Unternehmensnachfolge im Thüringer Handwerk

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Unternehmensnachfolge im Thüringer Handwerk
Eine Analyse im Zeichen des demografischen Wandels

Prof. Dr. Kurt-Dieter Koschmieder                Dr. Klaus Müller
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät            ifh Göttingen
Friedrich-Schiller-Universität Jena              Volkswirtschaftliches Institut
                                                 für Mittelstand und Handwerk
                                                 an der Universität Göttingen
Inhaltsverzeichnis
1.     Anlass und Zielsetzung der Studie ..................................................................................... 4
2.     Befunde zum Handwerk und zur demografischen Entwicklung in Thüringen .................. 6
     2.1      Stellung des Thüringer Handwerks ............................................................................ 6
     2.2      Demografische Entwicklung in Thüringen .............................................................. 10
3.     Befunde und Prognosen zu Übergabe- und Übernahmequoten ....................................... 13
     3.1      Übergabe- und Übernahmequote – Ist 2007............................................................. 13
     3.2      Übergabe- und Übernahmeprognose bis 2020 ......................................................... 17
4.     Unterstützungsleistungen für die Unternehmensnachfolge.............................................. 21
5.     Handlungsbereiche ........................................................................................................... 27
6.     Zusammenfassung ............................................................................................................ 31
7.     Literaturverzeichnis.......................................................................................................... 32

                                                                   2
Übersichtsverzeichnis

Übersicht 1:         Entwicklung des Thüringer Handwerks in der Gesamtwirtschaft: Zahl der
                     Handwerksbetriebe von 1993 bis 2007 .............................................................. 6
Übersicht 2:         Stellung des Thüringer Handwerks in der Gesamtwirtschaft: Kennzahlen zu
                     Besatz, Umsatz je Kopf und je Beschäftigte ...................................................... 7
Übersicht 3:         Stellung des Thüringer Handwerks in der Gesamtwirtschaft: Anteil der
                     Handwerksbetriebe an allen Betrieben im Jahr 2005 und Anteil der
                     Existenzgründungen an allen Gründungen in den Jahren 2000 und 2007 ......... 8
Übersicht 4:         Entwicklung des Thüringer Handwerks: Veränderung der Anzahl der Betriebe
                     nach Handwerksgruppen von 2000 bis 2007 ..................................................... 9
Übersicht 5:         Prognose der Bevölkerungsentwicklung 2007 bis 2020 nach Kreisen ............ 10
Übersicht 6:         Entwicklung der Altersgruppenstruktur bis 2020 ............................................ 11
Übersicht 7:         Altersstruktur der Inhaber Thüringer Handwerksbetriebe: Stand 31.12.2007 . 12
Übersicht 8:         Typologisierung der Altinhaber im Thüringer Handwerk, die 2007 ihre
                     Unternehmertätigkeit beendet haben................................................................ 14
Übersicht 9:         Typologisierung der Altinhaber im Thüringer Handwerk, die 2007 ihre
                     Unternehmertätigkeit beendet haben – nur zulassungspflichtige Handwerke . 15
Übersicht 10: Typologisierung der Existenzgründer im Thüringer Handwerk ...................... 16
Übersicht 11: Typologisierung der Existenzgründer im Thüringer Handwerk – nur
              zulassungspflichtige Handwerke...................................................................... 16
Übersicht 12: Prognose Existenzgründungen und echte Abgänge im Thüringer Handwerk bis
              2020 .................................................................................................................. 18
Übersicht 13: Entwicklungsprognose des Betriebsbestands im Thüringer Handwerk bis 2020
                ...................................................................................................................... 18
Übersicht 14: Nachfolgedefizit im Thüringer Handwerk bis 2020 ........................................ 19
Übersicht 15: Übernahme- und Übergabepotenzial im Thüringer Handwerk bis 2020 ......... 20
Übersicht 16: Beratungsleistungen der Steuerberater .............................................................. 22
Übersicht 17: Betriebsspezifische Beratung der Handwerkskammern im Übergabeprozess . 23
Übersicht 18: Inanspruchnahme von finanziellen Unterstützungsleistungen im Vergleich
              Nachfolger und Neugründer............................................................................. 25
Übersicht 19: Erfolgsfaktoren im Übergabeprozess ............................................................... 27
Übersicht 20: Zusammenfassung der einzelnen Maßnahmen zu den Handlungsprojekten.... 29

                                                                   3
1. Anlass und Zielsetzung der Studie
Anliegen des Vortrags ist es, erstmalig der Öffentlichkeit ausgewählte Ergebnisse einer Ende
2008 abgeschlossenen Studie zum Thema „Unternehmensnachfolge im Thüringer Handwerk -
Eine Analyse im Zeichen des demografischen Wandels“ vorzustellen.1

Fragen und Probleme, die sich aus dem demografischen Wandel ergeben, werden seit einigen
Jahren in aller Breite diskutiert. Aber bislang kaum untersucht wurden die Auswirkungen, die
durch den demografischen Wandel auf den Generationenwechsel von Unternehmen
zukommen. Dieses Thema scheint aus zwei Gründen brisant: Zum einen verlieren durch die
Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung diejenigen Bevölkerungsgruppen an
Gewicht, die als besonders gründungsfreudig gelten. Dies sind in erster Linie Personen
zwischen 30 und 39 Jahren; in jüngeren und in älteren Jahren nimmt das Interesse an einer
Selbständigkeit dagegen wieder ab. Zum Anderen kommt ein vergleichsweise großer Teil der
Betriebsinhaber in das Ruhestandsalter und steht vor der Frage, ob der Betrieb an einen
Nachfolger übergeben werden kann oder ob er stillgelegt werden muss. In den neuen
Bundesländern dürfte diese Situation noch eine größere Brisanz aufweisen, da sich in den
nächsten Jahren die Auswirkungen des Geburtenrückgangs nach der Wende von 1989 massiv
bemerkbar machen. Dadurch wird auch die Zahl der Personen im gründungsrelevanten Alter
zukünftig vergleichsweise stark zurückgehen. Folglich öffnet sich die Schere zwischen
Gründern und Betriebsinhabern, die in das Ruhestandsalter kommen, in den neuen Ländern
noch stärker als in den alten Ländern.

Die Wirtschaft der neuen Länder ist besonders geprägt durch mittelständische Unternehmen
und durch das Handwerk. Während für den Bereich des gesamten Mittelstandes Fragen des
Generationswechsels schon gelegentlich analysiert wurden2, war das Handwerk und speziell
das Handwerk in den neuen Bundesländern bisher nicht Gegenstand umfangreicher
empirischer Untersuchungen. Hier liegt auch deshalb eine Forschungslücke vor, weil die
Existenzbedingungen und die Wettbewerbssituation sich durch die Novellierung der
Handwerksordnung erheblich verändert haben.

