VonWegen - Verspielt - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.
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2 |19 | E 9313 von Wegen Evangelische Stadtmission Freiburg e.V. Verspielt www.stadtmission-freiburg.de
Editorial Freude und Hilfe Alle tun es: Katzen, Hunde, Pferde, selbst Kraken und Fische Gott liebt es also zu spielen und er hat – aber kein Lebewesen betreibt es so intensiv wie der Mensch: Genuss und Wohlgefallen am Spiel. das Spielen. Friedrich Schiller behauptete gar: „Der Mensch In einem weiteren Gedankensprung ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Und da hat er Recht. könnte man auch Jesus mit der Weisheit Von ihrem Spieltrieb geleitet, entdecken und erobern Kinder identifizieren. Denn im 1. Korinther- die Welt. Spielend erschließen sich dem Kind alle kognitiven, brief bezeichnet Paulus Jesus als Weis- motorischen und sozialen Fähigkeiten, die es braucht, um in heit Gottes. So ließe sich in dem Zitat der Gesellschaft als Erwachsener zu bestehen. I aus den Sprüchen auch die Freude des Im Spielen, so der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther, ent- Vaters an seinem Sohn Jesus, der schon deckt das Kind die Welt völlig zweckfrei; ganz im Gegensatz zu immer vor ihm gespielt hat, herauslesen. unserer Gesellschaft, in der unser Handeln oft sehr leistungs- Dieses Spielen, das Gott auch seinen bezogen und damit nach dem Nutzen bewertet wird. Durch Geschöpfen mitgegeben hat, kann neue das Spielen entwickelt sich die emotionale Intelligenz, es wer- Räume eröffnen. Diese sind oft Chancen, den Regeln kennengelernt und erprobt, Kreativität, Phantasie die dem Leben einen neuen Reichtum, und Visionen werden entwickelt. Entwicklungspsychologische eine neue Lebendigkeit und Freude ge- Untersuchungen zeigen, dass Kinder viele Alltagssituationen, ben. seien sie schwierig oder gewöhnlich, im Spiel verarbeiten. Spielen hat aber auch eine ganz andere wichtige Seite: Es kann eine bedeutende Hilfe in angstbesetzten Situationen sein. Bei- spielsweise haben Menschen im KZ überlebt, indem sie Theater gespielt oder musiziert haben. Das Spielen hat ihnen geholfen, in menschenunwürdiger Situation ihr Menschsein zu bewah- ren. Gott liebt es zu spielen Auch Gott, der seine Geschöpfe nach seinem Ebenbild geschaf- fen und mit so vielen Gaben und Fähigkeiten ausgestattet hat, muss selbst solch eine spielerische Kreativität haben. Ewald Dengler In der Bibel finde ich nur eine Stelle dazu, nämlich im Buch der Vorstand der Evangelischen Stadtmission Sprüche, in der viel über die Weisheit nachgedacht wird. Dort Freiburg e.V. heißt es: „… als er die Fundamente der Erde abmaß, da war ich (die Weisheit) als geliebtes Kind bei ihm. Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm alle Zeit. Ich spielte auf seinem Erdenrund und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.“ vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 2
Gott möge von seiner Heiterkeit ein Quäntchen In uns einpflanzen, Auf dass sie bei uns wachse, blühe und gedeihe Und wir unseren Alltag leichter bestehen. Addictive Stock / photocase.com aus: Hanns Dieter Hüsch: Sei gut behütet, in: ders./Michael Blum, Das kleine Buch zum Segen, Seite 26f, 2018/14 © tvd-Verlag Düsseldorf, 1998 Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
#thema Der Glaube und das Spiel Warum Spielen nichts Belangloses ist „Spielen? Was hat euch denn da wieder ge- nichts mit Glauben zu tun! Jesus hat kein ritten? Warum schreibt ihr als Stadtmissi- Wort übers Spielen gesagt, oder?! on über so ein Thema, das doch überhaupt Stimmt. Wer in der Bibel nach dem Wort gar nichts mit dem Glauben zu tun hat?“ „spielen“ Ausschau hält, muss lange su- Es würde mich nicht wundern, wenn dieses chen. Wenn da jemand spielt, dann sind es Heft so hinterfragt würde. Spielen ist doch Musiker, die „dem Herrn singen und spie- kein theologisches Thema! Spielen hat doch len“ (z. B. Psalm 33,3). Auch findet man Standret / dreamstime.com Seite 4 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
