Verdacht auf ossäre Metastase eines Mammakarzinoms - eine Kasuistik

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Verdacht auf ossäre Metastase eines Mammakarzinoms - eine Kasuistik
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Verdacht auf ossäre Metastase eines
Mammakarzinoms – eine Kasuistik
S. Dziomber1, O. Dirsch2, L. Schütz3, J. Thalwitzer1                                      aktivierte partielle Thromboplastinzeit
                                                                                          (aPTT). Ansonsten ergaben sich labor-
                                                                                          chemisch keine Auffälligkeiten.
Kasuistik                                                                                 Nach Pausierung der NOAK-Therapie
Eine 76-jährige Frau wurde im Institut                                                    erfolgte komplikationslos von dorsal
für Radiologie und Neuroradiologie der                                                    und mittelliniennah die CT-gestützte
Klinikum Chemnitz gGmbH zur compu-                                                        Stanzbiopsie der coccygealen Raumfor-
tertomografisch gestützten Punktion                                                       derung.
einer Raumforderung des Os coccygis
mit perifokaler Weichgewebsinfiltra-                                                  a   Die pathologisch-anatomische Begut-
tion vorgestellt. Anamnestisch wurde                                                      achtung ergab Zellen in strangförmiger
bei der Patientin vier Jahre zuvor ein                                                    Anordnung mit leicht vergrößerten, dis-
Mammakarzinom diagnostiziert, wel-                                                        kret polymorphen Kernen, leichtgradig
ches mit neoadjuvanter Chemothera-                                                        vergröbertem Chromatin und zum Teil
pie, brusterhaltender Operation und                                                       ausgeprägter mukoider Grundsubstanz.
adjuvanter Radiatio behandelt wurde.                                                      Die Tumorzellen wurden immunhisto-
Die Patientin befindet sich in regelmä-                                                   chemisch und mit Spezialfärbungen
ßiger gynäkoonkologischer Nachsorge                                                       aufgearbeitet (Abb. 2a – d). In der Alzi-
und hatte im Verlauf über Schmerzen                                                       anblau-PAS (periodic acid-Schiff reac­
im Kreuzbein und Steiß geklagt. In der                                                    tion)-­Färbung ließ sich im Bereich der
daraufhin extern durchgeführten Mag-                                                      Tumorzellen im Interstitium alzianblau-
netresonanztomografie (MRT) fand                                                          positives Material nachweisen. In den
sich eine 60 x 31 x 45 mm große Raum-                                                     Tumorzellen selbst reagierte das Zyto-
                                                       © Klinikum Chemnitz gGmbH

forderung im sacrococcygealen Über-                                                       plasma zum Teil leicht PAS-positiv. Im
gang mit paraossärer Ausbreitung. Das                                                     Zytoplasma fanden sich Vakuolen
kraniale Tumorende lag im Sakralwir-                                                      wechselnden Durchmessers und es fiel
belkörper (SWK) 3. Aufgrund der Tumor­                                                    eine teilweise Alzianblau-Positivität
anamnese wurde eine Metastase des                                                     b   des Zytoplasmas auf. In der EvG (Elas-
Mammakarzinoms suspiziert. Ergän- Abb. 1 a, b: CT des Beckens nativ: Osteolytischer       tika-van-Gieson)-Färbung kamen zum
zend erfolgte eine Computertomografie Tumor (mit Pfeil markiert) im Os coccygis mit       Teil leicht vergröberte kollagene Fasern
                                            Weichteilkomponente im Weichteil- (a) und
(CT) des Thorax und Abdomens. Hier im Knochenfenster (b)                                  in geringer Zahl zur Darstellung. Etwa
stellte sich die bekannte osteolytische                                                   50 Prozent der Tumorzellen zeigten
