durchmesser und darüber können vom Ggf. Anlage von Weichlaubholzstreifen entlang von Verbreitung und Bestandssituation Biber gefällt werden. Gewässern Nachdem der Biber in Europa beinahe vollständig aus Keine Uferversteinung gerottet worden war, begannen in Bayern in der zweiten Gewässerzerschneidung vermeiden Hälfte des 20. Jahrhunderts Wiederansiedlungsmaßnah- men, die von den zuständigen Ministerien gefördert wurden.Inzwischen hat der Biber fast alle bayerischen Flusssysteme wieder besiedelt und in vielen Gebieten Phänologie Hauptphase Nebenphase sind alle Reviere besetzt. Der Ausbreitungsprozess findet Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez momentan vor allem noch in den Alpen und in Unter- Paarung Vorkommen franken statt. Der Biberbestand in Bayern wird aktuell Tragzeit (105–107 Tage) günstig (2021) auf etwa 22.000 Tiere in 6.000 Revieren geschätzt. Wurfzeit Säugezeit 34 35
S 1 FFH Baumschläfer § IV Dryomys nitedula Pallas, 1778 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial Der geschickte Kletterer nutzt Wälder in Berg Im Sommer dienen Nester und selten auch Vo- lagen mit kühlfeuchtem Innenklima, üppiger gelkästen als Unterschlupf. Für den Winter sucht krautiger Bodenvegetation und Strauchschicht, der Baumschläfer Baum- oder Erdhöhlen auf. oft in der Nähe von Gewässern. Die Unterart Nach älteren Untersuchungen scheinen die intermedius soll sich nach Wettstein hauptsäch- Baumschläfer eine hohe Ortstreue aufzuweisen. lich in Fichten-Mischwäldern zwischen 1.000 Es gibt einen Wurf pro Jahr, bei dem etwa zwei und 1.550 m ü.NN aufhalten. Baumhöhlen sind bis sechs Junge geboren werden. Vieles ist bis wichtige Strukturen im Lebensraum. Nistkästen her noch ungeklärt und es besteht dringender werden ebenfalls genutzt. Forschungsbedarf. Funde sind möglichst mit Fotonachweis zu melden. Bei gefangenen Tie- Ernährungsweise ren sollte zudem noch das Geschlecht, der Re- Der Baumschläfer ist ein Allesfresser. Je nach produktionszustand und das Alter (juvenil oder Jahreszeit und Nahrungsangebot frisst er Knos- adult) bestimmt werden. pen im Frühjahr, später überwiegend Insekten oder seltener auch kleine Vögel und deren Nestlinge sowie andere Kleinsäuger. Im Herbst Beratungsempfehlungen wechselt er vermehrt auf Früchte und Samen, Erhaltung mehrschichtiger, unterwuchsreicher die einen hohen Fettanteil aufweisen. Mischwälder mit kühlfeuchtem Innenklima in Gewässernähe Erhaltung von Biotopbäumen (Baumhöhlen) Anbringung von Nistkästen, obwohl der Baum schläfer auch selbst freistehende Nester bauen kann Strauchreiche Bergmischwälder und Baumhöhlen sind die wichtigen Lebens- Vermeiden von intensiven Durchforstungsmaß raum-Merkmale unseres seltensten Bilches. nahmen in Vorkommensgebieten (Verlust des kühl- feuchten Innenklimas) Verbreitung und Bestandssituation Der Baumschläfer ist der seltenste Bilch in Deutschland. Nach 2010 wurde der einzige aktuelle Nachweis des Baumschläfers in Bayern 2017 südwestlich von Brannen- burg in einem Nistkasten mit Jungtieren erbracht. Ältere Fundpunkte gehen auf 1951 bis 1993 zurück. Nach Phänologie Hauptphase Nebenphase Schedl ist das Verbreitungsgebiet der Tiroler Unterart Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez intermedius auf den Alpenraum beschränkt, somit ist Paarung ein Vorkommen nur in Südbayern wahrscheinlich. Tragzeit (ca. 9–10 Wochen) Vorkommen Wurfzeit unbekannt/Daten unzureichend Säugezeit kein bekanntes Verbreitungsgebiet Winterschlaf 36 37
S * FFH Haselmaus § IV Muscardinus avellanarius Linnaeus, 1758 Lebensraum und Habitatstrukturen Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial Die Haselmaus bewohnt Laub- und Mischwälder Die Aktionsräume der Art sind kleinräumig und mit artenreichem Unterwuchs, strukturreiche liegen bei beiden Geschlechtern unter einem Waldsäume und breite, artenreiche Hecken. Hektar, wobei die der Weibchen kleiner sind als Hier findet sie ausreichend Nahrung und Ver- die der Männchen. Da Haselmäuse vor allem steckmöglichkeiten. Sie ist ein Kletterkünstler dämmerungs- und nachtaktiv sind, werden sie und meidet Bodenkontakt. Für den Winter- vom Menschen kaum wahrgenommen. Die Paa- schlaf gräbt sie sich in