VonWegen - Verspielt - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.

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VonWegen - Verspielt - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.
2 |19 | E 9313

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        Wegen                  Evangelische
                               Stadtmission
                               Freiburg e.V.

Verspielt
www.stadtmission-freiburg.de
VonWegen - Verspielt - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.
Editorial

   Freude und Hilfe
    Alle tun es: Katzen, Hunde, Pferde, selbst Kraken und Fische        Gott liebt es also zu spielen und er hat
   – aber kein Lebewesen betreibt es so intensiv wie der Mensch:        Genuss und Wohlgefallen am Spiel.
    das Spielen. Friedrich Schiller behauptete gar: „Der Mensch         In einem weiteren Gedankensprung
    ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Und da hat er Recht.         könnte man auch Jesus mit der Weisheit
    Von ihrem Spieltrieb geleitet, entdecken und erobern Kinder         identifizieren. Denn im 1. Korinther-
    die Welt. Spielend erschließen sich dem Kind alle kognitiven,       brief bezeichnet Paulus Jesus als Weis-
    motorischen und sozialen Fähigkeiten, die es braucht, um in         heit Gottes. So ließe sich in dem Zitat
    der Gesellschaft als Erwachsener zu bestehen. I                     aus den Sprüchen auch die Freude des
    Im Spielen, so der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther, ent-       Vaters an seinem Sohn Jesus, der schon
    deckt das Kind die Welt völlig zweckfrei; ganz im Gegensatz zu      immer vor ihm gespielt hat, herauslesen.
    unserer Gesellschaft, in der unser Handeln oft sehr leistungs-      Dieses Spielen, das Gott auch seinen
    bezogen und damit nach dem Nutzen bewertet wird. Durch              Geschöpfen mitgegeben hat, kann neue
    das Spielen entwickelt sich die emotionale Intelligenz, es wer-     Räume eröffnen. Diese sind oft Chancen,
    den Regeln kennengelernt und erprobt, Kreativität, Phantasie        die dem Leben einen neuen Reichtum,
    und Visionen werden entwickelt. Entwicklungspsychologische          eine neue Lebendigkeit und Freude ge-
    Untersuchungen zeigen, dass Kinder viele Alltagssituationen,        ben.
    seien sie schwierig oder gewöhnlich, im Spiel verarbeiten.
    Spielen hat aber auch eine ganz andere wichtige Seite: Es kann
    eine bedeutende Hilfe in angstbesetzten Situationen sein. Bei-
    spielsweise haben Menschen im KZ überlebt, indem sie Theater
    gespielt oder musiziert haben. Das Spielen hat ihnen geholfen,
    in menschenunwürdiger Situation ihr Menschsein zu bewah-
    ren.

   Gott liebt es zu spielen
   Auch Gott, der seine Geschöpfe nach seinem Ebenbild geschaf-
   fen und mit so vielen Gaben und Fähigkeiten ausgestattet hat,
   muss selbst solch eine spielerische Kreativität haben.               Ewald Dengler
   In der Bibel finde ich nur eine Stelle dazu, nämlich im Buch der     Vorstand der Evangelischen Stadtmission
   Sprüche, in der viel über die Weisheit nachgedacht wird. Dort        Freiburg e.V.
   heißt es: „… als er die Fundamente der Erde abmaß, da war ich
   (die Weisheit) als geliebtes Kind bei ihm. Ich war seine Freude
   Tag für Tag und spielte vor ihm alle Zeit. Ich spielte auf seinem
   Erdenrund und meine Freude war es, bei den Menschen zu
   sein.“

   vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt                               Seite 2
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Gott möge von seiner Heiterkeit ein Quäntchen
In uns einpflanzen,
Auf dass sie bei uns wachse, blühe und gedeihe
Und wir unseren Alltag leichter bestehen.

                                                                                                    Addictive Stock / photocase.com

     aus: Hanns Dieter Hüsch: Sei gut behütet, in: ders./Michael Blum, Das kleine Buch zum Segen,
     Seite 26f, 2018/14 © tvd-Verlag Düsseldorf, 1998
     Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
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#thema

                               Der

                            Glaube und das Spiel
                               Warum Spielen nichts Belangloses ist
                               „Spielen? Was hat euch denn da wieder ge-     nichts mit Glauben zu tun! Jesus hat kein
                               ritten? Warum schreibt ihr als Stadtmissi-    Wort übers Spielen gesagt, oder?!
                               on über so ein Thema, das doch überhaupt      Stimmt. Wer in der Bibel nach dem Wort
                               gar nichts mit dem Glauben zu tun hat?“       „spielen“ Ausschau hält, muss lange su-
                               Es würde mich nicht wundern, wenn dieses      chen. Wenn da jemand spielt, dann sind es
                               Heft so hinterfragt würde. Spielen ist doch   Musiker, die „dem Herrn singen und spie-
                               kein theologisches Thema! Spielen hat doch    len“ (z. B. Psalm 33,3). Auch findet man
Standret / dreamstime.com

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einige Bibelstellen, die davor warnen,       unserer Arbeit, kann uns ein Stück
sich aufzuspielen. Immerhin: Zwei ech-       Kindheit zurückschenken und uns in
te Spielszenen habe ich gefunden. Eine       ferne Welten eintauchen lassen. Sicher,
abgründige und eine paradiesische.           unsere Aufgaben und auch unsere Pro-
Mit der ersten meine ich die Solda-          bleme werden dadurch nicht erledigt.
ten, die ihr Spiel mit dem schon zum         Aber: Wir bekommen Abstand, eine
Tode verurteilten Jesus treiben, ihm         Pause, kommen auf andere Gedanken
die Dornenkrone aufsetzen und den            und können (hoffentlich) lachen! Sol-
Purpurmantel anziehen, sich über den         che kleine Fluchten brauchen wir. Da-
„König der Juden“ lustig machen und          ran hat schon Gott in der Schöpfung
ihn gleichzeitig schlagen. Und die spä-      gedacht, als er am siebten Tag ruhte
ter seine Kleidung verlosen. So zynisch      und seinen Menschen ebenfalls ver-
kann spielen sein. Solche Spiele mit         ordnet hat, an diesem Tag Abstand von
Menschen, Spaß und Vergnügen auf             allem Arbeiten zu nehmen. Ich denke:
Kosten von Opfern, seien es Gladiato-        Spielen ist so ein kleines Stück Sonn-
renspiele in den römischen Arenen da-        tag, das uns hilft, uns seelisch zu erho-
mals oder Cybermobbing-Tricks heute,         len und gekräftigt wieder in den Alltag
sind keine Spiele. Sie sind blanke Men-      zurückzugehen.
schenverachtung.
Die andere Szene findet sich in den          Anspruchsvolles Spielen
Visionen des Jesaja. Sie schildert, wie      Da macht es auch nichts aus, wenn
ein Säugling am Loch der Viper spielt        Spiele anspruchsvoll und herausfor-

““   Spiele auf Kosten von Opfern sind keine Spiele.
         Sie sind blanke Menschenverachtung.