1
  Die Studie wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie durch das
Volkswirtschaftliche Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen in Zusammenarbeit mit
der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Unterstützung der Thüringer Handwerkskammern durchgeführt.
Autoren der Studie sind Klaus Müller, Kurt-Dieter Koschmieder, Denise Tromska, Annelie Zapfe und Kerstin
Rötzler; Kurzzitierweise hier: Müller/Koschmieder (Unternehmensnachfolge Handwerk Thüringen) 2009.
2
 Vgl. hierzu die ausführliche Literaturanalyse in Müller/Koschmieder (Unternehmensnachfolge Handwerk
Thüringen) 2009, S. 23 - 50.
                                                     4
Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich – exemplarisch für eines der fünf neuen Länder – auf
den Freistaat Thüringen. Im Einzelnen werden mit der Studie folgende Forschungsaufgaben
verfolgt:

    -   Quantitative und qualitative Bestandsaufnahme zum Übergabeprozess und den
        Unterstützungsleistungen im Handwerk

    -   Prognose der Entwicklung des Generationswechsels bis zum Jahre 2020

    -   Aufdeckung der Handlungsfelder und Ableitung von Handlungsempfehlungen für das
        Thüringer Handwerk

Die Untersuchung fußt auf zwei empirischen Erhebungen für das Jahr 2007. Adressat der
ersten Erhebung waren die ehemaligen Inhaber von Handwerksbetrieben, die aus einer der
drei Thüringer Handwerksrollen in 2007 gelöscht wurden; Adressat der zweiten Erhebung
waren die Existenzgründer, die in 2007 in die Handwerksrollen neu aufgenommen wurden.
Allein diese „doppelseitige“ Erhebung stellt eine Besonderheit im Gegensatz zu den
bisherigen empirischen Untersuchungen dar, die nur Betriebsinhaber – z. T. nur eines
bestimmten Alters (z. B. ab 50 Jahre) - befragen.3

Zur vertiefenden Analyse des Ablaufs und der Problemfelder bei der Übergabe von
Handwerksbetrieben wurden ergänzende Experteninterviews mit Erfahrungsträgern
durchgeführt, die die Zielgruppe Handwerker betreuen und mit der spezifischen Thematik der
Betriebsübergabe durch ihre Beratungstätigkeit vertraut sind. Hierbei handelt es sich um
Betriebsberater der Thüringer Handwerkskammern, Steuerberater aus Thüringen und um
Unternehmensberater und Finanzinstitutionen wie die Thüringer Aufbaubank.4 Die Umfragen
fanden im Frühjahr 2008 statt; die Ergebnisse beziehen sich insgesamt auf das Jahr 2007.

3
  Zur Methodik der empirischen Erhebung vgl. Müller/Koschmieder (Unternehmensnachfolge Handwerk
Thüringen) 2009, S. 343 – 361.
4
 Es wurden 13 Einzel- oder Gruppeninterviews mit insgesamt 17 Experten durchgeführt. Zur Methodik und
Vorgehensweise bei den Experteninterviews vgl. Müller/Koschmieder (Unternehmensnachfolge Handwerk
Thüringen) 2009, S. 361 – 367.
                                                 5
2. Befunde zum Handwerk und zur demografischen Entwicklung in
       Thüringen
    2.1 Stellung des Thüringer Handwerks

In Thüringen waren zum 31.12.2007 insgesamt 31.391 Handwerksbetriebe in die
Handwerksrollen der drei Thüringer Kammern eingetragen. Seit 1993 ist die Zahl der
Handwerksbetriebe von 24.535 relativ stark um etwa 7.000 angestiegen; insgesamt betrug der
Zuwachs knapp 30 %. Dieser Anstieg war höher als im gesamtdeutschen Durchschnitt von
knapp 26 %, aber geringer als im Durchschnitt der neuen Länder von 35 % (vgl.
Übersicht 1).5

Übersicht 1:   Entwicklung des Thüringer Handwerks            in   der   Gesamtwirtschaft:   Zahl   der
               Handwerksbetriebe von 1993 bis 2007

                                                                     Anteil Thüringen ggü.
                                   neue                               neuen
                   Thüringen                    Deutschland
                                Bundesländer                         Bundes-     Deutschland
                                                                     ländern
           1993      24.535        130.871          765.406           18,7%         3,2%
           1994      25.827        137.950          790.045           18,7%         3,3%
           1995      26.692        142.865          811.166           18,7%         3,3%
           1996      27.618        146.352          823.788           18,9%         3,4%
           1997      28.611        150.931          838.170           19,0%         3,4%
           1998      28.923        154.193          850.586           18,8%         3,4%
           1999      29.225        157.011          856.279           18,6%         3,4%
           2000      29.165        157.230          858.277           18,5%         3,4%
           2001      28.705        154.118          850.696           18,6%         3,4%
           2002      28.494        152.326          843.661           18,7%         3,4%
           2003      29.615        154.420          846.588           18,5%         3,4%
           2004      29.714        164.184          887.300           18,1%         3,3%
           2005      30.605        170.753          923.046           17,9%         3,3%
           2006      31.145        174.781          947.381           17,8%         3,3%
           2007      31.391        176.883          961.732           17,7%         3,3%

Quelle: Deutscher Handwerkskammertag; eigene Berechnungen

5
  Zum Betriebsbestand und dessen Entwicklung in den letzten 15 Jahren vgl. Müller/Koschmieder
(Unternehmensnachfolge Handwerk Thüringen) 2009, S. 80 – 94, 371 – 381.
                                                6
Nimmt man die Zahl der Betriebe je 1.000 Einwohner und damit die Betriebsdichte als
Maßstab, so lag Thüringen 2007 im bundesweiten Vergleich nach Brandenburg und Bayern
an dritter Stelle. Auch die Beschäftigtendichte und der Umsatz je Kopf der Bevölkerung
liegen in Thüringen über dem Durchschnitt aller Bundesländer und auch den der neuen
Länder (vgl. Übersicht 2).

Die Betriebsgröße liegt im Thüringer Handwerk mit durchschnittlich 5,4 Personen pro Betrieb
(ohne handwerksähnliches Gewerbe) leicht unter dem Durchschnitt. Sie hat sich gegenüber
der Handwerkszählung von 1995 fast halbiert (damals durchschnittlich 10,1 Personen). Auch
die Zahl der Beschäftigten ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Heute arbeiten im
Thüringer Handwerk etwa 136.000 Personen, 1994 waren es noch knapp 200.000. Dabei fiel
der Rückgang noch etwas stärker als im Bundesdurchschnitt aus.

Der nominelle Umsatz im Thüringer Handwerk ist von 1994 bis 2007 etwa gleich geblieben.
Real ist ein Rückgang um etwa 22 % zu verzeichnen. Der Umsatz pro Beschäftigten ist um
etwa 43 % von 60.000 (1994) auf gut 83.000 Euro gestiegen. Anders ausgedrückt heißt dies,
dass heute im Thüringer Handwerk etwa der gleiche nominale Umsatz wie 1994 erzielt wird,
jedoch nur mit etwa zwei Drittel der Beschäftigten. Bei realer Betrachtungsweise liegt die
Steigerung bei etwa 18 %. Der Umsatz je Beschäftigten liegt heute zwar unter dem
Bundesschnitt, aber über dem Durchschnitt der neuen Länder (vgl. Übersicht 2).

Übersicht 2:     Stellung des Thüringer Handwerks in der Gesamtwirtschaft: Kennzahlen zu Besatz,
                 Umsatz je Kopf und je Beschäftigte 2007

               Betriebsdichte TH                         137 Betriebe/10.000 Einwohner
               Bundesschnitt                                           117
               Neue Bundesländer                                       135

               Beschäftigtendichte TH                   591 Beschäftigte/10.000 Einwohner
               Bundesschnitt                                           548
               Neue Bundesländer                                       560

               Umsatz je Kopf der Bevölkerung TH                     4.920 €
               Bundesschnitt                                         4.904 €
               Neue Bundesländer                                     4.465 €

               Umsatz je Beschäftigte TH                             83.260 €
               Bundesschnitt                                         89.550 €
               Neue Bundesländer                                     79.730 €

Quellen:   Deutscher Handwerkskammertag; Statistisches Bundesamt (2007), Rudolph, A. u. Müller, K. (1997);
           eigene Berechnungen

Der hohe Stellenwert, den das Handwerk an der Thüringer Gesamtwirtschaft besitzt, wird
auch im Anteil der Handwerksbetriebe an allen Betrieben auf Basis der Vergleichszahlen von
2005 sowie an der Steigerung und im relativ hohen Anteil der Existenzgründungen deutlich
(vgl. Übersicht 3).

