Transformatives Forschen, Lehren und Handeln im Rheinischen Braunkohlerevier - VHW

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Transformatives Forschen, Lehren und Handeln im Rheinischen Braunkohlerevier - VHW
Stadtentwicklung
                                          Transformatives Forschen, Lehren und Handeln im Rheinischen Braunkohlerevier

Isabel Maria Finkenberger

Transformatives Forschen,
Lehren und Handeln im Rheinischen
Braunkohlerevier
Die Institution Hochschule hat das Potenzial, über transformatives Forschen und Lehren und den entsprechenden
Wissenstransfer in den lokalen Kontext strategisch-verlässliche Partnerin der Großen Transformation zur Nachhal-
tigkeit zu werden und bei der Ausbildung von Pionierinnen und Pionieren des Wandels mitzuwirken. Der Lehr- und
Forschungsschwerpunkt „Zukunftsfähige Transformation” am Fachbereich Architektur der FH Aachen widmet sich
seit 2020 dem Tagebauumfeld Hambach im Rheinischen Revier, um dort angewandt und in Kooperation neue Narrati-
ve, innovative Prozesse, ortsbezogene Konzepte und strategische Projekte zu entwickeln und umzusetzen.

Im Kontext der aktuellen Transformationsaufgaben steht                      Strukturprogramm für das Rheinische Revier formuliert,
die bisherige Planungs- und disziplinäre Praxis auf dem                     das sich weitestgehend als Wirtschaftswachstumspro-
Prüfstand. Auch, da die große Transformation zur Nach-                      gramm entpuppt. Nicht einmal taucht im Zukunftsfeld
haltigkeit mit der bisherigen Perspektive und den damit
                                                                            Raum und Infrastruktur der Begriff Suffizienz auf,2 Kul-
verbundenen gängigen Denk-, Handlungs- und Organisa-
                                                                            tur wird weitestgehend schwammig auf Kulturlandschaft
tionsweisen bricht, die technologische Innovationen als
Grundlage des Wandels begreift: Anstelle der bisherigen                     reduziert, und die Internationale Bauausstellung wird mit
Praxis ist laut Uwe Schneidewind (2018) in dieser dritten                   dem „Zusatz-T“ versehen – T für Technologie und damit
großen Systemumwandlung ein von vielen Akteuren getra-                      dem Symbol für die zweite große Systemumwandlung der
gener kultureller Wandel und eine Kultur des Verhandelns                    Industrialisierung aus dem vergangenen Jahrtausend.
und Aushandelns als Motor für Veränderung an erster Stel-                   Und – bei allem Respekt für die klugen Denkerinnen
le notwendig – und erst anschließend die Frage nach den
                                                                            und Denker kreislaufgerechten Bauens im Revier – auch
hierfür notwendigen Institutionen, Ökonomien und Techno-
                                                                            monofunktionale Neubaugebiete mit geringer Dichte aus
logien, um diese zu erreichen, zu klären.
                                                                            recyclierbaren Baustoffen sind eben nichts anderes als
Die FH Aachen, seit 2020 u. a. Mitglied der Transferalli-                   ebendas.
anz Rheinisches Revier (TARR)1, ist strategisch interes-
sant verortet: gelegen zwischen Rheinschiene und struk-                     Fakt ist: Es gibt derzeit weniger ein Wissens- denn ein Um-
turschwachen Kontexten, in der Euregio Maas-Rhein                           setzungsproblem. Gerade deshalb sollten wir uns mehr
– dem Dreiländereck zwischen Niederlande, Belgien                           auf die sogenannte „Phase 0“ (vgl. Baukultur Nordrhein-
und Deutschland mit seinen differenzierten Identitäten,                     Westfalen 2022) und mögliche Ansätze der notwendigen
Planungskontexten und länderspezifischen Wissens-
                                                                            kulturellen Wende konzentrieren. Auch aus diesem Grund
kompetenzen – und natürlich an der westlichen Grenze
                                                                            ist es die gesellschaftliche Aufgabe der Hochschulen, sich
des Rheinischen Braunkohlereviers, der größten Land-
schaftsbaustelle Europas. Trotz der Nähe zu den gro-                        proaktiv, angewandt und ortsbezogen in die drängenden
ßen Städten ist der Kontext eher ländlich geprägt, und                      heutigen und zukünftigen Transformationsaufgaben der
das aktuelle Planungswissen im Kontext der Klimakrise                       Stadt-Land-Kontexte einzubringen: Lehrend durch Bildung
wird hier vielfach noch nicht angewandt oder aufgrund                       für nachhaltige Entwicklung (BNE), entwerfend durch das
der Konkurrenzangst vor eben diesen Städten ausge-                          Entwickeln innovativer Raumkontexte und von Next-Prac-
setzt. Weiterhin werden Siedlungsgebiete auf wertvollen
                                                                            tice-Projekten, angewandt durch das Verbünden mit den lo-
Ackerflächen ausgewiesen oder diese mit dem Heilsver-
                                                                            kalen Akteuren, und den kulturellen Wandel vorantreibend
sprechen der Braunkohle aus dem vergangenen Jahr-
hundert abgebaggert, werden mit der Angsterzählung                          durch den Fokus auf das Allgemeinwohl sowie das Führen
von sich reduzierenden Arbeitsplätzen monofunktiona-                        der hierfür notwendigen Debatten auf breiter gesellschaft-
le Gewerbegebiete entwickelt und ein Wirtschafts- und                       licher Ebene.

