Vielen Dank an alle Schreiberlinge und an Unia für die Aufarbeitung!

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Vielen Dank an alle Schreiberlinge und an Unia für die Aufarbeitung!
Vielen Dank an alle Schreiberlinge und an Unia für die Aufarbeitung!

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Es war einmal in Cyrodiil.

Im Herzen Tamriels beobachtete ein scheues Reh von einer kleinen Lichtung aus, wie sich imperiale Sol-
daten näherten. Es fühlte sich bedrängt und lief zurück in den Wald, wo es sich geborgen fühlte. Nach ei -
ner kurzen Ruhephase flüchtete das Reh, als es hörte, wie sich die Soldaten erneut näherten und es zu ver-
folgen schienen.
"Stopp, Männer! Hier schlagen wir unser Lager auf.", sprach der Kommandant.
"Jawohl, Sir.", antworteten die anderen fünf Soldaten, legten ihre Rucksäcke ab und begannen mit dem
Aufbau der Zelte.
Die Dämmerung setzte ein und der Kommandant begann sich zu fragen, was ihn an diesem Ort wohl er-
warten würde. In Wahrheit fühlte er sich für andere Dinge berufen, als zum bloßen spähen und erkunden...

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Tod-im-Nebel, der argonische Assassine, der das Aufschlagen des Lagers aus einem Versteck in der ho-
hen Astgabel eines Baumes in der Nähe betrachtete, hatte im Augenblick ganz andere Gedanken.
"Wie konnte ich nur SO neben meinen Schuppen sein und diesen Auftrag annehmen?", fragte er sich
selbst im Stillen. "Ich weiß weder, wer das Ziel ist, noch wann ich es zu Gesicht bekommen werde. Hof -
fentlich sind die sechs Hautsäcke dort unten weiterhin so unaufmerksam, so dass ich nahe genug an mein
Ziel herankommen kann. Und die 1.000 Goldstücke sind natürlich auch nicht zu verachten!"

In den letzten vier Tagen hatte Tod-im-Nebel viele Entbehrungen auf sich nehmen müssen, schlechtes
Wasser, nur Pflanzen und kein bisschen Fisch oder Fleisch zu essen, unbequeme Nachtlager. Wenn man
von Schlaf überhaupt reden konnte, durch die ungewohnten Schlafstätten war sein Rückenkamm ziemlich
in Unordnung geraten.
Nun wollte er sich auf die Nacht vorbereiten, und vielleicht eine kleine Phiole mit Skooma gönnen, wovon
er, den Hist sei es gedankt, genug bei sich trug... Aber konnte er es sich wirklich erlauben? "Ich warte da -
mit lieber, bis ich meinen Auftrag ausgeführt habe, von der Belohnung gönne ich mir ein paar hübsche
Dunkelelfen im Bienenkorb in Gideon und endlich wieder was vernünftiges zu Essen."
Er hatte auch schon mit dem Gedanken gespielt, sich ein umherstreifendes Reh zu jagen, das sich aber
dann doch rechtzeitig aus dem Staub machte...

Die Soldaten waren nun fertig mit den Vorbereitungen für die Nacht, einer stand aufrecht mit dem Rücken
zum Feuer, die anderen schnarchten bereits in ihren Decken. Wie einfach es doch wäre, sich an diesen lär-
menden Haufen anzuschleichen und einen nach dem anderen lautlos zu Meucheln....

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Tod-im-Nebel wickelte sich auf seiner Astgabel in den Netchlederumhang, den er von seinem Vater, Jag-
t-im-Schatten, in langer Tradition vererbt bekommen hatte. Der Umhang war getränkt mit dem Blut der
Familie, nun schon in der sechsten Generation. Aber auch von Blut und anderen Resten der Feinde und
Opfer, die im Lauf der langen Tradition von Assassinen in seiner Familie in das Reich des Vergessens ge-
schickt worden waren.
Der Duft, der von dem Umhang ausgeht, war für ihn immer wieder mit angenehmer Erinnerung an seine
Heimat, die Familie und die großen Taten, die seinem Clan zuzurechnen waren, verbunden und ließ ihn in
einen angenehmen Dämmerzustand versinken. Gerade erholsam genug, um frische Kräfte für den nächs-
ten Tag zu schöpfen, aber nicht so tief, um die Wahrnehmung zu sehr einzuschränken oder gar vom Baum
zu fallen.

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"Ich sage Euch mal was, Khajiit: Was Ihr da redet, ist blanker Unsinn!"
Die Katze zischte neben ihr. "Woher wollt Ihr das so genau wissen, Bosmer? Seid Ihr schon einmal in
Sommersend gewesen?" Nach kurzer Pause fügte er noch hinzu: "Seid Ihr überhaupt schon einmal aus
Eurem Valenwald herausgekommen?"
"Weil Ihr ein notorischer Lügner seid, Khajiit. Das weiß doch jeder: Katzen sind Lügner - oder sie spre-
chen in Rätseln."
Der Khajiit zuckte nur mit seinen Fell besetzten Schultern. "Na, und? Trotzdem kann es doch in Sommer-
send Skeever geben, die fliegen können!"
Die Bosmer winkte ab. "Ach!" Sie sah im Licht der Dämmerung noch immer nicht damenhafter aus als
zuvor bei Sonnenschein. Ihre roten Haare wehte nur in verfetteten Strähnen im abendlichen Wind, ihr
Pony hing lustlos die Stirn hinab, und ihre Ohrspitzen versuchten durch wildes Zittern, durch die seit Ta -
gen nicht gewaschenen Haare zu dringen. Ihre Kleidung war so schmutzig, dass sie vermutlich von selbst
stehen würde, weshalb sie in der Sommersonnenhitze die Lederweste nicht über den Schultern, sondern an
den Ärmeln zusammengebunden um den Bauch geschlungen trug. Die ein oder andere Nacht hatten Unia
und ihr Gefährte S'Moir gemeinsam verbracht, seit sie Ganlas im Kampf mit drei Dunmer verloren hatten.
"Diese Reise nach Cyrodiil, diese ständigen Kämpfe und Euer unsinniges Gefasel gehen mir langsam
wirklich auf die Nerven, Khajiit.", setzte Unia nach einer Weile das Gespräch fort. Sie hatten mit der Zeit
eine Sprache und einen Umgang miteinander gefunden, der freundschaftlich-bissig war. Auch wenn die
Worte, die sie wechselten, sich nicht immer so anhörten, wussten sie im Kern doch, dass sie aufeinander
angewiesen waren, wollten sie gesund ins Territorium des Aldmeri-Dominions zurückkehren.
Der Khajiit setzte an: "Glaubt Ihr nicht, dass..."
Unia klatschte ihm eine Hand auf den Mund und zuckte mit dem Kinn in eine Richtung. Sofort richteten
sich die Katzenohren dorthin aus, und S'Moir nickte unmerklich, sodass die Bosmer die Hand sinken ließ.
Beide wussten: Kaiserliche waren in der Nähe, und sie würden dringend Deckung benötigen. Darüber hin-
aus ging Unia aber auch der Gedanke durch den Kopf, dass es bei den Kaiserlichen vielleicht auch Wasser
gab...

