Therapie und Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus in Praxis und Klinik in Zeiten der COVID-19-Pandemie
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Therapie und Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus in Praxis und Klinik in Zeiten der COVID-19-Pandemie Bernd-Michael Scholz, Diabetologische Schwerpunktpraxis Hamburg-Harburg Prof. Dr.med. Martin Pfohl, Chefarzt der Medizinischen Klinik I, Allgemeine Innere Medizin, Diabetologie und Endokrinologie Evangelisches KH BETHESDA zu Duisburg GmbH
Disclosures Bernd-Michael Scholz Hiermit lege ich offen, dass ich von folgenden Firmen finanzielle Unterstützung erhalten habe, die sich auf Vorträge, die Teilnahme an Advisory Boards, allgemeine Beratung und ungebundene Forschungsunterstützung beziehen: - Astra Zeneca - Bayer - Berlin-Chemie Menarini - Bristol-Myers Squibb Vorträge für Non-Profit Organisationen: - esanum academie - Fortbildungskolleg Hebammen Verband Hamburg e.V. - Lilly Kassenärztliche Vereinigung - Medical Tribune Niedersachsen - MSD Praxisnetz Süderelbe - Novartis Verein der Diabetologen Mecklenburg- - Novo Nordisk Vorpommern e.V. - Roche Diabetes Care u.a. - Sanofi
Disclosures Prof. Dr.med. Martin Pfohl Advisory Boards und Vortragshonorare: Eli Lilly, Novartis, Novo Nordisk, Sanofi
Influenza 2017/2018 ca. 25.100 Todesopfer in Deutschland Rund 25.000 Todesfälle durch Influenza Stärkste Grippewelle der vergangenen 30 Jahre in der Saison 2017/2018 Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts forderte die Influenzawelle 2017/ 2018 in Deutschland rund 25.100 Tote. Der Wert liegt weit über dem Durchschnitt. Eine Patientin lässt sich in einer Poliklinik in Erfurt gegen Grippe impfen. FOTO: DPA/ MARTIN SCHUTT Die starke Grippewelle in der Saison 2017/2018 hat in Deutschland die höchste Zahl an Todesfällen der vergangenen 30 Jahre gefordert. Durch die Influenza starben damals schätzungsweise 25.100 Menschen, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Montag in Berlin mitteilte. So eine hohe Zahl an Todesfällen ist demnach "sehr selten", in anderen Jahren gab es nur einige hundert Fälle. Das RKI mahnte, sich durch eine Impfung zu schützen. "Es gibt keine andere Impfung in Deutschland, mit der sich mehr Leben retten lässt", erklärte RKI-Präsident Lothar Wieler. Der Herbst gilt als beste Zeit für die Grippeschutzimpfung. Empfohlen wird sie vor allem für ältere Menschen, chronische Kranke, medizinisches Personal und Pflegekräfte sowie Schwangere. Der Tagesspiegel 30. September 2019; 228; 7
Diabetes mellitus und Infektionen 7-Jahres Kohortenstudie mit 102493 Diabetikern, (5863 DMT1), Kontrollgruppe 203518 Nichtdiabetiker bezüglich Risikofaktoren für Infektionen, komplizierte Verläufe und Hospitalisierung: – 50% mehr Infektionen, DMT1 100% mehr Infektionen, Infektionsbedingte Hospitalisation IRR 1,88 DMT2 3,71 DMT1 Infektionsbedingte Todesfälle DMT2 vs. DMT1 IRR 2,19 – 6% aller infektionsbedingten Hospitalisierungen und 12% aller infektionsbedingten Todesfälle sind einem Diabetes mellitus zuzuschreiben – Risikofaktoren für Infektionen, komplizierte Verläufe und Hospitalisierung: - höheres Alter (> 70 Jahre) - morbide Adipositas (BMI > 40 kg/m2) - längere Diabetesdauer - schwere Begleiterkrankungen - niedriges soziale Umfeld Carey IM et al. Diabetes Care 2018; 41: 513-521
