KOMMUNIKATION IN DER KRISE - FOKUS STANDORT De-Industrialisierung? Nein: Digitalisierung! - Handelskammer beider ...

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KOMMUNIKATION IN DER KRISE - FOKUS STANDORT De-Industrialisierung? Nein: Digitalisierung! - Handelskammer beider ...
14. Ausgabe
                                                   Frühjahr 2021

                                                  FOKUS

                         KOMMUNIKATION
                            IN DER KRISE
STANDORT                   AUS DER ’KAMMER
De-Industrialisierung?     Wirtschaft in bester
Nein: Digitalisierung!     Gesellschaft
KOMMUNIKATION IN DER KRISE - FOKUS STANDORT De-Industrialisierung? Nein: Digitalisierung! - Handelskammer beider ...
IN DIESER AUSGABE

                   FOKUS                                                 STANDORT                                        AUS DER ’KAMMER

    4 E
       rfolgreich durch                                   14 De-Industrialisierung?                                 24 Stimmungsbarometer –
                                                              Nein: Digitalisierung!                                    Spezial Frühling 2021
      die Krise navigieren
                                                          16 Lehre trotz(t)                                         25 Wirtschaft in bester
                                                             der Krise                                                 Gesellschaft

                                                                                                                                 WIRTSCHAFT
                                                                                                                                        IN BESTER
                                                                                                                                   GESELLSCHAFT

                                                                                                                                                                  LN
                                                                                                                                   ZU
                                                                                                                                      SA                              E
                                                                                                                                           MM
                                                                                                                                                             A   ND
                                                                                                                                                EN
                                                                                                                                                     LEBEN H
     8 Die Kunst des Redens
10 S
    oziale Medien als
                                                           18 Weg frei für neue Projekte                             26 Virtuelle Zusammenarbeit
   Chance
                                                           19 Turbulente Zeiten                                         fordert uns alle

                                                           20 Aus Überzeugung ausbilden                              27 «Wie sicher ist unser Strom?»
                                                                                                                     28 Position beziehen
                                                          23 Schluss mit
                                                             langweilig                                              29 Den bilateralen Weg stärken
                                                                                                                     30 Abstimmungen
                                                                                                                     31 Agenda

    12 Kommunikation ist essenziell
    13 Kolumne von Regierungsrat
       Lukas Engelberger

IMPRESSUM
twice erscheint zweimal im Jahr (Frühjahr und Herbst) HERAUSGEBER Handelskammer beider Basel, St. Jakobs-Strasse 25, Postfach, 4010 Basel, T +41 61 270 60 60,
F +41 61 270 60 05, E-Mail: info@hkbb.ch REDAKTION Jasmin Fürstenberger, j.fuerstenberger@hkbb.ch MITAUTORINNEN Margrith Mermet, Mermet Texte & PR GmbH,
Anne Theiss, Brenneisen Theiss Communications ART DIRECTION Brenneisen Theiss Communications FOTOS Aumivi AG (S. 23), Andi Cortellini (S. 13), Pino Covino (S. 29),
Freepik Company S.L. (S. 12), Christoph Gysin, icona basel gmbh (S. 16), Amanda Nikolic (S. 8), Martin Schulze-Schilddorf (S. 20), Shutterstock: elenabsl (S. 14), justone
(S. 24), Unsplash: Matthew Brodeur (S. 7), Volodymyr Hryshchenko (Titel), Karsten Winegeart (S. 10), Andreas Zimmermann Fotografie (S. 17, S. 25) DRUCK Gremper AG, Basel

2    twice Frühjahr 2021
KOMMUNIKATION IN DER KRISE - FOKUS STANDORT De-Industrialisierung? Nein: Digitalisierung! - Handelskammer beider ...
EDITORIAL

BLEIBEN WIR
IM DIALOG
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER

Die Pandemie ist immer noch da. Sie fordert Menschen, Unternehmen und
die Politik gleichermassen. Und sie beeinflusst die Kommunikation. Jeder
von uns spürt das – zuallererst in der Familie und mit Freunden. Auch das
Kommunikationsverhalten in Unternehmen hat sich verändert – ebenso in
der Politik. «Führen und Kommunizieren in der Krise» ist das Thema dieser
Ausgabe. Was sind die Herausforderungen diesbezüglich für Unternehmen?

Die Krise zeigt, wie wichtig es für Unternehmen ist, mit ihren Anspruchs-
gruppen im Dialog zu sein. Die Erwartungen der Mitarbeitenden und der
Öffentlichkeit an die Kommunikation ist zu Recht gestiegen. Dass die digitale
Kommunikation ihre Grenzen hat, haben wir alle schon selbst erlebt. Von
Joachim Tillessen, Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz, erfahren
wir, dass Leadership und Kultur eine neue Bedeutung erhalten und Wert-
schätzung und Empathie heute erst recht gefragt sind, denn diese schaffen
etwas Nähe, die momentan so fehlt.

Wussten Sie, dass wir uns laut Studien im Schnitt nur gerade acht Sekunden am
Stück auf etwas konzentrieren können? Was bedeutet das für die vielen Zoom-
Meetings? Mireille Jaton, Rhetorik-Spezialistin, kennt die Herausforderungen
in der virtuellen Kommunikation und weiss, was es für eine gute Rede braucht.
Sie verrät uns, wie man sein Publikum auch in einem Video-Call fesseln kann.

«Wirtschaft in bester Gesellschaft» lautet unser aktuelles Jahresthema – auf
Seite 25 erzähle ich mehr darüber. Das Spannungsfeld «Wirtschaft und Gesell-
schaft» ist sehr aktuell. Wir möchten aufzeigen, welchen wichtigen Beitrag die
lokale Wirtschaft für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unseren
Wohlstand leistet, gerade jetzt, in dieser schwierigen Zeit.

MINT-Fächer sind viel spannender als gedacht – das entdecken Jugendliche die-
ses Jahr auch ohne die Erlebnisschau tunBasel. Eine interaktive Erlebniswelt
lädt zum Mitmachen ein: Einfach auf einer virtuellen Karte Unternehmen aus
der Drohnenperspektive anfliegen und deren MINT-Angebote erkunden.
Probieren Sie es mit Ihren Kindern aus – Mathe und Co. ist wirklich cool!
Ich wünsche Ihnen viel Spass.

Martin Dätwyler, Direktor

                                                                     twice Frühjahr 2021   3
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ERFOLG
FOKUS

     DURCH DIE KRISE NAVI

                 Es ist essenziell, dass sich Unternehmen immer wieder neu
                 erfinden. Eine Krise wie Corona forciert das zusätzlich und
                 zwingt Firmen, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Die Pandemie
                 beeinflusst aber auch das Kommunikationsverhalten stark.

                 Von Joachim Tillessen

                                                                      INFORMELLES
        BESPRECHUNG                       ORTSTERMIN
                                                                        TREFFEN

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GREICH
IGIEREN
                                                        Bisher kam unsere Wirtschaft im Vergleich            ANPASSUNGEN NÖTIG
                                                        sehr gut durch die Krise. Der Rückgang       Was heisst das für die externe Kommuni-
                                                        des Bruttoinlandproduktes (BIP) betrug       kation? Stimmen unsere kommunikativen
                                                        2020 knapp drei Prozent. In Deutschland      Inhalte und die eingesetzten Kommuni-
                                                        minus fünf Prozent. Dies, obwohl die         kationsmittel und -plattformen noch? Wie
                                                        staatliche Unterstützung in der Schweiz      können wir unsere Zielgruppen mit neu-
                                                        im Vergleich zum BIP nicht einmal halb       en Inhalten erreichen? Wie soll dies aus
                                                        so hoch war wie diejenige in Deutschland.    Empfängersicht geschehen? Und wie meis-
                                                        Dazu beigetragen hat die Anpassungsfä-       tern wir diese Aufgabe unter der aktuel-
                                                        higkeit unserer Unternehmen. Dies ist        len Ressourcenknappheit? Dazu sind zwei
                                                        auch nötig – gerade in Krisenzeiten. Coro-   Ansätze empfehlenswert: die vertriebliche
                                                        na wirkte sich zunächst auf die Geschäfts-   und inhaltliche Qualität zu verbessern,
                                                        modelle der Unternehmen aus: Stationäre      um so mehr Wirkung zu erzielen, sowie
                                                        Geschäfte verlagerten ihren Vertrieb ver-    rasche und unkomplizierte Anpassungs-
                                                        mehrt ins Netz, Restaurants boten Take-      prozesse, um die Effizienz zu erhöhen.
                                                        away- und Heimliefer-Services an. Auf der
                                                        anderen Seite veränderten die Kundin-               MANKO KOMPENSIEREN
                                                        nen und Kunden ihr Konsum- und Kom-          Die Massnahmen des Bundesrats und der
                                                        munikationsverhalten.                        Kantone schränken unsere Mobilität deut-
                                                                                                     lich ein. Dadurch verringert sich die soge-
                                                                                                     nannte Out-of-Home-Kommunikation stark.
                                                                                                      Der stationäre Handel, aber auch Restau-
                                                                                                          rants oder Buchhandlungen erreichen
                                                                                                             ihre Kundinnen und Kunden bei-
                                                                                                                 spielsweise mit Plakatwerbung
                                                                                                                    nicht mehr ausreichend. Wie
                                                                                                                      kann dieses Vertriebsman-
                                                                                                                     ko in der Kommunikation
                                                                                                                 kompensiert werden? Manche
                                                                                                              setzen vermehrt auf Onlineplatt-
                                                                                                          formen und E-Commerce, verbunden
                                                                                                       mit Heimlieferung oder Take-away. Der
                                                                                                     Nachteil: Plattformen wie Facebook oder
                           MEETING                       DIGITALE KOMMUNIKATION                      LinkedIn erbringen immer geringere Kom-
                                                                                                     munikationsleistungen. Die Anbieter zwin-
  Kommunikationskanäle der internen Kommunikation                                                    gen uns Kundinnen und Kunden vermehrt,
 vor und nach dem Lockdown: Medienwissenschafter
  Matthias Zehnder vergleicht sie mit dem Strassen-                                                  für den digitalen Vertrieb zu bezahlen.
    verkehr: «Es ist, wie wenn auf einer vielspurigen                                                Mit sich ständig ändernden Algorithmen
Strasse plötzlich alle Spuren gesperrt wären und man
         nur noch eine einzige Spur benutzen kann.»                                                  entstehen zudem Abhängigkeiten.