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***

Unteroffizier Brielus Lex trat etwas Dreck ins Frühstücksfeuer und verkündete den Abmarsch. "So Män-
ner und auch die Dame unserer Rekruten, fertig machen! Sind alle anwesend?!"
Unteroffizier Porcia Vulpin verdrehte die Augen, schlug sie aber schnell nieder und packte ihren Ruck -
sack, als Legionär und Kommandeur dieser Einheit Octavius Mercator sie tadelnd ansah. Leise, im Vor-
beischlendern, sprach er zu ihr: "Brielus macht seine Aufgabe gut. Nimm dir ein Beispiel, Mädchen."
Brielus begutachtete sein Schwert, das er nach dem putzen an den Baum gelehnt hatte. Es war umgefallen.
Er hob es auf, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden. "ICH HABE GEFRAGT, OB
ALLE ANWESEND SIND?! QUINTUS?!" Knapp und ebenso laut wurde im geantwortet.
"HIER!"
"CLEITUS?!"
"JAWOHL, HIER!"
Etwas weniger Laut fragte er nach der Rekrutin: "Und Gratia?!"
"Jawohl, Unteroffizier Lex, ich bin anwesend." Sie bedachte ihn mit einem schütterem Lächeln, das er zö-
gernd erwiderte, bevor er sich besann und zu Legionär Mercator blickte. Er hatte es zum Glück nicht be-
merkt.
Militärisch Korrekt begann Brielus Lex wieder zu brüllen: "FEUER AUS! LAGER RÄUMEN! UND
DANN IN REIHE AUFSTELLEN! IHR HABT ZEHN MINUTEN."
Etwas hastiger begannen die drei Rekruten das Lager zu räumen.
Nachdem Unteroffizier Porcia Vulpin ihren Rücksack gepackt hatte, sah sie kurz Legionär Mercator hin-
terher, der mit hinter der Hüfte verschränkten Händen etwas abseits des Lagers hinfort schlenderte, um das
Gelände zu begutachten. Halblaut sagte sie: "Hey, Brielus".
Brielus Lex hob die Augenbrauen und war unentschlossen, ob er die fünf Schritte auf Porcia zu machen
sollte. Er wusste, dass sie nicht viel von ihm hielt, und ihre unkorrekte Arbeitsweise störte ihn ebenso, wie
ihr seine korrekte. Er ging auf sie zu: "Was gibt es?"
"Na, lässt du wieder den Schleimscheißer raushängen?"
Er überhörte ihre Sticheleien: "Ich möchte nur, dass die Rekruten auch die Disziplin erhalten, die ihnen
gebührt."
"Schließt das auch ein, dass du Gratia schöne Augen machst?"
Das traf! Er unterdrückte ein schweres Schlucken, um ihr nicht zu zeigen, dass sie vielleicht Recht haben
könnte. Hatte sie denn Recht? Nein, gewiss nicht. "Nein, Porcia. Rekrutin Gratia ist eine der Besten ihre
Jahrgangs und hat vorgestern in Verteidigungsstrategien bei der Übung gegen drei Rekruten gleichzeitig
gewonnen."
Porcia verzog die Unterlippe: "Puh, nicht schlecht!", schmatze sie nickend vor sich hin.
"Sie war unbewaffnet, die anderen drei hatten Übungsschwerter", ergänze Brielus.
Ein erstauntes Pfeifen rang sich Porcia noch ab, bevor sie schnell das Interesse verlor und einen kurzen an-
gewiderten Blick auf die packende Gratia richtete, dann aufschrak, als jemand direkt hinter ihr stand. Das
spürte sie, weil dieser Jemand sie absichtlich am Stiefel berührte.

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Sie fiel fast auf den Hintern, als sich umdrehte, um zu sehen, wer da so nah hinter sie getreten war. Mit
den Händen auf den Knien blickte sie zu Mercator auf.
"Ihre Unaufmerksamkeit wird ihnen irgendwann den Hals kosten, Mädchen.", bedachte der graumelierte
Legionär Porcia ohne Emotionen in der Stimme. Er wand sich wieder ab und schlenderte wieder in die
Richtung, aus der er wohl scheinbar gekommen war. "Brielus."
"Jawohl." Brielus nickte, bei dieser unausgesprochen Aufforderung zum Abmarsch. "REKRUTEN, ICH
HOFFE IHR SEID FERTIG!" Diese standen schon in Reihe und bereit. "SONST KÖNNT IHR EUCH
AUF WAS GEFASST MACHEN! DIE ÜBUNGEN MIT DEM VERBUNDENEM GEWALTMARSCH
DAUERN AB HEUTE NOCH VIER TAGE. ALS NÄCHSTES WERDEN WIR SECHS STUNDEN
RICHTUNG SÜDEN MARSCHIEREN, DANACH UNSERE VORRÄTE AN EINEM WACHTURM
AUFÜLLEN UND OHNE PAUSE WEITERE SECHS STUNDEN MARSCHIEREN. ESSEN KÖNNT
IHR WÄHREND DES GEHENS! SOWEIT ALLES KLAR?!" Ohne auf eine Antwort zu warten, fügte er
hinzu: "DANN MARSCH, MARSCH!!" Er hievte sich seinen Rucksack über und marschierte hinter der
Reihe her, neben Porcia, die gedankenverloren auf ihre Stiefel starrte.

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"Kaiserliche", wisperte Unia und stupste S'Moir in die Seite. Er war offensichtlich eingenickt. "Kaiserli-
che", wiederholte sie nur ein Kleinbisschen lauter. "Tuten und blasen in der Gegend herum, aber ein
Trumscheit spielen können sie nicht." Sie nickte in die entsprechende Richtung aus dem Gebüsch heraus,
in dem sich die beiden versteckt hatten.
"Sie brechen auf?", fragte der Khajiit.
"Ihr habt das nicht gehört?", fragte Unia ungläubig. "Ihr werdet alt, mein Freund."
Der Trupp marschierte mit klimperndem Gepäck nur wenige Schritt entfernt an ihnen vorbei. Als sie vor-
übergezogen waren, wandte sich die Bosmer wieder an ihren Kollegen: "Kaiserliche Freunde oder kaiser-
liche Feinde, S'Moir? Was meint Ihr?"
Er zuckte mit den Schultern, sagte nichts und blickte dem Trupp hinterher.
Wieder stieß Unia ihm in die Seite, diesmal fester als zuvor. "Glotzt auf meinen Arsch, wenn Ihr einen se-
hen wollt!", zischte sie.
Er schrak zurück - ein Zeichen dafür, dass er ertappt worden war. "Ich... ich habe doch gar nicht..."
"Die Frage ist: Was tun? Sie werden kaum etwas zurückgelassen haben. Wenn wir etwas erreichen wollen,
dann jetzt." Unia dachte einen Moment nach. Schon in Kürze würden die Kaiserlichen nicht mehr in un-
mittelbarer Reichweite sein. Bogen ziehen oder nicht?
"Denkt an meine Worte.", sagte sie schließlich, kroch aus dem Gebüsch auf den Pfad, den der Trupp ge -
gangen war, und stand auf. Kurz noch klopfte sie sich Dreck von den Oberschenkeln, dann nahm sie ihren
Bogen vom Rücken und hielt ihn unaufgeregt am ausgestreckten Arm in Richtung Boden baumelnd. Sie
machte ein paar Schritt den Kaiserlichen hinterher, blieb dann stehen, stellte sich breitbeinig hin und sagte
so laut, dass die Kaiserlichen sie hören mussten: "Ich würde die sechs Stunden Gewaltmarsch lieber nicht
in diese Richtung machen!"

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S'Moirs Blick haftete einen aber auch nur wirklich ganz kurzen Moment an Unias Hintern, dann nahm er
seinen Bogen zur Hand und spannte einen Pfeil hinein. Aus seinem Versteck heraus und durch die Beine
seiner Kameradin hindurch zielte er auf den Kopf einer der beiden Frauen in Uniform, als die fünf sich
umdrehten und die Bosmer entdeckten.

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                                                  Tschack
Beinahe lautlos versank der mit Ornamenten verzierte Pfeil von S'Moir in einem weiblichen Schädel. Die
Wucht und Überraschung des Pfeils ließ den Körper zu Boden fallen. Beinahe wie in Zeitlupe konnten die
4 Soldaten beobachten, wie ihre Gefährtin fiel. Man hörte noch das Gerassel, als die Metallteller und der
Eisentopf im Rucksack auf den Sandboden des Wanderpfades prallten.
Es war Unteroffizierin Porcia Vulpin.
Völlig ungläubig und im Schockzustand richteten die vier Soldaten ihre Blicke auf den Angreifer.
Ein Khajiit.
"Du widerliches Biest!", schrie Gratia. Die sonst so schüchterne Frau wurde wütend.
"ICH HACKE DIR DEINEN VERDAMMTEN KOPF AB, DU ERBÄRMLICHE FEIGE DRECKSKAT-
ZE!", schrie Brielus Lex. Er war so berauscht vom Adrenalin, was durch den Schockzustand hervorgeru-
fen wurde, dass er wutentbrannt in Richtung des Khajiit S'Moir rannte, ohne nach rechts oder links zu
schauen. Was viele nicht wussten: obwohl sie sich gern gegenseitig stichelten wegen ihrer Arbeitsweise,
hatte er mehr für Porcia empfunden, als er zugeben mochte und wollte.
Der Legionär Octavius Mercator war außer sich. "Was rennt denn dieser Schwachkopf einfach los? HA-
BEN WIR NICHT GELERNT RUHIG ZU BLEIBEN IN UNSERER EINHEIT, ODER WAS?" Er
scheuchte Gratia und Cleitus in den nahen Wald. "Lauft!", rief er den beiden zu. Gratia begann zu laufen
und Cleitus zögerte, wurde jedoch durch eine harsche Handbewegung des Legionärs unmissverständlich
zum Gehen aufgefordert.

