Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien - Europa EU

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Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien - Europa EU
GENERALDIREKTION EXTERNE POLITIKBEREICHE
FACHABTEILUNG AUßENBEZIEHUNGEN

                                EINGEHENDE ANALYSE
                           Vietnam:
                Trotz Menschenrechtsfragen
               ein vielversprechender Partner
                      für die EU in Asien
                          Verfasserinnen: Laurence VANDEWALLE und Susana MENDONCA

       ABRISS

       Das Jahr 2015 – der 25. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen
       zwischen der EU und Vietnam – wird wahrscheinlich ein erster Meilenstein sein. Drei
       Jahre nachdem die EU und Vietnam ein Rahmenabkommen über umfassende
       Partnerschaft und Zusammenarbeit unterzeichnet hatten, wurde das Europäische
       Parlament aufgefordert, darüber zu entscheiden, ob es seine Zustimmung zu diesem
       Abkommen erteilt. Unabhängig davon kündigte die Kommission am 4. August 2015
       an, dass drei Jahre nach Beginn der Verhandlungen Einigkeit über ein bilaterales
       Freihandelsabkommen erreicht worden sei. Für die Sozialistische Republik Vietnam
       sind vertiefte Beziehungen mit der EU eine Priorität, die Chinas starken Einfluss
       ausgleichen, während sie die Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten
       aufrechterhalten. Die Kommunistische Partei behält den Staatsapparat fest im Griff.
       Medien und Zivilgesellschaft unterliegen strengen Einschränkungen. Die
       Menschenrechtsbilanz bleibt schlecht.

DGEXPO/B/PolDep/Note/2015_312                                                                    DE
Oktober2015-PE570.449                                                        © EuropäischeUnion, 2015
Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien - Europa EU
Fachabteilung Außenbeziehungen, Generaldirektion Externe Politikbereiche

Diese Veröffentlichung wurde von der Delegation für die Beziehungen zu den Ländern Südostasiens und der
Vereinigung südostasiatischer Staaten (ASEAN) des Europäischen Parlaments in Auftrag gegeben.
Die englischsprachige Ausgabe wurde am 14. Oktober 2015 fertiggestellt.
Übersetzungen in FR/DE.
Gedruckt in Belgien.
Verfasserinnen: Laurence VANDEWALLE und Susana MENDONCA, mit einem Beitrag von Mehrunnisa NOON
(Praktikantin)
Redaktionelle Bearbeitung: Martine HAMRIT und Elina STERGATOU
Rückmeldungen jeglicher Art werden gerne entgegengenommen. Schreiben Sie bitte an:
laurence.vandewalle@europarl.europa.eu.
Druckexemplare können per E-Mail angefordert werden unter: poldep-expo@europarl.europa.eu.
Diese Veröffentlichung kann online unter 'Think tank', der online Datenbank des Europäischen Parlaments
abgerufen werden.
Die hier vertretenen Auffassungen geben die Meinung des Verfassers wieder und entsprechen nicht unbedingt dem
offiziellen Standpunkt des Europäischen Parlaments. Diese Publikation richtet sich an die Mitglieder und Mitarbeiter des
EP für ihre parlamentarische Arbeit. Nachdruck und Übersetzung der Veröffentlichung – außer zu kommerziellen Zwecken
– sind mit Quellenangabe gestattet, sofern der Herausgeber vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar übermittelt wird.

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Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien - Europa EU
Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien

Inhaltsverzeichnis
1   Eckpunkte und wesentliche Entwicklungen                                                       4
2   Europäisches Parlament – Vietnam: Meilensteine                                                5
3   Politische Lage in Vietnam                                                                    5
    3.1. Struktur des Staates                                                                     5
    3.2. Die Kommunistische Partei und die Vietnamesische
         Vaterlandsfront                                                                         6
    3.3. Die Nationalversammlung                                                                10
    3.4. Korruption                                                                             12
    3.5. Menschenrechte                                                                         12
    3.6. Außenpolitik und internationale Beziehungen                                            15
4   Wirtschaftliche Lage                                                                        18
    4.1. Handel                                                                                 20
         4.1.1 Institutioneller Rahmen                                                           20
         4.1.2 Handel und Investitionen                                                          22

5   Die Europäische Union und Vietnam                                                           23
    5.1. Politische Beziehungen und das künftige Partnerschafts-
         und Kooperationsabkommen                                                               23
    5.2. Handelsbeziehungen und das anstehende
         Freihandelsabkommen                                                                    24
    5.3. Menschenrechte                                                                         27
    5.4. Entwicklung und humanitäre Unterstützung                                               27
    5.5. Forschung und Bildung                                                                  29
    5.6. Ausblick für das Europäische Parlament                                                 29
6   Vietnam: Eckdaten und Einstufungen                                                          31
7   Karte                                                                                       32

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Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien - Europa EU
Fachabteilung Außenbeziehungen, Generaldirektion Externe Politikbereiche

1            Eckpunkte und wesentliche Entwicklungen
            Am 23. Februar 2015 wurde das Europäische Parlament offiziell vom Rat dazu
             aufgefordert, seine Zustimmung zu dem Entwurf des Beschlusses des Rates über
             das Rahmenabkommen über umfassende Partnerschaft und Zusammenarbeit
             zwischen der EU und Vietnam (PKA) zu erteilen. Das von der Kommission im
             Juni 2012 unterzeichnete PKA, das aufgrund juristischer Fragen aufgehalten
             worden war, ist für die Plenarsitzung im Dezember 2015 vorgesehen. Das
             Abkommen nimmt Bezug auf Prinzipien der Menschenrechte und internationale
             Menschenrechtsabkommen; es vertieft die Zusammenarbeit über
             Menschenrechte (Artikel 35) und enthält eine Klausel über die „Erfüllung von
             Verpflichtungen“ (Artikel 57), die die Vertragsparteien dazu ermächtigt,
             „angemessene Maßnahmen“ zu ergreifen, wenn die Verpflichtungen nicht
             erfüllt werden. Diese Klausel bedeutet, dass das Abkommen im Fall schwerer
             Menschenrechtsverletzungen aufgehoben werden kann.
            Am 4. August 2015 kündigte die GD Handel an, dass sich die EU und Vietnam
             nach zweieinhalb Jahren intensiver Verhandlungen „im Grundsatz“ über ein
             Freihandelsabkommen (FHA) geeinigt hätten. Diese Einigung „im Grundsatz“ ist
             jedoch nicht mit einem Abschluss der Verhandlungen gleichzusetzen. Die
             Verhandlungen können nur dann „abgeschlossen“ werden, wenn der rechtliche
             Text des Abkommens zur Paraphierung bereit ist. Das FHA wird Zölle,
             nichttarifäre Handelsschranken, Beschaffung, regulatorische Fragen,
             Wettbewerb, Dienstleistungen und nachhaltige Entwicklung umfassen und soll
             auch ein Kapitel über Investitionen (über das noch verhandelt wird) enthalten.
             Am 26. März 2015 empfahl der Bürgerbeauftragte, dass die Kommission in dieser
             Angelegenheit ohne weiteren Aufschub eine Folgenabschätzung in Bezug auf
             die Menschenrechte durchführe1.
            Entwicklungszusammenarbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Beziehungen
             zwischen zwei Partnern. Für den Zeitraum 2014–2020 hat die EU ihre Mittel von
             304 Mio. EUR (für 2007–2013) auf 400 Mio. EUR erhöht. Die Hauptziele des
             Mehrjährigen Richtprogramms 2014–2020 bestehen in der Begleitung des
             wirtschaftlichen Übergangs Vietnams, konzentriert auf zwei Bereiche:
             nachhaltige Energie und Staatsführung und Rechtsstaatlichkeit. Vietnam erhält
             auch in Asian pro Kopf die meisten Mittel der Europäischen Investitionsbank.
            Vietnam     bleibt   ein   Einparteienstaat,  der   nicht   plant,     eine
             Mehrparteiendemokratie einzuführen. Politisch Andersdenkende werden
             unterdrückt. Vor dem nächsten Kongress der Kommunistischen Partei Vietnams
             Anfang 2016 werden keine größeren förmlichen politischen Entwicklungen
             erwartet.

                                1
                                 Entwurf einer Empfehlung des Europäischen Bürgerbeauftragten in der Untersuchung der
                                Beschwerde 1409/2014/JN gegen die Europäische Kommission, 26. März 2015:
                                http://www.ombudsman.europa.eu/cases/draftrecommendation.faces/en/59398/html.boo
                                kmark.