                                                                                                                              twice
                                                                                                                               twiceFrühjahr
                                                                                                                                     Herbst 2020
                                                                                                                                             2021   5
KOMMUNIKATION IN DER KRISE - FOKUS STANDORT De-Industrialisierung? Nein: Digitalisierung! - Handelskammer beider ...
FOKUS

Einmal aufgebaute Reichweiten können von                     INTERNE KOMMUNIKATION                      Eine Untersuchung des Instituts für Per-
heute auf morgen wieder verloren gehen.                              VERSTÄRKEN                         sonalmanagement und Organisation (IPO)
Ein möglicher Ausweg: eigene Kommunika-                 Der 16. März 2020 war für viele Unterneh-       der Hochschule für Wirtschaft (FHNW)
tionsplattformen und -mittel schaffen und               men ein Schlüsseldatum. Der Bundesrat           ergab, dass zumindest ein Teil der Beleg-
auf Owned-Media wie Newsletter, Blogs,                  erklärte die ausserordentliche Lage und         schaft nicht gewohnt ist, Informationen
Kundenzeitschriften oder Websites setzen.               kündigte den Lockdown an. Damit begann          selbstständig zu verarbeiten und daraus
                                                        der neue Alltag mit Homeoffice, Videokon-       Handlungsoptionen zu entwickeln. Sie
    INHALTE WEITERENTWICKELN                            ferenzen und digitalen Arbeitsplattformen.      zeigte auch, dass ein gemeinsames Ver-
Ist die Vertriebsfrage gelöst, gilt es, die             Analoge Kommunikation wie Mitarbeiter-          ständnis im Umgang mit dieser neuen
eigenen Kommunikationsinhalte weiterzu-                 gespräche, Sitzungen, gemeinsame Kaffee-        Kommunikationssituation fehlt und dass
entwickeln und den Corona-modifizierten                 pausen oder Mittagessen, aber auch das          das System durch unnötige Informatio-
Geschäftsmodellen anzupassen. Zunächst                  Feierabendbier finden seither virtuell statt.   nen belastet wird, nach dem Motto: Ich
soll der Inhalt nach seiner Aktualität und                                                              kommuniziere, also arbeite ich. Das er-
Relevanz beurteilt werden. Dazu genügt                  Zur geschäftsinternen Kommunikations-           gibt digitalen Stress, der sich vor allem in
eine einfache Excel-Liste. Das aussagefä-               menge über den PC oder das Handy kom-           Leistungsverminderung, Ablenkung, Un-
higste Beurteilungskriterium ist, wie die               men weitere Inhalte von Kunden, Familie         klarheit, Überlagerung von Infos und Be-
Kundschaft Inhalte nutzt. Bei einer Web-                oder Unterhaltungsprogrammen dazu. Sie          lastung durch teils neuen Handlungs-
seite kann neben Nutzersignalen und SEO-                bringen die digitalen Kommunikationska-         spielraum äussert.
Indikatoren auch die SEO-Performance                    näle vollends zum Überlaufen und damit
erfasst werden: Bei welchen Suchbegrif-                 die Aufnahmekapazität der Nutzerinnen                    KANÄLE ENTWIRREN
fen werden meine Seiten angezeigt und an                und Nutzer an den Anschlag. Welche Aus-         Was heisst das für unser internes Kommu-
welcher Position? Die Analyse fördert                   wirkungen hat das für die Mitarbeitenden?       nikationsmanagement? Reduzieren Sie ge-
auch den ROT-Content zutage: «Redun-                                                                    nerell die Informationsmenge. Sind alle
dant», also überflüssig, «Outdated», sprich                  DIGITALE ÜBERFORDERUNG                     einkopierten Empfänger gerechtfertigt? Ist
veraltet, und «Trivial», zu banal und des-              Der subjektive Informations-Overload            die E-Mail inhaltlich komplett oder sind in
halb unnütz. Diese Inhalte können durch                 entsteht nicht nur durch die steigende          der Eile entscheidende Infos vergessen ge-
Evergreen-Inhalte ergänzt werden, was                   Menge, sondern auch durch die immer             gangen, was zu Rückfragen führt?
bei Google zu einem höheren Ranking                     höhere Geschwindigkeit und die ständige
führt. Zu dieser Inhaltsoptimierung trägt               Verfügbarkeit von Informationen, die nun        Schaffen Sie davon unabhängig ein ge-
auch der Ansatz des sogenannten Lean-                   örtlich und zeitlich entkoppelt sind. Die       meinsames Verständnis betreffend Er-
Content-Managements bei. Das Ziel: Be-                  digitale Überforderung wird aber auch           wartungen und Regeln. Dazu gehört,
stehenden Content mit Social Media Posts,               von anderen Faktoren beeinflusst, wie           Kommunikationskanäle zu priorisieren:
Google Ads, kurzen Blogposts oder kom-                  die Kompetenzen der Empfänger, ihre             E-Mail als Must, übrige Kanäle sind frei-
pakten Inhalten auf der Webpage zum                     persönlichen Merkmale sowie die Füh-            willig. Dies gibt mehr Übersicht in der
Herunterladen auf Relevanz prüfen.                      rung und die Kultur.                            digitalen Kommunikation. Mit der Konse-

                                 DIGITALE ÜBERFORDERUNG
                          Ressourcen der Person                Merkmale der Person
                                (z. B. Kompetenz)              (z. B. Beruf)

                Digitaler Arbeitsplatz                                                   DIGITALER
                                                                                                                                                  Stressfolgen
(z. B. Tools und Kommunikationskanäle)                                                    STRESS

                                         Führung, Organisation und Kultur

                                                                                                        Jonas Konrad, Timna Rother, in Anlehnung an Gimpel et al. (2018)

6   twice Frühjahr 2021
KOMMUNIKATION IN DER KRISE - FOKUS STANDORT De-Industrialisierung? Nein: Digitalisierung! - Handelskammer beider ...
WERTSCHÄTZUNG IST GEFRAGT
                                                                                                 Die Mitarbeitenden wünschen sich wegen
                                                                                                 erschwerter Rahmenbedingungen mehr
                                                                                                 Wertschätzung. Intensivieren Sie Ihre
                                                                                                 Feedback-Kultur. Gleichen Sie fehlende
                                                                                                 persönliche Kontakte durch Massnahmen
                                                                                                 ausserhalb der digitalen Kommunikation
                                                                                                 aus, indem Sie die Mitarbeitenden im
                                                                                                 Homeoffice mit zusätzlichen Support-
                                                                                                 Leistungen unterstützen. Oder lassen Sie
                                                                                                 auch Mal spontan ein Apéro-Päckli zu-
                                                                                                 kommen.

