Das Burnout-Syndrom: Theorie, Forschung, Intervention

 
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Ingeborg Hedderich

Das Burnout-Syndrom: Theorie, Forschung, Intervention

Zusammenfassung
«Müde, erschöpft, ausgebrannt…» Wenn Arbeitsbelastungen zum Dauerzustand werden, sprechen Berufstätige von
«Burnout». Wie lässt sich Burnout wissenschaftlich definieren? Der Beitrag skizziert zunächst das Problemfeld der be-
grifflichen Fassung. Anschliessend wird der aktuelle Forschungsstand thematisiert. Hierbei rücken Lehrkräfte ins Zen-
trum des Interesses. Die wissenschaftlichen Befunde verweisen als zentrales Verursachungsmoment auf ein komple-
xes Wechselspiel zwischen den individuellen Ressourcen und den Arbeitsanforderungen im Sinne einer «Nicht-Pas-
sung». Formen der Intervention runden den Beitrag ab.

Résumé
«Fatigue, épuisement, harassement», lorsque la surcharge de travail devient chronique, les professionnel-le-s parlent
de «burnout». Quelle est la définition scientifique du burnout ? L’article aborde en premier lieu la problématique de
sa définition conceptuelle. L’avancée de la recherche est ensuite thématisée. Le corps enseignant est ici au centre des
attentions. Les avancées scientifiques désignent comme principal déclencheur l’interaction compliquée et le décalage
entre ressources individuelles et exigences professionnelles. Des exemples d’interventions parachèvent le texte.

Begriff                                                          «Burnout ist ein dauerhafter, negativer, ar-
Burnout (dt.: ausbrennen) ist ein sozialpsy-                     beitsbezogener Seelenzustand ‹normaler›
chologischer Begriff von hoher gesellschaft-                     Individuen. Er ist in erster Linie von Er-
licher Praxisrelevanz, aber nicht per se eine                    schöpfung gekennzeichnet, begleitet von
klinische Diagnose. In der Medizin hat sich                      Unruhe und Anspannung (Disstress, einem
der Begriff noch nicht etabliert. Der interna-                   Gefühl verringerter Effektivität, gesunke-
tionale Diagnoseschlüssel zur Klassifikation                      ner Motivation und der Entwicklung dys-
von Krankheiten (ICD-10), der von der Welt-                      funktionaler Einstellungen und Verhaltens-
gesundheitsorganisation herausgegeben                            weisen bei der Arbeit).»
wird, enthält in seiner aktuellen Fassung ei-
nen Eintrag zum Phänomen Burnout als «Zu-                        Doch auch dieser sehr umfassende Definiti-
stand der totalen Erschöpfung», der nicht nä-                    onsversuch veranlasste Burisch (2006, S. 15)
her erläutert wird. Von medizinischer Seite                      zu der Frage, ob das Kernsymptom der
muss für die Abrechnung gegenüber der                            Erschöpfung ausreiche oder welche Be-
Krankenkasse auf die Diagnose Depression                         gleitsymptome für eine Diagnose vorhan-
ausgewichen werden. Aus der akademischen                         den sein müssen. Für Burisch (2006, S. 15)
Literatur liegt mittlerweile eine grosse An-                     bleibt der Burnout-Begriff ein «Fuzzy Set»,
zahl von Burnout-Definitionen vor, es konnte                      eine «randunscharfe Menge»: Diesen Be-
sich jedoch keine einheitliche Definition                         griff zu definieren, komme der Aufgabe
durchsetzen. Als Synopse vieler Definitions-                      gleich, die Grenzen einer grossen Wolke be-
versuche schlagen Schaufeli und Enzmann                          schreiben zu wollen. Weit mehr Einigkeit
(1998, S. 36; in Übersetzung von Burisch,                        besteht darüber, wie sich der Begriff etab-
2006, S. 19) folgende Arbeitsdefinition vor:                      lieren konnte.

