In der - VERGEBUNG LERNEN - Frauenkirche Dresden
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
in der AUG 2019 MAI VERGEBUNG MUSIK LERNEN GEISTLICHES LEBEN Chorsänger in der Was es ausmacht, einem Zwischen Himmel Frauenkirche werden Menschen zu verzeihen und Erde
1 INHALT GELE IT 49 Internationale Orgelwochen Dresden LIEBE GÄSTE UND FREUNDE DER 50 Es muss nicht immer Mozart sein FRAUENKIRCHE, LEITTHEMA – VER G E B U N G 51 Lass von dir hören! »Suche Frieden!« – mit dem ZDF-Gottes- 03 Vergebung dienst zur Jahreslosung starteten wir in 06 Vergebungs- und Schuldarbeit E NGAGEMENT der Frauenkirche am 1. Januar ins Jahr in der JVA 53 Zukunft gestalten 2019. Wenn Sie diese Zeilen lesen, dann 10 Vergebung am Ende des Lebens Stiften. Schenken. Vererben. bewegen wir uns im Kalender auf die 57 Mit Ziehklinge, Seifenlauge und Höhe des Jahres zu oder haben diese R ÜCK B LIC K Hartwachsöl bereits überschritten. Ist uns die Jah- sich verlässlich Menschen aufhalten, reslosung zur Losung eines jeden Tages die Gespräche anstoßen und mir vor- 14 Das war 2018 60 Seniorpartner in School geworden? behaltlos ihr Ohr leihen. Die Frauenkir- che ist so eine Adresse. Dafür sorgen GES C HIC HTE FO R UM FRAUENKIR CH E Für mich ist das ein wundervoller Ge- haupt- und ehrenamtlich Mitarbeiten- 17 25 Jahre Ende der Enttrümmerung 63 Was braucht eine Gesellschaft danke – ein Gedanke voller Wunder! de. Wir sind dankbar, dass das ehren- 18 Der symbolische Beginn des für ein friedliches Zusammenleben? Denn wenn ich Frieden im eigenen Um- amtliche Seelsorge-Team an der Frau- Wiederaufbaus feld und mit mir selbst suche, kann das enkirche viele Stunden im Jahr »Zeit für zu den Wundern der Vergebung führen. Gespräche« schenkt. Dass die Musik 19 15 Jahre Aufsetzen des Turmkreuzes E H R ENA MT Unfriede, Unzufriedenheit können da- die biblische Botschaft von Vergebung 65 Seelsorge in der Frauenkirche rin wurzeln, dass ich mir oder anderen und Neuanfang auf so vielfältige Weise GEISTLIC HES LEB E N 67 Raus aus der Schule und rein in etwas nicht vergeben kann. Dass ich zum Klingen bringt. Dass Vortragende, 20 Nachtschwärmer-Meditationen die lebendige Geschichte auf Rache sinne, die mich besetzt hält, Podiumsgäste, Predigende global und 22 Zwischen Himmel und Erde 69 Das Nagelkreuz – Kirchenführung im Detail mich in meiner Opferrolle unfrei sein persönlich durchbuchstabieren, wie 24 Zeit für Gespräche 70 Praxisluft schnuppern lässt und neuen Unfrieden stiftet. das gehen kann: Vergebung. Zahlreiche Impulse zu vergebendem Handeln wer- 28 Eine Geschichte von deiner Taufe 72 Es werde Licht! Herzliches Dankeschön Kann man Vergebung lernen? – Uns in den auch gesetzt an Orten, die viele von 29 Taufen der Frauenkirche beschäftigt diese Fra- uns wenig oder gar nicht kennen. So er- 75 NACH R UF ge, hat sie doch mit Geschichte, Gegen- fahren wir Ermutigendes aus der Justiz- BEG EGN U N GEN wart und Zukunft dieser Kirche zu tun. vollzugsanstalt Schwalmstadt und von 31 Unerwartete Begegnung KAL END ER Daher stellen wir unser Magazin erst- den Mitarbeitenden des Christlichen 32 Dresden Lübeck Dresden 76 Alle Termine von Mai bis August 2019 mals unter ein Leitthema. Hospizdienstes Dresden e. V. 34 Konferenz der Kinder Wir sprachen mit Menschen, die an Vergeben können bringt Frieden und 104 SERVICE · KONTA KT Orten der Vergebung arbeiten, die die neue Lebensqualität. Dieses wunder- M USIK Frauenkirche als einen Ort leben und er- volle Tun und Erleben wünscht uns allen 37 Herz, Mut und Sinn 105 SITZPLA N · IMPR ESSUM leben, an dem Menschen erkennen und 39 Ausgewählte Konzerte aussprechen dürfen, was sie von Gott Ihre 44 Die Konzertreihe »Young Artists« und von anderen Menschen schmerz- lich trennt. 45 Die Paukenmesse im Gepäck 46 Geistliche Sonntagsmusik Als Geschöpf Gottes bin ich auf Verge- Frauenkirchenpfarrerin 47 Kantate zum Mitsingen bung angewiesen, damit Frieden wer- Angelika Behnke 48 Literarische Orgelnächte bei Kerzenschein den kann. Ich brauche Orte, an denen
2 VERGEBUNG VERGEBUNG 3 VER EB G DR. THILO DANIEL U NG VERGEBUNG Die Brüder Grimm haben nicht nur Märchen ge- DIE BEWEGUNG IM GESPRÄCH sammelt, sondern auch ein wichtiges Wörterbuch Es braucht das Gespräch dazu. Zuwendung zuein- begründet, das die Geschichte der Worte in unserer ander braucht es, auch den Willen zur Versöhnung Sprache festhält. Dort kann man lesen: Das Wort und den Wunsch nach Frieden. So ist es jedenfalls bei »Vergebung« ist eines aus der Sprache des Rechtes den tiefgehenden Konflikten. Es gibt die tiefen Verlet- und bedeutet, dass wir etwas weggeben oder auf zungen, bei denen die Aufforderung, versöhnlich zu etwas verzichten – dass wir eben etwas vergeben. sein, einer neuen Verletzung gleichkommt. Allein die In unserer Übersetzung der Bibel wird das Wort aufrichtige Bitte kann Versöhnung in Gang setzen. »Vergebung« für verschiedene Begriffe der hebräi- Jesus ist das Vorbild für das Vergeben. Er versöhnt schen und griechischen Sprache benutzt. Dadurch uns mit Gott und vergibt – behebt – alles, was uns ist es fester Bestandteil der christlichen Glaubens- trennt. Er tut das stellvertretend für uns. Denn Jesus sprache geworden. Gott vergibt uns. Er gibt damit ist ja Gottes Sohn. Er ist Gott selber. Er bittet an un- etwas her. Nämlich: Sein Recht, uns haftbar zu ma- serer Stelle um Vergebung. Er bittet für uns. Er hält chen für das, was wir an ihm und untereinander Fürbitte. Deshalb beten wir bis heute in den Gottes- schuldig werden. Er vergibt uns all das, wofür es der diensten »Durch Jesus Christus, unsern Herrn«. Entschuldigung bedarf. Dass Jesus dazu in die Welt gekommen ist, ist der Ich entschuldige mich. – So sagen wir es gern in der Kern der guten Nachricht, des Evangeliums. Das Sprache des Alltags. Das geht aber nicht. Ich kann nennen wir deshalb auch die Mitte der Schrift. Je- mich nicht entschuldigen. Denn ich kann ja nur ent- sus befreit uns ein für alle Mal – »vergeben und ver- schuldigt werden. Ich bitte um Entschuldigung, und gessen«. Paul Gerhardt hat das in seinem Lied »Nun ich hoffe, dass mir Entschuldigung gewährt wird. Ich danket all und bringet Ehr« auf eine besondere Wei- gehe auf ein Gegenüber zu. Eine Bitte ist auszuspre- se ausgelegt (Evangelisches Gesangbuch, 322). chen. Mit einem altertümlichen Wort gesagt: Ich bin Er lobt Gott, Bittsteller. Ich habe keine Forderung zu erheben. Ich »der seine Wunder überall bin darauf angewiesen, dass mir die Bitte gewährt und große Dinge tut; wird. Das ist kein Abschluss. Das ist wohl eher der 3. der uns von Mutterleibe an Beginn der Versöhnung. Hier an der Frauenkirche frisch und gesund erhält gibt es den festen Vorsatz, dieses Zugehen aufein- und, wo kein Mensch nicht helfen kann, ander – die Versöhnung, immer wieder zu üben. sich selbst zum Helfer stellt«,