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Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien - Europa EU
Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien

2            Europäisches Parlament – Vietnam: Meilensteine
       6. bis 10. April 2015   Eine Delegation des Ausschusses für internationalen Handel des EP besuchte
                               Vietnam, um die Bereitschaft des Landes zu bewerten, das FHA einzugehen,
                               das derzeit mit der EU verhandelt wird.

         14. Oktober 2014      Treffen des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, mit
                               dem Premierminister von Vietnam, Nguyen Tan Dung.

             17. April 2014    Das Europäische Parlament hat eine Entschließung zum Stand der
                               Verhandlungen über das Freihandelsabkommen EU-Vietnam angenommen2.
                               Während sie die Fortschritte bei den Verhandlungen begrüßten, hoben die
                               Mitglieder des EP eine Reihe von Fragen hervor und forderten die
                               Kommission auf, einen an Auflagen gebundenen Ansatz anzuwenden, bei
                               dem die Unterzeichnung des FHA von konkreten Fortschritten im Bereich der
                               Menschenrechte und anderer Grundrechte abhängt.

           28. Oktober bis     Interparlamentarische Sitzung in Hanoi und in Hué. Die Diskussionen wurden
        1. November 2013       von drei Fragen beherrscht: von der Ratifizierung des PKA zwischen der EU
                               und Vietnam, von den laufenden Verhandlungen über das
                               Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam und von der
                               Menschenrechtslage, insbesondere in Bezug auf die Einschränkung der
                               Freiheit der Meinungsäußerung, die harten Strafen für eine Reihe von
                               Bloggern und die Anwendung der Todesstrafe.

             18. April 2013    Annahme einer Entschließung3, die tiefe Besorgnis über die Meinungsfreiheit
                               in Vietnam bekundet und die Verurteilung und die harten Strafen für
                               Journalisten und Blogger verurteilt. Die Entschließung verurteilt die
                               fortwährenden Menschenrechtsverletzungen, die im Widerspruch zu den
                               internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Vietnams stehen, sowie
                               Landenteignungen, den Einsatz exzessiver Gewalt in Reaktion auf öffentliche
                               Proteste, willkürliche Verhaftungen und harte Strafen für Demonstranten.

3            Politische Lage in Vietnam

3.1.         Struktur des Staates
                                Vietnam bleibt als sozialistische Republik ein Einparteienstaat. Die
                                Verfassung von 1992, die in den Jahren 2001 und 2013 geänderte wurde,
                                bestätigt die zentrale Rolle der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV).
                                Eine Mehrparteiendemokratie steht bestimmt nicht auf der Tagesordnung.

                                2
                                  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. April 2014 zum Stand der
                                Verhandlungen über das Freihandelsabkommen EU-Vietnam (2013/2989(RSP)).
                                3
                                  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. April 2013 zu Vietnam und
                                insbesondere zur Meinungsfreiheit (2013/2599(RSP)).

                                                         5
Fachabteilung Außenbeziehungen, Generaldirektion Externe Politikbereiche

Vietnam wird von einem          Das Land wird von einem Triumvirat regiert:
Triumvirat regiert, das aus
dem Präsidenten, dem            Der Generalsekretär der KPV verfügt im Politbüro der Partei über die größte
Premierminister und dem         Macht. Er leitet auch den Zentralen Militärausschuss der Partei. Der
Generalsekretär der             derzeitige Generalsekretär der KPV ist Nguyen Phu Trong (1944), der auf
Kommunistischen Partei          dem vorhergehenden 11. Parteikongress im Januar 2011 gewählt wurde.
besteht.
                                Die Rolle des Präsidenten ist größtenteils zeremoniell, obwohl sie während
                                der letzten Änderungen der Verfassung im Jahr 2013 erweitert wurde. Der
                                Präsident wird von der Nationalversammlung (NV) aus der Mitte ihrer
                                Mitglieder für eine fünfjährige Amtszeit gewählt. Die nächste
                                Präsidentschaftswahl ist für Juli 2016 angesetzt. Truong Tan Sang (1949),
                                der derzeitige Präsident, ist in der KPV eine führende Persönlichkeit. Er
                                wurde von der NV im Juli 2011 mit 97 % der Stimmen gewählt.
                                Der Premierminister leitet die Arbeit der Regierungsmitglieder und führt
                                bei den Sitzungen der Zentralregierung den Vorsitz. Er wird vom
                                Präsidenten aus der Mitte der Mitglieder der NV ernannt. Der derzeitige
                                Premierminister Nguyen Tan Dung (1949) wurde im Jahr 2006 ernannt und
                                im Jahr 2011 in seiner Stellung bestätigt.
                                Im Gefolge des 11. Parteikongresses wurde die 13. NV am 22. Mai 2011
                                einberufen und bestätigte den Premierminister formell am 26. Juli 2011. Es
                                werden keine größeren förmlichen politischen Entwicklungen vor dem
                                12. Kongress der KPV im Frühjahr 2016 erwartet, auf dem es zu wichtigen
                                Änderungen kommen könnte. Es wird ein neuer Generalsekretär gewählt
                                werden und es ist vorgesehen, dass mehrere Mitglieder des Politbüros
                                ausscheiden. Nach dem Kongress sollte die 14. NV zusammentreten und
                                den neuen Premierminister ernennen.

3.2.          Die Kommunistische Partei und die Vietnamesische Vaterlandsfront
Ungefähr 3 % der                Die Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) wurde im Jahr 1930 von Ho Chi
Bevölkerung gehören der         Minh heimlich gegründet, während er im Exil in Hongkong war. Nach
Kommunistischen Partei an.      Schätzungen gehören heute ungefähr drei Prozent der Bevölkerung der
                                Partei an, was eine Mitgliederzahl von 3 600 0004 ergibt. Die KPV ist eine
                                marxistisch-leninistische Partei, die nach den Grundsätzen des
                                demokratischen Zentralismus aufgebaut ist. Anders als bei der
                                Kommunistischen Partei Chinas werden die Entscheidungen im Politbüro
                                einvernehmlich getroffen, was eine kollektive Entscheidungsfindung
                                begünstigt. Die Partei koordiniert den Staatsapparat und trifft die
                                wesentlichen Richtungsentscheidungen der Regierungspolitik.
Das Politbüro ist mit seinen
                                Das Politbüro ist mit seinen 16 Mitgliedern das höchste Organ der Partei. Es
16 Mitgliedern das höchste
Organ der Partei und das        ist das wirkliche Machtzentrum. Die 14 ersten Mitglieder des derzeit
wirkliche Machtzentrum.         amtierenden 11. Politbüros wurden im März 2011 auf dem Parteikongress
                                gewählt. Zwei weitere Mitglieder traten während des siebenten Plenums
                                des 11. Zentralkomitees am 11. Mai 2013 in das Politbüro ein: Nguyen Thien
                                Nhan (1953), das erste Mitglied dieses Organs, das in den USA ausgebildete

                                4
                                    Auf der Grundlage von Schätzungen aus dem Jahr 2011.

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Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien

                          wurde, und Nguyen Thi Kim Ngan (1954), die stellvertretende Vorsitzende
                          der Nationalversammlung und das zweite weibliche Mitglied des
                          Politbüros. Das erste weibliche Mitglied war Tòng Thị Phóng (1954), die
                          ebenfalls stellvertretende Vorsitzende der Nationalversammlung ist.