1 Die TARR ist eine Hochschulkooperation unter Beteiligung der FH Aachen,   2 Der Begriff der Ressourcensuffizienz wird lediglich im Zukunftsfeld Ressour-
  der Katholischen HS NRW, der HS Bonn-Rhein-Sieg, der TH Köln, der RFH       cen und Agrobusiness und Bezug auf Ressourceneffizienz und -konsistenz
  Köln und HS Niederrhein.                                                    erläutert. (vgl. Zukunftsagentur Rheinisches Revier 2021, S. 55 f., 69)

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Stadtentwicklung
         Transformatives Forschen, Lehren und Handeln im Rheinischen Braunkohlerevier

Das Reallabor als Format des                                Mit diesem Verständnis engagiert sich das Lehrgebiet
                                                            Stadtplanung, Transformation und Prozessgestaltungen
transformativen Lernens und einer
                                                            mit seinem Lehr- und Forschungsschwerpunkt Zukunftsfä-
transformativen Wissenschaft                                hige Transformation insbesondere im Rheinischen Revier.
Netto Null, Innenentwicklung und Bauen im und mit dem       Im Folgenden werden einzelne Konzepte und Projekte aus
Bestand statt Flächenneuausweisung und dem heute gän-       Lehre und Forschung vorgestellt.
gigen ressourcenintensiven Bauwesen, die Übertragung
der insbesondere in Städten diskutierter, aber auf dem
Land weitestgehend noch nicht angewandter Nutzungs-
und Bautypologien oder Strategien der Klimaanpassung
und Suffizienz – die Differenz zwischen Fachdiskurs,
Hochschulwissen, Kommunalpolitik und Planungsalltag
ist immens. Ein Grund, um im Rahmen der anstehenden
Herausforderungen enger zusammenzuarbeiten und den
Wissenstransfer zwischen Theorie, Alltagswissen der
größtenteils vor Ort aufgewachsenen Studierenden, den
Akteuren vor Ort und der lokalen Bevölkerung voranzu-
treiben.

