Untersuchung und Vergleich der Wissenschafts-sprache in deutschen und spanischen Bache-lorarbeiten im Rahmen der Biotechnologie
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Tribuna Untersuchung und Vergleich der Wissenschafts- sprache in deutschen und spanischen Bache- lorarbeiten im Rahmen der Biotechnologie Amelia Megía Guerrero *, Carmen Quijada Diez ** 1. Einleitung Zusammenfassung: Vergangene Studien heben die Not- wendigkeit an kontrastiven Analysen hervor, welche die „Zahlreiche kontrastive Studien belegen, dass wissenschaft- fachsprachlichen Unterschiede zwischen verschiedenen liche Texte in Abhängigkeit der Fachdisziplin und Kultur Un- Gebieten und Kulturen untersuchen. Diese Arbeit ana- terschiede aufweisen können“ (Senöz-Ayata, 2015: 259). lysiert und vergleicht die spanische und die deutsche Seit den 90er Jahren stieg die Anzahl der textlinguistischen Wissenschaftssprache im Kontext der Biotechnologie. Analysen und Vergleiche über akademische Textsorten erheb- Hierfür wurden die Hauptmerkmale beider Wissen- lich, insbesondere in den naturwissenschaftlichen Disziplinen schaftssprachen präsentiert und jeweils in deutschen wie Medizin, Chemie oder Biologie (Senöz-Ayata, 2015: 259). und in spanischen Bachelorarbeiten mithilfe von Sketch Die Biotechnologie zählt heutzutage zu den wichtigsten For- Engine untersucht. Die Ergebnisse deuteten auf relevan- schungsbereichen und kombiniert Kenntnisse und Methoden te Unterschiede auf syntaktischer, morphologischer und sowohl aus den Naturwissenschaften als auch aus dem Ingeni- semantischer Ebene sowie auf eine Erfüllung der uni- eurwesen, um letztendlich ihre Technologie auf die Lebewesen versalen stylistischen Merkmale der Wissenschaftsspra- anzuwenden. Obwohl der Begriff „Biotechnologie“ erst 1919 che in beiden Sprachen hin. vom Ingenieur Karl Erkey verwendet wurde, hat sich die Ge- schichte der Biotechnologie parallel zur Menschheit entwickelt Schlüsselwörter: Bachelorarbeit, Biotechnologie, (Verma et al., 2011: 321). Zu den vielen Entdeckungen biotech- Deutsch, kontrastive Analyse, Spanisch, Wissenschafts- nologischen Ursprungs gehören die Fermentation, die Trans- sprache. gene, die Klonierung sowie zahlreiche medizinische Produkte wie Impfungen oder Antibiotika. Analysis and comparison of the scientific language in Es gibt verschiedene Gründe, aus denen sich diese Studie German and Spanish bachelor theses in the field of auf die spezifische Analyse von deutschen und spanischen bio- biotechnology technologischen Bachelorarbeiten fokussiert. Zum einen ist die Biotechnologie trotz ihrer Aktualität hinsichtlich des sprachli- Abstract: Previous studies support the need for further chen Kontexts unzureichend untersucht worden. Da sie nicht contrastive analyses to look into the differences between das geschichtliche Prestige der Medizin oder der Biologie be- technical languages within particular fields and cultures. sitzt, sind derzeit wenige linguistische und textuelle Analysen This paper focuses on the study and comparison of the mit rein biotechnologischer Thematik vorhanden. Obwohl sich German and Spanish scientific languages in the field of die Biotechnologie, verglichen mit anderen wissenschaftlichen biotechnology. For this purpose, we described and ex- Disziplinen, noch in den Kinderschuhen befindet, wächst ihr amined the main characteristics of scientific language Stellenwert derzeit stetig und sie rückt weltweit in den Fokus in Spanish and German bachelor theses with the aid of diverser Forschungsinstitutionen (Verma et al., 2011: 321). Sketch Engine. Our results showed relevant differences Zum anderen wird die englische Sprache heutzutage als die between both languages at the syntactic, morphological, weltweite Lingua franca der Wissenschaft dargestellt, in der die and semantic levels, as well as general compliance with meisten akademischen Publikationen und Abschlussarbeiten the universal stylistic features of scientific texts. verfasst werden (Drubin und Kellogg, 2012: 1399; Ammon, Hil- gendorf und Coulmas apud Erling, 2002: 2-3). Eine steigende Key words: bachelor thesis, biotechnology, contrastive Tendenz zur Verfassung von naturwissenschaftlichen Arbeiten analysis, German, scientific language, Spanish. auf Englisch hat sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts entwi- ckelt: 1920 betrug der Anteil englischsprachiger Publikatio- Panace@ 2020; xxi (51): 33-48 nen 30 %, welcher durch ein stetiges Wachstum bis 2005 auf Recibido: 26.v.2019. Aceptado: 20.iv.2020. über 90 % anstieg. Waren Deutsch und Französisch Anfang des 20. Jahrhunderts gleichrangig mit Englisch, so machten sie * Becton Dickinson GmbH, Heidelberg (Alemania). Dirección para correspondencia: a.megia.guerrero@gmail.com. ** Universidad de Oviedo (España). Dirección para correspondencia: quijadacarmen@uniovi.es. Panace@ | vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020 33
Tribuna hingegen bis 2005 durch eine kontinuierliche Abnahme nur Diese Studie vertritt die These, dass die deutschen und spa- noch ein Prozent des Weltanteils aus (Ammon, 2010: 401)1. Vie- nischen Bachelorarbeiten vergleichbare syntaktische Merkma- le Fachzeitschriften akzeptieren ausschließlich Publikationen le besitzen, allerdings relevante Unterschiede auf der Ebene auf Englisch (Erling, 2002: 3). Zudem ist die Wahrscheinlich- der Semantik und der Terminologie, insbesondere was die Bil- keit einer Verfassung in der jeweiligen Muttersprache (außer dungsmechanismen neuer biotechnologischer Termini angeht, im Englischen) umso geringer, je höher das wissenschaftliche aufweisen. Weiterer Gegenstand des Beitrags ist außerdem zu Niveau einer Abschlussarbeit ist. Da sich also mit steigendem beurteilen, ob die Besonderheiten in der Lexik und Syntax die- wissenschaftlichen Niveau die Datengrundlage aller Sprachen ser Texte zu den universellen Stilzügen der Wissenschaftsspra- außer der englischen verschlechtert, wurden in dieser Studie che beitragen. Bachelorarbeiten fokussiert. Darüber hinaus führt die Hegemonie der englischen Spra- che in akademischen Zusammenhängen dazu, dass die Mehr- 2. Merkmale der Wissenschaftssprache mit Fokus heit der komparativen sprachwissenschaftlichen Studien das auf die deutsche und die spanische Sprache Englische als Studienobjekt miteinbeziehen (Ammon, 2001; Hammel, 2007). Um der dünnen Datenlage nicht englischspra- 2.1. Fachsprache und Wissenschaftssprache chiger Forschungen entgegenzuwirken, setzt sich diese Studie Trotz vielerlei Autoren, die sich mit der Charakterisierung mit dem Vergleich der deutschen und der spanischen Wis- der Fachsprache beschäftigt haben, gibt es heutzutage immer senschaftssprache auseinander. Mit über 110 Millionen Mut- noch keine eindeutige Definition der Fachsprache. Diese wurde tersprachlern weltweit und mit der höchsten Zahl an Mutter- initial von Beneš (1971: 126-127) als „Inventar aller Sprachmittel, sprachlern in