Typ-2-Diabetes mellitus und Krankenhausaufnahme bei …. Patienten mit Diabetes mellitus haben ein 3x erhöhtes Sterberisiko bei einer Influenza-Infektion! Vamos EP et al. CMAJ 2016; 188: E342-E351
Überleben bei intensivpflichtigen Patienten mit COVID-19 Yang X. et al. Lancet Respir Med. 2020 Feb 24. pii: S2213-2600(20)30079-5. doi: 10.1016/S2213-2600(20)30079-530079-5
Kein erhöhtes Infektionsrisiko für COVID-19 bei Diabetes mellitus Li B et al. Clin Res Cardiol. 2020; 109: 531-538
Altersverteilung der intensivpflichtigen Patienten bei COVID-19 Huang C et al. Lancet 2020; 395: 497–506
Charakteristik der COVID-19 Patienten - 5700 hospitalisierte Patienten im Bereich von New York. - Komorbiditäten waren Hypertonus (56,6%), Adipositas (41,7%) und Diabetes (33,8%), - Bei den entlassenen oder verstorbenen Patienten (n=2634): - 14.2% Behandlung auf einer ICU - 12.2% benötigten eine invasive Beatmung, Mortalität hier 88,1% - 3.2% benötigten eine Nierenersatztherapie Richardson S et al. JAMA. 2020 Apr 22. doi: 10.1001/jama.2020.6775
Anteil von Patienten mit Diabetes der Intensivpflichtigen bei COVID-19 Huang C et al. Lancet 2020; 395: 497–506
ICU-Outcome bei Intensivpflichtigen mit Diabetes und COVID-19 Yang X. et al. Lancet Respir Med. 2020 Feb 24. pii: S2213-2600(20)30079-5. doi: 10.1016/S2213-2600(20)30079-530079-5
ICU-Outcome bei Intensivpflichtigen mit Diabetes und COVID-19 Yang X. et al. Lancet Respir Med. 2020 Feb 24. pii: S2213-2600(20)30079-5. doi: 10.1016/S2213-2600(20)30079-530079-5
Wer stirbt an COVID-19 Xie J. et al JAMA Netw Open. 2020; 3: e205619. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2020.5619
Wer stirbt mit Diabetes an COVID-19 ? Bode, B., al.; Glycemic Characteristics and Clinical Outcomes of COVID-19 Patients Hospitalized in the United States; published online April 17 in the Journal of Diabetes Science and Technology.
Grundsätzliches im Umgang mit Patienten bei Diabetes mellitus und COVID-19 - Bei ambulante Patienten mit Diabetes mellitus soll die COVID-19 Diagnostik niederschwellig genutzt werden. - Patienten mit COVID-19 und Diabetes mellitus sollen großzügig einer stationären Behandlung zugeführt werden. - Menschen mit Diabetes mellitus sollen ambulant vermehrt die “elektronische Telekommunikation” zur Behandlung ihres Stoffwechsel nutzen. Wang, A., et al., Diabetes Research and Clinical Practice, March 2020; DOI Org/10.1016/j.diabres.2020.108118 Wu, Z. and McGoogan, J. M., Journal of the American Medical Association, February 24, 2020; DOI Org/10.1001/jama.2020.2648
Maßnahmen zur Reduktion des Ansteckungsrisikos - nach Möglichkeit Abstand wahren - Schutzkittel tragen - Mundschutz tragen (FFP2 oder FFP3 zum Eigenschutz!) - Benutzte Maske persönlich kennzeichnen und ggf. bei Bedarf nach Empfehlung aufbereiten - Schutzbrille tragen - Einmalhandschuhe tragen - Schmuck entfernen - Mobiltelefon und Tastatur vor der Benutzung desinfizieren - Mobiltelefon in Schutzhülle (Einmalbeutel) aufbewahren - Türen soweit möglich offen lassen und Türklinken regelmäßig desinfizieren - Mitarbeiter mit Symptomen eines respiratorischen Infektes: Abstrich und nach Hause schicken - Soweit möglich zwei voneinander unabhängige Teams bilden und versetzt arbeiten