4 VERGEBUNG VERGEBUNG 5 und dann – in der Mitte des Liedes – beschreibt, was Paul Gerhardt besingt danach auch noch die große »Vergeben« bedeutet: Hoffnung darauf, dass die Versöhnung über unser 4. der, ob wir ihn gleich hoch betrübt, Leben hinaus gilt – in alle Ewigkeit. doch bleibet guten Muts, die Straf erlässt, die Schuld vergibt Der Liederdichter lenkt den Blick auf das Kreuz. und tut uns alles Guts.« Das Kreuz ist das Zeichen für diese Vergebung. Gott ist dazu Mensch geworden. Jesus Christus hat mit Mit einem anderen unserer Lieder gesagt: »Er hat seinem Leben gezeigt, was Liebe ist. Dafür kann mit seinem Leben gezeigt, was Liebe ist.« Vergeben der senkrechte Balken des Kreuzes stehen: Gott ist auch als Zeichen der Liebe zu beschreiben. Ver- wird Mensch. Der waagerechte Balken kann un- geben heißt: Es steht nichts (mehr) zwischen uns. Es ser Leben beschreiben, in das an einer Stelle die steht nichts im Wege. Was im Wege gestanden hat, Begegnung mit dieser großen Kraft des Vergebens ist vergeben. tritt. Das Vergeben bildet die Mitte des Kreuzes. Man könnte auch sagen: Vergeben, das ist die Botschaft Wie dadurch das Leben verändert wird, besingt des Kreuzes. Dieser Punkt der Begegnung mit dem das Paul-Gerhardt-Lied anschließend. Wir sind frei, Vergeben wird zur Mitte des Lebens. Wir haben die weiter alles Gute zu erwarten – von Gott und den Güte des Vergebens erfahren und gewinnen Mut, Menschen: selber zu vergeben. Von diesem Augenblick an ge- »5. Er gebe uns ein fröhlich Herz, hen wir weiter mit dem Kreuz vor Augen – diesem erfrische Geist und Sinn Zeichen der Vergebung. und werf all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz ins Meeres Tiefe hin. Dietrich Bonhoeffer hat das auf folgende Weise aus- 6. Er lasse seinen Frieden ruhn gedrückt: Unser Wille zur Vergebung bereitet der auf unserm Volk und Land; Versöhnung durch Jesus Christus Raum in der Welt. er gebe Glück zu unserm Tun und Heil zu allem Stand. 7. Er lasse seine Lieb und Güt um, bei und mit uns gehn, was aber ängstet und bemüht, gar ferne von uns stehn.« Ort der Vergebung DR. THILO DANIEL In der Frauenkirche haben sich viele Vergebungs- Oberlandeskirchenrat, geschichten in Stein manifestiert. Aus diesem Evangelisch-Lutherische Grund ist die Frauenkirche ein Ort, um über Verge- Landeskirche Sachsens bung nachzudenken und Erlebtes zu reflektieren. seit 2019 Dezernent für theologische Grundsatz- Nutzen Sie die Möglichkeit in Zeiten der fragen im Ev.-Luth. Landes- Offenen Kirche, in der Stille der Unterkirche, beim kirchenamt Sachsens Anzünden einer Kerze, bei der Eintragung in das ausliegende Buch...
6 VERGEBUNG VERGEBUNG 7 Wir leben in einem Geflecht aus Beziehungen. Wir sind PETER KITTEL Mütter, Väter, Töchter, Söhne, Eltern, Kollegen, Nach- geb. 1959, von 1988 bis 2010 in barn, Freunde …. Und wir fügen einander Verletzungen verschiedenen Gemeinden der zu, bewusst oder unbewusst: von der schnell daher ge- Evangelischen Kirche von sagten Bemerkung bis hin zur schrecklichen Tat. Das Kurhessen-Waldeck tätig, seit Meiste davon vergessen wir schnell wieder. Anderes da- 2010 Pfarrer an der Justizvoll- gegen sitzt tief. Wir tragen es lange mit uns. Manches hat zugsanstalt Schwalmstadt die Kraft, unser Leben zu verändern, uns zu verändern. Oft tragen wir beides in uns: die »Last der Nichtverge- bung« als auch das Gefühl von Schuld. Dabei ist es gar nicht so entscheidend, ob ich von einer Straftat spre- che, oder von einer Schuld, die vielleicht nur ich, als »Täter«, empfinde. In zwei Seminaren bei Dr. K. Stauss habe ich mich mit den Fragen der Vergebungs- und Schuldarbeit be- schäftigt. Beide Arbeiten haben zum Ziel zu lernen, mit seiner eigenen Geschichte positiv umzugehen: d.h. er- lebte Verletzungen als solche zu erkennen und als Teil, »der nicht zu mir gehört«, abzugeben und begangene Schuld anzuerkennen, anzunehmen und in das eigene Leben zu integrieren. Als Seelsorger in einer Haftanstalt bin ich öfter mit die- sen Fragen konfrontiert. Gerade Menschen, die einem anderen das Leben genommen haben, verstricken sich in ihren Schuldgefühlen und schaffen es nicht, den Blick nach vorne zu richten. Aber genau das wäre für eine ge- lungene Resozialisierung wichtig. Inhaftierte, die Interesse an dieser Arbeit haben, be- VERGEBUNGS- gleite ich auf dem Weg durch die Vergebungs- bzw. Schuldarbeit. Dies dauert in der Regel vier Monate, bei wöchentlichen Gesprächen von ca. 60 Minuten. UND SCHULDARBEIT Zunächst klären wir den genauen Punkt, »wo es weh tut«. Dann versuchen wir das Geschehen aus verschie- denen Perspektiven zu betrachten. Dabei repräsentie- IN DER JVA ren Stühle die jeweiligen Perspektiven. Das sind in der Vergebungsarbeit der »Kränker« und der »Gekränkte«, in der Schuldarbeit können dies ganz verschiedene Perspektiven sein, je nachdem, ob es sich um ein in- PETER KITTEL nerseelisches Schuldempfinden handelt oder um ein FOTOSTRECKE zwischenmenschliches. Der »Klient« nimmt auf den THOMAS SCHLORKE
8 VERGEBUNG VERGEBUNG 9 jeweiligen Stühlen Platz und versucht sich in diese Perspektive hineinzufühlen. Nachdem die Perspek- tiven ausreichend beleuchtet sind, schreibt der Kli- ent Briefe an sich selbst. Diese Briefe fassen dann das Erarbeitete noch einmal zusammen und geben Auskunft über Motive und Folgen für »Opfer« und »Täter«, sowie über mögliche Bußhandlungen. In einem abschließenden Ritual, das wir in der Kir- che der Haftanstalt durchführen, begleite ich den Klienten von Station zu Station, an denen er einen Brief nach dem anderen vorliest. Am Ende stehen wir dann am Altar und legen die Briefe auf den Altar. Mit dem Zuspruch der Vergebung und einem Segen endet das Ritual. Dieser Zuspruch der Vergebung, wie wir ihn in der Feier des Heiligen Abendmahles auch geben, wurde mir in meinem zweiten Seminar Foto bei Dr. Stauss besonders wichtig. Hier war ich der Kerzen anzünden einzige Pfarrer neben 11 Therapeuten. In Partnerar- beit durchliefen wir alle den Prozess der Schuldar- beit. In dem abschließenden Ritual legte ich mei- ne Hände auf die Schultern meines Partners und sprach ihm Gottes Vergebung zu. Die Teilnehmer des Seminars und auch Dr. Stauss sagten dann, dass genau das der vollkommene Abschluss die- ser Arbeit sei, und dass Therapeuten dies leider nicht tun könnten. Die von außen zugesproche- ne Vergebung ist eben doch viel mehr, als wir uns selbst geben können. In einem Nachgespräch nach einigen Wochen er- zählen viele Klienten, dass sie nun anders mit dem Geschehen umgehen können und eine andere Sicht auf sich und die anderen Beteiligten haben.
