Update Postoperative Schmerztherapie - E. Pogatzki-Zahn - 100 Pro Reanimation
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Aktuelles Wissen für Anästhesisten Refresher Course Nr. 39 April 2013 · Nürnberg Update Postoperative Schmerztherapie E. Pogatzki-Zahn aber auch bei Gefäßoperationen. Hier stellt die Epiduralanalge- Einleitung sie eine wichtige und effiziente Methode der postoperativen Obwohl die Schmerztherapie nach Operationen immer noch Analgesie dar. Die Indikation für ein PCEA-Verfahren sollte gravierende Mängel aufweist, ist eine gute Analgesie perioperativ jeweils unter einem individuellen Abwägen von Nutzen und mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln weitestgehend Risiken gestellt werden: Von Vorteil ist nicht allein die hervor- möglich [1]. Vorraussetzung hierfür sind neben einem guten ragende Analgesiequalität, sondern auch eine Blockade der Engagement der Kliniken, einer interdisziplinären Zusammen- perioperativen Stressreaktion. Viele Studien zeigen, dass eine arbeit und einer hohen Organisationsstruktur insbesondere der Epiduralanalgesie neben einer verminderten perioperativen Einsatz multimodaler Schmerztherapiekonzepte mit Einbezug Stressreaktion auch zu einer Abnahme der kardialen, pulmo- regionaler Analgesieverfahren und effektiven Standards für nalen und thromboembolischen Komplikationen sowie zu verschiedenste Operationen [2]. Auch operationsübergreifende einer verbesserten gastrointestinalen Motilität und Erholung des Algorithmen zur bedarfsgerechten Anagesie bei Patienten Patienten führt. Darüber hinaus bestehen Hinweise darauf, dass ohne Regionalanalgesieverfahren haben sich in Deutschland Regionalanagesieverfahren die Tumorprogression bzw. die Me- etabliert und können eine große Anzahl an Patienten postope- tastasierungsrate nach Operationen bei Patienten mit malignen rativ schmerztherapeutisch gut abdecken [3]. Hinzu kommt die Neoplasien vermindern [8]. Dies ist aber noch umstritten und mittlerweile in ca. 10% aller deutschen Kliniken standardisierte beruht vor allem auf retrospektiven Daten, so dass definitive Qualitätskontrolle mit etablierten Modulen (z.B. QUIPS), die Aussagen hierzu noch ausstehen. Auch periphere Plexus- oder u.a. auch ein Benchmarking mit anderen Kliniken ermöglichen Nervenkatheter stellen eine effektive Möglichkeit der periope- [4]. Dies schafft eine Identifikation und gezielte Aufmerksamkeit rativen Schmerztherapie dar; sie erfreuen sich zunehmender für individuelle „Defizite“ in Kliniken und ermöglicht damit Beliebtheit u.a. auf Grund der einfacheren und sichereren ult- eine gezielte Optimierung der Schmerztherapie. Dieser Beitrag raschallgesteuerten Anlage. Nach Operationen an den unteren soll einen Überblick über die aktuellen Möglichkeiten einer Extremitäten haben sie die (lumbale) Periduralanalgesie auf perioperativen Schmerztherapie geben sowie für spezielle Be- Grund niedrigerer Risiken weitestgehend ersetzt. Da die Anlage reiche sensibilisieren, die erst in den letzten Jahren in den Fokus dieser Katheter eine Domäne der Anästhesie ist, sollte auch die gerückt sind [5]. perioperative Betreuung der Patienten mit diesen Verfahren unter anästhesiologischer Betreuung bleiben, idealerweise über einen über 24 Stunden am Tag erreichbaren Akutschmerzdienst. Eine Organisationsaspekte enge Kooperation mit dem Stationspflegepersonal so wie den Es ist weitestgehend bekannt, dass eine Rechtspflicht des Arztes ärztlichen Kollegen der operativen Fächer ist aber durchaus zu zu ausreichender postoperative Schmerztherapie besteht [6]. empfehlen, um die Analgesie so effektiv gestalten zu können wie Grundlage für die Durchführung einschließlich spezieller möglich. Aspekte wie die Organisation eines Akutschmerzdienstes und Betreuung von bestimmten Patientengruppen auf chirurgischen Präoperative Auswahl des perioperativen Allgemeinstationen sind Absprachen zwischen den verschiede- Analgesieverfahrens und Aufklärung der Patienten nen chirurgischen Fachdisziplinen und Anästhesisten [7]. Als ideale Form der Betreuung von Patienten mit speziellen Analge- Eine gute postoperative Analgesie beginnt schon präoperativ sieverfahren bietet sich ein i.d.R. durch Anästhesisten geleiteter und zwar mit der Auswahl des geeigneten Analgesieverfahrens Akutschmerzdienst an. Hierdurch kann die Analgesiequalität für den einzelnen Patienten. Die Art des Analgesieverfahrens und die Patientenzufriedenheit deutlich gesteigert werden. insbesondere für invasive Therapieverfahren wie z.B. die Epi- Tägliche Visiten und eine 24-stündige Präsenz des Akutschmerz- duralanalgesie sollte in Abhängigkeit von individuellem Risiko dienstes in der Klinik tragen zur Sicherheit der Patienten bei. und Nutzen für den Patienten und unter Berücksichtigung even- Allerdings bedürfen nicht alle Patienten nach Operationen der tuell vorhandener Kontraindikationen vom prämedizierenden Betreuung durch einen Akutschmerzdienst. Hauptindikationen Anästhesisten/in festgelegt werden. Neben der Auswahl des sind größere Eingriffe mit zu erwartenden starken postoperativen Analgesieverfahrens ist auch eine gute Aufklärung des Patienten Schmerzen, insbesondere bei Thorax- und Oberbaucheingriffen, über die Schmerztherapie von großer Bedeutung. Update Postoperative Schmerztherapie · E. Pogatzki-Zahn 121
Refresher Course Nr. 39 Aktuelles Wissen für Anästhesisten April 2013 · Nürnberg Der Patient sollte bei der Prämedikation sowohl über die Mög- können auch deutlich weniger lange Einnahmen bei Abset- lichkeiten der postoperativen Schmerztherapie als auch über de- zen schon zu Entzugssymptomen führen) ren Risiken aufgeklärt werden. Hierzu gehört z.B. bei der Epidu- • ein höheres Lebensalter ralanalgesie neben Kopfschmerzen, Blutungen, Infektionen und • eine präoperativ erhöhte Ängstlichkeit, Depressivität, Nei- Nervenschäden auch der Hinweis auf die seltene Komplikation gung zu Katastrophisieren. der Querschnittslähmung. Die Häufigkeit von Duraperforatio- Gibt der Patient präoperative Schmerzen an, sollten deshalb nen bei Anlage von Epiduralkathetern wird in der Literatur mit die im Folgenden aufgeführten Aspekte eruiert bzw. erfragt ca. 0,6 % angegeben [5]- [7]. Schätzungen der Häufigkeit von (und dokumentiert) werden [12]: Parästhesien und neurologischen Komplikationen schwankten • Wie lange bestehen die Schmerzen schon? in der Vergangenheit zwischen 0,01 und 0,001 %. Epidurale • Welche Analgetika werden wie und seit wann in welcher Hämatome nach Epiduralanalgesieverfahren werden in der Dosierung eingenommen? Literatur mit 1:150.000 - 1:220.000 angegeben; nach heutigem • Substanz, Dosis und Dauer der Applikation sind zu eru- Wissen liegt das Risiko aber deutlich höher, insbesondere nach ieren und zu dokumentieren. Insbesondere bei älteren lumbaler Epiduralanalgesie (ausgenommen i.R. geburtshilflicher Patienten