Empfohlenes Vorgehen bei Diabetes mellitus ohne COVID-19 Infektion Spezifisches Vorgehen bei Patienten mit Diabetes Mellitus, um COVID-19 vorzubeugen: – Erhöhte Anzahl von Blutzucker-Selbstmessungen für verbesserte glykämische Kontrolle – Spezielle Sorge bei koexistierenden kardio-renalen Erkrankungen – Augenmerk auf Nahrungs- und adäquate Proteinaufnahme, Vermeidung von Mineral- und Vitamindefiziten – Bewegung, aber an publikumsarmen Orten – Impfungen gegen Influenza (die Grippesaison in Deutschland ist vorbei!) oder Pneumonie erscheinen sinnvoll Gupta R et al. Diab Metabol Syndr Clin Res Rev 2020; 14: 211-2
Empfohlenes Vorgehen bei Diabetes mellitus mit COVID-19 Infektion • Bei Fieber, Husten, laufender Nase oder Atemnot (Kurzatmigkeit) auf SARS-CoV-2-Infektion testen • Isolation der infizierten Person für 14 Tage oder bis die Symptome abgeklungen sind • Personen mit mildem Verlauf können in häuslicher Umgebung verbleiben – viel trinken (u.U. symptomatische Behandlung mit Acetaminophen) und Inhalation kann helfen • Bei T1DM mit Fieber sind der Blutzucker und die Urin-Ketone häufiger zu messen, insbesondere bei verbleibender Hyperglykämie, häufigere Dosisanpassungen oder Korrekturboli können nötig sein • Vermeidung von antihyperglykämischer Medikation mit Volumenreduktion und Hypoglykämien • Dosisanpassungen von oralen Antidiabetika • Bei hospitalisierten Patienten insbesondere in schweren Fällen sollte die Gabe von Metformin und SGLT-2-Inhibitoren gestoppt werden • Insulin ist das bevorzugte Medikament zur Behandlung der Hyperglykämie Gupta R et al. Diab Metabol Syndr Clin Res Rev 2020; 14: 211-2
Patienten mit Diabetes sollen auf eine Krankenhausaufnahme vorbereitet sein - Krankenvorgeschichte (Typ 1 oder Typ 2, besonders bei multimorbiden Patienten) - Diabetespass - Medikamentenplan (Medikament, Dosierung und Art der Einnahme) - Allergiepass - Insulin und Medikamente die regelmäßig eingenommen werden - Pens und Einmalspritzen - Blutzuckermessgerät und Lanzetten - CGM und Sensoren - Blutzuckertagebuch - Ketonteststreifen - “Hyposet“ (Traubenzucker o.ä.) - Ggf. Glukagon (Injektionsset oder Nasenspray) - Keine Medikamente horten, aber ausreichenden Vorrat für 2 Wochen vorhalten nach - Renukuntla, V.S., et al.; Disaster Preparedness in Pediatric Type 1; Pediatrics November 2009, 124 (5) e973-e977; DOI: https://doi.org/10.1542/peds.2008-3648 - https://www.diabetesdisasterresponse.org/covid19update - American Diabetes Association Statement on Emergency and Disaster Preparedness, Diabetes Care, Volume 30, Number 9, September 2007
COVID-19 - International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes Summary - Am 24 März 2020 berichten Pädiater und Endokrinologen aus China und Italien das es bisher keine Notwendigkeit für die Hospitalisierung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes und COVID-19 gab. - Es wird über eine sehr hohe Belastung des Gesundheitssystems berichtet. - ISPAD betont die Wichtigkeit der kontinuierlichen Betreuung für Menschen mit Diabetes, um die Notwendigkeit für Krankenhauseinweisungen und Notfallbehandlungen zu reduzieren und damit diese im Bedarfsfall zu gewährleisten. nach https://www.ispad.org/page/CoronavirusinfectionCOVID-19-IIISPADSummary, 14.04.2020