Raumforderung im Os coccygis mit                                                          eine zytoplasmatische Positivität für
Weichteilanteil dar (Abb. 1a, b). Für wei- gealen Übergang, der von einem zarten          Protein S 100. Bei der Untersuchung
tere Metastasen ergab sich kein Anhalt. osteoplastischen Randsaum umgeben                 auf den Proliferationsmarker MIB-1
                                            war. Auch in dieser Untersuchung fan-         wurde ein Index von etwa zehn Prozent
Die Skelettszintigrafie zeigte einen den sich keine weiteren metastasen-                  ermittelt. Die Tumorzellen zeigen eine
osteolytischen Prozess im sakrococcy- suspekten Läsionen. Da der Tumor von                deutliche zytoplasmatische Positivität
                                            dorsal an das Rektum angrenzte,               für den panepithelialen Antikörper
1
  Institut für Radiologie und Neuroradio­   wurde mittels Koloskopie eine Raum-           Lu-5. Für den GATA-3-Marker konnte in
  logie der Klinikum Chemnitz gGmbH         forderung im Rektum ausgeschlossen.           den Tumorzellen keine nukleäre Positi-
2
  Institut für Pathologie der Klinikum      Aufgrund einer Antikoagulatienthera-          vität nachgewiesen werden, lediglich
  Chemnitz gGmbH                            pie (NOAK) bei Vorhofflimmern bestan-         die eingestreuten lymphoiden Zellen
3
  Klinik für Orthopädie, Unfall- und Hand­- den ein reduzierter Thromboplastin-           zeigten eine nukleäre Positivität. Für
   chirurgie der Klinikum Chemnitz gGmbH zeitwert (TZW) und eine verlängerte              Zytokeratin (CK) 7 war in etwa 50 Pro-

Ärzteblatt Sachsen 2|2022                                                                                                             19
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                                                                                                                                                         © Klinikum Chemnitz gGmbH
                                                                              c                                                                    d

     Abb. 2 a – d: a) HE-Färbung; b) Lu-5-Färbung; c, d) S100-Färbung in verschiedenen Vergrößerungen

 zent der Zellen eine zytoplasmatische                    des Rektums vermieden werden. In der          Chordome
 Positivität nachweisbar. Die Zellen ex­­                 abschließenden pathologischen Aufar-          Das Chordom wird mit einer jährlichen
 primierten kräftig und konstant Zyto-                    beitung bestätigte sich der Be­­fund des      Inzidenz von 0,08 auf 100.000 Perso-
 keratine (CK 22), Brachyury und INI1                     Chordoms (R1-Resektion). Die initial          nen pro Jahr in der Klassifikation der
 (integrase interactor 1). Somit konnte                   vermutete Metastase des Mammakar-             Knochentumoren der WHO (World Health
 die Diagnose des konventionellen Chor-                   zinoms wurde folglich ausgeschlossen.         Organisation) zu den seltenen malignen
 doms (ICD: M 9370/3) gestellt und in                     Die Patientin konnte unter entspre-           Knochentumoren gezählt. Es entsteht
 einem Referenzlabor bestätigt werden.                    chender Schmerztherapie mobilisiert           aus Residuen der Chorda dorsalis. Diese
 Im interdisziplinären Sarkom-Board                       und mit reizlosen Wundverhältnissen           stellt die entscheidende Leitstruktur
 wurde die Entscheidung getroffen, dem                    sowie intakter Motorik, Durchblutung          für die Bildung des Neuralrohres in der
 operativen Eingriff zur Tumormassen-                     und Sensibilität der unteren Extremitä-       Embryonalentwicklung dar und wird im
 reduktion eine Radiatio voranzustellen,                  ten entlassen werden. Blasen- oder            Verlauf der Ontogenese durch chondro-
 um die chirurgische Therapie zu er­­                     Mastdarmstörungen bestanden zu kei-           zytenartige Zellen er­­setzt [1]. In den
 leichtern. Nach Bestrahlung mit 20 x                     nem Zeitpunkt. In ambulanten Kon­             letzten Jahren wird diskutiert, dass
 2,5 Gy (insgesamt 50 Gy) wurde das                       trolluntersuchungen stellten sich je­­        Chordome nicht primär aus noto­chor­
 Chordom aufgrund der Tumorlokalisa-                      weils reizlose Wundverhältnisse dar.          dalen Resten hervorgehen, sondern