der europäischen Union sowie dem Rang als die in den Fachtexten vorkommen und die für die Bedürfnisse zweitwichtigste Wissenschaftssprache stellt Deutsch eine äu- des Fachstils angemessen, angepa[ss]t bzw. auch neu und zu- ßerst bedeutende Sprache im globalen Forschungs- und Fi- sätzlich herausgebildet werden“ beschrieben, später von Wieser nanzbereich dar (Tinsley und Board, 2013: (1978: 16) dem Subsystem der Allgemein- 26-27). Was die spanische Sprache angeht, sprache zugeordnet und von Lothar (1987: ist diese mit 400 Millionen Muttersprach- 53) als „die Gesamtheit aller sprachlichen lern die zweitmeist gesprochene Sprache Mit über 110 Millionen Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren der Welt (Fernández Vítores, 2016). Sie ist Kommunikationsbereich verwendet wer- eine der offiziellen Sprachen zahlreicher Muttersprachlern weltweit den, um die Verständigung zwischen den Institutionen (u. a. der Vereinten Nationen und mit der höchsten in diesem Bereich tätigen Menschen zu oder der Welthandelsorganisation) und Zahl an Muttersprachlern gewährleisten“ definiert. Unter den spani- die offizielle Sprache vieler Entwicklungs- schen Fachexperten beschrieb Gutiérrez länder, die ein stetiges Wachstum erleben in der europäischen Rodilla die Fachsprache als eine speziali- (Tinsley und Board, 2013: 38-39; Fernán- Union sowie dem Rang sierte Sprache, die, je nach Definition, in dez Vítores, 2016). Dementsprechend ist es unterschiedlichem Grad von der allgemei- sinnvoll, zukünftig ein besseres Verständ- als zweitwichtigste nen Sprache abweicht (1998: 18). nis der sprachlichen Zusammenhänge und Wissenschaftssprache Im Hinblick auf die Wissenschaftsspra- Unterschiede zwischen der deutschen und stellt Deutsch eine äußerst che erläuterte Roschek, dass man gerade- der spanischen Wissenschaftssprache zu zu von einer allgemein-wissenschaftlichen erzielen. bedeutende Sprache im Fachsprache neben den Fachsprachen wie Diese kontrastive Analyse untersucht, globalen Forschungs- und der der Medizin, der Informatik oder der inwiefern die der Wissenschaftssprache zu- Biotechnologie sprechen kann (1978: 115). Finanzbereich dar geschriebenen Merkmale in diesen Texten Ähnlich wie Roschek unterstützt Gutiér- erfüllt werden, und welche Gemeinsam- rez Rodilla die Auffassung der Absenz ei- keiten sowie Unterschiede die spanischen ner einzigen Wissenschaftssprache und und deutschen Bachelorarbeiten sowohl auf terminologischer die Unterordnung der einzelnen Varietäten künstlich unter als auch teilweise syntaktischer und semantischer Ebene auf- dem Begriff Wissenschaftssprache, weil die geteilte Komponen- weisen. Darüber hinaus stellt der Erwerb von Textmusterwis- te wichtiger als die Unterschiedlichkeit sei (2005: 19). Darüber sen in biotechnologischen schriftlichen Zusammenhängen ein hinaus vertritt Lvovskaya die These der Existenz besonderer weiteres Ziel dar. In Hinsicht auf die Übersetzungswissenschaft Fachsprachen innerhalb der einzelnen Wissensgebiete, die so- und -praxis sowie die Sprachpflege sollen die Erkenntnisse der genannten lenguajes sectoriales, ‚Branchensprachen‘ (2002: 8). vorliegenden Untersuchung die Arbeit von Übersetzern unter- Bezüglich der kulturellen Ausprägung ergänzte Goldhahn, dass stützen, die mit biotechnologischen Texten arbeiten. Nicht zu- es sich bei der Wissenschaftssprache um eine Varietät zwischen letzt können diese Ergebnisse tendenziell das Schreiben für der Allgemeinsprache und den akademischen Fachsprachen Studenten erleichtern, die ihre Bachelorarbeiten im Ausland auf handelt, die lexikalische und grammatikalische Merkmale in- der jeweiligen Fremdsprache Deutsch oder Spanisch im Rah- nehat, welche eng mit dem wissenschaftlichen Arbeiten und men der Biotechnologie verfassen möchten. mit der Wissenschaftskultur verknüpft sind (2017: 14-15). 34 Panace@ | vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020
Tribuna Weitere bedeutende Aspekte der Wissenschaftssprache stel- Deml verweist auch Goldhahn darauf, dass diese Merkmale len ihre Funktionalität und ihre Schreibweise dar. Die Fachkom- keine absolute Gültigkeit besitzen sollten: „Zu starke Abstrakti- munikation ist grundsätzlich darstellungsfunktional (Roelcke, on und Dichte führen dazu, dass Texte unverständlich werden“ 1991: 194) und ihre Funktion, unabhängig von Wissensbereich, (2017: 17). Darüber hinaus sollen die stilistischen Merkmale Kommunikationssituation und Teilnehmer, repräsentativ, weil in Wissenschaftstexten durch gegenläufige Maßnahmen relati- als ihr Hauptziel die Vermittlung von Information gilt (Gu- viert werden, um Verständlichkeit zu sichern (Goldhahn, 2017: tiérrez Rodilla, 2005: 22). Als Folge soll die wissenschaftliche 18). Zustimmend ist Gutiérrez Rodilla der Ansicht, dass die Stil- Schreibweise „nicht narrativ, sondern deskriptiv sein und er- züge der Wissenschaftssprache eher als Ziele betrachtet werden arbeitete Erkenntnisse möglichst knapp und direkt vermitteln“ sollten, die nicht immer erreicht werden (2005: 22). (Deml, 2013: 61). Manche der von López Yepes empfohlenen Regeln zu einer hochwertigen wissenschaftlichen Schreibweise 2.3. Charakteristika der deutschen Wissenschaftssprache können zusammengefasst werden als (2000: 49-50): i) die rich- In diesem Abschnitt werden die fachsprachlichen Beson- tige Einordnung und Klarheit der Ideen vor dem Schreibver- derheiten der deutschen Wissenschaftssprache beschrieben, fahren, ii) die hierarchische Darstellung der Ideen in logischer welche zu der Verwirklichung der oben erwähnten Merkma- Reihenfolge, iii) die Sätze sollen nicht zu lang sein und mittels le beitragen. Bezüglich der Syntax erläuterte Beier, dass keine Juxtaposition oder Koordination verbunden sein, und iv) Aus- neuen spezifischen Strukturen entwickelt wurden. Stattdessen drücke, die Unwissenheit vermitteln, sollen vermieden werden. bestehen die Unterschiede eher aus quantitativen als aus quali- tativen Besonderheiten, „aus einer spezifischen Häufigkeit und 2.2. Universelle Merkmale der Wissenschaftssprache Verwendungsweise sprachlicher Strukturen“ (Beier, 1979: 276). Die universellen Merkmale der Wissenschaftssprache sind Weitere relevante Autoren, unter anderem Beneš (1971), Wieser die Charakteristika, die kulturübergreifend Gültigkeit besit- (1978), Roschek (1978) und Deml (2013), haben sich ebenfalls zen. Diese wurden „etwa zeitgleich aus zwei unterschiedlichen zu der fachsprachlichen Syntax geäußert. Da eben genannte Perspektiven in den Blick genommen: einerseits von der Stilis- Autoren auf ähnliche Merkmale für die deutsche Fachsprache tik, andererseits von der Fachsprachenforschung“ (Goldhahn, verweisen, werden diese im Folgenden zusammenfassend dar- 2017: 15). Die Stilzüge der Wissenschaftssprache sind größ- gestellt: tenteils universell, jedoch variieren die Hauptunterschiede im linguistischen Bereich unter Allgemeinsprachen (Mundarten). a ) Verkürzung der Satzlänge auf ca. 