„Sehr“ praktische Empfehlungen: Diabetes UK
Praktische Empfehlungen der DDG zum Diabetes-Management bei Patientinnen und Patienten mit einer COVID-19-Erkrankung Patienten mit Diabetes mellitus und blandem Verlauf von COVID-19, die nicht stationär therapiert werden müssen, sollten im telefonischen Kontakt mit der diabetologischen Schwerpunktpraxis bzw. ambulanten spezialisierten Versorgungseinrichtung stehen, insbesondere bei Insulintherapie oder mit potentiell problematischer OAD Therapie. Frauen mit einem Gestationsdiabetes, Menschen mit Typ 1-Diabetes und Patienten mit Komorbiditäten und Covid-19-Erkrankung sollten telefonisch oder telemedizinisch (z.B. per Videosprechstunde) engmaschig kontrolliert und begleitet werden. Patienten mit vorbestehendem Diabetes mellitus sollten als Primärpräventions- maßnahme für jegliche Infektion einschließlich SARS-CoV-2 ihre metabolische Kontrolle optimieren. Infizierte Patienten ohne vorbekannten Diabetes mellitus sollten durch Glukose- monitoring oder HbA1c-Bestimmung bezüglich einer Neumanifestation getestet werden. Bei Diabetes und schweren Verläufen von COVID-19 insbesondere solchen mit Krankenhausaufenthalt wird initial und passager vielfach Insulin zum Einsatz kommen, da hier am wenigsten Komplikationen (z.B. Laktatazidose, Ketoazidose) und Medikamente- ninteraktionen (u.a. auch mit experimenteller antiviraler Therapie wie Hydroxychloroquin, Lopinavir/Ritonavir, Remdesivir etc.) zu erwarten sind. Andere antidiabetische Therapie- Optionen sollten kritisch hinsichtlich sog. „Sick Day Rules“ überprüft und angepasst werden. Dies gilt insbesondere für SGLT2-Inhibitoren zur Vermeidung einer atypischen Ketoazidose und für Metformin hinsichtlich einer Laktatazidose. Sulfonylharnstoffe sollten wegen der Gefahr von Hypoglykämien bei Kumulation aufgrund einer (transienten) Niereninsuffizienz ebenfalls pausiert werden. https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Stellungnahmen/2020/20200403_Positionspapier_COVID19_final_1.pdf, letzter Zugriff 09.04.2020
Praktische Empfehlungen der DDG zum Einsatz von Antidiabetika bei Patienten/-innen mit einer COVID-19-Erkrankung (1) Praktische Empfehlungen zum Umgang mit SGLT2-Inhibitoren bei akuten Infektionskrankheiten: Pausieren bei - Fieber >38,5°C. - eingeschränkter Nahrungs- oder Flüssigkeitsaufnahme und/oder Insulinmangel (dabei Überprüfung des Säure-/Basenhaushaltes, der Ketone im Serum und der Nierenfunktion) Wiederaufnahme der Therapie erst - bei Fieberfreiheit, - ausreichender Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme - eGFR >60 ml/min/1,73kg/m2 - ausgeglichenem Säure/Basenhaushalt und nicht erhöhter Ketone im Serum. Bei einer vorbestehenden Dapagliflozin Therapie bei Typ 1 Diabetes mellitus soll diese generell bei akuten Infektionskrankheiten - einschließlich COVID-19 - pausiert werden. Ein Wiederansetzen sollte erst nach vollständiger Genesung und nach vorheriger Evaluation durch einen Diabetologen erfolgen. https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Stellungnahmen/2020/20200403_Positionspapier_COVID19_final_1.pdf, letzter Zugriff 09.04.2020