einige Bibelstellen, die davor warnen, unserer Arbeit, kann uns ein Stück sich aufzuspielen. Immerhin: Zwei ech- Kindheit zurückschenken und uns in te Spielszenen habe ich gefunden. Eine ferne Welten eintauchen lassen. Sicher, abgründige und eine paradiesische. unsere Aufgaben und auch unsere Pro- Mit der ersten meine ich die Solda- bleme werden dadurch nicht erledigt. ten, die ihr Spiel mit dem schon zum Aber: Wir bekommen Abstand, eine Tode verurteilten Jesus treiben, ihm Pause, kommen auf andere Gedanken die Dornenkrone aufsetzen und den und können (hoffentlich) lachen! Sol- Purpurmantel anziehen, sich über den che kleine Fluchten brauchen wir. Da- „König der Juden“ lustig machen und ran hat schon Gott in der Schöpfung ihn gleichzeitig schlagen. Und die spä- gedacht, als er am siebten Tag ruhte ter seine Kleidung verlosen. So zynisch und seinen Menschen ebenfalls ver- kann spielen sein. Solche Spiele mit ordnet hat, an diesem Tag Abstand von Menschen, Spaß und Vergnügen auf allem Arbeiten zu nehmen. Ich denke: Kosten von Opfern, seien es Gladiato- Spielen ist so ein kleines Stück Sonn- renspiele in den römischen Arenen da- tag, das uns hilft, uns seelisch zu erho- mals oder Cybermobbing-Tricks heute, len und gekräftigt wieder in den Alltag sind keine Spiele. Sie sind blanke Men- zurückzugehen. schenverachtung. Die andere Szene findet sich in den Anspruchsvolles Spielen Visionen des Jesaja. Sie schildert, wie Da macht es auch nichts aus, wenn ein Säugling am Loch der Viper spielt Spiele anspruchsvoll und herausfor- ““ Spiele auf Kosten von Opfern sind keine Spiele. Sie sind blanke Menschenverachtung. (Jesaja 11,8). Dieses sorglose Spielen ist dernd sind und volle Aufmerksamkeit ein Zeichen dafür, dass das zukünftige fordern. Gerade das lenkt uns von un- Reich des Messias angebrochen ist und serem sonstigen Leben ab. Und womög- niemand mehr Böses fürchten muss. lich lernen wir dabei auch noch etwas. Vielleicht braucht gutes Spielen immer Eine Strategie, einen neuen Sachver- so einen angstfreien Raum, Geborgen- halt. Ich habe eine Zeitlang Geocaches, heit und Vertrauen. Nur dann kommt im Gelände versteckte und mit einem wirklich Spaß auf. Nur dann tut Spie- GPS-Gerät auffindbare Schatzkis- len gut. ten gesucht. Um sie zu finden, musste Überhaupt: Spielen hat etwas mit man sich oft in fremde Wissensgebiete Leichtigkeit und Sorglosigkeit zu tun. einarbeiten, schwierige Rätsel lösen, Es steht ja nicht viel auf dem Spiel. Codes knacken, Hindernisse überklet- Spielen ist „just for fun“. Da gibt es tern oder nachts mit einer Stirnlampe kein großes Risiko, das wir vermeiden nach Reflektoren Ausschau halten. Das müssten. Spielen kann uns herausho- len aus unseren Alltagssorgen und war zwar eigentlich sinnlos, oft auch langatmig, immer wieder erfolglos und >> vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 5
#thema Der Glaube und das Spiel >> manchmal auch frustrierend. Aber man bei Gesellschafts- und Karten- es hat riesigen Spaß gemacht und ich spielen oft gegeneinander antritt, ent- hab so einige bisher unbekannte Ecken steht doch eine Gemeinschaft, in der kennengelernt und manches über mal der Eine, mal die Andere Gewinner die Ortsgeschichte, Botanik, Infor- oder Verlierer ist. Beim Spielen werden matik, Literatur und was weiß ich die Karten neu gemischt: Wer sonst oft noch erfahren. Und natürlich war der Überlegene ist, zieht im Spiel viel- ich am Ende (meist) der stolze Fin- leicht den Kürzeren. Gegen meine Kin- der einer kleinen Schatzkiste. der hatte ich im Memory keine Chance. Also: Spielen kann auch lehrreich Und neben aller Spielspannung wird sein. Und uns bilden. Vergessen viel geplaudert und gelacht, und man wir nicht: Kinder lernen ganz viel lernt sich oft noch auf eine ganz ande- durchs Spielen. Spiele reizen uns, re Art