"Uns trägt eine hohe intrinsische Motivation!" - Uni Bielefeld

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"Uns trägt eine hohe intrinsische Motivation!" - Uni Bielefeld
ESUG!EVALUATION

 „Uns trägt eine hohe
 intrinsische Motivation!”
        Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) steht nach fünf Jahren zur
        Evaluierung an. Im Rahmen einer Ausschreibung hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucher­
        schutz (BMJV) die „Bietergemeinschaft Jacoby/Madaus/Sack/ Schmidt/Thole” beauftragt, diese Unter­
        suchung durchführen. In Düsseldorf sprachen wir mit PROF. DR. FLORIAN JACOBY (Universität Bielefeld)
        und PROF. DR. CHRISTOPH THOLE (Universität zu Köln).

        Das Gespräch führte DETLEF FLEISCHER.

        Herr Prof. Jacoby – Sie haben       diesem Evaluierungsprozess mitzuwir­                  schaften) durchgesetzt. Rechnen
        bereits im Jahr 2014 ein For­       ken. Umso mehr freue ich mich, dass ich               Sie damit, dass aus diesem Kreis
        schungsprojekt zum ESUG auf         als Teil dieses Forschungsteams jetzt                 in den kommenden Monaten un­
        den Weg gebracht und Verfah­        dabei sein darf. Ich freue mich vor allem             aufgeforderte „Gegengutachten”
        rensbeteiligte gebeten, über ihre   deshalb, weil ich hoffe, damit einen                  o. ä. auftauchen werden?
        Erfahrungen zu berichten. Mit       rechtspolitischen Anstoß geben zu kön­
                                                                                          Prof. Dr. Jacoby: Damit rechne ich nicht.
        diesem Schritt haben Sie und die    nen, wie man die möglichen Schwächen
                                                                                          Aber natürlich wären andere Stellung­
        Universität Bielefeld sich früh­    des ESUG verbessern kann. Ich bin
                                                                                          nahmen herzlich willkommen. Wie Sie
        zeitig für den jetzt begonnenen     guten Mutes, dass wir dies hinbekom­
                                                                                          wissen, gibt es bereits einige Studien
        Evaluierungsprozess in Stellung     men werden.
                                                                                          zum ESUG. Selbstverständlich werden
        gebracht.
                                                    Wenn der Eindruck nicht täuscht,      wir diese Ergebnisse in unsere Unter­
Prof. Dr. Jacoby: Ich freue ich mich sehr           fanden die Ausschreibung und          suchung einfließen lassen. Sollte also
darüber, dass unsere Bietergemein­                  der Entscheidungsprozess hinter       vor Abschluss unserer Arbeit im April
schaft das Rennen gemacht hat. Obwohl               verschlossenen Türen statt. Wis­      2018 noch etwas vorliegen, werden wir
ich seinerzeit einen anderen Ansatz ge­             sen Sie Näheres über die anderen      das gerne berücksichtigen.
wählt habe, ist dieser Evaluierungspro­             Bieter (­gemeinschaften) bzw.
zess ein Projekt, auf das ich konkret               wie man zu dieser – für Sie erfreu­   Prof. Dr. Thole: Ich kann das nur bestäti­
hingearbeitet habe. Und ja, ich mache               lichen – Entscheidung gekom­          gen. Falls entsprechende Stellungnah­
keinen Hehl daraus, dass ich mein                   men ist?                              men auf den Markt kommen würden,
rechtspolitisches Engagement und Inte­                                                    wären sie gerne willkommen.
resse für dieses Vorhaben frühzeitig sig­   Prof. Dr. Thole: Nein, davon weiß ich
nalisiert habe.                             nichts. Und ich weiß bis heute auch nicht             Wie stark werden Sie bereits exis­
                                            konkret, wer mit welchen Teams im Ren­                tierende Studien, z. B. Untersu­
        Herr Prof. Thole – Haben Sie sich   nen war. Dieses Verfahren wurde in der                chungen von Noerr/Roland Berger
        vor fünf Jahren vorstellen kön­     Tat sehr vertraulich durchgeführt. Ich                bzw. von BCG, in Ihr Forschungs­
        nen, dass Sie 2017 Partner einer    könnte mir vorstellen, dass aus Sicht des             vorhaben einfließen lassen?
        fünfköpfigen Bietergemeinschaft     Auftraggebers wir als Wissenschaftler
                                            ein Garant für eine abgewogene und un­        Prof. Dr. Jacoby: Im Vordergrund unserer
        sein werden, die für dieses For­
                                            abhängige Bewertung sind. Aber das ist        Evaluation steht die strukturierte Befra­
        schungsvorhaben Verantwor­
                                            reine Spekulation.                            gung. Deshalb werden die bereits vorlie­
        tung trägt?
                                                                                          genden Studien nicht die Grundlage für
Prof. Dr. Thole: Vor fünf Jahren habe ich           Ihre Bietergemeinschaft hat sich      unsere Evaluation liefern. Aber selbst­
nicht konkret darüber nachgedacht, an               gegen 6 weitere Bieter (­gemein­      verständlich fließen die Ergebnisse die­