Die beiden rannten tiefer in den Wald hinein und hörten noch aus der Ferne, wie Octavius Mercator rief:
"Kommt schon, ihr feigen Schweine!" Mehr konnten sie nicht verstehen, da durch das Rascheln der Blät -
ter und das Aufstampfen der Füße auf dem Boden alle anderen Geräusche wie verschluckt schienen. Sie
rannten gefühlte 10 Minuten, bis sie an einem kleinen Teich Rast machten. Beide waren völlig erschöpft,
Cleitus setzte sich und Gratia begann zu schluchzen.

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"Was, verdammt nochmal, tut Ihr da?", schrie Unia aufgebracht in Gebüschrichtung und ließ ihren eige -
nen Bogen zu Boden fallen. Hatte der Khajiit tatsächlich durch ihre Beine hindurch den Kopf der Kaiserli-
chen getroffen? Es war ein kurzer Luftzug, den sie gespürt hatte, und seitdem war sie wie berauscht. Sie
versuchte sich zusammenzureißen und hob die Hände, drehte die Innenflächen den drei verbliebenen zu.

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"Seht, ich bin ohne Waffe!" Das stimmte zwar nicht, aber zum einen konnten sich die Kaiserlichen sicher-
lich denken, dass sie log und noch irgendwo einen Dolch versteckt hatte, und zum anderen spielte es in
der Situation weniger einer Rolle: Sie machte deutlich, dass sie an einem Kampf nicht interessiert war.
S'Moir kam aus dem Gebüsch heraus, den Bogen auf den Rücken gelegt und ebenfalls mit erhobenen Hän-
den. "Verzeihung", sagte er bloß und stellte sich neben die Bosmer.
"Ihr seid irre", fauchte sie ihn an, und er machte ein katzenhaftes Fauchen zurück.
"Bei Kaiserlichen weiß man nie", gab er zu Bedenken. "Und die Frau sah gefährlich aus."
Unia trat einen Schritt vor: "Wie auch immer: Wir sollten das, was geschehen ist, als eine Art... Kommu-
nikationseinstieg werten, was meint Ihr?" Sie wandte sich an den besser gekleideten Soldaten. Vorsichtig
nahm sie eine Hand herunter und reichte sie ihm dar: "Ich bin Unia Herbstweide, dieser Khajiit hinter mir
ist S'Moir."
Der Kater trat ebenfalls vor. "Habt Ihr vielleicht etwas Wasser für uns, damit wir uns waschen können?"

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"Runter auf die Knie!", gab Mercator im Befehlston zu verstehen, dass in dieser Situation keinesfalls mit
ihm zu spaßen war. "Hände auf den Kopf, da wo ich sie sehen kann!"
Quintus war nicht mit Cleitus und Gratia geflüchtet, wie es ihnen aufgetragen worden war, sondern starrte
die ganze Zeit über auf die Leiche Porcias.
Brielus wippte vor und zurück, mit dem Schwert mehr als angriffsbereit in den Fäusten.
Zögernd ließ sich Unia auf die Knie nieder, hob die Hände und blickte zu S'Moir. Der Khajiit schien tat-
sächlich Anstalten machen zu wollen, diesem Befehl nicht nachzukommen. Unia wisperte: "Nun mach
schon!"
Im Plauderton gab S'Moir Unia zu verstehen: "Du weißt schon, dass sie mich dafür hängen werden?"
Brielus schrie vor Wut, "VIELLEICHT WERDE ICH DIR JETZT UND SOFORT DAS FELL ÜBER
DIE OHREN ZIEHN, DU VERDAMMTES BIEST!"
S'Moir hob beschwichtigend die grazilen Bogenschützen-Tatzen. "Sachte, sachte mein Freund."
"BEI DEN ACHT GÖTTLICHEN, HALT DEINE SCHNAUTZE!"
Unia versuchte die Lage zu beruhigen: "Es war ein Versehen. Er hatte zwischen meinen Beinen hindurch
gezielt und da ist es einfach passiert. Vielleicht habe ich ihn sogar angestoßen."
Brielus war nicht zu beschwichtigen. Mercator trat neben ihn: "Waffe runter Soldat! Kümmer dich um
Quintus. Hebt am besten zusammen ein Grab aus." Mercator war erprobt aus unzählige Schlachten. Er
hatte viele Männer und Frauen sterben sehen. Der Tod war für ihn nichts Neues. Seine Selbstsicherheit
übertrug sich auf seine Mitstreiter, wie eine Gabe. Brielus zitterte vor Wut, ließ sein Schwert aber sinken
und nickte. "Ich kümmere mich um die zwei. Geh nun!"
Brielus Wut wandelte sich in Mitgefühl und Trauer, als er den erstarrten Quintus seine Hand auf die
Schulter legte, der sich keinen Zentimeter rührte. Zusammen machten sie sich an die Arbeit, ein Grab aus -
zuheben.
Mercator trat nun gelassen ein paar Schritte näher, sein Schwert locker in der Hand.
"Auf die Knie mit euch! Es wird eine faire Verhandlung geben, Khajiit."

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"Fair?", wiederholte Unia das Schlüsselwort aus Mercators letzter Bemerkung, und wiederholte es noch
einmal zynischer: "Fair?" Sie suchte seinen Blick. "Ihr glaubt doch nicht allen Ernstes, dass wir Euch das
glauben. Ihr seid Kaiserliche!" Die Bosmer nahm langsam ihre Hände vom Kopf und streckte sie zu den
Seiten weg, um mit dieser Geste sprichwörtlich die gesamte Gegend zu umgreifen. "Seht Euch Eure Pro -
vinz an!", fuhr sie fort. "Ihr seid dem Ruin nahe. Von allen Seiten kommen Feinde, die nicht nur Euch,
sondern auch sich gegenseitig bekämpfen. Überall liegen Tote herum, ob Mer oder Menschen." Sie hüstel-
te. "Fair... Tse..." Sie ließ die Hände auf ihre Oberschenkel sinken und schaute den Soldaten von unten her
an. "Ihr seid gar nicht mehr in der Lage, Herr zu werden über Euer eigenes Land. Die Dunmer kommen
oder die Orsimer! Und alle Seiten zwingen Euch, Stellung zu beziehen, Partei zu ergreifen." Sie wagte es
aufzustehen und stand nun Mercator direkt gegenüber. "Wofür steht Ihr, Soldat? Für Fairness etwa?" Sie
blickte zu dem Kater hinab. "Wir sind nicht hier, um mit Euch zu plaudern. Wir sind auch nicht hier, um
mit Euch zu kämpfen. Seit mehreren Monden, anfangs zu dritt, durchziehen wir Cyrodiil. Wir wollen le -
diglich nach Hause." Sie deutete in die Richtung, in die die beiden Weggeschickten geflohen waren: "In
diese Richtung jedenfalls lauft Ihr glatt in einen Hinterhalt. Wenn Ihr aber nicht bloß spähen oder erkun-
den oder zwei Fremden einen fairen Prozess machen wollt, dann werden wir Euch helfen, Beute zu ma-
chen. Die Dunmer halten sich für unbezwingbar. Hättet Ihr nicht Lust, es Ihnen mal so richtig zu besor-
gen?" Sie wartete gespannt auf seine Antwort.
Mercator schlug ihr mit dem Schwertgriff hart ins Gesicht. Sie plumpste wie ein nasser Sack in sich zu -
sammen. Er fragte sich kurz, ob er zu hart zugeschlagen hatte, außerdem dachte er, sie würde ausweichen.
Sie war wohl doch nicht so gut wie er vermutet hatte.
S'Moir ergriff einen Dolch, den er aus dem Hüftgürtel zog. Mercator hielt ihm schon das Einhand-Breit-
schwert eines Kaiserlichen an das Nackenfell.
"Wir sind viele, wir stehen für Gerechtigkeit, und auch, wenn wir keinen Kaiser haben, haben wir dennoch
unsere Regeln und Gesetze. Ohne uns würde alles im Chaos versinken."
Er war unvorsichtig gewesen und seine Strafe war es, Unias Klinge an seinem Hals zu spüren. Er hatte sie
wirklich unterschätzt.
Sie wischte sich etwas Blut aus dem Mundwinkel.
"Waffe fal... !"
Ein lautes Grollen, ähnlich wie von Donner, war direkt über ihren Köpfen aus weiter Ferne zu vernehmen.
Gemeinsam erschraken sie. Mercator blickte gen Himmel "Oh, nein." Unia und S'Moir folgten seinem
Blick zögernd und mit Vorsicht, um einer Hinterlist gewappnet zu sein.
S'Moir keuchte. "Was ist das?"
Brielus hatte Quintus überzeugen können, sich apathisch daneben zu stellen, während er schaufelte. Nun
blickten sie aufgeschreckt zum Himmel.
Gratia fand ihr Entschlossenheit zurück, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und forderte Cleitus mit
gebrochener Stimme auf: "Wir müssen zurück."