 tion über einen dorsalen Zugang ent-                     Initial geäußerte ziehende Schmerzen          dass benigne noto­chor­dale Zelltumore
 sprechend der Rectotomia posterior                       im Gesäß waren bald rückläufig. Eine          („benign notochor­dal cell tumors“, BNCT)
 nach Mason, bei der die Schnittführung                   adjuvante Radiatio und Dosisaufsätti-         als Vorläuferläsionen zu betrachten
 nicht in der Medianlinie verläuft, son-                  gung auf 70 Gy lag primär nicht im Inte-      sind. Die Zellen der Chorda dorsalis
 dern paramedian unter Einschluss des                     resse der Patientin. In Kontrolluntersu-      enthalten typische zytoplasmatische
 Biopsiekanals, reseziert. Der Zugang                     chungen mittels MRT fünf Monate und           Vakuolen, die in BNCT und Chordomen
 erlaubt eine gute anatomische Über-                      zehn Monate postoperativ ergaben              erhalten bleiben. Die Expression des
 sicht über die Strukturen. Insbesondere                  sich keine Hinweise auf ein lokales           Transkriptionsfaktors Brachyury ist
 kann das Rektum ventral gut abge-                        Rezidiv des Chordoms. Im Verlauf sind         charakteristisch in der Chorda dorsalis,
 grenzt und eine mögliche Verletzung                      weitere Kontrolluntersuchungen ge­­plant.     in BNCT und in Chordomen [1, 6].

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Hauptlokalisationen von Chordomen              und insgesamt bester Prognose.           Tab. 1: Differentialdiagnosen des Chordoms
sind das Os sacrum, die Schädelbasis,          Das chondroide Chordom als                Differentialdiagnosen
vor allem die Clivusregion, und mobile         Subtyp, das Areale mit Charakteris-
                                                                                         BNCT (benign notochordal cell tumors)
Anteile der Wirbelsäule. Extraspinale          tiken eines konventionellen Chor-
                                                                                         Chondrosarkome
Chordome sind als Rarität zu betrach-          doms aufweist und eingestreut
ten [1]. Chordome können in jedem              chondroide Areale zeigt. Durch die        Riesenzelltumore
Lebensalter auftreten. In der Literatur        vorhandenen Brachyury-Expression          Schwannome
variieren die Angaben des mittleren            ist die Differenzierung von kartilagi-    Osteosarkome
Erkrankungsalters zwischen 40 bis              nären Tumoren möglich.                    Lymphome
69 Jahren [1, 6, 8, 9, 10]. Es wird eine 2. Dedifferenzierte Chordome, die aus           Multiples Myelom
Prädominanz für das männliche Ge­­             konventionellen Chordomkompo-
                                                                                         Metastasen anderer Tumorentitäten
schlecht von 1,5 : 1 beschrieben [1, 6, 8].    nenten bestehen, die abrupt in
Die Erkrankung tritt gewöhnlich spora-         undifferenziertes pleomorphes
disch auf, in sehr seltenen Fällen wer-        Tumorgewebe übergehen. Die               Besonderheiten
den familiäre Häufungen beobachtet.            Immunreaktivität für Brachyury,          sacrococcygealer Chordome
Aufgrund der Seltenheit der Erkran-            Keratine und S 100 kann verloren         Diese Kasuistik konzentriert sich nun
kung finden sich ausschließlich Studien        gehen. Diese Gruppe weist die            auf Besonderheiten sacrococcygealer
mit kleinen Patientenkollektiven. Zur          schlechteste Prognose auf.               Chordome. An dieser Lokalisation fin-
Vereinheitlichung von Diagnostik und 3. Niedrig differenzierte Chordome als             den sich bei Erwachsenen die meisten
Therapie wurde 2015 ein Konsensuspa-           seltene Subgruppe mit nukleären          Chordome in etwa 50 Prozent der Fälle
pier der European Society for Medical          Atypien der Tumorzellen, die Brachy­     [8, 11]. Aufgrund der Lokalisation wer-
Oncology (ESMO) und der Chordoma               ury deutlich exprimieren. Die            den die Tumore häufig erst spät durch
Foundation veröffentlicht [9].                 INI1-Expres­sion hingegen geht           Schmerzen oder Miktions- und Defäk-
                                               verloren. [6, 9]                         tionsstörungen symptomatisch [2].