                                                    7
Übersicht 3:        Stellung des Thüringer Handwerks in der Gesamtwirtschaft: Anteil der
                    Handwerksbetriebe an allen Betrieben im Jahr 2005 und Anteil der Existenzgründungen
                    an allen Gründungen in den Jahren 2000 und 2007

                                                  Handwerk        Gesamtwirtschaft   Anteil Handwerk
                    Thüringen                      30.605              96.866             31,6%
             2005

                    neue Bundesländer              170.753            534.375             32,0%
                    Deutschland                    923.046           3.664.506            25,2%
            Anteil der Handwerksbetriebe an allen Betrieben

                                                  Handwerk        Gesamtwirtschaft   Anteil Handwerk
                    Thüringen                       2.381              13.026             18,3%
             2000

                    neue Bundesländer              14.050              73.145             19,2%
                    Deutschland                    67.961             471.737             14,4%
                    Thüringen                       1.938              8.732              22,2%
             2007

                    neue Bundesländer              13.623              56.387             24,2%
                    Deutschland                    85.543             425.792             20,1%
            Anteil Existenzgründungen an allen Gründungen

Quellen:     Statistisches Bundesamt, ifm Bonn, Deutscher Handwerkskammertag; eigene Berechnungen

Im Thüringer Handwerk dominieren nach wie vor die zulassungspflichtigen Betriebe. Der
Anteil der zulassungsfreien Handwerke ist vergleichsweise gering. Das handwerksähnliche
Gewerbe liegt etwa auf dem Niveau des Bundesdurchschnitts. In den letzten Jahren haben die
zulassungsfreien Handwerke aber auch hier erheblich an Gewicht gewonnen.6

Bezogen auf die einzelnen Handwerksgruppen ist der Betriebsbestand seit 2000 am stärksten
im Ausbaugewerbe und bei den Handwerken für persönliche Dienstleistungen (vor allem
Friseure) gestiegen. Einen Rückgang gab es dagegen bei den Nahrungsmittelhandwerken
(starker Konzentrationsprozess), bei den Handwerken für den gewerblichen Bedarf und im
Bauhauptgewerbe. Die Betriebsdichte ist im Vergleich zum Bundeswert fast in allen
Handwerksgruppen höher. Das gilt insbesondere für das Baugewerbe. Ein geringerer Besatz
ist nur bei den Dienstleistungshandwerken (Gesundheitsgewerbe, Handwerke für persönliche
Dienstleistungen) zu beobachten7 (vgl. Übersicht 4).

6
    Vgl. Müller/Koschmieder (Unternehmensnachfolge Handwerk Thüringen) 2009, S. 95 – 97.
7
    Vgl. Müller/Koschmieder (Unternehmensnachfolge Handwerk Thüringen) 2009, S. 97 – 102.
                                                              8
Übersicht 4:    Entwicklung des Thüringer Handwerks: Veränderung der Anzahl der Betriebe nach
                Handwerksgruppen von 2000 bis 2007

Quelle: Deutscher Handwerkskammertag; eigene Berechnungen

Fazit

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass das Thüringer Handwerk einen beachtlichen
Stellenwert in der Gesamtwirtschaft aufweist. Fast jeder dritte Betrieb und jeder vierte
Existenzgründer kommen aus dem Handwerk. Der Anteil an den Beschäftigten liegt bei
13 %8. Insgesamt ist das Thüringer Handwerk heute mit durchschnittlich 5,4 Personen sehr
kleinbetrieblich strukturiert und sein Erscheinungsbild hat sich bezogen auf die Zahl der
Betriebe je Handwerksgruppe erheblich verändert. Im Vergleich zum Bundesgebiet weist das
Thüringer Handwerk sowohl nach der Zahl der Betriebe und der Gründer als auch der
Beschäftigten einen vergleichsweise hohen Anteil an der Gesamtwirtschaft aus. Die
Wirtschaft des Freistaates Thüringen ist in besonderer Weise durch das Handwerk geprägt.
Hieraus resultiert auch die zentrale Bedeutung eines „verwerfungsfreien“ Übergangs der
Betriebe beim Generationswechsel.

8
    Vgl. Müller/Koschmieder (Unternehmensnachfolge Handwerk Thüringen) 2009, S. 117
                                                    9
2.2 Demografische Entwicklung in Thüringen

Im Jahr 2007 wurden für Thüringen 2,3 Millionen Einwohner registriert. Die Bevölkerung
sank seit 2002 um 4,3 % und damit stärker als im Durchschnitt der neuen Länder (- 2,7 %;
zum Vergleich alte Bundesländer + 0,4 %).9

Bis zum Jahr 2020 dürfte die Thüringer Bevölkerung um etwa 10 % zurückgehen.10 Absolut
gesehen sinkt die Anzahl der Personen von derzeit knapp 2,3 Mio. auf gut 2 Mio. Dieser
Verlust ist größer als in den neuen Bundesländern insgesamt (minus 7,5 %) oder im gesamten
Bundesgebiet (minus 2,5 %). Innerhalb Thüringens dürfte der Bevölkerungsrückgang in den
Landkreisen erheblich größer als in den kreisfreien Städten ausfallen (vgl. Übersicht 5). Für
die Städte Weimar und Jena wird sogar ein leichter Bevölkerungszuwachs erwartet. Im
zentralen Gebiet zwischen Eisenach und Jena ist die Bevölkerungsentwicklung
voraussichtlich besser als in der Peripherie dieses Bundeslandes.11

Übersicht 5:         Prognose der Bevölkerungsentwicklung 2007 bis 2020 nach Kreisen

                                                                                             Entwicklung
                                      2007        2010          2015         2020
                                                                                             2020 : 2007
              Kreisfreie Stadt
                Landkreise
                                                               Anzahl                                      %

      HWK Erfurt                     1.082.031    1.060.401     1.024.118      987.315      -94.716             -8,8
      Stadt Erfurt                     201.951      200.385       198.026      195.666       -6.286             -3,1
      Stadt Weimar                      64.515       64.906        65.714       66.633        2.118              3,3
      Eichsfeld                        108.022      105.690       101.951       98.252       -9.770             -9,0
      Nordhausen                        91.734       89.302        85.284       81.400      -10.334            -11,3
      Unstrut-Hainich-Kreis            111.480      108.282       102.804       97.186      -14.294            -12,8
      Kyffhäuserkreis                   85.950       82.822        77.604       72.480      -13.470            -15,7
      Gotha                            141.522      138.818       134.007      128.853      -12.669             -9,0
      Sömmerda                          75.396       73.367        69.782       65.964       -9.432            -12,5
      Ilm-Kreis                        114.750      112.017       107.422      102.770      -11.980            -10,4
      Weimarer Land                     86.709       84.812        81.522       78.112       -8.598             -9,9
      HWK Ostthüringen                 722.245      701.712       668.316      636.031      -86.214            -11,9
      Stadt Gera                       101.497       97.955        92.162       86.556      -14.941            -14,7
      Stadt Jena                       102.364      102.515       103.347      104.511        2.148              2,1
      Saale-Holzland-Kreis              89.056       87.101        83.888       80.780       -8.277             -9,3
      Altenburger Land                 103.240       99.073        92.324       85.969      -17.271            -16,7
      Saalfeld-Rudolstadt              122.102      118.126       111.424      104.672      -17.430            -14,3
      Saale-Orla-Kreis                  91.165       88.538        84.125       79.729      -11.436            -12,5
      Greiz                            112.821      108.405       101.046       93.814      -19.007            -16,8
      HWK Südthüringen                 486.633      473.532       451.367      428.980      -57.653            -11,8
      Stadt Eisenach                    43.566       43.493        43.318       43.116         -450             -1,0
      Stadt Suhl                        41.084       38.928        35.556       32.468       -8.616            -21,0
      Wartburgkreis                    135.374      131.610       125.091      118.347      -17.027            -12,6
      Schmalkalden-Meiningen           134.529      130.962       124.924      118.768      -15.760            -11,7
      Hildburghausen                    69.663       68.123        65.471       62.720       -6.943            -10,0
      Sonneberg                         62.416       60.416        57.007       53.560       -8.856            -14,2
      Kreisfreie Städte                554.977      548.181       538.123      528.951      -26.027             -4,7
      Landkreise                     1.735.931    1.687.463     1.605.677    1.523.375     -212.556            -12,2
      Thüringen                      2.290.909    2.235.645     2.143.800    2.052.326     -238.583             10,4
      neue Bundesländer*            16.532.000   16.237.000    15.765.000   15.298.000   -1.234.000             -7,5
      Deutschland                   82.197.000   81.878.000    81.087.000   80.050.000   -2.147.000             -2,6
      * mit Berlin