(Jesaja 11,8). Dieses sorglose Spielen ist   dernd sind und volle Aufmerksamkeit
ein Zeichen dafür, dass das zukünftige       fordern. Gerade das lenkt uns von un-
Reich des Messias angebrochen ist und        serem sonstigen Leben ab. Und womög-
niemand mehr Böses fürchten muss.            lich lernen wir dabei auch noch etwas.
Vielleicht braucht gutes Spielen immer       Eine Strategie, einen neuen Sachver-
so einen angstfreien Raum, Geborgen-         halt. Ich habe eine Zeitlang Geocaches,
heit und Vertrauen. Nur dann kommt           im Gelände versteckte und mit einem
wirklich Spaß auf. Nur dann tut Spie-        GPS-Gerät auffindbare Schatzkis-
len gut.                                     ten gesucht. Um sie zu finden, musste
Überhaupt: Spielen hat etwas mit             man sich oft in fremde Wissensgebiete
Leichtigkeit und Sorglosigkeit zu tun.       einarbeiten, schwierige Rätsel lösen,
Es steht ja nicht viel auf dem Spiel.        Codes knacken, Hindernisse überklet-
Spielen ist „just for fun“. Da gibt es       tern oder nachts mit einer Stirnlampe
kein großes Risiko, das wir vermeiden        nach Reflektoren Ausschau halten. Das
müssten. Spielen kann uns herausho-
len aus unseren Alltagssorgen und
                                             war zwar eigentlich sinnlos, oft auch
                                             langatmig, immer wieder erfolglos und
                                                                                         >>
vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt                              Seite 5
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#thema                        Der Glaube und das Spiel
                     >>
                               manchmal auch frustrierend. Aber                  man bei Gesellschafts- und Karten-
                               es hat riesigen Spaß gemacht und ich              spielen oft gegeneinander antritt, ent-
                               hab so einige bisher unbekannte Ecken             steht doch eine Gemeinschaft, in der
                                  kennengelernt und manches über                 mal der Eine, mal die Andere Gewinner
                                  die Ortsgeschichte, Botanik, Infor-            oder Verlierer ist. Beim Spielen werden
                                  matik, Literatur und was weiß ich              die Karten neu gemischt: Wer sonst oft
                                  noch erfahren. Und natürlich war               der Überlegene ist, zieht im Spiel viel-
                                  ich am Ende (meist) der stolze Fin-            leicht den Kürzeren. Gegen meine Kin-
                                  der einer kleinen Schatzkiste.                 der hatte ich im Memory keine Chance.
                                  Also: Spielen kann auch lehrreich              Und neben aller Spielspannung wird
                                  sein. Und uns bilden. Vergessen                viel geplaudert und gelacht, und man
                                  wir nicht: Kinder lernen ganz viel             lernt sich oft noch auf eine ganz ande-
                                   durchs Spielen. Spiele reizen uns,            re Art und Weise kennen. Spieleaben-
   Norbert Aufrecht                etwas zu üben, etwas zu lernen,               de in der Familie oder mit Freunden
   Geschäftsbereichsleiter         durchzuhalten, um ein Ziel zu er-             sind immer wieder nett! Selbst, wenn
   Missionarische Dienste          reichen oder zu gewinnen. Und was             man dabei meist keine tiefschürfenden
   der Evang. Stadtmission         wir beim Spielen gelernt haben,               Gespräche führt. Aber Leichtigkeit,
   Freiburg                        kann uns dann auch im Leben wei-              gemeinsames Lachen und Genießen
                                   terhelfen.                                    gehören eben auch zu unseren Bezie-
                                                                                 hungen und tun uns gut!
                                                                                 Spielen weckt das Kind im Menschen,
                                                                                 lässt uns mitfiebern und kämpfen,
                                                                   nste:
                                             issio  narische Die                 Abenteuer erleben und die Welt drum-
                                      iter M                          lt ver-
           u  fr e c h  t, Bereichsle         n z  in  d er Spielewe              herum vergessen, wie damals in der
Norbert A                        en noch g
                                             a                     ttage, an
            a c h sene könn                   e W   eih nachtsfes                  Kindheit. Gerade darin hat Spielen et-
Auch   Erw                           n ein ig                           ganze
             h  e rin  n e re mich a            S c h w ie gereltern –             was Wohltuendes und Gesundes.
 sinken: Ic                         i meinen                         gebracht
            ir –   z u   Besuch be              r  v on  Catan“ zu                  Jesus hat einmal gesagt: „Wenn ihr
  denen  w                              „Sied le                           war
                a h  llo s en Runden               u n te rb rochen. Das             nicht wie die Kinder werdet, könnt
               z                                n
  Tage mit                         Mahlzeite
         n.  N  u r   durch die                                                      ihr nicht ins Himmelreich kom-
   hatte
                                                                                      men“ (Matthäus 18,3). Kinder spie-
    super!
                                                                                       len sorglos, wohl wissend, dass die
                                                                                       Eltern für die Sicherheit sorgen.
                                                                         Beim    Ich glaube, diesen Freiraum, diesen
                                      Spielen werden die                         Spielraum, diesen Platz für Sorglosig-
                               Karten neu gemischt!                              keit und Leichtigkeit, fürs Abschalten
                               Noch etwas spricht fürs Spielen: Es               und Vergessen, fürs Lachen und die
                               bringt – jedenfalls, wenn man von Rät-            Beziehungen will Gott uns auch schen-
                               seln, die man alleine löst und Compu-             ken. Wir dürfen auch mal spielen, wohl
                               ter- oder Smartphone-Spielen absieht              wissend, dass Gott für unsere Sicher-
                               – Menschen zueinander. Auch wenn                  heit sorgt. Dafür bin ich dankbar. //

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#thema
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                          Einfach da sein
                                      Ein Plädoyer für das Spiel

                                      Erinnern Sie sich an „Lieblingsspiele“ aus Ih-    dann verkauft und gegessen wurde. Was haben
                                      rer Kindheit? „Malefiz“ und „Völkerball“ fal-     Sie gespielt, wo und mit wem? Astrid Lindgren
                                      len mir ein, aber auch „Hütten bauen“ aus         erinnerte sich an ihre Kindheit so: „Wir spiel-
                                      großen Pappkartons und „Metzgerei“ spielen        ten und spielten und spielten, so dass es das
                                      – mit einem Stück Brie-Käse als Fleisch, das in   reine Wunder ist, dass wir uns nicht totgespielt
                                      Gulasch, Schnitzel und Rouladen zerteilt und      haben.“

                          vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt                              Seite 7
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#thema                          Einfach da sein
                      >>
                                Gewinnen und Verlieren lernen                         • Beim Regelspiel (Gesellschaftsspiele,
                                Spielen ist die „Arbeit“ der Kinder, sagt             aber auch verschiedene Sportspiele) gilt
                                man. Spielpädagogen unterscheiden                     es, Regeln zu beachten, sich anzupassen,
                                verschiedene Arten des Spiels und be-                 aber auch sich durchzusetzen. Rück-
                                schreiben deren Bedeutung für die Ent-                sichtnahme und Fairness können geübt
                                wicklung von Kindern:                                 werden, doch auch der Wille zum Sieg
                                • Das Bewegungs- oder Funktionsspiel                  wird gewürdigt. Gewinnen und Verlie-
                                (Seilspringen, Radfahren, Stelzenlaufen               ren sind angemessen zu bewältigen.
                                …) trägt zum Aufbau der Muskulatur                    Und nicht nur Kinder spielen. Als Er-
                                und zur Entwicklung der Grobmotorik                   wachsenen ist es uns vielleicht weniger
                                bei und sorgt durch ein gutes Körperge-               bewusst, aber fast jeder Mensch spielt
                                fühl für Freude und Selbstbewusstsein.                auf die eine oder andere Weise: Men-
                                • Im Rollenspiel (Vater-Mutter-Kind,                  schen spielen ein Instrument, spielen
                                Spiel mit Puppen, Kaufladen …) werden                 Tennis oder Fußball, spielen Theater
                                soziale Rollen eingeübt und Erlebnisse                oder schauen dabei zu. Andere spielen
                                verarbeitet. Phantasie und Kreativität                Skat, Schach, Siedler und weiterhin
                                können sich entfalten, Interessen wer-                Mensch-ärgere-dich-nicht mit ihren
                                den ausgehandelt und die Sprache wird                 Kindern. Manche begeistern sich für
                                gefördert.                                            Stricken, Sticken, Töpfern und Backen.
                                • Auch im Konstruktions- oder Gestal-                 Andere leben ihre Kreativität aus, in-
                                tungsspiel (Bauen, Basteln …) sind Phan-              dem sie Häuser, Garagen und Ikea-Mö-
                                tasie und Kreativität gefragt, ebenso wie             bel bauen oder am Computer basteln.
                                planvolles Vorgehen, Konzentration und                Überhaupt: Computer und Internet ha-
                                Ausdauer. Das Kind macht Erfahrungen                  ben dann völlig neue Möglichkeiten des
                                mit Raum-Zeit-Bedingungen und ver-                    Spiels hervorgebracht. Und dann erst die
                                schiedenen Materialien – und mit Gelin-               Quiz- und Spiele-Shows im Fernsehen …
                                gen bzw. Misserfolg.                                  Spielen ist allgegenwärtig!