17-22 Wörter (Wieser, Dementsprechend werden in diesem Abschnitt die Merkmale 1978: 28). Auch Deml bestätigte in einer neuen Studie die der Stilistik präsentiert, während die sprachliche und linguis- Abnahme der Satzlänge zugunsten der nominalen Gruppen tische Ebene in getrennten Abschnitten für die spanische und und des Komplexitätsgrades der zu vermittelnden Informa- die deutsche Sprache beschrieben wird. tionen: Schon 1975 führten Fleischer und Michel die charakteristi- „Untersuchungen der historischen Syntax zeigen, dass schen Stilzüge der Wissenschaftssprache im Rahmen der Funk- die Satzlänge im Deutschen abnimmt. Denn seit dem tionalstilistik auf: „Abstraktion, Objektivität/Unpersönlich- 18. Jahrhundert geht der Gebrauch von Hypotaxen und keit, Rationalität (Dichte), Genauigkeit und Differenzierung Nebensatzkonstruktionen zurück. Dies wird zum einen der Aussagen nach Bestimmtheitsgrad (Modalität)“ (Fleischer durch vermehrte parataktische Sätze kompensiert, zum und Michel, 1975: 260-263). Diese Daten unterstützend be- anderen durch das Anwachsen nominaler Satzglieder schrieb Deml, dass heutzutage gutem Wissenschaftsdeutsch Ei- […] Das bedeutet, die Satzstrukturen werden durch Ab- genschaften wie Verständlichkeit, logische Gedankenführung, bau von Nebensätzen einfacher, während die dort enthal- eindeutige und klare Formulierung, Schlichtheit und Sachlich- tene Information in immer komplexer werdende Nomi- keit, Abkehr von esoterischem Sprachgebrauch, genaue Defi- nalgruppen abwandert“. (Deml, 2013: 53-55) nitionen, Verwendung von Fachterminologie und Lernbarkeit zugeschrieben werden (2013: 50-2). Auer und Baßler definier- b ) Bevorzugung des Einzelsatzes, der durchschnittlich 10-11 ten ein weiteres Merkmal, die Universalität, als die Verwendung Wörter umfasst (Wieser, 1978: 28). Laut Roschek machen eines vom Autor und seiner kulturellen Zugehörigkeit unab- hypotaktische Satzgefüge nur noch 40-50 % aller Sätze aus hängigen sprachlichen Stils (2007: 13). Um eine sichere An- (1978: 116). Dies geschieht durch die Einführung der für die erkennung der Ergebnisse rund um den Globus zu gewährleis- Wissenschaftssprache „typischen erweiterten attributiven ten, solle man deshalb die feinen Normunterschiede kennen, Partizipien und mit Appositionen“ (Roschek, 1978: 116). die zwischen den Wissenschaftssprachen verschiedener Länder bzw. Kulturen bestehen (Goldhahn, 2017: 17). Darüber hinaus c ) Das Verb tritt quantitativ zugunsten des Substantives zu- fügten Corpas et al. bezüglich der Universalität hinzu, dass die rück (Wieser, 1978: 28). Beier bezeichnete die „Entverbali- Wissenschaftssprache aus diesem Grund international, künst- sierung“ als die Erscheinung, dass „das finite Verb in Fach- lich und terminologisch aufgebaut sei (2008: 3). texten eine niedrigere Frequenz aufweist“ als „in den zum Trotz der Akzeptanz der zuletzt genannten Zuschreibun- Vergleich herangezogenen Texten aus anderen Sprachver- gen werden diese nicht immer eingehalten und die sprachliche wendungsbereichen“ (1979: 281). Realität wird häufig kritisiert (Deml, 2013: 50-2). Ähnlich wie Panace@ | vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020 35
Tribuna d ) Bezüglich der Tempora ist eine hohe Frequenz von Prä- der gebrauchten Terminologie und deren Wiederholungsindex sensformen in der Wissenschaftssprache und die relativ vermittelt (Beneš, 1971: 123). Die folgenden Merkmale werden geringe Verwendung anderer Tempora festgelegt worden den allgemeinwissenschaftlichen Fachsprachen im Deutschen (Beier, 1979: 282). Deml betrachtet das Präsens als „Stan- zugeschrieben: dardform des Verbs in wissenschaftlichen Abhandlungen”, da „es sich besonders gut dazu eignet, Axiome, logische 1 Die mehrgliedrige Zusammensetzung bei der Wortbildung Relationen, generelle Sätze und Definitionen darzustellen“ (Roschek, 1978: 115). Durch den Gebrauch von z.B. Kompo- (Deml, 2013: 61). Sie erklärte auch, dass es häufig in den wis- sita soll eine allgemein bessere Verständlichkeit erzielt wer- senschaftlichen Texten zu einem Wechsel zwischen Präsens den (Deml, 2013: 51). und Präteritum komme, „wobei im Präsens Schlüsse gezo- 2 U. a. die starke Verwendung bestimmter Präfixe, z.B. ver-, gen werden und Allgemeingültigkeit beansprucht werde, er-, be-, ent- und zer- oder bestimmter Suffixe wie -bar oder während im Präteritum berichtend die Empirie wiederge- -mäßig (Roschek, 1978: 115). geben werde“ (Deml, 2013: 61). 3 U. a. ubstantivische Bildungen auf -ung, -heit, -keit (Wieser, 1978: 28). e ) Nominale Ausdrucksweise. Beier erachtet als Vorzüge der 4 Appositionen, die als vergleichsweise stark frequentierte Nominalisierung, dass sie die begriffliche Darstellung eines Mittel in der deutschen Sprache berücksichtigt werden (Bei- Geschehens und eine stärkere Beweglichkeit im Vergleich er, 1979: 279). zur festen Stellung des Satzes ermöglicht, sowie „sich als ein 5 Ein fachsprachlicher Wortschatz, der nicht terminologisch dem Bedürfnis nach exakter Definition eher gerecht wer- ist. Hierzu zählen vor allem Wörter mit abstrakter Bedeu- dendes Mittel für die Bildung von Termini erweist“ (1979: tung. Dazu gehören (Roschek, 1978: 115): 278). Roschek erläutert, dass ein Kennzeichen für diesen 5.1 Sinnleere Funktionsverben, die zusammen mit ei- Nominalstil „die Verwendung von präpositionalen Wen- nem Substantiv in einer sprachlichen Wendung vor- dungen anstelle von Nebensätzen“ sei (1978: 116). kommen (durchführen, erfolgen). 5.2 Substantive und Adjektive mit abstrakter Bedeutung f ) Vorliebe für das Passiv und seine Varianten, zu denen u. a. (Vorgang, erheblich). Konstruktionen aus sich lassen + Infinitiv; sein (haben) zu + 6 Präpositionale Wortgruppen, die dem Ausdruck attributiver Infinitiv; Zustandspassiv; u. a. finden/kommen/gelangen; und adverbialer Verhältnisse dienen und in logisch-seman- Verbalsubstantive auf -ung; sein + Adjektive auf -bar oder tischer Hinsicht häufig die entsprechenden Nebensätze er- -lich zählen. Da „das Thema im Fachtext typischerweise setzen (Beier, 1979: 278). keine Person, sondern eben eine Sache ist“ (Beier, 1979: 7 Verschiedene lexikalische Mittel zum Ausdruck modaler In- 284), ist das Passiv besonders nützlich, um die Nennung halte (Deml, 2013: 63). Dazu gehören: „Modalverben, Mo- des Handlungsträgers und die entsprechende Redundanz dalpartikel, Präpositionalgruppen, Adjektive mit moda- (Handlungsträger i. d. R. = Autor) zu vermeiden. Weinrich ler Bedeutung und verschiedene Ausdrücke in Satzform“ fügte hinzu, dass „das Passiv in wissenschaftlichen Texten (Deml, 2013: 63). nicht Passivität ausdrückt, sondern dass es sich hierbei um die angesprochene grammatische Form der Deagentivie- Wie schon erwähnt, tragen die syntaktischen Merkmale und rung handelt“ (Weinrich apud Deml 2013: 60). die Terminologie der Wissenschaftssprache zu den Stilzügen bei. So dokumentierte Weinrich einerseits bezüglich der Syntax g ) Partizipien. Die Nutzung