Sie ahnten nicht, dass zwei Pfeilspitzen auf ihre Köpfe zielten. Lord Arakohm Magent behielt seine Hand
erhoben, um den beiden Dunmer an seiner Seite anzuzeigen, dass sie bereit zum Schuss bleiben sollten.
Als das Grollen erklang, öffnete er die Hand, statt den Arm fallen zu lassen. Die Bögen sanken langsam.

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Alle blickten gen Himmel.
Mercator, Unia, Brielus, Gratia und Arakohm wisperten gemeinsam ehrfurchtsvoll: "Anker."

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Unia steckte sofort ihren Dolch hinter den Gürtel ihrer Jacke, bückte sich, griff nach dem daliegenden Bo-
gen und sagte zu S'Moir: "Etwas, wovor wir weglaufen sollten." Sie wandte sich an Mercator: "Wir sehen
uns bald wieder, Soldat. Vielleicht bei angenehmerem Wetter. Wenn Ihr ein Trumscheit auftreibt, singe
ich auch für Euch und Eure Soldaten ein Lied."
Sie drehte sich weg und gab dem Khajiit einen Stoß. Er blickte noch immer wie gebannt gen Himmel und
in den dunklen Trichter hinein, der sich dort aufgetan hatte. Sie hatte Mühe, ihn zum Gehen zu bewegen,
doch als sie ihm eine Backpfeife verpasste, erwachte er aus seiner Trance und folgte der Bosmer durch das
Gebüsch und danach mit schnellem Schritt zurück in Richtung der Ebene, von der aus sie gekommen wa-
ren. Es war ein Weg, der sie zu dem Ort des letzten Gemetzels zurückführen würde, doch feindlich geson -
nene Nord oder Dunmer waren zumindest Unia nun lieber als Daedra.

Mercator ließ die beiden aus dem Dominion gewähren. Er konnte gut nachvollziehen, dass sie derart rea-
gierten - zumal die Elfe noch recht jung zu sein schien und der Khajiit nicht einmal wusste, was ein Anker
war. Sie brachten sich in Sicherheit, oder versuchten es zumindest, doch ihm und seinen Soldaten war ein
anderes Schicksal bestimmt. "Auf zu den Waffen!", rief er und wandte sich noch an Quintus: "Blast das
Horn! Die anderen sollen zurückkehren! Daedra kommen!"

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Just in dem Moment, als sich die Soldaten versammelt hatten, riss der Himmel, an der Stelle, an der sich
die Luft zu purer Schwärze verdichtet hatte, mit einem ohrenbetäubenden Knall. Ein gigantischer Anker,
an Kettengliedern, die so Groß wie vier Nordmänner lang waren, schnellte gen Boden, auf die Gruppe zu.
Die Soldaten zerstreuten sich, um nicht beim Aufprall des Ankers zerquetscht zu werden. Die Erde erzit-
terte beim Aufprall. Staub, Dreck und Schutt wurden aufgewirbelt und nahmen den Soldaten kurzzeitig
die Sicht. Bevor sie sich in Formation ordnen konnten, erschien die erste Kreatur. Die Verbindung durch
den Anker war vollbracht. Gesandt aus Molag Bals Ebene, stierte Gratia auf den Rücken einer riesigen
Echse, einem Daedroth, der vor ihr aus einer violetten Wolke stapfte. Der Alligator ähnliche Kopf
schwenkte umher, das Gelände sondierend. Ohne zu zögern hackte sie auf den Daedroth ein und verstüm-
melte einen Arm des Monstrums.

Sieben Wolken bargen den Übergang weiterer Daedra.

Cleitus hatte wenig Glück, als er seinen eigenen Schädel in den Klauen eines Daedroth wiederfand. Er
hörte nur noch das Knacken seiner Knochen.

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Mit einem Fuß das Knie des Daedroth als Stufe benutzend, rammte Arakohm seine Zwillingsklingen in
Schuppen besetzten Hals des Monstrums. Dann riss er seine Arme und Schwerter empor. Gleichzeitig
schlugen der tote Cleitus und der abgetrennte Schädel der Echse dumpf auf den Boden. Nachdem Arak-
ohm seine Schwerter im Hechtsprung zurück an ihren Platz brachte, fiel auch der Körper der Kopflosen
Echse zuckend in sich zusammen.

Quintus Genick brach durch den Schlag des verletzten Daedroth, mit dem Gratia beschäftigt war. Gur-
gelnd versuchte er noch, seinen Schädel in die rechte Position zu bringen, bevor er umknickte und sich
sein letztes Flötenspiel in die Hose ergoss. Er landete auf seinem Gesicht und verdrehten Hals, mit dem
Hintern den Himmel grüßend.

Was in diesem Moment nicht brach war, Gratias Überlebenswille und die damit verbundene Konzentrati-
on, die sich für den Kampf aufbrachte. "Stirb, stirb, STIRB!!!" Sie hackte auf den Daedroth ein, bis dieser
nicht mehr wusste, wie er seine Innereien bei sich behalten sollte. Zwei überflüssige Pfeile trafen das tod-
geweihte Monstrum. Gratia blickte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Zwei Dunkelelfen, die
Zwillinge zu sein schienen, winkten ihr gleichzeitig grinsend.

Brielus schrie.

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"Meinst du wirklich, wir können diese Leute gegen Daedra allein lassen?", fragte S'Moir.
Sie waren eine Weile gelaufen ohne zurückzuschauen, doch das Zischen, Donnern und Krachen, das die
Anker und der Riss verursachten, drangen in ihre empfindlichen Ohren.
Unia blieb stehen, stemmte die Hände in die Hüften und rammte dem Khajiit einen Ellbogen in den
Bauch, als er auf sie auflief. "Ihr wolltet diese Leute doch selbst umbringen", fauchte sie in nicht gerade
freundlichem Ton. "Ich hatte das nicht vor!" Nun blickte sie zurück. Der finstere Anker hing bedrohlich
am Himmel. "Nun lassen wir das eben die Daedra tun."
Auch der Kater blickte sich um. "Und was ist, wenn die Daedra uns hinterher kommen?"
"Dann werden wir noch schneller laufen."
"... bis der Himmel woanders wieder aufreißt...", fügte S'Moir leise hinzu.
Unia schlug ihm mit der Handinnenfläche auf die Stirn. "Schaltet Euer Gehirn ein, Kater! Glaubt Ihr wirk-
lich, Ihr könntet gegen die Daedra etwas ausrichten?"
"Mal sehen..." Er öffnete seine verstaubte und verdreckte Beuteltasche und kramte kurz darin herum.
Dann zog er einen Flacon daraus hervor. "Wie wäre es mit Gift?"
Die Bosmer runzelte die Stirn, wiegelte aber nicht sofort ab. "Hattet Ihr das schon immer dabei?"
Der Khajiit nickte.
"Und wieso habt Ihr es nicht schon früher benutzt?"
"Es ist für besondere Fälle."