                                                                                      Warum spielen Erwachsene?
                                                                                      „Homo ludens“ – der spielende Mensch
                                                    ntin:
                            b , V orstandsassiste              z  unterschie
                                                                              d-       – lautet ein Buchtitel des Kulturanthro-
               e r-S tr a u                       q  ue   g a n
Esther Se
           eg                         meiner Cli                           ng an
            d lic he  w   ar ich mit           r  sa  ß e  n  wir tagela               pologen Johan Huizinga. Seine These:
Als Juge  n                                inte                              ach-
                   u n te  rw   egs. Im W           len  , im  S  ommer m               der Mensch ist nicht nur „homo fa-
                 d
 lich spiele
              n                       nopolyspie               eit Rundla
                                                                            uf um
                         enden Mo
                                                                                        ber“ – arbeitender Mensch. Im Spiel
             e  n  w o ll                        D u  n k  elh
  nicht en  d                               der                                auf
                   b is  z um    Eintreten            n  s e re  F ä higkeiten           entdeckt und entwickelt er seine
               ft                                    u
   ten wir o                           er maßen                 -Dich-Pfa
                                                                            den im        Fähigkeiten, aber auch seine Indi-
               h te n n is platte od             n   T rim   m
    eine Tis c                               en e                               Ge-
                     in   M  o  de gekomm              n    w e ck t in mir ein            vidualität. Schon Friedrich Schiller
                  e
     den gerad                           nser Spiele
               ie  Eri n n e rung an u                                                     urteilte: „Der Mensch spielt nur, wo
     Wald. D                       .                                                        er in voller Bedeutung des Wortes
                   eichtigkeit
      fühl von L                                                                             Mensch ist, und er ist nur da ganz

                  Seite 8                                                                          vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
VonWegen - Verspielt - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.
Mensch, wo er spielt.“1                            auch von erfüllter Zeit, die ich ganz für
Warum spielen erwachsene Menschen?                 mich allein gestalte.
Was bringt es ihnen? Ich habe Bekann-              In der „Leistungsgesellschaft“ hat
te befragt. Hier ein paar Antworten:               Spielen keinen guten Ruf. Es „bringt“
„Ich spüre beim Spiel die Bestimmung               nichts Greifbares, Messbares, nichts,
meines Lebens: einfach da sein.“ „Ich              was man in Geldwert ausdrücken
spiele gerne, weil es leichter macht.“             kann. Die „Erlebnisgesellschaft“ hat
„Ich kann so gut wie komplett ab-                  das Spiel als Markt entdeckt und einen
schalten.“ „Ich mag den leidenschaftli-            beachtlichen Wirtschaftszweig daraus
chen Einsatz bzw. das Zusammenspiel.               entwickelt: entsprechende Produkte,
Wenn die Stimmung dann noch heiter                 Events und Kurse boomen. Dabei kann
bis spannend ist, kribbelt es in meinem            Spielen sehr schlicht aussehen und da-
Bauch.“ „Ich kann (je nach Spiel) ent-             mit genau das leisten, was es kann und      Schwester Irmgard Richter
scheiden, ob ich gnädig oder fies bin              soll: uns Freude und Erholung vermit-       Mitarbeiter-Seelsorgerin der
- und beides ist dabei okay. Das ist               teln - und die Erfahrung, dass wir auch     Evangelischen Stadtmission
spannend und macht einfach Spaß.“                  und gerade dann im Vollsinn des Wor-        Freiburg
„Im Spiel zeigt sich meist der Charakter           tes Menschen sind, wenn wir aus purer
und man kann den anderen und auch                  Lust an der Freude handeln.
sich selbst neu kennenlernen.“                     Das für mich bisher eindrücklichste
Zentrale Merkmale des Spielens wer-                Beispiel eines spielerischen Menschen

                                                   ““
den hier angesprochen:
• Freude, Befriedigung und Lust, die
                                                       Wir sind auch und gerade
sowohl Spannung als auch Entspan-
nung einschließt,
                                                   dann im vollen Wortsinn Men-
• Selbstvergessenheit; ganz in der                   schen, wenn wir aus purer
Gegenwart zu sein, dem Augenblick                   Lust an der Freude handeln.“
hingegeben,
• Freiheit von äußerem Zwang – zum
Spielen kann man niemanden zwin-                   entdeckte ich bei einem Spaziergang am
gen, ohne dass der Charakter des Spie-             Strand. Ein Mann, vielleicht Mitte Fünf-
lerischen verlorengeht,                            zig, baute eine Sandburg. Hingebungs-
• Unabhängigkeit auch von inneren                  voll formte er aus feuchtem Sand große
Zwängen – das Spiel ist nur um seiner              Mengen von faustgroßen Kugeln. „Gibt
selbst willen da. Wo fremde Zwecke                 das Munition zur Verteidigung Ihrer
beherrschend werden, wird aus dem                  Burg?“ fragte ich ihn. „Nein“, war seine
Spiel plötzlich „Ernst“ oder „Arbeit“,             Antwort. „Ich baue eine Knödelburg.“
• das Erleben von Gemeinschaft, aber               Das nenne ich Spielen.//

1 Schiller, Theoretische Schriften. Über die äs-
thetische Erziehung des Menschen in einer Rei-
he von Briefen, 1793-1794. 15. Brief

vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt                                      Seite 9
VonWegen - Verspielt - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.
#thema

                          Wovon

                   Spielzeug erzählen
                          kann
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                        Seite 10    vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
Der Philosoph Walter Benjamin sprach       Technikspielzeug bereits weitgehend
Ende der 1920er-Jahre im Radio über        Platz gemacht. Und die Chemie- und
eine Expedition in die Spielwaren-         Technikbaukästen ersetzten immer
welt. Er hatte ein Warenhaus in Ber-       häufiger den Koffer der Nachwuchs-
lin erkundet und den Blick durch Re-       zauberer. Die Welt wurde rasend mo-
galreihen schweifen lassen. Manche         bil, mit Flugzeug, Dampfschiff und Ei-
Dinge erstaunten ihn, andere weckten       senbahn erschlossen; die Natur schien
Kindheitserinnerungen. Was Benjamin        beherrschbar, die Welt musste geformt
unterhaltsam schilderte, liegt heute       werden. So präsentierten sich Spielsa-
zum Teil im Museum. Die kleinen Din-       chen und Spielbretter.
ge sind zu Zeugnissen der Geschichte
geworden. Sie erzählen aber nicht nur      Blick in die Abgründe
über den Alltag einer längst vergange-     unserer Geschichte
nen Zeit oder darüber, wie ein bürger-     Spielzeug hat nicht nur mit Alltag und
liches Kinderzimmer vielleicht einmal      Geschichte, sondern auch mit Politik
ausgesehen hat. Weil wir im Spielzeug      zu tun. Den meisten Menschen gilt
verkleinert darstellen, wie wir die Welt   das Spielen wahrscheinlich als etwas,
sehen – oder wie eine andere, vielleicht   das mit kindlicher Unschuld, Illusion
bessere Version der Welt aussehen soll-    und bunter Fantasie zu tun hat. Unser
te – sind sie Spiegel unserer Weltsicht.   Spiel, auch das der Kinder, beinhaltet
Früher war das Spielzeug oft sehr viel     aber sehr häufig Gewalt und Konflik-
realitätsnaher als heute. Weil Päda-       te; es gibt fast immer Sieger und Be-
gogen und Produzenten glaubten, mit        siegte, beim Spielen geht es oft um
dem Spielzeug seien die Kinder auf die     Gewinn oder Niederlage. Nicht erst auf
Welt der Erwachsenen vorzubereiten,        den zweiten Blick offenbart das Spiel-
waren sie meist die kleinen Nachbil-       zeug daher auch die Abgründe unserer
dungen derselben: Puppenhäuser, Sol-       Geschichte. Im Ersten Weltkrieg ad-
daten, Eisenbahnen und Autos, Kinder-      aptierte die Industrie das Massenster-
küchen und Schießgewehre bereiteten        ben an der Front für die heimischen
nicht nur kindliche Freude, sondern        Spielbretter. Auch Kartenspiele wie der
auf den Ernst des Lebens vor. Manche       „Schwarze Peter“ wurden zu patrioti-
Dinge allerdings verschwanden, wie         schen Produkten der Kriegspropagan-
sich Zeit und Gesellschaft veränderten.    da. In Kinderzimmern des Bürgertums
Religiöses Spielzeug – wie Kinderaltä-     schoss Artillerie, Massen von Solda-
re, kleinste Messbecher, prozessierende    tenfiguren marschierten. Hersteller
Figuren und Mönchsutensilien – hat-        wie Käthe Kruse kleideten ihre Puppen
ten Anfang des 20. Jahrhunderts dem        in den feldgrauen Waffenrock der Sol-

                                                                                     >>

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#thema          Wovon Spielzeug erzählen kann
         >>
                daten. Und draußen befehdeten sich           die staatliche Propaganda und Ideo-
                die Kinder in ihren Straßenschlachten;       logie vereinnahmt. Heute mag man
                die Industrie stellte Spielzeugpistolen,     erschaudern angesichts dessen, was
                Säbel, Uniformstücke, Ranzen, Orden          nach 1933 auf den deutschen Markt
                oder Helme bereit. Die Militarisierung       massenhaft schwemmte: Puppen in
                des Spiels rief nach Kriegsende 1918         brauner Uniform, SA-Figuren, Propag-
                zwar vielfach Kritik nicht nur aus der       anda-Brettspiele, nicht zuletzt sehr viel
                Pädagogik hervor, aber die Gewalt            militärisches Spielzeug. Politik, Mili-
                verschwand aus der Spielwelt nie in          tarisierung und Rassismus drangen in

““
                                                                die Wohnstuben und Kinderzimmer
  Insbesondere in der Zeit des                                  ein. Besonders perfide und düster,
 Nationalsozialismus wurden                                     allerdings kommerziell nicht erfolg-