                                                                                                 Die Mitarbeitenden wollen in der Regel
                                                                                                 Verantwortung übernehmen und zeigen
                                                                                                 sich gerade in der Krise sehr hilfsbereit.
                                                                                                 Nutzen Sie dies und lassen Sie Ihre fach-
                                                                                                 liche Führung etwas los. Vertrauen Sie
                                                                                                 Ihren Mitarbeitenden und delegieren Sie
quenz, dass wir zum Beispiel in der Frei-         zieren, dann fallen sie möglicherweise         Verantwortung. Entwickeln Sie aber auch
zeit zoomen, beruflich mit Teams arbeiten         wieder in ihre alte Rolle des Gatekeepers      Ihre Unternehmenskultur so weiter, dass
und WhatsApp nur noch privat einsetzen.           zurück und filtern oder steuern die Inhalte.   Ihre Mitarbeitenden und Ihre Organisati-
Die Entwirrung verringert den Stress. Wei-        In der Krise sind nicht nur adäquate Vor-      on ihr Potenzial entfalten können, um die
ter empfiehlt sich, Kommunikationsinhalte         gehensweisen auf der Ebene der unper-          Krise eine erfolgreich zu meistern.
zu kodifizieren, zum Beispiel mit Farb-           sönlichen Kommunikation, also im Aus-
codes. Eine klare zeitliche Steuerung der         tausch über die Kommunikationsmittel,                  VOM CHEF ZUM COACH
Kommunikationsaktivitäten hilft eben-             wichtig. Entscheidend sind ein gutes Füh-      Machen Sie den Mitarbeitenden die Ver-
falls, wie keine E-Mails über das Wochen-         rungsverhalten und eine passende Kultur.       änderung verständlich. Reden Sie also
ende, E-Mail-Antworten nur an gewissen            Neben Vision, Mission und Werten ist           weniger über das Wie und Wieviel, son-
Wochentagen sowie die Eliminierung von            jetzt vermehrte Führungskommunikation          dern sprechen Sie mehr über das Warum.
Kommunikationsfiltern durch Vorgesetzte.          gefragt.                                       Sorgen Sie für eine gute Atmosphäre,
                                                                                                 weil Emotionen unser Verhalten mehr be-
Zudem muss man beachten, dass digitale            Die Mitarbeitenden erwarten in der Krise       einflussen als unser Verstand. Seien Sie
Kommunikation, und insbesondere das               von den Vorgesetzten Vorbildfunktion.          weniger Chefin oder Chef, sondern mehr
Handy, das Aufnahmevermögen stark re-             Gleichen Sie die Vorstellungen und Er-         Coach und fördern Sie interne Netzwerke
duziert. Die Informationsaufnahme er-             wartungen zwischen Ihnen und Ihren             über die Abteilungsgrenzen hinaus. Und
folgt häppchenweise und sequenziell. Le-          Mitarbeitenden präzise ab.                     schliesslich: Beziehen Sie Ihre Mitarbei-
gen Sie daher Prioritäten für Ihre E-Mails                                                       tenden in die Entwicklungen mit ein. Die
fest, formulieren Sie diese klar und deut-        Erwartet wird von Führungskräften auch         erfolgreichsten Veränderungsprozesse sind
lich, schreiben Sie einen kurzen, präg-           vermehrte Präsenz. Da diese nur einge-         diejenigen, die von den Beteiligten selbst
nanten Betreff, behandeln Sie wenn mög-           schränkt möglich ist, leisten Sie einen Ex-    aktiv und eigenverantwortlich mitgestal-
lich nur ein Anliegen pro Nachricht und           traeffort. Suchen Sie bewusst den Dialog       tet werden. Denn Kreativität und Innova-
definieren Sie eindeutig, welche Reaktion         mit Mitarbeitenden auch ausserhalb von         tionskraft sind nach wie vor urmenschli-
Sie bis wann erwarten.                            Projekten und Aufgaben. Erkundigen Sie         che Talente! •
                                                  sich nach deren Befinden, Problemen oder
      LEADERSHIP UND KULTUR                       Ängsten. Bieten Sie Ihre Unterstützung
In der aktuellen Entwicklung ist auch die         an. Die Mitarbeitenden erwarten Rücken-
Rollenveränderung der Vorgesetzten inte-          deckung. Vereinfachen Sie die Prozesse
                                                                                                 JOACHIM TILLESSEN ist seit 2013 Programmleiter
ressant, vor allem im mittleren Kader. Die        und weichen Sie von gewissen Regelun-
                                                                                                 des Masterprogramms in Unternehmenskommunikation
digitale Kommunikation mit dem Verteiler          gen zugunsten der Mitarbeitenden ab.           der Fachhochschule Nordwestschweiz und Dozent für
                                                                                                 externe und interne Kommunikation. Er ist Mitglied des
an alle reduziert ihre Rolle als Info-Filter in   Seien Sie grosszügiger, wenn Irrtümer          Best of Content Marketing , München, im Vorstand des
                                                                                                 Schweizerischen Verbands für interne und integrierte Kom-
der Top-down- wie Bottom-up-Kommunika-            passieren, erlauben Sie fahrlässige Fehler
                                                                                                 munikation und Jur y- Head bei den jährlichen Ratings in
tion. Wenn sie heute die Informationsflut         aber nicht.                                    der Kategorie «Konzepte & Strategien».

für Mitarbeitende oder Vorgesetzte redu-
                                                                                                                                  twice Frühjahr 2021   7
KOMMUNIKATION IN DER KRISE - FOKUS STANDORT De-Industrialisierung? Nein: Digitalisierung! - Handelskammer beider ...
DIE KU
FOKUS

                          			DES
                          Gerade in einer Krise ist es wichtig, dass wir
                           miteinander in Dialog bleiben. Nur wer authen-
                            tisch auftritt und glasklar kommuniziert, kann
                              sein Gegenüber überzeugen und im besten
                               Fall auch begeistern. Wie das funktioniert,
                                 weiss Rhetorik-Expertin Mireille Jaton.

                                    Warum ist in Krisenzeiten Kommunikation
                                     besonders wichtig?
                                      Churchill sagte einmal: «Der Unterschied zwischen
                                      Verwaltung und Führung ist Kommunikation.» Ge-
                                       rade in einer Krise braucht sowohl ein Land als
                                       auch ein Unternehmen eine starke Führung. Die
                                      Menschen sind verunsichert, sie fürchten um ihre
                                    Gesundheit, ihren Job, ihre Existenz. In diesem Kon-
                                  text ist es essenziell, dass Politiker und Führungskräf-
                                  te klar, offen und transparent kommunizieren – mit
                                  den richtigen Worten und im richtigen Tonfall.

                                  Verraten Sie uns ein paar Tricks, wie man das Publikum
                                  fesseln kann?
                                  Die erste Voraussetzung ist ein bestechender Inhalt. Al-
                                  lerdings muss er auch so präsentiert werden, dass wir
                                  ihn aufnehmen und geniessen können. Wie ein guter
                                  Film hat auch ein guter Auftritt eine Dramaturgie.
                                  Gleich zu Beginn gilt es, Spannung zu erzeugen. Dem
                                  Publikum muss sofort klar sein: Warum ist das, was
                                  jetzt kommt, relevant und welchen Nutzen habe ich da-
                                  von, aufmerksam zuzuhören? Ein guter Auftritt ist kon-
                                  trastreich: laut, leise, nachdenklich, witzig.