Abbildung 1:                     Name               Geboren                         Stellung
Das Politbüro der         Trơng Tan Sang               1949      Präsident, Vorsitzender des Nationalen
Kommunistischen Partei                                           Verteidigungs- und Sicherheitsrats
Vietnams
                          Phung Quang Thanh            1949      Stellvertretender Sekretär des Zentralen
                                                                 Militärausschusses, Verteidigungsminister
                          Nguyen Tan Dung              1949      Sekretär des Führungsausschusses der
                                                                 Regierungspartei, Premierminister,
                                                                 stellvertretender Vorsitzender des
                                                                 Verteidigungs- und Sicherheitsrats
                          Nguyen Sinh Hung             1946      Sekretär der Fraktion in der
                                                                 Nationalversammlung, Vorsitzender der
                                                                 Nationalversammlung
                          Le Hong Anh                  1949      Exekutivsekretär des Sekretariats des
                                                                 Zentralkomitees, stellvertretender
                                                                 Vorsitzender des Zentralen
                                                                 Steuerungsausschusses für
                                                                 Korruptionsprävention und
                                                                 Korruptionsbekämpfung
                          Le Thanh Hai                 1950      Sekretär des Parteikomitees von Ho-Chi-
                                                                 Minh-Stadt
                          To Huy Rua                   1947      Leiter der Organisationskommission, Mitglied
                                                                 des Sekretariats des Zentralkomitees
                          Nguyen Phu Trọng             1944      Generalsekretär des Zentralkomitees,
                                                                 Sekretär des Zentralen Militärausschusses,
                                                                 Vorsitzender des Zentralen
                                                                 Steuerungsausschusses für
                                                                 Korruptionsprävention und
                                                                 Korruptionsbekämpfung
                          Phạm Quang Nghị              1949      Sekretär des Parteikomitees von Hanoi
                          Tran Dại Quang               1956      Sekretär des Zentralen Parteiausschusses für
                                                                 öffentliche Sicherheit, Minister für öffentliche
                                                                 Sicherheit
                          Tong Thị Phong               1954      Stellvertretender Sekretär der Fraktion in der
                                                                 Nationalversammlung, stellvertretender
                                                                 Vorsitzender der Nationalversammlung
                          Ngo Van Dụ                   1947      Vorsitzender der Zentralen
                                                                 Aufsichtskommission, Mitglied des
                                                                 Sekretariats des Zentralkomitees,
                                                                 stellvertretender Vorsitzender des Zentralen
                                                                 Steuerungsausschusses für
                                                                 Korruptionsprävention und
                                                                 Korruptionsbekämpfung
                          Dinh The Huynh               1953      Leiter der Kommission für Propaganda und
                                                                 Bildung, Vorsitzender des Zentralrats für
                                                                 politisches Denken, Mitglied des Sekretariats
                                                                 des Zentralkomitees

                                                   7
Fachabteilung Außenbeziehungen, Generaldirektion Externe Politikbereiche

                                Nguyen Xuan Phuc             1954     Stellvertretender Sekretär des
                                                                      Führungsausschusses der Regierungspartei,
                                                                      stellvertretender Premierminister
                                Nguyen Thiện Nhan            1953     Vorsitzender des Zentralkomitees der
                                                                      Vaterländischen Front Vietnams
                                Nguyen Thị Kim Ngan          1954     Mitglied des Sekretariats des
                                                                      Zentralkomitees, stellvertretender
                                                                      Vorsitzender der Nationalversammlung
                                Quelle: Wikipedia

Die Mitglieder des              Die Mitglieder des Politbüros werden vom Zentralkomitee gewählt, das
Politbüros werden vom           auch ihre Rangfolge (bzw. die hierarchische Ordnung des Politbüros)
Zentralkomitee gewählt,         festlegt. Das Zentralkomitee, dessen 197 Mitglieder mindestens zweimal
das auch ihre Rangfolge         jährlich zu einer Vollversammlung zusammentreten, wird vom
festlegt. Das Zentralkomitee
                                Parteikongress gewählt, der alle fünf Jahre zusammentritt.
wird alle fünf Jahre vom
Parteikongress gewählt.         Es wird erwartet, dass beim 12. Kongress im Frühjahr 2016 ungefähr
                                2 000 Delegierte zusammenkommen. Kandidaten für hohe Posten sind
                                bereits dabei, sich ihres Rückhalts bei den vielen örtlichen
                                Parteiorganisationen zu versichern. Innerhalb der KPV koexistieren
                                verschiedene geografische und ideologische Lager, insbesondere die von
Der nächste Parteikongress
                                Premierminister Dung angeführten Reformisten und die von KPV-
ist für das Frühjahr 2016
vorgesehen.                     Generalsekretär Trong geführten Konservativen. Der internationale Kontext
                                wirkt sich auf die interne Parteipolitik aus. Der konservative Flügel neigt zu
                                engeren Beziehungen zu China, während der reformistische Flügel eine
                                nationalistischere Haltung einnimmt. Die Spannungen im Südchinesischen
                                Meer (siehe Abschnitt 3.6) haben wahrscheinlich zu einer Stärkung der
                                Position des reformistischen Lagers beigetragen. Hartnäckige Gerüchte
                                weisen darauf hin, dass Premierminister Dung deshalb in Zukunft eine noch
                                wichtigere Rolle spielen könnte.

                                                         8
Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien

Abbildung 2:
Struktur der
Kommunistischen Partei
Vietnams (KPV)

                              Quelle: Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD)

Die Vaterländische Front      Die Bevölkerung ist wie in anderen sozialistischen Staaten in
Vietnams vereint die          „Massenorganisationen“ (Jugendorganisationen, Frauenorganisationen,
meisten                       offizielle Gewerkschaften) organisiert. Die Vaterländische Front Vietnams ist
„Massenorganisationen“        die wichtigste Dachorganisation, in der solche Organisationen wie die
und spielt bei der
                              Jungen Pioniere und die Kommunistische Jugendunion Ho Chi Minh
Aufstellung der Wahllisten
                              zusammengefasst sind. In der Verfassung wird sie als „ein politisches
eine entscheidende Rolle.
                              Bündnis und eine freiwillige Vereinigung von politischen Organisationen,
                              soziopolitischen Organisationen, sozialen Organisationen und
                              Einzelpersonen“ beschrieben, die „ihre sozialen Klassen und Schichten,
                              Ethnien, Religionen und Überseevietnamesen vertreten“. Sie verbindet die
                              Massenorganisationen mit der Partei und der Regierung, sie setzt
                              Sozialprogramme im Namen der Regierung um und sie überwacht die
                              Bevölkerung. Eine der interessantesten Funktionen der Front ist ihre Rolle
                              bei der Auswahl und Bestätigung von Kandidaten für die Wahlen. Die
                              meisten Kandidaten werden tatsächlich von Mitgliedern der Front
                              nominiert. Auch wenn die Aufstellung einiger nicht parteigebundener
                              Kandidaten zugelassen wird, so werden diese Kandidaturen doch von der
                              Front überprüft. Ihre Bedeutung für das Regierungssystem des Landes wird
                              durch die Tatsache bestätigt, dass der Vorsitzende des Zentralkomitees der
                              Front das Mitglied des KPV-Politbüros Nguyen Thien Nhan ist. Die Front ist
                              zu ihrer Rolle durch die Verfassung und ein besonderes Gesetz5 ermächtigt.

                              5
                               Gesetz über die Vaterländische Front Vietnams, 1999:
                              http://www.mattran.org.vn/home/gioithieumt/luatmt/lmttqvn1.htm.

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Fachabteilung Außenbeziehungen, Generaldirektion Externe Politikbereiche

3.3.          Die Nationalversammlung
Vietnam hat ein                 Die Nationalversammlung (NV) ist das höchste Vertretungsorgan des
Einkammerparlament, das         Landes. Den Vorsitz über die NV führt das Politbüromitglied Nguyen Sinh
als „Nationalversammlung“       Hung (1946), der an vierter Stelle in der Führung des Landes steht. Die NV
(die „NV“ oder „Quoc-Hoi“       hat vier Vizepräsidenten. Ihr ständiges Organ ist der Ständige Ausschuss,
auf Vietnamesisch)
                                der monatlich zusammentritt. Die jüngste Sitzung des Ständigen
bezeichnet wird und sich im
                                Ausschusses, die vom 12. bis zum 17. Oktober 2015 stattfand, befasste sich
Lauf der Jahre erheblich
entwickelt hat.                 mit der Umsetzung des sozioökonomischen Entwicklungsplans 2015 und
                                des sozioökonomischen Entwicklungsplans 2016. Er untersuchte die
                                Umsetzung des Staatshaushalts sowie die Diversifizierung der Arten von
                                Staatsanleihen.
Präsident der
                                Die NV hat 500 Sitze. Die Abgeordneten werden direkt vom Volk aus einer
Nationalversammlung ist
Nguyen Sinh Hung.               von der KPV und der Front beaufsichtigten Liste gewählt. Es besteht keine
                                Wahlpflicht. Die Abgeordneten werden in einzelnen Wahlkreisen, die nach
                                der Bevölkerung zugeschnitten sind, für fünf Jahre gewählt. Sitze, die
                                zwischen den allgemeinen Wahlen vakant werden, werden durch
                                Nachwahlen wiederbesetzt, es sei denn, die restliche Wahlperiode beträgt
                                weniger als zwei Jahre. In der derzeitigen Legislatur sind mehr als 90 % der
                                Mitglieder der Nationalversammlung Mitglieder der KPV. Frauen nehmen
                                24,4 % der Sitze, d. h. 122, ein. Die nächsten Wahlen zur NV werden im
                                Mai 2016 stattfinden.
Die NV tritt zweimal jährlich   Die NV tritt zweimal jährlich für eine Sitzungsperiode von sieben bis zehn
zusammen. Die vorletzte         Wochen zusammen. Die10. und letzte Sitzung der 13. Legislaturperiode
Sitzungsperiode der             begann am 20. Oktober 2015 und dauerte bis 28. November 2015.
13. Legislatur fand vom
20. Oktober bis zum             Die NV hat zehn Ausschüsse: Rechtsausschuss, Justizausschuss,
28. November 2014 statt.        Wirtschaftsausschuss, Finanz- und Haushaltsausschuss,
                                Wissenschaftsausschuss, Technologie- und Umweltausschuss, Ausschuss
                                für auswärtige Angelegenheiten, Ausschuss für Sicherheit und
                                Landesverteidigung, Kulturausschuss, Bildungsausschuss, Jugendausschuss
                                und Ausschuss für soziale Angelegenheiten.