In den vergangenen Jahren hat sich das Instrument des
Reallabors etabliert. Reallabore beschreiben das struk-
                                                            Abb. 1: Oberstraße in Morschenich-Alt
turierte Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis
(= Zivilgesellschaft und Praxisakteure) mit den drei ele-
mentaren Co-Strategien Co-Design, Co-Produktion und
                                                            Eine Transformationsstrategie für
Co-Evaluation. Ziel von Reallaboren ist die Erforschung,    Morschenich-Alt zu einem Ort der Zukunft
sukzessive Weiterentwicklung und permanente Verbes-         Gemeinsam mit der Gemeinde Merzenich und weiteren Ak-
serung alltäglicher Handlungspraxen bei gleichzeitiger      teuren entwickelt der Lehr- und Forschungsschwerpunkt
Eliminierung überkommener Denk- und Handlungswei-           seit Herbst 2020 einen Transformationsprozess für den
sen Richtung Nachhaltigkeit. Diese Handlungspraxen sind     Ortsteil Morschenich-Alt zu einem in der Leitentscheidung
eng verwoben mit einer neuen Art des transformativen        2021 (Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung
Lernens. Reallabore sind also eine Art Realitätscheck der   und Energie – MWIDE des Landes Nordrhein-Westfalen
Wissenschaft, innerhalb derer sie direkt und unmittelbar    2021) festgeschriebenen Ort der Zukunft (ebd. „Entschei-
wirksam werden können.                                      dungssatz 14: Morschenich mit neuer Perspektive“). Neben
Transformatives Lernen gilt laut Uwe Schneidewind als ein   der Betrachtung des Ortes selbst liegt der Fokus auf dem
„wichtiger Baustein einer transformativen Wissenschaft“,    südlichen Vorland des Tagebaus Hambach, der aufgrund
das in Reallaboren konkret gestaltet werden kann. „Trans-   der Massenproteste um den sogenannten Hambacher Forst
formatives Lernen bedeutet, Wissen, Haltung und Fähig-      zumindest in Teilen nicht mehr bergbaulich in Anspruch ge-
keiten in Lernprozessen zu entwickeln. Transformatives      nommen werden wird und als Zukunftsvorland im Rahmen
Lernen ist ein wichtiger Baustein einer transformativen     der derzeit konzipierten Internationalen Bau- und Techno-
Wissenschaft, die sich nicht nur auf die Produktion von     logieausstellung (IBTA) zu einem „Demonstrationsraum für
Systemwissen [Problem-Analyse], sondern auch auf die        Next-Practice-Projekte“ (Zukunftsagentur Rheinisches Re-
Entstehung von Zielwissen [Visionsentwicklung] und von      vier 2021, S. 123) entwickelt werden könnte.
Transformationswissen [Experimente + Diffusion & Ler-
                                                            Insbesondere vier informelle Instrumente sollen diesen
nen] konzentriert […]. In der transformativen Wissenspro-
                                                            Prozess samt Zielvorgaben der Gemeinde Merzenich und
duktion geht es nicht nur um neue Arten des ‚Forschens‘,
                                                            des Kreises Düren Richtung Klimaneutralität untermauern:
sondern auch um neue Formen des Lernens. ‚Transfor-
matives Lernen‘ bzw. ‚Transformative Bildung‘ […] zielt     ■ Das Zukunftsbild ist eine Projektion in die Zukunft und
auf ein Lernen, das eigene Denkweisen und Vorannahmen          formuliert Ambitionen, Zielvorstellungen und Hand-
reflektiert und diese erweitert. Im Kontext von Transfor-      lungsprinzipien, ohne einen konkreten Endzustand vor-
mationsprozessen zu einer nachhaltigen Entwicklung zielt       zugeben. Es entsteht im Rahmen eines differenzierten
transformative Bildung zudem auf ein Verständnis von           Partizipations-, Teilhabe- und Aushandlungsprozesses
Handlungsoptionen und Lösungsansätzen […] und stärkt           und dient zur Klärung grundlegender Entwicklungsper-
damit Kompetenzen von Pionierinnen und Pionieren des           spektiven, aus denen im nächsten Schritt Entwicklungs-
Wandels.“ (Schneidewind 2018, S. 474)                          pfade abgeleitet werden können.

