Untersuchung und Vergleich der Wissenschafts-sprache in deutschen und spanischen Bache-lorarbeiten im Rahmen der Biotechnologie

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Untersuchung und Vergleich der Wissenschafts-sprache in deutschen und spanischen Bache-lorarbeiten im Rahmen der Biotechnologie
Tribuna

      Untersuchung und Vergleich der Wissenschafts-
      sprache in deutschen und spanischen Bache-
      lorarbeiten im Rahmen der Biotechnologie
      Amelia Megía Guerrero *, Carmen Quijada Diez **

                                                                     1.   Einleitung
  Zusammenfassung: Vergangene Studien heben die Not-
  wendigkeit an kontrastiven Analysen hervor, welche die              „Zahlreiche kontrastive Studien belegen, dass wissenschaft-
  fachsprachlichen Unterschiede zwischen verschiedenen            liche Texte in Abhängigkeit der Fachdisziplin und Kultur Un-
  Gebieten und Kulturen untersuchen. Diese Arbeit ana-            terschiede aufweisen können“ (Senöz-Ayata, 2015: 259).
  lysiert und vergleicht die spanische und die deutsche               Seit den 90er Jahren stieg die Anzahl der textlinguistischen
  Wissenschaftssprache im Kontext der Biotechnologie.             Analysen und Vergleiche über akademische Textsorten erheb-
  Hierfür wurden die Hauptmerkmale beider Wissen-                 lich, insbesondere in den naturwissenschaftlichen Disziplinen
  schaftssprachen präsentiert und jeweils in deutschen            wie Medizin, Chemie oder Biologie (Senöz-Ayata, 2015: 259).
  und in spanischen Bachelorarbeiten mithilfe von Sketch          Die Biotechnologie zählt heutzutage zu den wichtigsten For-
  Engine untersucht. Die Ergebnisse deuteten auf relevan-         schungsbereichen und kombiniert Kenntnisse und Methoden
  te Unterschiede auf syntaktischer, morphologischer und          sowohl aus den Naturwissenschaften als auch aus dem Ingeni-
  semantischer Ebene sowie auf eine Erfüllung der uni-            eurwesen, um letztendlich ihre Technologie auf die Lebewesen
  versalen stylistischen Merkmale der Wissenschaftsspra-          anzuwenden. Obwohl der Begriff „Biotechnologie“ erst 1919
  che in beiden Sprachen hin.                                     vom Ingenieur Karl Erkey verwendet wurde, hat sich die Ge-
                                                                  schichte der Biotechnologie parallel zur Menschheit entwickelt
  Schlüsselwörter: Bachelorarbeit, Biotechnologie,                (Verma et al., 2011: 321). Zu den vielen Entdeckungen biotech-
  Deutsch, kontrastive Analyse, Spanisch, Wissenschafts-          nologischen Ursprungs gehören die Fermentation, die Trans-
  sprache.                                                        gene, die Klonierung sowie zahlreiche medizinische Produkte
                                                                  wie Impfungen oder Antibiotika.
  Analysis and comparison of the scientific language in               Es gibt verschiedene Gründe, aus denen sich diese Studie
  German and Spanish bachelor theses in the field of              auf die spezifische Analyse von deutschen und spanischen bio-
  biotechnology                                                   technologischen Bachelorarbeiten fokussiert. Zum einen ist die
                                                                  Biotechnologie trotz ihrer Aktualität hinsichtlich des sprachli-
  Abstract: Previous studies support the need for further         chen Kontexts unzureichend untersucht worden. Da sie nicht
  contrastive analyses to look into the differences between       das geschichtliche Prestige der Medizin oder der Biologie be-
  technical languages within particular fields and cultures.      sitzt, sind derzeit wenige linguistische und textuelle Analysen
  This paper focuses on the study and comparison of the           mit rein biotechnologischer Thematik vorhanden. Obwohl sich
  German and Spanish scientific languages in the field of         die Biotechnologie, verglichen mit anderen wissenschaftlichen
  biotechnology. For this purpose, we described and ex-           Disziplinen, noch in den Kinderschuhen befindet, wächst ihr
  amined the main characteristics of scientific language          Stellenwert derzeit stetig und sie rückt weltweit in den Fokus
  in Spanish and German bachelor theses with the aid of           diverser Forschungsinstitutionen (Verma et al., 2011: 321).
  Sketch Engine. Our results showed relevant differences              Zum anderen wird die englische Sprache heutzutage als die
  between both languages at the syntactic, morphological,         weltweite Lingua franca der Wissenschaft dargestellt, in der die
  and semantic levels, as well as general compliance with         meisten akademischen Publikationen und Abschlussarbeiten
  the universal stylistic features of scientific texts.           verfasst werden (Drubin und Kellogg, 2012: 1399; Ammon, Hil-
                                                                  gendorf und Coulmas apud Erling, 2002: 2-3). Eine steigende
  Key words: bachelor thesis, biotechnology, contrastive          Tendenz zur Verfassung von naturwissenschaftlichen Arbeiten
  analysis, German, scientific language, Spanish.                 auf Englisch hat sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts entwi-
                                                                  ckelt: 1920 betrug der Anteil englischsprachiger Publikatio-
  Panace@ 2020; xxi (51): 33-48                                   nen 30 %, welcher durch ein stetiges Wachstum bis 2005 auf
  Recibido: 26.v.2019. Aceptado: 20.iv.2020.                      über 90 % anstieg. Waren Deutsch und Französisch Anfang
                                                                  des 20. Jahrhunderts gleichrangig mit Englisch, so machten sie

     * Becton Dickinson GmbH, Heidelberg (Alemania). Dirección para correspondencia: a.megia.guerrero@gmail.com.
     ** Universidad de Oviedo (España). Dirección para correspondencia: quijadacarmen@uniovi.es.