Quellen:    Thüringer Landesamt für Statistik (2007); Statistisches Bundesamt (2007)

9
  Vgl. Müller/ Koschmieder (Unternehmensnachfolge Handwerk Thüringen) 2009, S. 51 – 53.
10
   Die Prognose der demografischen Entwicklung erfolgt anhand der Daten der 11.
Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Bundesamtes und der Variante 1 des Thüringer Landesamtes für
Statistik. Vgl. Statistisches Bundesamt 2006 sowie Thüringer Landesamt für Statistik 2007a.
11
   Zur Entwicklung der Geburten- und Sterberate sowie zu Wanderungsverlusten vgl. Müller/Koschmieder
(Unternehmensnachfolge Handwerk Thüringen) 2009, S. 124 – 127.
                                                          10
Mit dem Bevölkerungsrückgang wird eine Verschiebung der Altersstruktur einhergehen. Eine
Zunahme ist bei der Zahl der über 50-Jährigen zu erwarten, stark sinken wird dagegen die
Zahl der Personen bis 30 Jahre und die Altersgruppe von 41 bis 50 Jahre (vgl. Übersicht 6).
Bei den 30- bis 40-Jährigen zeigen sich zuerst ein Rückgang und dann wieder ein leichter
Anstieg.

Übersicht 6:     Entwicklung der Altersgruppenstruktur bis 2020

      120

      110

      100

       90

       80

       70

       60

       50
            2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020

                  bis 30 J.     von 31 bis 40 J.      von 41 bis 50 J.     über 50 J.     GESAMT

Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik, Basis 31.12.2005

Die Veränderung der Altersstruktur hat auch Auswirkungen auf die Zahl der
Erwerbspersonen. Deren Zahl wird bis 2020 deutlich abnehmen, wobei der Rückgang noch
stärker als bei der Bevölkerung ausfällt. Innerhalb der Erwerbspersonen dürfte die Zahl der
Personen unter 30 Jahre am stärksten sinken. Dafür wird das Gewicht der älteren Personen ab
45 Jahren stark zunehmen.

Auch im Geschlechterverhältnis zwischen Männern und Frauen treten erhebliche
Veränderungen ein. In allen Altersgruppen bis 60 Jahren, aber insbesondere in den mittleren
Altersgruppen gibt es einen Männer-, im höheren Alter dagegen einen Frauenüberschuss. Dies
liegt mit daran, dass die Wanderungsverluste im hohen Maße durch Frauen verursacht
werden.12

Wagt man einen Blick in die fernere Zukunft bis zum Jahr 2050, zeigt sich, dass sich die
beschriebenen Trends noch verstärken werden. Die Bevölkerung wird insgesamt um 34 %
zurückgehen, die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter sogar um fast 50 %. Das
Verhältnis zwischen jung und alt bzw. zwischen Erwerbstätigen und Senioren wird sich noch
weiter zuspitzen.

12
     Vgl. Müller/Koschmieder (Unternehmensnachfolge Handwerk Thüringen) 2009, S. 131 f.
                                                     11
Ein Abgleich der demografischen Entwicklung mit der Altersstruktur der Inhaber Thüringer
Handwerksbetriebe macht deutlich, dass zeitgleich bis 2020 ca. 50 % der Thüringer
Handwerksbetriebe einen Generationswechsel vollziehen müssen oder dieser unmittelbar
bevor steht.13 (vgl. Übersicht 7).

Übersicht 7:   Altersstruktur der Inhaber Thüringer Handwerksbetriebe: Stand 31.12.2007

Quelle: Handwerkskammern aus Thüringen

13
   Zur weiteren Differenzierung der Altersstruktur nach Handwerkssektoren vgl. Müller/Koschmieder
(Unternehmensnachfolge Handwerk Thüringen) 2009, S. 137 – 144.

                                                 12
3. Befunde und Prognosen zu Übergabe- und Übernahmequoten
   3.1 Übergabe- und Übernahmequote – Ist 2007

Übergabequote – Ist 2007

Aus Sicht der ehemaligen Inhaber, also der Personen, die im Jahr 2007 ihren Betrieb
übergeben oder stillgelegt haben, war die wirtschaftliche Entwicklung der Betriebe in den
letzten zwei Jahren eher negativ. So sank in knapp 60 % der Betriebe die Zahl der
Beschäftigten; nur in 20 % war eine Steigerung zu verzeichnen. Auch der Umsatz nahm eher
ab als zu. Diese Entwicklung betraf sowohl die Betriebe, die stillgelegt wurden, als auch
diejenigen, die übergeben wurden. Ein solches Ergebnis fällt jedoch nicht aus dem Rahmen,
denn auch bei der Gesamtheit der Thüringer Handwerksbetriebe verlief die wirtschaftliche
Entwicklung ähnlich negativ.

Der Abgang aus der Selbstständigkeit wurde von den Altinhabern in fast 50 % der Fälle nicht
geplant, sondern geschah plötzlich. Meist waren wirtschaftliche Gründe für den schnellen
Rückzug maßgeblich. Etwa jeder fünfte aus dieser Gruppe gab einen persönlichen
Schicksalsschlag (Krankheit, Unfall) an. In diesen Fällen musste der Betrieb häufig stillgelegt
werden, weil keine praktikable Nachfolgeplanung vorhanden war. Nur ein Viertel der
Betriebsinhaber hat die Beendigung seiner Unternehmertätigkeit längerfristig geplant.

Nur 20 % der ehemaligen Betriebsinhaber fanden 2007 einen Nachfolger; davon etwa die
Hälfte innerhalb der Familien. Der Rest der Betriebe wurde stillgelegt oder in
Ausnahmefällen an einen bereits bestehenden Betrieb verkauft. Die übergebenen Betriebe
hatten mehr Beschäftigte als die stillgelegten. Ab einer Betriebsgröße von fünf Personen
wurden mehr Betriebe übergeben als stillgelegt. Allerdings konnten auch einige größere
Betriebe identifiziert werden, die keinen Nachfolger fanden.

Von den stillgelegten Betrieben hatten 20 bis 25 % der Altinhaber ursprünglich vorgehabt,
einen Nachfolger für den Betrieb zu finden. Für das Scheitern dieser Absicht sind sicher
verschiedene Gründe maßgeblich, so vor allem die wirtschaftliche Situation des Betriebes
oder zu hohe Preisvorstellungen. Häufig schätzen Altinhaber die Lage ihres Betriebes nicht
realistisch ein. Insgesamt lässt sich aus den Ergebnissen der Erhebung eine Typologie der
Altinhaber, also der Personen, die im Jahr 2007 ihren Betrieb stillgelegt oder übergeben
haben, ableiten (vgl. Übersicht 8).