10 VERGEBUNG VERGEBUNG 11 VERGEBUNG Möglichkeit hat, genau hinzugucken: Was war denn das Gute an der Beziehung, das Dankenswerte? wir einen Stein nehmen und ans Kreuz legen. Ich habe eine Frau erlebt, die einen Stein, ich glaube, AM ENDE Man kann Schuldgefühle nicht ausreden, das ist drei Jahre mit sich herumtrug. Sie hatte den immer meine Erfahrung. Ich kann etwas daneben setzen, in der Handtasche, das war die Last, ihre Schuld. ich kann etwas anbieten, und ich kann die Situation Sie konnte ihn loswerden. Sie hat ihn in diesem Fall, DES LEBENS sehr genau angucken. Und das mache ich auch mit glaub ich, am Grab abgelegt. Es hilft, gerade, wenn den Betroffenen. es um Schuld geht, die ich mir selber vorwerfe, diese klar zu benennen, manchmal auch aufzuschreiben. Ich versuche dann auch manchmal, die Person zu Arbeit im Christlichen Hospizdienst Dresden fragen, wie denn ihre beste Freundin die Situation Wir haben ja in der Andacht für Trauernde in der einschätzen würde. Was hätte denn die für ein Bild? Unterkirche der Frauenkirche jedes Jahr im No- FRAUENKIRCHENPFARRERIN ANGELIKA BEHNKE Das hilft manchmal, aus diesem harten Anspruch vember die Möglichkeit, diese Symbole zu ver- der Verurteilung auszusteigen. Und dann gelingt es wenden. auch, die Frage zu stellen: Was würde denn Ihr Mann A. Humml Genau, und auch im Alltag, im Tagebuch. oder Ihre Frau oder der Betroffene, der Schwerkran- Oder eine Form ist der Brief, das verwenden wir ke, der Sterbende dazu sagen? Und bei einer Frau auch in unserer Trauerarbeit hier, dass die Ange- ANNEGRET HUMML habe ich erlebt, wie sie sagt: Ich habe es nicht rich- hörigen noch einmal einen Brief an den Verstorbe- Krankenschwester und Trauerbegleiterin tig gemacht, ich habe es nicht gut genug gemacht. nen schreiben, auch mit Dingen, die sie sich selber UND ANSGAR ULLRICH Das war wie eine Geißel. Und als ich die Frage ge- vorwerfen, was sie ihnen noch mal sagen möch- Dipl.-Päd. FR Sozialpädagogik/Sozialarbeit stellt habe, was würde denn ihr Mann dazu sagen, ten. Vielleicht auch mit den Gefühlen, die damals sagte sie – und da strahlte ihr Gesicht plötzlich, sie da waren. Dann bekommen sie auch ein Gefühl für hatte plötzlich ein Gefühl für ihren Mann und für ihre Begrenztheit und so auch Erbarmen mit sich viele Situationen auch in der schweren Zeit – »Du selbst. Und auch dafür, wie leid es ihnen tut. Dann hast es recht gemacht!« – Das war ihr Satz! Ich kann gibt es die Möglichkeit, einen Brief zu verbren- solche Sätze anbieten, aber es ist viel besser, wenn nen oder die Form zu finden, die passt, den Brief Annegret Humml und Ansgar Ullrich erzählen von Es ist etwas subjektiv Wahrgenommenes. Ich erlebe jemand seine eigenen Sätze findet. Sie hat sich den einzugraben oder vorzulesen am Grab. Auch das dem besonderen Ort des Tageshospizes. Annegret es sehr oft bei Trauernden. Sie haben im Rückblick Satz dann an den Spiegel geschrieben und hat ihn habe ich schon erlebt, dass es jemand dem Ver- Humml erklärt, dass Lebenskonflikte und Verlus- eine andere Sicht auf das Geschehen und bewerten immer, wenn sie ihn brauchte, gelesen: »Du hast es storbenen am Grab vorgelesen hat. Die Wege, das te der Hospiz-Gäste oft »wie ein Ball unter Wasser sich sehr streng, sehr hart. Sie haben dann diese richtig gemacht!« Da habe ich gemerkt, sie konnte zu bereinigen mit dem Verstorbenen und mit Gott, gehalten werden mit viel Kraft. Und plötzlich ist die Gedanken: Hätte ich doch, wäre ich doch… Wäre loslassen von diesem Anspruch. wenn ich diese Schuld wahrnehme - da haben Kraft nicht mehr da. Die Trauer oder der Verlust oder ich doch eher zum Arzt gegangen, hätte ich meinen Christen es, glaube ich, manchmal leichter. die eigene Erkrankung machen so dünnhäutig, neh- Mann doch gezwungen, dorthin zu gehen oder hät- Die andere Geschichte von der Frau, die so…, die men diese letzte Kraft, die es für das Weghalten der ten wir doch noch diese Therapie gemacht. Die Ge- wahrscheinlich wirklich ihrem Mann so ein Stück Wenn Sie einem Kind erklären sollten, was man Dinge braucht.« Brüche und nicht aufgearbeitete danken sind wie eine Spirale, die immer tiefer zieht. Gewalt angetan hat in Worten und in einer gewissen darunter versteht, wenn Sie sagen: Einander ver- Konflikte sind häufig mit Schuldfragen verknüpft. Und ich merke, dass diese Schuldgefühle auch eine Härte, die… Wir haben dann darüber gesprochen, geben, das ist wichtig. Wie würden Sie das tun? Pfarrerin Behnke spricht mit den Mitarbeitenden Funktion haben. Sie haben oft die Funktion, noch dass Gott uns liebt, auch wenn wir so begrenzt sind. A. Ullrich Ich habe sofort meinen Sohn vor Augen. über Schuld und Vergebung am Ende eines Men- eine Bindung aufrechtzuerhalten, weil der Angehö- Und auch wenn wir Fehler machen! Und dass er Der ist sechs. Da kommen ganz oft Fragen, denen schenlebens. rige Angst hat, den anderen zu verlieren. Dann lieber uns den Weg der Erlösung und Versöhnung ange- kann man sich nicht entziehen. Ich glaube, es diese Form von Bindung. Wo ich immer wieder krei- boten hat. Und sie hat ihm das erzählt, sie hat alle braucht beides: Es braucht den Lebensbezug zu Geben Sie Impulse, Schuld auszusprechen? Oder se um das Thema des eigenen Versagens. Und mir ihre Fehler, alles was sie sich vorwirft, erzählt, und den Kindern, dass das nicht so abstrakt ist, aber wird das eher an Sie herangetragen? das immer wieder vorwerfe. Es ist wie ein Selbstka- ich konnte ihr Vergebung zusprechen. Ich habe das es darf auch nicht so simpel sein. Da fragt er so A. Humml Man kann unterscheiden zwischen realer steien, wie ein Selbstbestrafen. Man bleibt fixiert auf noch nie so massiv erlebt: Es war wie ein Stein, der lange nach, bis dann eben etwas angeboten wird. Schuld und Vorwürfen, Selbstanklagen, die ich mir das Negative, auf das, was man sich vorwirft. Auch von ihrem Herzen fiel. Sie war hinterher wie gelöst. Ich glaube, meistens geht das gut mit einem per- antue, wo eigentlich keine reale Schuld dahinter ist. im Trauerprozess merke ich, dass man gar nicht die Manchmal mache ich das auch symbolisch, dass sönlichen Blick: Wie erlebst du das, wenn du mit