Panace@   |     vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020                                                                       33
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hingegen bis 2005 durch eine kontinuierliche Abnahme nur               Diese Studie vertritt die These, dass die deutschen und spa-
noch ein Prozent des Weltanteils aus (Ammon, 2010: 401)1. Vie-     nischen Bachelorarbeiten vergleichbare syntaktische Merkma-
le Fachzeitschriften akzeptieren ausschließlich Publikationen      le besitzen, allerdings relevante Unterschiede auf der Ebene
auf Englisch (Erling, 2002: 3). Zudem ist die Wahrscheinlich-      der Semantik und der Terminologie, insbesondere was die Bil-
keit einer Verfassung in der jeweiligen Muttersprache (außer       dungsmechanismen neuer biotechnologischer Termini angeht,
im Englischen) umso geringer, je höher das wissenschaftliche       aufweisen. Weiterer Gegenstand des Beitrags ist außerdem zu
Niveau einer Abschlussarbeit ist. Da sich also mit steigendem      beurteilen, ob die Besonderheiten in der Lexik und Syntax die-
wissenschaftlichen Niveau die Datengrundlage aller Sprachen        ser Texte zu den universellen Stilzügen der Wissenschaftsspra-
außer der englischen verschlechtert, wurden in dieser Studie       che beitragen.
Bachelorarbeiten fokussiert.
    Darüber hinaus führt die Hegemonie der englischen Spra-
che in akademischen Zusammenhängen dazu, dass die Mehr-                2. Merkmale der Wissenschaftssprache mit Fokus
heit der komparativen sprachwissenschaftlichen Studien das                  auf die deutsche und die spanische Sprache
Englische als Studienobjekt miteinbeziehen (Ammon, 2001;
Hammel, 2007). Um der dünnen Datenlage nicht englischspra-             2.1. Fachsprache und Wissenschaftssprache
chiger Forschungen entgegenzuwirken, setzt sich diese Studie           Trotz vielerlei Autoren, die sich mit der Charakterisierung
mit dem Vergleich der deutschen und der spanischen Wis-            der Fachsprache beschäftigt haben, gibt es heutzutage immer
senschaftssprache auseinander. Mit über 110 Millionen Mut-         noch keine eindeutige Definition der Fachsprache. Diese wurde
tersprachlern weltweit und mit der höchsten Zahl an Mutter-        initial von Beneš (1971: 126-127) als „Inventar aller Sprachmittel,
sprachlern in der europäischen Union sowie dem Rang als            die in den Fachtexten vorkommen und die für die Bedürfnisse
zweitwichtigste Wissenschaftssprache stellt Deutsch eine äu-       des Fachstils angemessen, angepa[ss]t bzw. auch neu und zu-
ßerst bedeutende Sprache im globalen Forschungs- und Fi-           sätzlich herausgebildet werden“ beschrieben, später von Wieser
nanzbereich dar (Tinsley und Board, 2013:                                                (1978: 16) dem Subsystem der Allgemein-
26-27). Was die spanische Sprache angeht,                                                sprache zugeordnet und von Lothar (1987:
ist diese mit 400 Millionen Muttersprach-                                                53) als „die Gesamtheit aller sprachlichen
lern die zweitmeist gesprochene Sprache             Mit über 110 Millionen               Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren
der Welt (Fernández Vítores, 2016). Sie ist                                              Kommunikationsbereich verwendet wer-
eine der offiziellen Sprachen zahlreicher
                                                  Muttersprachlern weltweit              den, um die Verständigung zwischen den
Institutionen (u. a. der Vereinten Nationen          und   mit der höchsten              in diesem Bereich tätigen Menschen zu
oder der Welthandelsorganisation) und              Zahl an Muttersprachlern              gewährleisten“ definiert. Unter den spani-
die offizielle Sprache vieler Entwicklungs-                                              schen Fachexperten beschrieb Gutiérrez
länder, die ein stetiges Wachstum erleben             in der europäischen                Rodilla die Fachsprache als eine speziali-
(Tinsley und Board, 2013: 38-39; Fernán-            Union sowie dem Rang                 sierte Sprache, die, je nach Definition, in
dez Vítores, 2016). Dementsprechend ist es                                               unterschiedlichem Grad von der allgemei-
sinnvoll, zukünftig ein besseres Verständ-
                                                       als zweitwichtigste               nen Sprache abweicht (1998: 18).
nis der sprachlichen Zusammenhänge und               Wissenschaftssprache                    Im Hinblick auf die Wissenschaftsspra-
Unterschiede zwischen der deutschen und           stellt Deutsch eine äußerst            che erläuterte Roschek, dass man gerade-
der spanischen Wissenschaftssprache zu                                                   zu von einer allgemein-wissenschaftlichen
erzielen.                                           bedeutende Sprache im                Fachsprache neben den Fachsprachen wie
    Diese kontrastive Analyse untersucht,         globalen Forschungs- und               der der Medizin, der Informatik oder der
inwiefern die der Wissenschaftssprache zu-                                               Biotechnologie sprechen kann (1978: 115).
                                                       Finanzbereich dar
geschriebenen Merkmale in diesen Texten                                                  Ähnlich wie Roschek unterstützt Gutiér-
erfüllt werden, und welche Gemeinsam-                                                    rez Rodilla die Auffassung der Absenz ei-
keiten sowie Unterschiede die spanischen                                                 ner einzigen Wissenschaftssprache und
und deutschen Bachelorarbeiten sowohl auf terminologischer         die Unterordnung der einzelnen Varietäten künstlich unter
als auch teilweise syntaktischer und semantischer Ebene auf-       dem Begriff Wissenschaftssprache, weil die geteilte Komponen-
weisen. Darüber hinaus stellt der Erwerb von Textmusterwis-        te wichtiger als die Unterschiedlichkeit sei (2005: 19). Darüber
sen in biotechnologischen schriftlichen Zusammenhängen ein         hinaus vertritt Lvovskaya die These der Existenz besonderer
weiteres Ziel dar. In Hinsicht auf die Übersetzungswissenschaft    Fachsprachen innerhalb der einzelnen Wissensgebiete, die so-
und -praxis sowie die Sprachpflege sollen die Erkenntnisse der     genannten lenguajes sectoriales, ‚Branchensprachen‘ (2002: 8).
vorliegenden Untersuchung die Arbeit von Übersetzern unter-        Bezüglich der kulturellen Ausprägung ergänzte Goldhahn, dass
stützen, die mit biotechnologischen Texten arbeiten. Nicht zu-     es sich bei der Wissenschaftssprache um eine Varietät zwischen
letzt können diese Ergebnisse tendenziell das Schreiben für        der Allgemeinsprache und den akademischen Fachsprachen
Studenten erleichtern, die ihre Bachelorarbeiten im Ausland auf    handelt, die lexikalische und grammatikalische Merkmale in-
der jeweiligen Fremdsprache Deutsch oder Spanisch im Rah-          nehat, welche eng mit dem wissenschaftlichen Arbeiten und
men der Biotechnologie verfassen möchten.                          mit der Wissenschaftskultur verknüpft sind (2017: 14-15).

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Tribuna

    Weitere bedeutende Aspekte der Wissenschaftssprache stel-       Deml verweist auch Goldhahn darauf, dass diese Merkmale
len ihre Funktionalität und ihre Schreibweise dar. Die Fachkom-     keine absolute Gültigkeit besitzen sollten: „Zu starke Abstrakti-
munikation ist grundsätzlich darstellungsfunktional (Roelcke,       on und Dichte führen dazu, dass Texte unverständlich werden“
1991: 194) und ihre Funktion, unabhängig von Wissensbereich,        (2017: 17). Darüber hinaus sollen die stilistischen Merkmale
Kommunikationssituation und Teilnehmer, repräsentativ, weil         in Wissenschaftstexten durch gegenläufige Maßnahmen relati-
als ihr Hauptziel die Vermittlung von Information gilt (Gu-         viert werden, um Verständlichkeit zu sichern (Goldhahn, 2017:
tiérrez Rodilla, 2005: 22). Als Folge soll die wissenschaftliche    18). Zustimmend ist Gutiérrez Rodilla der Ansicht, dass die Stil-
Schreibweise „nicht narrativ, sondern deskriptiv sein und er-       züge der Wissenschaftssprache eher als Ziele betrachtet werden
arbeitete Erkenntnisse möglichst knapp und direkt vermitteln“       sollten, die nicht immer erreicht werden (2005: 22).
(Deml, 2013: 61). Manche der von López Yepes empfohlenen
Regeln zu einer hochwertigen wissenschaftlichen Schreibweise            2.3. Charakteristika der deutschen Wissenschaftssprache
können zusammengefasst werden als (2000: 49-50): i) die rich-           In diesem Abschnitt werden die fachsprachlichen Beson-
tige Einordnung und Klarheit der Ideen vor dem Schreibver-          derheiten der deutschen Wissenschaftssprache beschrieben,
fahren, ii) die hierarchische Darstellung der Ideen in logischer    welche zu der Verwirklichung der oben erwähnten Merkma-
Reihenfolge, iii) die Sätze sollen nicht zu lang sein und mittels   le beitragen. Bezüglich der Syntax erläuterte Beier, dass keine
Juxtaposition oder Koordination verbunden sein, und iv) Aus-        neuen spezifischen Strukturen entwickelt wurden. Stattdessen
drücke, die Unwissenheit vermitteln, sollen vermieden werden.       bestehen die Unterschiede eher aus quantitativen als aus quali-
                                                                    tativen Besonderheiten, „aus einer spezifischen Häufigkeit und
    2.2. Universelle Merkmale der Wissenschaftssprache              Verwendungsweise sprachlicher Strukturen“ (Beier, 1979: 276).
    Die universellen Merkmale der Wissenschaftssprache sind         Weitere relevante Autoren, unter anderem Beneš (1971), Wieser
die Charakteristika, die kulturübergreifend Gültigkeit besit-       (1978), Roschek (1978) und Deml (2013), haben sich ebenfalls
zen. Diese wurden „etwa zeitgleich aus zwei unterschiedlichen       zu der fachsprachlichen Syntax geäußert. Da eben genannte
Perspektiven in den Blick genommen: einerseits von der Stilis-      Autoren auf ähnliche Merkmale für die deutsche Fachsprache
tik, andererseits von der Fachsprachenforschung“ (Goldhahn,         verweisen, werden diese im Folgenden zusammenfassend dar-
2017: 15). Die Stilzüge der Wissenschaftssprache sind größ-         gestellt:
tenteils universell, jedoch variieren die Hauptunterschiede im
linguistischen Bereich unter Allgemeinsprachen (Mundarten).         a ) Verkürzung der Satzlänge auf ca. 17-22 Wörter (Wieser,
Dementsprechend werden in diesem Abschnitt die Merkmale                 1978: 28). Auch Deml bestätigte in einer neuen Studie die
der Stilistik präsentiert, während die sprachliche und linguis-         Abnahme der Satzlänge zugunsten der nominalen Gruppen
tische Ebene in getrennten Abschnitten für die spanische und            und des Komplexitätsgrades der zu vermittelnden Informa-
die deutsche Sprache beschrieben wird.                                  tionen:
    Schon 1975 führten Fleischer und Michel die charakteristi-              „Untersuchungen der historischen Syntax zeigen, dass
schen Stilzüge der Wissenschaftssprache im Rahmen der Funk-             die Satzlänge im Deutschen abnimmt. Denn seit dem
tionalstilistik auf: „Abstraktion, Objektivität/Unpersönlich-           18. Jahrhundert geht der Gebrauch von Hypotaxen und
keit, Rationalität (Dichte), Genauigkeit und Differenzierung            Nebensatzkonstruktionen zurück. Dies wird zum einen
der Aussagen nach Bestimmtheitsgrad (Modalität)“ (Fleischer             durch vermehrte parataktische Sätze kompensiert, zum
und Michel, 1975: 260-263). Diese Daten unterstützend be-               anderen durch das Anwachsen nominaler Satzglieder
schrieb Deml, dass heutzutage gutem Wissenschaftsdeutsch Ei-            […] Das bedeutet, die Satzstrukturen werden durch Ab-
genschaften wie Verständlichkeit, logische Gedankenführung,           bau von Nebensätzen einfacher, während die dort enthal-
eindeutige und klare Formulierung, Schlichtheit und Sachlich-           tene Information in immer komplexer werdende Nomi-
keit, Abkehr von esoterischem Sprachgebrauch, genaue Defi-              nalgruppen abwandert“. (Deml, 2013: 53-55)
nitionen, Verwendung von Fachterminologie und Lernbarkeit
zugeschrieben werden (2013: 50-2). Auer und Baßler definier-        b ) Bevorzugung des Einzelsatzes, der durchschnittlich 10-11
ten ein weiteres Merkmal, die Universalität, als die Verwendung         Wörter umfasst (Wieser, 1978: 28). Laut Roschek machen
eines vom Autor und seiner kulturellen Zugehörigkeit unab-              hypotaktische Satzgefüge nur noch 40-50 % aller Sätze aus
hängigen sprachlichen Stils (2007: 13). Um eine sichere An-             (1978: 116). Dies geschieht durch die Einführung der für die
erkennung der Ergebnisse rund um den Globus zu gewährleis-              Wissenschaftssprache „typischen erweiterten attributiven
ten, solle man deshalb die feinen Normunterschiede kennen,              Partizipien und mit Appositionen“ (Roschek, 1978: 116).
die zwischen den Wissenschaftssprachen verschiedener Länder
bzw. Kulturen bestehen (Goldhahn, 2017: 17). Darüber hinaus         c ) Das Verb tritt quantitativ zugunsten des Substantives zu-
fügten Corpas et al. bezüglich der Universalität hinzu, dass die        rück (Wieser, 1978: 28). Beier bezeichnete die „Entverbali-
Wissenschaftssprache aus diesem Grund international, künst-             sierung“ als die Erscheinung, dass „das finite Verb in Fach-
lich und terminologisch aufgebaut sei (2008: 3).                        texten eine niedrigere Frequenz aufweist“ als „in den zum
    Trotz der Akzeptanz der zuletzt genannten Zuschreibun-              Vergleich herangezogenen Texten aus anderen Sprachver-
gen werden diese nicht immer eingehalten und die sprachliche            wendungsbereichen“ (1979: 281).
Realität wird häufig kritisiert (Deml, 2013: 50-2). Ähnlich wie