mit eingeschränkter kognitiver Leistungsfähigkeit Eingriffe) und liegt bei ca. 1:2500 [9]- [11]. Auch über andere und fehlender Möglichkeit zur Fremdanamnese sollte bei Nebenwirkungen wie eine potentielle Atemdepression bei An- der körperlichen Untersuchung gezielt nach Zeichen einer wendung von Opioiden (auch bei geplanter intravenöser oder Opioideinnahme gefahndet werden. oraler Anwendung) und substanzspezifische Nebenwirkungen • Bestehen Vorerfahrungen mit anderen Analgetika und ggf. (z.B. Agranulozytoserisiko bei Gabe von Metamizol) sollte im Unverträglichkeiten? Prämedikationsgespräch aufgeklärt werden. • Gab es schon einmal Situationen, in denen die Analgetika Idealer Weise ist dem Patienten im Prämedikationsgespräch abgesetzt wurden (z.B. bei früheren Operationen)? Traten der Gebrauch von visuellen Analogskalen zur Einschätzung Entzugsymptome auf, traten andere Probleme auf? seiner Schmerzintensität so wie die Notwendigkeit einer • gibt es Hinweise/Warnzeichen für einen Opioidfehlgebrauch Selbsteinschätzung von Schmerzen in Ruhe und bei Belastung Der Anästhesist sollte dann abklären [12]: zu erklären. Ausserdem ist wichtig dem Patienten zu erklären, • Wo wird operiert, wie lange wird operiert, besteht (z.B. bei dass er sich bei Schmerzen, insbesondere dann wenn sie ihn transdermaler Opioidanwendung) die Gefahr der Ausküh- daran hindern, bestimmte Tätigkeiten wie Krankengymnastik lung, hoher Flüssigkeitsumsätze etc, oder Mobilisation durchzuführen, melden soll. Ein aufgeklärter • Steht die Operation im Zusammenhang mit den Schmerzen Patient ist nach der Operation deutlich besser in der Lage, mit oder der Schmerzursache? Dies ist besonders dann wichtig, dem Auftreten von Schmerzen umzugehen und nach neuesten wenn präoperativ Schmerzmittel über einen Zeitraum von Erkenntnissen deutlich Zufriedener mit der Schmerztherapie als 3 Monaten oder länger eingenommen worden sind. ein nicht aufgeklärter Patient. • Wird das im Haus übliche Standardregime für den je- weiligen Eingriff dem voraussichtlichen höheren Bedarf Aufklärungsgespräch bei Patienten mit schon vorbe- abdecken? stehenden (chronischen) Schmerzen • Ist eine Regionalanästhesie sinnvoll und möglich (sollte Ein besonderes Augenmerk sollte im präoperativen Aufklä- bevorzugt eingesetzt werden!) rungsgespräch den Patienten geschenkt werden, die schon mit • Gibt es, falls erforderlich, parenteral applizierbare Alter - vorbestehenden Schmerzen zur Operation kommen. Vor allem nativpräparate Patienten mit chronischen (also länger als 6 Monate bestehende) • Besteht die Gefahr von Entzugserscheinungen bei kürzen Schmerzen und Patienten mit Einnahme von Opiaten stellen oder längeren Unterbrechung der Dauermedikation (z.B. potentiell „schwierige Pateinten“ in der postoperativen Phase auch auf der Intensivstation)? dar [12]. Diese Patienten weisen häufig in der perioperativen • Wann kann voraussichtlich eine orale Medikation wieder Phase einen erhöhten Schmerzmittelverbrauch auf, Analgesie- begonnen werden? konzepte „versagen“ häufiger, und der Umgang mit bereits seit Nach Abklärung dieser Fragen sollte zusammen mit dem Pati- vielen Monaten oder gar Jahren eigenommenen Substanzen enten das geeignete Analgesieregime ausführlich besprochen muss gut geplant werden. Hinzu kommt, dass diese Patienten werden. Hierzu gehört auch der Umgang mit den präoperativ zusätzliche Faktoren aufweisen, die eine Schmerztherapie in der schon eingenommenen Medikamenten, die postoperative perioperativen Phase oft schwierig gestalten. Eine präoperative Zusatzmedikation und die Möglichkeit zusätzlicher nicht- Identifikation dieser Faktoren kann und sollte mit in die Planung medikamentöser und medikamentöser Verfahren (siehe hierzu des perioperativen Schmerzregimes einbezogen werden [12]. auch Abschnitt 8). Grundsätzlich wäre es ideal – insbesondere Faktoren die die Schmerztherapie perioperativ schwierig ge- bei Patienten mit präoperativ bestehender Opioidlangzeit- stalten können [12]: einnahme – eine zusätzliche präoperative Konsultation eines • präoperativ hohe Schmerzintensität schmerztherapeutisch ausgebildeten Kollegen (z.B. Arzt des • präoperativ bestehende Opioideinnahme (> 3 Monate, z.T. Akutschmerzdienstes), der den Patienten in der unmittelbaren 122 Update Postoperative Schmerztherapie · E. Pogatzki-Zahn
Aktuelles Wissen für Anästhesisten Refresher Course Nr. 39 April 2013 · Nürnberg perioperativen Phase mitbetreut, vor Operation zu initiieren Abbildung 1 Dies soll zum einen dem Patienten mit vorbestehenden chro- nischen Schmerzen, der häufig mit einer größeren Angst vor Etoricoxib 180/240 post-operativen Schmerzen in die Klinik kommt, etwas mehr Sicherheit geben, ein gewisses Vertrauen zwischen Arzt und Etoricoxib 120 Patient schaffen und eine möglichst optimale Planung der Ketoprofen 100 postoperativen Analgesie durch das Hinzuziehen eines Exper- Dipyron 500 ten ermöglichen. Dieser kann vielleicht darüber hinaus noch Diclofenac 100 besondere Aspekte bei individuellen Patientenverläufen erken- nen und die Therapie dadurch ggf. komplettieren. Unabhängig Celecoxib 400 davon, ob dieses Vorgehen realistisch umsetzbar ist, sollte bei Ibuprofen 400 chronischen Schmerzpatienten auf eine Angstreduzierende Ibuprofen 200 und Vertrauen schaffende Situation besonders wert gelegt und Paracetamol 1000 genaue Angaben über die Möglichkeiten der Schmerztherapie Celecoxib 200 einschließlicher klarer Angaben zur Einnahme der bekannten Dauermedikation gemacht werden [12]. Ibuprofen 100 1 2 3 4 5 6 7 NNT (95% CI) Medikamentöse perioperative Analgesie Vergleich der Effektivität verschiedener NOPA anhand der number nee- ded to treat (NNT), (die NNT entspricht der Anzahl an Patienten die be- Einsatz von Nicht-Opioid-Analgetika zur postopera- handelt werden muss um bei einem Patienten eine 50% Schmerzfrei- heit über 4 - 6 Stunden zu erzielen (aus Pogatzki-Zahn et al 2012, siehe tiven Schmerztherapie Ref. 5, adaptiert an Moore et al 2011, siehe Ref. 13). Die postoperative Schmerztherapie wird schon seit Jahren, nach dem Konzept der balanzierten Analgesie mit einer Kombi- nation verschiedener Analgetikasubstanzklassen durchgeführt, allgemeingültige Grundsatz eines Einsatzes von NOPAs (vor die additiv oder sogar synergistisch wirken sollen. Als Basisan- allem für den Einsatz von Paracetamol) in der perioperativen algetika dienen hierbei Nicht-Opioid-Analgetika (sog. NOPAs), Schmerztherapie in Frage gestellt. zu denen Substanzen wie Acetaminophen (Paracetamol, z.B. Ben-u-ron®), Metamizol (Novalgin®) so wie nicht-selektive Eine Überlegenheit von tNSARs und Coxiben gegenüber Para- traditionelle tNSARs (z.B. Ibuprofen, Diclofenac) und selektive cetamol wird durch die NNT, die in klinischen Studien ermit- COX-2 Hemmer (sog. Coxibe, z.B. Etoricoxib, Arcoxia®, Cele- telt wurde, bestätigt [13]. Für