Pathophysiologie und Einteilung                                                         Etwa 20 Prozent der Patienten weisen
Chordome gehen vom Knochen aus Differentialdiagnosen                                    bei Diagnosestellung bereits Metasta-
und weisen eine umgebende Weichteil- Als Differentialdiagnosen kommen                   sen auf [1]. Diagnostik und Therapie
komponente auf. Sie zählen biologisch BNCT in Betracht, die auf den Wirbel-             sollten in einem Zentrum (Sarkomzen-
zu den Low-Grade-Tumoren und wach- körper beschränkt bleiben, die Kortika-              trum) erfolgen. Regelmäßige Bespre-
sen langsam osteodestruktiv. Post­ lis respektieren, im MRT kein Kontrast-              chungen des therapeutischen Vorge-
therapeutisch treten häufig Rezidive mittel aufnehmen und lediglich radiolo-            hens innerhalb der beteiligten Fachdis-
auf, insbesondere nach inkompletten gische Verlaufskontrollen erfordern [1,             ziplinen sollten bei dieser seltenen
Re­sektionen. Metastasen können in 8]. Chondrosarkome können eventuell                  Krankheitsentität als Standard ange-
Lunge, Knochen, Leber, lokalen Lymph- durch einen höheren ADC (apparent                 sehen werden.
knoten und im umgebenden Muskel- diffusion coefficient) im MRT abge-
und Subkutangewebe sowie Abtropf- grenzt werden und sind anatomisch                     Diagnostische Befunde
metastasen im Spinalkanal auftreten. seltener mittelliniennah lokalisiert als           Projektionsradiografisch sind eventuell
Im metastasierten Stadium ist die Pro- Chordome. Auch Riesenzelltumore                  eine Osteolyse mit welliger Randskle-
gnose schlecht. Die Tumore sind lobu- stellen sich eher entfernt von der Mit-           rose und eine angrenzende Weichteil-
liert, grau bis bläulich-weiß gefärbt, tellinie mit Kontakt zu den Iliosakralge-        verdichtung nachweisbar [2].
von gelatinöser Struktur und zeigen oft lenken dar und sind gewöhnlich kranial          Im Rahmen der Initialdiagnostik sollten
eine Pseudokapsel.                          im Os sacrum lokalisiert. Sakrale           sowohl eine CT als auch eine MRT
                                            Schwannome führen zu Druckerosio-
                                            ­                                           durchgeführt werden. Die CT zeigt das
Chordome lassen sich in drei histopa- nen am Knochen, destruieren diesen                Ausmaß der Knochendestruktion und
thologische Subtypen einteilen:             aber nicht. Außerdem kommen diffe-          intratumorale Ossifikationen exakt auf.
1. Konventionelles (klassisches)            rentialdiagnostisch      Osteosarkome,      Bei den intratumoralen Kalzifikationen
   Chordom als häufigster Subtyp mit        Lymphome, das Multiple Myelom und           handelt es sich um Fragmente des ori-
   charakteristischen intrazytoplas-        Metastasen anderer Tumorentitäten in        ginären Knochens und nicht um eine
   matischen, blasigen Vakuolen,            Frage. Dabei stellen sich häufig multi-     Matrixmineralisation [10]. Die Untersu-
   regelhafter Brachyuryexpression          ple Knochenläsionen dar [9].                chung sollte mit einer Schichtdicke von

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 1 mm im Knochenfenster erfolgen. Eine          Chordome infiltrieren das Rektum sehr        heitsabstand um den Tumor von 1 mm
 intravenöse Kontrastierung erlaubt             selten, bei entsprechendem Verdacht          oder mehr definiert ist. Besteht makro-
 eine bessere Beurteilung der Weichteil-        sind präoperativ eine Prokto-Rekto­          skopisch Tumorfreiheit, beträgt der
 komponente des Tumors.                         skopie und eine Endosonografie ange-         Sicherheitsabstand aber weniger als
 Im Rahmen der initialen MRT sollten            zeigt. Eine transrektale Stanzbiopsie        1 mm, handelt es sich um eine R1-Situ-
 native T1-gewichtete Spinechosequen-           des Tumors ist jedoch zu vermeiden, da       ation. Eine R2-Situation liegt bei mak-
 zen oder kurze T1-inversion-recovery-          aufgrund der Gefahr der Tumorzellver-        roskopisch belassenen Tumorresten
 Sequenzen, T2-gewichtete Fastspin­echo­        schleppung eine en-bloc-Resektion des        vor. Aufgrund der häufig ausgedehnten
 sequenzen mit Fettsättigung und nach           entsprechenden Rektumsegmentes mit           Tumorgröße und der Nachbarschaft der
 intravenöser Gadoliniumgabe T1-­    ge­        dem Sakrum erforderlich wäre [7].            sakralen Nervenwurzeln kann eine
 wichtete Spinechosequenzen mit Fett-                                                        R0-Resektion nur in etwa 50 Prozent
 sättigung akquiriert werden. Die               Therapie                                     der Fälle erreicht werden [2, 4, 9].