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d ) Bezüglich der Tempora ist eine hohe Frequenz von Prä-             der gebrauchten Terminologie und deren Wiederholungsindex
    sensformen in der Wissenschaftssprache und die relativ            vermittelt (Beneš, 1971: 123). Die folgenden Merkmale werden
    geringe Verwendung anderer Tempora festgelegt worden              den allgemeinwissenschaftlichen Fachsprachen im Deutschen
    (Beier, 1979: 282). Deml betrachtet das Präsens als „Stan-        zugeschrieben:
    dardform des Verbs in wissenschaftlichen Abhandlungen”,
    da „es sich besonders gut dazu eignet, Axiome, logische           1 Die mehrgliedrige Zusammensetzung bei der Wortbildung
    Relationen, generelle Sätze und Definitionen darzustellen“         (Roschek, 1978: 115). Durch den Gebrauch von z.B. Kompo-
    (Deml, 2013: 61). Sie erklärte auch, dass es häufig in den wis-     sita soll eine allgemein bessere Verständlichkeit erzielt wer-
    senschaftlichen Texten zu einem Wechsel zwischen Präsens            den (Deml, 2013: 51).
    und Präteritum komme, „wobei im Präsens Schlüsse gezo-            2 U. a. die starke Verwendung bestimmter Präfixe, z.B. ver-,
    gen werden und Allgemeingültigkeit beansprucht werde,               er-, be-, ent- und zer- oder bestimmter Suffixe wie -bar oder
    während im Präteritum berichtend die Empirie wiederge-              -mäßig (Roschek, 1978: 115).
    geben werde“ (Deml, 2013: 61).                                    3 U. a. ubstantivische Bildungen auf -ung, -heit, -keit (Wieser,
                                                                        1978: 28).
e ) Nominale Ausdrucksweise. Beier erachtet als Vorzüge der           4 Appositionen, die als vergleichsweise stark frequentierte
    Nominalisierung, dass sie die begriffliche Darstellung eines        Mittel in der deutschen Sprache berücksichtigt werden (Bei-
    Geschehens und eine stärkere Beweglichkeit im Vergleich             er, 1979: 279).
    zur festen Stellung des Satzes ermöglicht, sowie „sich als ein    5 Ein fachsprachlicher Wortschatz, der nicht terminologisch
    dem Bedürfnis nach exakter Definition eher gerecht wer-             ist. Hierzu zählen vor allem Wörter mit abstrakter Bedeu-
    dendes Mittel für die Bildung von Termini erweist“ (1979:           tung. Dazu gehören (Roschek, 1978: 115):
    278). Roschek erläutert, dass ein Kennzeichen für diesen            5.1 Sinnleere Funktionsverben, die zusammen mit ei-
    Nominalstil „die Verwendung von präpositionalen Wen-                      nem Substantiv in einer sprachlichen Wendung vor-
    dungen anstelle von Nebensätzen“ sei (1978: 116).                         kommen (durchführen, erfolgen).
                                                                        5.2 Substantive und Adjektive mit abstrakter Bedeutung
f ) Vorliebe für das Passiv und seine Varianten, zu denen u. a.               (Vorgang, erheblich).
    Konstruktionen aus sich lassen + Infinitiv; sein (haben) zu +     6 Präpositionale Wortgruppen, die dem Ausdruck attributiver
    Infinitiv; Zustandspassiv; u. a. finden/kommen/gelangen;            und adverbialer Verhältnisse dienen und in logisch-seman-
    Verbalsubstantive auf -ung; sein + Adjektive auf -bar oder          tischer Hinsicht häufig die entsprechenden Nebensätze er-
    -lich zählen. Da „das Thema im Fachtext typischerweise              setzen (Beier, 1979: 278).
    keine Person, sondern eben eine Sache ist“ (Beier, 1979:          7 Verschiedene lexikalische Mittel zum Ausdruck modaler In-
    284), ist das Passiv besonders nützlich, um die Nennung             halte (Deml, 2013: 63). Dazu gehören: „Modalverben, Mo-
    des Handlungsträgers und die entsprechende Redundanz                dalpartikel, Präpositionalgruppen, Adjektive mit moda-
    (Handlungsträger i. d. R. = Autor) zu vermeiden. Weinrich           ler Bedeutung und verschiedene Ausdrücke in Satzform“
    fügte hinzu, dass „das Passiv in wissenschaftlichen Texten          (Deml, 2013: 63).
    nicht Passivität ausdrückt, sondern dass es sich hierbei um
    die angesprochene grammatische Form der Deagentivie-                 Wie schon erwähnt, tragen die syntaktischen Merkmale und
    rung handelt“ (Weinrich apud Deml 2013: 60).                      die Terminologie der Wissenschaftssprache zu den Stilzügen
                                                                      bei. So dokumentierte Weinrich einerseits bezüglich der Syntax
g ) Partizipien. Die Nutzung von Partizipien trägt zur Ökono-         vergleichbare Erkenntnisse, die über die Wort- und Satzebene
    mie der Fachsprache bei, indem auf finite Formen von wer-         hin zur Textlinguistik führen (1989: 132-138). Andererseits for-
    den mehrere Partizipien folgen können (Beier, 1979: 285).         mulierte er drei für die Wissenschaftssprache besonders kenn-
    Sowohl Partizip I- als auch Partizip-II-Strukturen gelten als     zeichnende Verbote. Das erste ist das sogenannte Ich-Verbot,
    Ersatz von Nebensätzen (von dieser Tatsache ausgehend, ge-        welches die Vermeidung des autorbezogenen Ichs zwecks der
    stützt auf die Tatsache; Deml, 2013: 55).                         Objektivität betont. Gemäß dem zweiten Verbot, das Erzähl-
                                                                      Verbot, sollen die Ergebnisse sachlich und dementsprechend
h ) Nominalisierungsbedingte Auffüllung der Attribute (Bei-           deskriptiv dargestellt werden. Da lediglich die Erkenntnisse
    er, 1979: 278).                                                   und nicht der Weg von Interesse sind, werden narrative Ge-
                                                                      staltungen vermieden. Das dritte Verbot, das sogenannte Me-
i ) Formalisierung (Tabellen, Diagramme, Symbole u.a.; Wie-           taphern-Verbot, bezieht sich auf einen Verzicht auf metaphori-
    ser, 1978: 28).                                                   sche Ausdrücke, um die Stilzüge Abstraktion und Genauigkeit
                                                                      zu erzeugen (Weinrich, 1989: 132-138).
   Neben der Syntax ist für die Fachsprachen die Verwendung              Im selben Kontext analysierte Steinhoff (2007) in einer Stu-
einer hoch spezifischen Terminologie charakteristisch. Die Un-        die aus der jüngsten Vergangenheit die Frequenz und Ver-
tersuchung der Fachsprachenterminologie hat eine außeror-             wendung von ich in Fachtexten der Linguistik, Literatur­
dentlich große Bedeutung, weil sie genaue Informationen über          wissenschaften und Geschichtswissenschaften. Bezüglich der
den Wortschatz der Fachtexte sowie über den Gesamtumfang              Häufigkeit beobachtete er, dass die Frequenz der ersten Person