Metamizol liegen wenig Daten coxib, Celebrex®) zählen [13]. vor; diese Substanz scheint aber vergleichbare Effektivität wie NSARs zu besitzen (Abb. 1). Allerdings ist der Einsatz der Nichtopiodanalgetika in der perioperativen Schmerztherapie – vor allem im Sinne der ba- Neben der unterschiedlichen Effektivität zeigen die verschie- lanzierten Analgesie als Supplement zu einer Opioidanalgesie denen NOPA auch sehr unterschiedliche, substanzspezifische oder einem Regionalanalgesieverfahren) – aus heutiger Sicht Nebenwirkungen und Risiken, die z.T. schwer-wiegende Fol- nicht unkritisch zu bewerten [2, 5]. So weißt eine große Meta- gen für den Patienten haben (z.B. kardiovaskuläre Komplikatio- Analyse z.B. darauf hin, dass der Stellenwert der NOPAs in der nen, gastro-intestinale oder andere Blutungen, Agranulozytose, postoperativen Schmerztherapie möglicherweise geringer ist siehe weiter unten). Die genauen Inzidenzen bzw. Risiken für als bisher angenommen [14]. In dieser Metaanalyse wird der das Auftreten dieser Nebenwirkungen insbesondere bei der perioperative Einsatz von Acetaminophen, tNSARs und COX-2 Kurzzeitgabe im Rahmen einer perioperativen Analgesie sind Hemmer zusammen mit Opioiden (e.g. Morphin) kritisch un- aber bisher nicht genau definiert. Trotz oder gerade deswegen tersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass perioperativ verabreichte hat in den letzten Jahren eine kritische Bestandsaufnahme und Substanzen wie Acetaminophen, tNSARs oder Coxibe zwar differenzierte Beurteilung des Einsatzes von NOPAs begonnen; in der Lage sind, den Morphinverbrauch unterschiedlich stark im Visir dieser Diskussion ist neben prozedurenspezifischen zu senken (NSARs und Coxibe wiesen dabei insgesamt eine Effektivitätsunterschieden vor allem auch ein kritischerer Um- höhere Potenz auf als Paracetamol, das nur geringe bis keine gang des Einsatzes von Paracetamol bei Erwachsenen und vor Effekte zeigte). Die Senkung des Opioidverbrauchs und vor al- allem auch Kindern [15]. lem eine Senkung opioid-induzierter Nebenwirkungen waren Besondere Gesichtspunkte beim Einsatz einzelner NOPAs beim Paracetamol gar nicht vorhanden, NSAIDs zeigten einen zur perioperativen Schmerztherapie Effekt hinsichtlich Reduktion von Nausea und Erbrechen [14]. Andere Untersuchungen unterstützen dies. Für Metamizol A. Paracetamol liegen bisher nur wenige Daten hierzu vor. Da das Ziel einer Die Einnahme von Paracetamol galt bisher aufgrund des balanzierten Analgesie die Reduktion von Nebenwirkungen, angeblich günstigen Nebenwirkungsprofils als relativ sicher; hervorgerufen durch z.B. Opioide, ist, wird hiermit der dies erklärt wahrscheinlich auch den breiten Einsatz dieser Update Postoperative Schmerztherapie · E. Pogatzki-Zahn 123
Refresher Course Nr. 39 Aktuelles Wissen für Anästhesisten April 2013 · Nürnberg Substanz. Die schwerwiegendste Nebenwirkung ist eine (to- tinale Toxizität bei Metamizol. Als Nebenwirkungen treten vor xische) Leberschädigung. Die Hepatotoxizität wird verstärkt allem Überempfindlichkeitsreaktionen auf. Eine gefürchtete durch einen chronischen Alkoholabusus, Unterernährung Komplikation bei Einnahme von Metamizol ist das Auftreten oder Stoffwechselerkrankungen wie der Glucose-6-Phosphat- einer Agranulozytose, über deren Häufigkeit es in der Literatur Dehydrogenase-Mangel. Allerdings ist hier zu betonen, dass sehr unterschiedliche Angaben gibt (1:3.000-500.000). Die auch schon therapeutische Dosierungen zu Lebertoxizitäts- Studienlage zur objektiven Beurteilung ist derzeit nur unzurei- erscheinen und Leberversagen geführt haben; bei Kindern ist chend, da Metamizol aufgrund des erhöhten Risikos für eine dies besonders bedenklich, so dass neuere Daten zu einer Agranulozytose in vielen Ländern nicht zugelassen ist. Für Reduktion der Empfehlungen der Maximaldosierungen von Metamizol liegen deshalb insgesamt zu wenige Daten vor, um Paracetamol bei Kindern durch das BfArM geführt haben und das Risiko-Nutzen-Verhältnis konkret einschätzen zu können. die rezeptfreie Abgabe an Patienten in Deutschland auf 10 g Auch Metamizol sollte deshalb nicht unselektiv perioperativ reduziert wurde (aktuelle Übersicht in [15]). Darüber hinaus eingesetzt werden. gibt es zunehmend Hinweise darauf, dass auch Paracetamol zu Kontraindikationen (KI) einer klinisch relevanten COX-2 Hemmung führt [16]. Unter • Hämatopoesestörungen (Leukopenie, Granulozytopenie) der regelmäßigen Einnahme kann es zur Entwicklung eines • Multiple Allergien (Pyrazolonallergie) arteriellen Hypertonus kommen sowie zu einer dosisabhän- • Porphyrie gigen Häufung von kardiovaskulären Komplikationen (siehe • Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel zur Übersicht ebenfalls [15]). Auch Paracetamol sollte deshalb • Kinder vor dem 3. Lebensmonat – solange keine gegenteiligen Daten bekannt sind – mit Vor- • Schwangerschaft und Stillzeit (mögliche Störung der Häma- sicht vor allem bei Risikopatienten eingesetzt werden. Noch topoese, Vorzeitiger Verschluss des Ductus Botalli) zu erwähnen ist eine nicht unerhebliche Blutdrucksenkung • CAVE: Allergie, Knochenmarkdepression, gleichzeitige bei Gabe (vor allem der intravenösen Form) von Paracetamol, Gabe von ASS 100! insbesondere bei Intensivpatienten [15]. Bei Kindern (und auch bei Erwachsenen) haben in den letzten Jahren Hinweise darauf C. tNSARs und Coxibe: zugenommen, dass die Einnahme von Paracetamol (möglicher- Aktuelle Untersuchungen zeigen dass die Einnahme von traditio- weise dosisabhängig) zum Auftreten allergischer Erkrankungen nellen (unselektiven) NSARs (tNSAR) zu einem 3 - 5 fach erhöh- (z.B. Asthma, Ekzeme) führen kann; dies betrifft unter anderem ten Risiko für Komplikationen im oberen Gastrointestinaltrakt auch Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Paracetamol führt. Das Risiko ist abhängig vom verwendeten tNSAR und eingenommen haben. Die klinische Relevanz dieses möglichen steigt mit Dosis sowie Dauer der Einnahme, bei Patienten >75 Zusammenhangs ist bisher aber noch nicht eindeutig. Jahren, bei positiver Ulkusanamnese, bei Helicobacter pylori Infektion, mit der gleichzeitigen Einnahme von oralen Gluko- Kontraindikationen (KI) kortikoiden, Antikoagulantien oder anderen tNSAIDs sowie • bekannte Unverträglichkeit gegen Paracetamol mit schweren Begleiterkrankungen [18]. Aller dings beruhen • Schwere Leberinsuffizienz die Ergebnisse über gastrointestinale Komplikationen durch • Schwere Niereninsuffizienz (rel. KI) tNSAIDs fast ausschließlich auf einer mehrmonatigen Dauer- • Alkoholabusus und chronische Mangelernährung (rel. KI) therapie, sodass über das gastrointestinale Risikoprofil dieser • Cave: (nicht-eingestellter) Hypertonus, kardiovaskuläre Substanzen bei der kurzfristigen perioperativen Applikation im Erkrankungen entsprechend der KI für COXIBE und tNSARs Rahmen der postoperativen