von Partizipien trägt zur Ökono- vergleichbare Erkenntnisse, die über die Wort- und Satzebene mie der Fachsprache bei, indem auf finite Formen von wer- hin zur Textlinguistik führen (1989: 132-138). Andererseits for- den mehrere Partizipien folgen können (Beier, 1979: 285). mulierte er drei für die Wissenschaftssprache besonders kenn- Sowohl Partizip I- als auch Partizip-II-Strukturen gelten als zeichnende Verbote. Das erste ist das sogenannte Ich-Verbot, Ersatz von Nebensätzen (von dieser Tatsache ausgehend, ge- welches die Vermeidung des autorbezogenen Ichs zwecks der stützt auf die Tatsache; Deml, 2013: 55). Objektivität betont. Gemäß dem zweiten Verbot, das Erzähl- Verbot, sollen die Ergebnisse sachlich und dementsprechend h ) Nominalisierungsbedingte Auffüllung der Attribute (Bei- deskriptiv dargestellt werden. Da lediglich die Erkenntnisse er, 1979: 278). und nicht der Weg von Interesse sind, werden narrative Ge- staltungen vermieden. Das dritte Verbot, das sogenannte Me- i ) Formalisierung (Tabellen, Diagramme, Symbole u.a.; Wie- taphern-Verbot, bezieht sich auf einen Verzicht auf metaphori- ser, 1978: 28). sche Ausdrücke, um die Stilzüge Abstraktion und Genauigkeit zu erzeugen (Weinrich, 1989: 132-138). Neben der Syntax ist für die Fachsprachen die Verwendung Im selben Kontext analysierte Steinhoff (2007) in einer Stu- einer hoch spezifischen Terminologie charakteristisch. Die Un- die aus der jüngsten Vergangenheit die Frequenz und Ver- tersuchung der Fachsprachenterminologie hat eine außeror- wendung von ich in Fachtexten der Linguistik, Literatur dentlich große Bedeutung, weil sie genaue Informationen über wissenschaften und Geschichtswissenschaften. Bezüglich der den Wortschatz der Fachtexte sowie über den Gesamtumfang Häufigkeit beobachtete er, dass die Frequenz der ersten Person 36 Panace@ | vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020
Tribuna Singular mit der wissenschaftlichen Schreiberfahrung abnahm • Die Koordination und die Juxtaposition als prototypische (Steinhoff, 2007: 9). Genaugenommen wird die erste Person Verbindungen, die jedoch durch Subordination erweitert Singular „im Schnitt von den Experten 0,43 Mal/1000 Wörter“ werden können. verwendet (Steinhoff, 2007: 23). Dementsprechend, und da in • Lange Sätze mit einer komplexen inneren Struktur und mit 60 % der untersuchten Texte ich mindestens einmal vorkam, er- häufigen Nominalisierungen und Passivstrukturen, vor al- achtet Steinhoff, dass es in deutschen wissenschaftlichen Texten lem die sogennante „pasiva refleja“. kein ich-Verbot gäbe (Steinhoff, 2007: 23). Andererseits unter- • Zahlreiche deklarative Sätze und kopulative Verben im Ein- schied er zwischen drei „Ich-Typen“: Verfasser-ich, Forscher-ich zelsatz, während komplexe Sätze häufig relative und er- und Erzähler-ich: gänzende Verbindungen sowie substantivische und adjekti- vische Subordinationen aufweisen. 1 ) Das Verfasser-ich wird dann verwendet, wenn es sich um • Tendenz zum Einsatz von unpersönlichen Verbalformen textdokumentierende, stark adressatenbezogene Prozedu- (Infinitiven, Gerundien und Partizipien). Die Verben wer- ren handelt, „die zusammengenommen eine Art Anleitung den in erster Linie im Indikativpräsens verwendet. zum Text bilden“ (Steinfhoff, 2007: 13). Es tritt oft in Fußno- • Verwendung von Modalverben und Periphrasen. ten oder Danksagungen auf (Steinfhoff, 2007: 13-16). Eine andere Ansicht über die Syntax in den spanischen Wis- 2 ) Das Forscher-ich wird in argumentativen Textprozeduren senschaftstexten wird vom Biochemiker Claros Díaz (2016) verwendet, die auf fachliche Inhalte bezogen sind. Steinhoff vertreten, der in seinem Werk zahlreiche Empfehlungen über zeigte drei Textprozeduren, in denen das Forscher-ich häufig die Übersetzung von technisch-wissenschaftlichen Texten vom vorkommt: die Erschaffung von Begriffen, die Hypothesen- Englischen und Französischen ins Spanische gibt, damit die bildung und bei textkritischen Textprozeduren (2007: 17 19). Merkmale der spanischen Wissenschaftssprache nicht durch die englischen Charakteristika in den Schatten gestellt wer- 3 ) Eine dritte und seltenere Verwendungsart von ich in wis- den. In der Tat gehören die meisten der von ihm angebrach- senschaftlichen Texten stellt das Erzähler-ich dar, eine typi- ten Beispielen zu dem biotechnologischen Bereich. Da einige sche Form in autobiographischen, narrativen Textpassagen dieser Besonderheiten der spanischen Wissenschaftssprache (Steinhoff, 2007: 21). im Gegensatz zu den von Álvarez López präsentierten Ergeb- nissen stehen, werden die für diese Arbeit wichtigsten Aspekte Die erste Person betreffend erläuterte Deml, dass die Ver- im Folgenden zusammenfassend dargestellt (Claros Díaz, 2016: wendung von wir seit der Mitte des 20. Jahrhunderts abnimmt, 83-105): während die Häufigkeit der Form ich seit den 90er Jahren an- steigt (2013: 58-59). Die Bedeutung von wir kann sich abhän- • Die Nominalisierung, die eine Umwandlung von dynami- gig vom Kontext auf eine Autorenschaft, den Autor und seine schen Aktionen in statische Objekte erzielt, soll begrenzt Kollegen oder im Sinne eines Pluralis Modestiae einen Autor angewendet werden. Stattdessen sollen Strukturen mit „ser beziehen (Deml, 2013). ‚sein‘ + Nominalgruppe“ sowie poder ‚können‘, deren exzes- siver Gebrauch im Spanischen unnatürlich ist, durch Verben 2.4. Charakteristika der spanischen Wissenschaftssprache mit einer eigenständigen Bedeutung ersetzt werden. Auch die spanische Wissenschaftssprache erfüllt die typi- • Als vorteilhafte Folge der niedrigen Nominalisierung im schen Stilzüge der wissenschaftlichen Schreibweise. Im Hin- Spanischen hebt sich die Verkürzung der Satzlänge im Ver- blick auf die Syntax gibt es deutlich wenigere Autoren, die sich gleich zu anderen Sprachen wie dem Englischen hervor. im Vergleich zu anderen Sprachen wie dem Deutschen damit • Partieller Ersatz der übermäßig gebrauchten „pasiva propia beschäftigt haben. Trotzdem haben mehrere Spezialisten vor (nominal)“ durch die spanische „pasiva refleja (pronomi- einiger Zeit schon Alarm aufgrund des negativen Einflusses nal)“. Darüber hinaus soll das Passiv ausschließlich zum Ein- des Englischen auf die spanische Syntax geschlagen, wie unter satz gebracht werden, wenn unter besonderen Umständen anderem Navarro (2001), Aleixandre-Benavent et al. (2007 und das Aktiv nicht empfehlenswert wäre. Grund dafür ist die 2015) oder Gutiérrez Rodilla (2014). In ihrer Arbeit über den übermäßige Verwendung des Passivs nach dem Vorbild der Vergleich der Syntax in spanischen und russischen Medizin- englischen Wissenschaftssprache, obwohl das Passiv eigent- texten betrachtet Álvarez Jorge die Syntax als die Eigenart jenes lich nicht charakteristisch für die spanische Wissenschafts- Texttyps und deutet auf die fehlenden Informationen von syn- sprache ist (wie u. a. von Navarro et al. [1997] beschrieben). taktischen Angaben in den Hauptarbeitsmitteln der Übersetzer, • Die Appositionen sind selten im Spanischen (hombre rana den technischen und wissenschaftlichen Wörterbüchern, die ‚Froschmann‘, niño prodigio ‚Wunderkind‘) und sollen daher sich deutlich mehr auf den Fachwortschatz fokussieren, hin begrenzt verwendet werden. (2008: 12). Außerdem fasste sie in ihrer Studie die von Vivanco • Das Gerundium muss immer Simultaneität ausdrücken, Cervero (2006), Riera (2005), Vázquez y del Árbol (2006) und sonst soll es durch andere Formen ersetzt werden. Martínez Linares (2007) definierten Hauptmerkmale der Syn- tax in der spanischen Wissenschaftssprache zusammen (Álva- Laut Gutiérrez Rodilla (2005) ist der Wortschatz das Haupt- rez Jorge, 2008: 13): erkennungszeichen der spanischen Wissenschaftssprache. Die- Panace@ | vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020 37