36                                                                    Panace@   |      vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020
Tribuna

Singular mit der wissenschaftlichen Schreiberfahrung abnahm           • Die Koordination und die Juxtaposition als prototypische
(Steinhoff, 2007: 9). Genaugenommen wird die erste Person               Verbindungen, die jedoch durch Subordination erweitert
Singular „im Schnitt von den Experten 0,43 Mal/1000 Wörter“             werden können.
verwendet (Steinhoff, 2007: 23). Dementsprechend, und da in           • Lange Sätze mit einer komplexen inneren Struktur und mit
60 % der untersuchten Texte ich mindestens einmal vorkam, er-           häufigen Nominalisierungen und Passivstrukturen, vor al-
achtet Steinhoff, dass es in deutschen wissenschaftlichen Texten        lem die sogennante „pasiva refleja“.
kein ich-Verbot gäbe (Steinhoff, 2007: 23). Andererseits unter-       • Zahlreiche deklarative Sätze und kopulative Verben im Ein-
schied er zwischen drei „Ich-Typen“: Verfasser-ich, Forscher-ich        zelsatz, während komplexe Sätze häufig relative und er-
und Erzähler-ich:                                                       gänzende Verbindungen sowie substantivische und adjekti-
                                                                        vische Subordinationen aufweisen.
1 ) Das Verfasser-ich wird dann verwendet, wenn es sich um            • Tendenz zum Einsatz von unpersönlichen Verbalformen
    textdokumentierende, stark adressatenbezogene Prozedu-              (Infinitiven, Gerundien und Partizipien). Die Verben wer-
    ren handelt, „die zusammengenommen eine Art Anleitung               den in erster Linie im Indikativpräsens verwendet.
    zum Text bilden“ (Steinfhoff, 2007: 13). Es tritt oft in Fußno-   • Verwendung von Modalverben und Periphrasen.
    ten oder Danksagungen auf (Steinfhoff, 2007: 13-16).
                                                                         Eine andere Ansicht über die Syntax in den spanischen Wis-
2 ) Das Forscher-ich wird in argumentativen Textprozeduren            senschaftstexten wird vom Biochemiker Claros Díaz (2016)
    verwendet, die auf fachliche Inhalte bezogen sind. Steinhoff      vertreten, der in seinem Werk zahlreiche Empfehlungen über
    zeigte drei Textprozeduren, in denen das Forscher-ich häufig     die Übersetzung von technisch-wissenschaftlichen Texten vom
    vorkommt: die Erschaffung von Begriffen, die Hypothesen-          Englischen und Französischen ins Spanische gibt, damit die
    bildung und bei textkritischen Textprozeduren (2007: 17 19).      Merkmale der spanischen Wissenschaftssprache nicht durch
                                                                      die englischen Charakteristika in den Schatten gestellt wer-
3 ) Eine dritte und seltenere Verwendungsart von ich in wis-          den. In der Tat gehören die meisten der von ihm angebrach-
    senschaftlichen Texten stellt das Erzähler-ich dar, eine typi-    ten Beispielen zu dem biotechnologischen Bereich. Da einige
    sche Form in autobiographischen, narrativen Textpassagen          dieser Besonderheiten der spanischen Wissenschaftssprache
    (Steinhoff, 2007: 21).                                            im Gegensatz zu den von Álvarez López präsentierten Ergeb-
                                                                      nissen stehen, werden die für diese Arbeit wichtigsten Aspekte
   Die erste Person betreffend erläuterte Deml, dass die Ver-         im Folgenden zusammenfassend dargestellt (Claros Díaz, 2016:
wendung von wir seit der Mitte des 20. Jahrhunderts abnimmt,          83-105):
während die Häufigkeit der Form ich seit den 90er Jahren an-
steigt (2013: 58-59). Die Bedeutung von wir kann sich abhän-          • Die Nominalisierung, die eine Umwandlung von dynami-
gig vom Kontext auf eine Autorenschaft, den Autor und seine             schen Aktionen in statische Objekte erzielt, soll begrenzt
Kollegen oder im Sinne eines Pluralis Modestiae einen Autor             angewendet werden. Stattdessen sollen Strukturen mit „ser
beziehen (Deml, 2013).                                                  ‚sein‘ + Nominalgruppe“ sowie poder ‚können‘, deren exzes-
                                                                        siver Gebrauch im Spanischen unnatürlich ist, durch Verben
   2.4. Charakteristika der spanischen Wissenschaftssprache             mit einer eigenständigen Bedeutung ersetzt werden.
   Auch die spanische Wissenschaftssprache erfüllt die typi-          • Als vorteilhafte Folge der niedrigen Nominalisierung im
schen Stilzüge der wissenschaftlichen Schreibweise. Im Hin-             Spanischen hebt sich die Verkürzung der Satzlänge im Ver-
blick auf die Syntax gibt es deutlich wenigere Autoren, die sich        gleich zu anderen Sprachen wie dem Englischen hervor.
im Vergleich zu anderen Sprachen wie dem Deutschen damit              • Partieller Ersatz der übermäßig gebrauchten „pasiva propia
beschäftigt haben. Trotzdem haben mehrere Spezialisten vor              (nominal)“ durch die spanische „pasiva refleja (pronomi-
einiger Zeit schon Alarm aufgrund des negativen Einflusses              nal)“. Darüber hinaus soll das Passiv ausschließlich zum Ein-
des Englischen auf die spanische Syntax geschlagen, wie unter           satz gebracht werden, wenn unter besonderen Umständen
anderem Navarro (2001), Aleixandre-Benavent et al. (2007 und            das Aktiv nicht empfehlenswert wäre. Grund dafür ist die
2015) oder Gutiérrez Rodilla (2014). In ihrer Arbeit über den           übermäßige Verwendung des Passivs nach dem Vorbild der
Vergleich der Syntax in spanischen und russischen Medizin-              englischen Wissenschaftssprache, obwohl das Passiv eigent-
texten betrachtet Álvarez Jorge die Syntax als die Eigenart jenes       lich nicht charakteristisch für die spanische Wissenschafts-
Texttyps und deutet auf die fehlenden Informationen von syn-            sprache ist (wie u. a. von Navarro et al. [1997] beschrieben).
taktischen Angaben in den Hauptarbeitsmitteln der Übersetzer,         • Die Appositionen sind selten im Spanischen (hombre rana
den technischen und wissenschaftlichen Wörterbüchern, die               ‚Froschmann‘, niño prodigio ‚Wunderkind‘) und sollen daher
sich deutlich mehr auf den Fachwortschatz fokussieren, hin              begrenzt verwendet werden.
(2008: 12). Außerdem fasste sie in ihrer Studie die von Vivanco       • Das Gerundium muss immer Simultaneität ausdrücken,
Cervero (2006), Riera (2005), Vázquez y del Árbol (2006) und            sonst soll es durch andere Formen ersetzt werden.
Martínez Linares (2007) definierten Hauptmerkmale der Syn-
tax in der spanischen Wissenschaftssprache zusammen (Álva-               Laut Gutiérrez Rodilla (2005) ist der Wortschatz das Haupt-
rez Jorge, 2008: 13):                                                 erkennungszeichen der spanischen Wissenschaftssprache. Die-