Schmerztherapie wenig bekannt Bei einer Applikationszeit von mehr als 5 Tagen sollte eine ist. Aufgrund der fehlenden Studien hinsichtlich des gastroin- Bestimmung der Leberfunktionswerte erfolgen. Bei Kindern, testinalen Risikoprofils im Rahmen der kurzfristigen Einnahme die über längere Zeit fasten oder parenteral ernährt werden, von tNSAIDs sollte zumindest auf die Verwendung bei Pati- sollte eine verminderte Dosis angewendet oder ganz auf die enten mit Risikofaktoren für das Auftreten gastrointestinaler Gabe von Paracetamol verzichtet werden. Komplikationen verzichtet werden (z.B. höheres Alter [18]). B. Metamizol (Novalgin®, Novaminsulfat®) Ein weiteres Risiko der tNSAIDs ist das akute Nierenversagen. Ein sehr häufig in der postoperativen Therapie von leichten Es kann schon bei kurzfristiger Einnahme (7 - 10 Tage) von bis moderaten Schmerzen eingesetztes Nicht-Opioid Analge- tNSAIDs (und auch COX-2 Inhibitoren) bei Risikopatienten mit tikum ist das Metamizol (in den meisten deutschen Kliniken Herzinsuffizienz, renalen oder hepatischen Erkrankungen oder wird Metamizol regelmäßig eingesetzt). Aufgrund seiner vorbestehender eingeschränkter Nierenfunktion und auch bei spasmolytischen Eigenschaften besitzt es eine gute Wirkung hohem perioperativem Blutverlust/perioperativer Hypovolämie bei Kolikschmerzen. In randomisierten Untersuchung [17] auftreten. Das akute Nierenversagen ist nach Absetzen der tN- konnte – ähnlich wie für NSARs – auch für Metamizol eine SAIDs innerhalb von 2 - 7 Tagen meistens voll reversibel [19]. signifikante Reduktion des Opiatverbrauches postoperative Darüber hinaus ist mitlerweise unumstritten, dass eine (über 6 belegt werden. Ob es auch zur gewünschten Reduktion der Monate dauernde) Einnahme von tNSAIDs wahrscheinlich in opiatinduzierten Nebenwirkungen kommt ist unklar. Von gleichem Maße wie die (langfristige) Einnahme von Coxiben Vorteil sind die fehlende renale, hepatische und gastrointes- mit einem erhöhten Risiko für kardio-vaskuläre Komplikationen 124 Update Postoperative Schmerztherapie · E. Pogatzki-Zahn
Aktuelles Wissen für Anästhesisten Refresher Course Nr. 39 April 2013 · Nürnberg assoziiert [20, 21]. Grund hierfür ist, dass eine länger andau- hypertensiven Therapie mit Beta-Blockern, ACE-Hemmern ernde effektive Hemmung der COX-2 (und nicht wie anfangs oder Schleifendiuretika stehen, auch auf eine nur kurzzeitige vermutet eine Imbalanze zwischen COX-2 und COX-1 Effekten perioperative Einnahme dieser Substanzen im Rahmen der bei reinen COX-2 Hemmern) das kardiovaskuläre Risiko er- postoperativen Schmerztherapie verzichtet werden. höht. Inwieweit auch eine kurzzeitige perioperative Einnahme Kontraindikationen für tNSARs und Coxibe: von tNSAIDs oder COX-2 Hemmern dieses Risiko erhöht, Im Rahmen einer Risiko-Nutzenabwägung sollten für die kurz- ist aber bisher nur in wenigen Studien untersucht worden. und langfristige Anwendung von tNSAIDs und COX-2 Hemmern Sowohl Ott et. al. [22] als auch Nussmeier et. al. [23] haben bis auf weiteres die gleichen Kontraindikationen gelten: bei kardialen Hochrisikopatienten, die sich einer koronaren • Akute und chronische Niereninsuffizienz (Krea Clearance Bypassoperation unterzogen, zeigen können, dass COX-2 < 30 ml/min) Hemmer das Auftreten thromboembolischer Komplikationen • Volumenmangel/Schock deutlich erhöht. Allerdings ist bei der Bewertung dieser Un- • Nicht eingestellte arterielle Hypertonie tersuchungen zu bedenken, dass eine gesteigerte Thrombozy- • Herzinfarkt in der Anamnese tenfunktion durch kardio-pulmonalen Bypass oder reduzierter • Dekompensierte Herzinsuffizienz(NYHA III-IV) Aspirinwirkung das Risiko für thromboembolische Ereignisse • Andere kardio-vaskuläre Erkrankungen (relative KI) weiterhin erhöhen kann. Im Gegensatz hierzu fand die gleiche • Schwangerschaft und Stillzeit Arbeitsgruppe [24] in einer randomisierten Untersuchung, dass • Jugendliche < 16 Jahre (rel. KI), Alter > 65 Jahre die kurzzeitige Einnahme von Parecoxib bei Patienten, die sich ausgedehnten nicht-kardiochirurgischen Eingriffen unterzogen, Spezielle Kontraindikationen für tNSARs nicht zu einem erhöhten Risiko kardio-vaskulärer Komplika- • Ulzera im Magen-Darm-Trakt/Anamnese chronischer tionen führte. Allerdings litt die Mehrzahl der untersuchten Magen-Darm-Beschwerden Patienten nicht unter kardio-vaskulären Erkrankungen (
Refresher Course Nr. 39 Aktuelles Wissen für Anästhesisten April 2013 · Nürnberg • Metamiziol (Novalgin®) Dosierung: 500-1000mg oral pro sind neue Empfehlungen der ASA herausgegeben, die beachtet Anwendung alle (4) - 6 Stunden werden sollten. Etoricoxib (Arcoxia®) Indikationen für PCIA: • Dosierung p.o. Einzeldosis 90 mg/d (einmalige Gabe pro Eine PCIA ist bei folgenden Patienten indiziert: Tag) • Patienten mit ausgedehnten Operationen im Kopf-/Halsbe- reich oder an der oberen Extremität (HNO, MKG, Orthopä- Einsatz von Opioiden für die postoperative die, Neurochirurgie) Schmerztherapie • Patienten mit einer Kontraindikation für eine PCEA oder bei Das wichtigste Routinemedikament zur Behandlung starker denen eine Katheteranlage misslungen ist. postoperativer Schmerzen sind Opioide. • Patienten, bei denen mit Therapieverfahren, die auf Regel- pflegestationen zur Verfügung stehen, keine ausreichende Intravenöse Opioide Analgesie erreicht wird. Als Standardopioid zur intravenösen postoperativen Schmerz- therapie wird in den meisten Kliniken in Deutschland Piritramid Kontraindikation für PCIA (Dipidolor®) (z.B. in einer Dosierung von 0,1 - 0,2 mg/kg i.v. im • Mangelnde intellektuelle Fähigkeit, ein PCIA-System zu Aufwachraum) eingesetzt. Allerdings schwankt der individuelle bedienen (z.B. verwirrter Patient, Kleinkind) Bedarf sehr, so dass die Dosis nach Bedarf titriert werden muss. • nicht kooperativer/sedierter Patient Hierbei erfolgen Nachinjektionen bis zum Erreichen einer suffi- • Akute hepatische Porphyrie zienten analgetischen Wirkung. Nach der Applikation muss der • Allergie gegen Opioide Patient zum Ausschluss einer Atemdepression mindestenst 15 • Respiratorische Insuffizienz - 20 min im AWR überwacht werden. Es spricht nichts dagegen, • Vorbestehende Suchterkrankung (individuelle Entschei- Morphin postoperativ in der gleichen Weise i.v. einzusetzten. dung, gute Überwachung und Betreuung). Patienten, die bereits präoperativ mit Morphin eingestellt sind, Bei Kindern sollte die Pumpe durch das Kind und nicht durch sollten im Aufwachraum primär Morphin (initial 10 - (20) mg i.v, die Eltern bedient werden, um Überdosierungen zu vermeiden; ggf. mehr) erhalten. hierbei sollten bestimmte Besonderheiten beachtet werden. Der Einsatz von Piritramid-oder Morphin i.v. als Kurzinfusion Therapiedauer auf der peripheren Station ist – insbesondere auf Grund der Die Therapiezeiträume entsprechen denen der PCEA. Patienten Gefahr von Atemdepressionen – als nicht unbedenklich ein- nach Operationen im Hals-/Kopf-Bereich benötigen im Allge- zuschätzen und sollte, falls unvermeidbar, nur unter adäquater meinen für 2 Tage postoperativ eine PCIA. Überwachung stattfinden. Bei hohem Opioidbedarf kann die Herstellung von Lösungen intravenöse Analgesie mit Opioiden nach größenen Operatio- Für die PCIA werden besipielsweise 100 ml einer Lösung mit 2 nen (wenn kein Regionalanalgesieverfahren zur Anwendung mg Piritramid/ml oder 2 mg Morphin/ml hergestellt: kommen kann) idealer Weise mit einer patientenkontrollierten 73,3 ml NaCl 0,9% intravenösen Analgesie (PCIA) mittels „Schmerzpumpe“ weiter- + 26,7 ml Piritramid (2 ml = 15 mg), entspricht 200 mg geführt werden: 90 ml NaCl 0,9% PCIA + 10 ml Morphin (1ml = 20 mg), entspricht 200 mg Intravenös werden Opioide postoperativ idealer Weise über Dosierung ein PCIA-System („Schmerzpumpe“) zugeführt. Zur Steigerung Die PCIA wird ausschließlich in Form Patienten-kontrollierter der Mobilität handelt es sich hierbei in der Regel um handliche Bolusgaben ohne kontinuierliche Infusion eingesetzt. Die Systeme, die batteriebetrieben in speziellen Taschen von den erforderliche Dosis wird ausgehend von einer Basiseinstellung Patienten über der Schulter getragen werden können. Die Appli- der Infusionssysteme den jeweiligen Bedürfnissen der Patien- kation erfolgt wegen der sicheren Resorption intravenös, wobei ten angepasst. Die meisten Patienten sind aber mit der o.g. zur Reduktion des Kumulationsrisikos ausschließlich intermit- Einstellung gut abgedeckt und ein „Therapieversagen“ sollte tierende Bolusgaben (keine kontinuierliche Infusion!) appliziert zuerst daran denken lassen, dass der Patient das Verfahren werden. Zur Kontrolle von Nebenwirkungen und technischen nicht verstanden hat bevor man die Bolusdosis erhöht. Bevor Problemen sollte die Therapieanpassung und Therapiekontrolle ein Patienten-kontrolliertes intravenöses Analgesieverfahren unter Aufsicht eines postoperativen Schmerztherapiedienstes begonnen wird, müssen die Patienten zunächst ausreichend erfolgen. Die erforderliche Dosis wird ausgehend von einer wach sein. Um eine initiale effiziente Analgesie zu erreichen, Basiseinstellung der Infusionssysteme den jeweiligen Bedürf- erfolgt diese postoperativ im AWR i.v. durch den zuständigen nissen der Patienten angepasst und eine tägliche, idealerweise Arzt. Die Pumpe wird erst nach initialer erfolgreicher Aufsätti- 2 malige Kontrolle von Nebenwirkungen und Risikoprävention gung im AWR angeschlossen (Tab. 1). wird durch einen solchen Dienst durchgeführt. Allerdings ersetzt dieser Akutschmerzdienst nicht die Überwachung des Patienten durch das Pflegepersonal auf den Stationen; hierzu 126 Update Postoperative Schmerztherapie · E. Pogatzki-Zahn
Aktuelles Wissen für Anästhesisten Refresher Course Nr. 39 April 2013 · Nürnberg Tabelle 1 onen dar. Vorraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung PCIA mit Dipidolor 2mg/ml oder Morphin 2mg/ml. eines solchen Algorithmus sind neben organisatorischen und logistischen Dingen (siehe auch [3, 27]) auch regelmäßige Patienengruppe Bolus Sperrzeit Schulungen des gesamten Personals. Dieser anfangs etwas zeit- Erwachsener 1 ml 10 Minuten aufwendige Einsatz ist aber lohnenswert, wenn man bedenkt, Kind >50 kg 1 ml 10 Minuten dass eine Vielzahl postoperativer Patienten, die bisher analge- Kind 30-50 kg 0,5-1,0 ml 20 Minuten tisch unterversorgt waren [1], nun effektiv therapiert werden können. Dies erhöht nicht nur die Zufriedenheit der Patienten Kind < 30 kg 0,03-0,05 mg/kg 20 Minuten sondern auf längere Sicht auch die des Personals. Es wird zusätzlich eine Höchstdosis von 4 Bolusgaben/Stunde Patientenkontrollierte Epiduralanalgesie (PCEA) festgelegt, indem das Dosislimit auf 4,1 ml/Stunde festgelegt wird. Der kontinuierliche Modus wird ausgeschaltet. Die Indikationen Einlaufzeit (PCA-Rate) beträgt 2 min, bei Kindern sollte die Eine PCEA bietet sich für Patienten mit größeren abdominellen Einlaufzeit auf mehrere Minuten verlängert werden, um Ne- oder thorakalen Eingriffen an; in den meisten Fällen kommt benwirkungen zu minimieren. hier eine thorakale PDA zum Einsatz. Darüber hinaus könnten PCIA-Katheter werden mit einem Y-Stück direkt an einen ZVK auch Patientinnen nach einer Sectio in lumbaler Periduralanäs- oder eine periphere Venenverweilkanüle angeschlossen. Dabei thesie erhalten. Die Indikationen für eine lumbale PDA sollten, darf kein Dreiwegehahn dazwischen geschaltet sein. Eine was den operativen Einsatz betrifft, allerdings ausgesprochen Infusion mit einem Rückschlagventil sollte parallel laufen, um restriktiv gestellt werden, da das Risiko eines epiduralen Häma- Überdosierungen zu verhindern. Um hohe Speichervolumina toms (ausgenommen Gebirtshilfe) bei lumbaler Punktion höher bei abgeknickten Leitungen zu vermeiden, werden nur Druck- ist als viele Jahre angenommen. Potentieller Nutzen und poten- leitungen und nicht normale Verlängerungen verwendet. tielles Risiko der Maßnahme sind in jedem Einzelfall sorgfältig Orales Analgesiekonzept mit einem retardiertem plus einem abzuwägen und mit dem Patienten zu erörtern, die Aufklärung nicht-retardierten Opioid muss den Hinweis auf das Risiko einer Querschnittslähmung Eine Möglichkeit, Patienten mit zu erwartenden mittelstarken enthalten (siehe oben). Schmerzen nach Operationen effektiv zu therapieren stellt die Vorteile einer (thorakalen) PCEA gegenüber einer PCIA sind: orale Gabe von retardierten Opioiden dar, idealer Weise im • bessere Analgesie unter Belastungsbedingungen (Husten, Rahmen eines algorithmischen Behandlungskonzeptes [3, 27]. Mobilisation) Grundlage dieses Konzeptes ist die planmäßige Verabreichung • geringere Sedierung einer Basisanalgesie, bestehend aus einem retardierten Opioid • bessere Erholung der Lungenfunktion und einem Nicht-Opioid-Analgetikum [3, 27]. Aufgrund der • geringere kardiovaskuläre Aktivierung günstigen pharmakologischen Eigenschaften setzen wir als Ba- • Reduktion der postoperativen Hyperkoagulabilität sisopioid das retardierte Oxycodonhydrochlorid ein [28 - 30]. • Verbesserung der gastrointestinalen Durchblutungsverhält- Zur Prophylaxe potentieller obstipierender Effekte verwenden nisse und der gastrointestinaler Motilität wir heute das mit Naloxon kombinierte Oxycodon (Targin®): • ggf. vermindertes Risiko eines Tumorrezidivs/Metastasierung Im Rahmen eines derartigen Algorithmus (siehe Abb. 2A) ist Kontraindikationen besonders wichtig die Möglichkeit des Patienten, bei Bedarf • Ablehnung durch den Patienten bzw. durch die Eltern bei ein schnell wirksames Analgetikum anzufordern, ohne dass Kindern jedes Mal wieder ein Arzt hinzugezogen werden muss [3, 27]. • aktuelle Blutungen Dies ermöglicht eine effektive Analgesie; die Basisanalgesie • angeborene oder erworbene Koagulopathien (retardiertes Opioid) muss (und sollte) dabei nicht hoch sein, so • erhöhtes Risiko eines epiduralen Hämatoms dass immer der Bedarf eines Patienten (durch Anforderung des • Gerinnungshemmende Medikamente (siehe unten) nicht-retardierten Opioids) „sichtbar“ ist. Für Patienten mit ein- • Unkorrigierte Hypovolämie (z.B. Schock) geschränkter Nierenfunktion (GFR