36        EXIS TENZ Magazin
"Uns trägt eine hohe intrinsische Motivation!" - Uni Bielefeld
Prof. Dr. Florian Jacoby
Foto: Josef Thiel für EXIS TENZ Magazin
         EXIS TENZ Magazin                  37
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   ser Studien bei der abschließenden Be­         die Auswertung mit ein. Für diese Daten      eine andere. Es geht darum, herauszu­
   wertung der Befragungsergebnisse mit­          ist im Wesentlichen unser empirischer        filtern, wie sich bestimmte Instrumenta­
   telbar in unseren Bericht ein.                 Sozialforscher, PROF. DR. DETLEF             rien aus dem ESUG­Werkzeugkasten
                                                  SACK (Universität Bielefeld), verant­        entwickelt haben.
            Bei der strukturierten Befragung      wortlich. Wir Juristen sind bei der Aus­
            handelt es sich um einen von ins­     wahl der inhaltlichen Fragen gefordert               Stichwort Debt Equity Swap.
            gesamt vier Bausteinen Ihrer          gewesen. Aber wir werden natürlich
            Studie. Wie genau wird diese          auch bei den anderen Bausteinen der          Prof. Dr. Jacoby: Ja. Zum Beispiel. Wir
            Befragung stattfinden?                Evaluation noch gefordert sein.              wollen herausfinden, welche Instru­
                                                                                               mente sich wie entwickelt haben bzw.
   Prof. Dr. Thole: Wir möchten erreichen,
                                                          Ein weiterer Baustein Ihrer Studie   welche Werkzeuge stumpf geblieben
   dass sich möglichst viele Experten an
                                                          besteht in der Literatur­ und        sind. Interessant wird auch die Antwort
   dieser strukturierten und völlig anonym
                                                          Rechtssprechungsanalyse.             auf die Frage sein, wo möglicherweise
   erhobenen Befragung beteiligen. In den
                                                          Augenzwinkernd gefragt: Da Sie       bestimmte Hoffnungen, die der Gesetz­
   nächsten Tagen werden wir gezielt auf
                                                          zu diesen Themen bereits einige      geber mit dem ESUG verbunden hat, in
   Experten und Verbände zugehen. Wir
                                                          Fachaufsätze publiziert haben,       der Praxis nicht erfüllt worden sind.
   hoffen, dass sich bis Mitte August eine
                                                          dürfen Sie jetzt auch Ihre eigenen   Dazu soll die Analyse der Rechtspre­
   ausreichende Zahl von Experten bereit
                                                          wissenschaftlichen Beiträge zu       chung bzw. der Literatur beitragen. Vor
   findet, den Fragebogen auszufüllen. Nie
                                                          Rate ziehen, oder?                   kurzem haben Christoph Thole und ich
   auszuschließen ist natürlich, dass auf­
                                                                                               über ein konkretes Beispiel gesprochen.
   grund von Missgeschicken o. ä. bei der         Prof. Dr. Thole: In gewisser Weise stimmt
                                                                                               Kurz nach Einführung des ESUG wurde
   Email­Einladung ein Experte übersehen          das. Natürlich haben wir alle – d. h. die
                                                                                               in der Branche intensiv darüber disku­
   wird. Dieser Experte kann sich selbstver­      Kollegen Jacoby, STEPHAN MADAUS
                                                                                               tiert, inwieweit man die Möglichkeit der
   ständlich auch direkt bei uns melden           und ich – schon einige Fachaufsätze über
                                                                                               Spaltung nutzen kann, um ein Unterneh­
                                                                                               men im Rahmen des Insolvenzplans zu
                                                                                               restrukturieren. Hier ist die Anwendung
Rege Beteiligung erwünscht!                                                                    der Nachhaftung auf Spaltungen im In­
                                                                                               solvenzplan umstritten. Uns ist nicht be­
Das Forschungsteam Jacoby/Madaus/Sack/Schmidt/Thole bittet um rege Beteiligung.                kannt, dass von diesem Mittel wirklich
Interessenten können über die E­Mail­Adresse befragung@esug­evaluation.de Kontakt auf­         Gebrauch gemacht worden ist. Natürlich
nehmen und erhalten einen Zugangscode zum Fragebogen. Die anonyme Befragung läuft              kann man als Wissenschaftler zu diesem
rund sechs Wochen vom 5. Juli bis 18. August 2017.                                             Thema eine Meinung haben. Ja, die
Im ersten Teil des Fragebogens geht es um die Erfahrungen mit den ESUG­Neuerungen. Im          Nachhaftung gilt. Oder: Nein, sie gilt
zweiten Teil besteht die Möglichkeit, zu denkbaren Rechtsänderungen Stellung zu nehmen.        nicht. Doch das ist nicht der Punkt unse­
In einem Freifeld, das auch als „Meckerkasten” genutzt werden kann, können die Experten        res Ansatzes bei der Evaluation. Wir wol­
persönliche Stellungnahmen oder Fragestellungen formulieren. Das Forschungsvorhaben            len vielmehr feststellen, ob hier ein
soll bis zum 30.04.2018 abgeschlossen sein.                                                    Problem in der Praxis besteht, das sich
                                                                                               eventuell als Hemmnis erweisen könnte,
                                                                                               dieses Mittel in der Praxis zu benutzen.