12 VERGEBUNG VERGEBUNG 13 jemandem nicht klarkommst? Oder denk mal an ich, wenn mir einer weh getan hat? Das hilft auch ationen, die mir nachgehen, wo das Thema so um Eine letzte Frage: Gibt es für Sie ein gegenständli- die letzte Schulzeit, was war denn da schwierig? in den Prozessen mit dem Erwachsenen, sich in die die Ecke kommt. Es gibt schnell die Frage, wie kann ches Symbol für Vergebung? Dann wird eine Geschichte angeboten, dann lässt Rolle hineinzuversetzen. Und dort ein Erbarmen zu man diese Arbeit machen, wie kann man das aus- A. Humml Das Kreuz! Ich bin in diesem Glauben fest sich gut ein Vergleich ziehen. Was ist das eigentlich, bekommen. Wir als Christen haben es an der Stel- halten? Da denke ich, das empfinde ich gar nicht so verankert. Jesus ist den Weg ans Kreuz für uns ge- wenn du versuchst, mit dem Paul wieder klar zu le leichter, weil wir selber Vergebung erleben, weil sehr. Ich kann sehr berührt sein, aber ich kann auch gangen. Vergeben können, Vergebung annehmen, sein? Was wäre für dich wichtig, damit du das gut wir uns selber als Schuldige erleben. Weil unser gut nach Hause gehen. Aber da gibt es Momente, anderen vergeben, die an mir schuldig geworden kannst? Oder umgedreht: Was denkst du, was für Gewissen uns sagt, das ist nicht in Ordnung. Das da gibt es einen Konflikt mit jemandem im Freun- sind - das ist für mich etwas sehr Zentrales. Das ist den Paul wichtig wäre, dass er sich wieder gut mit Gewissen als Instanz haben wir alle, aber es ist un- deskreis oder in der Familie, wo ich merke, dass ich nicht immer Thema hier. Aber es schwingt bei mir dir versteht? Darüber lässt sich so ein versöhnendes terschiedlich geschult. Wir haben aber den Weg, viel dünnhäutiger bin, weil mir dann die Geschich- mit, auch bei Menschen, die keine Beziehung zum Bild machen im Sinne von: Ich habe nicht das di- Schuld loszuwerden, frei zu werden davon. Und ich ten kommen. Es ist wichtig, dass Dinge geklärt sind, Glauben haben. Und es ist meine Hoffnung. rekte Gegenüber, dem ich das sage. Aber im Grunde glaube, dann ist es leichter, auch jemand anderem aber auch die Altgeschichten, an die man sich her- ist das ja die gleiche Ebene, das geht ganz gut. Auf zu vergeben. Zu wissen, ich bin auch in der Rolle, antrauen muss, weil sie Familienthemen sind. A. Ullrich Auf dem Weg zur Arbeit gibt es eine Stelle, dieser Kinderweltschiene. Das ich muss es genauso für mich da ist vor ein paar Jahren ein Baum abgesägt wor- ist herausfordernd! in Anspruch nehmen. Ich den. Es gibt diesen Stumpf. Und dieser Stumpf hat denke an das Gleichnis vom AB: Gibt es auch mehr Mut, an die Sache ranzuge- inzwischen wieder einen Baum. So: Ihr habt mich A. Humml Wenn mir ein Übel Schalksknecht. Ich kann aus hen? Oder bleibt doch eine Scheu? abgesägt - und ich habe zu neuem Leben gefunden. angeboten wird, dann nehme »Ich kann dem Empfangenen weiterge- A. Ullrich: Das hat beides. Mut, aber auch so ein Ge- Und interessanterweise sind diese Zweige nie wie- ich es und übernehme es auch. Ich binde mich an den ande- Vergebung nicht ben. Da bin ich immer sehr achtsam, niemanden wohin fühl: Oh, ich muss das machen! der abgesägt worden. Dieser neue Baum wird spa- ßiger Weise stehengelassen. Da denke ich, da geht ren in einer unguten Form. Ich erzwingen, zu zwingen, wo er eigentlich A. Humml: In der Trauerarbeit habe ich mehr Ge- etwas weiter und ich freue mich, wenn ich da vor- bin verbunden, und innerlich empfinde ich Bitterkeit oder da kann nur ein noch gar nicht sein kann, weil viele Gefühle einfach noch duld bekommen, weil ich eher von dem Hinter- grund herkomme: Du musst vergeben! Und das ist beifahre und es im Frühjahr wieder austreibt. Das ist etwas ganz Praktisches, das mir da einfällt. Schmerz oder Wut, und das Wunsch am nicht leben durften. Manch- eine Willensentscheidung! Gebet – und gut is’! - Und mal ist es gut, einen Schuld- ich habe erlebt, es ist nicht gut! Der Groll bleibt! Und Da schließt sich ja auch ein Kreis, denn in Ihrem Anfang stehen.« macht mich unfrei. Das ist auch manchmal ein Thema in den schein zu schreiben, um das ich bin enttäuscht und denke, warum funktioniert Logo haben Sie ja so einen Baum, der fest verwur- Gesprächen. Wenn ich in dieser wirklich klar zu benennen. das Gebet nicht? Was stimmt hier nicht? Ich hab zelt ist. »Unvergebenheit« verharre. Ich Den kann ich irgendwann zer- doch gebetet für Vergebung und ich wollte doch A. Humml Wir können die Wurzeln stärken mit dem, kann Vergebung nicht erzwin- reißen, aber vorher kann ich vergeben! Aber ich konnte noch gar nicht. Hier mer- was wir hier tun. Wir können Wurzeln sein, wir kön- gen, da kann nur ein Wunsch am Anfang stehen. Ich ihn noch eine Weile mit mir herumtragen: Das hast ke ich, dass manche Menschen sagen, das kann ich nen einen Nährboden bilden. kann das auch bei Kindern nicht erzwingen. Ich er- du mir angetan, dass vergebe ich dir nicht! Ich habe nicht vergeben! Ich hatte wieder eine Frau vor mir lebe das manchmal, dass gesagt wird: So, nun sag, das hier so stehen als Schuldkonto! Der Nachteil ist: sitzen, die ist so bitter enttäuscht, weil sie meint, A. Ullrich Wir dürfen eine Zeitlang zu Gast sein in dass es dir leid tut! Dann ist überhaupt nichts gut! In Ich binde mich in einer unguten Bindung an den an- ihre Schwägerin sei schuld am Tod ihres Bruders. dem Leben. Da kommt uns ganz viel Vertrauen ent- den Prozessen hier achte ich sehr darauf, dass Zeit dern. Manchmal passiert parallel ein Prozess, dass Sie sitzt hier in einer Härte. Ich habe gedacht, das gegen. Das halte ich für ein ganz großes Geschenk. bleibt dafür, dass die Gefühle zugelassen werden ich meine eigene Schuld gesehen habe. Dann ist es kann ich ihr jetzt nicht wegnehmen. Hier muss ich können. Dass Schuld beim Namen genannt wird, leichter loszulassen, weil ich dieses Loslösen, diese die Zeit haben, ich muss sie aufweichen mit meiner das würde ich bei einem Kind auch sagen. Was mir Vergebung selber an mir erlebe. Nähe, mit meiner Liebe, mit ..., ja ..., einfach in der weh getan hat. Dass ich ein Gefühl dafür bekomme Begleitung, dass sie irgendwann merkt, sie kann und um Vergebung bitte, das geht nicht so schnell. Hat sich im Umgang mit den Gästen hier etwas im diesen Groll lassen. Alles andere muss ich letztlich Ich habe auch den Wunsch, mit meinen Kindern Blick auf Vergebung bei Ihnen verändert? Gott überlassen. Da vertraue ich. Dann merke ich, etwas schnell zu bereinigen, aber es braucht eine A. Ullrich Ich würde für mich sagen, dass ich es mehr dass man aus der Retterrolle, in die man schnell Zeit dafür. Wir tun unseren Kindern auch nichts Gu- sehe. Vorher war es ein Thema, das mir gar nicht so hineinrutscht, aussteigt. Ich bete auch oft für die MEHR INFOS tes, wenn wir das schnell herstellen wollen. Lieber sehr für das eigene Leben bewusst war oder wo es Menschen, die ich hier begleite. Dann schicke ich Christlicher Hospizdienst Dresden e. V. noch eine Zeit zum Nachdenken geben! Und auch nicht die Stellen gab, um darüber zu stolpern. Aber gern ein Gebet zu Gott. Sein Arm ist viel länger als Canalettostr. 13 · 01307 Dresden gucken, wie würde es mir gehen? Was empfinde es gibt schon eine ganze Reihe von Gesprächssitu- meiner, der hat viele Helfershelfer! www.hospizdienst-dresden.de