  Spielsachen pervertiert.“                                     reich, war ein Brettspiel, das 1938
                                                                erschien: In „Juden raus“ – Alters-
                                                                empfehlung: ab 12 Jahren – verhaf-
                                                                tete man jüdische Bürgerinnen und
                Gänze. Krieg und Konflikt scheinen bis       Bürger und trieb sie aus einer Stadt.
                heute nicht wegzudenken – bloß weicht        Wer zuerst sechs Juden verhaftete und
                das Kriegsspiel in die digitalen Welten      in ein Sammellager vor die Stadttore
                mehr und mehr aus.                           brachte, gewann dieses Spiel.
                Wenn es stimmt, dass im Spiel und
                durch das Spielen verarbeitet wird, was      Rassismus im Kasperletheater
                in der Realität geschieht, dann bleibt die   Übrigens wurde auch der Kasperle
                Pazifizierung des Spielens wohl ebenso       vielfach zur Propaganda eingesetzt.
                schöne Utopie wie die Befriedung des         Auf der Bühne verdrosch er Juden,
                Erdballs. Entscheidend ist, in welcher       Gegner und Marxisten. Ein „Reichs­
                Umwelt dieses Spiel mit Gewalt und           institut für Puppenspiel“, 1938 ein-
                Konflikten stattfindet. Insbesondere in      gerichtet, baute dementsprechende
                der Zeit des Nationalsozialismus wur-        Propaganda-Figuren für das Kasper-
                den Spielsachen pervertiert sowie für        le-Theater, darunter die rassistische

                                                                unsplash.com @rollelflex_graphy726

     Seite 12                                                             vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
Ralf Ber
                                                                  ger, P
                                                                   farrer de
Version eines Juden, und veröffentlichte          Gesellsc                       r Gemein
                                                            haftsspie                       de dreis
außerdem Bühnenstücke, die in staat-             ok, z. B               le  waren n                   am3:
                                                          . Monop                      ie mein
lichen Organisationen wie der Hitler-           ten, bis              oly oder                    Ding. Ein
                                                         man wie                   Risiko. A                  paar fan
jugend aufgeführt werden sollten. Mit          Spielkon             d e  r drankom            be r m an mus             d ich
                                                         solen: S                     mt. Das                  s ewig w
derlei Theater belustigte man wäh-             mals: de            PACE IN                       nervt. D                 ar-
                                                        r Hamm                  VADERS                     ann kam
                                                                   er! Doch               . H eute läc              e n  die
rend des Zweiten Weltkriegs sogar             mich: Im                           das bes                herlich,
                                                        possible                          t e S                  abe r d
Soldaten. Volkskundler wiederum              Spielide              Mission                      piel aller               a -
                                                     e. Und d                  . Natürli                   Zeiten is
                                                                ie  sc                   ch pixeli                  t  fü r
beschäftigte in dieser Zeit, wie ein        Internet s                 hlägt Gr                     g, aber s
                                                        pielen:                    afik. Ma                   pannend
vermeintlich „arisches“ Spielzeug          eingebe               Einfach                      n kann                     e
                                                    n.                        „C64“ u                  es übrig
                                                                                         nd „Imp                 ens im
aussehen sollte. Und der russische                                                                  ossible
                                                                                                              Mission
Schachweltmeister       Alexander                                                                                      “
Aljechin veröffentlichte im Krieg eine
Reihe von bizarren Propaganda-Artikeln für die Deut-
schen. Mittels des Schachs versuchte er nachzuweisen, dass
Juden und „Arier“ angeblich unterschiedlich spielten – die
einen defensiv und niederträchtig, die anderen wagemutig
und kämpferisch.
In Spielsachen spiegeln sich Politik und Geschichte. Sie
sind nicht nur kleine Nebensächlichkeiten, sondern mate-
rielle Zeugnisse menschlicher Kultur. Von Anfang des 20.
Jahrhunderts bis heute haben sie sich sehr stark verändert.
Sie zeugen von der Globalisierung und einer modernen Po-
pulärkultur weit mehr als früher. Besonders Computer und
Digitalisierung haben den Charakter des Spielens, nicht nur             Dr. André Postert
der Kinder, nachhaltig verändert. Wie wir unsere Welt sehen             Wissenschaftlicher
und wie wir unsere Kinder erziehen – davon berichten unse-              Mitarbeiter am Han-
re Spielsachen heute aber genauso wie früher. Beim nächs-               nah-Arendt-Institut für
ten Besuch eines Ladens, schauen Sie vielleicht – wie Walter            Totalitarismusforschung e.V.
Benjamin – einmal durch die Regale. Dort findet sich sicher             an der TU Dresden
eine Kleinigkeit, die über uns und unsere Zeit berichtet. //

                            Zum Weiterlesen
                            ó André Postert, Kinderspiel, Glücksspiel, Kriegsspiel. Große Geschichte in
                            kleinen Dingen 1900-1945. dtv Sachbuch//

vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt                                     Seite 13
#thema

                                                     satamedia / iStock.com

       Raum für

Ängste und Phantasien
     Seite 14     vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
Die Bedeutung des Spiels in der Kindertherapie
Wir spielen ganze Tage lang, so heißt es      wird ein Medium dazwischen geschaltet.
im Buch „Wir Kinder aus Bullerbü“. Spie-      Dies erlaubt eine gewisse Distanzierung
len, ganze Tage lang, leider ein Relikt aus   zum Spielgeschehen.
vergangenen Zeiten. Dabei ist das Spiel       Ganz anders das Rollenspiel. Da bege-
des Kindes von existenzieller Wichtig-        ben sich die Spielenden direkt in die
keit. Im Spiel begreift das Kind die Welt,    Rolle des Geschehens. Auch dieses Spiel
es erkundet Zusammenhänge und sucht           bietet die Möglichkeit, Erlebtes nachzu-
experimentierend nach seinem eigenen          spielen, aber auch in Fantasiewelten
Weg. Kinder spielen motorische, kon­          einzutauchen und in manchem Fällen
struktive, Regel-, Brett-, Förder- und        auch Ängste oder Konflikte zu re-in-
Rollen-Spiele. Ein gesundes Kind be-          szenieren. So lange, bis sie ihre Macht
dient sich des gesamten Spektrums. Ver-       verloren haben oder im Spiel ein Aus-
meidet ein Kind eine bestimmte Spielart       weg gefunden wird. Ein Beispiel für
über einen längeren Zeitraum, kann dies       ein scheinbar banales Spiel mit weit-
zu Entwicklungsdefiziten führen.              reichenden Folgen ist dies: Caro wollte
                                              mit mir über einen längeren Zeitraum
Erlebtes nachspielen                          immer wieder „Verstecken“ spielen. Sie
Dem kindlichen Spiel kommt im thera-          gab genaue Anweisungen: ich musste
peutischen Setting eine besondere Rolle       die Mutter sein, sie das Kind. Ich muss-
zu. Zu diagnostischen Zwecken benut-          te sie suchen, sollte aber erst andere
ze ich oft das Puppenhaus. Schon beim         Kinder finden, und wenn ich sie – Caro
Einräumen erhalte ich hierbei wichtige        - dann gefunden hätte, müsste ich mich
Informationen. Meist werden aktuel-           sehr freuen! Das Spiel musste genau
le Situationen nachgespielt, aber auch        so gespielt werden, Varianten wurden
Ängste oder Fantasien haben Raum.             nicht geduldet. Im Elterngespräch er-
Ein Kind ließ z. B. mit größter Zufrie-       fuhr ich, dass Caro ein Adoptivkind
denheit immer wieder den Großvater            war. Die Eltern hatten mehrere Kinder
vom Dach stürzen. Im Elterngespräch           kennengelernt, bevor sie sich für Caro
stellte sich heraus, dass der Großvater       entschieden. Schlagartig wurde mir
an Demenz erkrankt war und deshalb            der Sinn dieses Spieles bewusst. Caro
oft unberechenbar und ungerecht war.          wollte gezielt gesucht und gefunden
Das Kind litt sehr darunter, konnte sich      werden. Die Mutter sollte sich freuen,
aber nicht wehren. So brachte es seine        sie endlich gefunden zu haben. Wir
Hilflosigkeit in Form von aggressiven         veränderten das Spiel; die Mutter sollte
Fantasien zum Ausdruck. Mit den El-           mit Caro „Verstecken“ spielen. Erstaun-
tern konnten nun Strategien entwickelt        lich, schon nach dem ersten Mal des
werden, wie sie ihr Kind besser schützen      gemeinsamen Spieles, veränderte sich
konnten. Das Spiel mit dem Puppenhaus         die Beziehung der beiden. Vor Therapie-
wird als Spiel mit einem intermediären        beginn konnte Caro kaum eine Bezie-
Objekt bezeichnet. Die Personen agie-         hung zur Mutter aufbauen. Sie wirkte
ren nicht direkt miteinander, sondern es      verschlossen, wortkarg, konnte kein        >>
vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt                              Seite 15
#thema                          Raum für Ängste und Phantasien
                           >>
                                Vertrauen zu ihren Bezugspersonen                     lung. Mein Therapiekind Joe, 6 Jahre,
                                aufbauen. Nun, da Caro für sich ver-                  hatte trotz der Schwere der Erkrankung
                                   innerlichen konnte, dass die Mutter                eine relativ geringe Behinderung. Um die
                                   (und der Vater) sie und nur sie ge-                Körperwahrnehmung und das Gleichge-
                                   sucht und gefunden hatten, konnte                  wicht zu üben, hängte ich einen Schau-
                                   sie sich auf eine Beziehung zu ihren               kelsack auf. Das Angebot wurde von
                                   Eltern einlassen. Caro wollte dieses               ihm sofort angenommen, allerdings so,
      Foto: dekoartistda