   (www.esug­evaluation.de) und wir wer­          das ESUG geschrieben, zum Beispiel           Prof. Dr. Thole: Das ist ein Beispiel für
   den ihm selbstverständlich einen Zu­           über Fragen der Eigenverwaltung oder         bestimmte Defizite oder Lücken, die wir
   gangscode übermitteln Die eigentliche          Insolvenzplan. Aber letztendlich geht es     ermitteln wollen. Die Entscheidung, in
   Befragung findet online statt und dauert       uns gar nicht darum, dass wir unsere ei­     welche Richtung es bei dieser Frage bzw.
   ca. 20 Minuten.                                genen wissenschaftlichen Publikationen       bei anderen Problemen gehen wird,
                                                  im Rahmen des zu erstellenden Berichts       muss später der Gesetzgeber treffen.
            Welche Stakeholder sind für Ihre      voranbringen möchten. Bei der Analyse
            Studie von besonderem Inte­           geht es vielmehr darum, herauszufiltern,             Bleiben wir noch kurz beim Werk­
            resse?                                wo von den eigentlichen Playern Lücken               zeugkasten. Werden Sie be­
                                                  im Gesetz gesehen werden bzw. wo es                  stimmte Instrumentarien (z. B.
   Prof. Dr. Thole: Wer bei ESUG­Verfahren
                                                  möglichen Änderungsbedarf gibt.                      das Schutzschirmverfahren oder
   beteiligt ist bzw. Erfahrungen gemacht
   hat, gilt für uns als Experte. Das sind also   Prof. Dr. Jacoby: Wenn wir als Wissen­               einen Debt Equity Swap) bei Ihrer
   selbstverständlich auch Arbeitnehmer­          schaftler einen Aufsatz publizieren, dann            Analyse favorisieren, weil sie
   vertreter und alle weiteren Gläubiger.         nehmen wir zu bestimmten Themen und                  Ihnen besonders wichtig sind?
   Jeder Insolvenzbeteiligte wird in den ein­     Fragestellungen Stellung. Zum Beispiel       Prof. Dr. Jacoby: Nein. Es geht wirklich
   leitenden allgemeinen Fragen angeben           zu der Frage, wie Masseverbindlich­          nicht um unsere persönlichen Vorlieben,
   können, wie, in welcher Form und in wel­       keiten im vorläufigen Eigenverwaltungs­      wir drei Juristen sind ja auch keinesfalls
   chem Umfang er mit ESUG­Verfahren              verfahren begründet werden. Die Blick­       in allen Fragen einer Meinung. Die The­
   befasst war. Diese Angaben fließen in          richtung im Rahmen dieser Studie ist         men sind und werden uns vorgegeben.