Panace@   |       vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020                                                                         37
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se Terminologie weist eine sehr hohe Wachstumsrate auf, da           allein funktionieren können (z. B. marcapasos ‚Herzschrittma-
tagtäglich neue Termini (tecnicismos im Spanischen) auf allen        cher‘). Dies ist nicht immer möglich, weil viele dieser Einheiten
wissenschaftlichen Feldern erschaffen werden (Gutiérrez Ro-          aus dem Griechischen und Lateinischen stammen und deshalb
dilla, 2005: 28). Was die Erschaffung neuer wissenschaftlicher       in der Regel nicht allein vorkommen können (z. B. nefro-, wel-
Termini angeht, werden laut Gutiérrez Rodilla grundsätzlich          ches trotz seiner Eindeutigkeit und typischen Verwendung als
die Prozeduren der neología de forma ‚Formenneologie‘ und            Präfix nicht als allein funktionierende Einheit auftritt; Gutiér-
der neología de sentido ‚Sinnesneologie‘ eingesetzt (2005: 43).      rez Rodilla, 2005: 47-48).
Während die Sinnesneologie charakteristisch für die neuen                Andererseits werden mittels der Komplexierung die soge-
bzw. schlecht etablierten Bereiche der Wissenschaft ist, wird        nannten lexías complejas ‚komplexen Begriffe‘ oder ‚geschlos-
die Formenneologie häufig in jenen Gebieten verwendet, die           senen Bedeutungseinheiten‘ gebildet, die durch Koordination
gut konsolidiert sind bzw. eine gewisse geschichtliche Trans-        oder Juxtaposition mehrerer Wörter geschafft werden. Im Fall
zendenz aufweisen. Im Folgenden werden diese Mechanismen             der syntaktischen Kombination durch Juxtaposition werden
beschrieben.                                                         die Einheiten (ein Substantiv und ein oder mehrere Adjektive)
                                                                     des komplexen Begriffs ohne Nexus gebildet (tolerancia inmu-
      -Formenneologie: basiert auf der Erschaffung neuer             nológica, selección clonal, esclerosis lateral amiotrófica), wäh-
   Termini und Ausdrücke durch die Kombination schon                 rend bei der Koordination die Einheiten mithilfe von anderen
   vorhandener sprachlicher Elemente. Dies beinhaltet die            Elementen verbunden werden (cromatografía de intercambio
   folgenden Prozeduren:                                             iónico, constante de equilibrio, sistema de referencia cartesiano;
                                                                     Gutiérrez Rodilla, 2005: 50).

                                                                           Neología de sentido ‚Sinnesneologie‘: innerhalb die-
Tabelle 1. Prozeduren in der Formenneologie (Gutié­                     ser Prozedur gibt es zwei Mechanismen zur Schaffung
  rrez Rodilla, 2005: 44). Unsere Übersetzung. Diese Tabelle            neuer Termini. Einerseits besteht die terminologización
  bezieht sich selbstverständlich auf die Mechanismen der               ‚Terminologisierung‘ darin, einem allgemeinsprachli-
  spanischen jedoch nicht der deutschen Neologie. Bitte be-             chen Wort eine neue Bedeutung zuzuschreiben; das wäre
  achten, dass die deutsche Zirkumfigierung und die daraus              der Fall von ratón ‚Maus‘ in der Informatik. Andererseits
  resultierenden Parasynthetika (Wörter, die gleichzeitig               kann ein Terminus von einem wissenschaftlichen Be-
  Präfixe und Suffixe enthalten) nicht mit den spanischen               reich in ein anderes Wissensgebiet übertragen werden,
  Parasynthetika übereinstimmen.                                        wobei der Begriff eine neue Bedeutung im neuen Umfeld
                                                                        erwirbt, zum Beispiel código genético ‚genetischer Code‘.
                  Derivation      Präfigierung
                                                 Konstruierte           Wenn die neue Bedeutung durch eine Analogie inspiriert
Konstruktion                      Suffigierung
                                                 ­Begriffe              wird, heißt diese Prozedur metáfora etimológica ‚etymo-
                  Komposition     Parasynthese
                                                                        logische Metapher‘ (Gutiérrez Rodilla, 2005: 57-58).

                  Juxtaposition                  Komplexe Begrif-       Neben der neología de sentido und neología de forma be-
                                                 fe / geschlossene   schrieb Gutiérrez Rodilla zwei weitere Mechanismen zur Bil-
Komplexierung
                                                 Bedeutungsein-      dung neuer Termini:
                  Koordination                   heiten
                                                                            Neología de préstamo ‚Entlehnungsneologie‘: da die
                                                                        Forschung größtenteils in den usa durchgeführt wird,
   Innerhalb der Konstruktion ist die Präfigierung eine der             werden viele neue Konzepte im Englischen erschaffen,
produktivsten und ökonomischsten Methoden, über die die                 aufgefasst und später in andere Sprachen als Entlehnun-
Wissenschaftssprache verfügt, um neue Termini zu erhalten.              gen integriert. Häufig werden neueingeführte Anglizis-
Bei der Suffixbildung werden dafür die gleichen Suffixe wie in          men kritisiert, weil sie entweder unnötigerweise oder
der Allgemeinsprache verwendet. Unter den bei der Substantiv-           falsch adaptiert worden sind. Letzteres ist oft auf die Er-
bildung verwendeten Suffixen (-aje, -ado, -ismo, -ista …) wird          schaffungsmechanismen der neuen englischen Termini
-ción am häufigsten benutzt, um Verben in Substantive umzu-             zurückzuführen. Wenn der neue Begriff durch die For-
wandeln, die Aktionen beschreiben. Unter den bei der Adjek-             menneologie geschaffen wurde, können die Einheiten
tivbildung verwendeten Suffixen (-ar, -ario, -ico, -ano …) wird         einen griechischen-lateinischen Ursprung besitzen oder
wegen des englischen Einflusses -al am häufigsten benutzt.              aus dem Englischen selbst stammen.
Was die wissenschaftliche Suffigierung angeht, werden Suffixe
aus der Allgemeinsprache wie -izar, -ificar etc. verwendet, so-         Die erste Situation erlaubt i. d. R. eine reibungslose Adap-
wie Suffixe die ausschließlich zur Erschaffung von Termini ge-       tion, während der zweite Fall häufig zu unrichtigen Lehnüber-
braucht werden, wie zum Beispiel -itis, -aceo, oder -ato. Zuletzt    setzungen (calcos morfológicos) führt. Beispielsweise wird der
besteht die Parasynthese als Teil der Komposition darin, neue        englische Begriff degree of packaging ‚Verpackungsniveau‘ ver-
Termini mittels zweier Einheiten zu bilden, die im Prinzip auch      wendet, um auf die verschiedenen Strukturen im Prozess zu