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Stadtentwicklung
                                        Transformatives Forschen, Lehren und Handeln im Rheinischen Braunkohlerevier

■ Der Dynamische Masterplan ist ein strategisch-räum-                     Welche Betriebs- und Trägerschaftsstrukturen sind sinn-
   liches, jedoch elastisches Planungsinstrument, das die                 voll? Zu welchen Bedingungen wird der Boden wem über-
   Transformation von Räumen prozesshaft steuert. Er in-                  lassen? Die Ergebnisse sollen entsprechend in den lokalen
   tegriert langfristige Setzungen oder nicht verhandelba-                Kontext rückgekoppelt und ganz konkret mit Blick auf die
   re infrastrukturelle Bausteine, weiche Parameter und                   20+-ha Siedlungsfläche von Morschenich-Alt mit den be-
   Spielregeln sowie anwendungsorientierte Organisati-                    troffenen Akteuren verhandelt werden.
   ons- und Managementstrukturen.
■ Die Transformationsfibel formuliert die Spielregeln der                 Ein Campus für transformatives Forschen,
   zukünftigen Transformation. Sie definiert Bewertungs-                  Lernen und Handeln als Kaderschmiede von
   und Vergabekriterien, beschreibt baukulturelle und
                                                                          Pionierinnen und Pionieren des Wandels
   architektonische Grundsätze sowie Produktionsweisen
   und trifft Aussagen, wie die formulierten Ambitionen und               In Kooperation mit den Künstlerinnen und Künstlern
   Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können.                           ELEF38 um die Szenografin Mona el Gammal und der Ge-
                                                                          meinde Merzenich wurde beim Projektaufruf Revier.Ge-
■ Und die Bodenpolitische Agenda ist ein strategisches
                                                                          stalten der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) ein
   Instrument, das die bodenpolitischen Maßnahmen für
                                                                          Konzept für einen Campus für transformatives Forschen,
   eine gemeinwohlorientierte Liegenschaftspolitik skiz-
                                                                          Lernen und Handeln in Morschenich-Alt eingereicht. Ziel
   ziert und Fragen von Eigentum, Vergabe und Finanzie-
                                                                          dieser Diskurs- und Ideenschmiede in Morschenich-Alt
   rung für die zukünftige Entwicklung klärt.
                                                                          ist es, Bildungs-, Nachhaltigkeits- und Transformations-
Gerade die Frage nach einer gemeinwohlorientierten Bo-                    themen synergetisch miteinander in Beziehung zu setzen,
denpolitik hat hochaktuell wieder an Brisanz gewonnen: In                 abstrakte und überlokale Fragestellungen im konkreten
den vergangenen Jahrzehnten hatte die RWE Power AG auf-                   Raum zu verankern, unterschiedliche Akteure und Interes-
grund der politisch verabschiedeten Braunkohlepolitik das                 sen – Bildungs- und Forschungsinstitutionen, Kommunen
Mandat zum Zugriff auf die Siedlungs- und Agrarflächen                    und Entwicklungsgesellschaften, lokale Unternehmen und
nach Bergrecht und über entsprechende Entschädigungs-                     lokal Wirtschaftende, Initiativen, Kulturschaffende und Zi-
leistungen. Spätestens mit den Protesten und den weltweit                 vilgesellschaft sowie (inter-)nationale Akteure des Wandels
für Aufsehen sorgenden Friday/Scientists/Architects…-for                  – zusammenzubringen, kooperative und gemeinwohlorien-
Future-Aktivitäten sowie dem Beschluss um den frühe-                      tierte Handlungspraxen zu etablieren und transdisziplinär
ren Kohleaussteig bis 2038 – laut Koalitionsvertrag sogar                 entwickelte Next-Practice-Projekte konkret umzusetzen.
„idealerweise“ bis 2030 (Koalitionsvertrag 2021, S. 58) mit               Von der Zukunft aus gedachte Narrative abseits der immer
entsprechender Verkleinerung der Abbauflächen – hat sich                  noch gängigen Wachstumserzählung, strategische Struk-
das Mandat im Sinne des Allgemeinwohls beinahe schon                      turprojekte, innovative Planungsinstrumente, konkretes
radikal Richtung Klimapolitik und den hiermit verbundenen                 Handeln und neue Formate der Teilhabe und des Miteinan-
Maßnahmen verschoben. Und auch die Neue Leipzig-Charta                    ders treffen vor Ort aufeinander und machen den Struktur-
(2020) fordert in ihren Leitlinien u. a. Gemeinwohlorientie-              wandel ganz konkret erlebbar. Insbesondere aber soll der
rung, einen integrierten Ansatz sowie Beteiligung und Ko-                 Campus als Kondensator, Sozialverdichtungsapparat und
produktion. Mit einem Expertinnen- und Expertenworkshop                   Ort des konkreten Handelns Menschen ermutigen, als Pio-
Bodenpolitik     widmet
sich der Lehr- und For-
schungsschwerpunkt
daher dezidiert der
grundsätzlichen Frage,
wie die nicht mehr in
Anspruch zu nehmen-
den Flächen gemein-
wohl- und zukunfts-
orientiert    entwickelt
werden können: Welche
Formen des Eigentums
sind möglich? Wie kann
der Übergang von Bo-
deneigentum gestaltet
werden?                    Abb. 2: Oberstraße in Morschenich-Alt: Transformations- und Nachverdichtungsoptionen. Testsite Stories von Diana Selo
                              und Hanno Rönnfeld im WS 2021.22