                                                     9
"Woraus besteht es?"
"Blasenpilz, einer Jarrinwurzel und einem menschlichen Herz."
Bei letzterer Zutat hob Unia die Brauen. "Klingt... nicht so gut."
S'Moir nickte eifrig. "Doch, doch, es ist toll." Er reichte ihr das Fläschchen. "Wir tunken einige Pfeilspit-
zen hinein. Du musst die Daedra lediglich treffen. Solltest du vorbei schießen und sie auf uns aufmerksam
werden, werden wir sterben. Andernfalls sterben sie."
Unia bewegte mit zusammengepressten Lippen ihren Mund hin und her, während sie über die Möglichkeit
nachdachte. Schließlich nahm sie das Fläschchen und griff mit der anderen Hand in den Köcher, der an ih -
rem Gürtel baumelte, um ein paar Pfeile herauszuholen. "Für wie viele wird es reichen?"
"Ich weiß nicht genau", meinte der Khajiit. "Eine Handvoll vielleicht."
Sie begann, die zähe Flüssigkeit auf die Pfeilspitzen zu träufeln und benutzte ihre Handschuhe, um nicht
selbst mit dem Gift in Berührung zu kommen, um es darauf etwas zu verteilen. Anschließend steckte sie
sich fünf derart präparierte Pfeile mit den Spitzen zu Boden gerichtet hinter ihr Koppel. "Ihr bleibt hier,
Khajiit."
"Was, wieso denn?", protestierte er.
Sie griff ihn an den Schultern. "Ihr werdet hier warten!", bekräftigte sie. "Ihr werdet warten, ob ich zu-
rückkomme. Wenn nicht, werdet Ihr laufen und in Eure Heimat zurückkehren. Ihr werdet berichten, Ihr
werdet Verstärkung besorgen, wieder nach Cyrodiil kommen und meiner Ehre Genüge tun. Aber Ihr wer-
det hier und jetzt nicht sterben!" Sie ließ ihn los und machte sich auf den Weg. "Bis gleich.", rief sie noch
zurück, dann verschwand sie hinter Bäumen und Gebüsch.

Sie fand einen festen Baum und kletterte in Eile den Stamm hinauf bis zu einer Stelle, von der aus sie
einen guten Blick auf das Schlachtgetümmel hatte. Mehrere Leichen lagen bereits herum, darunter auch
einer der Daedra. Eine kaiserliche Frau wehrte sich nach Kräften, zwei Bogenschützen unterstützten sie.
Irgendwo blitzte es kurz auf. Unia blickte in die entsprechende Richtung und kniff die Augen etwas zu-
sammen, um besser erkennen zu können, was da gewesen war. Irrte sie sich, oder saß dort ein Argonier im
Baum, dessen Schuppen manchmal glitzerten? Er tat jedoch scheinbar nichts weiter als zu beobachten.
Unia konnte das nachvollziehen. Ihr war ganz anders geworden, als sie sich der Schlacht genähert hatte.
Nicht umsonst war ihre erste Reaktion gewesen, möglichst weit weg zu kommen. Doch sie musste ihre
Angst unterdrücken - immerhin hatte sie nun etwas, womit sie sich wehren konnte. Sie nahm ihren Bogen
vom Rücken und spannte einen der präparierten Pfeile hinein. Das Elfenholz knirschte leise, und die Seh-
ne dehnte sich. In optimaler Reichweite für ihren Bogen kämpfte der Legionär, mit dem sie gesprochen
hatte, gerade gegen einen der Daedra, und sie zielte auf diesen Zweikampf. Einige Momente lang musste
sie abwarten, bis sich die Gelegenheit ergab, den Feind und nicht den Menschen zu treffen, doch als letzte-
rer auf den Rücken geworfen wurde und das Monster Molag Bals von unten her und seinem sicheren Tod
in die Augen sah, ließ Unia den Pfeil vom Bogen. Das Sirren des Pfeils ging in dem allgegenwärtigen Ge-
töse zwar unter, doch sie traf den Daedra am Schädel. Durch den Aufprall allein wurde er zur Seite und zu
Boden gestoßen. Gleich darauf löste er sich vor den Augen des Legionärs und zu Unias fast schon Entset -
zen auf und verschwand.
"Tolles Gift!", rief sie, während der Legionär sich aufrappelte, und griff nach dem nächsten Pfeil.

                                                     10
***

Aus der Ferne vernahm Chufu gro-Khash das Grollen. Es war mit einem Mal derart dunkel geworden,
dass er die Arbeit an seiner neuen Rüstung nicht vollenden konnte.
"Was is'n das?", grunzte sein Schüler Lugrob gro-Mazak.
"Weiß nich'. Lass uns nachsehen. Hol mir meine Axt!", sagte Chufu gro-Khash und begann ungeduldig
mit seiner Hand zu fuchteln.
Lugrob gro-Mazak legte das Schwert zur Seite, das er gerade schliff, und erhob sich von seinem Hocker,
um die Axt zu holen. Er ging in eine kleine Kammer und ergriff dort die große, mit Kerben versehene
Zweihandaxt. Eine Meisterarbeit. Er war stolz darauf, das Schmiedehandwerk zu lernen, denn sein Vater
konnte es ihm nicht mehr beibringen. Dieser starb vor einigen Jahren im Kampf gegen kaiserliche Solda -
ten, zumindest erzählte ihm das seine Mutter. Hier in diesem kleinen Dorf konnte er sich auf seine neue
Bestimmung absolut konzentrieren, aber vom Kämpfen war er dennoch nicht begeistert. Eigentlich hätte
er sich freuen müssen, war es doch ehrenhaft, sich im Kampf mit anderen zu messen und für seine Sache
zu sterben, so dachten jedenfalls die meisten Orks, doch er sah keinen Sinn darin und wollte einfach nur
schmieden... Während er noch in Gedanken die Axt betrachtete, hörte er ein Grollen.
"MEINE AXT!", rief Chufu gro-Khash.
"Ja!", rief Lugrob gro-Mazak.
Er rannte zügig zu seinem Meister, übergab ihm die Axt und ergriff seinen Schild und die selbst ge -
schmiedete Einhandaxt.
"Lauf und hol Verstärkung. Ich werd' mir das Getöse einmal ansehen und komme dann zurück, um mit
euch gemeinsam vorzustoß'n. Wenn ich nich' bald zurück bin, dann kommt nach!", sprach Chufu gro-K-
hash und machte sich auf den Weg zu dem merkwürdigen Getöse und Grollen, welches vom Himmel zu
kommen schien.
Das Dorf, von dem aus er losging, lag in einem Tal. Er ging mit raschen Schritten einen Hügel hinauf, um
mehr zu sehen. Doch vor ihm lag ein Wald, und das Grollen schien von dahinter herzukommen. Er musste
also dort durch. "Hasse Wälder...", grummelte Chufu gro-Khash. Er betrat den Wald, und je dichter er hin-
einging, desto lauter wurde es. Zudem wurde es sehr dunkel, doch die Augen des Orks waren geschult in
der Dunkelheit. Er konnte nun auch das Klirren von Schwertern hören, und er hörte ein Schreien und
Quietschen. Dunkle Stimmen flüsterten.
"Daedra!", wurde ihm bewusst, und er griff seine Zweihand fest.
"HUUUUUUUAAAAAAAAAAAAAAAAAAAARGH!" Mit einem wilden Kampfgeschrei rannte er auf
den großen Daedra, der aussah wie eine riesige Echse, zu und schlug ihm mit der Axt einen Arm ab. Die
Augen des Orks wurden groß.