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"Uns trägt eine hohe intrinsische Motivation!" - Uni Bielefeld
KRANKENHÄUSER •TITEL

                     Prof. Dr. Christoph Thole
Foto: Josef Thiel für EXIS TENZ Magazin
         EXIS TENZ Magazin                 39
ESUG!EVALUATION

   Maßgebliche Vorgaben enthält unser               Prof. Dr. Jacoby: Man muss zunächst            die uns erst im Laufe der kommenden
   Auftrag. Die der Vergabe zugrunde lie­           festhalten, dass eine qualitative Analyse      Monate auffallen. Zum Beispiel, weil sie
   gende Ausschreibung durch das BMJV               die Gefahr in sich birgt, dass man den         bestimmte Strukturmerkmale erfüllen.
   beinhaltete vier Forschungsleitfragen.           Einzelfall als Aushängeschild für ein gan­
   Nun gilt es, diese Themen abzuarbeiten.          zes Gesetz bzw. eine Entwicklung               Prof. Dr. Thole: Auch ich kann zum heu­
   Weitere Impulse erhalten wir durch die           macht. Und das, obwohl dieser spezielle        tigen Zeitpunkt noch keine konkreten
   Befragung sowie durch Rechtsprechung             Fall diese Breitenwirkung tatsächlich          Verfahren benennen. Aufgrund der Aus­
   und Literatur. Auf dieser Grundlage A            nicht beanspruchen kann.                       schreibungsbedingungen sind wir aller­
   entscheiden wir im Team. Dabei wird es                                                          dings gehalten, unseren Fokus nicht nur
   aber vor allem darum gehen, wie wir uns                   Mir fällt an dieser Stelle der Fall   auf große Unternehmen, sondern auch
   die Arbeit aufteilen.                                     „Suhrkamp” ein, bei dem Rechts­       auf kleinere und mittlere Unternehmen
                                                             geschichte geschrieben worden ist.    zu richten. Diese qualitative Analyse soll
            In Zusammenarbeit mit der                                                              schließlich ein differenziertes Bild er­
            WBDat Wirtschafts­ und Bran­            Prof. Dr. Jacoby: Zum Beispiel. Aber in        möglichen. Es geht deshalb nicht nur um
            chendaten GmbH (vertreten               letzter Konsequenz sind solche Verfah­         die großen Namen bzw. die Großinsol­
            durch HEINZ SCHMIDT) werden             ren nur Einzelfälle. In meinen Augen ist       venzen. Vielmehr kann es auch ein in der
            Sie sich in den kommenden Mo­           diese Verfahrensanalyse deshalb auch           Öffentlichkeit weitgehend unbekannter
            naten auf der Basis von rund            der anspruchsvollste Teil unserer Studie.      Fall sein, der irgendwelche Schwächen
            1.600 Verfahren auch einen sta­         Wir müssen uns methodisch sehr gut             des ESUG aufzeigen kann. Selbstver­
            tistischen Überblick verschaffen.       überlegen, wie wir die einzelnen Fälle         ständlich werden wir Hinweise aus der
                                                    aussuchen und welche Rückschlüsse wir          Branche dankend aufnehmen. Eins ist
   Prof. Dr. Jacoby: Dieser Teil ist der am         anschließend aus der jeweiligen Analyse        allerdings bereits heute gewiss: Die Aus­
   wenigsten juristische Punkt auf unserer          ziehen können. Das geht wiederum nur           wahl der Verfahren wird eine anspruchs­
   Agenda. Hier sind tatsächlich die feder­         im Zusammenspiel mit den anderen               volle Aufgabe sein.
   führenden Kollegen Sack und Schmidt              Bausteinen der Untersuchung.
                                                                                                           Wie öffentlich und transparent
                                                                                                           werden Sie diesen Auswahlpro­
Gewinnaktion: ESUG­ Evaluation 2017                                                                        zess gestalten?
Wir interessieren uns für Ihre Meinung. Was halten Sie vom ESUG und welche Erfahrungen
                                                                                                   Prof. Dr. Thole: Natürlich werden wir