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               Historie                                          Theoretische Modelle
               Als Beginn der Burnout-Diskussion gilt ein        Ohne Zweifel dürfte ein enger Zusammen-
               Artikel des Psychoanalytikers Herbert Freu-       hang zwischen Burnout und Stress beste-
               denberger mit dem Titel: «Staff burn-out»,        hen. Der Begriff wurde von Selye (1975), der
               der im Jahre 1974 im Journal of Social Issu-      als Begründer der Stress-Forschung gilt, in
               es publiziert wurde (vgl. Barth, 1997, S. 13;     die Literatur eingebracht: Stress ist als un-
               Hedderich, 2009, S. 13). Freudenberger be-        spezifische Reaktion des Organismus auf je-
               obachtete bei ehrenamtlich Mitarbeitenden         de Art von Anforderung zu verstehen, die
               Tendenzen der Ermüdung und Langeweile             an ihn gestellt wird. Stressoren können ent-
                                                                 weder als positive Herausforderung oder als
                                                                 bedrohende Einengung im Berufsalltag er-
Burnout kann als langfristige Stressfolge
                                                                 lebt werden. Burnout kann als langfristige
betrachtet werden.                                               Stressfolge betrachtet werden. Hoher Stress
                                                                 führt aber nicht automatisch zum Ausbren-
               durch Routine, die er als Burnout kenn-           nen. Ein bedeutsamer Unterschied zwi-
               zeichnete. Freudenberger wird eindeutig           schen Burnout und Stress liegt in der sub-
               forschungshistorische Bedeutung zuge-             jektiven Bewertung der Bewältigungsmög-
               sprochen (vgl. Burisch, 2006; Rook, 1998;         lichkeiten von Stresssituationen. So kann
               Rösing, 2003). Seine Arbeiten werden je-          Burnout als letzte Stufe eines missglückten
               doch von ihrer wissenschaftlichen Qualität        Prozesses angesehen werden, negative
               her eher als «feuilletonistisch» bewertet. In     Stressbedingungen zu bewältigen. Im De-
               der historischen Betrachtung ist der Über-        tail ist zwischen drei Theoriemodellen zu
               gang von der feuilletonistischen hin zur em-      unterscheiden.
               pirischen Forschungsphase mit dem Namen
               der Sozialpsychologin Christina Maslach           Differentialpsychologisch-individuumszen-
               verbunden. In der empirischen Phase mit           trierte Ansätze betrachten Burnout primär
               Beginn der 1980er-Jahre verlagert sich der        unter persönlichkeitsspezifischen Aspek-
               Schwerpunkt auf die Durchführung empiri-          ten, wobei umweltbedingte Faktoren weit-
               scher Untersuchungen zur Erforschung von          gehend ausgeblendet werden. Als Vertre-
               Burnout, wobei in erster Linie das «Maslach       ter dieses Ansatzes gelten Freudenberger
               Burnout Inventory» als standardisierte            (1974) und Schmidbauer (1977). Freuden-
               quantitative Erhebungsform zum Einsatz            berger sieht in der übertriebenen Helfer-
               kam. Mit diesem Messinstrument hat Chris-         motivation der Betroffenen den Grund für
               tina Maslach die theoretische Entwicklung         die Burnout-Entwicklung. Schmidbauer
               zum Thema Burnout weltweit beeinflusst             prägte den Begriff des «Helfersyndroms»,
               (Maslach & Jackson, 1984). Zu Beginn des          der seit den 1970er-Jahren eine breite Ver-
               21. Jahrhunderts wird für eine vielfältige        breitung und Eingang in die Alltagsspra-
               Anwendung wissenschaftlicher Methoden             che erfahren hat. Als prägende Erfahrung
               plädiert, vor allem qualitative Methoden          der Helferpersönlichkeit sieht Schmidbau-
               rücken in das Zentrum wissenschaftlicher          er eine ungenügende Bedürfnisbefriedi-
               Betrachtung (Hedderich & Hecker, 2009;            gung in der frühen Kindheit. Das Motiv,
               Rook, 1998).                                      Hilfe empfangen zu wollen, veranlasst den
                                                                 Helfenden, Hilfe zu geben. Die skizzierte