Refresher Course Nr. 39 Aktuelles Wissen für Anästhesisten April 2013 · Nürnberg Abbildung 2A Targin®-Schema Basisanalgesie/Tag: Targin® 10/5 mg oder 20/10 mg um 8.00 h und 20.00 h + ggf. Nicht-Opioid-Analgetikum Mäßiger/Starker Schmerz NRS ≥ 4 * Ja Nein Gabe von Oxygesic akut® 5 mg p.o. (maximal alle 4 h) Targin® weiter Weiterhin Schmerz NRS ≥4 * und bis mind. 2. post OP-Tag Nein > 4 x 5 mg Oxygesic akut®/Tag Targin® absetzen (ggf. reduzieren) ab. 3. post OP-Tag Ja Targin®-Dosis um 10 mg pro Gabe Akutschmerzdienst anfunken, falls: erhöhen max. 80 mg Targin®/Tag Targin® Bedarf >80 mg/Tag oder 1 h nach (2 x 40 mg) ** Oxygesic akut® 5 mg weiterhin NRS > 4 Wichtig: Nach jeder Opioidgabe müssen Wirkung und Nebenwirkungen erhoben und dokumentiert werden. * Die Ursache bestehender oder ansteigender postoperativer Schmerzen sollte durch den behandelnden chirurgischen Kollegen untersucht werden. DD: Wundschmerz, enge Verbände, Infektionen, Blutungen/Hämatom, schlechte Lagerung, Kompartment, volle Blase, Illeus etc. ** Erfolg oder Misserfolg der veränderten Basisanalgesie müssen überprüft werden. Akute Schmerztherapie: Prof. Dr. Pogatzki-Zahn Universitätsklinikum Münster, gültig bis 4/2013 Beispiel der am UKM zum Einsatz kommenden Behandlungsschemata mit retardierten Opioiden. A. Behandlungsschema mit retardiertem Oxycodon plus Naloxon (Targin®) und der nicht-retardierten (Rescue-) Oxycodon-Form (Oxygesic akut ®). Abbildung 2B siehe Seite 9. Tabelle 2 Analgesie benötigten Substanzbedarf und grenzt die Analge- Empfohlene Punktionshöhen der EA: sieausdehnung auf das Operationsgebiet ein (segmentale An- algesie), so dass die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen Operativer Eingriff Punktionshöhe stark vermindert werden kann. Eine vermehrte Inzidenz von Thorakotomie/Thorakoskopie Th 5-8 Nebenwirkungen durch ungenaue Katheterplazierung (z.B. Rippenserienfraktur, Thoraxtrauma Abhängig vom betroffenen Punktion im lumbalen Bereich bei abdominellen oder sogar Dermatom thorakalen Eingriffen) führt häufig in der Praxis dazu, dass Ösophagusresektion Th 7-8 die Infusionsrate reduziert und dadurch die Analgesiequalität Oberbaucheingriffe (z.B. Th 7-9 unzureichend wird [19, 31, 32]. Gastrektomie) Die postoperative Austestung der epiduralen LA- Blockade kann Pankreas OP Th 8-9 durch eine veränderte Wahrnehmung von Kälteempfindung Abd. Aortenaneurysma, Y-Prothese Th 10 ausgetestet (z.B. Besprühen der Haut mit einem alkoholischen Ausgedehnte Laparotomie Th 9-11 Hautantiseptikum) und in Form der Dermatomausbreitung Kolonoperation Th 9-11 dokumentiert werden. Tiefe anteriore Rektumresektion, Th 10-11 Prostatektomie Antithrombotische Therapie Hüftendoprothese (Prothesen- L 2-4 Für die Anlage oder Entfernung von Periduralkathetern ist wechsel) eine Therapie mit Antithrombotika oder Thrombozytenag- Os/Us-Amputationen, L 3-5 gregationshemmern ggf. zu unterbrechen. Zeitintervalle und Sectio caesarea L 3-5 Laborkontrollen sind in Tabelle 3 aufgeführt. 128 Update Postoperative Schmerztherapie · E. Pogatzki-Zahn
Aktuelles Wissen für Anästhesisten Refresher Course Nr. 39 April 2013 · Nürnberg Abbildung 2B Palladon®-Schema Basisanalgesie/Tag: Palladon® retard 4 mg um 8.00 h und 20.00 h + ggf. Nicht-Opioid-Analgetikum Mäßiger/Starker Schmerz NRS ≥4 * Ja Nein Gabe von Palladon® 1,3 mg p.o. (maximal alle 2-3 h) Palladon® retard weiter Weiterhin Schmerz NRS ≥4 * und bis mind. 2. post OP-Tag Nein > 3 x 1,3 mg Palladon®/Tag Palladon® retard absetzen (ggf. reduzieren) ab. 3. post OP-Tag Ja Akutschmerzdienst anfunken, falls: Palladon® retard-Dosis um Palladon® retard-Bedarf >16 mg/Tag oder 4 mg pro Gabe erhöhen ** 1 h nach Palladon® 1,3 mg weiterhin NRS > 4 Wichtig: Nach jeder Opioidgabe müssen Wirkung und Nebenwirkungen erhoben und dokumentiert werden. * Die Ursache bestehender oder ansteigender postoperativer Schmerzen sollte durch den behandelnden chirurgischen Kollegen untersucht werden. DD: Wundschmerz, enge Verbände, Infektionen, Blutungen/Hämatom, schlechte Lagerung, Kompartment, volle Blase, Illeus etc. ** Erfolg oder Misserfolg der veränderten Basisanalgesie müssen überprüft werden. Akute Schmerztherapie: Prof. Dr. Pogatzki-Zahn Universitätsklinikum Münster, gültig bis 4/2013 Beispiel der am UKM zum Einsatz kommenden Behandlungsschemata mit retardierten Opioiden. B. Behandlungsschema mit retardiertem Hydromorphinhydrochlorid (Palladon ret.®) und der nicht-retardierten (Rescue-) Form (Palladon®). Die Kombination verschiedener Antithrombotika mit Thrombo- zwischen letzter Medikamentengabe und Punktion/Katheter- zytenaggregationshemmern erhöht das Blutungsrisiko und sollte entfernung bei rückenmarknaher Anästhesie mindestens 24 h unterbleiben (ASS 100 Gabe siehe unten). Bei niedermolekula- betragen, bei eGFR 80.000/µl Update Postoperative Schmerztherapie · E. Pogatzki-Zahn 129
Refresher Course Nr. 39 Aktuelles Wissen für Anästhesisten April 2013 · Nürnberg Tabelle 3 Empfohlene Zeitintervalle vor und nach rückenmarksnaher Punktion bzw. Katheterentfernung. Vor Punktion / nach Punktion / Laborkontrolle Katheterentfernung Katheterentfernung Unfraktionierte Heparine 4h 1h Thrombozyten bei Therapie > 5 Tagen (Prophylaxe, ≤ 15.000 IE/d) Unfraktionierte Heparine 1h 4-6 h aPTT, (ACT), Thrombozyten Therapie) (keine i.v. Bolusgabe) Niedermolekulare Heparine 12 h 2-4 h Thrombozyten bei Therapie > 5 Tagen (Prophylaxe) Niedermolekulare Heparine 24 h 2-4 h Thrombozyten (anti-Xa) (Therapie) Fondaparinux (Prophylaxe, 36-42 h 6-12 h (anti-Xa) ≤ 2,5 mg/d) Vitamin-K-Antagonisten INR < 1,4 nach Katheterentfernung INR Hirudine (Lepirudin, Desirudin) 8-10 h 2-4 h aPITT, ECT Argatroban*** 4h 2h aPITT, ECT, ACT Acetylsalicylsäure (100 mg)*** keine keine Clopidogrel 7 Tage nach Katheterentfernung Ticlopidin 10 Tage nach Katheterentfernung NSAR keine keine * alle Zeitangaben beziehen sich auf Patienten mit einer normalen Nierenfunktion ** prophylaktische Dosierungen für NMH bei Hochrisikopatienten sind in Tabelle 2 aufgeführt *** verlängertes Zeitintervall bei Leberinsuffizienz **** NMH einmalig pausieren, kein NMH 36-42 h vor der Punktion oder der geplanten Katheterentfernung. Oberhalb bzw. unterhalb dieser Werte erfolgt eine Punktion Eigenschaften. Das dritte, häufig zum Einsatz kommende bzw. eine Katheterentfernung nur nach individueller Nutzen- aber nicht in Deutschland zugelassene Opioid zur epiduralen Risiko-Analyse. Anwendung ist Fentanyl. Die Gabe eines epiduralen Opioids kann alleine (also ohne zusätzliches