haben Sie gemacht? Hat das Gesetz Ihre Erwartungen erfüllt oder besteht Bedarf für eine
                                                                                                   keine Liste ins Netz stellen und abstim­
Nachjustierung?
                                                                                                   men lassen, mit welchen Verfahren wir
Ihre Stellungnahme erbitten wir unter: redaktion@existenzmagazin.de                                uns näher beschäftigten sollen. Wir
                                                                                                   müssen diese Frage intern klären und
Unter allen Einsendungen verlosen wir 3 Gutscheine für das „vabali spa” in Berlin und 3 Gut­
                                                                                                   anschließend versuchen, an die entspre­
scheine der Mayersche Buchhandlung. Einsendeschluss: 16. August 2017. Der Rechtsweg
                                                                                                   chenden Akten und Beteiligten heranzu­
ist ausgeschlossen. Keine Barauszahlung der Gewinne.
                                                                                                   kommen. Insofern gibt es noch eine
                                                                                                   Reihe von praktischen Hürden, die wir
                                                                                                   überwinden müssen.
   an erster Stelle gefordert. In der öffent­                Haben Sie schon erste Ideen, wel­
   lichen Wahrnehmung spielen diese                          che Verfahren Sie unter die Lupe              Aufgrund des Datenschutzes
   Daten eine erhebliche Rolle, denn sie lie­                nehmen möchten? Welche 15 aus                 dürfte es nicht einfach sein, voll­
   fern klare Aussagen. Bei den bisherigen                   ca. 1.600 Verfahren kommen tat­               umfänglich Akteneinsicht zu be­
   Studien wurden vor allem Daten analy­                     sächlich in Betracht?                         kommen.
   siert und entsprechende Rückschlüsse
   gezogen.                                         Prof. Dr. Jacoby: Wir sprachen bereits         Prof. Dr. Jacoby: Das müssen wir auf uns
                                                    über die Wechselwirkung zwischen den           zukommen lassen. Bei meinem bishe­
   Ich betrachte diesen Aspekt unserer Tä­          vier verschiedenen Bausteinen unserer          rigen Forschungsprojekt ging es nur
   tigkeit auch deshalb mit großem Inte­            Studie. In unseren Verfahrensanalysen          darum, dass Beteiligte von sich aus be­
   resse, weil es zwischen den einzelnen            müssen wir herausfiltern, inwieweit sich       reit waren, Daten bei mir zu erfassen.
   Bausteinen immer Wechselwirkungen                bestimmte Einschätzungen und Vermu­            Jetzt streben wir an, unter Hinweis auf
   gibt. Man versucht, bestimmte Erkennt­           tungen an einzelnen Fällen erhärten las­       die verfassungsrechtlich garantierte
   nisse, die man bei dem einen Baustein            sen. Dafür müssen zunächst die Thesen,         Wissenschaftsfreiheit auf Gerichtsakten
   erworben hat, vielleicht in einem andern         die es in dieser Analyse zu überprüfen         zuzugreifen. Wir rechnen allerdings mit
   Baustein zu erhärten oder zu entkräften.         gilt, erst einmal entwickelt haben. Für        geringen Problemen.
                                                    eine konkrete Benennung von einzelnen
            Der vierte Baustein Ihres For­          Verfahren ist es noch zu früh. Es kann                 Im Laufe der nächsten Monate
            schungsvorhabens besteht in der         durchaus sein, dass wir uns später inten­              werden Sie in zwei Expertenrun­
            qualitativen Analyse von 15 Ver­        siv mit Verfahren beschäftigen werden,                 den die bisherigen Erkenntnisse
            fahren.                                 die wir heute noch gar nicht kennen und                diskutieren und vertiefen. Was