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Persönlichkeitsstruktur ist Burnout-anfäl-                       Insgesamt kann der Schluss gezogen wer-
lig, da das Bedürfnis nach Zuwendung sehr                        den, dass monokausale Ansätze offensicht-
hoch ist und kaum gesättigt werden kann.                         lich die Komplexität dieses Phänomens und
Das Fehlen empirischer Befunde für die                           der einflussnehmenden Faktoren nicht zu
Thesen von Schmidbauer zum Helfersyn-                            erfassen vermögen. Als Fazit an dieser Stel-
drom wird jedoch von Burisch (2006) be-                          le bleibt: Burnout ist ein Zusammenspiel aus
mängelt.                                                         Persönlichkeitsmerkmalen und gefährden-
                                                                 der Umwelt, eine «Nicht-Passung der Per-
Arbeits- und organisationsbezogene An-                           son mit ihrer Umwelt» (vgl. Hedderich,
sätze sind darauf ausgerichtet, die Vielfalt                     2009, S. 31). Im aktuellen internationalen
Burnout-relevanter Merkmale zu erheben.                          Diskurs zum Thema Burnout dominieren
Häufig stützen sich Untersuchungen in die-                        Gleichgewichtsmodelle (vgl. ausführlich
sem Forschungsfeld auf transaktionale Mo-                        Mühler & Hedderich, 2013). Das «Job De-
delle der Stressforschung. Der enge Zusam-                       mand Control Model» (dt.: Arbeits-Anfor-
menhang zwischen Burnout und Stress wur-                         derungs-Kontroll-Modell) (Karasek, 1979)
de bereits erläutert. Als Vertreter dieses                       wird als einflussreiche Theorie im Bereich
Forschungsansatzes können sowohl Bu-                             der Erforschung vom Arbeitsstress angese-
risch (2006) als auch Kleiber und Enzmann                        hen. Als Grundaussage dieser Theorie gilt:
(1990) gelten. Als zentrale arbeits- und or-                     Arbeitsstress resultiert aus einer Kombina-
ganisationsbezogene Einflussfaktoren sind                         tion von hohen Arbeitsanforderungen und
zu nennen: eingeschränkter Tätigkeits- und                       niedriger Arbeitskontrolle. Hohe Arbeitsan-
Handlungsspielraum, Mangel an sozialer                           forderungen verlangen auch hohen physi-
Unterstützung, Übermass an Verantwort-                           schen und mentalen Einsatz. Arbeitskont-
lichkeit, mangelnde Einflussmöglichkeiten                         rolle beschreibt die Möglichkeit der Arbei-
auf das Arbeitsergebnis, Überlastung durch                       tenden, ihre Arbeitssituation zeitlich und in-
Faktoren wie Arbeitszeit, Unterforderung,                        haltlich mitzugestalten.
geringe Aufstiegsmöglichkeiten (Körner,
2003, S. 55).                                                    Burnout ist ein Zusammenspiel aus
                                                                 Persönlichkeitsmerkmalen und
Soziologisch-sozialwissenschaftliche An-
sätze beschreiben gesellschaftliche Kompo-
                                                                 gefährdender Umwelt, eine «Nicht-Passung
nenten bei der Burnout-Entstehung. Vertre-                       der Person mit ihrer Umwelt».
ter dieser Ausrichtung sind Kleiber und Enz-
mann (1990) sowie Freudenberger (1974).                          Stand der Forschung
Als gesellschaftliche Faktoren sind zu nen-                      Kritische Analysen zur nationalen und inter-
nen: gestiegene Erwartungen an die Flexi-                        nationalen Forschungsliteratur lieferten
bilität und Mobilität der Mitarbeitenden,                        Schaufeli und Enzmann (1998) sowie Rösing
zunehmende gesellschaftliche Vereinsa-                           (2003). Der Beginn der Burnout-Forschung
mung, Isolation und Anonymität sowie ge-                         in den 1980er-Jahren in den USA und in den
änderte Kommunikationsformen und die                             1990er-Jahren im deutschen Sprachraum
aktuelle Problematik der «permanenten Er-                        wurde eindeutig durch das Maslach Burn-
reichbarkeit» in diesem Kontext (Körner,                         out Inventory geprägt. Die Dimensionen
2003, S. 56).                                                    emotionale Erschöpfung, Dehumanisierung