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Tribuna

verweisen, durch den sich die dna in Gestaltungen unter-           ren 2016 und 2017 verfasst wurden. Insgesamt beinhaltet der
schiedlicher Kompaktierungsgrade organisiert. Die zu erwar-        deutsche Korpus 1 587 Sätze und 36 191 Wörter. Der spanische
tende Übersetzung ins Spanische wäre in diesem Fall grado/         Korpus besteht aus 3 253 Sätzen und 36 962 Wörtern und be-
nivel de empaquetado, jedoch wird stattdessen grado/nivel de       inhaltet fünf Bachelorarbeiten, die 2016 in den Fachbereichen
empaquetamiento benutzt. Dieser Begriff ist aus zwei Haupt-        Biologie, Biotechnologie und Pharmazie an der Universidad
gründen unlogisch. Zum einen, weil die richtige Substantiv-        Complutense de Madrid (ucm) abgeschlossen wurden2. Diese
form für das Verb empaquetar als empaquetado gebildet wird.        Bachelorarbeiten sind den Bereichen der molekularen Biologie
Zum anderen, weil nur empaquetado aber nicht empaqueta-            und der Mikrobiologie zuzuordnen. Nicht zuletzt sind beide
miento von der R.A.E. (Real Academia Española) aufgeführt          Korpora laut der Kriterien von Corpas Pastor vergleichbar, weil
wurde. Noch gefährlicher und irreführender sind die Überset-       sie ähnliche thematische Ebenen, Fachebenen, kommunikative
zungen aus Entlehnungen, die auf anhand der Sinnesneologie         Situationen und Texttypologien aufweisen (2004: 152).
gebildeten Vokabeln basieren. Hierbei entstehen oft Termini,           Die Analyse der meisten Parameter wurde anhand des
die unverständlich sind oder auf unbekannte Realitäten hin-        Online-Tools Sketch Engine durchgeführt, deren praktische
weisen. Ein Beispiel hierfür ist die fehlerhafte Übersetzung von   Anwendungen und Betrieb im Buch Scientific and Technical
disorder als desorden anstatt der Verwendung passenderer Be-       Translation von Maeve Olohan (2016) beschrieben wurden.
griffe wie trastorno, dolencia oder enfermedad.                    Innerhalb dieser Software wurden die Tools Wordlist, N-grams
                                                                   und Word Sketch zur Erstellung von nach absteigender Fre-
       Neología sintáctica ‚Syntaxneologie‘, die selten in         quenz geordneten Wortlisten (Substantive, Verben, Adjektive/
   der Wissenschaftssprache eingesetzt wird, und auf dem           Adverbien; siehe Anhang), zur Analyse von Präfixen und Suffi-
   Wechsel der grammatikalischen Kategorie oder der                xen und zur Untersuchung von Wortgruppen gewählt. In Bezug
   Funktion eines Elementes beruht, wie z. B. (medicamen-          auf die Auswahl der Wörter ist anzumerken:
   to, fármaco) analgésico ‚Schmerzmittel‘ oder (sustancia)
   anticoagulante ‚gerinnungshemmendes Mittel‘ (Gutié­             • Fremdwörter, Familiennamen, Messeinheiten und Abkür-
   rrez Rodilla, 2005: 58-59).                                       zungen wurden nicht miteinbezogen
                                                                   • Nur Lemmas wurden untersucht
    Darüber hinaus spielt auch im Spanischen die ausdrückliche     • A=a
Nennung der Autoren eine Rolle. Laut López Yepes (2000) trägt
die Verwendung von yo zum Eindruck von Egoismus oder Ego-              3.2. Kontrastive Analyse
zentrismus bei. Allerdings bedeutet der Einsatz von nosotros           Im vorherigen Abschnitt wurden deutlich strengere Merk-
Pluralis Modestise oft, dass der Autor die dargestellten Ideen     male für die deutschen wissenschaftlichen Texte als für die
mit dem Leser teilt. Jedoch kann dies ein übermässiges majes-      spanischen beschrieben. Während die Terminologie in b   ­ eiden
tätisches Gefühl vermitteln. Darum empfiehlt López Yepes den       Fachsprachen ausführlich beschrieben wurde, sind die Schluss-
Ersatz beider Pronomen durch unpersönliche Formen, zudem           folgerungen über die syntaktischen Besonderheiten in der
um die Eintönigkeit zu vermeiden (2000: 49-50).                    deutschen Wissenschaftssprache viel umfassender untersucht
                                                                   worden. Des Weiteren sind die Stilzüge der universellen All-
                                                                   gemeinwissenschaftssprache geschildert worden, deren Er-
   3.   Analyse                                                    füllung und Anwendungsbereich größtenteils von dem Wort-
                                                                   schatz und der Syntax im Fall der deutschen Texte abhängig
   Im Folgenden werden die sprachwissenschaftlichen Eigen-         ist. Aufgrund des breiten Umfangs der Charakterisierung der
schaften von Bachelorarbeiten, welche in deutschen und spa-        Wissenschaftssprache in beiden Sprachen ist es nicht möglich,
nischen Hochschulen bzw. Universitäten verfasst wurden, ab-        in dieser Arbeit alle Merkmale im Detail zu untersuchen. Statt-
gebildet. An erster Stelle werden der Korpus und die Methodik      dessen wird die folgende Analyse ihren Fokus auf die repräsen-
präsentiert und an zweiter Stelle werden die Ergebnisse der        tativsten Aspekte der jeweiligen Wissenschaftssprachen legen.
kontrastiven Analyse aufgeführt.                                   Da innerhalb der Stilzüge die Verwendung der ersten Person als
                                                                   umstritten angesehen wird, wird zuletzt auch dieser Gebrauch
   3.1. Korpus und Methodik                                        in den spanischen und deutschen Bachelorarbeiten untersucht
   Für die einzelsprachlichen und komparativen Untersuchun-        und verglichen.
gen der Wissenschaftssprache im Spanischen und Deutschen
wurde ein zweisprachiger Korpus erstellt. Beim Aufstellen des         3.2.1. Analyse der Wissenschaftssprache in
Korpus wurde auf die Thematik und auf die Länge der Bache-            den deutschen Bachelorarbeiten
lorarbeiten geachtet. Dementsprechend wurden eine ähnliche            Zunächst wird die Syntax und darauffolgend die Terminolo-
Größe pro Textgruppe sowie verwandte Forschungsbereiche            gie untersucht. Bei der Syntaxanalyse werden die Charakteris-
gewählt. Was die Zusammensetzung der Subkorpora angeht,            tiken in grammatikalischen Kategorien gruppiert, um anhand
besteht der deutsche Korpus aus zwei Bachelorarbeiten aus          mehrerer Beispiele aus den Bachelorarbeiten ihren Gesamtein-
dem Fachbereich Biotechnologie an der haw Hamburg, die             fluss auf den Stil zu betrachten. Da sich nicht alle syntaktischen
im Zusammenhang mit der molekularen Biologie in den Jah-           Merkmale auf die grammatikalische Ebene beziehen, werden