Lokalananästhetikum) zur Epidurale Substanzapplikation post-operativen Schmerztherapie nicht empfohlen werden. Die am häufigsten verwendeten Lokalanästhetika zur peri- Die Nebenwirkungsrate und die Gefahr schwerwiegender operativen EA sind Bupivacain und Ropivacain. Der Einsatz Komplikationen sind bei alleiniger Gabe eines Opioides zu von Ropivacain ist besonders bei Säuglingen und kleineren hoch. Darüber hinaus fehlen alle protektiven Effekte einer Kindern zu erwägen, da für Ropivacain eine größere toxische Lokalanästhetikablockade mit Hemmung der perioperativ Sicherheitsgrenze besteht. Ansonsten ist auch die Gabe von überschießenden Sympathikusaktivierung. Eine zusätzliche Bupivacain perioperativ als sicher und effektiv zu bewerten. systemische Opioidgabe muss bei allen Patienten, die epidural Die alleinige Gabe eines LA epidural wird allerdings nur selten Opioide bekommen, unbedingt unterbleiben, da sonst das praktiziert (z.B. bei Kontraindikationen für eine Opioidgabe), Risiko schwerer Komplikationen deutlich zunimmt. da die Inzidenz von Nebenwirkungen (z.B. Motorblockaden Morphin und Hypotonien) bei analgetisch ausreichenden Konzentra- Morphin ist ein hydrophiles Opioid, das sehr langsam durch tionen oft zu hoch ist [33, 36]. Verbessert werden kann die Lipidmembranen wie die Dura diffundiert, sich aber im Wirkung einer mit einem LA geführten Epiduralanalgesie durch Liquor aufgrund der geringen Clearance sehr lange aufhält. die Kombination mit einem (niedrig konzentrierten) Opioid. Auf diesem Weg können größere Mengen von Morphin zu Die Kombination eines Opioids mit einem LA ist deshalb von bestimmten Hirnarealen gelangen und damit zu zentralen Vorteil, da aufgrund eines synergistisch-analgetischen Effektes Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen oder zu einer eine Reduktion der Einzelsubstanzen möglich wird und bei späten Atemdepression führen (2 - 12 Stunden nach epiduraler guter Analgesie substanzspezifische Nebenwirkungen gesenkt Morphinapplikation). Dieses Risiko ist insofern nicht zu unter- werden können. schätzen, als dass diese verspätete Atemdepression zu einem In Deutschland sind für die epidurale Applikation zugelassene Zeitpunkt stattfinden könnte, bei dem der Patient aus dem Opioide das Sufentanil und Morphin. Die beiden Substanzen Aufwachraum bereits auf die Normalstation verlegt wurde und unterschieden sich vor allem durch ihre physiko-chemischen dort nicht mehr unter kontinuierlicher Monitorkontrolle steht. 130 Update Postoperative Schmerztherapie · E. Pogatzki-Zahn
Aktuelles Wissen für Anästhesisten Refresher Course Nr. 39 April 2013 · Nürnberg Das lipophile Sufentanil diffundiert im Gegensatz zu hydro- Tabelle 4 philen Opioiden sehr schnell durch die Dura in den Liquor. Basiseinstellung der Infusionssysteme* für die Patienten-kontrollierte Aufgrund der schnellen Aufnahme in das Rückenmark und der Epiduralanalgesie bei Erwachsenen und Kindern. damit verbundenen hohe Clearance aus dem Liquor kommt Patientengruppe kontinuierl. Rate Bolus Sperrzeit es sowohl nach epiduraler Bolusgabe als auch während konti- Erwachsener** 5 ml / Stunde 2 ml 20 Minuten nuierlicher Katheterepiduralanalgesie zu einer eher segmental begrenzten Wirkung des Sufentanils. Dies limitiert die rostrale Kind, Gewicht 5 ml / Stunde 2 ml 20 Minuten > 50 kg** Migration des Sufentanils und die Gefahr später Atemdepressi- onen ist geringer im Vergleich zum Morphin. Allerdings erreicht Kind, Gewicht 3 - 5 ml / Stunde 2 ml 20 Minuten 30 - 50 kg** durch seine Affinität zu fettreichem Gewebe nur relativ wenig Kind, Gewicht Sufentanil die graue Substanz im Rückenmark, so dass eine < 30 kg* 0,2 - 3 ml / Stunde 0,5 - 2 ml 20-30 Minuten Dosisreduktion (epidural versus intravenös) nicht so ausgeprägt * die Infusionslösung enthält Bupivacain 0,175% oder Ropivacain 0,2 % möglich ist wie bei Morphin. Hinzu kommt, dass Sufentanil ** bei Erwachsenen unter 70 Jahren und Kindern mit einem Gewicht > 30 kg wird relativ schnell in die Blutgefäße gelangt; so konnten nach 0,75 μg Sufentanil/ml zugesetzt) *** Kinder unter 5 Jahren können keine Bolusgaben abrufen. epiduraler Applikation von Sufentanil analgetisch wirksame Plasmaspiegel gemessen werden, die während einer konti- nuierlichen Gabe bis zum 2. postop. Tag ansteigen können. Danach finden bei gleich bleibender epiduraler Basisinfusion Die empfohlenen Höchstdosierungen der Lokalanästhetika bei aufgrund einer relativ schnellen Plasmaclearance keine weite- kontinuierlicher Applikation liegen im Kindesalter (< 12 Jah- ren Anstiege der systemischen Sufentanilspiegel statt. ren) bei 0,4 mg/kg/h für Bupivacain, bzw. bei 0,4 mg/kg/h für Allerdings darf das Risiko einer durch systemisch resorbiertes Ropivacain. Die empirisch ermittelte Wirkdosis liegt für beide Sufentanil ausgelösten Atemdepression nicht außer Acht ge- Substanzen bei 0,2 - 0,25 mg/kg/h und sollte insbesondere für lassen werden; so trat z.B. bei 3 von 641 Patienten mit einer Bupivacain nur in Ausnahmefällen überschritten werden. Es epiduralen Sufentanilgabe (1 µg/ml) eine Atemdepression gilt im Allgemeinen, dass kleinere Kinder niedrigere Gesamt- auf [37]. Da bei einer epiduralen Sufentanil-Applikation von mengen tolerieren als ältere Kinder. Besondere Vorsicht ist 1 µg/ml höhere Plasmaspiegel und mehr Nebenwirkungen bei Säuglingen unter einem Lebensalter von sechs Monaten von Sufentanil nachgewiesen wurden als bei 0,75 µg/ml, der geboten, da hier aufgrund der Plasmaschwankungen des Al- analgetische Effekt aber vergleichbar war, sollte die Dosierung pha1-sauren Glykoproteins und verminderter Plasmaclearance von 0,75 µg/ml Sufentanil bevorzugt zur epiduralen Analgesie innerhalb weniger Stunden toxische Lokalanästhetikaspiegel in Kombination mit einem Lokalanästhetikum angewendet erreicht werden können. werden. Insgesamt ist das Risiko für das Auftreten einer klinisch Nebenwirkungen einer patientenkontrollierten EA – relevanten Atemdepression bei Anwendung von Sufentanil sehr gering [38]. Für Morphin sind Zusätze von 0,05 - 0,1 mg/ Inzidenz und Vorgehen ml beschrieben; allerdings ist die Titration schwieriger als bei Motorische Blockaden lipophileren Substanzen [39]. Geeignete Konzentrationen von Motorische Blockaden der unteren Extremität treten vor allem Fentanyl werden zwischen 4-5 µg/ml als ideal angesehen [39]. bei lumbaler EA auf. Zur Bestimmung ihrer Ausdehnung Die PCEA wird an unserer Klinik (Universitätsklinikum Müns- eignen sich graduelle Einstufungen wie z.B. der Bromage ter) bei allen erwachsenen Patienten unter 70 Jahren mit einem Score oder der Kraftgrad nach Janda (siehe Box 1). Letzterer Gemisch aus 0,75 µg/ml Sufentanil und Bupivacain 0,175 % ist u.a. deshalb besonders geeignet, da er auch an den oberen oder Ropivacain 0,2 % durchgeführt. Lösungen mit Bupivacain Extremitäten angewendet werden