                                              13
Übersicht 8:    Typologisierung der Altinhaber                      im   Thüringer         Handwerk,          die     2007       ihre
                Unternehmertätigkeit beendet haben

                                                     Beeendigung
                                                     Unternehmer-
                                                       tätigkeit
                                                        100 %

                                                                         andere
                                   persönliche,                      Lebensplanung,
     Altersgründe               familiäre Gründe                     Wechsel in abh.                    wirtschaftliche Gründe
         20 %                  (incl. Tod Inhaber)                   Beschäftigungs-                           40-55 %
                                     15-20 %                            verhältnis
                                                                         15-20%

                    Übergabe                                                              Stilllegung
                      20 %                                                                    80 %

                                                                    davon grundsätzlich
                                                                      übergabefähig
                                                                         ca. 2 %
                               Übergabepotenzial
                                   ca. 22 %

Für die Abmeldung des Betriebes bzw. für die Beendigung der Unternehmertätigkeit waren
vor allem wirtschaftliche Gründe maßgeblich, wobei diese Betriebe sämtlich stillgelegt
wurden. Danach folgen zu fast gleich großen Teilen Altersgründe, persönliche Gründe und
eine Veränderung der Lebensplanung, so z.B. ein Wechsel in ein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis. Wie hoch der Übergabeanteil bei jedem dieser Gründe ist, lässt sich
nicht genau ermitteln. Insgesamt liegt er – wie bereits erwähnt - bei 20 %. Da von den
stillgelegten Betrieben noch einige übergabefähig sind, ergibt sich insgesamt ein
Übergabepotenzial von 22 %.

Dieses Ergebnis gilt für das gesamte Handwerk. Betrachtet man nur die zulassungspflichtigen
Betriebe, ergeben sich nicht unbeträchtliche Unterschiede (vgl. Übersicht 9). So spielen hier
Altersgründe eine größere, wirtschaftliche Gründe dagegen eine geringere Rolle. Auch eine
veränderte Lebensplanung kommt nicht so häufig vor. Insgesamt ist die Übergabequote mit
29 % erheblich höher als im zulassungsfreien Handwerk mit 11 % oder gar im
handwerksähnlichen Gewerbe mit 5 %.

Keinen größeren Unterschied zum Gesamthandwerk gibt es bei dem Anteil der stillgelegten
Betriebe, die potenziell übergabefähig sind. Hier wird von den zulassungspflichtigen
Handwerken ein Anteil von 3 % der stillgelegten Betriebe erreicht. Bezogen auf alle Betriebe
sind dies 2 %, so dass sich bei den zulassungspflichtigen Betrieben insgesamt ein
Übergabepotenzial von 31 % ergibt. Bei den nicht-zulassungspflichtigen Betrieben liegt
dieses Potenzial dagegen nur bei etwa 10 %.

                                                               14
Übersicht 9:    Typologisierung der Altinhaber im Thüringer Handwerk, die                                         2007   ihre
                Unternehmertätigkeit beendet haben – nur zulassungspflichtige Handwerke

                                                    Beeendigung
                                                    Unternehmer-
                                                      tätigkeit
                                                       100 %

                                                                        andere
                                   persönliche,
                                                                    Lebensplanung,
                                 familiäre Gründe                                                      wirtschaftliche
       Altersgründe                                                 Wechsel in abh.
                                    (incl. Tod                                                             Gründe
           40 %                                                     Beschäftigungs-
                                     Inhaber)                                                             30-40 %
                                                                       verhältnis
                                     15-20 %
                                                                        10-15%

                      Übergabe                                                           Stilllegung
                        29 %                                                                 71 %

                                                                   davon grundsätzlich
                                                                     übergabefähig
                                                                        ca. 2 %
                                   Übergabe-
                                    potenzial
                                    ca. 31 %

Übernahmequote – Ist 2007

Betrachtet man den Generationswechsel nun aus Sicht der Existenzgründer, so handelt es sich
bei nur 18 % aller Existenzgründungen um die Übernahme eines bereits bestehenden
Unternehmens; die restlichen 82 % sind Neugründungen. Wenn ein Betrieb übernommen
wurde, geschah dies zu 35 % vom Vater (oder der Mutter). Zählt man Verwandte und
Ehepartner hinzu, kommt man auf eine familiäre Übergabequote von etwa 50 %. Ein Viertel
der Übernahmen erfolgt vom ehemaligen Chef, und bei 27 % der Übernahmen war der
bisherige Inhaber vorher nicht bekannt, wobei etwa die Hälfte dieser Übernahmen über eine
Betriebsbörse lief.

Als Grund für den Schritt in die Selbstständigkeit wurde am häufigsten die gewünschte
Unabhängigkeit bzw. eine Selbstverwirklichung genannt. Danach wurde aber bereits die
Arbeitslosigkeit angeführt. Hierbei dürfte es sich in vielen Fällen um Gründungen aus der Not
handeln.

Von den Personen, die einen Betrieb neu gegründet hatten, wollte ein kleinerer Teil, nämlich
13 %, ursprünglich einen Betrieb übernehmen. Diese Gründer können als mögliche
Übernehmer tituliert werden. Bei einem Nachfolgemangel muss überlegt werden, inwieweit
dieser Personenkreis für eine Übernahme in Frage kommt.

Die Mehrzahl der Befragten meinte allerdings, dass sie von vornherein ein Unternehmen
gründen wollten. Ein knappes Drittel der Gründer äußerte, dass sie nur wegen drohender
Arbeitslosigkeit den Schritt in die Selbstständigkeit vollzogen hatten.

                                                           15
Aufgrund dieser Ergebnisse lässt sich eine Typologie der Existenzgründer erstellen (vgl.
Übersicht 10). Daraus wird deutlich, dass zu den 18 % Übernehmern noch ein Anteil von
13 % „mögliche Übernehmer“ addiert werden muss, so dass sich insgesamt ein
Übernahmepotenzial von 31 % ergibt.

Übersicht 10: Typologisierung der Existenzgründer im Thüringer Handwerk

                                 Existenz-
                                 gründer
                                  100 %

     Übernehmer                                       Neugründer
        18 %                                            82 %

                                 mögliche             Neugründer
                                                                               Kleinstgründer
                                Übernehmer            aus Prinzip
                                                                                    26 %
                                   13 %                 43 %

                   Übernahme-
                    potential
                      31 %

Diese Abbildung gilt für das gesamte Thüringer Handwerk. Betrachtet man nur die
zulassungspflichtigen Handwerke, verändern sich die Prozentangaben (vgl. Übersicht 11).
Der Übernehmeranteil ist mit 28 % ebenso vergleichsweise hoch wie auch der Anteil der
möglichen Übernehmer mit 15 %, so dass sich insgesamt ein Übernahmepotenzial von 43 %
ergibt. Bei den nicht-zulassungspflichtigen Handwerken liegt dieses Potenzial dagegen nur
bei 18 % (6 % Übernehmer und 12 % mögliche Übernehmer).

Übersicht 11: Typologisierung der Existenzgründer im Thüringer Handwerk – nur zulassungspflichtige
              Handwerke

                                  Existenz-
                                  gründer
                                   100 %

      Übernehmer                                       Neugründer
         28 %                                            72 %

                                  mögliche             Neugründer                 Kleinst-
                                 Übernehmer            aus Prinzip                gründer
                                    15 %                 40 %                      17 %

                   Übernahme-
                    potential
                      43 %

                                               16
Aber auch darüber hinaus unterscheiden sich die Gründer aus den verschiedenen
Handwerkssektoren. So ist die Qualifikation der Gründer im zulassungspflichtigen Bereich
höher. Trotzdem liegt der Meisterprüfungsanteil mit etwa 56 % erstaunlich niedrig. Der Rest
dürfte sich bei diesen Handwerken mit einem Hochschulabschluss oder mit Hilfe der
Betriebsleiterregelung selbstständig machen. In dem zulassungsfreien und dem
handwerksähnlichen Gewerbe ist die Qualifikation der Inhaber deutlich geringer. So weisen
nur etwa 10 % der Gründer eine Meisterprüfung, aber immerhin etwa zwei Drittel eine (nicht
immer fachspezifische) Gesellenprüfung auf.