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               und Reduktion eigener Leistungsfähigkeit          mension der emotionalen Belastung des
               hatte Christina Maslach in ihrer frühen For-      Maslach Burnout Inventory. Die empiri-
               schung bei helfenden Berufen für Burnout          schen Befunde auf der Basis des maslachs-
               als zentral erkannt. Die Anwendung dieses         chen Diagnostikums führten, wie deutlich
               Verfahrens lässt sich als «roter Faden» in        sichtbar, keineswegs zu einer einheitlichen
               der Burnout-Forschung erkennen. Folgen            Erkenntnislage bezüglich der Verursa-
               wir den kritischen Analysen der Forschungs-       chungsfaktoren von Burnout. Offensichtlich
               literatur der genannten Autoren, so lässt         erwächst Burnout aus einem komplizierten
               sich als bedeutsamste demografische Vari-          Geflecht von Bedingungen, die miteinander
               able das Alter benennen. Es korreliert rela-      interagieren: demografische Variablen, Per-
               tiv einheitlich eher negativ mit Burnout.         sönlichkeitsvariablen, Arbeitsplatzvariab-
               Dies bedeutet: Ältere Arbeitnehmende sind         len. Hierbei scheint eine einfache Beziehung
               eher weniger von Burnout betroffen. Eben-         zwischen «Aussenwelt und Innenwelt» zu
               so bildet auch die Arbeitserfahrung inner-        fehlen. Forschungsmethodologisch wird die
               halb eines Berufes einen eher negativen Zu-       hohe Anzahl an quantitativen Studien kriti-
               sammenhang mit Burnout. Für die Variable          siert, gefordert werden qualitative Studien
               Geschlecht lassen sich laut Rösing (2003)         und die Hinwendung zu einer salutogeneti-
               sowohl Studien zitieren, wonach Frauen            schen Betrachtungsweise.
               Burnout-anfälliger sind als auch solche, in
               denen Männer eine höhere Burnout-Anfäl-           Im Fokus: Lehrkräfte
               ligkeit aufweisen. Persönlichkeitsvariablen       Den bedeutsamsten Beitrag zur Lehrerbe-
               waren Gegenstand vielfältiger Untersu-            lastungsforschung im deutschen Sprach-
               chungen, in denen nach den besonderen Ei-         raum lieferte zweifelsfrei die Potsdamer
               genschaften Burnout-anfälliger bzw. Burn-         Lehrerstudie (Schaarschmidt, 2005) (siehe
               out-resistenter Menschen gefragt wurde.           Artikel von Wettstein in dieser Nummer). In
                                                                 diesem Zusammenhang wurde als Diagnos-
                                                                 tikum das arbeitsbezogene Verhaltens- und
Der sozialen Unterstützung durch
                                                                 Erlebensmuster (AVEM) entwickelt, wel-
das Kollegium und durch die Schulleitung
                                                                 ches den beschriebenen Perspektivenwech-
wird Entlastungsfunktion zugeschrieben.                          sel von der Erfassung subjektiv erlebter Be-
                                                                 lastung, sprich Burnout, hin zur wissen-
               Gemäss der bereits benannten Synopse von          schaftlichen Erhellung von erfolgreichen
               Rösing (2003, S. 96ff.) lässt sich der Burn-      Bewältigungsformen vollzog. Der Test er-
               out-anfällige Typ vorsichtig als eher «emo-       möglicht eine Zuordnung zu verschiedenen
               tional vermeidend sowie ausweichend im            Typen der Stressbewältigung. Im Vergleich
               Umgang mit Belastung charakterisieren».           zu anderen psychosozial beanspruchten Be-
               Im Gegensatz dazu steht der «problemori-          rufen weisen Lehrkräfte ungünstigere Mus-
               entierte, aktive Zugang» als Merkmal Burn-        terkombinationen auf, so eines der zentra-
               out-resistenter Menschen. Im Bereich ar-          len Ergebnisse. Zu den grössten in der
               beitsbezogener Variablen zeigen sich je-          Lehrerstudie erfassten Belastungsquellen
               doch relativ klare positive Zusammenhän-          gehören: schwierige Schülerinnen und
               ge: Zeitdruck, hohe Arbeitsbelastung und          Schüler, grosse Klassen und die hohe An-
               Rollenkonflikt korrelieren positiv mit der Di-     zahl der zu unterrichtenden Stunden. Dem-