                                   Spiel noch oft spielen, aber nicht                 wie er es brauchte. Er krabbelte hinein
                                   mit mir und auch nicht in der The-                 und die Spielanleitung ließ nicht lange
                                   rapiestunde, sondern zu Hause, mit                 auf sich warten. Ich sollte die Mutter
                                   ihrer Mama. In Caros Spiel drückt                  sein und er das Baby. Und ich sollte den
                                   sich für mich eine zutiefst mensch-                Bauch streicheln (Schaukelsack). Auf
                                   liche Sehnsucht aus: Wir wollen                    meine Frage, wie es dem Baby denn
     Aranka Enkelmann-             gesucht und gefunden werden. Wir                   gehe, antwortete er: „Nicht gut“, das
     Schulthess                    wollen gemeint sein!                               Baby habe starke Schmerzen. Ich sollte
     Ergotherapeutin in eigener    Wie gut, dass wir dies in unserem                  weiter den Bauch streicheln. Nach ca. 15
     Praxis                        christlichen Glauben zugesagt be-                  Minuten in dem Sack wurde Joe „gebo-
                                   kommen: „Fürchte Dich nicht, ich                   ren“. Er ließ sich aus dem Sack fallen, ich
                                   habe Dich erlöst, ich habe Dich bei                fing ihn auf. Also tschüss, sagte er dann
                                Deinem Namen gerufen, Du bist mein.“                  aufgeräumt und verließ das Therapie-
                                (Jesaja 43, Vers 1) So lässt es sich ge-              zimmer. Können Kinder Schmerzen im
                                trost ins Leben hineingehen und diese                 Mutterleib empfinden? Ja, ab der zwan-
                                Erkenntnis macht uns beziehungsfähig,                 zigsten Schwangerschaftswoche können
                                vertrauensvoll gegenüber anderen Men-                 Ungeborene Schmerzen empfinden und
                                schen und dem Leben und hilft uns aus                 sich teilweise daran erinnern!
                                unserer Isolation heraus.                             Wie wunderbar hat Gott doch unsere
                                Eine große Überraschung war für mich,                 Kinder geschaffen und wie kreativ hat er
                                dass Kinder sogar pränatal Erlebtes im                sich ausgedacht, wie Kinder Erlebtes in-
                                Spiel verarbeiten. Vor einiger Zeit hat-              tegrieren. Also denken Sie daran, wenn
                                      te ich ein Kind mit Spina bifida                ihr Kind das nächste Mal „nur“ spielt.
           Ruth                                    („offener Rücken“) in              Es arbeitet vielleicht gerade. Egal, ob es
                Franz                                          Behand-                aktuelle Erlebnisse verarbeitet, sich die
         Als Dor       en,   Refer
                  fkind             entin                                             Welt neu erfindet, physikalische Gesetz-
       Wies               h a be ic        für
      Auch
             en, B
                    äume            h me Öffentlich                                            mäßigkeiten entdeckt oder in die
                                          isten
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     An d e wenig b che und                              uß             it:                    Welt des Wissens eintaucht - ge-
          en S               efahr            übera en gespi
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   Nach
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                                                                                             ben Sie ihm die Gelegenheit, die
  Eltern rschaft z              den               w  a  r ein        e n                    Muße und bestenfalls das geeignete
         uns b           um V
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Gerald Hüther, Christoph Quarch
Rettet das Spiel!
Weil Leben mehr als
Funktionieren ist

Das Spiel ist bedroht - durch seine
Kommerzialisierung ebenso wie durch
suchterzeugende Online-Spiele. Der
Hirnforscher Gerald Hüther und der Phi-
losoph Christoph Quarch erläutern, wa-
rum unser Gehirn zur Hochform aufläuft,
sobald wir es spielerisch nutzen, erinnern
an die Wertschätzung des Spiels in frühe-
ren Kulturen und zeigen, welche Spiele dazu angetan sind,
Freiräume für Lebensfreude zu öffnen - damit wir unsere        Michael
spielerische Kreativität nicht verlieren.                      Kiesling
                                                               Azul
€ 10,-			                                                      Für 2-4
                                                               Spieler ab
                                                               8 Jahren

                                                               Im taktischen Legespiel „Azul“ beauftragt der portugiesische
                                                               König Manuel I. Handwerker, die Wände seines Palasts mit
                   Jürgen Kleindienst, Ingrid Hantke
                                                               schönen Mosaiken zu verzieren. Dafür sollen sie besondere
                   Als wir Räuber und                          Fliesen, die sogenannten Azulejos, verwenden. Unter den Flie-
                   Gendarm spielten                            senlegern entbrennt nun ein Wettbewerb, die besten Fliesen
                   Erinnerungen von Kindern                    zum richtigen Zeitpunkt aus den Manufakturen zu erhalten. Be-
                   an ihre Spiele 1930-1968                    lohnt wird, wer zusammenhängend kachelt und am Ende voll-
                                                               ständige Reihen und Spalten im Mosaik vorweisen kann. Spiel
                   “Räuber und Gendarm“, „Vater, Mutter,       des Jahres 2018.
                    Kind“ oder „Himmel und Hölle“ - bei die-
sen Spielen werden Erinnerungen an unbeschwerte Kind-          € 39,95
heitstage lebendig. Damals, als die Straße noch Spielplatz
war, genügten ein Stück Kreide, ein paar Murmeln oder ein
Springseil. Als die Kinderzimmer noch nicht überquollen,
war Fantasie gefragt - und sie kannte keine Grenzen. Die
Geschichten in diesem Buch erzählen von unbeschwerten
Spielen und Abenteuern, die Kinder gemeinsam mit ihren
                                                               Arno Backhaus
Freunden erlebten.
                                                               Auf die Worte,
€ 11,90                                                        fertig, los!
                                                               Stadt, Land,
                                                               Bibelstellen

                                                                Stadt-Land-Fluss kennt jeder. „Auf die Worte, fertig, los“
                                                               funktioniert nach den gleichen Regeln, aber mit völlig anderen
                                                               Kategorien, z.B.: „Predigtthema, über das man unbedingt mal
                     Komm mit in                               sprechen müsste“ oder „Worüber sich Frauen unterhalten“.
                                                               Unterhaltsam, ohne großen Aufwand und mit vielen Ansätzen
                     Noahs Arche                               für anschließende gute Gespräche. Bestens geeignet für
                     Für 2-4 Spieler von 3-9 Jahren
                                                               Abende mit Freunden, am Familientisch oder in der Gemeinde.
                    Ein lehrreiches Spiel für die Kleins-
                    ten rund um Noah, seine Arche und          € 8,-
                    die Rettung der Tiere. Im Spielverlauf
                    müssen über den außergewöhnli-
                    chen, runden Spielplan Tierpaare ein-
                    gesammelt und auf die zusammenge-
   puzzelte Arche gebracht werden.

   € 16,90                                                                  www.alpha-freiburg.de
                                Seite 17
   vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt                                  Seite 17vonWegen 1|16
#thema
Roger Kupfer für Ev. Stadtmission Freiburg

                                             Spielend älter werden
                                               Erfahrungen aus dem Seniorenpflegeheim
                                               Spielen ist nicht nur für die gesunde Ent-   pflegeheim Wichernhaus erlebe ich, dass
                                               wicklung eines Kindes maßgeblich. In mei-    Spielen auch bis ins hohe Alter von großer
                                               ner jahrzehntelangen Arbeit im Senioren-     Bedeutung ist.