                                                  ***

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Unia zielte erneut auf eine der bösartigen Gestalten. Doch dieser Daedra bewegte sich schnell über das
Schlachtfeld, und sie hatte Mühe, ihn anzuvisieren. Ein ungeheurer Schrei erschallte genau in dem Mo -
ment, als die Bosmer schoss, und lenkte sie für die Zeit eines Wimpernschlags ab. Als der Pfeil bereits
durch die Luft und auf den Daedra zu schoss, kam ein Ork mit schwingender Axt aus dem Wald und stell-
te sich der Kreatur entgegen. Unias Pfeil verfehlte sein Ziel und blieb einige Schritt jenseits der Bestie im
Boden stecken. Unia fluchte und war gerade dabei, einen neuen Pfeil hinter ihrem Koppel hervorzuziehen,
als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung in dem Baum ausmachte. Den Pfeil in der Hand, drehte sie
sich um – und sah sich einem Daedra gegenüber. Noch bevor sie reagieren konnte, verlor sie nach dessen
harten Schlag in ihre Rippen das Gleichgewicht. Sie stürzte mehrere Schritt tief und mit dem Rücken zu-
erst in den matschigen Boden. Beim Aufprall wurde ihr die Luft aus den Lungen gepresst, und sie stöhnte.
Ihr Bogen war irgendwo anders hingefallen, und die beiden letzten Pfeile, die noch hinter ihrem Koppel
gesteckt hatten, waren herausgefallen und verschwunden. Da der Boden weich war, hatte sie sich offen-
sichtlich bei dem Sturz keinen Knochen gebrochen, doch benommen war sie, und benebelt war ihr Blick.
Sie versuchte, den Daedra im Auge zu behalten, doch sie war sich nicht sicher, ob da eine Bewegung über
ihr war – auf dem Ast, auf dem auch sie gesessen hatte. Komm schon, du blödes Mistvieh!, dachte sie. Ich
spieße dich auf wie einen Vampir! Mit verkrampfter Hand streckte sie den einzigen vergifteten Pfeil em-
por, den sie noch hatte, und hielt ihn dem Daedra entgegen.
Der Daedra zögerte nicht lang, denn Unia hatte sich beim Sturz eine Wunde am Arm zugezogen und blu -
tete leicht. Dieses Blut sandte einen derart verlockenden Duft aus, dass der Daedra von dem Ast herunter-
sprang und sein Maul weit aufriss, um Unia zu verschlingen. Mit letzter Kraft, aber noch ein wenig außer
Atem, rollte Unia schnell zur Seite und wich dem Maulschnapper aus. Das Adrenalin stieg ihr durch den
Körper. Sie hatte keine Angst, aber der Schockzustand des Möglicherweise-gefressen-werdens ließ ihr
Blut pulsieren. Ihre Augen tasteten die Umgebung rasch ab und sie entdeckte ihren Bogen. Mit einem Mal
kam der Daedra erneut angesprungen und schlug mit den Krallen erneut nach ihr. Er merkte jedoch zu
spät, dass diese erneut mit einer gewandten Rolle beiseite flüchtete, ihren Bogen schnappte, den Pfeil an -
legte und sofort schoss, während sie noch in der Hocke war. Der Daedra besaß nun einen Pfeil im Herzen.
Wenige Augenblicke danach löste er sich auf und seine Seele verschwand in die Tiefen des Oblivion.

Chufu gro-Khash konnte einen Sieg verbuchen, denn er hatte es derweil geschafft, einen anderen Daedra
mit einem gespaltenen Schädel zu Fall zu bringen. Das Blut tropfte von seiner Axt... und er erblickte Unia,
die sich rasch hinter einem großen Baum versteckte.

Wenige Zeit später hatten die kämpfenden Verteidiger sich schließlich vollends gegen die Angreifer Mo-
lag Bals durchgesetzt und sie dahin zurück geschickt, von wo sie gekommen waren. Die Anker lösten sich
auf, und der Riss im Himmel schloss sich mit genauso lautem Getöse, wie er entstanden war. Das Licht
der Sonne kehrte auf das Schlachtfeld zurück, auf dem sich die Kämpfer befanden.

Mercator keuchte und rang nach Luft, auf den Knien im Blut eines seiner Soldaten sitzend. Er nahm dem
Toten das Horn ab, reinigte es grob und blies hinein. Welche Kaiserlichen sich auch immer noch lebend
unter ihnen befanden: Sie mochten sich um ihn versammeln.

                                                     12
Unia sah den Ork, der letztlich mit seiner Kraft und seiner Axt die Wende im Kampf gebracht hatte, wie er
sich einmal kurz umschaute und dann auf dem Absatz wendete, um scheinbar wieder dorthin zu ver-
schwinden, woher er gekommen war. Sie selbst legte sich ihren Bogen auf den Rücken und kam hinter ei -
nem Baum hervor, hinter dem sie Deckung gesucht hatte – und blickte in die Pfeilspitzen zweier Dunmer.
Sie riss die Augen auf: Die beiden waren voneinander nicht zu unterscheiden. Sie blinzelte einige Male,
um zu überprüfen, ob sie vielleicht doppelt sah, doch die Zwillinge verschwanden nicht und rührten sich
auch nicht. Ein dritter Dunmer kam hinzu, der offensichtlich ihr Anführer war, denn er sprach zu ihr: "Ihr
da! Bosmer! Ihr kommt mit!"
"Wohin?", fragte Unia unbefangen. Bei ihrem Aufenthalt in Cyrodiil hatte sie bereits mehrere Dunmer ge-
troffen, und alle von ihnen waren nicht sonderlich... nett gewesen. "Habt Ihr etwas zu Essen für mich? Ein
Lagerfeuer oder so?" Natürlich war ihr bewusst, was sie mit ihr vor hatten.
"Ihr werdet sterben!", erwiderte der Dunmer. "Und wenn Ihr weiter redet, dann hier und sofort!"
Etwas raschelte über ihr, und die Stimme von S'Moir erklang: "Hier wird jetzt niemand mehr sterben!",
rief der Khajiit vom Baum herab. Alle vier, die auf der Erde standen, blickten erschrocken hinauf. Unia
bemerkte, dass die Zwillinge nicht nur überrascht waren, sondern mit ihren gespannten Bögen auch umher
suchten, ob sie die Quelle der Stimme in dem Baum ausfindig machen konnten. Doch der Khajiit war ein
Schatten in dem Laub des Baumes. Selbst Unia hatte – als Bosmer durchaus darin geübt, sich in Bäumen
zurecht zu finden – Mühe, ihn zu entdecken.
Ein Blitz durchzuckte die Szenerie und sofort darauf noch ein weiterer. Beide trafen die Bögen der Zwil -
linge und schlugen diese jenen aus den Händen. Die Waffen fielen zu Boden, ohne jedoch Schaden zu
nehmen, und gleich darauf fiel ein Schatten hinterher – direkt hinter den Dunmer-Anführer: S'Moir. Er be-
rührte den Dunmer nicht, sondern sprach lediglich, sodass dieser herumfuhr. "Hört Ihr diese Stille, Dun-
mer?", fragte der Khajiit. "Ihr habt soeben Götter in die Flucht geschlagen. Findet Ihr nicht, jeder hier hat
eine Pause verdient?" Es dauerte einige Augenblicke, doch dann gab der Dunmer seinen Gefolgsleuten ein
Zeichen – und Unias Haltung entspannte sich. Noch einmal wandte sich der Anführer an sie und hob den
Zeigefinger nah vor ihr Gesicht. "Wenn ich Euch das nächste Mal zu fassen bekomme, seid Ihr tot."
Unia nickte. "Damit kann ich leben.", erwiderte sie frech.
Die drei Dunmer wandten sich ab und verschwanden daraufhin im Wald.

                                                    ***

"Mein Lord, wenn die Frage gestattet ist, warum wolltet Ihr, dass sie mitkommt?"
Arakohm wandte im Gehen einen Zauber an, den seine beiden Dunmer-Begleiter direkt als den Verstär-
kungszauber erkannten, um sie kampffähiger zu machen.
Eine kurze Zeit der Anspannung verflog, als sie verstanden, dass dies die Antwort war und keine Kampf-
bereitschaft signalisieren sollte.
"Synergie?"
Arakohm nickte.
"Welche nutzt sie?"

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"Das weiß ich noch nicht. Ich weiß nur, dass sie die Begabung dafür hat."
"Wieso habt Ihr ihr dann mit dem Tod gedroht?"
Arakohm schmunzelte innerlich: "Weil man das von uns erwartet, Waidvin."
Waidvin verstand dies nicht sofort, sein Zwilling schien diesmal schneller zu sein. Mol'zin erwiderte für
sich und seinen Bruder: "Dann werden wir also auf ihrer Fährte bleiben."
Arakohm hatte die Brüder Waidvin und Mol'Zin Dun'Vaen: auserwählt, an seiner Seite zu kämpfen, weil
sie besser als jedes andere Duo seine Gedankengänge verstanden und ergänzten. Arakohm hatte Jahre da-
mit verbracht, Synergien zu studieren. Er war Perfektionist. Bis vor kurzen hatte er gedacht, man könnte
seine Gruppe von drei Kämpfen nicht mehr optimieren. Diese Frau jedoch...
Der Khajiit passte nicht zu ihr, sie gab ihm mehr, als er umgekehrt sinnlosem wie Freundschaft. So eine
Verschwendung von Kraft. Vielleicht auch eine andere Art der Überheblichkeit, oder dachte sie, ihre Fä-
higkeiten wären stark genug, dieses nichtsnutzige Wesen für immer zu schützen?
Arakohm malte sich in Gedanken aus, wie sie mit ihnen zusammen kämpfte, sich ihre Synergien vereinten
und sie stärker machten. Unbesiegbar.
Dass sie keine Dunmer war, war zweitrangig. Was viel wichtiger war: sie müsste sich ihnen 'freiwillig' an -
schließen. Nur so konnten sie gemeinsam perfekt sein.
Die Dunmer würden ihnen folgen, bis sich eine Gelegenheit bot.