Tribuna se Terminologie weist eine sehr hohe Wachstumsrate auf, da allein funktionieren können (z. B. marcapasos ‚Herzschrittma- tagtäglich neue Termini (tecnicismos im Spanischen) auf allen cher‘). Dies ist nicht immer möglich, weil viele dieser Einheiten wissenschaftlichen Feldern erschaffen werden (Gutiérrez Ro- aus dem Griechischen und Lateinischen stammen und deshalb dilla, 2005: 28). Was die Erschaffung neuer wissenschaftlicher in der Regel nicht allein vorkommen können (z. B. nefro-, wel- Termini angeht, werden laut Gutiérrez Rodilla grundsätzlich ches trotz seiner Eindeutigkeit und typischen Verwendung als die Prozeduren der neología de forma ‚Formenneologie‘ und Präfix nicht als allein funktionierende Einheit auftritt; Gutiér- der neología de sentido ‚Sinnesneologie‘ eingesetzt (2005: 43). rez Rodilla, 2005: 47-48). Während die Sinnesneologie charakteristisch für die neuen Andererseits werden mittels der Komplexierung die soge- bzw. schlecht etablierten Bereiche der Wissenschaft ist, wird nannten lexías complejas ‚komplexen Begriffe‘ oder ‚geschlos- die Formenneologie häufig in jenen Gebieten verwendet, die senen Bedeutungseinheiten‘ gebildet, die durch Koordination gut konsolidiert sind bzw. eine gewisse geschichtliche Trans- oder Juxtaposition mehrerer Wörter geschafft werden. Im Fall zendenz aufweisen. Im Folgenden werden diese Mechanismen der syntaktischen Kombination durch Juxtaposition werden beschrieben. die Einheiten (ein Substantiv und ein oder mehrere Adjektive) des komplexen Begriffs ohne Nexus gebildet (tolerancia inmu- -Formenneologie: basiert auf der Erschaffung neuer nológica, selección clonal, esclerosis lateral amiotrófica), wäh- Termini und Ausdrücke durch die Kombination schon rend bei der Koordination die Einheiten mithilfe von anderen vorhandener sprachlicher Elemente. Dies beinhaltet die Elementen verbunden werden (cromatografía de intercambio folgenden Prozeduren: iónico, constante de equilibrio, sistema de referencia cartesiano; Gutiérrez Rodilla, 2005: 50). Neología de sentido ‚Sinnesneologie‘: innerhalb die- Tabelle 1. Prozeduren in der Formenneologie (Gutié ser Prozedur gibt es zwei Mechanismen zur Schaffung rrez Rodilla, 2005: 44). Unsere Übersetzung. Diese Tabelle neuer Termini. Einerseits besteht die terminologización bezieht sich selbstverständlich auf die Mechanismen der ‚Terminologisierung‘ darin, einem allgemeinsprachli- spanischen jedoch nicht der deutschen Neologie. Bitte be- chen Wort eine neue Bedeutung zuzuschreiben; das wäre achten, dass die deutsche Zirkumfigierung und die daraus der Fall von ratón ‚Maus‘ in der Informatik. Andererseits resultierenden Parasynthetika (Wörter, die gleichzeitig kann ein Terminus von einem wissenschaftlichen Be- Präfixe und Suffixe enthalten) nicht mit den spanischen reich in ein anderes Wissensgebiet übertragen werden, Parasynthetika übereinstimmen. wobei der Begriff eine neue Bedeutung im neuen Umfeld erwirbt, zum Beispiel código genético ‚genetischer Code‘. Derivation Präfigierung Konstruierte Wenn die neue Bedeutung durch eine Analogie inspiriert Konstruktion Suffigierung Begriffe wird, heißt diese Prozedur metáfora etimológica ‚etymo- Komposition Parasynthese logische Metapher‘ (Gutiérrez Rodilla, 2005: 57-58). Juxtaposition Komplexe Begrif- Neben der neología de sentido und neología de forma be- fe / geschlossene schrieb Gutiérrez Rodilla zwei weitere Mechanismen zur Bil- Komplexierung Bedeutungsein- dung neuer Termini: Koordination heiten Neología de préstamo ‚Entlehnungsneologie‘: da die Forschung größtenteils in den usa durchgeführt wird, Innerhalb der Konstruktion ist die Präfigierung eine der werden viele neue Konzepte im Englischen erschaffen, produktivsten und ökonomischsten Methoden, über die die aufgefasst und später in andere Sprachen als Entlehnun- Wissenschaftssprache verfügt, um neue Termini zu erhalten. gen integriert. Häufig werden neueingeführte Anglizis- Bei der Suffixbildung werden dafür die gleichen Suffixe wie in men kritisiert, weil sie entweder unnötigerweise oder der Allgemeinsprache verwendet. Unter den bei der Substantiv- falsch adaptiert worden sind. Letzteres ist oft auf die Er- bildung verwendeten Suffixen (-aje, -ado, -ismo, -ista …) wird schaffungsmechanismen der neuen englischen Termini -ción am häufigsten benutzt, um Verben in Substantive umzu- zurückzuführen. Wenn der neue Begriff durch die For- wandeln, die Aktionen beschreiben. Unter den bei der Adjek- menneologie geschaffen wurde, können die Einheiten tivbildung verwendeten Suffixen (-ar, -ario, -ico, -ano …) wird einen griechischen-lateinischen Ursprung besitzen oder wegen des englischen Einflusses -al am häufigsten benutzt. aus dem Englischen selbst stammen. Was die wissenschaftliche Suffigierung angeht, werden Suffixe aus der Allgemeinsprache wie -izar, -ificar etc. verwendet, so- Die erste Situation erlaubt i. d. R. eine reibungslose Adap- wie Suffixe die ausschließlich zur Erschaffung von Termini ge- tion, während der zweite Fall häufig zu unrichtigen Lehnüber- braucht werden, wie zum Beispiel -itis, -aceo, oder -ato. Zuletzt setzungen (calcos morfológicos) führt. Beispielsweise wird der besteht die Parasynthese als Teil der Komposition darin, neue englische Begriff degree of packaging ‚Verpackungsniveau‘ ver- Termini mittels zweier Einheiten zu bilden, die im Prinzip auch wendet, um auf die verschiedenen Strukturen im Prozess zu 38 Panace@ | vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020