                                  So etwas ist nicht jedem gegeben. Wie lange dauert
                                  es, ein begnadeter Redner zu werden?
                                  Vor Menschen zu treten und sie mit einer Botschaft zu
                                  überzeugen, ist kein Talent, sondern die beste Fähig-
                                  keit, die man sich aneignen kann. In meinen Speaker-
                                  Bootcamps tauchen die Teilnehmenden drei Tage lang
                                  in die Kunst der Rhetorik ein und treten am Schluss
8   twice Frühjahr 2021
KOMMUNIKATION IN DER KRISE - FOKUS STANDORT De-Industrialisierung? Nein: Digitalisierung! - Handelskammer beider ...
UNST
REDENS
mit ihrer Rede auf. Danach wissen sie,         ken, wie herausfordernd es ist, jemanden       Mass zu senken. Wer meine Lampenfie-
wie man eine packende Rede textet und          zu überzeugen, wenn man in eine Kamera         ber-Liste kostenlos erhalten möchte, kann
wie man das Publikum mit einem souve-          spricht, anstatt dem Menschen gegenüber-       mir gerne eine E-Mail schreiben.
ränen Auftritt begeistert.                     zustehen. Es ist wichtiger denn je, sein Pu-
                                               blikum zu erreichen und auch vor einer         Warum fürchten sich viele, vor Menschen
Nach unzähligen Zoom-Meetings hat              Kamera glaubwürdig zu wirken.                  zu sprechen?
keiner mehr die Geduld, stundenlang                                                           Wir haben Angst, uns zu blamieren. Von
zuzuhören. Wie kommen die wichtigen            Wo liegt die Schwierigkeit bei virtueller      der Sippe ausgeschlossen zu werden,
Botschaften trotzdem rüber?                    Kommunikation?                                 wäre in der Steinzeit einem Todesurteil
Ganz einfach: Das Wichtige gehört an den       Wenn wir auf jemanden treffen, so wirkt        gleichgekommen. Diese Urangst sitzt im-
Anfang, sprechen Sie eine verständliche        unsere Körpersprache, Mimik und Stimme         mer noch tief in uns drin, auch wenn wir
Sprache und kommen Sie auf den Punkt.          zehn Mal so stark wie das, was wir sagen.      heute mit einem misslungenen Auftritt
Wir Menschen haben eine unglaublich            Virtuell entfällt ein grosser Teil der non-    nicht mehr unser Leben riskieren. Leider
kurze Aufmerksamkeitsspanne. Gemäss            verbalen Wirkung und der Inhalt rückt          blamieren wir uns tatsächlich viel eher,
Studien können wir uns gerade mal acht         stärker ins Zentrum. Fragen Sie sich: Ist      wenn wir uns vor der Blamage fürchten,
Sekunden am Stück auf etwas konzentrie-        das, was ich sage, verständlich und rele-      als wenn wir einen Patzer schmunzelnd
ren. Online ist es noch schwieriger.           vant für mein Gegenüber? Was ist meine         wegstecken. •
Zoom-Meetings sollten klar strukturiert        Botschaft und welchen Mehrwert stifte ich
                                                                                              MIREILLE JATON ist Auftritts-Expertin, Keynote-Spea-
und so kurz wie möglich sein.                  damit? Zudem sind Masken eine Heraus-
                                                                                               kerin und Moderatorin. 2019 hat sie den internationalen
                                               forderung. Ohne den Mundbereich fehlt            Speaker-Slam in München gewonnen. Damit gilt sie als
                                                                                                                             beste Rednerin Europas.
Welche Tipps geben Sie Führungspersonen,       ein grosser Teil unserer Mimik und wir ha-
um ihre Mitarbeitenden zu motivieren?          ben dadurch oft Mühe, eine Aussage rich-
                                                                                                     www.mireillejaton.com
Durchhalteparolen schmecken nach einem         tig zu deuten. Auch akustisch sind wir
Jahr Pandemie wie abgestandenes Wasser.        schwerer zu verstehen. Deutliches Artiku-
Hören Sie Ihren Mitarbeitenden wirklich        lieren und die Worte, so gut es geht, mit                      RHETORIK
zu und begegnen Sie ihnen auf Augenhöhe.       Mimik und Gestik zu unterstreichen, hilft.            Die alten Griechen haben die
Menschenkenntnis, Empathie und respekt-                                                        Redekunst als Erste geprägt. Bis heute
                                                                                                    hat sie nichts an ihrer Relevanz
voller Umgang sind gefragt. Natürlich gilt     Vor Menschen sprechen ist nicht jeder-
                                                                                                   eingebüsst, denn es geht darum,
es auch, Perspektiven aufzuzeigen, neue        manns Sache. Was kann man gegen
                                                                                                  Menschen von einer Botschaft zu
Ziele zu setzen und Anreize zu schaffen,       Lampenfieber tun?
                                                                                                     überzeugen und sie zu einer
diese zu erreichen.                            Auch nach über 1’000 Auftritten spüre ich
                                                                                                 bestimmten Handlung zu bewegen.
                                               das Lampenfieber immer noch. Aber ich           Rhetorik umfasst die Fähigkeiten, sich
Hat das Interesse an professionellem           lernte, damit umzugehen. In der richtigen        verbal flexibel und situationsgerecht
Auftreten in Zeiten von Homeoffice             Dosis wirkt es wie legales Doping: Es                 auszudrücken, Menschen zu
abgenommen?                                    macht uns aufnahmefähiger, schneller und           informieren und zu inspirieren. Es
Nein, im Gegenteil. Das Bedürfnis, sich        stärker. Inzwischen begrüsse ich mein             kommt dabei aber nicht nur darauf
rhetorisch fit zu machen, ist gestiegen. Ge-   Lampenfieber wie einen alten Freund, an-             an, was man sagt, sondern vor
rade Führungskräfte, die jetzt regelmässig     statt es zu bekämpfen. Es gibt viele Tricks,          allem auch, wie man es sagt.
über digitale Kanäle kommunizieren, mer-       das Lampenfieber auf ein erträgliches
                                                                                                                              twice Frühjahr 2021   9
KOMMUNIKATION IN DER KRISE - FOKUS STANDORT De-Industrialisierung? Nein: Digitalisierung! - Handelskammer beider ...
FOKUS

            SOZIALE
           MEDIEN ALS
            CHANCE        Für viele Menschen sind Soziale Medien zu einem
                             digitalen Ersatz für die sozialen Kontakte im
                          richtigen Leben geworden, die in der Krise nicht
                            mehr möglich sind. Facebook und Co. bieten
                         deshalb auch kleineren und mittleren Firmen gerade
                            jetzt Chancen – sie bergen aber auch Risiken.

                                                              DR. MATTHIAS ZEHNDER ist Medienwissenschafter und
                                                            Berater für Firmen und Institutionen in Basel. Im Rahmen von
                                                              Seminaren für Geschäftsleitungen und Ver waltungsräte gibt
                                                            er das strategisch wichtige Wissen über die Digitalisierung von
                                                              Medien und Kommunikation weiter – auch digital per Zoom.

                                                                                            www.matthiaszehnder.ch

8 twice
10 twiceHerbst
         Frühjahr
               2018
                  2021
Soziale Medien sind digitale Medien, die      oder YouTube geteilt werden, auch tat-         können Sie – und nur Sie – sich profilie-
es ermöglichen, sich sozial zu vernetzen.     sächlich persönlich, authentisch und in-       ren? Was unterscheidet Sie von all den an-
Facebook, Twitter, Instagram und Co. sind     tim sind. Und genau da liegt für Unterneh-     deren Malergeschäften oder Metzgereien
in der Corona-Krise für viele Menschen        men die Herausforderung. Denn Firmen           im Internet? Was sind Sie genau, wie sind
deshalb geradezu überlebenswichtig ge-        und ihre Kommunikation erfüllen diese          Sie es – und warum sind Sie es? Das führt
worden. Was bedeutet das für Firmen?          Kriterien meistens überhaupt nicht. Wie        Sie zu einer Firmenidentität, im klassi-
Anders gefragt: Wie können kleinere und       können gerade KMU trotzdem erfolgreich         schen Marketing spricht man von einem
mittlere Firmen vom Social-Media-Boom         sein in der digitalen Kommunikation?           Markenkern, die Sie über Menschen in
profitieren? Wie müssen sie sich auf den                                                     den Sozialen Medien ausleben können.
sozialen Medien präsentieren, damit sie       Werden Sie persönlich. Das bedeutet:           Und zwar – genau: intim.
wahrgenommen werden? Welche Risiken           Lassen Sie Menschen für sich sprechen.
sind damit verbunden?                         Firmen sind etwas Abstraktes, egal wie         Werden Sie intim. Nein, dabei geht es
                                              klein oder gross sie sind. Menschen haben      nicht um einen Blick in Tabuzonen oder
          CHANCEN NUTZEN                      es lieber mit anderen Menschen zu tun. Es      um Ungebührliches. Soziale Medien
Covid-19 hat die Digitalisierung in vieler-   ist also besser, wenn nicht ein Malerge-       zeichnen sich durch Nähe aus. Durch das
lei Beziehung verstärkt, beschleunigt und     schäft kommuniziert, sondern dessen Ma-        Gefühl, hinter die Kulissen und Masken
auch in jene Bereiche der Gesellschaft ge-    lermeisterin. Das heisst nicht, dass eine      blicken zu können. Das bedeutet, die Nut-
tragen, die bisher digitaler Kommunikati-     Firma nicht ihr eigenes Firmenprofil ha-       zenden näher heranzulassen. Prominente
on eher ablehnend gegenübergestanden          ben soll. Aber es ist wichtig, dass darauf     geben auf den Sozialen Medien Einblick in
sind. Wir alle werden froh sein, wenn wir     Menschen zu Wort kommen. Eben: die Ma-         ihr Privatleben. Was heisst das für eine
nach der Pandemie wieder Menschen tref-       lermeisterin, der Anwalt, die Metzgerin,       Firma? Es bedeutet, die Distanz zu den
fen und Sitzungen vor Ort abhalten kön-       der Sekretär. Wenn unsere Malermeisterin       Nutzenden aufzubrechen. Sie kommuni-
nen. Doch die Digitalisierung der Gesell-     über ihr Fachgebiet plaudert und Tipps         zieren nicht mit ihnen über Lautsprecher
schaft wird deswegen nicht rückgängig         gibt, wie man eine Hauswand auffrischt,        von einer Bühne herab, Sie stehen direkt
gemacht werden. Gerade kleinere und           kann das sehr gut ankommen. Wenn eine          neben ihnen und flüstern ihnen ins Ohr.
mittlere Unternehmen müssen, wenn sie         Firma dasselbe in unpersönlichen Worten        Statt den Angebotskatalog zu deklinieren,
mit ihren Stakeholdern kommunizieren          macht, wirkt das viel abstrakter und ent-      könnte unsere Malermeisterin auf Face-
wollen, auch künftig auf digitale und auf     faltet weniger Wirkung. Wer aber soll für      book zum Beispiel einen kleinen Trick
soziale Medien setzen.                        eine Firma sprechen dürfen? Diese Frage        verraten, wie sie ihre Pinsel reinigt.
                                              bringt uns zum zweiten Punkt:
            WIE GEHT DAS?                                                                               WO IST DAS RISIKO?
Soziale Medien sind in der Pandemie des-      Werden Sie authentisch. Wenn Sie diese         Die Risiken sind vielfältig. Drei Punkte
halb so gefragt, weil sie sich durch drei     Aufforderung an einen Menschen richten,        sind besonders wichtig. Soziale Medien
Potenziale auszeichnen: Sie können sehr       meint das: «Seien Sie sich selbst!» Das        sind Dialogmedien. Das bedeutet, dass
persönlich sein, sehr authentisch und sehr    setzt voraus, dass der Mensch weiss, wer       eine Firma nicht nur senden kann, son-
intim. Das ist genau das, was die Men-        er ist. Das gilt auch für eine Firma: Bevor    dern auch empfangen muss – auch Kritik.
schen in der Corona-Krise vermissen. Als      Sie authentisch sein können in Ihrer Kom-      Gerade im offenen Umgang mit Kritik kann
Benutzerin oder Benutzer kann ich über        munikation, müssen Sie ganz präzise wis-       man sich online aber gut auszeichnen.
Soziale Medien einem anderen Menschen         sen, wer Sie sind – oder sein wollen. Jetzt    Nutzende haben ein feines Gespür für
nahekommen – und damit genau das erle-        sagen Sie vielleicht: Das ist doch klar! Wir   Echtheit. Sie reagieren sofort, wenn ihnen
ben, was mir in der Pandemie fehlt. Aller-    sind ein Malergeschäft, eine Metzgerei         etwas vorgemacht wird – die Authentizi-
dings funktioniert das nur, wenn die Bot-     oder eine Baufirma. Wunderbar – bloss:         tät ist also besser echt. Und: Soziale Medi-
schaften, die über Facebook, Instagram        Was macht Sie aus? Mit welchen Themen          en kennen kaum Filter. Preziosen stehen
                                                                                             neben Müll, Wahrheit neben Fake News.
                                                                                             Gerade deshalb können sich Firmen mit
  SOCIAL MEDIA KONKRET Die sozialen Medien sind in der Hand amerikani-                       guten Inhalten aber auszeichnen – eine
  scher Konzerne – die Regeln bestimmen also Facebook und Co. Das kann ein Ri-               Perle sticht unter Kieselsteinen viel mehr
  siko sein. Andererseits bieten soziale Medien, richtig eingesetzt, die Möglichkeit,        hervor als unter anderen Perlen. Kurz:
  neue Kontakte zu knüpfen und so Kunden zu akquirieren. Wichtig ist deshalb,                Das Risiko, das eine Firma eingeht, die
  dass soziale Medien nie isoliert zum Einsatz kommen, sondern Teil eines Kommu-             auf Sozialen Medien nicht kommuniziert,
  nikationsmixes sind. Sie werden etwa ergänzt um eine eigene Website, einen                 ist grösser als das Risiko, das sie eingeht,
  Newsletter, Informationsmaterial in Form von Broschüren, Werbemassnahmen in
                                                                                             wenn sie auf sozialen Medien präsent ist.
  der realen Welt und natürlich klassische Kundenbetreuung. Alle Massnahmen
                                                                                             Gerade jetzt, in Corona-Zeiten.•
  sollen sich dabei gegenseitig stützen und verstärken. Im Fachjargon spricht man
  dann von integrierter Kommunikation.