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gegenüber wird der sozialen Unterstützung                        menbedingungen als belastend empfun-
durch das Kollegium und durch die Schullei-                      den, die von den Probanden hinsichtlich
tung Entlastungsfunktion zugeschrieben. In                       zeitlicher und personeller Aspekte als man-
Kollegien, in denen die genannten Entlas-                        gelhaft eingeschätzt wurden. Integrative
tungsfaktoren als gut eingeschätzt werden,                       Arbeit wurde von den Befragten mit einem
zeigen sich beim befragten Lehrpersonal si-                      erhöhten Koordinations- und Organisati-
gnifikant weniger körperliche und psychi-                         onsaufwand verbunden. Bei der Betrach-
sche Beschwerden. Ein besonderer, arbeits-
platzbezogener Faktor der Lehrerbelastung
                                                                 Zum einen sollen die Arbeitsbedingungen,
ist mit Sicherheit das Kriterium der Arbeits-
                                                                 zum anderen die Bewältigungsmöglich-
zeit. Nicht selten wird dieser Berufsstand
als «Halbtagsjobber» bezeichnet, da Lehr-                        keiten des Einzelnen verbessert werden.
kräfte einen nicht unerheblichen Teil ihrer
Arbeit am häuslichen Arbeitsplatz erledi-                        tung der Bewältigungsstrategien war auf-
gen. Die Freiburger Arbeitszeitstudie (Dor-                      fallend, dass in erster Linie das Kollegium
semagen et al., 2007), die Lehrkräfte zu al-                     als schützend wahrgenommen wurde. Ein
ternativen Formen der Arbeitszeit an Schu-                       zweiter wichtiger Schutzfaktor ist die Wei-
len befragte, konnte jedoch keine eindeuti-                      terbildung. Für die befragten Probanden
gen Ergebnisse vorlegen. Offensichtlich                          war sie sowohl für die eigene Kompetenz-
verursacht jegliche Veränderung der Ar-                          entwicklung als auch für diejenige der Kol-
beitszeit bei Lehrkräften eine grosse Sorge                      leginnen und Kollegen wichtig, um dem in-
um weitere zusätzliche Arbeitsbelastungen.                       tegrationsspezifischen Stressor der unter-
«Ferner scheinen viele Lehrkräfte der Mei-                       schiedlichen pädagogischen Sicht- und He-
nung zu sein, dass eine Verbesserung der                         rangehensweise wirkungsvoll begegnen zu
aktuellen Arbeitssituation nicht über eine                       können. Insgesamt war auffallend, dass Be-
Veränderung der Organisation von Arbeits-                        und Entlastungen auf der gleichen Ebene
zeit, sondern lediglich über eine Reduktion                      wie z. B. die Arbeit im Team, die Arbeit im
der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung                        Kollegium und die pädagogische Herange-
zu erreichen ist» (Dorsemagen et al., 2007,                      hensweise lokalisiert werden können. Zu-
S. 244).                                                         gleich zeigte sich, dass die als positiv einge-
                                                                 schätzten eigenen Rahmenbedingungen
Obwohl die gesundheitliche Situation von                         bei den befragten Lehrkräften für Sonder-
Lehrkräften erneut in das Zentrum bil-                           pädagogik zu einer hohen beruflichen Zu-
dungspolitischer Diskurse gerückt ist, liegt                     friedenheit führten.
der wissenschaftliche Fokus nur sehr selten
auf Lehrkräften für Sonderpädagogik, die in                      Prävention und Intervention
integrativen Schulen tätig sind. Eine eigene                     Die Präventions- und Interventionsvor-
Studie in diesem neuen Forschungsfeld (vgl.                      schläge der Fachliteratur können grund-
ausführlich Hedderich & Hecker, 2009)                            sätzlich nach ihrer Zielrichtung unterteilt
konnte als Hauptbelastungsquelle Schwie-                         werden: Zum einen sollen die Arbeitsbedin-
rigkeiten im Kollegium ermitteln, die sich an                    gungen, zum anderen die Bewältigungs-
integrationsspezifischen Fragestellungen                          möglichkeiten des Einzelnen verbessert
entzündeten. Ebenfalls häufig wurden Rah-                         werden (vgl. ausführlich Burisch, 2006;