Tribuna verweisen, durch den sich die dna in Gestaltungen unter- ren 2016 und 2017 verfasst wurden. Insgesamt beinhaltet der schiedlicher Kompaktierungsgrade organisiert. Die zu erwar- deutsche Korpus 1 587 Sätze und 36 191 Wörter. Der spanische tende Übersetzung ins Spanische wäre in diesem Fall grado/ Korpus besteht aus 3 253 Sätzen und 36 962 Wörtern und be- nivel de empaquetado, jedoch wird stattdessen grado/nivel de inhaltet fünf Bachelorarbeiten, die 2016 in den Fachbereichen empaquetamiento benutzt. Dieser Begriff ist aus zwei Haupt- Biologie, Biotechnologie und Pharmazie an der Universidad gründen unlogisch. Zum einen, weil die richtige Substantiv- Complutense de Madrid (ucm) abgeschlossen wurden2. Diese form für das Verb empaquetar als empaquetado gebildet wird. Bachelorarbeiten sind den Bereichen der molekularen Biologie Zum anderen, weil nur empaquetado aber nicht empaqueta- und der Mikrobiologie zuzuordnen. Nicht zuletzt sind beide miento von der R.A.E. (Real Academia Española) aufgeführt Korpora laut der Kriterien von Corpas Pastor vergleichbar, weil wurde. Noch gefährlicher und irreführender sind die Überset- sie ähnliche thematische Ebenen, Fachebenen, kommunikative zungen aus Entlehnungen, die auf anhand der Sinnesneologie Situationen und Texttypologien aufweisen (2004: 152). gebildeten Vokabeln basieren. Hierbei entstehen oft Termini, Die Analyse der meisten Parameter wurde anhand des die unverständlich sind oder auf unbekannte Realitäten hin- Online-Tools Sketch Engine durchgeführt, deren praktische weisen. Ein Beispiel hierfür ist die fehlerhafte Übersetzung von Anwendungen und Betrieb im Buch Scientific and Technical disorder als desorden anstatt der Verwendung passenderer Be- Translation von Maeve Olohan (2016) beschrieben wurden. griffe wie trastorno, dolencia oder enfermedad. Innerhalb dieser Software wurden die Tools Wordlist, N-grams und Word Sketch zur Erstellung von nach absteigender Fre- Neología sintáctica ‚Syntaxneologie‘, die selten in quenz geordneten Wortlisten (Substantive, Verben, Adjektive/ der Wissenschaftssprache eingesetzt wird, und auf dem Adverbien; siehe Anhang), zur Analyse von Präfixen und Suffi- Wechsel der grammatikalischen Kategorie oder der xen und zur Untersuchung von Wortgruppen gewählt. In Bezug Funktion eines Elementes beruht, wie z. B. (medicamen- auf die Auswahl der Wörter ist anzumerken: to, fármaco) analgésico ‚Schmerzmittel‘ oder (sustancia) anticoagulante ‚gerinnungshemmendes Mittel‘ (Gutié • Fremdwörter, Familiennamen, Messeinheiten und Abkür- rrez Rodilla, 2005: 58-59). zungen wurden nicht miteinbezogen • Nur Lemmas wurden untersucht Darüber hinaus spielt auch im Spanischen die ausdrückliche • A=a Nennung der Autoren eine Rolle. Laut López Yepes (2000) trägt die Verwendung von yo zum Eindruck von Egoismus oder Ego- 3.2. Kontrastive Analyse zentrismus bei. Allerdings bedeutet der Einsatz von nosotros Im vorherigen Abschnitt wurden deutlich strengere Merk- Pluralis Modestise oft, dass der Autor die dargestellten Ideen male für die deutschen wissenschaftlichen Texte als für die mit dem Leser teilt. Jedoch kann dies ein übermässiges majes- spanischen beschrieben. Während die Terminologie in b eiden tätisches Gefühl vermitteln. Darum empfiehlt López Yepes den Fachsprachen ausführlich beschrieben wurde, sind die Schluss- Ersatz beider Pronomen durch unpersönliche Formen, zudem folgerungen über die syntaktischen Besonderheiten in der um die Eintönigkeit zu vermeiden (2000: 49-50). deutschen Wissenschaftssprache viel umfassender untersucht worden. Des Weiteren sind die Stilzüge der universellen All- gemeinwissenschaftssprache geschildert worden, deren Er- 3. Analyse füllung und Anwendungsbereich größtenteils von dem Wort- schatz und der Syntax im Fall der deutschen Texte abhängig Im Folgenden werden die sprachwissenschaftlichen Eigen- ist. Aufgrund des breiten Umfangs der Charakterisierung der schaften von Bachelorarbeiten, welche in deutschen und spa- Wissenschaftssprache in beiden Sprachen ist es nicht möglich, nischen Hochschulen bzw. Universitäten verfasst wurden, ab- in dieser Arbeit alle Merkmale im Detail zu untersuchen. Statt- gebildet. An erster Stelle werden der Korpus und die Methodik dessen wird die folgende Analyse ihren Fokus auf die repräsen- präsentiert und an zweiter Stelle werden die Ergebnisse der tativsten Aspekte der jeweiligen Wissenschaftssprachen legen. kontrastiven Analyse aufgeführt. Da innerhalb der Stilzüge die Verwendung der ersten Person als umstritten angesehen wird, wird zuletzt auch dieser Gebrauch 3.1. Korpus und Methodik in den spanischen und deutschen Bachelorarbeiten untersucht Für die einzelsprachlichen und komparativen Untersuchun- und verglichen. gen der Wissenschaftssprache im Spanischen und Deutschen wurde ein zweisprachiger Korpus erstellt. Beim Aufstellen des 3.2.1. Analyse der Wissenschaftssprache in Korpus wurde auf die Thematik und auf die Länge der Bache- den deutschen Bachelorarbeiten lorarbeiten geachtet. Dementsprechend wurden eine ähnliche Zunächst wird die Syntax und darauffolgend die Terminolo- Größe pro Textgruppe sowie verwandte Forschungsbereiche gie untersucht. Bei der Syntaxanalyse werden die Charakteris- gewählt. Was die Zusammensetzung der Subkorpora angeht, tiken in grammatikalischen Kategorien gruppiert, um anhand besteht der deutsche Korpus aus zwei Bachelorarbeiten aus mehrerer Beispiele aus den Bachelorarbeiten ihren Gesamtein- dem Fachbereich Biotechnologie an der haw Hamburg, die fluss auf den Stil zu betrachten. Da sich nicht alle syntaktischen im Zusammenhang mit der molekularen Biologie in den Jah- Merkmale auf die grammatikalische Ebene beziehen, werden Panace@ | vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020 39
Tribuna auch die strukturellen Charakteristiken bezüglich des Satztyps, möglich, das Hauptthema des Textes zu erkennen. Anderer- der Satzlänge sowie der Formalisierung dargestellt. seits verwiesen die Verben auf keine konkreten Inhalte, waren jedoch charakteristisch für die Beschreibung von Prozessen Verbal- und Nominalkonstruktionen und Ergebnissen. Mit Ausnahme der Verben werden, sein und können tritt das Verb in den deutschen Texten tatsächlich quantitativ zugunsten Verwendung von Partizipien und Adjektiven des Substantivs zurück: Die Frequenzen der häufigsten Subs- Wie zuvor beschrieben, tragen Partizipien durch die Ver- tantive in den deutschen Bachelorarbeiten waren höher als die kürzung von Sätzen, die oft in Kombination mit werden vor- der am meisten verwendeten Verben (vgl. Tab. 1 und 2 im An- kommen, zur Ökonomie der Sprache bei (Deml, 2013: 55; Bei- hang). Dies bestätigt die von Deml (2013) beschriebene Entver- er, 1979: 285). Es wurden insgesamt über 100 unterschiedliche balisierung und weist gleichzeitig auf eine Nominalisierung der Partizipien im deutschen Korpus detektiert, wobei die folgen- Sprache hin. Zudem zeigt die ausgeprägte Nutzung von werden, den am häufigsten auftraten (vgl. Tab. 3 im Anhang; die abso- dass das Passiv insbesondere im Methodenteil sehr oft zur Be- lute Frequenz wird in Klammern angezeigt): entsprechend (33), schreibung von Prozessen verwendet wurde. Das Verb sein ist anschließend (26) und umfassend (18). Im Gegensatz zu den auch sehr präsent, was einerseits der Charakterisierung und der Substantiven galten die meisten Adjektive als Qualitätsadjekti- Nennung von bekannten Fakten zugrunde liegt, und anderer- ve (verschieden, groß, spezifisch) oder Intensitätsmodifikatoren seits auf das Zustandspassiv