                                                                                                                     twice Frühjahr 2021   11
KOMMUNIKATION IST

ESSENZIELL               Moderna kämpft mit seinem Covid-Impfstoff an vorderster Front
                       gegen die Pandemie. Dazu braucht es nicht nur bestens ausgebildete
                          Biotech-Experten, sondern auch eine gute Kommunikation, um
                             Verunsicherungen in der Bevölkerung entgegenzuwirken.

             Seit Ausbruch der Pandemie arbeitete Moderna mit         nicht möglich gewesen, in so kurzer Zeit einen Impf-
             Hochdruck an der Entwicklung eines Corona-Impf-          stoff zu entwickeln. «Unsere Kultur fördert Kreativi-
             stoffs. Das bedeutende Life Sciences-Unternehmen aus     tät, Innovation und unternehmerisches Denken. Wir
             den USA liess sich 2020 in Basel nieder. Dafür war       streben danach, neugierig und kooperativ zu sein,
             nicht nur die Nähe zu Lonza, dem Produktionspartner      aber auch unerbittlich und unerschrocken im Um-
             des Impfstoffs, ausschlaggebend. Auch die Verfügbar-     gang mit Herausforderungen. Das letzte Jahr hat be-
             keit von gut ausgebildeten Biotech-Experten in der Re-   wiesen, dass wir das alles sind.»
             gion war ein wichtiges Kriterium. «Das erlaubt uns,
             die talentiertesten und erfahrensten Fachkräfte anzu-              KEINE ANGST VOR DEM PIKS
             ziehen», erklärt Dan Staner, Vizepräsident und Ge-       Eine Herausforderung sieht Staner in der Kommuni-
             schäftsführer von Moderna in Basel. Seit Anfang Janu-    kation. Wie kann man der Bevölkerung die Angst vor
             ar 2021 ist das Moderna-Vakzin zugelassen.               einer Impfung nehmen? Allgemeine Skepsis gegen-
                                                                      über Innovationen kann man nicht einfach so ändern.
             Vor einem Jahr noch ohne Produktionsstätten in Eu-       Aber er ist überzeugt, dass er mit Fakten Transpa-
             ropa, liefert Moderna heute Millionen von Impfdosen      renz schaffen kann: «Der Impfstoff ist seit einem Jahr
             über ihre europäische Lieferkette aus. «Gewöhnlich       in klinischen Studien. Wir testeten ihn an mehr als
             dauern solche Prozesse Jahre», erklärt Staner. «Ohne     30’000 Probanden jeglichen Alters, verschiedener
             die gute Zusammenarbeit zwischen politischen Be-         Herkunft, Lebensumstände und medizinischer Vor-
             hörden, Zulassungsbehörden und Biotech-Unterneh-         geschichten.» Die klinischen Daten zeigen einen effi-
             men hätten wir heute keinen Impfstoff.»                  zienten Impfstoff mit einer Wirksamkeit von mehr
                                                                      als 94 Prozent, ohne ernste Nebenwirkungen. «Wir
                         KREATIV UND INNOVATIV                        sammeln jeden Tag neue Daten und lassen uns in un-
             Die Pandemie hat Moderna gezwungen, noch schnel-         serer Arbeit von der Wissenschaft leiten.»
             ler zu arbeiten als sonst. Ein Grund, warum die Fir-
             ma in Basel nur die besten und talentiertesten Fach-     «Ich bin stolz, dass Moderna einen der ersten Co-
             kräfte beschäftigt. «Sie müssen Erfahrung auf dem        vid-19 Impfstoffe in Rekordzeit auf den Markt brach-
             Gebiet mitbringen und einen starken Teamgeist ha-        te.» Staner sieht seine Arbeit bei Moderna als Privi-
             ben», erklärt Staner seine Rekrutierung. Letzteres       leg und Ehre: «Das Team ist so einzigartig und ich
             sei sehr wichtig in der Unternehmenskultur von Mo-       bin dankbar für seinen unermüdlichen Einsatz für
             derna. Ohne die hervorragende Teamarbeit wäre es         unser Ziel, die Pandemie zu beenden.» •

12   twice Frühjahr 2021
KOLUMNE

                    REGIERUNGSRAT IM
                 KOMMUNIKATIONS-ORKAN
                                               Von Lukas Engelberger

Wie ein Orkan fegt die Pandemie seit rund einem Jahr       dass Corona die gesamte Öffentlichkeit beschäftigt
über den Planeten. Covid-19 ist das Mega-Thema             und nicht nur einen Teil des Publikums, wie etwa die
der Jahre 2020 und 2021 und hat die Kommunikations-        Fussballinteressierten. Corona-Desinteressierte gibt es
landschaft durcheinandergewirbelt. Als Gesundheits-        eigentlich gar nicht.
direktor bekommt man das sehr direkt mit. Ein paar
persönliche Bemerkungen.                                   Wir alle haben zu Covid-19 und den geeigneten Strate-
                                                           gien der Pandemiebewältigung längst unsere eigene
Eine ansteckende Krankheit verunsichert uns stark.         fachliche Meinung. Nicht nur das, viele von uns verbin-
Wer verunsichert ist, sucht Sicherheit durch Informati-    den damit inzwischen starke moralische Haltungen.
on. Deshalb ist die Vermittlung, Erklärung und Ein-        Das ist berechtigt, denn die Krise hat die für uns zent-
bettung von Information zentral für eine erfolgreiche      ralen Werte wie Freiheit, Verantwortung, Rücksicht
Krisenbewältigung. Damit sind wir als Behörden enorm       und Solidarität mit ganz neuer Aktualität erfüllt und in
gefordert. Ein paar Zahlen mögen dies verdeutlichen:       ein schwieriges Spannungsverhältnis zueinander
Unser Departement beantwortete im Jahr 2020 1’434          versetzt. Entsprechend gereizt wird das Thema in der
Medienanfragen – im Jahr zuvor waren es 205. Wir           Öffentlichkeit diskutiert.
verschickten 2020 rund 170 Medienmitteilungen. Nur
acht davon betrafen andere Themen als Covid-19.            Das äussert sich vermehrt in einer moralischen Auf-
Die neu geschaffene Webseite www.coronavirus.bs.ch         ladung der Berichterstattung in den Medien, gerade
hatte in sechs Monaten 1,48 Millionen Besuchende           auch über öffentliche Personen. Die für die Schweiz
und über 3,3 Millionen Seitenaufrufe. Die Zahl der         lange Zeit charakteristische Zurückhaltung bröckelt,
Facebook-Abonnenten des Gesundheitsdepartements            teilweise schwindet auch der Respekt für das Privat-
stieg von 473 auf über 2’500 an. Und bei der neu           leben von Amtspersonen. Fairerweise sei aber auch
geschaffenen und kostenlosen Corona-Infoline des           gewürdigt, dass sich sehr viele Medienschaffende
Kantons gingen im Jahr 2020 schliesslich rund 16’000       weiterhin um sachliche, differenzierte und wahrheits-
Anrufe ein.                                                getreue Berichterstattung bemühen. Das ist wohltuend.