Praktische Empfehlungen der DDG zum Einsatz von Antidiabetika bei Patienten/-innen mit einer COVID-19-Erkrankung (2) Praktische Empfehlungen zum Umgang mit Metformin bei akuten Infektionskrankheiten: - Pausieren bei Fieber >38,5°C, - engmaschige Überprüfung der Nierenfunktion. Falls eGFR 30-60 ml/min/1,73kg/m2 reduzierte Dosis von max. 1000 mg/Tag möglich, bei eGFR 30 ml/min/1,73kg/m2 und Ausschluss einer Hypoxämie. DPP4-Inhibitoren müssen während der COVID-19 Erkrankung nicht pausiert werden, wenn die orale Medikamenteneinnahme möglich ist und eine ausreichende antihyperglykämische Wirkung zu erwarten ist. Der Einsatz kann gemäß Fachinformation fortgeführt werden. Pioglitazon sollte während der COVID-19 Erkrankung pausiert werden, da im Rahmen der Infektion mit SARSCoV- 2 sowohl eine Niereninsuffizienz, als auch eine Herzinsuffizienz mit der Gefahr einer vermehrten Flüssigkeitsretention und –einlagerung besteht. https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Stellungnahmen/2020/20200403_Positionspapier_COVID19_final_1.pdf, letzter Zugriff 09.04.2020
Praktische Empfehlungen der DDG zum Einsatz von Antidiabetika bei Patienten/-innen mit einer COVID-19-Erkrankung (3) GLP-1-Rezeptoragonisten können formal gemäß Fachinformation und unter Berücksichtigung der Nierenfunktion weiter eingesetzt werden. Bei schweren Verläufen der COVID-19 Erkrankung ist eine Pausierung zu Gunsten einer Insulintherapie zu diskutieren. Bei schweren Verlaufsformen der COVID-19 Erkrankung sollte bei Notwendigkeit einer intensiv-medizinischen Therapie die Indikation zur i.v. Insulintherapie großzügig gestellt werden, da hierdurch meist eine optimale Steuerbarkeit der Glykämiekontrolle gewährleistet ist und Resorptions-störungen aus dem subkutanen Gewebe umgangen werden können. Antihypertensive Therapie: Zielblutdruck
Wie erleben wir COVID-19 in der Klinik?
Die Zeit der Vorbereitung… - ab Anfang Januar: Berichte aus China, Bilder, Diskussionen - 22. Januar: „sehr geringes Gesundheitsrisiko (Bundesregierung) - 26. Januar: RKI definiert Wuhan / Hubei als Risikogebiet - Ende Januar: RKI empfiehlt Grippeschutzimpfung - 13. Februar: RKI betont Notwendigkeit, die Ausbreitung zu verlangsamen.. - 15. Februar: Kappensitzung in Gangelt, Kreis Heinsberg - 28. Februar: RKI: Gefahr in Deutschland gering bis mäßig - 02. März: RKI: Gefahr in Deutschland mäßig
Die ersten Fälle in Deutschland… - 28. Januar: erster Patient in D („Webasto“), am 19.01. infiziert + 13 weitere Mitarbeiter / Angehörige infiziert - 30. Januar: eine Urlauberin aus Kühtai/Tirol wird positiv getestet - 15. Februar: Kappensitzung in Gangelt, erste Erkrankung am 24./25. Februar - 25./26. Februar: erste Fälle in Göppingen und Tübingen - in den folgenden Tagen multiple Fälle bei Italien-Rückkehrern - 29. Februar: 60 Fälle in Heinsberg, erster Fall in Duisburg
Wie reagiert man in der Klinik? - Unruhe beim Personal, Krankmeldungen - Information! - aufkommende Probleme und Unsicherheiten benennen - Offenheit! - Arbeitsgruppe einrichten - klare Planung erstellen und kommunizieren!