                                                   ***

"Dieses verdammte Licht!" Es war hell im Schlafsaal der Kathedrale, als ich erwachte. Gleißendes ver-
fluchtes Licht stieß durch die bunten Kristallglasfenster und durchflutete den gesamten Raum. Ich zog
meine Bettdecke über den Kopf. Die Kapelle von Choroll war eh viel zu groß. Wer brauchte schon eine so
große Kirche? Das einzige, was man hier tun würde, wäre beten, aber dafür bräuchte man doch keinen
Schlafsaal, der mindestens zweihundert Betten hatte, eine Speisekammer, die mit mehr gefüllt war, als
fünf ausgewachsene Riesen in vier Monaten essen könnten, und einen Gebetsraum, der einen Altar für je -
den der Acht göttlichen, natürlich mit viel zu viel Gold verziert, bereit hielt. Schon während meiner Temp-
lerausbildung wusste ich, dass irgend etwas in dieser Institution nicht ganz stimmen konnte. Wir sollten
immer schön Bescheidenheit und Liebe zum Leben predigen, aber selbst baute sich die Religion Monu-
mente des Protzes... Ich, als Diener Akatoshs, sollte am besten wissen, was es hieß, bescheiden und gut-
mütig zu sein, aber nein, sie mussten mich ja aus ihrem Orden verstoßen, diese Hunde! Nur weil ich neu -
erdings das Sonnenlicht nicht mehr so gern sehe?
Als mir dieser Gedanke wieder durch den Kopf ging, ballten sich meine Hände zu Fäusten
"Wir müssen an alten Werten festhalten!" Pah! Alte Werte: Wem bringen alte Werte etwas? Den Kaiserli-
chen? Den drei so genannten 'Allianzen'? "Durch diese Werte haben wir doch diesen ganzen Schlamassel
hier!" Jeder dachte irgendwie, dass er Anrecht auf den Thron hätte... Selbst die Auswahl der möglichen
Kaiser war miserabel...

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Die Elfen, die alles als 'niedere Geburt' ansahen und alle anderen Völker wohl am besten versklaven
wollten; oder der Ebenherz-Pakt, dessen Stabilität genauso gegeben war, wie die einer Schneeflocke in
Oblivion? Mir grauste es schon bei dem Gedanken daran, dass sie der Kaiserstadt auch nur nah kommen
könnten...
Der Großkönig wäre der Einzige der darauf wirklich Anspruch hätte, aber naja... "Der hat schon in
Dolchsturz genug zu tun."
"Vielleicht sollte ich..." Schreie holten mich schnell aus meinen Gedanken in die Realität zurück. "Vor der
Kapelle scheint wohl ein reger Aufruhr zu sein... Was ist denn da schon wieder los?" Ich befreite mich
von der Bettdecke, sprang auf, versuchte verzweifelt meine Rüstung anzulegen, griff meinen Stab und
rannte zur Tür.
Draußen angekommen, sah ich, dass überall verschreckte Bürger herum rannten und versuchten, so
schnell wie möglich in ihre kleinen Häuser zu kommen. Keiner antwortete mir auf die Frage, was denn
überhaupt los sei, aber dennoch konnte ich mir durch ein paar Schreie der Bürger ein ungefähres Bild
der Situation machen. "MONSTER! AHHHHHH!" und "BLUT, ÜBERALL BLUT!" und "ICH WILL
NICHT STERBEN!" waren ziemlich eindeutige Hinweise, was wohl passiert war oder sich eben in diesem
Moment anbahnte. Ich schaute mich um und sah im Süden der Stadt dunkle Wolken und ein komisches
graues etwas, was aus diesen zu kommen schien. "Och nein, nicht das schon wieder..."

                                                   ***

"Werde sie wiederfinden!", dachte Chufu gro-Khash, der sich nach dem Kampf mit den Daedra wieder auf
den Weg zurück ins Dorf machte.
Sein Schüler Lugrob gro-Mazak hatte endlich die Verstärkung zusammengetrommelt: fünfzehn der stärks-
ten Krieger aus dem Dorf, mit Lugrob gro-Mazak an der Spitze, gingen Chufu gro-Khash entgegen. "End-
lich!", rief er.
"Die ander'n Krieger des Dorfes sin' grad auf'm Weg zur Schlacht in Cyrodiil, nahe der Kaiserstadt. Dies
hier sin' die letzten, die ich finden konnte.", stammelte Lugrob gro-Mazak, der sich sichtlich unwohl an
der Spitze der Soldaten fühlte.
"Hmpf, gut. Wir müssen uns auf den Weg mach'n. Dort vorn in den Wald, die Daedra sin' fort, aber da
gibt's noch Elf'n, und die schnappen wir uns. Nicht, dass sie uns nachts überfall'n!", grummelte Chufu gro-
Khash.
Ayura gra-Maluk hatte sich unter die Krieger gemischt. Sie wurde ab und an etwas komisch beäugt, weil
sie für einen männlichen Ork sehr schmal war, aber zum Glück wusste niemand, dass es sich dabei um
einen weiblichen Ork handelte. Sie war es Leid, am Herd zu stehen und sich zu langweilen. Sie wollte
Abenteuer erleben, hatte, als sie hörte, dass Lugrub gro-Mazak Soldaten zusammenrief, die Rüstung ihres
Vaters gestohlen und stand nun inmitten der Soldaten, aber zum Glück in der letzten Reihe, sodass Chufu
gro-Khash sie nicht sehen konnte.
"Vorwärts!", rief Chufu gro-Khash und deutete mit seinem Arm gen Wald.

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Die Soldaten setzen sich in Bewegung. Sie waren allesamt mit schwerer orkischer Rüstung bemannt, und
das Donnern der stampfenden Füße schien die Erde leicht zum Beben zu bringen. Ayura gra-Maluk seufz-
te: was hatte sie sich nur dabei gedacht?

                                                    ***

Unia stieß S'Moir mit dem Ellbogen in die Seite. "Habt Ihr den Blick dieses Dunmers gesehen?" Sie war-
tete die Antwort nicht ab. "Wir sollten schleunigst von hier verschwinden."
"Und wohin wollt Ihr?", gab der Khajiit zurück und streckte einen Arm aus, deutete willkürlich in eine
Richtung. "Da lang – wo der vernichtete Turm liegt?" Er drehte sich eine Viertelumdrehung, wobei sein
Arm ausgestreckt blieb. "Oder da lang – zur Kaiserstadt, wo sich sicher alle über die Ankunft einer Bos-
mer freuen? Oder dort lang" – er deutete in eine dritte Richtung – "dem Ork nach, der sicher ein nettes
Mahl und eine weiche Matratze für Euch bereit stellt?"
Unia folgte jeweils seinem Blick und rümpfte anschließend die Nase, als ihr Gefährte seine Hand sinken
ließ. "Ich fürchte, es ist in Cyrodiil nirgends sicher, Kater." Sie überlegte kurz und bekräftigte dann: "Aber
hier zu bleiben, ist sicher die schlechteste aller Lösungen." Ihr fiel etwas ein. Schnell suchte sie das
Schlachtfeld mit den Augen ab, fand einen Menschen, der in Schlamm und Blut lag, und lief zu ihm hin -
über. Sie kniete sich neben ihn. Es war der Befehlshaber der kaiserlichen Einheit. Er lebte noch. Unia fass-
te ihn am Kragen seines Uniformhemds und hob seinen Oberkörper etwas an. "Was war Euer Ziel?",
schrie sie ihn an.
Sie bemerkte aus den Augenwinkeln, dass S'Moir ihr folgte, und noch während der Offizier nach Luft
schnappte und begann, sich auf seinen Ellbogen am Boden abzustützen, flüsterte sie dem Khajiit zu: "Hin-
ter mir, etwa zwanzig Schritt entfernt, auf einem der Bäume: da sitzt jemand und beobachtet uns..."
Der Kater verstand, nickte stumm und wandte sich dem beschriebenen Ziel zu, um es zu untersuchen.
Unia ließ den Offizier los, der etwas zu Atem gekommen war. Er schien recht schwer verletzt zu sein.
"Was nun?", zischte sie ihn an und wartete auf seine Antwort – während eine der kaiserlichen Frauen sich
keuchend näherte.