Selbstredend ist es für die Behörden wie alle übrigen      Wir werden die Pandemie überwinden. Als Nachbeben
Beteiligten anspruchsvoll bis unmöglich, in diesem         wird dann die politische Aufarbeitung folgen. In der
Umfeld allen Bedürfnissen gerecht zu werden und Fehler     Replay-Funktion wird es wiederum viel Kritik geben,
zu vermeiden. Dies gilt umso mehr, weil durch die          sicher auch berechtigte. Dann aber sollten wir den
Omnipräsenz des Themas unterdessen jede und jeder          Kommunikationstakt wieder verlangsamen und allseits
eine Meinung hat zu den schwierigen medizinischen          zur typisch schweizerischen Unaufgeregtheit zurück-
und epidemiologischen Fragen, die sich aktuell stellen     finden. Bis dahin liegt noch viel sorgenvolle und hekti-
und denen sich unter normalen Umständen nur Exper-         sche Kommunikationsarbeit vor uns.
tinnen und Experten zuwenden würden. Es ist wie
im Fussball, wo es alle auch immer besser wüssten und
                                                                              LUKAS ENGELBERGER ist Regierungsrat und
könnten als Trainer und Spieler. Mit dem Unterschied,                    Vorsteher des Gesundheitsdepartements Basel-Stadt.

                                                                                                                 twice Frühjahr 2021   13
STANDORT

            DE-INDUSTRIALISIERUNG?
             NEIN: DIGITALISIERUNG!
          Die Schweizer Industrie ist weniger von einer De-Industrialisierung betroffen als die
     Industrie anderer Länder. Vielmehr fordert die anhaltende Digitalisierung die hiesige Industrie.
         Ein Stolperstein ist der eigene Erfolg: Er machte es bisher weniger nötig, bestehende
        Geschäftsmodelle in die neue Welt intelligenter und vernetzter Produkte zu integrieren.

2019 zeigten wir im twice, dass sich die     die Digitalisierung «von allem und jedem»:             IKT-WISSEN GEFRAGT
Schweiz trotz einem seit den 1960er-Jah-     Nicht nur Personen verbinden sich mit ver-    Neben technischen und ingenieurwissen-
ren beobachtbaren sinkenden Anteil von       schiedenen Geräten über das Internet, son-    schaftlichen Kompetenzen ist verstärkt
Beschäftigung und Wertschöpfung im In-       dern auch Produkte und Maschinen. Sol-        Wissen aus dem IKT-Bereich wie Software-
dustriesektor («De-Industrialisierung») in   che intelligenten und vernetzten Produkte,    entwicklung, künstliche Intelligenz, Daten-
den letzten 20 Jahren sehr gut gehalten      sogenannte «Smart Connected Products»,        sicherheit und vieles mehr gefragt. Hier
hat. Die industrielle Beschäftigung ging     interagieren autonom über Netzwerke.          liegt eine grosse Herausforderung für den
nicht, wie in vielen anderen Industrielän-                                                 Schweizer Industriesektor, da viele Unter-
dern, weiter zurück, sondern nahm sogar         SMART CONNECTED PRODUCTS                   nehmen hierzulande zu den Weltmarktfüh-
zu. Wir argumentierten, dass dies am zu-     Von Smart-Home-Applikationen über selbst-     rerinnen in eigenständigen beziehungswei-
nehmenden Anteil der Exporte in High-        fahrende Autos bis hin zu vollautomatisier-   se unvernetzten, qualitativ hochstehenden
Tech-Branchen wie Pharma, Uhren, medi-       ten Produktionsstätten: Die Digitalisierung   Produkten zählen. Entsprechend sind alle
zinische Geräte und Messinstrumente          verändert den Industriesektor fundamen-       Abläufe auf dieses heute immer noch sehr
liegt. Die Schweiz steigerte ihre Position   tal. Einige sprechen von einer neuen in-      erfolgreiche Geschäftsmodell optimiert.
im Bereich der qualitativ hochstehenden      dustriellen Revolution. Dabei ist die Un-     Umso schwerer könnte es sein, die neue
Produkte in dieser Zeitperiode massiv.       terscheidung zwischen einer verstärkten       Entwicklung einzuleiten.
                                             Automatisierung der Produktion mit Effi-
   DIGITALISIERUNG ALS GROSSE                zienzgewinnen und der Entwicklung ganz            SCHWEIZ IM HINTERTREFFEN?
         HERAUSFORDERUNG                     neuer, intelligenter und vernetzter Produk-   Dass das der Fall sein könnte, zeigt die
Die Bedrohung scheint weniger in der         te zentral. Während die Roboterisierung der   Zahl der Digitalpatente im Verhältnis zu
De-Industrialisierung zu liegen. Vielmehr    Produktion die hergestellten Produkte we-     den gesamten Patenten des Industriesek-
kommen mit der Digitalisierung grosse        nig verändert, erfordert die Entwicklung      tors für verschiedene Länder relativ zur
Herausforderungen auf die Schweiz zu. Sie    von digital vernetzten Produkten weitere      Schweiz (Index = 1), über die Zeit dargelegt
ist kein neues Phänomen, sondern hielt       Kompetenzen, in denen Firmen aus der          (siehe Abbildung). Ein Wert grösser als 1
bereits in den 70er-Jahren mit den PCs in    Informations- und Kommunikationstech-         bedeutet, dass der Industriesektor des je-
zahlreichen Unternehmen Einzug. Neu ist      nologie (IKT) führend sind.                   weiligen Landes relativ gesehen mehr Di-

14    twice Frühjahr 2021
gitalpatente hat als der schweizerische.      ellen Erfolgs ein radikaler Umbau in Rich-   Auch die Wirtschafts- und die Ausbil-
Das war 2000 für alle in der Abbildung        tung Digitalisierung schwerfällt.            dungspolitik ist gefordert, vermehrt ein-
aufgeführten Länder der Fall. Die Schweiz                                                  zelne Qualifikationen und weniger ganze
hat zwar etwas aufgeholt. Im Vergleich zu         UNTERNEHMEN UND POLITIK                  Berufe im IKT-Bereich zu zertifizieren. Bei
anderen Ländern dürfte die Innovationstä-                   GEFORDERT                      den Anforderungen zur Datenübertragung
tigkeit aber eher weniger in Richtung digi-   Unternehmen sind gefordert, das bestehen-    sollte die Schweiz internationale Stan-
taler Ideen ausgerichtet sein.                de Geschäftsmodell in die neue Welt intel-   dards übernehmen, während bei der Da-
                                              ligenter und vernetzter Produkte zu integ-   tensicherheit durchaus Swiss Standards
Die Beobachtung deckt sich mit weiteren       rieren. Das setzt ein neues Mindset und      gesetzt werden können. Allgemein gilt es,
Indikatoren zur Bedeutung der Digitali-       zahlreiche neue Kompetenzen voraus. Für      den Firmen in diesem neuen Umfeld mit
sierung in der Schweiz, die wir im Rah-       etablierte Industrieunternehmen könnten      wenigen, aber klaren und verlässlichen Re-
men unseres Projektes analysierten. Dar-      Kooperationen mit Firmen und Start-ups       geln grösstmögliche Freiheit beim Finden
aus folgt nicht zwangsläufig, dass            aus dem IKT-Bereich neue Horizonte eröff-    von innovativen Lösungen zu geben. •
schweizerische Industrieunternehmen im        nen. Dabei wird es zentral sein, die eige-
                                                                                           DR. CHRISTIAN RUTZER UND PROF. DR. ROLF
Zeitalter des Internets der Dinge ins Hin-    nen Produkte als Teil eines grösseren        WEDER sind am Center for International Economics
                                                                                           and Business | CIEB der Wirtschaftswissenschaftlichen
tertreffen gelangen werden. Es besteht        Netzwerkes zu verstehen, das man selber      Fakultät der Universität Basel tätig. Sie publizieren bald
aber die Gefahr, dass aufgrund des aktu-      kaum vollständig beherrscht.                 ein Buch zum Thema «De- Industrialisierung».