Laubstreu oder lockeren rungszeit beginnt im Anschluss an den Winter- Boden ein oder nutzt frostsichere Baumhöhlen schlaf. Die Weibchen können pro Sommer bis und Nistkästen. zu zwei Würfe hervorbringen, wobei ein Wurf aus einem bis sechs Jungen besteht. Diese sind Ernährungsweise mit etwa einem Jahr geschlechtsreif. Die Sterb- Die Haselmaus ernährt sich pflanzlich und tie- lichkeitsrate von Haselmäusen im Winter ist mit risch. Ihr Speiseplan variiert je nach Jahreszeit 60 bis 80 % sehr hoch. und Nahrungsangebot: Im Frühjahr frisst sie Knospen und Blüten, im Sommer Früchte, Beeren, Insekten, Schnecken und Würmer, im Beratungsempfehlungen Herbst Haselnüsse, Eicheln, Bucheckern und Erhaltung und Wiederherstellung von Hecken- und Kastanien, um sich eine Fettschicht für den Gehölzstrukturen im Offenland, um Durchgängig- Winter anzulegen. keit zu gewährleisten und Waldgebiete zu vernetzen Aufbau von stufigen, strukturreichen Waldrändern, die Nahrung und Versteckmöglichkeiten bieten Pflanzung/Erhaltung von Mastbäumen wie Kas tanie, Eiche oder Buche als Nahrungsangebot im Hecken und Sträucher sind der Lebensraum der Haselmaus, die hervor- Herbst ragend klettern kann und den Waldboden nur in Ausnahmefällen aufsucht. Belassen von Höhlenbäumen und Totholz im Be- stand Verbreitung und Bestandssituation Die Haselmaus ist in weiten Teilen Mitteleuropas ver- breitet. In Deutschland liegt das Hauptverbreitungs gebiet im Südwesten. In Bayern kommt sie verstärkt in Unterfranken und im Bayerischen Wald vor. Die Art aus der Familie der Bilche ist besonders bedroht durch die Fragmentierung geeigneter Lebensräume. Sie dient Phänologie Hauptphase Nebenphase als Zeigerart für arten- und strukturreiche Wälder. Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Paarung Vorkommen Sommeraktivität günstig Wurfzeit ungünstig–unzureichend Winterruhe 38 39
– R FFH Alpensteinbock nival § V alpin Capra ibex subalpin Linnaeus, 1758 kollin planar Lebensraum und Habitatstrukturen Ernährungsweise Der Alpensteinbock hat seine Hauptverbreitung Zu 60 bis 90 % ernährt sich der Alpensteinbock in Höhenlagen zwischen 1.600 und 3.200 m von Gräsern. Den Rest bilden Kräuter und Laub- ü.NN. Er bevorzugt steile, südseitige und felsige gehölze. Er gilt als typischer Raufutterverwerter. Hänge in niederschlagsarmen Regionen. Meist ist er oberhalb der Waldgrenze zu finden, da Raumnutzung und Ausbreitungspotenzial runter hält er sich nur in gut besonnten und Im Jahresverlauf wechseln die Steinböcke auf- felsigen Waldpartien auf. Bewaldete Täler wer- grund der Nahrungsverfügbarkeit ihre Aufent- den gemieden. haltsorte regelmäßig. Im Winter werden süd exponierte, steile und fast schneefreie Hänge aufgesucht. Im Frühjahr werden tiefere Lagen bevorzugt, wo die Hänge schon früh ausapern. Im Laufe des Sommers steigen sie mit der Schneeschmelze weiter auf, bis sie im Spätsom- mer und Herbst die höchsten Lagen erreichen. Böcke und Geißen leben überwiegend ge- trennt, nur während der Brunftzeit finden sie zusammen. Beratungsempfehlungen Hausziegen aus dem Lebensraum der Steinböcke Die Geißen gebären im Juni meist ein Kitz. Sie leben fernhalten (Einkreuzungsgefahr) Der Alpensteinbock lebt überwiegend in den südseitigen Felshängen. in sogenannten »Geißenrudeln« zusammen. Lenkung des Luftsports, wie Gleitschirmfliegen Bewaldete Bergtäler werden von den Tieren gemieden. und Ballonfahren, da dieser zu heftigen und weiten Fluchten führt Verbreitung und Bestandssituation Der Alpensteinbock unterliegt Anfang des 19. Jahrhunderts war die Art, welche nur dem Jagdrecht und ist ganzjährig geschont. in den Alpen vorkommt, bis auf circa 100 Exemplare im italienischen Nationalpark Gran Paradiso fast völlig ausgerottet. Durch Wiederansiedlungsmaßnahmen und natürliche Ausbreitung hat sich der Bestand wieder deutlich erholt. In fünf Populationen im deutschen Alpenraum lebten 2010 circa 450 Stück, im Jahre 2016 Phänologie Hauptphase Nebenphase schon fast 800 Stück Steinwild. Monat Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Vorkommen Brunftzeit günstig Tragzeit (ca. 5,5 Monate) kein bekanntes Verbreitungsgebiet Setzzeit 40 41
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