Seit 1992 nehmen die            Bis die Rolle der NV im Jahr 1992 durch eine Verfassungsänderung gestärkt
Kompetenzen der NV              wurde, diente sie lediglich dazu, um die Entscheidungen der KPV
allmählich zu und sie ist       abzusegnen. Seitdem nehmen die Kompetenzen der NV allmählich zu und
selbstbewusster geworden.       sie ist selbstbewusster geworden6:
                                   Seit 2013 müssen sich die obersten Führungskräfte des Landes
                                    jährlichen Vertrauensabstimmungen in der NV stellen. Der Präsident,
                                    der Premierminister, die Mitglieder des Kabinetts, der Vorsitzende
                                    Richter des Obersten Volksgerichts, der Präsident der NV, 46 Minister
                                    und Amtsträger erhalten in einer geheimen Abstimmung Einstufungen
                                    mit „hohem Vertrauen“, „Vertrauen“ oder „geringem Vertrauen“.
                                   Die NV ändert die Verfassung.

                                6
                                 Toward more effective government oversight by the National Assembly of Vietnam, Asia
                                Foundation.

                                                         10
Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien

                                  Die NV hält eine parlamentarische „Fragestunde“ ab, während der die
                                   Minister Fragen der Abgeordneten beantworten. Diese Anhörungen
                                   werden im landesweiten Fernsehen übertragen.
                                  Die NV entscheidet über den Staatshaushalt und ist an
                                   sozioökonomischen Politikentscheidungen beteiligt.
                               Die NV ratifiziert internationale Abkommen, zum Beispiel ratifizierte sie
                               zuletzt das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und
                               andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.

Abbildung 3:
13. Nationalversammlung
(Quoc-Hoi), gewählt am
22. Mai 2011

                               Quelle: http://www.ipu.org/parline-e/reports/2349_E.htm

In den Jahren 2013 und         Die Vertrauensabstimmung ist ein wichtiges Verfahren. Im Jahr 2013 gaben
2014 hielt die NV              fast zwei Drittel der Abgeordneten ihrem Missfallen mit Premierminister
Vertrauensabstimmungen         Nguyen Tan Dung Ausdruck. Die höchste Anzahl negativer Stimmen erhielt
über die obersten Politiker    jedoch Nguyen Van Binh, der Zentralbankpräsident Vietnams. Der
des Landes ab.
                               Premierminister wurde danach wegen Korruption und schlechtem
                               Management kritisiert.
                               Im Jahr 2014 war die Lage ganz anders. Die Vertrauensabstimmung 2014
Die Abstimmung 2014            gab einige nützliche Hinweise auf das politische Klima des Landes fast ein
deutete auf das                Jahr vor dem Parteikongress 2016. Zunächst wurde die
wahrscheinliche politische
                               Vertrauensabstimmung auf den 15. November vertagt. Dann erzielte
Klima auf dem
                               Premierminister Dung ein gutes Ergebnis (64 % der Abgeordneten
Parteikongress im nächsten
Jahr hin.                      sprachen ihm ein hohes Vertrauen aus), wahrscheinlich wegen der
                               besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und seiner deutlichen
                               Kommentare gegenüber China. Auch dem Zentralbankpräsidenten wurde
                               ein hohes Vertrauen ausgesprochen. Das beste Ergebnis erzielte allerdings
                               der stellvertretende NA-Vorsitzende Nguyen Thi Kim Ngan.

                                                         11
Fachabteilung Außenbeziehungen, Generaldirektion Externe Politikbereiche

3.4.         Korruption
Korruption ist immer noch       Trotz der starken Rhetorik der Regierung bleibt Korruption ein
eines der Hauptprobleme.        Hauptproblem. Der durch Korruption verursachte Schaden für die
                                Wirtschaft wird in einem Bericht der vietnamesischen Regierungsstelle vom
                                Dezember 2012 mit 1,7 % bis 3,3 % des BIP beziffert.7 Erschwerend kommt
                                hinzu, dass Bürgerinnen und Bürger, die Korruption anprangern, sowie
Die derzeitige Kampagne
                                Blogger und Journalisten, die Korruptionsfälle recherchieren, Repressionen8
zur Bekämpfung der
Korruption muss im Kontext      durch die Behörden ausgesetzt sind.
politischer Spiele und          Auch nach Inkrafttreten des Antikorruptionsgesetzes im Jahr 2005 hat sich
parteiinterner Kämpfe in        die Situation nicht verbessert; die Zahl der Verurteilungen auf der
der KPV betrachtet werden.
                                Grundlage dieses Gesetzes war verschwindend gering. Im
                                Korruptionswahrnehmungsindex 2014 von Tansparency International wird
                                das Land auf Platz 119 von 175 Ländern geführt. Im Jahr 2013 hat die
                                Regierung ein Dekret angenommen, das Beamte und Rechtsetzungsorgane
                                zwingt, ihr jährliches Einkommen und ihre Besitztümer offenzulegen.
                                Im Jahr 2014 wurden mehrere Verfahren gegen korrupte Beamte geführt,
                                hauptsächlich aus dem Bankensektor (ein Mitbegründer der Asia
                                Commercial Bank wurde zu 30 Jahren Haft verurteilt; ein ehemaliger
                                Vorstand der Vietnam Development Bank wurde zum Tode verurteilt) aber
                                auch aus dem staatlichen Sektor (Vietnam Railways). Diese Kampagne
                                gegen Korruption muss im Kontext politischer Spiele und sich
                                verschärfender parteiinterner Kämpfe innerhalb der KPV im Vorfeld des
                                Parteitages 2016 betrachtet werden.

3.5.         Menschenrechte
Um die Einhaltung der           Trotz einiger ermutigender Signale hinsichtlich internationaler
Menschenrechte steht es         Engagements bleibt die Lage der Menschenrechte in Vietnam prekär9.
schlecht in Vietnam.
                                In Vietnam werden Mord, Drogendelikte, Verrat und Verbrechen gegen die
                                Menschlichkeit mit der Todesstrafe geahndet. Im Jahr 2011 wurde ein
Die Todesstrafe wird mittels    Gesetz verabschiedet, wonach die Exekution nicht mehr durch
tödlicher Injektion             Erschießung, sondern durch tödliche Injektion erfolgt. Daraufhin hat die EU
vollzogen.                      den Export von Substanzen für tödliche Injektionen verboten, sodass ab
                                Januar 2012 keine Exekutionen mehr stattfanden, jedoch im August 2013
                                wiederaufgenommen wurden, als Vietnam den Einsatz lokal hergestellter

                                7
                                  Nguyen Pham Muoi, Vietnam verordnet finanzielle Transparenz für Beamte,
                                6. September 2013: http://blogs.wsj.com/indonesiarealtime/2013/09/06/vietnam-decrees-
                                financial-transparency-from-officials/.
                                8
                                  Siehe zum Beispiel die Fälle von Hoang Khuong, der als Undercover-Journalist
                                Korruptionsfälle innerhalb der Polizei aufgedeckt hat, und als normaler Bürger zu vier
                                Jahren Haft verurteilt wurde:
                                http://www.transparency.org/news/feature/vietnam_citizens_against_corruption.
                                9
                                  http://www.hrw.org/world-report/2013/country-chapters/vietnam.

                                                         12
Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien

                              Substanzen genehmigte. Die Zahl der zum Tode verurteilten Häftlinge wird
                              auf über 650 geschätzt, die genaue Zahl ist jedoch Staatsgeheimnis10.
                              Tatsächlich sterben viele, wegen geringfügiger Vergehen Verhaftete in
                              polizeilichem Gewahrsam nach brutalen Misshandlungen durch die
                              Beamten.