3,5
                             DIGITAL-PATENTE ZU GESAMTER
3,0                              ANZAHL AN PATENTEN
                                    Ein Wert grösser als 1 bedeutet, dass der Industriesektor des
2,5                                 jeweiligen Landes relativ gesehen mehr Digitalpatente hat als
                                                                                                                                 Japan
                                                   der schweizerische (Index = 1).
                                                                                                                                 USA
2,0
                                                                                                                                 Grossbritannien

                                                                                                                                 Kanada

1,5                                                                                                                              Frankreich

                                                                                                                                 Deutschland

                                                                                                                                 Italien
1,0
                                                                                                                                 China

                                                                                                                                 Schweiz

0,5
      2000                   2005                        2010                      2015                            2020
                                                                                                                            twice Frühjahr 2021    15
STANDORT

 LEHRE TROTZ(T)
   DER KRISE
                           Die Pandemie trifft auch Jugendliche hart. Wer eine Lehre
                           absolviert, steht seit einem Jahr ganz neuen Herausforderungen
                           gegenüber. Nicole Koch, Geschäftsführerin von aprentas
                           Basel, erläutert im Interview, dass auch in der Ausbildung nicht
                           alle Branchen von Corona gleich betroffen sind.
                           Nicole Koch, wie stark leidet die Berufsbildung           Man liest aktuell häufig, dass Lehrabgänger zu
                           unter der Pandemie?                                       den Verlierern der Pandemie gehören, weil ihnen
                           Sehr unterschiedlich und abhängig von der Branche.        Wissen für Abschlussprüfungen fehlt. Wie können
                           Bisher ist die Situation unserer Mitgliedfirmen stabil.   sie trotzdem einen guten Abschluss machen?
                           Die Lage in der Gastronomie oder der Eventbranche         In einigen Berufen ist die praktische Ausbildung
                           ist sicher schwieriger. Grundsätzlich erweist sich die    am Arbeitsplatz wegen der Homeoffice-Regelung er-
                           Berufsbildung trotz Krise als Erfolgsmodell. Das          schwert. Da braucht es kreative Lösungen. Der Fern-
                           Lehrstellenangebot ist in vielen Branchen intakt,         unterricht im Lockdown bewährt sich. Für theoreti-
                           und gut ausgebildete Fachkräfte sind nach wie vor         sche Arbeiten funktioniert er gut. Aber gerade in
                           gesucht.                                                  der praktischen Ausbildung hat das seine Grenzen.
16   twice Frühjahr 2021
Gut ausgebildete
                                                                Fachkräfte sind nach
                                                                wie vor gesucht. »
                                                                NICOLE KOCH, GESCHÄFTSFÜHRERIN VON
                                                                APRENTAS BASEL

Die Praxisausbildung im betrieblichen Umfeld ist         Was können der Lehrbetrieb, die Familie und
sehr wichtig und kam natürlich zu kurz. Das heisst,      Freunde tun?
die Lernenden erlangen zwar das theoretische Wis-        Wichtig ist, dass man mit den Jugendlichen im Ge-
sen, ihnen fehlt aber etwas die Routine im Ar-           spräch bleibt und Probleme anspricht. Falls kein Ar-         OFFENE
                                                                                                                    LEHRSTELLEN
beitsalltag. Dafür können sie ihre digitalen Kompe-      beitsplatz zu Hause zur Verfügung steht, wo in Ruhe
                                                                                                                   bei den Mitglied-
tenzen festigen.                                         gearbeitet werden kann, bespricht man das am bes-            firmen der
                                                                                                                   Handelskammer
                                                         ten mit dem Lehrbetrieb. Es gibt immer Lösungen.
                                                                                                                     beider Basel
Sie gehen also nicht davon aus, dass Lernende wegen
der Pandemie eine grosse Bildungslücke erleiden?         Ist die Lehre abgeschlossen, steht die nächste Hür-
Nein, das denke ich nicht. Aber ich kann nur von den     de bevor. Wie sieht die Lage auf dem Arbeitsmarkt
Lernenden unserer Mitgliedfirmen sprechen. Die           für Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger aus?
Abschlüsse im letzten Sommer, also nach dem ersten       Unsere Lernenden sind generell gesuchte Berufsleu-
Lockdown, waren nicht in Gefahr. Auch auf die Ab-        te. Letzten Sommer fanden die Lernenden, die bei
schlüsse in diesem Sommer werden die Lernenden           uns ausgebildet wurden, weitgehend gute Anschluss-
wie gewohnt vorbereitet.                                 lösungen. Wir sehen keine Anzeichen dafür, dass
                                                         das dieses Jahr anders sein soll. Es gibt auch einige,
Trotzdem dürfen die aktuellen Herausforderungen          die sich nach der Lehre weiter ausbilden und direkt
für die Lernenden nicht unterschätzt werden.             an eine Fachhochschule wechseln.
Absolut. Gerade für Jugendliche ist das fehlende So-
cializing ein grosses Problem. Sie befinden sich         Wie ist die Situation auf dem Lehrstellenmarkt?
zwar in der Ablösung vom Elternhaus, sind aber nun       Glücklicherweise verzeichnen unsere Branchen kei-
häufiger ans Haus gebunden, anstatt mit ihren Kolle-     nen Rückgang an Lehrstellen. Aktuell gestaltet sich
ginnen und Kollegen unterwegs zu sein. Dem Home-         hingegen die Besetzung der Lehrstellen etwas schwie-
office-Alltag Struktur zu geben, ist eine Herausforde-   riger. Es gibt noch spannende, offene Lehrplätze für
rung, und die Isolation sowie mangelnde Bewegung         diesen Sommer! •
schlagen auf die Psyche. Die Lernenden sind dank-                                             www.aprentas.com
bar, wenn wir so viel Präsenzunterricht wie möglich
durchführen. Das gibt ihnen Struktur.
                                                           KNAPP DIE HÄLFTE DER SCHWEIZER LEHRSTELLEN
                                                           BEREITS VERGEBEN
Viele Lernende sind am Limit. Wo können sie Hilfe          Gemäss Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation
holen?                                                     wurden bis Ende März 2021 in der Schweiz für den Sommer 2021
Da braucht es klar ein aufmerksames Umfeld. Lehr-          knapp 36’500 Lehrverträge unterzeichnet. Das sind rund 46 Prozent
personen und Ausbildende sind sensibilisiert. Sie          der Lehrverträge, die 2020 insgesamt abgeschlossen wurden. Die
unterstützen bei Problemen und fragen bei Auffäl-          Lehrstellenbesetzung läuft ähnlich wie in den Vorjahren, allerdings
ligkeiten nach. Gewisse Firmen haben Sozialdienste,        mit regionalen und branchenbezogenen Unterschieden. Der Bund
an die sich Lernende wenden können. Auch aprentas          unterstützt Projekte zur Stabilisierung des Lehrstellenmarktes mit
hat ein Beratungsangebot und einen Schulsozial-            dem Förderschwerpunkt «Lehrstellen Covid-19».
dienst, wo man immer auf offene Ohren stösst.
                                                                                                                  twice Frühjahr 2021   17
STANDORT

                       WEG FREI FÜR
                      NEUE PROJEKTE
       Der Logistikcluster Region Basel stärkt den Logistikhub Basel mit seiner neuen Strategie
        weiter gezielt. Projekte und Aktivitäten in fünf Aktionsfeldern stehen dabei im Fokus.