                                             Seite 18                                                        vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
Tabea
                                                    Ruhna
                                           Auch i            u, Bet
                                                   m 29.            reuun
                                                           Ehejahr          g im W
                                          nicht                      könne           ichern
                                                 friedli                     n              haus:
                                         von un         c h u nd ent           m e in Ma
                                                 s gew                sp annt m           nn  u
Spielen im Pflegeheim hat viele
                                        den. U
                                                nser E
                                                         innen
                                                                will. D           iteinan nd ich noch
                                                        hrgeiz          e shalb s         d er spielen        immer
                                       terung                    trägt             pielen              , weil
Facetten, von denen ich eini-                  bei, w                   dann              w ir liebe           jeder
                                      verbal           enn es                   sehr z              r mit F
ge aufzeigen will. Es sind die               en Au              meine                  u r allge             reun-
                                     Sorge           srutsc             rseits                   meine
klassischen Brettspiele, die               , nach           hern g              zu Ge                   n
                                                    dem S            egen m            fü hlsaus           Er hei-
                                                            piel is            einen              brüch
sehr beliebt sind. Allen vo-                                       t alles             Mann              en un
                                                                            wiede              komm             d
ran „Mensch, ärgere dich                                                           r gut.             t. Kein
                                                                                                               e
nicht“, wobei teilweise viel
Unterstützung notwendig
ist und die Regeln am besten der Ta-
gesform und der geistigen Situation        men…“. Die Gesichter
der Senioren angepasst werden. Hinzu       strahlen bei Groß und Klein.
kommt eine Reihe von Spielen, die spe-     Eine besondere Art des Spiels sind die
ziell für Senioren entwickelt wurden.      Besuche unserer Altenheimclowns. Die
Wunderbar sind hier „Talkrunden“, die      Clowns sprechen die Bewohner per-
einladen, aus dem persönlichen Leben       sönlich an, singen, musizieren, bringen
zu erzählen. Sie regen die Erinnerung      Spaß und es ist faszinierend, wie sich
an, helfen ins Gespräch zu kommen          alle auf dieses Spiel einlassen. Wenn
und sich gegenseitig besser kennen-        die Clowns den Raum betreten, zau-
zulernen. Auch die Zuhörer nehmen          bern sie eine positive Atmosphäre (s.
dabei viel mit. Das Gedächtnis wird        dazu auch unsere Spendenseite).
trainiert durch Quizspiele, Ratespiele,

                                                   ““
Denkaufgaben, Kreuzworträtsel und
sogenannte Gedächtnisrunden zu le-                       Spiel ist nicht Spielerei,
bensnahen Themen (Reisen, Haushalt,                     es hat hohen Ernst und
Schmuck etc.). In der Sitzgymnastik                         tiefe Bedeutung.
helfen Bewegungsspiele, den Körper zu                                     Friedrich Fröbel
trainieren, und das fast nebenbei.

Strahlende Gesichter                       Spielen alleine, zu zweit, in einer
Gespielt wird auch, wenn die Kinder        Kleingruppe oder mit vielen Menschen
unserer Patenkindergärten ins Wi-          hat viele positive Aspekte.
chernhaus kommen. Da werden ge-
meinsam Singspiele und Fingerspiele        Spielen bringt
gemacht. Am Schönsten sind die Spie-       Menschen in Beziehung
le, die die Senioren aus ihrer Kindheit    Durch das Spiel kommen Menschen in
oder aus der Zeit mit den eigenen Kin-     Beziehung. Ein Pflegeheim ist wie ein
dern kennen, wie: „Kommt ein Vo-           Mikrokosmos der Gesellschaft. Die Se-
gel geflogen“, oder „Das ist der Dau-      nioren können sich nicht aussuchen,                    >>
vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt                               Seite 19
#thema                   Spielend älter werden
                  >>
                         mit wem sie zusammenleben. Das ge-        wie sie Spiele bieten. Im Gespräch wer-
                         meinsame Spiel bringt Menschen in         den Erinnerungen wach, lustige, schö-
                         Beziehung. Menschen, die sich kennen      ne und traurige. Es ist erstaunlich, wie
                         oder mögen, aber insbesondere auch        detailgetreu alte Menschen noch er-
                         Menschen, die vielleicht nichts ge-       zählen können, wenn sie den richtigen
                         meinsam haben. Je nach Spiel kommen       Impuls und den Raum dafür bekom-
                                                                   men. Das Wiedererkennen alter Lieder

““
                                                                   und Melodien lässt alte Augen leuch-
    Wer spielt, der lernt!                                         ten. Da sind die Gefühle von damals

   Wer lernt, der lebt!                                            präsent, Kinderzeit, Verliebtheit, Zeiten
                                                                   im Verein usw. Beim Liederraten und
   Wer lebt, der spielt!                                           Singen kommen viele Strophen, wie
                 Jörg Roggensack                                   selbstverständlich aus dem Kopf. Es tut
                                                                   den Alten so gut, dass sie es viel bes-
                                                                   ser können als die Jungen, und dabei
                         intellektuelle Unterschiede auch nicht    vergessen sie für ein paar Momente das
                         zum Tragen. Da kann eine Bäuerin          oftmals jetzt so beschwerliche Leben.
                         mit dem Uniprofessor spielen, ein an      Spielen ist immer auch Gedächtnistrai-
                         Demenz Erkrankter mit einer geistig       ning, fördert und erhält kognitive und
                         orientierten Person, ein Kind mit einer   motorische Fähigkeiten. Zudem dürfen
                         90-Jährigen.                              Emotionen spontan ausgelebt werden.
                         Gleichzeitig wird das Selbstwertgefühl    Spielen macht lebendig, zeigt besonde-
                         gestärkt bei dem Erlebnis: „Das kann      re Teile der Persönlichkeit. Und wenn
                         ich noch!“, „Da bin ich sogar besser!“    man genau beobachtet, sieht man beim
                         Eine wichtige Erfahrung für ältere        alten Menschen wieder das Kind oder
                            Menschen, die täglich mit ihren De-    den jüngeren Menschen hervorblitzen,
                            fiziten konfrontiert sind.             der er einmal war und der ihn zu dem
                            Gewinnen macht Spaß und Scha-          gemacht hat, der er jetzt ist.
                            denfreude darf auch mal sein. Schö-    Wer das erleben möchte, ist herzlich
                            ner als die Schadenfreude ist aller-   eingeladen zum Mitspielen im Wi-
                            dings das Gemeinschaftsgefühl, das     chernhaus! Oder noch besser, es selbst
                            in Spielgruppen entsteht. Miteinan-    auszuprobieren, wo auch immer. Nicht
                            der schaffen wir das, und es ist ein   zuletzt sei gesagt: Spielen ist ein herrli-
                            gutes Gefühl, dem anderen helfen       cher Zeitvertreib, und Zeit haben ältere
                            zu können, insbesondere für Pfle-      Menschen mehr als genug. Und seien
Tabea Ruhnau                gebedürftige, die täglich sehr viel    Sie gewiss: Wer lange spielt, wird alt. //
Leiterin der Betreuung      Unterstützung annehmen müssen.
im Seniorenpflegeheim       Spielen regt das Sprechen an. Ins-
Wichernhaus                 besondere ältere Menschen erzählen
                            gerne aus ihrem langen Leben. Dazu
                            hilft oft eine thematische Anregung,

              Seite 20                                                           vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
#thema

                                                                                                         knallgrün / photocase.de
             Die

dunkle Seite
			                                      des Spiels
            Was Glücksspielsucht für Betroffene bedeutet
            Auf den ersten Blick ist das Spielen um Geld    der Regel längst abgestreift und die Betreiber
            in Spielhallen und Casinos keine attraktive     haben die Räume hell und attraktiv gestal-
            Freizeitbeschäftigung für den Durchschnitts-    tet. Auch Frauen sollen sich darin sicher und
            bürger. Viele verbinden damit etwas Verbo-      wohl fühlen. Ich kann es inzwischen gut ver-
            tenes und eine halbseidene Welt. Die heuti-     stehen, wenn man in einer Spielhalle unge-
            gen Spielhallen haben dieses Image aber in      zwungen, gerade als Single, etwas vom Alltag

                                                                                                    >>
vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt                           Seite 21
#thema          Die dunkle Seite des Spiels
         >>
                abschalten will und in einer lockeren     gewinnt am Anfang, Glückshormone
                Atmosphäre von Gleichgesinnten mit        werden ausgeschüttet und man möchte
                dem Spiel um Geld etwas Nervenkitzel      wieder spielen, um sich gut zu fühlen.
                und Spannung erleben möchte.              Von ehemaligen Glückspielabhängi-
                Doch die Gefahr, abhängig zu wer-         gen habe ich mehrfach den Spruch
                den, spielt mit. Rund ein Viertel der     gehört: „Wer am Anfang gewinnt, hat
                Automatenspieler kommen nicht mehr        schon verloren.“ Bei den rund hundert
                davon los und haben mit schwerwie-        Glücksspielsüchtigen, die Jahr für Jahr
                genden negativen Folgen der Sucht zu      Hilfe bei uns in der Beratungsstel-
                kämpfen.                                  le suchen, ist in 90 Prozent der Fälle
                Etwa ein Drittel der Bevölkerung hat      das Automatenspiel das Hauptproblem.
                nach den Untersuchungen der Bun-          Schulden haben fast alle - 20.000 Euro