Des Weiteren ist der Anteil männlicher Gründer in den zulassungspflichtigen Berufen höher
und die Gründungsvorhaben sind größer. Ebenso haben diese Gründer schon mehr
Erfahrungen gesammelt. Viele sind bereits jenseits der 40 (fast 50 %); jeder Fünfte sogar über
50 Jahre. Sie kommen relativ selten aus der Arbeitslosigkeit (nur 16 %). Eine
Familientradition spielt in etwa der Hälfte der Fälle eine entscheidende Rolle.

Fazit

Sowohl die Übergabequote mit 20 % bei allen Handwerksbetrieben und 29 % beim
zulassungspflichtigen Handwerk als auch die Übernahmequote im Vergleich zur
Neugründungsquote mit 18 % bei allen Handwerksbetrieben und 28 % beim
zulassungspflichtigen Handwerk fallen relativ niedrig aus. Auch das Übergabepotenzial liegt
mit 22 % bzw. 31 % nur geringfügig über der Übergabequote. Dem gegenüber ist das
Übernahmepotenzial um rund 13 – 15 Prozentpunkte höher als die Übernahmequote.

     3.2 Übergabe- und Übernahmeprognose bis 2020

Eine Prognose über die Entwicklung der Existenzgründungen und Übernahmen im Thüringer
Handwerk in den Jahren bis 2020 gestaltet sich als außerordentlich schwierig, weil es keine
fundierten Anhaltspunkte für die Veränderung der Faktoren gibt, welche die Zahl der
Existenzgründungen und der Übergaben in den nächsten Jahren bestimmen.14 Lediglich für
die Entwicklung der Bevölkerung differenziert nach verschiedenen Altersgruppen liegen
konkrete Daten durch die koordinierte Bevölkerungsvorausschätzung der Statistischen Ämter
vor. Daher erfolgt die Existenzgründungsprognose über eine Konstantsetzung der
altersspezifischen Gründungs- und Übernahmequoten. Die Vorhersage der Übergaben
orientiert sich an der Abgangsrate des Jahres 2007 sowie an dem aus der Umfrage ermittelten
Anteil der übergabefähigen Betriebe.

Als Ergebnis wurde ermittelt, dass die Zahl der Gründungen im Thüringer Handwerk von
derzeit knapp 2.000 pro Jahr kontinuierlich auf weniger als 1.600 im Jahr 2020 fallen dürfte.
Dabei spielt der Rückgang der Bevölkerung in diesem Bundesland eine weitaus größere Rolle
als die Veränderung der Größe der Altersgruppen.

14
 Zu vorliegenden Prognosemodellen und ausführlicher zum Aufbau des hier verwendeten Prognosemodells vgl.
Müller/Koschmieder (Unternehmensnachfolge Handwerk Thüringen) 2009, S. 262 – 270.
                                                  17
Die Zahl der Betriebe, die aus den Thüringer Handwerksrollen ausgetragen werden, ist im
Zeitverlauf bis 2020 mit leichten Schwankungen fast konstant. Aus einem Vergleich mit der
Entwicklung der Existenzgründungen folgt, dass der Gründerüberschuss, der gegenwärtig in
Thüringen zu beobachten ist, sich etwa ab dem Jahr 2013 in ein Gründerdefizit verwandeln
dürfte (vgl. Übersicht 12). Im Jahr 2020 sollte die Zahl der echten Abgänge die Zahl der
Existenzgründungen um knapp 10 % übersteigen. Der Betriebsbestand im Thüringer
Handwerk wird danach zuerst ansteigen, um dann bis zum Jahr 2020 etwa auf das gleiche
Niveau wie im Jahr 2007 zu sinken (vgl. Übersicht 13).

Übersicht 12: Prognose Existenzgründungen und echte Abgänge im Thüringer Handwerk bis 2020

Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik, Erhebung 2008: Existenzgründer im Thüringer Handwerk, Erhebung
        2008: Ehemalige Inhaber von Handwerksbetrieben in Thüringen, eigene Berechnungen

Übersicht 13: Entwicklungsprognose des Betriebsbestands im Thüringer Handwerk bis 2020

Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik, Erhebung 2008: Existenzgründer im Thüringer Handwerk, Erhebung
        2008: Ehemalige Inhaber von Handwerksbetrieben in Thüringen, eigene Berechnungen

                                                   18
Geht man von der im Jahr 2007 beobachteten (tatsächlichen) Übergabe- bzw.
Übernahmequote aus, dürfte sich bis 2020 aufgrund der Verschiebung der Altersstruktur ein
Nachfolgedefizit ergeben (vgl. Übersicht 14). Nach dieser Prognose fehlen im Jahr 2020 etwa
50 Übernehmer; summiert über den gesamten Zeitraum ergibt sich ein Defizit von ca. 500
Nachfolgern.

Übersicht 14: Nachfolgedefizit im Thüringer Handwerk bis 2020

Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik, Erhebung 2008: Existenzgründer im Thüringer Handwerk, Erhebung
        2008: Ehemalige Inhaber von Handwerksbetrieben in Thüringen, eigene Berechnungen

Vergleicht man jedoch das Übergabepotenzial mit dem Übernahmepotenzial so ergibt sich
folgendes Bild: Die Quote der übergabefähigen Betriebe lag für 2007 bei 22 %, so dass auf
dieser Basis in den nächsten Jahren jährlich mit etwa 400 übergabefähigen
Handwerksbetrieben zu rechnen ist. Für den gesamten Zeitraum sind dies um die 5.400
Nachfolgefälle. Das Übernahmepotenzial ist dagegen etwas größer. Zu den 18 % der
Existenzgründer, die einen bestehenden Betrieb übernommen haben, kommen noch weitere
13 %, die sich dies grundsätzlich vorstellen können. Damit ergibt sich ein
Übernahmepotenzial für den Zeitraum bis zum Jahr 2020 von fast 7.000 Personen, die für die
Übernahme eines Handwerksbetriebes grundsätzlich in Betracht kommen. Die Jahreszahlen
fallen allerdings kontinuierlich von gut 600 auf etwa 480 im Jahr 2020 (vgl. Übersicht 15).

Auf Basis der Potenzialanalyse ergibt sich also ein Überhang von potenziell zur Verfügung
stehenden Nachfolgern. Grundsätzlich sind genügend Personen vorhanden, die daran
interessiert sind, einen Handwerksbetrieb zu übernehmen. Zu beachten ist allerdings, dass
dieser Ausgleich bei regionaler oder sektoraler Betrachtungsweise nicht unbedingt eintreten
muss, so dass in einzelnen Kreisen oder Branchen durchaus ein Nachfolgedefizit eintreten
kann. Außerdem wurden nur quantitative Größen berechnet. Das heißt nicht, dass auch alle
Gründer aufgrund ihrer Qualifikation in der Lage sind, einen Handwerksbetrieb erfolgreich zu
leiten.

                                                   19
Übersicht 15: Übernahme- und Übergabepotenzial im Thüringer Handwerk bis 2020

Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik, Erhebung 2008: Existenzgründer im Thüringer Handwerk, Erhebung
        2008: Ehemalige Inhaber von Handwerksbetrieben in Thüringen, eigene Berechnungen

Diese dargestellten Ergebnisse gelten für das Handwerk insgesamt. Differenziert man nach
einzelnen Handwerkssektoren, dürfte der Gründerrückgang bei den zulassungspflichtigen
Handwerken am höchsten ausfallen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Gründer in
diesen Handwerksbetrieben im Durchschnitt älter sind als in den nicht-zulassungspflichtigen
Handwerken.