14 Da s w a r 2 01 8 Kirche Musik 2.000.000 Besucher 60.000 Konzertgäste 41.000 122.440 Besucher Besucher bei 123 bei 495 Gottesdiensten Andachten Geistliches »Wort und Orgelklang« Leben 19.000Besucher 3.000 Besucher zum bei Weihnachtlicher Vesper 19 40 Gedenken am 13. Februar Trauungen, davon Taufen, davon 10 »Gottesdienste 6 Erwachsenentaufen zur Eheschließung« 1.033 95 Besucher bei kirchenpädagogische Kuppelführungen Erkundungen für Kinder und Jugendliche 14.000 Offene 9.200 Besucher bei Gruppenführungen Kirche Zuschauer sahen den Film über die Emporen »Faszination Frauenkirche« 1.750 Gäste 1 Friedensnobelpreis- im Forum Frauenkirche Forum trägerrede Frauenkirche 11 11 Veranstaltungen der Reihe Veranstaltungen »Städte im Krieg – 10 der Gesellschaft zur Förderung der Städte für den Frieden« Frauenkirche Veranstaltungen der Reihe »Donnerstagsforum« »Forum Frauenkirche«, darunter 3 Podiumsdiskussionen mit dem Deutschlandfunk Kultur 15
16Einsetzen des GESCHICHTE GESCHICHTE 17 ersten Steins 25 Jahre ENDE DER ENTTRÜMMERUNG DIPL.-ING. THOMAS GOTTSCHLICH GESCHICHTE Die Enttrümmerung des »Trümmerberges« zwi- schen den stehenden Ruinenteilen, dem Turm E und dem Choranbau, war eine spektakuläre und zu- gleich einmalige Verfahrensart, sich den Bestand an Fundstücken der barocken Frauenkirche zu erschließen. Ziel war es, das Maximum an ver- wertbaren Fundstücken für den Wiederaufbau zu bergen. Die Aufnahme des jeweiligen Steins, das Säubern, Vermessen und Fotografieren, die erste vorläufige Einordnung, wohin der Stein gehört, das Vergeben einer Fundstücksnummer, die Er- stellung einer digitalen Datenbank, der Abtrans- port in die Fundstückslager u.v.m. gehören dazu. Besondere Aufmerksamkeit wurde dem jeweili- gen Fundstück erst später geschenkt, wenn die Frage entsprechend dem Planungsvorlauf an- stand, ob und wie es wieder eingebaut werden kann. Entweder komplett, mit anderen Fundstü- cken zusammengesetzt, mit Vierungen (Teilstück alt oder neu) ergänzt. Oder als Hintermauerungs- stein oder als Fundstück ohne Verwendungs- möglichkeit zum Verkauf an interessierte Spoiler- Die Kupferkapsel mit Dokumenten zum Wiederaufbau der sammler. Frauenkirche wird von Prof. Ludwig Güttler vor der ersten Steinversetzung ins Mauerwerk eingebracht Das Ende der Enttrümmerung ist mit dem Verset- zen des ersten Steins bei A außen am 27.05.1994 verbunden und leitet von der Vorarbeit zum be- Bibel-Zitat zur Erststeinversetzung: ginnenden Wiederaufbau über. Der »Erststein« »Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist befindet sich am Eingang A, rechtes Türgewände, der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe unterster Stein (Altstein). und der Besonnenheit.« 2. Timotheus 1, 7
18 GESCHICHTE GESCHICHTE 19 Bergung des Turmkreuzes DER SYMBOLISCHE 15 JAHRE BEGINN DES AUFSETZEN DES WIEDERAUFBAUS TURMKREUZES DER FRAUENKIRCHE AM 27.MAI 1994 DIPL.-ING. THOMAS GOTTSCHLICH DR. ING. E.H. EBERHARD BURGER, BAUDIREKTOR A.D. Im August 2004 wurde das Turmkreuz mitsamt dem Laternendach unter großer öffentlicher Beteiligung auf den Steinbau der Laterne Die archäologische Enttrümmerung war erfolgreich und mit hoher aufgesetzt. Mit diesem Tag endete der äußerliche Wiederaufbau Qualität fast abgeschlossen. 21.000 m3 Schutt wurden beräumt, 8.400 der Frauenkirche, und seither krönt die Frauenkirche wieder die Fundstücke als wiederverwendbare Werksteine fotografiert und regis- Silhouette der Stadt Dresden. triert, 60.000 Fundstücke aus der Hintermauerung lagen auf Paletten am Elbufer und warteten nach entsprechender Aufarbeitung auf ihren Der Dresden Trust hatte mit Spenden aus ganz Großbritannien Einbau in das wiedererstehende Kirchgebäude. Auch die Dresdner und das Turmkreuz finanziert und nach in Dresden hergestellten Plä- Spender aus ganz Deutschland hofften, dass es nun losgeht. nen in London bei einem berühmten Silberschmied herstellen lassen. Mit Herzblut, Handwerksmeisterschaft und tiefen Versöh- Und womit beginnt man: Mit einer Grundsteinlegung. nungsgedanken entstand das Turmkreuz neu, das lange vor die- sem Tag, schon seit dem 13. Februar 2000 in Dresden, auf dem Den 1728 gelegten Grundstein im Fundament des Choranbaus gibt es Baustellengelände vor dem Gerüst stehend, vom Bauzaun aus aber noch. Also entschlossen wir uns zu einer ersten Steinversetzung betrachtet werden konnte. eines reparierten Fundstückes als symbolischen Beginn des Wieder- Im Rahmen einer gottes- aufbaues. Es war der erste Stein über dem Sockel am rechten Gewän- dienstlichen Feier Das Turmkreuz ist eines der vielen Symbole der Frauenkirche und de des Eingangs A. In der Hintermauerung wurde in einem Bohrloch wurden am 22. Juni 2004 erinnert uns an das länderübergreifende Bestreben, die Frauen- die Kassette mit aktuellen Dokumenten, Münzen, der Chronik der ar- Turmhaube und Kreuz kirche als Ort der Versöhnung wiederaufzubauen. mit einem Spezialkran chäologischen Enttrümmerung, erste Unterlagen zum Wiederaufbau, aufgesetzt. Liste der Verantwortlichen aus Stiftung und Fördergesellschaft, eine Teamliste der Planer, sowie »Der Ruf aus Dresden« eingebracht. Im Rahmen einer gottesdienstlichen Feierstunde am 27. Mai 1994 – an dem Tag jährte sich zum 251. Mal die Vollendung der Bährʼschen Frauenkirche – sprach Landesbischof Volker Kreß den liturgischen Teil, hielten Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und Oberbürgermeis- ter Herbert Wagner Ansprachen und gestalteten Blechbläser aus Sach- sen den musikalischen Teil. 5.000 Dresdner waren zur Frauenkirche gekommen, harrten bei nasskaltem Wetter eine Stunde aus und wir feierten anschließend mit Würstchen, Meißner Landwein und Pfeffer- kuchen (!) den Wiederaufbau des Gotteshauses als Wahrzeichen unse- rer Stadt Dresden. Erststein an Eingang A