                                                     ***

Als ich endlich auf halbem Weg zum Anker war, konnte ich nur noch beobachten, wie er sich grollend und
donnernd wieder nach Kalthafen verzog. Bevor ich aufbrach, musste ich erst meine Rüstung etwas richten
und meinen verdammten Bogen suchen. Das hatte wohl doch noch etwas zu lang gedauert.
Aber schon auf dem Weg bemerkte ich, dass irgendetwas an der Sache komisch war. Durch meine neuen
Fähigkeiten konnte ich verschiedene Auren wahrnehmen, das Blut in den Adern von Lebewesen fließen
sehen, und bei distanzierter Betrachtung des Schauplatzes konnte ich zu viele verschiedene Auren erken-
nen. Orks, Khajiit, Kaiserliche, Elfen... Was – bei Akatosh! – war da los?

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Ich beschleunigte meine Schritte und erreichte alsbald einen Wald, der mir endlich etwas mehr Schatten
bot. Okay, die Idee mit der Kapuze und der allumfassenden Rüstung klappte bis dahin ganz gut, war doch
aber eher lästig. Als ich eine Aura in unmittelbarer Nähe erspähte, suchte ich mir schlagartig ein passen-
des Versteck.
"Des Daedras Kopf, der is' nu' fort, hinweg gerollt zu düst'rem Ort. Nen' kühlen Met, den gönn' ich mir,
und danach fress ich 'n ganzes Tier!" Als ich den Gesang des Orks hörte, erschauderte ich am ganzen
Leib.
"Es stimmt schon, dass Orks lieber bei ihren Äxten bleiben sollten... Geborene Schlächter, selbst ihre Ly-
rik ist tödlich..."
Eigentlich gehörten Orks zum Bündnis, aber viele von ihnen waren doch schon sehr egoistisch. Dennoch
fand ich sie irgendwie sympathisch, vielleicht lag das aber auch daran, dass ich meinen Schädel noch
gern weiterhin auf meinen Schultern wissen mochte.

Am Rande meines Bewusstseins merkte ich erneut, dass auf dem ehemaligen Schlachtfeld irgend etwas los
war. Das Blut eines der Elfen floss plötzlich um einiges schneller! Ich rannte weiter und sah schnell das
Ende des Waldes. Dort angekommen konnte ich langsam die zu den Auren gehörenden Personen erspä-
hen. Da ich ziemlich in der Unterzahl war, blieb ich erstmal dort, wo ich mich am wohlsten fühlte: im
Schatten der Bäume.
"...werdet sterben!"; "... hier und sofort...!": Die Worte "Das könnte interessant werden" spukten mir
schlagartig im Kopf herum. Es waren zwei Elfen die eine andere Elfe bedrohten. Mein Lächeln wurde im-
mer breiter. Da das Waldstück mit einer reichen Vegetation ausgestattet war, konnte ich mich sogar gut
vor dem Khajiit verstecken, den diese blinden Narren wohl noch nicht erspäht hatten. "Das Aldmeri-Do-
minion zerfetzt sich gegenseitig." Hätte ich noch ein wenig zu Essen dabei gehabt, hätte der Tag wirklich
bestens begonnen.
Ich versuchte mich Schritt für Schritt weiter an das Geschehen zu tasten und musste aufpassen, auf keinen
dieser verdammten Zweige zu treten, die hier überall herumlagen. "Diese Katze könnte nochmal gefähr -
lich werden." Zu meinem Bedauern verzogen sich die Dunmer schnell wieder, ohne mir ein wenig Arbeit
zu ersparen, aber zum Glück waren die Katze und die verbliebene Elfe noch mit den Verwundeten auf
dem Schlachtfeld beschäftigt und waren so weiter abgelenkt. "Eine kleine Elfe und 'ne Katze... ein kleines
Aufwärmtraining am Morgen kann ni... " Ich erstarrte. Orks, und nicht grade wenig davon, die auch noch
ziemlich wütend zu sein schienen! "Ob die wohl auch das Lied gehört hatten?"
Ich kletterte einen Baum hoch, um etwas zu sehen. Das waren zu viele Auren auf einmal, um sie alle zu
zählen. Ich musste wohl auf alte Methoden zurückgreifen. Das Orkdorf schien sich zu mobilisieren und
genau auf diese Position zuzusteuern!
"Was – im Namen von Nirn! – hat die denn so wütend gemacht?! Waren es wirklich diese beiden mickri -
gen Dominion-Kämpfer?! Sollte das wirklich der Fall sein, wird mir heute wirklich etwas an Unterhal-
tung geboten, und diese blinden Narren ahnen absolut nichts!", flüsterte ich zu mir selbst. Ein finsteres
Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Amüsiert drehte ich den Kopf wieder zu der 'Beute' um, um

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erschrocken festzustellen, dass die Elfe nur noch allein dort stand und ich die Katze nicht einmal mehr
spüren konnte! Als ich mich hektisch umsah, ob mein Versteck aufgeflogen sei, erblickte ich nur einen Ast
hinter meinem eine dunkle Gestalt, die mich finster angrinste.
"Wie zur Hölle konntest du...", stotterte ich voller Entsetzen.
"Nun, das wirst du wohl nicht mehr erfahren!"

                                                    ***

Gratia stieß Unia weg von Mercator.
Unia fragte sich, wie Gratia das hatte überleben können, da sie von oben bis unten blutverschmiert war,
dies aber nicht ihr eigenes Blut zu sein schien. Alle bis auf diese beiden Kaiserlichen schienen gefallen zu
sein.
"Seht ihr nicht, dass er schwer verletzt ist? Helft mir, ihn zu flicken!"
Aus heiterem Himmel flogen der Khajiit und ein Bretone aus den Bäumen. Die beiden Frauen blicken
hinüber, Mercator versagten die Kräfte.
Der Khajiit hatte den Bretonen so gehalten, dass dieser auf den Rücken aufkam und er selbst auf dessen
Körper die Wucht des Sturzes leichter abfangen konnte. Rippen brachen, und dem Bretonen wurde die
Luft aus den Lungen gedrückt.
Kurz schien es, als wäre dieser ohnmächtig geworden oder gar gestorben, so blass wie er aussah.
"Wer...?" Bevor Unia ihre Frage an S'Moir stellen konnte, wurde dieser heftig in den Unterarm gebissen.
Die Augen des Khajiit weiteten sich, und als er verstand, schlug er abrupt mit der anderen Tatze zu. Zu
lasch: Die nächsten Schläge folgten wiederum so heftig, dass Knochen brachen. Der Bretone gluckste wie
ein Verrückter mit vollem Mund und trank, trank und trank sich stark.
Nun griff er den anderen Arm, der sein Gesicht malträtiert hatte, lockerte den Biss, schnellte mit dem
Kopf nach vorn, gab den Khajiit eine Kopfnuss und ruckte ein zweites Mal nach vorn, um seine Fänge in
den Hals der Katze zu vergraben. S'Moir verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße darin zu sehen war.
Unia stieß den leblosen Körper Mercator von sich. "NEIN!"
Bevor sie in das Geschehen eingreifen konnte, hörte sie mehrere Rufe. "Da sind sie!" Orks. Viele Orks.
Waidvin und Mol'Zin sahen sich kurz an. Sie verstanden einander wortlos. Sie waren zum Kampf bereit,
und dies würde ein guter Kampf werden. Einer Überzahl gegenüber stehen zu müssen, entfachte ihren
Kampfgeist. "Jetzt,Herr?", wisperte Mol'zin seine Frage.
Arakohm hob seine Rechte Hand. Das Zeichen zu warten, aber bereit zu sein.
Die Brüder spürten, wie Arakohm seinen Synergienzauber über ihre Gruppe legte. Bald war es soweit.
Porcia Vulpin riss sich den Pfeil aus dem Kopf. Gefühllos folgte sie dem Befehl ihres Meisters.

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Unia blickte sich um und schätzte die Lage ein. Die Situation schien hoffnungsloser zu werden. Von Sei-
ten des Aldmeri-Dominions wäre sie in Kürze auf sich allein gestellt, sofern der Bretone S'Moir umbrin-
gen würde. Dazu noch Orks und die Dunmer: Keine guten Aussichten. Sie griff geschwind in ihren Kö-

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