Risikoeinschätzung des RKI Stand 28.02.2020 - Bisher nur wenige bestätigte Fälle (Cluster in Bayern, China- und Italien- Rückkehrer, Kontaktpersonen Heinsberg) - Bis auf den vorerkrankten Mann aus Heinsberg sehr milde Krankheitsverläufe, z.T. bereits entlassen - Aktuell geringe bis mäßige Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung - Aber: dynamisch sich entwickelnde und ernstzunehmende Situation: - weltweite Ausbreitung - bei einem kleinen Teil der Betroffenen schwere Krankheitsverläufe - weitere Importe und Infektionen in Deutschland wahrscheinlich RKI
Welche ad-hoc-Maßnahmen haben wir getroffen (Stand 02.03.20)? - Vorabklärung von Patientenanfragen möglichst per Telefon - COVID-19-Verdachtsfälle werden vom Routinebetrieb ferngehalten - Ambulant diagnostizierbare Fälle in enger Kooperation mit KV-Praxis - Exposition von möglichst wenigen Mitarbeitern - Stationäre Fälle zunächst in benachbarte Uniklinik mit Isolierstation (hat nicht funktioniert, nur bei ECMO) - Nutzung einer kompletten Station als Isolierstation (Flur als Schleuse) - instabile Patienten auf Intensivstation im Isolierzimmer, später reine Infektions-Intensiv • Im weiteren Verlauf regelmäßige Krisenteam-Sitzungen des Klinikverbundes und vor Ort • nur noch Kernteam-Besprechungen • nahezu tägliche Anpassungen unter Berücksichtigung der RKI-Empfehlungen und eigener Erfahrungen • Drastische Reduktion des Elektivgeschäfts, Verdoppelung der Intensivkapazitäten
Begründeter Verdachtsfall vs. DD-Abklärung 1. Unspezifische Allgemeinsymptome oder akute 3. Akute respiratorische Symptome jeder respiratorische Symptome jeder Schwere Schwere mit oder ohne Fieber + Kontakt zu bestätigtem COVID-19-Fall bis + Aufenthalt in Regionen mit COVID-19- max. 14Tage vor Erkrankungsbeginn Fällen oder Kontakt zu unbestätigtem Fall 2. Akute respiratorische Symptome jeder Schwere bis max. 14 Tage vor Erkrankungsbeginn mit oder ohne Fieber (www.rki.de/regionen-mit-covid-19-faellen) + Aufenthalt in Risikogebieten bis max.14 Tage 4. Klinische oder radiologische Hinweise auf vor Erkrankungsbeginn eine virale Pneumonie ohne Alternativdiagnose www.rki.de/covid-19-risikogebiete + ohne erfassbares Expositionsrisiko Vorgehen bei begründetem Verdachtsfall: Fall unter DD Abklärung: Pat. in separaten Raum mit Mund-Nasenschutz Patient mit Mund-Nasenschutz Personal mit Einmalschutzkleidung, Schutzbrille, FFP2- Personal mit Einmalschutzkleidung, Mund- Maske Nasen-Schutz, ggf. Schutzbrille Meldung ans Gesundheitsamt Keine Meldung ans Gesundheitsamt
Mitte März in der Klinik… - auf 2 unabhängigen Stationen fallen 2 ältere Patienten mit perakuter AZ-Reduktion auf: Tachyarrhythmie, Tachypnoe, nur mäßige Dyspnoe - RKI-Kriterien: negativ!!!
Fälle in den folgenden Wochen… - mehrere Fälle mit relativ mildem Atemwegsinfekt, z. T. mit typischen Infiltraten, positiv getestet - Patienten mit führenden kardialen Problemen, SARS-CoV-2 PCR positiv (Ursache oder Begleitinfektion?) - Patient mit wandernder Symptomatik: Beginn mit thorakoabdominalem Schmerz, später Pancolitis… - Patient mit zunächst unklarer Diabetesentgleisung, erst im Verlauf pulmonale Symptomatik…
und die Konsequenzen daraus… - frühe Abkehr von den RKI-Kriterien („Risikogebiete, COVID-Kontakt) - „Chamäleon“-Erkrankung! - Eingangsscreening auf SARS-CoV-2 bei jeder Neuaufnahme - Erstunterbringung auf Abklärungs-Isolierstation, bis negatives Testergebnis da ist - reduzierte Zimmerbelegung - Mund-Nasen-Schutz des Personals (je nach Bereich auch mit Textilmasken)
SARS-CoV-2: Verbreitung in einer Pflegeeinrichtung Arons MM et al. N Engl J Med 2020. DOI: 10.1056/NEJMoa2008457
Zusammenfassung der Situation in der Klinik COVID-19 hat in der Klinik disruptiven Charakter: - drastische Reduktion der leichten Fälle und der Elektiveingriffe - rasche Umstellung der Ablauforganisation zur Kontaktreduzierung auf allen Ebenen notwendig - strikte Gruppenzuordnung von Patienten und Personal - Verfügbarkeit persönlicher Schutzausrüstung - Problematik der Kontaktsperre für Angehörige - viel interdisziplinäre Abstimmung zur ständigen Anpassung und Optimierung erforderlich - angespanntes Warten auf das, was da noch kommt….
Sie können auch lesen