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Tribuna                                                                               

auch die strukturellen Charakteristiken bezüglich des Satztyps,     möglich, das Hauptthema des Textes zu erkennen. Anderer-
der Satzlänge sowie der Formalisierung dargestellt.                 seits verwiesen die Verben auf keine konkreten Inhalte, waren
                                                                    jedoch charakteristisch für die Beschreibung von Prozessen
    Verbal- und Nominalkonstruktionen                               und Ergebnissen.
    Mit Ausnahme der Verben werden, sein und können tritt das
Verb in den deutschen Texten tatsächlich quantitativ zugunsten          Verwendung von Partizipien und Adjektiven
des Substantivs zurück: Die Frequenzen der häufigsten Subs-             Wie zuvor beschrieben, tragen Partizipien durch die Ver-
tantive in den deutschen Bachelorarbeiten waren höher als die       kürzung von Sätzen, die oft in Kombination mit werden vor-
der am meisten verwendeten Verben (vgl. Tab. 1 und 2 im An-         kommen, zur Ökonomie der Sprache bei (Deml, 2013: 55; Bei-
hang). Dies bestätigt die von Deml (2013) beschriebene Entver-      er, 1979: 285). Es wurden insgesamt über 100 unterschiedliche
balisierung und weist gleichzeitig auf eine Nominalisierung der     Partizipien im deutschen Korpus detektiert, wobei die folgen-
Sprache hin. Zudem zeigt die ausgeprägte Nutzung von werden,        den am häufigsten auftraten (vgl. Tab. 3 im Anhang; die abso-
dass das Passiv insbesondere im Methodenteil sehr oft zur Be-       lute Frequenz wird in Klammern angezeigt): entsprechend (33),
schreibung von Prozessen verwendet wurde. Das Verb sein ist         anschließend (26) und umfassend (18). Im Gegensatz zu den
auch sehr präsent, was einerseits der Charakterisierung und der     Substantiven galten die meisten Adjektive als Qualitätsadjekti-
Nennung von bekannten Fakten zugrunde liegt, und anderer-           ve (verschieden, groß, spezifisch) oder Intensitätsmodifikatoren
seits auf das Zustandspassiv hinweist. Darüber hinaus wurden        (weit, hoch, stark), die so gut wie in jedem wissenschaftlichen
insgesamt acht Mal im deutschen Korpus sowohl die Passivva-         Text gefunden werden könnten (vgl. Tab. 1 und 3 im Anhang).
riante „sich lassen + Infinitiv“ beobachtet (Beispiel 1) als auch
Passivstrukturen mit kommen (Beispiel 2).                              Strukturelle Merkmale
    Der Rücktritt des Verbs und die hohen Frequenzen bezüg-            Die Sätze in den deutschen biotechnologischen Bachelor-
lich der Verwendung von Substantiven unterstützen eine No-          arbeiten wiesen eine durchschnittliche Länge von 22,80 Wörter
minalisierung der Sprache (Beispiele 3 und 4). Zu den häufigs-      auf. Diese Zahl nähert sich sehr den von Wieser ermittelten Da-
ten Nominalkonstruktionen gehören zu + Aktionssubstantiv            ten an, welche die Satzlänge in deutschen naturwissenschaftli-
+ Genitiv (bspw. zur Identifikation von, zur Induktion ein (...),   chen Texten zwischen 17 und 22 Wörter positionierten. Obwohl
zur Ermittlung d(er)), oder Präpositionalkonstruktionen mit         zahlreiche Einzelsätze mit einer Länge von weniger als 22 Wör-
bei. Darüber hinaus wurden, wie erwartet, die Kerne dieser          tern beobachtet wurden, lag die Satzlänge wegen der Zugabe
Nominalkonstruktionen stark komplementiert. Im Folgenden            von Beispielen, zusätzlichen technischen Informationen, Er-
werden einige Beispiele dargestellt, in denen die verbalen Kons-    klärungen oder kausalen Zusammenhängen, wie Beispiele 5,
truktionen fett markiert, die nominalen Formulierungen unter-       6 und 7 zeigen, oft über diesem Wert:
strichen und die Auffüllung der Satzglieder durch Attribute
kursiv geschrieben wurden:                                                 Beispiel 5: In den Vektorplasmiden ist das Hüllprotein
                                                                       durch Reportergene, wie z. B. Luciferase oder gfp (grün
      Beispiel 1: Auch das Entfernen gesamter Gensegmen-               fluoreszierendes Protein), ersetzt, wodurch die Infekti-
   te mit flankierenden Erkennungssequenzen für entspre-              on der Pseudotypen gemessen werden kann (25 Wörter,
   chend entworfene Endonukleasen ist möglich, wodurch                Student Nr. 1, S. 9).
   sich bspw. transgene Selektionsmarker aus einem Genom                   Beispiel 6: Dabei konnte in einer Vielzahl von trans-
   eliminieren lassen. (Student Nr. 2, S. 17)                          formierten Epidermal- und Stomatazellen die zu erwar-
      Beispiel 2: Im zweiten Klonierungsschritt kam es zu              tende, intensiv rote Fluoreszenz von mCherry im Bei-
   einer einzelnen Punktmutation an der bp-Position 2.355.             spiel 7: Wellenlängenbereich von λ = 610 nm detektiert
   (Student Nr. 2, S. 63)                                              werden (siehe S. 72, Abb. 24) (32 Wörter, Student Nr. 2,
      Beispiel 3: Dazu sollten die Testvektoren mit der je-            S. 70).
   weiligen DNA-Zielsequenz gemeinsam mit entsprechen-
   den TALEN-kodierenden Plasmiden in das Pflanzenge-                  Neben der Satzstruktur unterstützte die Formalisierung die
   webe eingebracht werden. Die Aufgaben im Rahmen                  Ökonomie und Objektivität der deutschen Wissenschaftsspra-
   der vorliegenden Arbeit sollten dementsprechend die              che. Wie erwartet, enthielten die zwei deutschen Bachelorar-
   detaillierte Konzeption und Erstellung von Testvektoren          beiten zahlreiche Figuren und Diagramme: insgesamt wurden
   in verschiedener Ausführung sowie die Durchführung,            30 Abbildungen und 31 Tabellen gezählt.
   Auswertung und Interpretation von Experimenten zur
   transienten Beispiel 4: Expression mit dem Ziel der Vali-           Die deutsche biotechnologische Terminologie
   dierung des entwickelten Testsystems umfassen. (Student
   Nr. 2, S. 37)                                                    1 ) Komposita: Die mehrgliedrige Zusammensetzung bei der
                                                                        Wortbildung, die ebenfalls ein anerkanntes Merkmal der
   Diese ausgeprägte Nominalisierung deutet aus semantischer            deutschen Gemeinsprache abbildet, war im Fall der Subs-
Sicht darauf hin, dass die Substantive die Hauptträger der Be-          tantive besonders ausgeprägt (siehe Tab. 1 im Anhang), z. B.
deutung waren: Allein durch eine Analyse der Nomen ist es               Transfervektor, Zielsequenz, Luciferase-Aktivität. Wie zuvor

40                                                                  Panace@   |       vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020
Tribuna

   erwähnt, hingen diese Termini stark mit dem Inhalt der Tex-             tet. Die am meisten verwendeten dieser Verben waren
   te zusammen: Allein anhand der 40 häufigsten Wörter kön-                erfolgen, durchführen, zeigen und bilden (siehe Tab. 2
   nen eindeutige Rückschlüsse auf den Inhalt der beiden deut-             im Anhang).
   schen Bachelorarbeiten gezogen werden. Dementsprechend                • Substantive und Adjektive abstrakter Bedeutung:
   waren die deutschen Substantive nicht nur Teil der allge-               Selbige wurden sehr häufig verwendet, allerdings wa-
   meinwissenschaftlichen Fachsprache, sondern auch fach-                  ren die wenigsten fachspezifisch. Einige Beispiele für
   spezifisch: innerhalb der Biotechnologie, aus der molekula-             Substantive stellen Ergebnis, Aktivität oder Methode
   ren Biologie.                                                           dar, und verschieden, groß, weit und spezifisch für Ad-
                                                                           jektive.
2 ) Präfigierung: Um den Gebrauch und die Häufigkeit der
    Präfixe zu analysieren, wurden die von Roschek (1978) vor-        5 ) Präpositionale Wortgruppen: Solche Gruppen, insbeson-
    geschlagenen Präfixe untersucht. Die resultierenden Wörter            dere mit verbalsubstantivischem Kern, gelten durch ihren
    gehörten sowohl zum wissenschaftlichen Bereich als auch               Beitrag zur Sprachökonomie als typisch für die deutsche
    zur deutschen Allgemeinsprache. Am häufigsten beobachtet              Wissenschaftssprache und wurden in zahlreichen Formu-
    wurde die Präfigierung mittels ver- und be- (über 100 Wör-            lierungen detektiert, wie in Beispiel 8:
    ter im deutschen Korpus), wobei be- besonders produktiv
    bei der Bildung von Verben zu sein schien, danach er- (cir-              Beispiel 8: Aufgrund der unzureichenden Genauig-
    ca 70 Wörter), und seltener waren ent- (30 Vokabeln) und             keit der lichtmikroskopischen Untersuchungen und Aus-
    zer- (nur zwei Termini). Einige Beispiele werden anhand              wertungen wurden die Analysen zur Ermittlung einer
    der häufigsten Wörter innerhalb der verschiedenen Präfigie-          realistischen TALEN-Restriktionsaktivität in einer zwei-
    rungsarten dargestellt:                                              ten Versuchsreihe komplett mittels quantitativer Emis-
                                                                         sionsmessungen am CLSM durchgeführt. (Student Nr. 2,
   •   Ver-: verschieden, Verhältnis, verwenden.                         S. 94)
   •   Be-: befinden, bestehen, bezeichnen.
   •   Er-: erfolgen, Ergebnis, erfolgreich.                          6 ) Modalverben: Sie tragen zusammen mit den Präpositional-
   •   Ent-: entsprechend, enthalten, Entwicklung.                        gruppen zum Ausdruck modaler Inhalte bei. Wie zuvor be-
   •   Zer-: Zersetzung, zerplatzen.                                      schrieben, wurde können sehr oft gebraucht (vgl. Tab. 2 im
                                                                          Anhang), wobei sollen (Beispiel 3) und müssen seltener wa-
3 ) Suffigierung: die wichtigsten Suffixe bei der Substantiv-             ren, und wollen, mögen oder eben dürfen kein einziges Mal
    (-ung, -keit, -heit) und Adjektivbildung (-lich, -bar, -mäßig)        verwendet wurden.
    wurden analysiert. Während ca. 20 Wörter auf -keit und
    -heit detektiert wurden, endeten über 250 Substantive auf
    -ung. Wahrscheinlich typisch für die naturwissenschaftliche          3.2.2. Analyse der Wissenschaftssprache in
    Terminologie ist, dass die Hälfte der Substantive auf -heit ei-      den spanischen Bachelorarbeiten
    gentlich auf -einheit endeten. Was die Adjektive angeht, wur-        Die Untersuchung des spanischen Korpus anhand Sketch
    den ungefähr 60, 40 und 4 Adjektive gefunden, die jeweils         Engine ermöglichte eine Unterscheidung zwischen Substanti-
    auf -lich, -bar und -mäßig endeten. Diese große Häufigkeit        ven, Verben, Adjektiven und Adverbien (siehe Tab. 1-4 im An-
    der Verbalsubstantive auf -ung und der Adjektivsuffixe -lich      hang). Analog zum vorherigen Abschnitt werden hier die syn-
    und -bar addiert sich zum Effekt der verbalen Bestandteile        taktischen Charakteristika in grammatikalischen Kategorien
    des Passivs. Einige Beispiele der häufigsten anhand dieser        analysiert und darauffolgend die strukturellen Merkmale und
    Suffixe gebildeten Wörter werden gezeigt:                         die Terminologie untersucht, in diesem Fall mit Fokus auf die
                                                                      Formenneologie.
   • -ung: Bindung, Klonierung, Herstellung, Darstellung.
   • -keit: Abhängigkeit, Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit,               Verbal- und Nominalkonstruktionen
     Häufigkeit.                                                         Auch in der spanischen Wissenschaftssprache wurden ein
   • -heit: Lichteinheit, Dunkelheit, Beschaffenheit.                 Rücktritt des Verbs und eine starke Nominalisierung nachge-
   • -lich: natürlich, möglich, zusätzlich, deutlich.                 wiesen: Nur die Verben ser, haber und poder wiesen eine große
   • -bar: sequenzierbar, reproduzierbar, programmierbar,             Häufigigkeit auf, während zahlreiche Substantive in den Texten
     erkennbar.                                                       vorkamen (vgl. Tab. 1 und 2 im Anhang). Dies scheint die Ideen
   • -mäßig: gleichmäßig, verhältnismäßig, regelmäßig,                von Claros Díaz (2016) über einen übermäßigen Gebrauch des
     routinemäßig.                                                    Passivs, der „ser + Nominalgruppen“-Konstruktionen und des
                                                                      Verbs poder nach dem Vorbild der englischen Wissenschafts-
4 ) Fachsprachlicher Wortschatz mit abstrakter Bedeutung:             sprache zu unterstützen. Die Untersuchung der Verwendung
                                                                      der „pasiva refleja“ in spanischen Texten verdient eine tiefge-
   • Sinnleere Funktionsverben: Sie wurden am häufigs-                hende Zuwendung, die über den Umfang dieser Arbeit hinaus-
     ten in Kombination mit den Modalverben beobach-                  geht und selbst eine eigene bedeutungsvolle Untersuchungs-