Mit rund 810 Unternehmen, 12’000 Arbeits-       oder ins benachbarte Ausland verdrängt.     von den Hochschulen zu den Unternehmen
plätzen und einer jährlichen Bruttowert-        Deborah Strub, Vorsitzende Logistikclus-    sowie der Austausch unter den Unterneh-
schöpfung von 1,9 Milliarden Franken ist        ter Region Basel: «Wenn nicht genügend      men stehen dabei im Vordergrund», erläu-
Basel der schweizweit führende Logis-           Flächen für Umschlag- und Logistikleis-     tert Strub. Damit soll die Region Basel zur
tik-Hub und somit für die trinationale Regi-    tungen zur Verfügung stehen, kann die       Vorreiterin bei nachhaltiger Logistik wer-
on und unser Land unverzichtbar. Damit die      Versorgung mit Gütern nicht sicherge-       den. «Und auch bei den weiteren Aktions-
Logistikunternehmen in der Region wettbe-       stellt werden und effizient erfolgen. Der   feldern wie Digitalisierung und Bildung
werbsfähig bleiben und sich erfolgreich         wachsende Onlinehandel verschärft die       engagieren wir uns stark.»
weiterentwickeln können, sind gute Rah-         Situation zusätzlich.» Dem wirkt der Lo-
menbedingungen unabdingbar. Und genau           gistikcluster entgegen: «Wenn ein geeig-            AKTIVER AUSTAUSCH
dafür setzt sich der Logistikcluster Region     netes Areal transformiert wird, melden      Der Logistikcluster will zudem den akti-
Basel – eine Initiative der Handelskammer       wir uns frühzeitig bei den Planungsbe-      ven Austausch innerhalb der Branche
beider Basel – seit zehn Jahren ein.            hörden, um die Bedürfnisse der Logistik-    sowie mit Politik, Behörden und Gesell-
                                                branche darzulegen und Flächen für die      schaft sicherstellen. «Wir haben ein brei-
Um die Branche zu stärken, stellt der Logis-    Logistik zu sichern. Aktuell bringen wir    tes Angebot spannender Anlässe. Wir
tikcluster in seiner neuen Strategie bis 2023   die Interessen der Logistikunternehmen      freuen uns auf Sie an unseren Clus-
die fünf Aktionsfelder «Infrastruktur und       auf dem Wolf-Areal in Basel ein.»           ter-Lunches bei Unternehmen, virtuellen
Raumplanung», «Nachhaltige Logistik», «In-                                                  Talks oder an unserem Stand am geplan-
novation und Digitalisierung», «Dialog und                NACHHALTIG SEIN                   ten Hafenfest der Schweizerischen
Netzwerk» sowie «Bildung» ins Zentrum.          Auch Neuerungen im Bereich Nachhaltig-      Rheinhäfen», sagt Strub. «Schauen Sie
                                                keit nimmt der Logistikcluster auf: «Wir    auch zwischendurch auf der Website vor-
     LOGISTIK BRAUCHT RAUM                      werden zum Beispiel neue Antriebstechno-    bei oder melden Sie sich für unseren
Umschlag- und Logistikflächen werden in         logien thematisieren. Der Wissenstransfer   Newsletter an.» •
der Region zunehmend knapp und teuer.                                                                                                  MEHR DAZU

In der Folge werden Transport- und Logis-
                                                                                            DEBORAH STRUB,
tikunternehmen in periphere Regionen                                                        Abteilungsleiterin Cluster & Initiativen
                                                                                                 d.strub@hkbb.ch

18   twice Frühjahr 2021
TURBULENTE
ZEITEN
Der EuroAirport hat ein anspruchsvolles Jahr hinter sich. Der massive
Rückgang der Passagierzahlen fordert einschneidende Massnahmen.
Gleichzeitig sind viele Fragen zur Zukunft der Luftfahrt offen.
Wie sehen die Entwicklungsperspektiven unseres Flughafens aus?

Es ist noch nicht einmal eineinhalb Jahre her, als der EuroAir-         CO2 - UND LÄRMREDUKTION HABEN PRIORITÄT
port Basel Mulhouse Freiburg abermals einen neuen Passagier-       Mit den sinkenden Passagierzahlen 2020 gingen auch die emis-
rekord vermeldete: Rund 9,1 Millionen Menschen nutzten den         sions- und lärmrelevanten Flugbewegungen im Vorjahresver-
Flughafen 2019 – genau sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Kurz     gleich um etwa die Hälfte zurück. Das ist für den EuroAirport
darauf kam die pandemiebedingte Wende. Diese stürzte die           jedoch kein Grund, die Themen CO2 und Lärm zurückzustellen –
Luftfahrt in eine ihrer grössten Krisen und hinterliess auch       im Gegenteil. Er hat mit den zuständigen Behörden das Verfahren
beim EuroAirport deutliche Spuren. 2020 brach der Passagier-       des «Ausgewogenen Ansatzes» initiiert, das zusammen mit der
verkehr um mehr als 71 Prozent ein. Das brachte in diesem Be-      Massnahme der «begrenzenden Lärmkurve» den Lärm substan-
reich Umsatzeinbussen in der Höhe von 50 Prozent. Mit 2,6 Mil-     ziell reduzieren soll. Der EuroAirport passte ausserdem sein
lionen Reisenden befindet sich der EuroAirport in etwa auf dem     ambitioniertes Ziel der CO2 -Neutralität an: Bis 2030 will er das
Niveau von 2004. Besser sieht es bei der Fracht aus. Hier wurde    «Netto-Null»-Ziel erreichen.
das Volumen sogar um 2,3 Prozent gegenüber 2019 auf 108’502
Tonnen gesteigert.                                                          WIR UNTERSTÜTZEN DEN EUROAIRPORT
                                                                   Ob bei der Umsetzung der Flugticketabgabe, der Herstellung
              RIGOROSE KOSTENKONTROLLE                             von Rechtssicherheit beim Arbeitsrecht oder der Schaffung
EasyJet, die bedeutendste Airline in Basel, musste zum ersten      günstiger Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Luft-
Mal in ihrer 25-jährigen Firmengeschichte einen Jahresverlust      fahrt: Die Handelskammer setzt sich zusammen mit ihren Part-
von 1,3 Milliarden Franken verbuchen. Der EuroAirport führte       nern für den EuroAirport als regionale Schlüsselinfrastruktur
eine rigorose Kostenkontrolle ein, kürzte seine Ausgaben und       und einen von drei Landesflughäfen der Schweiz ein, mit Anläs-
musste sogar Reserven angehen. Ein geplanter Terminalausbau        sen sowie politischen Vorstössen auf kantonaler und nationaler
ist einstweilen sistiert. Einzig der wichtige Bahnanschluss des    Ebene. •
                                                                                                               DR. SEBASTIAN DEININGER,
EuroAirports wird weiterverfolgt.                                                             Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt
                                                                                                                        s.deininger@hkbb.ch

                  VIELE OFFENE FRAGEN
Vieles in der Luftfahrt ist heute ungewiss. Wie lange werden
                                                                     «VIELE ARBEITSPLÄTZE IM SECTEUR SUISSE
die Reisebeschränkungen anhalten? Wird eine Covid-Impfung
                                                                     STEHEN AUF DEM SPIEL.»
die Voraussetzung sein für eine Reise per Flugzeug? Wird sich
die Pandemie auch langfristig auf unser Reiseverhalten auswir-       Die Pandemie verschärft die wirtschaftliche Lage der Unter-
ken, und wenn ja, wie? Das sind nur einige Fragen, die entschei-     nehmen im Secteur Suisse am EuroAirport. Viele der über
dend für die Entwicklung der Luftfahrt und des EuroAirports          4’000 Mitarbeitenden sind in Kurzarbeit. Es drohen Arbeits-
sein werden. Hinzu kommt die Flugticketabgabe in Höhe von 30         platzverluste. Arbeitsrechtliche Unsicherheiten verschärfen
                                                                     sich dadurch zusätzlich. Martin Dätwyler, Direktor
bis 120 Franken, wie sie im CO2 -Gesetz vorgesehen ist.
                                                                     Handelskammer beider Basel, und Luca Urgese,       MEHR DAZU

                                                                     Geschäftsführer Koordinationsplattform Secteur
                                                                     Suisse EAP, unterhalten sich über die aktuelle
                                                                     Situation und mögliche Lösungsansätze.

                                                                                                                    twice Frühjahr 2021   19
STANDORT

AUS
ÜBERZEUGUNG
AUSBILDEN
Genügend und gut aus-      Das Gebiet der Klima- und Energietech-       den Kriegswirren gegründet. In einer
                           nik ist relativ breit. Welches sind Ihre
gebildeten Nachwuchs zu    Schwerpunkte?
                                                                        Zeit, in der Blech, Eisen, Metall rationiert
                                                                        waren und für jeden Auftrag ein entspre-
finden, beschäftigt der-   Die liegen in der Beratung, Planung und      chendes Gesuch ans Kriegskommissariat
zeit die Gebäudetechnik-   Fachkoordination. Wir liefern, montieren     gestellt werden musste.
                           und setzen Lüftungsanlagen oder klima-
Branche. Was es dafür      technische Anlagen in Betrieb. Für diese     Ein weiterer Meilenstein war die Grün-
braucht und welche         unterhalten wir auch einen 24 Stunden-Be-    dung der Niederlassung in Gümligen 1958.

Bedeutung die Nach-        reitschaftsdienst. Wir sind in der Rein-
                           raumtechnik zu Hause. Beispielsweise in
                                                                        2005 schliesslich haben wir zu viert das
                                                                        Management Buyout geplant und durch-
wuchsförderung in der      der Uhrenindustrie, wo Quarze hergestellt,   geführt. Ein Prozess, der nicht reibungs-
E. Kalt AG einnimmt,       oder in der pharmazeutischen Industrie,      los verlief. Umso stolzer sind wir, heute
                           wo Blister abgepackt werden.                 sagen zu können, wir sind nach wie vor
erläutert Peter Manzoni,                                                erfolgreich am Markt und die Firma heisst
CEO und VR-Präsident,      Welches waren wichtige Meilensteine in       noch immer gleich wie bei ihrer Grün-
                           der Unternehmensgeschichte?
im Gespräch mit twice.     Sicherlich die Gründung selbst. Edi Kalt
                                                                        dung. Keine Selbstverständlichkeit in un-
                                                                        serer Branche.
                           hat die Firma 1943 mit viel Mut mitten in

20   twice Frühjahr 2021
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