Bürgerrechtsaktivisten        Es sind keine unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen,
werden im Namen von           politischen Parteien oder Gewerkschaften zugelassen.
nationalen Interessen         Bürgerrechtsaktivisten und Blogger müssen mit Belästigung, Angriffen,
schikaniert und verfolgt.     willkürlichen Verhaftungen und langen Haftstrafen rechnen auf der
                              Grundlage des strafrechtlichen Tatbestands „Unterminierung der
                              nationalen Einheit“ oder „Missbrauch der Rechte zu Demokratie und
                              Freiheit“. Vielen Aktivisten wird nicht gestattet, das Land zu verlassen11.
Internetzensur und            Internetinhalte12 werden zensiert und viele Websites, darunter
Medienbeschränkungen          Nachrichtenportale und soziale Medien, blockiert. Gleichzeitig müssen
rücken Vietnam ans Ende
                              Nutzer für abweichende Meinungen mit harten Strafmaßnahmen rechnen.
der Rangliste der
                              Die Medienfreiheit bleibt weiterhin stark eingeschränkt und alle Print- und
Pressefreiheit.
                              Funkkanäle sind staatlich kontrolliert. Gleichzeitig laufen Journalisten
                              Gefahr, Entschädigungszahlungen für Diffamierung wegen „Verleugnung
                              des revolutionären Fortschritts“ leisten zu müssen. In der Rangliste der
Die Religionsfreiheit ist     Pressefreiheit 2015 von Reporter ohne Grenzen wird das Land auf Platz 175
durch                         von 180 geführt.
Einwohnermeldebestimmu
                              Im Jahr 2014 stattete der VN-Sonderberichterstatter für Religions- und
ngen und Belästigungen
eingeschränkt.                Glaubensfreiheit Heiner Bielefeldt dem Land einen lang ersehnten Besuch
                              ab. Er stellte fest, dass missverständliche Formulierungen in den
                              Rechtsvorschriften großen Spielraum ließen, die Ausübung der Religions-
                              und Glaubensfreiheit im Interesse der „nationalen Einheit und öffentlichen
                              Ordnung“ zu regulieren, einzuschränken oder ganz zu verbieten. Religiöse
                              Gruppen und Geistliche benötigen für ihre Tätigkeit eine Genehmigung der
                              Regierung. Nicht registrierte Gruppen sind häufig Ziel von Belästigungen,
                              insbesondere unabhängige protestantische Hausgemeinden, Hoa-Hao-
Die indigene Bevölkerung
                              Buddhisten, die Cao-Dai-Religion, die Vereinigte Buddhistische Kirche von
steht unter dem Schutz der
Verfassung, ist im Alltag
                              Vietnam und Falun Gong.
jedoch Diskriminierung        In Vietnam leben 54 offiziell anerkannte Ethnien, deren Mitglieder etwa
ausgesetzt.                   12 % der Bevölkerung ausmachen. Der überwiegende Teil dieser Gruppe
                              lebt in entlegenen Berggebieten im zentralen Hochland und im Norden.
                              Obwohl die Verfassung ihnen Rechtsgleichheit zusichert, erfahren die
                              Minderheiten oft Diskriminierung und sind von der gegenwärtigen
                              wirtschaftlichen Entwicklung des Landes ausgeschlossen; und mehr noch:
                              Im Namen des wirtschaftlichen Aufschwungs wurde sogar Land
                              beschlagnahmt. Zu den betroffenen Gruppen gehören die Degar (auch
                              „Montagnard“), eine Minderheit im zentralen Hochland, und die Hmong,

                              10
                                 Amnesty International, Amnesty International Report 2014/15: The State of the World's
                              Human Rights.
                              11
                                 Human Rights Watch, Jahresbericht 2015: http://www.hrw.org/world-report/2015.
                              12
                                 Die Pressefreiheit wird noch nicht so systematisch eingeschränkt wie im Nachbarland
                              China, wie Forbes beobachtet: Vietnam Closes In On Bloggers But Keeps Websites Open,
                              16. Dezember 2014.

                                                        13
Fachabteilung Außenbeziehungen, Generaldirektion Externe Politikbereiche

                                die auch in Myanmar/Burma, Thailand und China (hier Miao) beheimatet
                                sind. Da viele Hmong im Ersten Indochinakrieg (1946-1954) und im
                                Vietnamkrieg (1954-1975) gegen die Kommunisten gekämpft hatten,
                                wurden sie nach dem Sieg der Kommunisten in Vietnam und Laos verfolgt.
                                Viele flohen vor den Verfolgungen in die USA und nach Thailand. In den
                                Jahren 1999 und 2011 führten die Hmongs Proteste in der Dien-Bien-
                                Provinz an, die gewaltsam niedergeschlagen wurden.

Im Zuge einer Änderung          Im Januar 2015 trat eine Novelle des Gesetzes zu Ehe und Familie in Kraft,
des Gesetzes zu Ehe und         wonach das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen aufgehoben wurde. Dieser
Familie im Jahr 2015 wurde      Schritt macht Vietnam zu einem Vorreiter in der Region, gleichwohl geben
das Verbot                      Beobachter zu bedenken, es handele sich nicht um ein „politisch sensibles“
gleichgeschlechtlicher Ehen
                                Thema im Land und der Hauptgrund für diese Entscheidung sei gewesen,
aufgehoben.
                                Aufmerksamkeit durch die internationale Gemeinschaft zu erwecken.

Es gibt nur eine offizielle     Freie Gewerkschaften sind verboten. Die einzige offizielle Gewerkschaft ist
Gewerkschaft und illegale       die Vietnam General Conference of Labour (VGCL). Dennoch wurde
Streiks sind mit hohen          gelegentlich freien Arbeitnehmerverbänden ohne formalen Status
Geldstrafen belegt.             gestattet, Arbeitnehmer zu vertreten. Auch nach der Novelle des
                                Gewerkschaftsgesetztes unterliegen die Gründung von Gewerkschaften
                                und die Teilnahme an deren Aktivitäten weiterhin den Statuten der VGCL.
                                Vietnam hat weder das Übereinkommen Nr. 87 über die
                                Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts (1948) noch
                                das Übereinkommen Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht zu
                                Kollektivverhandlungen (1949) der Internationalen Arbeitsorganisation
                                (IAO) ratifiziert.
                                Inflation und steigende Lebenshaltungskosten haben verstärkt
                                Arbeitnehmerunruhen und Streiks ausgelöst13. Die Durchsetzung von
                                Arbeitsrecht lässt weiterhin zu wünschen übrig. Das Streikrecht ist strengen
                                Bedingungen unterworfen. Die Teilnahme an illegalen Streiks kann mit
                                Entschädigungszahlungen an den Arbeitgeber von bis zu drei
Das                             Monatsgehältern bestraft werden.
Einwohnermeldesystem
diskriminiert                   Das Einwohnermeldesystem, das gewisse Ähnlichkeiten mit dem
Binnenmigranten.                chinesischen Hukou-System aufweist, hat eine diskriminierende
                                Auswirkung auf den Zugang von Binnenmigranten zu
                                Sozialdienstleistungen und anderen Rechten, darunter Wohnrechte und
                                das Recht auf Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen.

                                Internationales Engagement

Im Jahr 2014 hat Vietnam        2014 hat Vietnam die Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen
zwei grundlegende VN-           Folter und andere grausame oder erniedrigende Strafen (VN-
Konventionen ratifiziert und    Antifolterkonvention) sowie über die Rechte von Menschen mit
ist Mitglied des VN-            Behinderungen (VN-Behindertenrechtskonvention) ratifiziert. Im Rahmen
Menschrechtsrats.               der zweiten allgemeinen regelmäßigen Überprüfung (UPR) im
                                Februar 2014 hat das Land zugesagt, das Römische Statut des
                                Internationalen Strafgerichtshofs zu ratifizieren. Vietnam hat im Laufe des

                                13
                                     Idem.

                                                        14
Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien

                               Verfahrens 80 % der Empfehlungen angenommen, darunter zum Recht auf
                               freie Meinungsäußerung, zur Zivilgesellschaft und zur Todesstrafe. Der
                               Ministerpräsident kündigte einen Masterplan für die Umsetzung der UPR-
                               Empfehlungen an. Vietnam ist derzeit Mitglied des VN-Menschrechtsrats.
                               Vietnam ist Mitglied des Verbands der Südostasiatischen Nationen (ASEAN),
                               zu dessen Zielsetzungen auch die Förderung und der Schutz der
                               Menschenrechte gehören. Am 18. November 2012 haben die Staats- und
                               Regierungschefs der ASEAN-Mitgliedsländer die ASEAN-
                               Menschenrechtserklärung angenommen.