Panace@   |       vol. XXI, n.º 51. Primer semestre, 2020                                                                        41
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linie darstellt. Wie von Navarro et al. (1997) und Claros Díaz      die spanischen Adverbien in Texten aller möglichen Naturen
(2016: 90ff.) selbst beschrieben, wird in den spanischen wissen-    vorkommen (vgl. Tab. 4 im Anhang).
schaftlichen Texten häufig eine unnatürliche Verwendung des
Passivs beobachtet. Jedoch haben wir in den in dieser Arbeit           Strukturelle Merkmale
analysierten Dokumente eine äußerst große Häufigkeit der für           Einerseits lag die durchschnittliche Satzlänge in den spa-
das Spanische gewöhnlichsten Passivform, die „pasiva refleja“,      nischen Texten bei 11,4 Wörtern, was der Hälfte der Durch-
gefunden. Beispiel 9, in dem die „pasiva refleja“ bis zu drei Mal   schnittslänge der Sätze im Deutschen entspricht. Dies scheint
nacheinander eingesetzt wird, bildet unsere Beobachtungen           die Aussage von Claros Díaz (2016) und Álvarez Jorge (2008)
repräsentativ ab:                                                   zu unterstützen. Obwohl der Nominalisierungsgrad in den spa-
                                                                    nischen Bacherlorarbeiten verglichen mit der Standardsprache
       Beispiel 9: En los últimos años se han identificado          hoch war, lag dieser trotzdem deutlich unter dem Niveau der
   multitud de marcadores serológicos implicados directa            deutschen Sprache, was eine Verkürzung der Satzlänge im Ver-
   o indirectamente en el proceso de fibrosis hepática. Se          gleich zum deutschen Korpus ermöglichte. Andererseits wur-
   han desarrollado programas específicos para aumentar             den im Kontext der Formalisierung in den spanischen Texten
   la fiabilidad de detección de la fibrosis hepática con el uso    insgesamt 44 Abbildungen und zehn Tabellen gezählt, welche
   de las técnicas radiológicas ya existentes. Sin embargo, el      zu der Sachlichkeit der Texte beitrugen. Bemerkenswert und
   avance más importante se ha obtenido con la aparición            atypisch für eine naturwissenschaftliche Arbeit war jedoch,
   de la elastografía de transición (et) o Fibroscan® (fs).         dass eine der fünf Arbeiten weder Abbildungen noch Tabellen
   (Student Nr. 4, S. 5)                                            enthielt.
       [In den letzten Jahren sind zahlreiche serologische
   Marker identifiziert worden, die auf direkter oder in-              Die spanische biotechnologische Terminologie
   direkter Weise am Prozess der Leberzirrhose beteiligt               Wie in Abschnitt 2.4 beschrieben, heben sich vier Prozedu-
   sind. Es sind spezifische Programme entwickelt worden,           ren zur Erschaffung neuer Termini in der Wissenschaftssprache
   um die Zuverlässigkeit des Nachweises der Leberzirrho-           hervor. Im Folgenden wird eine Analyse der zuvor beschrie-
   se mithilfe der existierenden radiologischen Methoden            benen Mechanismen der Konstruktion und Komplexierung
   zu erhöhen. Nichtsdestotrotz ist der größte Fortschritt          aufgeführt. Da die Konstruktion im Spanischen hauptsäch-
   durch die Erfindung der transienten Elastographie (te),          lich über die Derivation stattfindet, wird der Mechanismus der
   auch als Fibroscan® (fs) bekannt, gemacht worden].               Komposition in dieser Arbeit nicht analysiert.

   Auf der semantischen Ebene hob sich im Kontrast zu den           I   Präfigierung: Gutiérrez Rodilla (2005: 51) beschrieb zahl-
Deutschen hervor, dass die spanischen Substantive eher der na-          reiche Präfixe, die im wissenschaftlichen Bereich zur Bil-
turwissenschaftlichen Sprache als dem Gebiet der Biotechnolo-
gie zugehörig waren (vgl. Tab. 1 im Anhang). Da der spanische
Korpus aus mehr Texten als der Deutsche besteht, war schon
zu erwarten, dass mit höherer Anzahl an Texten auch eine hö-
here Vielfältigkeit, eine höhere Frequenz an naturwissenschaft-
lichen Fachwörtern und eine niedrigere Anzahl an spezifischen
Termini aus einem bestimmten Bereich der Biotechnologie ein-
hergehen würde. Demgegenüber spielten die Verben genauso
wie im Deutschen eine wenig signifikante Rolle auf semanti-
scher Ebene, weil sie auf keine spezifische Thematik hindeu-
teten, sondern lediglich der Darstellung von Methoden und
Erkenntnissen dienten. Tatsächlich konnten bei den häufigsten
Verben die gleiche Bedeutung und Verwendung auf Spanisch
und Deutsch beobachtet werden (vgl. Tab. 2).

   Verwendung von Adjektiven und Adverbien
   Interessanterweise waren die spanischen Adjektive im Ge-
gensatz zu den deutschen viel fachspezifischer und trugen viel
mehr zum Inhalt der Texte als die Substantive bei. So wiesen die
Adjektive gastrointestinal, hepático, embrionario, visceral, su-
prarrenal beispielsweise auf den medizinischen-pharmakologi-
schen Bereich innerhalb der Biotechnologie hin, während sich
plasmático, celular, experimental, genómico, estadístico auf die
Forschung im Rahmen der molekularen Biologie und der Ge-
netik beziehen (siehe Tab. 3 im Anhang). Dahingegen könnten

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