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Stadtentwicklung
            Transformatives Forschen, Lehren und Handeln im Rheinischen Braunkohlerevier

nierinnen und Pioniere des Wandels ihre Lebenswelt und                      verfügen, sondern auch kommunal die Herausforderungen
dadurch die Transformation des Rheinischen Reviers zur                      integriert mit weniger Personal angehen müssen, können
Nachhaltigkeit proaktiv mitzugestalten.                                     sich Hochschulen dem Gemeinwohl und der Allgemeinheit
                                                                            verpflichten und sich proaktiv einbringen: über das Eta-
                                                                            blieren von Stadt-Land-Diskursen, das kritische Befragen
Forschendes Entwerfen und die Notwendig-
                                                                            der lokalen Handlungs- und Umsetzungspraxis oder das
keit konkret-räumlicher Narrative                                           forschende Entwerfen neuer Analysemethoden, Zukunfts-
Testsite Stories. Szenarien für eine andere Zukunft ist eine                erzählungen, Szenarien, Instrumente, Prozesse, Teilhabe-
Erzählung in mehreren Akten, der sich der Lehr- und For-                    praxen oder Prototypen.
schungsschwerpunkt seit dem Wintersemester 2020/2021
                                                                            Raus aus der Blase wiederum profitieren die Hochschulen
widmet. Während Studierende im ersten Akt Maximalsze-
                                                                            von dem komplexen Wissen der vielen und der Möglichkeit,
narien für den Gesamtort Morschenich-Alt entworfen ha-                      ganz konkret wirksam zu werden sowie neue Inhalte und
ben – maximale Werte für Bestand, Dichte, Vernetzung, Bil-                  Ideen zu platzieren. Die Studierenden – ein Großteil kommt
dung, Teilhabe, Suffizienz –, widmeten sie sich im zweiten                  aus der Region – erhalten über die Auseinandersetzung im
Akt in Kooperation mit dem LVR-Amt für Denkmalpflege im                     Spannungsfeld zwischen eigenem Alltagswissen, Hoch-
Rheinland den in deren Studie Zurück in die Zukunft (2021)                  schulwissen und lokaler Erdung einen deutlich differen-
identifizierten Dorfbereichen Oberstraße, Unterstraße, El-                  zierteren und kritischeren Blick auf ihr bisheriges Lebens-
lener Straße und Mitte. Ersterer befragte das gerettete                     umfeld und werden so idealerweise zu jenen Pionierinnen
Dorf und dessen räumlichen Kontext auf unterschiedliche                     und Pionieren, Botschafterinnen und Botschaftern sowie
Potenziale und Nutzungsszenarien und die hierfür notwen-                    Macherinnen und Machern des Wandels, die wir für die
digen (Frei-)Räume, Infrastrukturen sowie Gebäude- und                      Große Transformation zur Nachhaltigkeit und für die Her-
Nutzungstypologien. Letzterer erörtert detailliert städte-                  ausbildung einer potenten räumlichen Identität abseits der
baulich-freiraumplanerische, architektonische und pro-                      Ballungszentren so dringend brauchen!
grammatische Transformations- und Nachverdichtungsop-
tionen im und mit dem Bestand. Drei Stadt-Land-Diskurse                                             Prof. Isabel Maria Finkenberger
01 Stadt durch Akteure, 02 Transformation und 03 Boden-                                             Freie Stadtplanerin AKBW und Professorin für
politik und Gemeinwohl3 wiederum haben über neun ex-                                                Grundlagen der Stadtplanung, urbane Trans-