3.6.         Außenpolitik und internationale Beziehungen
Die Verteidigungspolitik       Vietnams Verteidigungspolitik fußt auf dem Prinzip der „drei Nein“: keine
des Landes fußt auf dem        Militärbündnisse, keine ausländischen Militärbasen auf dem eigenen
Prinzip der „drei Nein“:       Staatsgebiet, keine Allianzen „zur Verteidigung“. Dies geht eindeutig aus
keine Militärbündnisse,        dem Weißbuch für Verteidigung hervor, das vom
keine ausländischen
                               Verteidigungsministeriums im Jahr 2009 veröffentlicht wurde. Das
Militärbasen auf dem
                               Weißbuch führt auch die Vorstellungen Vietnams zur
eigenen Staatsgebiet, keine
Allianzen für den Kampf        Verteidigungszusammenarbeit aus, insbesondere den Wunsch, das
gegen Dritte.                  gegenseitige Verständnis und Vertrauen mit anderen Völkern und
                               Streitkräften zu vertiefen14.
                               Seit 1995 ist Vietnam Mitglied des ASEAN. Seit 2013 ist der ehemalige
Vietnam ist aktives ASEAN-
                               stellvertretende Außenminister Le Luong Minh ASEAN-Generalsekretär,
Mitglied.
                               und es wird erwartet, dass er diese Position bis 2018 innehat. Dies beflügelt
                               die Bemühungen von Hanoi, seinen Einfluss in der Region auszubauen. Das
                               Land ist am weitesten damit fortgeschritten, den für das Inkrafttreten der
                               ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft (AEC) am 31. Dezember 201515 nötigen
                               Rechtsrahmen zu schaffen. Vietnam, das bis Mitte 2015 Länderkoordinator
                               für die Beziehungen zwischen EU und ASEAN war, ist von jeher ein
                               Fürsprecher des Ausbaus der EU-ASEAN-Beziehungen. Vietnam ist eines
                               von 27 Mitgliedern des ASEAN-Regionalforums (ARF), dem Forum für
                               sicherheitspolitischen Dialog in Asien.
                               Hanoi unternimmt emsige diplomatische Bemühungen in Asien, um seine
                               strategische Position, vor allem in Handel und Verteidigung, zu festigen.
                               Beispielsweise unterzeichnete das Land im Juli 2013 ein Abkommen über
                               Verteidigungszusammenarbeit mit Indien, und eine strategische
                               Partnerschaft mit Indonesien. Die beiden Länder haben über die
                               Einrichtung einer ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) 16verhandelt und
                               den gemeinsamen Kampf gegen illegale Fischerei vereinbart. Aus
                               historischen und politischen Gründen unterhält Vietnam traditionell

                               14
                                  Die vollständige englische Version des Weißbuchs kann hier heruntergeladen werden:
                               Vietnam: National Defence, The International Relation and Security Network:
                               http://www.isn.ethz.ch/Digital-Library/Publications/Detail/?lng=en&id=155222.
                               15
                                  Laurence VANDEWALLE, EU-ASEAN: Challenges ahead, 14. November 2014, Europäisches
                               Parlament GD Außenpolitik, Referat Politik.
                               16
                                  Die AWZ ist ein Gebiet von 200 Seemeilen vor der Küste, in der das Land über besondere
                               Rechte für die Erforschung und Nutzung der natürlichen Ressourcen verfügt.

                                                        15
Fachabteilung Außenbeziehungen, Generaldirektion Externe Politikbereiche

                                hervorragende Beziehungen zu seinem westlichen Nachbarn, der
                                Demokratischen Volksrepublik Laos. Andererseits bestehen zwischen
                                Vietnam und Kambodscha, einem engen Verbündeten Chinas, noch
                                immer Grenzstreitigkeiten zu vorgelagerten Inseln. Die bilateralen
                                Beziehungen zwischen Vietnam und Japan haben sich kontinuierlich
                                weiterentwickelt. Im Oktober 2013 vereinbarten beide Länder eine
                                Vertiefung ihrer Zusammenarbeit im Bereich maritime Sicherheit und 2014
                                eine weitreichende strategische Partnerschaft für Frieden und Wohlstand in
                                Asien. Der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe erklärte seine
                                Absicht, die Investitionsbeziehungen mit Vietnam im Bereich Wirtschaft
                                und Handel auszubauen. Japan ist für Hanoi auch eines der wichtigsten
                                Geberländer von öffentlicher Entwicklungshilfe (ODA).

In der Außenpolitik ist         China bleibt die größte außenpolitische Herausforderung Hanois und der
Peking weiterhin die größte     einzige potenzielle Kontrahent in der Region. Die beiden Länder führen
Herausforderung für Hanoi.      einen Grenzstreit um die Spratly- und Paracel-Inseln im Südchinesischen
                                Meer (in Vietnam als Östliche See bezeichnet). In den Grenzstreit verwickelt
                                sind Brunei, Malaysia, China, die Philippinen, Taiwan und Vietnam. China
                                hat eine „9-Punkte-Linie“ vorgelegt, die 80 % des Südchinesischen
                                Meeres/der Östlichen See dem eigenen Hoheitsgebiet zuordnet, ein
                                Vorstoß, der von Vietnam, Malaysia, Brunei, Indonesien und den
                                Philippinen offiziell angefochten wird. Im Jahr 2011 führte die
                                vietnamesische Marine Manöver im Südchinesischen Meer durch, und 2012
                                verabschiedete Vietnam ein „Gesetz über das Meer“, wonach diese Inseln in
                                vietnamesischen Gewässern liegen17.
                                Im Jahr 2014 waren die chinesisch-vietnamesischen Beziehungen, die den
                                Grenzstreit ausklammern, vorübergehend wieder auf einem guten Weg –
                                bis der staatliche chinesische Ölkonzern CNOOC 150 Meilen vor der
                                vietnamesischen Küste in einem umstrittenen Gebiet (in der Nähe der
                                Paracel-Inseln) eine riesige Bohrinsel gebaut hat. Die Spannungen
                                eskalierten. Am 4. Mai kam es zu einem Zusammenstoß eines
                                vietnamesischen und eines chinesischen Boots, bei dem mehrere
                                vietnamesische Seeleute angeblich verletzt wurden. Die Zusammenstöße
                                setzten sich fort, bis am 26. Mai ein vietnamesisches Fischerboot versenkt
                                wurde. In Vietnam kam es zu anti-chinesischen Ausschreitungen gefolgt
                                von gewaltsamen Übergriffen auf chinesische Firmen rund um Hanoi. Die
                                Spannungen nahmen deutlich ab, als China im Juli schließlich die Bohrinsel
                                abbaute. Die beiden Nachbarn haben Schritte für eine Wiederaufnahme der
                                freundschaftlichen Beziehungen in die Wege geleitet. Am Rande des
                                Gipfeltreffens der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation (APEC) 2014
                                in Peking trafen sich Präsident Truong Tan Sang und Präsident Xi Jinping.
                                Die beiden Staatsoberhäupter einigten sich darauf, den Seestreit mit
                                friedlichen Mitteln beizulegen. Im Jahr 2015 zeigten Satellitenaufnahmen
                                jedoch, dass die chinesische Regierung ihre Bautätigkeiten zur Errichtung
                                künstlicher Inseln auf umstrittenen Riffen fortgesetzt hat, was auf

                                17
                                  Den Streit um die Paracel-Inseln, derzeit unter chinesischer Verwaltung, führen China,
                                Vietnam und Taiwan. Diese Länder führen auch den Streit um die Spratly-Inseln plus die
                                Philippinen, Malaysia und Brunei.