  ““ In Sekundenschnelle werden Glücksgefühle
          produziert und konditioniert.“

                deszentrale für gesundheitliche Auf-      sind es im Schnitt. Der Bezug zu Geld
                klärung im letzten Jahr ein Glücks-       ist dabei ganz verloren gegangen. Geld
                spielangebot genutzt. Die Zahl ist eher   ist einzig Mittel zum Spielen gewor-
                sinkend. Einzig im Automatenspiel gibt    den. Immer am Monatsanfang, wenn
                es noch geringe Zuwächse. Von den         es Gehalt gibt, sind die Spielhallen be-
                jungen Männern bis 25 Jahren spielt       sonders voll. Wieder Geld verfügbar zu
                mindestens jeder Zehnte an Geld-          haben, ist wie die Einladung zum Bier
                spielautomaten. Bei der älteren Bevöl-    bei einem Alkoholiker. Ohne Geldmit-
                kerung sind es im Schnitt zwischen        telverwaltung schafft praktisch nie-
                zwei und drei Prozent.                    mand den Absprung.
                Was macht das Spiel an den Automaten      Wenn Schulden aufgedeckt werden,
                so attraktiv? Die Erwartung auf einen     die Geschichten sich widersprechen
                Gewinn hat eine hohe Attraktivität für    und zunehmend auch andere Interes-
                uns. Ich fand als Heranwachsender den     sen und Freunde vernachlässigt wur-
                Glückshafen, die Losbude des Roten        den, dann wächst die Einsicht, dass
                Kreuzes, attraktiv. In der Erwartung      man Hilfe braucht und abhängig ist.
                eines Gewinns werden Glückshormone        Nicht selten geht es trotzdem noch wei-
                ausgeschüttet. Die Automaten haben        ter. Etwa 15 Prozent der Betroffenen
                dieses System perfektioniert. In Sekun-   berichten von einem Suizidversuch.
                denschnelle, mit viel Licht und Ton un-   Menschen, die auf dem Hochhaus oder
                termauert, werden Glücksgefühle pro-      der Brücke standen oder vom vorbei-
                duziert und konditioniert. Wer spielt,    fahrenden Zug nur die Windböen mit-

     Seite 22                                                          vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
n:                              en
                                                            ß , F ina n zreferenti         n  w ir vie l mitarbeit
                                                      Kle                                te
                                            Christine                          end muss                       af sich
                                                      r K  ind  h eit und Jug          M  ittw  ochabend tr
                                            In meine                                Am                            lich
bekommen haben, aber wegen derer                             n  F a m ilienbetrieb.
                                                                                            nd  d a  ka men wirk
                                                         he                             ,u
                                             im elterlic                      ieleabend                      r schöne
die Bahnpolizei schon ausgerückt                       ilie  a  be r zum Sp            be n d e hab ich seh
                                              die Fam                       An diese A
war, sind reale Beispiele aus mei-
                                                   er a lle  v ier Kinder.
                                              imm
ner Beratungspraxis. Verzweiflung                           gen.
                                               Erinnerun
und Ausweglosigkeit sind die gravie-
rendsten Folgen von Glücksspielsucht.

Suche nach Glück
und Entspannung
Der erste Schritt der Hilfe ist, sich nicht     mehr zu ver-
stecken, die Wahrheit anzuschauen und zu bekennen. Sich
einem Angehörigen oder dem Suchtberater gegenüber zu
öffnen, ist ein riesiger Schritt. Die Erkenntnis lautet meis-
tens: „Ich bin zum Spieler geworden und suchte doch nur
Glück und Entspannung.“ Bei dem Weg aus der Sucht gilt es,
diese Tatsache zu akzeptieren und Antworten auf die Fragen
zu finden: „Wer bin ich wirklich? Was will und kann ich er-
reichen?“ Nicht nur das Großartige und in einer Scheinwelt,
sondern in der Realität, ohne die Flucht in das Glücksspiel.
Ist das erste Jahr nach der Therapie geschafft, gelingt es den
Betroffenen in der Regel, die Sucht auf Dauer zu überwin-
den. Die Abhängigkeit kann dann zu einer Chance werden,
das Leben neu zu ordnen, Beziehungen wieder zu pflegen,
Hobbys neu zu entdecken und auch im Beruf einen bewuss-               Willi Vötter
ten Umgang mit Belastungen und Herausforderungen zu                   Geschäftsbereichsleiter
leben. Auch persönlicher Glaube und Spiritualität können              Soziale Dienste der Evang.
als Geschenk entdeckt werden. Bei Angehörigen kann neu-               Stadtmission Freiburg und
es Vertrauen entstehen und Glück in einem ganz anderen,               Leiter der Suchtberatungs-
nicht materiellen Sinn erlebt werden. Dies alles konnte ich           stelle Regio-PSB
immer wieder in der Begleitung von Glücksspielern erleben.
Hilfe ist möglich. //

Beratung und Hilfe finden Sie hier:
Suchtberatungsstelle Regio-PSB, Lehener Str. 54a, 79106 Freiburg, Telefon: 0761 2858300
Offene Sprechzeiten: Di 16 – 18:45 Uhr, Do 9 - 12 Uhr
Angehörigengruppe „Rückenwind“: Di 17:15 Uhr

> Weitere Infos: www.regio-psb-freiburg.de
vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt                               Seite 23
#thema

                                 An der Grenze zwischen

                           Spaß und Ernst
                                 Digitale Spiele im Jugendalter – Einordnung, Herausforderung und Chance
                                 Menschen spielen. Seit der Jungsteinzeit     Spiels, um Ideen auszuprobieren und Erfah-
                                 und auf der ganzen Welt. Auch Erwachse-      rungen zu sammeln, die auch außerhalb des
AleksandarNakic / iStock.com

                                 ne. Dennoch denken wir bei Spielen zuerst    Spiels relevant werden könnten. Sie setzen
                                 an Kinder und Jugendliche. Vermutlich weil   sich Ziele, treffen Entscheidungen, handeln
                                 Spiele, oder der spielerische Umgang mit     kreativ, planen, prüfen und justieren nach,
                                 Dingen im Allgemeinen, immer auch ein        reagieren auf dynamische Situationen. Ob
                                 Testen und Entdecken sind. Gerade Minder-    alleine oder gemeinsam: sie lernen etwas
                                 jährige nutzen das geschützte Umfeld des     über sich und die Welt. Oft mit einem ge-

                               Seite 24                                                        vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
wissen Ehrgeiz und kindlicher Freude.        gendliche Nutzer/innen. Sie eroberten
Spiele lagen somit schon immer an der        die neuen virtuellen (Spiel-)Räume
Grenze zwischen Spaß und Ernst. Wie          für sich, die neben der analogen phy-
ernst wir Spiele und Spieler nehmen          sischen Realität entstanden. Fanden
sollen, wird in unserer Werte- und           Gefallen an ihrer Vielfalt und Flexibi-
Leistungsgesellschaft immer wieder           lität. Meist schneller und umfassender
diskutiert: Ist die Barbie-Puppe ein         als ihre Eltern und Lehrkräfte, die da-
Rollenmodell; der Sheriffrevolver an