terne Positionen mögliche Inhalte für die weitere Prozess-                                          formation und innovative Prozessgestaltung
                                                                                                    an der FH Aachen
gestaltung und noch zu entwickelnden Instrumente vor Ort
geliefert und die Entwicklung neuer Erzählungen einer Wie-
derbesiedlung des Ortes theoretisch untermauert.
                                                                            Quellen:
                                                                            Baukultur Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2022): Phase 0.
Die Institution Hochschule als                                              Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei
                                                                            Deutschlands (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und den Freien Demokraten
Kollaborateurin der lokalen Transformation                                  (FDP) (2021): Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und
                                                                            Nachhaltigkeit.
Das Engagement der Institution Hochschule in der Region
                                                                            LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (2021): Zurück in die Zukunft. Eine
birgt reichlich Potenzial. Die hier gebündelten personellen,                Denkmalpflegerische Analyse zur Dorferneuerung von Morschenich. Schnei-
monetären, infrastrukturellen und Wissensressourcen, der                    dewind, U. (2018): Die Große Transformation. Eine Einführung in die Kunst
                                                                            gesellschaftlichen Wandels.
Zugriff auf unterschiedliche (inter-)nationale und trans-
                                                                            Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (MWIDE) des
disziplinäre Netzwerke sowie das Kapital der jungen Gene-                   Landes Nordrhein-Westfalen (2021): Leitentscheidung 2021. Neue Perspektiven
ration in Form der Studierendenschaft können nachhaltig                     für das Rheinische Braunkohlerevier. Kohleausstieg entschlossen vorantreiben,
                                                                            Tagebaue verkleinern, CO2 noch stärker reduzieren. Beschluss der Landesre-
wirken, weil sie, abgesehen von Drittmittelprojekten der                    gierung vom 23. März 2021.
Forschung, zeitlich nicht begrenzt sind. Im Gegensatz zur                   Neue Leipzig-Charta (2020). Die transformative Kraft der Städte für das Ge-
gängigen und teilweise über die Finanzierung interessen-                    meinwohl. Verabschiedet beim Informellen Ministertreffen Stadtentwicklung
                                                                            am 30. November 2020.
geleiteten Projektitis oder zu politischen Wahlzyklen, nach
                                                                            Zukunftsagentur Rheinisches Revier GmbH (Hrsg.) (2021): Wirtschafts- und
deren Ende wertvolles Wissen oft verloren geht, können sich                 Strukturprogramm für das Rheinische Zukunftsrevier 1.1.
Hochschulen mittel- bis langfristig verpflichten und strate-
gisch verlässliche Partnerinnen der Transformation wer-
den. Insbesondere in eher ländlich geprägten Kontexten, die
gegenüber Ballungszentren nicht nur über eine geringere
kritische Masse an Diskursen, Initiativen und Innovationen

3 Vgl. https://www.fh-aachen.de/menschen/finkenberger/stadtland-diskurse-
  ws-202122, abgerufen am 28.02.2022.

72          vhw FWS 2 / März–April 2022
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