20 GEISTLICHES LEBEN GEISTLICHES LEBEN 21 DANKeshymnen NACHTwandel(n) DANKeschöön! NACHTSCHWÄRMER- MEDITATIONEN K e n DANKtag e DAN NACH Tg AbendDANK nichts zu DANKen verDANKen GESITLICHES (N)ACHTsamkeit Sprechen Sie diese Wortspiele an? FR · 2 . AUG UST Wir fanden es lohnend, unsere (Nacht)-gedanken »Vom Glück der kleinen in diesem Jahr um die Dankbarkeit kreisen zu las- Umarmung« LEBEN sen, gerade weil das Wort manchem leicht antiquiert Nachtschwärmen für Kinder NACHTwanderung vorkommt oder die Fähigkeit zum Danken in unserer 20:20 Uhr · Eintritt frei modernen, schnelllebigen Welt abzunehmen scheint. Wir haben viele anregende Texte zum Thema gefun- den oder wiederentdeckt, auch Musik gibt es »Gott ErnteDANK sei Dank!« genug, um darüber zu improvisieren. Lyrik FR · 9 . AUG UST von Askenazy über Celan, Fontane, Heine, Kaléko und »geDANKenspiele« Ringelnatz bis Zenetti, Kurzgeschichten, mal frech, Nachtschwärmermeditation geDANKenlos mal märchenhaft, Psalmen aus dem Alten und Ge- 21:21 Uhr · Eintritt frei schichten aus dem Neuen Testament, … »Wofür sind Sie dankbar?« fragt Max Frisch in einem seiner Frage- bögen und liefert im Tagebuch eine persönliche »Liste FR · 1 6 . AUG UST der Dankbarkeiten« ab. WOFÜR SIND SIE DANKBAR??? »NACHTwache« AbendgeDANKen Wir laden Sie ein zu jazziger Musik und Texten, zu unse- Nachtschwärmermeditation ren und Ihren NACHTgeDANKen in die Unterkirche der 21:21 Uhr · Eintritt frei Frauenkirche. Kommen Sie zur Ruhe und tanken Sie auf an diesem wunderbaren Ort, für dessen Wiederaufbau wir sehr dankbar sind. FR · 2 3 . AUG UST »NACHTwandel« ALMUTH SCHULZ Pianistin Nachtschwärmermeditation 21:21 Uhr · Eintritt frei
22 GEISTLICHES LEBEN GEISTLICHES LEBEN 23 ZWISCHEN GRIT JANDURA HIMMEL Es ist früh am Morgen. Die ersten Sonnen- strahlen brechen durch die Wolken. Lang- UND ERDE sam, ganz langsam erwacht die Stadt. An der Nordseite der Frauenkirche hat sich eine kleine Gruppe Menschen versammelt. Etwas müde noch, aber dennoch achtsam warten sie, bis sich die große schwere Holztür des Eingangs G öffnet. Punkt 6 Uhr ist es soweit. Frauenkirchenpfar- rerin Angelika Behnke im langen schwarzen Talar tritt heraus. Der freche Frühsommer- wind fährt ihr ins gerade sorgsam gerichtete Ein Lied steigt auf. Ein Bibelwort ist zu hören. Beffchen. Mit einem Schmunzeln begrüßt sie Hände finden sich zum Gebet. Nach dem die Morgengemeinde. Sie lädt die etwa 50 Segenswort ist Zeit für Erinnerungsfotos. Sie Personen ein, mit ihr emporzusteigen. Schritt gehen sofort in die Welt. Doch die stärksten für Schritt, 281 Stufen, in der Stille. Eindrücke bleiben zurück. Verweilen im Her- zen derer, die den Tag auf der Kuppel der Noch ehe die Gruppe die Aussichtsplattform Frauenkirche begrüßt haben. erreicht, ist der warme Klang eines Saxo- phons zu hören. Er hilft über die letzte steile Passage im Hals der Laterne. Oben angekom- TERMINE men, fehlt so manchem die Luft. War es der SA · 4. MAI 2019 · 6 UHR Aufstieg, oder ist es vielmehr der fantastische Frauenkirchenpfarrerin Angelika Behnke, Blick über die Stadt? Freude macht sich breit. Bertram Quosdorf (Saxophon) Und Dankbarkeit. Für diesen Augenblick, für die Gelegenheit, für Gottes guten Geist, den SA · 1. JUNI 2019 · 6 UHR man hier fast greifbar glaubt. Frauenkirchenpfarrer Sebastian Feydt, Bertram Quosdorf (Saxophon) SA · 6. JULI 2019 · 6 UHR Frauenkirchenpfarrer Sebastian Feydt, Bertram Quosdorf (Saxophon) SA · 3. AUGUST 2019 · 6 UHR Frauenkirchenpfarrerin Angelika Behnke, Ive Kanew (Saxophon) SA · 7. SEPTEMBER 2019 · 6 UHR Frauenkirchenpfarrer Sebastian Feydt, Bertram Quosdorf (Saxophon)
24 GEISTLICHES LEBEN GEISTLICHES LEBEN 25 ZEIT zusammen. Ich habe selbst ganz bittere Lebenser- fahrungen gemacht. Lebenserfahrungen, die fast Die Frauenkirche ist für mich ein Ruhepol. Ich bin ja durch meine Arbeit recht oft getrieben. Da ist es FÜR GESPRÄCHE dazu geführt hätten, dass mein Leben ein Ende ge- ganz gut, wenn ich selber mal ein bisschen zur Ruhe funden hätte. Es war regelrecht ausweglos für mich. komme. Das genieße ich sehr! Mir haben Leute geholfen, als meine Erwartung nicht mehr da war, dass es noch einen Ausweg gibt. Wie oft haben Sie Dienst? Seelsorge in der Frauenkirche Dresden Ich erinnere mich ganz besonders an einen Gottes- Ich schaffe es zweimal im Monat. Am Wochenende, dienst in der Annenkirche, als ich am Abend zuvor weil ich ja in der Woche nicht in Dresden bin. Die wirklich ganz am Ende war. Die Pfarrerin, die den Begleitung des Seelsorgeteams durch einen Super- Gottesdienst hielt, sagte dann im Verlauf des Got- visor gibt es ja auch schon von Anfang an. Wir be- ALEXANDER KARG tesdienstes: Manchmal schickt Gott einfach einen kommen die Unterstützung, die wir brauchen. arbeitet freiberuflich als Bauingenieur. Menschen, der die Hilfe bringt, an die man nicht Seit 2006 ist er ehrenamtlich als Seelsorger mehr glaubt. Der den Spieß umdreht! Und plötzlich Sie haben jetzt schon viele Jahre Erfahrungen in in der Frauenkirche tätig. gibt es neue Hoffnung und einen neuen Weg. Und seelsorglichen Gesprächen. Können Sie beobach- da habe ich das Gefühl gehabt: Das habe ich gerade ten, dass es gewisse Themen gibt, die häufiger an in der Nacht zuvor erlebt, als meine Schwägerin – Sie herangetragen werden als andere Themen? eben diese Schwägerin – sich Zeit genommen hat. Trennung, Sterben – das sind schon Themen, die FRAUENKIRCHENPFARRERIN ANGELIKA BEHNKE Es war kalt, im Februar, und wir standen, glaube ich, ich öfter höre. Auch der Beruf – Neueinstieg oder vier Stunden auf dem Balkon. Sie hat mir zugehört. Arbeitsverlust. Die Frauenkirche ist ein offenes Gotteshaus. In Ich habe vor vielen Jahren mal Bauingenieurwesen Das war eigentlich die Initialzündung. Mein Bruder Zeiten der Offenen Kirche ist »Zeit für Gesprä- studiert. Eigentlich wollte ich das gar nicht, aber mir hatte schon eher bei der Diakonie angefangen als Wie geht Vergebung?, so fragen wir in diesem Ma- che« möglich durch engagierte Ehrenamtliche wurde das so angetragen. Ich bin eigentlich gelern- Seelsorger, hatte mich zu einem Kennenlernabend gazin. Ist Vergebung von Schuld, Einander verzei- Seelsorger. ter Autoschlosser. Das Studium hat mich dann aber eingeladen und gemeint: Gerade du mit deinen Er- hen können ein häufiges Thema in der Seelsorge? doch interessiert, und so habe ich das gemacht. fahrungen, mit deiner wiedergewonnenen Stabili- Es ist ein Thema, wenn ich es auch nicht ganz oben Lieber Herr Karg, wie lange sind Sie schon im Und so bin ich Brückenbauingenieur geworden. tät, das könnte was sein! - Und genauso habe ich es anordnen würde. Mitunter kommen Leute, die sa- Team der ehrenamtlichen Seelsorger an der Frau- Seit 1989. Zunächst in der größten Brückenbaufir- dann auch empfunden. Ich habe dieses Geschenk gen: Ich bin gar nicht kirchlich. – Das spielt aber für enkirche? ma, die es in Ostdeutschland gab, dann wechselte