hinweist. Darüber hinaus wurden (weit, hoch, stark), die so gut wie in jedem wissenschaftlichen insgesamt acht Mal im deutschen Korpus sowohl die Passivva- Text gefunden werden könnten (vgl. Tab. 1 und 3 im Anhang). riante „sich lassen + Infinitiv“ beobachtet (Beispiel 1) als auch Passivstrukturen mit kommen (Beispiel 2). Strukturelle Merkmale Der Rücktritt des Verbs und die hohen Frequenzen bezüg- Die Sätze in den deutschen biotechnologischen Bachelor- lich der Verwendung von Substantiven unterstützen eine No- arbeiten wiesen eine durchschnittliche Länge von 22,80 Wörter minalisierung der Sprache (Beispiele 3 und 4). Zu den häufigs- auf. Diese Zahl nähert sich sehr den von Wieser ermittelten Da- ten Nominalkonstruktionen gehören zu + Aktionssubstantiv ten an, welche die Satzlänge in deutschen naturwissenschaftli- + Genitiv (bspw. zur Identifikation von, zur Induktion ein (...), chen Texten zwischen 17 und 22 Wörter positionierten. Obwohl zur Ermittlung d(er)), oder Präpositionalkonstruktionen mit zahlreiche Einzelsätze mit einer Länge von weniger als 22 Wör- bei. Darüber hinaus wurden, wie erwartet, die Kerne dieser tern beobachtet wurden, lag die Satzlänge wegen der Zugabe Nominalkonstruktionen stark komplementiert. Im Folgenden von Beispielen, zusätzlichen technischen Informationen, Er- werden einige Beispiele dargestellt, in denen die verbalen Kons- klärungen oder kausalen Zusammenhängen, wie Beispiele 5, truktionen fett markiert, die nominalen Formulierungen unter- 6 und 7 zeigen, oft über diesem Wert: strichen und die Auffüllung der Satzglieder durch Attribute kursiv geschrieben wurden: Beispiel 5: In den Vektorplasmiden ist das Hüllprotein durch Reportergene, wie z. B. Luciferase oder gfp (grün Beispiel 1: Auch das Entfernen gesamter Gensegmen- fluoreszierendes Protein), ersetzt, wodurch die Infekti- te mit flankierenden Erkennungssequenzen für entspre- on der Pseudotypen gemessen werden kann (25 Wörter, chend entworfene Endonukleasen ist möglich, wodurch Student Nr. 1, S. 9). sich bspw. transgene Selektionsmarker aus einem Genom Beispiel 6: Dabei konnte in einer Vielzahl von trans- eliminieren lassen. (Student Nr. 2, S. 17) formierten Epidermal- und Stomatazellen die zu erwar- Beispiel 2: Im zweiten Klonierungsschritt kam es zu tende, intensiv rote Fluoreszenz von mCherry im Bei- einer einzelnen Punktmutation an der bp-Position 2.355. spiel 7: Wellenlängenbereich von λ = 610 nm detektiert (Student Nr. 2, S. 63) werden (siehe S. 72, Abb. 24) (32 Wörter, Student Nr. 2, Beispiel 3: Dazu sollten die Testvektoren mit der je- S. 70). weiligen DNA-Zielsequenz gemeinsam mit entsprechen- den TALEN-kodierenden Plasmiden in das Pflanzenge- Neben der Satzstruktur unterstützte die Formalisierung die webe eingebracht werden. Die Aufgaben im Rahmen Ökonomie und Objektivität der deutschen Wissenschaftsspra- der vorliegenden Arbeit sollten dementsprechend die che. Wie erwartet, enthielten die zwei deutschen Bachelorar- detaillierte Konzeption und Erstellung von Testvektoren beiten zahlreiche Figuren und Diagramme: insgesamt wurden in verschiedener Ausführung sowie die Durchführung, 30 Abbildungen und 31 Tabellen gezählt. Auswertung und Interpretation von Experimenten zur transienten Beispiel 4: Expression mit dem Ziel der Vali- Die deutsche biotechnologische Terminologie dierung des entwickelten Testsystems umfassen. (Student Nr. 2, S. 37) 1 ) Komposita: Die mehrgliedrige Zusammensetzung bei der Wortbildung, die ebenfalls ein anerkanntes Merkmal der Diese ausgeprägte Nominalisierung deutet aus semantischer deutschen Gemeinsprache abbildet, war im Fall der Subs- Sicht darauf hin, dass die Substantive die Hauptträger der Be- tantive besonders ausgeprägt (siehe Tab. 1 im Anhang), z. B. deutung waren: Allein durch eine Analyse der Nomen ist es Transfervektor, Zielsequenz, Luciferase-Aktivität. Wie zuvor 40 Panace@ | vol. XXI, n.º 51. 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Tribuna erwähnt, hingen diese Termini stark mit dem Inhalt der Tex- tet. Die am meisten verwendeten dieser Verben waren te zusammen: Allein anhand der 40 häufigsten Wörter kön- erfolgen, durchführen, zeigen und bilden (siehe Tab. 2 nen eindeutige Rückschlüsse auf den Inhalt der beiden deut- im Anhang). schen Bachelorarbeiten gezogen werden. Dementsprechend • Substantive und Adjektive abstrakter Bedeutung: waren die deutschen Substantive nicht nur Teil der allge- Selbige wurden sehr häufig verwendet, allerdings wa- meinwissenschaftlichen Fachsprache, sondern auch fach- ren die wenigsten fachspezifisch. Einige Beispiele für spezifisch: innerhalb der Biotechnologie, aus der molekula- Substantive stellen Ergebnis, Aktivität oder Methode ren Biologie. dar, und verschieden, groß, weit und spezifisch für Ad- jektive. 2 ) Präfigierung: Um den Gebrauch und die Häufigkeit der Präfixe zu analysieren, wurden die von Roschek (1978) vor- 5 ) Präpositionale Wortgruppen: Solche Gruppen, insbeson- geschlagenen Präfixe untersucht. Die resultierenden Wörter dere mit verbalsubstantivischem Kern, gelten durch ihren gehörten sowohl zum wissenschaftlichen Bereich als auch Beitrag zur Sprachökonomie als typisch für die deutsche zur deutschen Allgemeinsprache. Am häufigsten beobachtet Wissenschaftssprache und wurden in zahlreichen Formu- wurde die Präfigierung mittels ver- und be- (über 100 Wör- lierungen detektiert, wie in Beispiel 8: ter im deutschen Korpus), wobei be- besonders produktiv bei der Bildung von Verben zu sein schien, danach er- (cir- Beispiel 8: Aufgrund der unzureichenden Genauig- ca 70 Wörter), und seltener waren ent- (30 Vokabeln) und keit der lichtmikroskopischen Untersuchungen und Aus- zer- (nur zwei Termini). Einige Beispiele werden anhand wertungen wurden die Analysen zur Ermittlung einer der häufigsten Wörter innerhalb der verschiedenen Präfigie- realistischen TALEN-Restriktionsaktivität in einer zwei- rungsarten dargestellt: ten Versuchsreihe komplett mittels quantitativer Emis- sionsmessungen am CLSM durchgeführt. (Student Nr. 2, • Ver-: verschieden, Verhältnis, verwenden. S. 94) • Be-: befinden, bestehen, bezeichnen. • Er-: erfolgen, Ergebnis, erfolgreich. 