kann. Da für eine frühe und werden bei Oberbauch- oder Thoraxeingriffen verwendet. gute postoperative Mobilisierung eine motorische Blockade Bei Operationen an der unteren Extremität oder im unteren der unteren Extremitäten äußerst unerwünscht ist, sollte ver- Abdomen (Kolon, Prostata, gynäkologische Eingriffe) wird Ro- sucht werden, diese so gering wie möglich zu halten. Tritt sie pivacain gewählt. Aufgrund des erhöhten Risikos von Atemde- trotzdem auf, sollte als erstes die Basisrate reduziert werden. Ist pressionen wird bei Patienten über 70 Jahren und bei Kindern dies aufgrund einer sonst mangelhaften Analgesiequalität nicht mit einem Körpergewicht < 30 kg kein Sufentanil verwendet. möglich, muss zumindest die Ausdehnung der Blockade immer sehr genau dokumentiert werden und ggf. intermittierend (z.B. Bei Patienten mit einer bereits präoperativ bestehenden chro- täglich) eine Kontrolle ihrer Rückläufigkeit durch kurzzeitiges nischen Opioidtherapie wird diese perioperativ fortgesetzt. Stoppen der Basisinfusion durchgeführt werden. Bei rascher Ist eine PCEA geplant, so wird die PCEA bei diesen Patienten plötzlicher Zunahme der motorischen Blockade und ggf. mit einem alleinigen Lokalanästhetikum durchgeführt und die hinzukommenden neurologischen Symptomen muss sofort an bestehende Opioidmedikation unverändert fortgeführt. ein epidurales Hämatom oder eine spinale Kathetermigration gedacht und unverzüglich diagnostische sowie ggf. therapeuti- sche Massnahmen ergriffen werden. Update Postoperative Schmerztherapie · E. Pogatzki-Zahn 131
Refresher Course Nr. 39 Aktuelles Wissen für Anästhesisten April 2013 · Nürnberg Box 1: Kraftgrad nach Janda 5-Hydroxytryptamine Typ 3 (5-HT3) Anatagonisten • Odansetron (Zofran®) 4 mg bzw. 50 - 100 µg/kg. (andere 5 = normale Muskelkraft; 5HT3 Hemmer sind bisher nicht untersucht aber möglicher- 4 = Bewegung gegen mäßigen Widerstand möglich; weise ebenso wirksam z.B. Dolasetron/Anemet ® 12,5 mg 3 = Bewegungen gegen Eigenschwere möglich; i.v.) 2 = Bewegungseffekt unter Ausschaltung der Eigenschwere; 1 = Sichtbare Muskelkontraktion ohne Bewegungseffekt; Effekte anderer Substanzen wie Propofol, Clonidin oder 0 = keine Muskelaktivität NSAIDs auf opioidinduzierten Pruritus werden bisher noch kontrovers diskutiert und können für diese Indikation zurzeit Miktionsstörungen nicht empfohlen werden. In seltenen Fällen muss das Opioid aus der Infusionslösung entfernt werden. Miktionsstörungen treten bei epiduraler Analgesie relativ häu- fig auf und werden – je nach Punktionshöhe und verabreichter Übelkeit und Erbrechen: Substanzen – mit 10 bis 30% beschrieben. Dies ist deshalb Die Inzidenz von Übelkeit und Erbrechen im Verlauf einer nicht verwunderlich, da EA im lumbalen Bereich zu einer EA wird in der Literatur zwischen 20 - 30 % angegeben direkten Hemmung der Blasenentleerung durch Hemmung [41]. Häufigste Ursache sind Opioide (Morphin>>Fentanyl = des parasympathischen Plexus sacralis (S2 - 4) führen. Hinzu Sufentanil). Lipophile Opioide sind deshalb dem hydrophilen kann eine opioidbedingte Miktionshemmung kommen, die Morphin vorzuziehen [44]. Weitere Faktoren, die unter EA eine im Falle einer thorakalen EA die alleinige Ursache für die vermehrte Inzidenz an Übelkeit und Erbrechen hervorrufen, Miktionshemmung darstellt. Ein Beheben der Miktionsstörung sind bisher kaum untersucht. Offensichtlich klagen aber Frauen muss deshalb u.a. in Aabhängigkeit von der Lokalisation des im Rahmen einer PCEA im Vergleich zu Männern vermehrt Epiduralkatheters erwogen werden. über postoperative Übelkeit und Erbrechen [44]. Dies führt ggf. a. Bei lumbaler EA kann eine Reduktion der Basisinfusion dazu, dass Frauen weniger patientenkontrollierte Bolusgaben oder eine Reduktion der LA-Konzentration möglicherweise anfordern und dadurch (leicht) erhöhte Schmerzscores ange- helfen, die Miktlionsstörungen zu beheben. In einigen ben als Männer nach gleichen Operationen [44]. Fällen ist aber eine Einmalkatheterisierung oder eine dau- Symptomatische Therapie bei Übelkeit/ Erbrechen (Einzelga- erhafte Blasenkatheterisierung während der EA aufgrund ben oder in Kombination) [45, 46]: persistierender Miktionsstörungen notwendig. 1. Dopamin (D2) Antagonist b. Bei thorakaler EA ist eine LA-bedingte Miktionsstörung –– Droperidol (Droperidol®) 0,625 - 1,25 mg i.v. (10-12,5 relativ selten und durch eine Einmalkatheterisierung der µg/kg) Blase (Detrusorhypertonie) zu beheben. Falls anschließend weiterhin Miktionsstörungen bestehen, kann eine reine LA- 2. 5-HT3 Hemmer Lösung (ohne Opioid) verwendet werden. Zu bedenken ist, –– Dolasetron (Anemet®) 12,5 mg i.v. (350 µg/kg) dass auch eine systemische Opioidtherapie in ca. 20% der –– Odansetron (Zofran®) 4 mg i.v. (50 - 100 µg/kg) Fälle zu Miktionsstörungen führt [40]. 3. Steroid Pruritus –– Dexamethason 4 - 8 mg i.v. als Einzelgabe (100 µg/kg) Die Inzidenz von Pruritus im Rahmen einer PCEA mit LA und 4. Dimenhydrinat (Vomex A®) 0,5 - 1 mg/kg i.v. alle 12h oder Opioid beträgt 4 - 16% [41] und ist etwa um 1/3 höher als bei 1 - 2 mg/kg supp. alle 12 h (0,5 mg/kg) systemischer Opioidtherapie. Die Ursachen für den opioidin- Oft ist eine einmalige Gabe ausreichend. Bei Therapieresistenz duzierten Juckreiz sind nicht genau bekannt. Die Freisetzung der Beschwerden nach mehrmaliger Anwendung (auch Kom- von Prostaglandinen und Serotonin sowie die Aktivierung bination von 2 – 3 verschieden wirksamen Antiemetika) kann bestimmter Hirnareale könnten dabei eine wichtige Rolle Naloxon vorsichtig titriert werden bzw. das Opioid aus der spielen [42]. Offentsichtlich ist die Freisetzung von Histaminen epiduralen Infusionslösung entfernt werden. für den opioid-induzierten Pruritus nicht wichtig, da Antihis- taminika bei opioidinduziertem Juckreiz nicht wirksam sind Obstipation und Opioide ohne Freisetzung von Histamin ebenfalls Pruritus Epidurale LA wirken bei thorakaler EA protektiv auf die Darm- induzieren können. funktion (Verbesserung der postoperativen Darmerholung). Es ist nicht erwiesen, welchen Einfluss diesen Effekt hat. Tritt Mögliche Therapeutika [43] perioperativ unter EA eine Obstipation auf, sollte eine sympto- Opioid-Rezeptor-Antagonisten (Cave: mögliche Aufhebung der matische Gabe von Laxantien erwogen werden. Analgesie) • Naloxon (Narcanti®) bis 2 µg/kg/h i.v. Kardiovaskuläre Nebenwirkungen • Naltrexon 6 mg p.o. (9 mg führen bereits zur Aufhebung Die thorakale Gabe von LA führt zu einer Blockade der der Analgesie) sympathischen Nervenfasern in diesem Bereich, die sowohl • Droperidol 2,5 - 5 mg i.v. (niedrigere Dosierungen wurden die Gefäße als auch das Herz (N. accelereantes, Th1 - 4) in- bisher nicht untersucht) nervieren. Dies kann zu einer ausgeprägten Vasodilatation mit 132 Update Postoperative Schmerztherapie · E. Pogatzki-Zahn
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