bekommen, und jetzt gebe ich wieder ein Stück da- mich keine Rolle. Ich habe meinen Glauben. Das ist Ungefähr seit 2006, als die Seelsorge an der Frauen- das mit der Wende. Brückenbau ist das, was mich von ab. die Basis für mich, daraus kann ich vielleicht auch kirche ins Leben gerufen wurde. schon immer interessiert hat. etwas rüberreichen, aber ich bin da eher vorsichtig. Wie ist die ehrenamtliche Seelsorge in der Frau- Aufgrund meiner biografischen Erfahrung reagiere Wie sind Sie darauf aufmerksam geworden? Auch im übertragenen Sinne? enkirche organisiert? ich sehr allergisch auf das Gefühl, dass irgendwo Es war damals meine Schwägerin, die an der Kreuz- Ja, durchaus auch im übertragenen Sinn! Brücken Ich finde das Angebot klasse, ganz besonders, seit- Zwang ausgeübt und mir was übergestülpt wird. kirche tätig war. Kreuzkirche und Frauenkirche hat- haben ja etwas Verbindendes zwischen den Men- dem es diese halbstündlich aus der Kanzel gelese- Was ich aber gerne mache, ist Zeugnis geben über ten damals gemeinsam die Seelsorge ins Leben schen. Das ist die ursächliche Aufgabe einer Brücke, nen Impulse gibt. Die gab es nicht von Anfang an. meinen Glauben. Wobei Seelsorge mehr Zuhören gerufen. Da ich eine entsprechende Ausbildung bei Menschen zusammenzuführen. Darüber hinaus sind Bei den Impulsen wird die Seelsorge immer mit ist als selbst reden. der Diakonie hatte und dort schon ehrenamtlich ar- das natürlich technisch interessante Konstruktionen. angesagt. Dann gibt es noch das Schild, dass gut beitete, meinte sie: Das könnte doch etwas für dich Insofern ist das, was ich als ehrenamtlicher Seelsor- sichtbar ist: »Zeit für Gespräche«. Die Impulse sind Wenn Sie gedanklich weiter dran bleiben an dem sein, die suchen Leute. - Und so kam ich dazu. ger mache, ein ganz guter Ausgleich dazu, dass ich in meinen Augen so etwas wie ein Ruhepol. Sie Thema - was bedeutet für Sie persönlich Verge- auch in anderer Richtung darüber nachdenke und bringen Ruhe, sie machen auf die Seelsorge auf- bung? Beruflich sind Sie ja in einem ganz anderen Be- gefordert werde. merksam. Und danach ist es oft der Fall, dass Leute Vergebung ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. reich unterwegs – und das im wahrsten Sinne, vorbeikommen, weil sie das gehört haben. Ich bin Wobei ich merke, dass es oft gar nicht so einfach ist! denn meist reisen Sie zu Ihren Seelsorgediensten Warum engagieren Sie sich speziell im Bereich auch nicht böse, wenn in den zwei Stunden mal nie- Ich denke, Menschen sind begrenzt. Sie sind so ge- extra von weit her an, derzeit aus Regensburg. der Seelsorge? mand kommt. Dann redet man mit den Kirchenfüh- schaffen, und Gott, der Herr – ihm wäre es ein Leich- Erzählen Sie doch bitte ein wenig von sich… Das hängt mit meinen eigenen Lebenserfahrungen rern oder mit dem Küster. Das ist alles in Ordnung. tes gewesen, es ganz anders zu machen. Hat er aber
26 GEISTLICHES LEBEN GEISTLICHES LEBEN 27 nicht! Denn es hat alles seinen Sinn! Auch meine Kann man Vergebung lernen? Grenzen – die wahrzunehmen, das ist schon in Ich denke, man kann alles ein Stück weit trainieren, Ordnung. Wenn ich gegenüber anderen Menschen sich üben. Und sich eben daran erinnern: An der schuldig werde - das passiert. Wahrscheinlich viel Stelle wäre das und das möglich. öfter, als ich überhaupt wahrnehme. Dann muss ich auch damit leben. Und da habe ich aber die große Gibt es für Sie einen Lieblingsplatz oder ein be- Chance, dass mir das vergeben ist! Diese Chance, sonderes Detail in der Frauenkirche, den oder das diese Zusage, dass mir vergeben ist. Meine Grenzen, Sie mit Seelsorge in Verbindung bringen? die sind einfach da, und ich darf mit diesem Gren- Ich weiß, in meiner Anfangszeit bin sehr gern in die zen leben. Was wichtig ist, ist mein Bemühen. Unterkirche gegangen. In den Raum der zehn Gebo- te beispielsweise, oder an den Altar in der Mitte. Sie haben gesagt: Anderen Menschen vergeben, In der letzten Zeit habe ich das nicht mehr gemacht. das ist nicht ganz einfach… Ich habe mir angewöhnt, auch zwischendurch Man muss schon über seinen Schatten springen! durch die Frauenkirche zu gehen und mich mal in Und sich Mühe geben! der Mitte aufzuhalten, um nach oben in die Kuppel zu schauen oder auf den Altar und die Orgel. Was ist der Gewinn für Sie? Der Gewinn ist, dass Dinge wieder in Ordnung Sie sind aber auch schon mit Menschen, die bei kommen. Und das immer! Bis zum Lebensende ist Ihnen Zeit für Gespräche suchten, in die Unterkir- das immer möglich. Und für jeden. Es ist vielleicht che gegangen... schwer, aber es ist möglich. Und der Gewinn ist, Bin ich auch. Wenn jemand zu mir kommt, dann dass ich mit mir selber ins Reine kommen kann. frage ich ihn. Ob wir für uns sein wollen, gleich hier- Und mit mir ins Reine zu kommen gelingt auch da- bleiben oder noch einen anderen Ort in der Frauen- durch, dass ich mit anderen ins Reine komme. kirche aufsuchen. Spielte im Rückblick auf Ihre Biografie und dieses Seelsorge bedeutet auch Selbstsorge – das heißt, »Schon auf der Kippe des Lebens Stehen«, hing Tankstellen für die eigene Seele haben. Wo tan- das auch mit Vergebung zusammen? Oder sind ken Sie auf? das unterschiedliche Dinge? Sehr wohl fühle ich mich mit meiner Familie. Das Nein, das spielt schon zusammen! Ich bin jetzt recht ist eine ganz große Stütze, ein ganz guter Ort! An- stabil. Und ich weiß, dass es nicht immer so war. Und sonsten gehe ich regelmäßig in meine eigene Kirch- dieser Weg, den ich bis hierher gegangen bin in mei- gemeinde. Ich singe dort auch im Kirchenchor. Das nem Leben, das war insgesamt vielleicht ein ... ja..., ist mit meiner Zeitplanung natürlich nicht ganz guter Weg, ich bin ausgesöhnt mit ihm. Es waren einfach. … Aber ich denke immer noch, dass mir Fehler dabei, Umwege. Und auch, mit anderen Men- diese ehrenamtliche Tätigkeit einen Gewinn bringt. schen nicht im Reinen gewesen zu sein. Und trotz- Und ein weiterer Punkt ist: Ich verschenke einfach dem hat mich dieser Weg genau hierher geführt, wo ein bisschen Zeit! Ich habe zwar nicht üppig Zeit, ich jetzt bin. Und das ist kein schlechter Platz! mir geht es aber gut! Ich bin geboren in Frieden, in Wohlstand, das gibt mir schon sehr zu denken! Das Würden Sie sagen, sich selbst vergeben ist schwe- ist völlig unverdient gewesen! Ich hätte genauso rer als anderen vergeben zu können? gut irgendwo anders auf die Welt kommen können! Ich denke, das ist beides gleich. Und ich gebe ein bisschen ab von dem, was mir ge- schenkt ist. Das ist wichtig!