6 ) Modalverben: Sie tragen zusammen mit den Präpositional- • Ent-: entsprechend, enthalten, Entwicklung. gruppen zum Ausdruck modaler Inhalte bei. Wie zuvor be- • Zer-: Zersetzung, zerplatzen. schrieben, wurde können sehr oft gebraucht (vgl. Tab. 2 im Anhang), wobei sollen (Beispiel 3) und müssen seltener wa- 3 ) Suffigierung: die wichtigsten Suffixe bei der Substantiv- ren, und wollen, mögen oder eben dürfen kein einziges Mal (-ung, -keit, -heit) und Adjektivbildung (-lich, -bar, -mäßig) verwendet wurden. wurden analysiert. Während ca. 20 Wörter auf -keit und -heit detektiert wurden, endeten über 250 Substantive auf -ung. Wahrscheinlich typisch für die naturwissenschaftliche 3.2.2. Analyse der Wissenschaftssprache in Terminologie ist, dass die Hälfte der Substantive auf -heit ei- den spanischen Bachelorarbeiten gentlich auf -einheit endeten. Was die Adjektive angeht, wur- Die Untersuchung des spanischen Korpus anhand Sketch den ungefähr 60, 40 und 4 Adjektive gefunden, die jeweils Engine ermöglichte eine Unterscheidung zwischen Substanti- auf -lich, -bar und -mäßig endeten. Diese große Häufigkeit ven, Verben, Adjektiven und Adverbien (siehe Tab. 1-4 im An- der Verbalsubstantive auf -ung und der Adjektivsuffixe -lich hang). Analog zum vorherigen Abschnitt werden hier die syn- und -bar addiert sich zum Effekt der verbalen Bestandteile taktischen Charakteristika in grammatikalischen Kategorien des Passivs. Einige Beispiele der häufigsten anhand dieser analysiert und darauffolgend die strukturellen Merkmale und Suffixe gebildeten Wörter werden gezeigt: die Terminologie untersucht, in diesem Fall mit Fokus auf die Formenneologie. • -ung: Bindung, Klonierung, Herstellung, Darstellung. • -keit: Abhängigkeit, Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit, Verbal- und Nominalkonstruktionen Häufigkeit. Auch in der spanischen Wissenschaftssprache wurden ein • -heit: Lichteinheit, Dunkelheit, Beschaffenheit. Rücktritt des Verbs und eine starke Nominalisierung nachge- • -lich: natürlich, möglich, zusätzlich, deutlich. wiesen: Nur die Verben ser, haber und poder wiesen eine große • -bar: sequenzierbar, reproduzierbar, programmierbar, Häufigigkeit auf, während zahlreiche Substantive in den Texten erkennbar. vorkamen (vgl. Tab. 1 und 2 im Anhang). Dies scheint die Ideen • -mäßig: gleichmäßig, verhältnismäßig, regelmäßig, von Claros Díaz (2016) über einen übermäßigen Gebrauch des routinemäßig. Passivs, der „ser + Nominalgruppen“-Konstruktionen und des Verbs poder nach dem Vorbild der englischen Wissenschafts- 4 ) Fachsprachlicher Wortschatz mit abstrakter Bedeutung: sprache zu unterstützen. Die Untersuchung der Verwendung der „pasiva refleja“ in spanischen Texten verdient eine tiefge- • Sinnleere Funktionsverben: Sie wurden am häufigs- hende Zuwendung, die über den Umfang dieser Arbeit hinaus- ten in Kombination mit den Modalverben beobach- geht und selbst eine eigene bedeutungsvolle Untersuchungs- Panace@ | vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020 41
Tribuna linie darstellt. Wie von Navarro et al. (1997) und Claros Díaz die spanischen Adverbien in Texten aller möglichen Naturen (2016: 90ff.) selbst beschrieben, wird in den spanischen wissen- vorkommen (vgl. Tab. 4 im Anhang). schaftlichen Texten häufig eine unnatürliche Verwendung des Passivs beobachtet. Jedoch haben wir in den in dieser Arbeit Strukturelle Merkmale analysierten Dokumente eine äußerst große Häufigkeit der für Einerseits lag die durchschnittliche Satzlänge in den spa- das Spanische gewöhnlichsten Passivform, die „pasiva refleja“, nischen Texten bei 11,4 Wörtern, was der Hälfte der Durch- gefunden. Beispiel 9, in dem die „pasiva refleja“ bis zu drei Mal schnittslänge der Sätze im Deutschen entspricht. Dies scheint nacheinander eingesetzt wird, bildet unsere Beobachtungen die Aussage von Claros Díaz (2016) und Álvarez Jorge (2008) repräsentativ ab: zu unterstützen. Obwohl der Nominalisierungsgrad in den spa- nischen Bacherlorarbeiten verglichen mit der Standardsprache Beispiel 9: En los últimos años se han identificado hoch war, lag dieser trotzdem deutlich unter dem Niveau der multitud de marcadores serológicos implicados directa deutschen Sprache, was eine Verkürzung der Satzlänge im Ver- o indirectamente en el proceso de fibrosis hepática. Se gleich zum deutschen Korpus ermöglichte. Andererseits wur- han desarrollado programas específicos para aumentar den im Kontext der Formalisierung in den spanischen Texten la fiabilidad de detección de la fibrosis hepática con el uso insgesamt 44 Abbildungen und zehn Tabellen gezählt, welche de las técnicas radiológicas ya existentes. Sin embargo, el zu der Sachlichkeit der Texte beitrugen. Bemerkenswert und avance más importante se ha obtenido con la aparición atypisch für eine naturwissenschaftliche Arbeit war jedoch, de la elastografía de transición (et) o Fibroscan® (fs). dass eine der fünf Arbeiten weder Abbildungen noch Tabellen (Student Nr. 4, S. 5) enthielt. [In den letzten Jahren sind zahlreiche serologische Marker identifiziert worden, die auf direkter oder in- Die spanische biotechnologische Terminologie direkter Weise am Prozess der Leberzirrhose beteiligt Wie in Abschnitt 2.4 beschrieben, heben sich vier Prozedu- sind. Es sind spezifische Programme entwickelt worden, ren zur Erschaffung neuer Termini in der Wissenschaftssprache um die Zuverlässigkeit des Nachweises der Leberzirrho- hervor. Im Folgenden wird eine Analyse der zuvor beschrie- se mithilfe der existierenden radiologischen Methoden benen Mechanismen der Konstruktion und Komplexierung zu erhöhen. Nichtsdestotrotz ist der größte Fortschritt aufgeführt. Da die Konstruktion im Spanischen hauptsäch- durch die Erfindung der transienten Elastographie (te), lich über die Derivation stattfindet, wird der Mechanismus der auch als Fibroscan® (fs) bekannt, gemacht worden]. Komposition in dieser Arbeit nicht analysiert. Auf der semantischen Ebene hob sich im Kontrast zu den I Präfigierung: Gutiérrez Rodilla (2005: 51) beschrieb zahl- Deutschen hervor, dass die spanischen Substantive eher der na- reiche Präfixe, die im wissenschaftlichen Bereich zur Bil- turwissenschaftlichen Sprache als dem Gebiet der Biotechnolo- gie zugehörig waren (vgl. Tab. 1 im Anhang). Da der spanische Korpus aus mehr Texten als der Deutsche besteht, war schon zu erwarten, dass mit höherer Anzahl an Texten auch eine hö- here Vielfältigkeit, eine höhere Frequenz an naturwissenschaft- lichen Fachwörtern und eine niedrigere Anzahl an spezifischen Termini aus einem bestimmten Bereich der Biotechnologie ein- hergehen würde. Demgegenüber spielten die Verben genauso wie im Deutschen eine wenig signifikante Rolle auf semanti- scher Ebene, weil sie auf keine spezifische Thematik hindeu- teten, sondern lediglich der Darstellung von Methoden und Erkenntnissen dienten. Tatsächlich konnten bei den häufigsten Verben die gleiche Bedeutung und Verwendung auf Spanisch und Deutsch beobachtet werden (vgl. Tab. 2). Verwendung von Adjektiven und Adverbien Interessanterweise waren die spanischen Adjektive im Ge- gensatz zu den deutschen viel fachspezifischer und trugen viel mehr zum Inhalt der Texte als die Substantive bei. So wiesen die Adjektive gastrointestinal, hepático, embrionario, visceral, su- prarrenal beispielsweise auf den medizinischen-pharmakologi- schen Bereich innerhalb der Biotechnologie hin, während sich plasmático, celular, experimental, genómico, estadístico auf die Forschung im Rahmen der molekularen Biologie und der Ge- netik beziehen (siehe Tab. 3 im Anhang). Dahingegen könnten 42 Panace@ | vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020
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