                                                          16
Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien

                              vietnamesischer Seite die Angst vor chinesischen Gebietsansprüchen
                              wieder hat aufflammen lassen. Am 16. März 2015 erklärte Vietnam seine
                              offizielle Unterstützung für den Antrag der Philippinen beim Ständigen
Vietnam unternimmt            Schiedshof in Den Haag. Nguyen Phu Trong, der Generalsekretär der KPV,
intensive diplomatische
                              traf sich im April 2015 mit Präsident Xi Jinping in Peking: beide Seiten
Bemühungen, um dem
                              kündigten an, die Zusammenarbeit zu intensivieren – dies war seit dem
wachsenden Einfluss Chinas
durch eine stärkere           Bohrinsel-Zwischenfall der höchstrangige politische Austausch zwischen
Annäherung an die USA         den beiden Ländern. Ende 2015 könnte Xi Jinping als erster chinesischer
und EU entgegen zu treten.    Präsident seit zehn Jahren Vietnam besuchen.
                              Vor dem Hintergrund der oft komplexen und spannungsreichen
                              Beziehungen Vietnams zu China entwickeln sich die Beziehungen zu den
                              Vereinigten Staaten kontinuierlich. Die ehemaligen Feinde schlossen im
                              Jahr 2013 ein umfangreiches Partnerschaftsabkommen und haben ihre
                              Zusammenarbeit vor allem im Bereich Bildung, Kultur, Sicherheit und
                              Verteidigung enorm vorangebracht. Am 23. Juli 2013 empfing US-Präsident
                              Barack Obama Präsident Sang im Weißen Haus und am 30. September 2013
                              war Ministerpräsident Dung zu Gast in Washington. Im Jahr 2014
                              bewilligten die USA ein Hilfspaket von 18 Mio. USD, „um Vietnam beim
                              Ausbau seiner marinen Kapazitäten zu unterstützen“18. Im Oktober 2014
                              entschieden die USA, das Exportverbot für tödliche Waffen nach Vietnam
Das Jahr 2015 markiert den
                              teilweise aufzuheben. Das Jahr 2015 markiert den 20. Jahrestag der
20. Jahrestag der
Normalisierung der            Stabilisierung der Beziehungen zwischen Vietnam und den USA. Vom 5. bis
Beziehungen zwischen          10. Juli 2015 hielt sich der Generalsekretär der KPV Trong zu einem
Vietnam und den USA.          offiziellen Besuch in Washington auf und traf sich auch mit Präsident
                              Barrack Obama. In den Gesprächen ging es um die Menschenrechtslage in
                              Vietnam und um die Freiheit der Schifffahrt in Asien. Die Möglichkeit eines
                              Besuchs von Präsident Obama in Vietnam im Rahmen seiner Asienreise im
                              November 2015 wurde diskutiert, jedoch noch nicht bestätigt.

Russland bleibt Vietnams      Russland ist ein strategischer Partner und wichtigster Verbündeter
wichtigster Verbündeter in    Vietnams im Verteidigungsfall. Die militärische Ausrüstung Vietnams
Sachen Verteidigung.          stammt zum Großteil noch aus Sowjetzeiten. Im April 2015 trat der
                              russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew seine Südostasien-Reise an,
                              in deren Verlauf er sich mit den vier wichtigsten Staats- und
                              Regierungschefs traf. Er kündigte an, dass in naher Zukunft ein
                              Freihandelsabkommen zwischen der Eurasischen Wirtschaftsunion19 (EEU)
                              und Vietnam geschlossen werden könnte – Russland hofft, dass dieses
                              Abkommen ein erster Schritt auf dem Weg zu einem
                              Freihandelsabkommen zwischen den Wirtschaftsräumen EEU und ASEAN
                              sein könnte.

                              18
                                 „Vietnam promotes relationship with key partners“, VOV5, 6. März 2015:
                              http://vovworld.vn/en-US/Current-Affairs/Vietnam-promotes-partnerships-with-key-
                              partners/315871.vov.
                              19
                                 Die EEU wurde am 1. Januar 2015 gegründet, ist eine internationale Organisation für die
                              wirtschaftliche Integration der Region und internationale Rechtspersönlichkeit. Sie setzt
                              sich aus der Republik Armenien, der Republik Belarus, der Republik Kasachstan, der
                              Kirgisischen Republik und der Russischen Föderation zusammen.

                                                        17
Fachabteilung Außenbeziehungen, Generaldirektion Externe Politikbereiche

                                Am 9. Mai 2015 wohnte Präsident Sang einer Militärparade anlässlich des
                                70. Jahrestags der Beendigung des Zweiten Weltkriegs bei und traf sich mit
                                dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, der ihn zum 40. Jahrestag der
                                Wiedervereinigung seines Landes beglückwünschte.

4            Wirtschaftliche Lage
Die politischen und             Die im Jahr 1986 eingeleiteten, als Doi Moi bezeichneten, politischen und
wirtschaftlichen Reformen       wirtschaftlichen Reformen („Erneuerung“ auf Vietnamesisch) ließen
in Vietnam waren der            Vietnam von einem der ärmsten Länder der Welt zu einem Land der
Beginn des Übergangs in         unteren mittleren Einkommensstufe werden. Mit dieser Veränderung
ein offeneres, moderneres
                                wurden Marktreformen eingeführt und das Land für ausländische
Marktsystem.
                                Investitionen geöffnet. Der im Jahr 1995 eingeleitete und im Jahr 2007
                                abgeschlossene Vorgang des Beitritts zur Welthandelsorganisation (WTO)
                                führte zu einer Umgestaltung des ordnungspolitischen und
                                wirtschaftlichen Umfelds im Land und zog einen massiven Zufluss
                                ausländischer Investitionen nach sich. Vor den Reformen war Vietnam eine
                                zentrale Planwirtschaft mit starker Abhängigkeit von der Landwirtschaft.
                                Die Marktreformen trugen zur Industrialisierung und Modernisierung der
                                Wirtschaft und zu einer raschen Verlagerung der Beschäftigung aus der
                                durch niedrige Produktivität geprägten Landwirtschaft auf produktivere,
                                nicht-landwirtschaftliche Arbeitsplätze bei. Landreformen waren Anlass
                                zum Entstehen landwirtschaftlicher Einzelbetriebe, so dass die Landwirte
                                Möglichkeiten zur Erweiterung ihrer Erzeugung erhielten.
                                Die zunehmende Marktöffnung war ein wichtiger Faktor für den Erfolg der
                                vietnamesischen Wirtschaft. Anfang der 2000er-Jahre hatte Vietnam mit
                                etwa 160 Ländern Handelsbeziehungen aufgenommen20. Ausfuhren von
                                Fertigerzeugnissen und Tourismus wurden zu den Hauptantriebskräften
                                der Wirtschaft und das Land entwickelte sich zum zweitgrößten
                                Reisexporteur der Welt.
                                In den letzten Jahrzehnten verzeichnete die Wirtschaft ein
Die Wirtschaft verzeichnete
                                bemerkenswertes Wachstum. Die Armutsquote fiel von 58 % im Jahr 1993
bemerkenswerte
                                auf 11.8 % im Jahr 201121. Vietnams jährliche BIP-Wachstumsrate erhöhte
Wachstumsquoten, wobei
                                sich von 3 % im Jahr 1986 auf 10 % im Jahr 1995 und verharrte dann bis
sich das Wachstum
während der globalen Krise      2008 auf einer jährlichen Wachstumsrate von ca. 7 %22.
verlangsamte.                   Infolge der globalen Krise und der fallenden Nachfrage auf den
                                internationalen Märkten erlebte Vietnam einen wirtschaftlichen
                                Abschwung. In den ersten Jahren der Krise, 2008 und 2009, fiel die
                                durchschnittliche BIP-Wachstumsrate auf etwa 5,5 %. Sie erholte sich leicht
                                und erreichte im Zeitraum 2010-2011 6,3 %, ging aber im Jahr 2012 wieder
                                auf 5,2 % zurück23.

                                20
                                   Mehrjahresrichtprogramm für Vietnam.
                                21
                                   UNDP Vietnam 2014.
                                22
                                   Weltbank, „Taking Stock. An update on Vietnam's recent economic developments“:
                                Dezember 2014.
                                23
                                   WDI-Datenbank der Weltbank: http://www.worldbank.org/en/publication/global-
                                economic-prospects/data?region=EAP

                                                         18
Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien

                            Das Wirtschaftswachstum beginnt sich nun wieder zu erholen, bleibt aber
                            immer noch hinter seinem Potenzial zurück. Das BIP nahm im Jahr 2013 um
                            5,5 % zu und wird den Vorhersagen zufolge in den Jahren 2014 und 2015
                            um 6 % wachsen24.

Abbildung 4:
Jährliche Wachstumsrate
des vietnamesischen BIP

                            Quelle: Weltbank, Weltentwicklungsindikatoren

Durch strukturelle          Wirtschaftsreformen senkten den Anteil der Landwirtschaft zugunsten der
Umwandlungen wurde der      Industrie, deren als Prozentanteil vom BIP ausgedrückte Wertschöpfung
Anteil der Landwirtschaft   von 28,9 % auf 38,3 % anstieg. In Vietnam entstand darüber hinaus ein
gesenkt und zugleich der    Dienstleistungssektor, dessen Hauptantriebskräfte Tourismus,
Anteil der Sektoren
                            Telekommunikation und handelsbezogene Dienstleistungen (z. B. Groß-
Industrie und
                            und Einzelhandel, Lagerung, Transport) sind.
Dienstleistungen erhöht.