 Schichtdicke der Sequenzen sollte 1 bis        Je nach Höhe des Tumors im Os sacrum
 2 mm betragen und alle Raumebenen              wird bei der Operation ein anteriorer        Im Falle einer R1-Resektion ist eine
 sollten in der Untersuchung berück-            oder posteriorer Zugang gewählt. Bei         adjuvante Radiotherapie indiziert. Da
 sichtigt werden [9]. In den T2-gewich-         Chordomen, die in SWK 2 lokalisiert          Chordome generell wenig strahlensen-
 teten Sequenzen stellt sich das Chor-          sind, erfolgt nach initialem anterior-       sibel sind, werden vor allem bei der
 dom mit hoher Signalintensität und             retroperitonealem Zugang intraopera-         alleinigen Radiotherapie Dosen bis
 intratumoralen Septierungen dar. In der        tiv eine Umlagerung und die Komplet-         mehr als 70 Gy (Gray) empfohlen. Es
 nativen T1-Wichtung ist das Signalver-         tierung der Operation über einen pos-        gibt Hinweise, dass eine Bestrahlung
 halten des Chordoms meist isointens            terioren Zugang. Beschrieben wurden          mit Protonen und Carbonionen der
 zur angrenzenden Muskulatur. Nach              auch kombinierte anterior-posteriore         Photonenbestrahlung physikalisch über­
 Gadoliniumgabe kommt es gewöhnlich             Zugänge in Seitlagerung des Patien-          legen ist [6, 9].
 zu einem moderaten, gering heteroge-           ten [7].
 nen Enhancement [6].                           Für Chordome, die kaudal von SWK 4           Nachsorge und Prognose
                                                lokalisiert sind, sollte die Resektion die   In den ersten vier bis fünf Jahren nach
     Die Rolle der [18F]-Fluordesoxyglucose-­   Therapie der Wahl sein. Auch für Chor-       Diagnosestellung wird in der Nachsor­ge
     PET (Positronenemissionstomografie)        dome, die in Höhe SWK 3 lokalisiert          alle sechs Monate eine MRT im Bereich
     für das Tumorstaging der Chordome ist      sind, wird die Resektion als Standard-       des Primärtumors durchgeführt. Auf-
     noch nicht abschließend geklärt.           therapie angegeben, jedoch sind hier         grund des langsamen Tumorwachs-
                                                bereits Defizite der Blasen- und Mast-       tums werden Nachsorgeuntersuchun-
     Die histologische Sicherung des Chor-      darmkontinenz durch mögliche Schädi-         gen über mindestens 15 Jahre empfoh-
     doms sollte durch eine CT-gestützte        gung der S2-Nervenwurzeln zu erwar-          len. Ab dem sechsten Jahr nach Dia­
     Stanzbiopsie erfolgen, wobei zu beach-     ten. Bei Lokalisation der Tumore ober-       gnosestellung sollten jährlich MRT-Unter­
     ten ist, dass der Biopsiekanal im späte-   halb SWK 3 besteht durch die Opera-          suchungen durchgeführt werden [3, 9].
     ren Operationsgebiet liegt und kein        tion ein hohes Risiko für neurologische      Chordome rezidivieren häufig lokal.
     weiteres Kompartiment kontaminiert         Defizite. Zudem sinkt die Wahrschein-        Aller­
                                                                                                  dings existieren für diesen Fall
     wird [9].                                  lichkeit, eine R0-Resektion zu errei-        keine evidenzbasierten Empfehlungen.