28 GEISTLICHES LEBEN GEISTLICHES LEBEN 29 ICH ERZÄHLE DIR HEUTE EINE GESCHICHTE VON DEINER TAUFE MONIKA SCHNEIDER ist »Dieser Ort r t , s o wie n d e r e r O »Wir wünschen dir, ein ganz beso sonderer dass Gott seine schützen e in g a n z b e de du Hand über dich hält.« Mensch bist.« Eine Kirche für Kinder ist die Frauenkirche auf den ers- Neben Erinnerungen oder den Grund der Wahl der ten Blick nicht. Hinter den hohen Kirchenbänken muss Frauenkirche als Taufort, werden auch Wünsche für man als kleiner Mensch nach oben schauen, um Gott die Zukunft an die Kinder gegeben. Ganz viel Liebe ist mit allen Sinnen zu erleben und zu begreifen. in den Zeilen zu erspüren und Gottvertrauen, welches die Eltern und Paten den Kindern schenken. Das und mehr werden 30 Kinder am 2. Juni im Gottes- Januar dienst in der Frauenkirche tun – und das aus gutem Wir freuen uns schon auf den 2. Juni mit einer Mehrge- bis März Grund. Mit Eltern, Paten, Geschwistern und Freunden nerationen-Gemeinde und wünschen uns, dass dieser 2019 werden sie an ihre Taufe hier erinnert. Die meisten der Tag für alle unvergesslich bleiben wird. Taufen Kleinen haben kaum Erinnerungen an die Taufe, da sie oftmals noch vor ihrem ersten Geburtstag stattfand. Und so müssen die Paten und Eltern einspringen und ihnen von dem großartigen Tag damals erzählen und »Deine Eltern g eben dir ei zwei Dinge mit »Mich hat b damit dieses Ereignis für sie verständlich und nacher- lebbar werden lassen. auf den Weg: ass Flügel und Wur s t g e f r e u t , d Gemeinsam mit Dozentin Karin Schwarke und Stu- Damit du der M zeln. deinem Fe dabei 24.02.2019 dierenden der Evangelischen Hochschule Dresden ensch werden e O m a n o c h Anastasia Theodora Tilch haben wir Ideen für den Taufgedächtnisgottesdienst kannst, der du dein sein konnte.« entwickelt. Den Eltern und Paten wurden Fragen zur 31.03.2019 Taufe ihrer Schützlinge gestellt. Die Antworten, die uns bist.« Carla Elke Hildegard Köhler erreichten, sind sehr berührend zu lesen. Jörg Dieter Max Köhler Aurelia Letizia Schild
30 BEGEGNUNGEN BEGEGNUNGEN 31 UNERWARTETE BEGEGNUNG MARIA NOTH »It has been more than 13 years«... seit er die Er hörte von uns, dass die Frauenkirche als ein Got- Frauenkirche besuchte. Damals zur Weihe. Jetzt, teshaus für Bürger gebaut wurde und ihre barocke am 11. Februar 2019, stand der 83-jährige Prin- Pracht ein Ausdruck bürgerlichen Selbstbewusst- BEGEGNUNGEN ce Edward, Duke of Kent wieder vor dem alten, seins war. Eines Selbstbewusstseins, das sich im deformierten Turmkreuz. Und die Erinnerung übertragenen Sinne auch beim Wiederaufbau und wurde in dem hochgewachsenen, agilen Mann in der enormen Spendenbereitschaft aus aller Welt mit den wachen Augen sichtbar lebendig, als wir zeigte. Im Sinne eines solchen verbundenen Mitein- ihn durch den Kirchraum führten. anders zwischen Bürgern und Ländern und Religio- nen äußerten wir dem Herzog von Kent gegenüber Er erinnerte sich und ließ sich erinnern: an die unseren großen Dank für die Unterstützung und enge versöhnende Verbindung zwischen Großbri- Freundschaft Großbritanniens damals beim Wieder- tannien und der Frauenkirche, die nicht nur durch aufbau wie heute: im Namen der Stiftung Frauenkir- das neue, vom Dresden Trust gestiftete Turmkreuz che Dresden und im Namen der vielen Menschen, auf Dauer sichtbar gemacht wurde. Am 13. Februar die in unserer Kirche für einen kurzen Besuch oder für 2000 hatte der Herzog von Kent das Turmkreuz in ein Leben lang eine geistliche und geistige Heimat Dresden übergeben - »als Symbol des Leidens und finden. Am Ende seines Besuchs zündete der Her- der Versöhnung«. Besonders bewegt war der Herzog zog eine Kerze unter dem alten Turmkreuz an - eine von dem Altar in der Unterkirche, die er jetzt zum Geste seiner anhaltenden Verbundenheit mit der ersten Mal besuchte. Der Monolith aus schwarzem Frauenkirche, die dieses Mal gar nicht auf seinem irischen Kalkstein wurde 1996 von Anish Kapoor offiziellen Programm in Dresden stand. Die Kirche geschaffen, einem weltweit bekannten in London zu besuchen, war eine kurzfristige und seine ganz lebenden Künstler mit jüdischem Hintergrund. Der persönliche Entscheidung. Herzog von Kent reflektierte die offene Symbolik des Altarsteins; seinen in die Tiefe reichenden Trich- ter, der gleichzeitig auf die direkt über ihm aufstei- gende Kuppel hindeutet, den Kontrast der polierten und natürlich belassenen Oberflächen, das tiefe Schwarz, das sich gegen den Sandstein der Unter- kirche abhebt. Der Herzog führte uns einmal mehr vor Augen, dass die Frauenkirche es gerade durch ihre Vielschichtig- keit und ihre kontrastreichen Bedeutungsebenen vermag, Menschen unterschiedlichster Herkunft zu bewegen, zu inspirieren und zusammenzuführen. v.l.n.r. Frauenkirchenpfarrer Sebastian Feydt, Herzog von Kent, Frauenkirchenpfarrerin Angelika Behnke, Maria Noth
32 BEGEGNUNGEN BEGEGNUNGEN 33 DR. HOLGER STARKE Nur wenige Schritte von der Frauenkirche entfernt befindet sich das Dresdner Stadtmuseum. Dort ist zurzeit die Ausstellung »Die im Licht steh’n. Foto- grafische Porträts Dresdner Bürger des 19. Jahr- hunderts« zu sehen. Sie vereinigt Bildnisse der bürgerlichen Elite jener Zeit – und zeigt mit zahl- reichen Künstlerporträts Dresden als Kulturstadt. DRESDEN Darunter: Der europaweit berühmte Konzertmeis- ter und Violinvirtuose Karol Józef Lipiński, der seit 1839 fast 20 Jahre lang in Dresden wirkte. Er hält LÜBECK eine Geige in Händen. Hier setzt eine Geschichte voll überraschender DRESDEN Verbindungen ein. Während der Vorbereitungs- zeit der Ausstellung in Dresden hatte einer der Ausstellungskuratoren im Sommer 2018 ein Kon- zert in der Reformierten Kirche in Lübeck besucht. ODER: EINE ALTE FOTOGRAFIE UND EINE BERÜHMTE VIOLINE Zur Aufführung kamen zwei Klaviertrios – und das Programmheft teilte mit, den Violinpart spiele KAROL JÓZEF LIPIŃSKI Daniel Hope auf der Ex-Lipiński, einer Guarneri Stadtmuseum Dresden, DANIEL HOPE del Gesú von 1742. Hope, einer der »Weltbesten Porträtsammlung, Tafel 1033: seiner Zunft« (The Observer, London), der im Kon- Karol Józef Lipiński (1790–1861), »Ich wusste, dass meine 1742 Guarneri del Gesù Violine zertjahr 2019 Artistic Director der Frauenkirche Salzpapier, 21,5 x 26,5 cm, früher dem großen Geiger Karol Lipiński gehörte. Dresden ist! Atelier F. & O. Brockmann, Dresden, um 1855. Und ebenfalls, dass er als Erster Konzertmeister am Damit stand die Frage im Raum: Sehen wir auf dem Porträt von 1855 eben diese Geige? Ein Rät- Dresdner Hof sowie als Kirchenmusikdirektor das Dresdner sel, das es aufzulösen galt! Am ersten Öffnungstag Musikleben – vor allem durch seine engen Beziehungen zu der Ausstellung kam Daniel Hope ins Museum. Er verglich Bilder des von ihm seit 2011 gespielten Robert Schumann und Franz Liszt – intensivst geprägt hat. Instruments mit der Violine auf der über 150 Jahre alten Fotografie. Und war sich nach einstündiger Aber dass jetzt, durch die Recherchearbeit des Stadtmuseums Prozedur »zu 93 Prozent« sicher: Es handelt sich Dresden, nicht nur ein Foto dieses Meisters, sondern auch um die Ex-Lipiński! Damit haben sich schöne Verbindungen eröffnet. Verbindungen zwischen »unsere« Geige entdeckt worden ist, erfüllt mich mit Stolz. Lübeck (wo Daniel Hope studiert hat) und Dres- den, von der Bildgegenwart eines Virtuosen des DR. HOLGER STARKE Es freut mich enorm, dass dieses fabelhafte Instrument nun 19. Jahrhunderts zu einem überaus gegenwärti- Deutscher Historiker und Autor. wieder in meinen Händen nach Dresden zurückkommt.« gen Virtuosen unserer Zeit und zwischen den nun Kustos für Wirtschafts- und etwas näher gerückten Kulturinstitutionen Frau- Gesellschaftsgeschichte des enkirche und Stadtmuseum. Stadtmuseums Dresden
Sie können auch lesen