Abbildung 5:
Wertschöpfung nach
Sektoren (% BIP)

                            Quelle: Weltbank, Weltentwicklungsindikatoren

                             24
                                  Idem.

                                                      19
Fachabteilung Außenbeziehungen, Generaldirektion Externe Politikbereiche

Vietnam strebt die              In Vietnams sozioökonomischer Entwicklungsstrategie für 2011-2020 wird
Weiterentwicklung einer         ein besonderer Schwerpunkt auf Strukturreformen gelegt, u. a.
sozialistisch orientierten      gesamtwirtschaftliche Stabilität, soziale Gerechtigkeit und ökologische
Marktwirtschaft an.             Stabilität. Diese Zielsetzungen wurden in einem Fünfjahresplan für den
                                Zeitraum 2011-2015 entwickelt.
                                Die Umweltzerstörung (Umweltverschmutzung, Ausbeutung natürlicher
                                Ressourcen, Bedrohungen der biologischen Vielfalt, ineffiziente
                                Energienutzung usw.), die mit kapital-, arbeits- und energieintensiven
                                Entwicklungsmustern einherging, ist ebenfalls Gegenstand von
                                Besorgnissen, denen der Fünfjahresplan begegnet.

Das moderate                    Vietnam tritt zwar in eine neue Phase seiner wirtschaftlichen Entwicklung
Wirtschaftswachstum mit         ein, befindet sich aber immer noch im Übergang von einer zentralen
Ausfuhren und                   Planwirtschaft zu einer industrialisierten, modernen Markwirtschaft. Laut
ausländischen                   Vorhersagen könnte das BIP in gemäßigtem Tempo weiterwachsen und bei
Direktinvestitionen (FDI) als
                                der wirtschaftlichen Stabilität ist von einer weiteren Konsolidierung
Hauptantriebsfaktoren wird
                                auszugehen. Gestützt vor allem auf Fertigung, Handel und ausländische
wahrscheinlich andauern.
                                Direktinvestitionen wird sich das Wachstum voraussichtlich fortsetzen,
                                wobei die Handelsbilanz wieder Überschüsse ausweisen wird.
                                Die hohe Exportorientierung der Wirtschaft setzt Vietnam den Risiken
                                nachteiliger Ereignisse in der Weltwirtschaft aus, insbesondere auf der
                                Nachfrageseite. Der Textil-, Schuh- und Möbelexport ist nach wie vor die
In der Wertschöpfungskette      Hauptdevisenquelle. Zur Sicherstellung einer stabilen Nachhaltigkeit seiner
aufzusteigen ist wichtig für    Wirtschaft muss Vietnam Modelle, die sich auf Niedriglöhne stützen, hinter
wirtschaftliche                 sich lassen. Dies erfordert erhebliche Verbesserungen bei den Fähigkeiten
Nachhaltigkeit.                 der vietnamesischen Arbeitskräfte und eine stärkere Konzentration auf
                                Innovation25. Fortschritte bei der Umstrukturierung der Börsenorganisation
                                und des Bankensektors stellen ebenfalls bedeutende Herausforderungen
                                bei der Stabilitätssicherung für die Wirtschaft dar, wobei sie einen Beitrag
                                zur Schaffung eines besseren Umfelds für einen inländischen Privatsektor
                                leisten.

4.1.          Handel

4.1.1         Institutioneller Rahmen
Vietnam hat seine               Seit dem Start der „Doi Moi“-Reform hat Vietnam seine Handelsbeziehungen
Handelsbeziehungen              aktiv entwickelt und die schrittweise Integration des Landes in die
weltweit aktiv ausgebaut.       Weltwirtschaft vorangetrieben. Das Land schloss eine Reihe von
                                Handelsvereinbarungen26 über Zollvergünstigungen und andere, nicht

                                25
                                   Weltbank, „Vietnam development report 2014, Skilling up Vietnam: preparing the
                                workforce for a modern market economy“.
                                26
                                   Vor dem Beitritt zur WTO hatte Vietnam mit 40 Ländern bilaterale Handelsabkommen auf
                                Meistbegünstigungsbasis. WTO, August 2013.

                                                         20
Vietnam: Trotz Menschenrechtsfragen ein vielversprechender Partner für die EU in Asien

                             zollbezogene Maßnahmen mit dem Ziel der Öffnung des Marktes und
                             Steigerung der Ausfuhren27.
                             Als ASEAN-Mitglied setzte sich Vietnam durch seine Beteiligung an fünf
                             Freihandelsabkommen, die die Gruppe mit China, der Republik Korea, Japan,
                             Indien und Australien-Neuseeland schloss, für die Liberalisierung des
                             Handels in der Region ein.
Vietnam trat im Jahr 2007
                             Vietnam trat der Welthandelsorganisation im Jahr 2007 bei, zwölf Jahre nach
der
Welthandelsorganisation      Beginn der Verhandlungen. Die bedeutenden Verpflichtungszusagen, die
bei.                         Vietnam im Rahmen der Welthandelsorganisation machte, stießen
                             wesentliche ordnungsrechtliche und wirtschaftliche Reformen an und waren
                             ein weiterer Anreiz zur Liberalisierung des Handels und für Zuflüsse
                             ausländischer Direktinvestitionen.
Angestrebter Termin für
den Abschluss der meisten    Vietnam betreibt eine weitere Liberalisierung des Handels. Das Land gehört
derzeit laufenden            den Verhandlungen über das Transpazifische Partnerschaftsabkommen
Verhandlungen ist 2015.      (TPP)28 an und handelt derzeit bilaterale Handelsabkommen
                             (Freihandelsabkommen) aus, und zwar mit der EU, der EEU, der Republik
                             Korea, der Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) und der
                             Europäischen Freihandelszone (EFTA)29. Für die meisten dieser Abkommen
                             wurde 2015 als Zieltermin für den Abschluss der Verhandlungen angesetzt.

Vietnam gehört dem           Vietnam war einer der 12 Pazifikanrainerstaaten, deren Regierungen im
regionalen Abkommen          November 2011 die groben Umrisse eines verbesserten Transpazifischen
unter der Federführung der   Partnerschaftsabkommens (TPP) bekanntgaben30. Ziel der am 5 Oktober
USA, der Transpazifischen    2015 in Atlanta abgeschlossenen TPP-Verhandlungen unter Federführung
Partnerschaft (TPP), an
                             der USA ist die Schaffung eines umfassenden Handels- und
                             Investitionsabkommens zur Verbesserung der regionalen Integration und
                             Erleichterung der Entwicklung von Produktions- und Lieferketten unter
... Auch an den von China    gleichgesinnten Partnern. Vietnam ist auch Verhandlungspartner einer
angeführten RCEP-            Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), einer Initiative
Verhandlungen ist das Land   Chinas31, die die zehn ASEAN-Mitglieder sowie China, Japan, Korea, Indien,
beteiligt.                   Australien und Neuseeland umfasst und im Jahr 2015 abgeschlossen werden
                             soll. Am 26. Juni 2015 nahm das Land an der Unterzeichnungszeremonie des
                             Gründungsvertrags für die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank teil, bei
                             der es Gründungsmitglied wurde und die ihren Sitz in Beijing hat.

                              27
                                 Hauptexportprodukte sind landwirtschaftliche Erzeugnisse, Fischereierzeugnisse,
                              Textilien und Bekleidung, Schuhe und Möbel.
                              28
                                 Die zwölf Länder, die derzeit das TPP aushandeln, sind: Australien, Brunei Darussalam,
                              Chile, Malaysia, Neuseeland, Peru, Singapur, Vietnam und die Vereinigten Staaten.
                              29
                                 Die Europäische Freihandelszone (EFTA) fördert den freien Handel und die wirtschaftliche
                              Integration zwischen Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz.
                              30
                                 Australien, Brunei Darussalam, Chile, Malaysia, Neuseeland, Peru, Singapur, Vietnam und
                              die Vereinigten Staaten. Kanada, Japan und Mexiko traten den Verhandlungen später bei.
                              31
                                 Vietnams Engagement für Initiativen asiatischer Länder findet seine weitere Bestätigung
                              in der Teilnahme des Landes an der Unterzeichnungszeremonie für die Asiatische
                              Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) mit Sitz in Beijing am 26. Juni 2015. Vietnam ist
                              Gründungsmitglied.

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