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 20, 7 – 8 / 2014
10   BURNOUT

     Hedderich, 2011). Massnahmen der Super-                delle, Befunde, Interventionen (S. 227–
     vision werden in diesem Kontext zur Refle-              247). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwis-
     xion und Verbesserung von Arbeit und Ar-               senschaften.
     beitsbeziehungen besondere Beachtung               Fengler, J. (2001). Helfen macht müde. Zur
     geschenkt. Andere Massnahmen zur Ver-                  Analyse und Bewältigung von Burnout
     besserung der Arbeitsbedingungen zielen                und beruflicher Deformation (6. Aufl.).
     auf organisatorische Veränderungen wie                 München: Pfeiffer bei Klett-Cotta.
     öffentliche Anerkennung für Teams, höhere          Freudenberger, H. J. (1974). Staff burn-out.
     Autonomie und Mitbestimmung ab (Feng-                  Journal of Social Issues, 30, 159–165.
     ler, 2001). Auf der individuellen Ebene set-       Hedderich, I. (2009). Burnout. Ursachen, For-
     zen die meisten Interventionsprogramme                 men, Auswege. München: Beck.
     auf Entlastung von Stressoren, Erholung            Hedderich, I. (2011). Schulische Belastungssi-
     durch Entspannung und Sport sowie auf Er-              tuationen erfolgreich bewältigen. Ein Pra-
     nüchterung im Sinne einer Verabschiedung               xishandbuch für Lehrkräfte. Bad Heil-
     von extremen Perfektionsvorstellungen                  brunn: Klinkhardt.
     (Hillert & Marwitz, 2006, S. 239). Burnout-        Hedderich, I. & Hecker, A. (2009). Belastung
     bezogene Workshops basieren auf zwei                   und Bewältigung in Integrativen Schulen.
     Säulen: Zum einen ist es das Ziel, arbeitsbe-          Eine empirisch-qualitative Studie bei Leh-
     zogene Probleme und ihre Bewältigungs-                 rerInnen für Förderpädagogik. Bad Heil-
     möglichkeiten bewusst zu machen. Zum an-               brunn: Klinkhardt.
     deren wollen die Methoden der Selbstbeob-          Hillert, A. & Marwitz, M. (2006). Die Burn-
     achtung und der Entspannung das individu-              out-Epidemie oder brennt die Leis-
     elle Stresserleben reduzieren. Abschliessend           tungsgesellschaft aus? München: Beck.
     muss jedoch festgehalten werden, dass              Karasek, R. (1979). Job Demands, Job Decisi-
     Massnahmen auf der individuellen Ebene                 on Latitude and Mental strain: Implication
     ohne Veränderungen auf der organisatori-               for Job redesign. Administrative Science
     schen Ebene nicht wirksam werden können.               Quarterly, 24, 285–308.
                                                        Kleiber, D. & Enzmann, D. (1990). Burnout. Ei-
                                                            ne internationale Bibliografie. Göttingen:
     Literatur                                              Hogrefe.
     Barth, A. R. (1997). Burnout bei Lehrern. The-     Körner, S. C. (2003). Das Phänomen Burnout
        oretische Aspekte und Ergebnisse einer              am Arbeitsplatz Schule. Berlin: Logos.
        Untersuchung (2. Aufl.). Göttingen: Hog-         Maslach, C. & Jackson, S. E. (1984). Burnout
        refe.                                               in organisational settings In S. Oskamp
     Burisch, M. (2006). Das Burnout-Syndrom.               (Ed.), Applied Social Psychology Annual,
        Theorie der inneren Erschöpfung (3. Aufl.).          (pp. 133–154). Beverly Hills: Sage.
        Berlin: Springer.                               Mühler, F. & Hedderich, I. (2013). Gesundheit
     Dorsemagen, C., Lacroix, P. & Krause, A.               von Mitarbeitenden der Behindertenhilfe:
        (2007). Arbeitszeit an Schulen: Welches             Review des internationalen Forschungs-
        Modell passt in unsere Zeit? Kriterien zur          standes. Zeitschrift für Heilpädagogik, 11,
        Gestaltung schulischer Arbeitsbedingun-             471–479.
        gen. In M. Rothland (Hrsg.), Belastung          Rook, M. (1998). Theorie und Empirie in der
        und Beanspruchung im Lehrerberuf. Mo-               Burnout-Forschung. Eine wissenschafts-