Fazit

Der Betriebsbestand des Thüringer Handwerks unterliegt bis 2020 nur geringfügigen
Veränderungen. Die Zahl der Existenzgründungen sinkt allerdings jährlich kontinuierlich von
derzeit 1.938 (2007) auf 1.568 (2020). Auf Basis der Prognosen und des Abgleichs von
übergabefähigen Betrieben (Übergabepotenzial) und übergabewilligen Personen
(Übernahmepotenzial) dürfte es trotz des Bevölkerungsrückgangs für das Thüringer
Handwerk bis 2020 kein quantitatives Nachfolgeproblem geben.

Hingewiesen sei aber darauf, dass nach den Erkenntnissen aus der empirischen Untersuchung
und den Interviews, die in Frage kommenden Nachfolger häufig nicht genügend qualifiziert
sind, um einen Betrieb mit mehreren Beschäftigten erfolgreich zu führen. Schon derzeit ist die
Qualifizierung der Gründer und Betriebsnachfolger sehr unterschiedlich ausgeprägt.15

15
     Vgl. Müller/Koschmieder (Unternehmensnachfolge Handwerk Thüringen) 2009, S. 309
                                                    20
4. Unterstützungsleistungen für die Unternehmensnachfolge
Übergeber     können       im    Verlauf    des     Übergabeprozesses   auf     verschiedene
Unterstützungsleistungen zurückgreifen, die von privaten und öffentlichen Dienstleistern
angeboten werden. Das Ziel, die Unternehmensnachfolge zu optimieren und die
Unterstützungsangebote für die Übergeber der Handwerksbetriebe als auch für die Nachfolger
zu verbessern, ist nur zu erreichen, wenn die bisherigen Angebote gebündelt, Beratungslücken
erkannt werden und im Ergebnis daraus ein abgestimmtes Maßnahmenpaket von
Beratungsdienstleistungen durch die Beratungspartner, d.h. durch die Handwerkskammern
und Steuerberater sowie weitere Akteure, erarbeitet wird. Die Beurteilung der bisher bereit
stehenden Angebote erfolgte durch Angaben der ehemaligen Betriebsinhaber und
Existenzgründer sowie durch Experteninterviews.

Die Anforderungen an solche Unterstützungsleistungen verändern sich im Laufe des
Übergabeprozesses. Während in der Sensibilisierungsphase vor allem Informationen zum
generellen Ablauf und den Inhalten kommuniziert werden müssen, nimmt für die Beteiligten
in der Vorbereitungs- und Umsetzungsphase die inhaltliche Tiefe spezifischer Aspekte des
Übergabeprozesses zu. Gleichzeitig erfordert die Weiterentwicklung der konkreten Übergabe-
bzw. Übernahmevorhaben eine zunehmend individuelle Betreuung der Beratungsfälle.

Zu    den     wichtigsten   Unterstützungsleistungen    im    Nachfolgeprozess gehören
Informationsangebote, Beratungsleistungen und Finanzierungsförderungen. Diese werden
daher einer genaueren Betrachtung und Beurteilung unterzogen.

Informationen

Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zeigen, dass der Informationsbedarf der
Übergeber und Nachfolger sehr unterschiedlich ist. Im Vergleich zu einer Neugründung ist
die Übergabe eines Handwerksbetriebes sehr viel komplexer. Die vielfältigen bereits zur
Verfügung stehenden Informationen, die für eine Unternehmensgründung durch IHK,
Fördermittelgeber und andere Anbieter zur Verfügung stehen, sind für die Steuerung der
Übergabeprozesse im Handwerk nicht ausreichend, da die Spezifik der zu lösenden Probleme
durch die allgemeinen Informationen nicht abgebildet werden kann.

Zurzeit nutzen Übergeber und Nachfolger von Handwerksbetrieben vor allem
Informationsveranstaltungen der Handwerkskammern, wenn sie Fragen zum Übergabeprozess
beantwortet haben wollen. Weitere Informationsquellen sind Fachzeitschriften und von den
Handwerkskammern speziell angebotene Seminare. Selten wird das Internet als
Informationsquelle genutzt.

Für mögliche Informations- und Kommunikationsstrategien der Handwerkskammern und
anderer unterstützender Institutionen sind diese Ergebnisse im Hinblick auf eine verbesserte
Informations- und Kommunikationsstrategie wichtig. Es zeigt sich, dass in der Zukunft
Informationsmaterialien erstellt werden müssen, die folgende Kriterien erfüllen sollten:
                                              21
Für jede Phase der Übergabe müssen Informationen für die Übergeber als auch die
Nachfolger bereitgehalten werden. Das Informationsmaterial sollte einfach und übersichtlich
aufbereitet werden. Die Inhalte müssen auf die Bedürfnisse des Handwerks abgestimmt sein.
Das Informationsmaterial sollte in einem einheitlichen Layout erstellt werden, so dass im
Laufe der Zeit der Wiedererkennungswert steigt und das zur Verfügung gestellte Material
auch angenommen wird. Die Verteilung der Informationsmaterialien sollte abgestimmt über
alle beratenden Institutionen erfolgen.

Beratung

Bisher sind für Übergeber und Nachfolger die Steuerberater die wichtigsten Ansprechpartner
während des laufenden Übergabeprozesses. Aus den Interviews geht hervor, dass Übergeber
von Handwerksbetrieben die Qualität der Beratungsdienstleistungen eher kritisch einschätzen,
während potenzielle Nachfolger mit der Beratungsleistung zufrieden sind.

Die Beratungsleistungen der Steuerberater umfassen die steuerliche, betriebswirtschaftliche
sowie eine auf den Übergabefall spezifisch zugeschnittene Beratung. Die Untersuchungen
ergaben, dass sich eine langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem jeweiligen
Steuerberater positiv auf die Beratung auswirkt. In diesen Fällen kann auch der Steuerberater
spezifische Übergabeprobleme gemeinsam mit Übergeber und Übernehmer zur Zufriedenheit
beider lösen. Seine umfassenden Kenntnisse und Daten zur betriebswirtschaftlichen Situation
des jeweiligen Betriebes sind dafür Voraussetzung.

Das vorrangige Interesse der Nachfolger besteht darin, umfassende Informationen zu Fragen,
die mit der Existenzgründung verbunden sind, zu Förderangeboten und zu
betriebswirtschaftlichen Problemen zu erhalten. Die Steuerberater begleiten in der Regel den
gesamten Übergabeprozess (vgl. Übersicht 16).

Übersicht 16: Beratungsleistungen der Steuerberater

     Sensibilisierung       Vorbereitung        Umsetzung           Stabilisierung

                                                                          Übergeber

       Nachfolger

                Betriebswirtschaftliche Beratung (mindestens BWA)
                 Steuerberatung
                    Beratung zur Unternehmensnachfolge

                                                    22
Die Beratungsleistungen der Steuerberater sind kostenpflichtig, wobei die Kosten abhängig
sind vom Umfang der in Anspruch genommenen Beratungsleistungen. Besonders kleineren
Betrieben fällt es schwer, diese Kosten aufzubringen und deshalb nutzen sie die
betriebswirtschaftliche Beratung dementsprechend wenig.

Die Betriebsberatung der Handwerkskammern steht den Handwerksbetrieben kostenfrei zur
Verfügung. Die Beratungsangebote werden eher kurzfristig in Anspruch genommen. Aus
Sicht des gesamten Nachfolgeprozesses konzentrieren sich die Angebote der Betriebsberater
nur auf bestimmte Abschnitte, die besonders den Informationsbedarf in der
Vorbereitungsphase und in der Umsetzungsphase der Betriebsübergaben betreffen (vgl.
Abbildung 15). Die Stabilisierungsphase findet kaum Berücksichtigung, obwohl gerade für
diesen wichtigen Abschnitt der Übernahme ein begleitendes Controlling entscheidend für den
Erfolg ist. Insgesamt stellen sowohl Betriebsberater als auch Steuerberater fest, dass viele
Handwerker eher eine Aversion oder Beratungsresistenz zeigen und glauben, die Probleme
lösen sich selbst.