                                                chen. Chordome, deren Ursprung in            Chirurgische Eingriffe, Radiofrequenz-
 Bei ausgedehnten Chordomen besteht             SWK 1 liegt, sollten aufgrund der zu         ablation (RFA), stereotaktische Be­­
 die Möglichkeit, präoperativ interven­         erwartenden Morbidität durch eine            strahlung oder Brachytherapie können
 tionsradiografisch eine Embolisation           Operation mit definitiver Radiotherapie      als Salvage-Therapien zum Einsatz
 der tumorversorgenden Gefäße vorzu-            behandelt werden. Risiko und Nutzen          kommen. Das Outcome ist meist
 nehmen.                                        der jeweiligen Therapieoptionen sind         schlecht und im Verlauf werden früh-
 Gegebenenfalls kann präoperativ eine           mit den Patienten gemeinsam abzu-            zeitig Metastasen nachgewiesen [6, 9].
 Darstellung der Ureteren erforderlich          wägen, wobei Patientenalter und kör-         Zytotoxische Chemotherapien haben
 sein. Bei extremer Verlagerung oder            perlicher Zustand in die Betrachtungen       sich in der Behandlung von Chordomen
 Verdacht auf Tumorinfiltration sollte          einbezogen werden müssen.                    als ineffektiv erwiesen. In kleineren
 präoperativ eine Ureterschienung er­­          Ziel der Operation ist eine R0-Resek-        Studien wurden bisher zum Teil an Tier-
 folgen.                                        tion, die als mikroskopischer Sicher-        modellen zum Beispiel Tyrosinkinase­

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inhibitoren (Imatinib-Mesylat), Multiki-     Lokale Tumorfreiheit besteht nach zehn
                                                                                               Aufruf zur Publikation
naseinhibitoren (Sunitinib) oder EGFR-       Jahren bei 51 Prozent der Patienten. Es
                                                                                               von Beiträgen
(„epidermal growth factor receptor“)         handelt sich jedoch nur um kleine lang-
Inhibitoren untersucht. Auch Studien         zeitbeobachtete Fallgruppen [4].                 Das Redaktionskollegium „Ärzteblatt
zur Entwicklung von beispielsweise                                                             Sachsen“ bittet die sächsischen
gegen Brachyury gerichteten Immun-                                                             Ärztinnen und Ärzte, praxisbezogene,
therapien haben noch keinen Durch-                                                             klinisch relevante, medizinisch­-
                                                           Literatur unter www.slaek.de ➝
bruch erzielt. Derzeit werden mehrere                              Presse/ÖA ➝ Ärzteblatt
                                                                                               wissen­schaft­liche Beiträge und
Phase-I- und Phase-II-Studien hin-                                                             Übersichten mit diagnostischen und
sichtlich zielgerichteter Therapien („tar-                       Interessenkonflikte: keine    therapeutischen Empfehlungen,
geted therapies“) durchgeführt. Aktuell                                                        berufspolitische, gesundheitspoliti-
                                                                  Korrespondierende Autorin
sind keine Medikamente zur Therapie                               Dr. med. Susann Dziomber     sche und medizin­geschichtliche
von Chordomen zugelassen [6, 10].                Institut für Radiologie und Neuroradiologie   Artikel zur Veröffent­lichung im
                                                              der Klinikum Chemnitz gGmbH      „Ärzteblatt Sachsen“ einzureichen
Das Gesamtüberleben nach zehn Jah-                       Flemmingstraße 2, 09116 Chemnitz
ren wird mit 86,6 Prozent angegeben.                             E-Mail: s.dziomber@skc.de     (E­-Mail: redaktion@slaek.de).
                                                                                               Im Internet unter www.slaek.de sind
                                                                                               die Autorenhinweise nachzulesen.

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