                                                  Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 20, 7 – 8 / 2014
BURNOUT                    11

    theoretische und inhaltliche Standortbe-
    stimmung. Hamburg: Dr. Kovac.
Rösing, I. (2003). Ist die Burnout-Forschung
    ausgebrannt? Analyse und Kritik der in-
    ternationalen Burnout-Forschung. Heidel-
    berg: Asanger.
Schaarschmidt, U. (Hrsg.). (2005). Halbtags-
    jobber? Psychische Gesundheit im Lehrer-
    beruf – Analyse eines veränderungsbe-
    dürftigen Zustandes (5. Aufl.). Weinheim:                     Prof. Dr. Ingeborg Hedderich
    Beltz.                                                       Universität Zürich
Schaufeli, W. B. & Enzmann, D. (1998). The                       Institut für Erziehungswissenschaft
    Burnout Companion to study and practi-                       Lehrstuhl Sonderpädagogik: Gesellschaft,
    ce. London: Taylor & Francis.                                Partizipation und Behinderung
Schmidbauer, W. (1977). Die hilflosen Helfer.                     Hirschengraben 48
    Reinbek: Rowohlt.                                            8001 Zürich
Selye, H. (1975). Confusion and controversy                      ihedderich@ife.uzh.ch
    in the stress field. Journal of human stress,
    1, 37–44.

  Themenschwerpunkte der Schweizerischen Zeitschrift für Heilpädagogik 2014

  Heft                           Schwerpunkt                                                                Redaktionsschluss
  1 / 2014                       Dyslexie – ICT                                                             16.11.2013
  2 / 2014                       Armut und Behinderung                                                      06.12.2013
  3 / 2014                       Kunsttherapie / Musiktherapie                                              10.01.2014
  4 / 2014                       Schulische Integration                                                     07.02.2014
  5 / 2014                       Zeugnisse / Bewertungen                                                    07.03.2014
  6 / 2014                       Frühe Kindheit                                                             11.04.2014
  7 – 8 / 2014                   Burnout                                                                    09.05.2014
  9 / 2014                       Schulung hospitalisierter Kinder «Spitalschulen» (NFA)                     13.06.2014
  10 / 2014                      Integration in den Arbeitsmarkt                                            15.08.2014
  11 – 12 / 2014                 Kommunikation ohne Lautsprache / ICT                                       12.09.2014

  Die Beschreibungen zu den Themenschwerpunkten finden Sie unter www.szh.ch/zeitschrift.
  Anregungen, Beiträge und Fragen etc. senden Sie bitte an redaktion@szh.ch.

  Übrigens, es werden auch regelmässig Beiträge veröffentlicht, die vom jeweiligen Schwerpunktthema abweichen,
  aber von heilpädagogischer Relevanz sind. Reichen Sie also ein!

Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Jg. 20, 7 – 8 / 2014
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