                                                      ““
Fasnacht ein falsches Signal? In dieser
schillernden Thematik gibt es keinen                   Spiele sind Teil der
umfassenden Konsens. So werden die               Speerspitze, Erprobungsfeld
Grenzen meist innerhalb der Famili-                und Türöffner für den
en ausgehandelt. Manchen Familien
fällt dies leichter. Für andere war dies
                                                 digitalen Massenkonsum.“
bereits in der analogen Welt eine Her-
ausforderung. Doch diese analoge Welt        durch oft außen vor waren. So konnten
verabschiedet sich gerade; und mit ihr       Erfahrungswelten, gerade zwischen
tradierte Gewissheiten.                      Pubertierenden und ihren erwach-
Denn seit Jahrzehnten gehören gera-          senen Bezugspersonen, noch weiter
de Spiele zu den Trendsettern, was die       auseinander driften, als dies auch in
zunehmende Digitalisierung unseres           analogen Zeiten schon der Fall war. Die
Alltags betrifft. Sie sind Teil der Speer-   sich vergrößernde Kluft bot viel Raum
spitze, Erprobungsfeld und Türöffner         für berechtigte und unberechtigte Sor-
für den digitalen Massenkonsum. Es           gen, Missverständnisse und Konflikte.
begann mit den Telespielen der späten        Man kann von Spielen halten was man
70er Jahre, welche nach den Spielhal-        möchte. Fest steht, dass die oft kriti-
len die Wohnzimmer eroberten. Dann           schen und vorwurfsvollen Debatten
folgten die Spielecomputer, wie C64          um Onlinespielsucht oder Gewaltdar-
und Amiga, in den Jugendzimmern              stellungen die großen Trends der letz-
der 80er Jahre. In den 90ern kamen           ten 15 Jahre nicht stoppen konnten: die
vermehrt spieletaugliche PCs und trag-       Umsätze stiegen; die Zahl der Nutzer/
bare Spielkonsolen wie der Gameboy           innen ebenso, das Einstiegsalter sank,
hinzu. Dazu noch das Internet, das           Mediennutzungszeiten nahmen zu, In-
zunehmend Möglichkeiten zum ver-             halte wurden realistischer und vielfälti-
netzten Spielen bot. Gerade Smartpho-        ger, die Geräte leistungsfähiger, mobiler
ne-Apps griffen das später auf. Immer        und schwerer kontrollierbar. Dadurch
leistungsfähiger wurde die Hardware.         wuchsen, auch für minderjährige Nut-
Immer beeindruckender die Software.          zer die Möglichkeiten, ihren Konsum zu
Auch, weil Spieler bereit waren, für         großen Teilen selbst zu gestalten. Inzwi-
jede Verbesserung ihres Spielerlebnis-       schen dürfte klar sein, dass nachhaltige
ses tief in die Tasche zu greifen.           Lösungen nur mit den Spieler/innen ge-
Und immer dicht am Puls der Zeit: ju-        funden werden können. Nicht gegen sie.      >>

vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt                             Seite 25
#thema                  An der Grenze zwischen Spaß und Ernst
                >>
                        Begleiter an die Seite stellen                   Die Digitalisierung schreitet rasch voran.
                           Denn eigentlich braucht es diese Lö-          In immer mehr Lebensbereichen wird sie
                           sungen wie eh und je. Zu viele Minder-        zu einem dominierenden Thema, ohne
                           jährige sind technisch findig, aber ent-      das es bisher einen umfassenden ge-
                           wickeln dennoch keine solide mediale          sellschaftlichen Ansatz gibt, Kinder und
                           Expertise. Sie können viel, besitzen aber     Jugendliche auf diese Welt von Morgen
                           nicht immer die Reife, auch gut mit ih-       vorzubereiten. Wer elektronische Spiele
                           ren Möglichkeiten umzugehen. Es wäre          und Soziale Medien konsumiert, kommt
                           gut, ihnen Begleiter an die Seite zu stel-    – trotz aller unbestreitbarer Risiken –
                               len, welche die Jugendlichen auch         zumindest mit vielen Mechanismen
                               akzeptieren können, weil sie sich         und Themen in Kontakt, die unsere Zu-
                               von diesen akzeptiert fühlen. Be-         kunft prägen werden. Das ist nicht viel.
                               gleiter, die eine echte offene Neugier    Nur eine Behelfsbrücke in das Morgen.
                               für die medialen Wahrnehmungen            Doch immerhin. Vielleicht sollten wir sie
                               und Bedürfnisse der Spieler/innen         eher stabilisieren als einreißen, solange
                               zeigen, bevor kritisch hinterfragt        wir keine besseren Alternativen im An-
                               wird. Gerade dann, wenn diesen Be-        gebot haben. Wenn wir also die Spiele
                                gleitern vieles fremd und seltsam        zum Anlass nehmen, uns mehr Gedan-
Dipl.- Psychologe               erscheint. Begleiter, die auch mal       ken über unsere Zukunft zu machen und
Andreas Sieburg                 mitspielen und Werturteile nur sehr      darüber, wie wir Kinder und Jugendliche
Schulpsychologe am Zen­         dosiert einsetzen. Dies alles kann die   begleiten können, die teilweise ein an-
trum für Schulqualität und      Chance erhöhen, dass Spieler/innen       deres Rüstzeug benötigen als wir selbst,
Lehrerbildung, Regional-        sich öffnen und einen reflektierten      dann steckt in dem Thema nicht nur eine
stelle Freiburg/ Schulpsy-      maßvollen Konsum entwickeln, statt       große Herausforderung, sondern auch
chologische Beratungsstelle     sich tiefer und tiefer ins mediale Di-   eine große Chance. Für alle von uns. Wir
Freiburg                        ckicht zurückzuziehen.                   sollten sie gemeinsam nutzen. Mit spie-
                                                                         lerischem Ernst. //

 Weiterführende Informationen
 >   Verlässliche und aktuelle Zahlen zum Medienkonsum von Kinder und Jugendlichen bietet die Inter-
 netseite mpfs.de.
 >   Differenzierte und teils mehrsprachige Materialien für Eltern, Kinder und Pädagogen finden Interes-
 sierte unter klicksafe.de.
 >   Das Konzept der „Spielsucht“ wird weiterhin vielschichtig diskutiert. Die Initiative „Kindermedien-
 land“ des Landes Baden-Württemberg bietet Orientierung: kindermedienland-bw.de/de/startseite/be-
 ratung/schwerpunkte/computerspielsucht-bei-kindern.
 >   Unangemessener Spielkonsum kann sowohl Ursache wie auch Folge unterschiedlicher Schwierig-
 keiten sein. Je nach Situation können kommunale oder kirchlich getragene Familien- und Suchtbera-
 tungsstellen als Ansprechpartner fungieren. Ein spezifisches Angebot für junge Spieler/innen und deren
 Umfeld bietet in Freiburg auch level-6.net.

            Seite 26                                                                   vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
#thema

Begegnung beim                     Brettspiel

Das „Freispiel“ in Freiburg kombiniert Spieleladen und Café

                                                                 Café ein zweites Standbein – ein No-
                                                                 vum in Deutschland. „Spielecafés fin-
                                                                 det man deutschlandweit inzwischen
                                                                 vier oder fünf. Aber die Kombination
                                                                 aus Spieleladen und Café ist einmalig“,
                                                                 erzählt Högner. Mittlerweile haben
                                                                 sich Stammtische für verschiedene
                                                                 Spiele gebildet, und seit kurzem lädt
                                                                 das Freispiel auch einmal monatlich
                                                                 zum offenen Spieleabend ein. „Hier
                                                                 kann auch hinkommen, wer neu in der
                                                                 Stadt ist, gerne spielt und noch nie-
Im Verkaufsraum des „Freispiel“ im Freiburger Stadtteil          manden kennt.“
Stühlinger stapeln sich die Brettspiele in den Regalen. Nur      Was fasziniert Menschen im Zeitalter
wenige Meter weiter sitzen kleine Gruppen von Gästen an          der digitalen Spiele noch an Karten,
Holztischen, vor sich ein Würfelspiel oder Spielkarten. Sie      Würfeln und Spielbrettern? „Ich sehe
probieren bei Kaffee oder kalten Getränken Spiele aus, die im    da einen Gegentrend. Den Leuten fehlt
Laden angeboten werden. Bei Bedarf lassen sie sich beraten       die direkte Kommunikation. Hier sitzt
– etwa von Florian Högner, einem der Gründer des Spiele-         man zusammen am Tisch, die Begeg-
geschäfts. Er bezeichnet sich selbst als „leidenschaftlichen     nung gehört zum Unterhaltungsfaktor
Spieler“ und hat mit der Eröffnung des „Freispiel“ sein Hobby    dazu.“ In eine andere Welt eintauchen
zum Beruf gemacht.                                               und den Alltag vergessen könne man
Eine fundierte Beratung ist Högner und seinem Mitinhaber         dabei auch: „Ich höre immer wieder,
Thomas Krohn wichtig: „Wir bieten nur Spiele an, die wir         dass Gäste sagen: ‚Huch, jetzt sind
vorher selbst ausprobiert und die uns überzeugt haben.“ Wel-     schon wieder zwei Stunden rum!‘ Sie
che Spiele sind denn bei der Kundschaft besonders beliebt?       merken beim Spielen nicht, wie die Zeit
„Zum einen die Klassiker wie Siedler. Aber es kommen auch        vergeht.“ //
immer wieder neue Trends auf. Zurzeit sind es Geschicklich-
keits- und Bauspiele, außerdem kooperative Spiele, bei denen
alle zusammenarbeiten, und Escape-Room-Spiele.“
Weil Spiele vor allem in der Vorweihnachtszeit gekauft wer-
den, schufen sich Högner und Krohn mit dem zugehörigen

vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt                          Seite 27
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