Übersicht 17: Betriebsspezifische Beratung der Handwerkskammern im Übergabeprozess

     Sensibilisierung            Vorbereitung                Umsetzung                  Stabilisierung

                                                                                                 Übergeber

        Nachfolger
  Übergeber

                                                        • Hinweis auf notwendige Schritte zur
   Für den

                            • Informationsgespräch        Vorbereitung der Übergabe
                            • Aufklärung über Inhalte   • Empfehlung, Rechtsanwalt, Notar oder
                              und Ablauf                  Steuerberater einzubeziehen
                            • Aufzeigen von             • Sensibilisierung für die Problematik
                              Lösungsalternativen         der Erbfolgeregelungen

                            • Hinweis auf möglichen     • Unterstützung bei der Erstellung von   • Finanzierungs-
                              Schulungsbedarf                  • Umsatz- und Ertragsvorschau       /Förderberatung bei
  Nachfolger

                            • Hinweis auf die                  • Liquiditätsplan                   Investitionen
   Für den

                              Nachfolgevoraus-          • Finanzierungs- und Förderberatung      • Krisenberatung
                              setzungen                 • Aufstellung von Finanzierungsplänen
                            • Sensibilisierung auf      • Abgabe von Stellungnahmen z.B. für
                              Problemfelder               Finanz- und Förderinstitute

               Betriebswirtschaftliche Beratung                        Beratung zur Unternehmensnachfolge

Bisher arbeiten Steuerberater und Betriebsberater nicht zusammen. Es wäre allerdings
wünschenswert, wenn eine Abstimmung und ein Informationsaustausch zwischen beiden
Beratergruppen erfolgen würde. Das wäre im Interesse beider Gruppen, da die Betriebsberater
oft über ein detailliertes Fachwissen der verschiedenen Handwerksgewerke verfügen, von
dem die Steuerberater profitieren könnten und die Steuerberater in der Tiefe die

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betriebswirtschaftlichen Belange des Unternehmens beurteilen können. Eine Abstimmung
über Schwerpunkte der Beratung sollte zwischen beiden Parteien über alle Phasen und
Abschnitte des Übergabeprozesses erfolgen. Damit könnte eine Win-Win-Situation für beide
Beratergruppen entstehen, von der vor allem die Übergeber und Übernehmer von Hand-
werksbetrieben profitieren.

Neben den zu lösenden Sachfragen spielen auch emotionale Faktoren im Prozess der
Übergabe eine große Rolle. Diese zu erkennen und moderierend bei der Problemlösung zu
helfen, stellt eine Herausforderung für alle Beratungspartner dar. Das Konfliktpotenzial ist bei
der Suche familieninterner Übergangsregelungen groß. Es gilt aber auch, Konflikte zwischen
Übergeber und Nachfolger zu vermeiden und falls diese entstehen, sie zur Zufriedenheit aller
zu lösen. Auf eine solche Aufgabe müssen die Berater vorbereitet werden. Dafür ist neben der
inhaltlich-sachlichen Qualifizierung der Berater eine Aus- bzw. Weiterbildung im Bereich
Moderation und Mediation erforderlich.

Finanzierung

Im Rahmen der Unternehmensnachfolge entstehen Kosten, die sich aus der Zahlung eines
Kaufpreises, aus erforderlichen Investitionen in Sachanlage- oder Umlaufvermögen, aus
laufenden Kosten, Kosten für Qualifizierung und Beratung, aber auch durch erhöhte
Lebenshaltungskosten, die durch Krankenversicherung oder eine Rentenabsicherung
verursacht werden, ergeben.

Um diese Kosten abzudecken, können verschiedene Fördermittel genutzt werden.
Förderangebote, die mit der Zahlung eines Eigenanteils verbunden sind, werden eher selten in
Anspruch genommen (vgl. Übersicht 18). Das betrifft z.B. Darlehen, Bürgschaften und
Investitionszuschüsse. Die Gründe sind vielfältig. In manchen Fällen erfüllen die Handwerker
die Anforderungen der Programme nicht oder die eingereichten Konzepte sind nicht
überzeugend genug. Häufig sind den Handwerkern die Programme schlicht nicht bekannt
oder sie sehen keinen Förderbedarf.

Anders sieht es für Förderangebote aus, die nicht mit einer Eigenbeteiligung verbunden sind.
Diese werden in der Regel gern genutzt. Programme wie der Existenzgründerpass,
Coachingangebote und Förderangebote der Bundesagentur für Arbeit sind deshalb gefragt. Sie
entsprechen eher den Finanzierungsbedürfnissen der Handwerksbetriebe und sind den
Handwerkern bekannt. Mitunter werden die Mittel aber auch "mitgenommen", weil sie relativ
einfach zu bekommen sind.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass zukünftig auch eine Aufstellung aller
Förderprogramme, eine einfache und verständliche Beschreibung der Förderbedingungen, die
Kontaktdaten zu Fördermittelgebern und begleitende Beratungsleistungen in entsprechenden
Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt werden müssten. Die Verteilung der
Informationen sollte wiederum über alle Beratungspartner erfolgen.

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Übersicht 18: Inanspruchnahme von finanziellen Unterstützungsleistungen im Vergleich Nachfolger und
              Neugründer
   s tarke Nutz ung

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                                                                             bz w. m it g ering er
                                                                             E ig e nka pita l/R is iko
                                                                             -be teilig ung in
                                                                             F orm v on
                                                                             Z us c hüs s e n
   geringe Nutz ung

                                                                             F örderform en, die
                                                                             e ine E ig e nka pita l/
                                                                             R is ikobeteilig ung
                                                                             de s N utz e rs
                                                                             v ora us s etz e n

Quelle: Erhebung 2008 „Existenzgründer im Thüringer Handwerk“

Betriebsvermittlung

Die Handwerkskammern bieten über ihre Betriebsbörsen eine Plattform für die
Betriebsvermittlung an. Dieser Service wird von den Thüringer Handwerkern nur selten
genutzt. Die Ursache dafür ist, dass bisher in Thüringen größtenteils familien- oder
betriebsinterne Übergaben der Handwerksbetriebe stattfinden oder externe Nachfolger auf
informellen Wegen gefunden werden. Zukünftig wird allerdings die externe Übergabe von
Handwerksbetrieben an Bedeutung gewinnen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass auch die
Betriebsbörsen entsprechend gestaltet und beworben werden.

Fazit

Wichtigste Beratungspartner sowohl der Altinhaber als auch der Übernehmer
(Existenzgründer) sind die Betriebsberater der Handwerkskammern sowie die Steuerberater.
Die Beratenden äußern sich weitgehend zufrieden über die Beratungsleistung. Die Beratung
der Betriebsberater wird diskontinuierlich nachgefragt, ist ereignisgetrieben und entspricht
fallweise einer Notfallberatung. Steuerberater beraten aufgrund des Dauermandates eher
kontinuierlich, phasenübergreifend und bieten inhaltlich an alle Aspekte der Übergabe bzw.
Übernahme umfassendes Beratungsangebot an. Defizite bestehen vor allem in der Moderation
und     Mediation    des    Übergabeprozesses     zwischen      Altinhaber    (und   dessen

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Familienangehörigen) und Übernehmer sowie in der Abstimmung zwischen Betriebsberatern
und Steuerberatern. Zur Finanzierung der Übernahme werden überwiegend
Finanzierungsmöglichkeiten ohne oder mit geringer Eigenleistung der Nachfolger genutzt.
Übernehmer sind eher bereit, Zuschüsse mit höherer Eigenbeteiligung in Anspruch zu
nehmen als Neugründer.

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