   40         EXIS TENZ Magazin
ESUG!EVALUATION

        wird diesen Zirkel von den bishe­
        rigen Zusammenkünften in Fach­
        ausschüssen unterscheiden?
Prof. Dr. Jacoby: Die Vertretergruppen
der einzelnen Verbände stehen fest.
Daran können und wollen wir gar nichts
verändern. Das Neue an diesen beiden
Expertenrunden besteht darin, dass wir
dort unsere vorläufigen Ergebnisse prä­
sentieren werden. Es geht uns darum,
mit diesen Experten zu diskutieren. Wir
möchten letztendlich auch davor be­
wahrt werden, bestimmte Fehldeutun­
gen zu veröffentlichen.

Prof. Dr. Thole: Wir empfinden diese Ex­
pertenrunden auch als als Beitrag zur
Transparenz unserer Arbeit. Diese Vor­
gehensweise entspricht unserem wis­
                                                           Prof. Dr. Christoph Thole, Robert Buchalik und Prof. Dr. Florian Jacoby (v.l.n.r.)
senschaftlichen Selbstverständnis. Und                                  beim ISR­Abendsymposium in Düsseldorf zur „ESUG­Evaluation”
wir sind ergebnisoffen. Entsprechende
Ergebnisse dieser Diskussionsrunden
können zu diesem späten Zeitpunkt
durchaus noch in die endgültige Fassung
unseres Berichts einfließen.
                                            Auswirkungen unsere Ergebnisse zeiti­             Evaluation wird möglicherweise erst in
                                            gen werden, kann man ohnehin nicht                den Jahren 2021, 2022 oder 2023 einen
        Der jetzt gestartete Evaluie­
                                            abschätzen. Nehmen Sie das Beispiel               rechtspolitischen Prozess beeinflussen.
        rungsprozess kommt in einer Zeit
                                            des vorinsolvenzlichen Sanierungsver­             Aber das darf uns weder motivieren
        der Veränderungen. Stichworte:
                                            fahrens. In Deutschland glaubten wir              noch demotivieren. Wir haben einen
        die Bundestagswahl 2017, die
                                            alle, dass man das Thema mit dem ESUG             klaren Auftrag. Vor allem trägt uns als
        Diskussion zum präventiven Re­
                                            beerdigt habe. Jetzt flammt das Thema             Wissenschaftler eine hohe intrinsische
        strukturierungsrahmen sowie die
                                            wieder neu auf. Natürlich verfolgen wir           Motivation. Wir wollen etwas Neues
        Konsolidierung der Verwalter­
                                            die sehr spannende und parallel geführte          über diese Sanierungsinstrumente ler­
        und Beraterbranche.
                                            Diskussion über vorinsolvenzliche Ver­            nen. Alles andere blenden wir aus.
Prof. Dr. Jacoby: Wir haben ein so klares   fahren auf EU­Ebene. Und natürlich ma­
zeitliches und inhaltliches Konzept, dass   chen wir uns auch nichts vor. Unsere im           Prof. Dr. Thole: Ich stimme Florian Ja­
uns das nicht beeinflussen wird. Welche     Jahr 2018 zu veröffentlichende ESUG­              coby ausdrücklich zu. Wie sich die Bera­
                                                                                              ter­ und Verwalterszene entwickelt oder
                                                                                              entwickeln wird, hängt zwar mit dem
                                                                                              ESUG zusammen, aber uns geht es in
                                                                                              erster Linie um das Gesetz selbst. Zum
                                                                                              anderen arbeiten wir auch völlig unab­
                                                                                              hängig von der Frage, wie die nächste
                                                                                              Bundestagswahl ausgehen wird. Was die
                                                                                              Politik aus unseren Studienergebnissen
                                                                                              letztendlich machen wird, muss und
                                                                                              wird sich zeigen.

                                                                                           Thorsten Stark (starkpartners),
                                                                                           Kommunikationsberater Thomas Feldmann
                                                                                           und Andreas Budnik (AndresPartner) beim
                                                                                           ISR­Abendsymposium zur „ESUG­Evaluation”

                                                                                                           EXIS TENZ Magazin              41
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