und Weise kennen. Spieleaben- Norbert Aufrecht etwas zu üben, etwas zu lernen, de in der Familie oder mit Freunden Geschäftsbereichsleiter durchzuhalten, um ein Ziel zu er- sind immer wieder nett! Selbst, wenn Missionarische Dienste reichen oder zu gewinnen. Und was man dabei meist keine tiefschürfenden der Evang. Stadtmission wir beim Spielen gelernt haben, Gespräche führt. Aber Leichtigkeit, Freiburg kann uns dann auch im Leben wei- gemeinsames Lachen und Genießen terhelfen. gehören eben auch zu unseren Bezie- hungen und tun uns gut! Spielen weckt das Kind im Menschen, lässt uns mitfiebern und kämpfen, nste: issio narische Die Abenteuer erleben und die Welt drum- iter M lt ver- u fr e c h t, Bereichsle n z in d er Spielewe herum vergessen, wie damals in der Norbert A en noch g a ttage, an a c h sene könn e W eih nachtsfes Kindheit. Gerade darin hat Spielen et- Auch Erw n ein ig ganze h e rin n e re mich a S c h w ie gereltern – was Wohltuendes und Gesundes. sinken: Ic i meinen gebracht ir – z u Besuch be r v on Catan“ zu Jesus hat einmal gesagt: „Wenn ihr denen w „Sied le war a h llo s en Runden u n te rb rochen. Das nicht wie die Kinder werdet, könnt z n Tage mit Mahlzeite n. N u r durch die ihr nicht ins Himmelreich kom- hatte men“ (Matthäus 18,3). Kinder spie- super! len sorglos, wohl wissend, dass die Eltern für die Sicherheit sorgen. Beim Ich glaube, diesen Freiraum, diesen Spielen werden die Spielraum, diesen Platz für Sorglosig- Karten neu gemischt! keit und Leichtigkeit, fürs Abschalten Noch etwas spricht fürs Spielen: Es und Vergessen, fürs Lachen und die bringt – jedenfalls, wenn man von Rät- Beziehungen will Gott uns auch schen- seln, die man alleine löst und Compu- ken. Wir dürfen auch mal spielen, wohl ter- oder Smartphone-Spielen absieht wissend, dass Gott für unsere Sicher- – Menschen zueinander. Auch wenn heit sorgt. Dafür bin ich dankbar. // Seite 6 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
#thema Mrsnikon / photocase.de Einfach da sein Ein Plädoyer für das Spiel Erinnern Sie sich an „Lieblingsspiele“ aus Ih- dann verkauft und gegessen wurde. Was haben rer Kindheit? „Malefiz“ und „Völkerball“ fal- Sie gespielt, wo und mit wem? Astrid Lindgren len mir ein, aber auch „Hütten bauen“ aus erinnerte sich an ihre Kindheit so: „Wir spiel- großen Pappkartons und „Metzgerei“ spielen ten und spielten und spielten, so dass es das – mit einem Stück Brie-Käse als Fleisch, das in reine Wunder ist, dass wir uns nicht totgespielt Gulasch, Schnitzel und Rouladen zerteilt und haben.“ vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 7 >>
#thema Einfach da sein >> Gewinnen und Verlieren lernen • Beim Regelspiel (Gesellschaftsspiele, Spielen ist die „Arbeit“ der Kinder, sagt aber auch verschiedene Sportspiele) gilt man. Spielpädagogen unterscheiden es, Regeln zu beachten, sich anzupassen, verschiedene Arten des Spiels und be- aber auch sich durchzusetzen. Rück- schreiben deren Bedeutung für die Ent- sichtnahme und Fairness können geübt wicklung von Kindern: werden, doch auch der Wille zum Sieg • Das Bewegungs- oder Funktionsspiel wird gewürdigt. Gewinnen und Verlie- (Seilspringen, Radfahren, Stelzenlaufen ren sind angemessen zu bewältigen. …) trägt zum Aufbau der Muskulatur Und nicht nur Kinder spielen. Als Er- und zur Entwicklung der Grobmotorik wachsenen ist es uns vielleicht weniger bei und sorgt durch ein gutes Körperge- bewusst, aber fast jeder Mensch spielt fühl für Freude und Selbstbewusstsein. auf die eine oder andere Weise: Men- • Im Rollenspiel (Vater-Mutter-Kind, schen spielen ein Instrument, spielen Spiel mit Puppen, Kaufladen …) werden Tennis oder Fußball, spielen Theater soziale Rollen eingeübt und Erlebnisse oder schauen dabei zu. Andere spielen verarbeitet. Phantasie und Kreativität Skat, Schach, Siedler und weiterhin können sich entfalten, Interessen wer- Mensch-ärgere-dich-nicht mit ihren den ausgehandelt und die Sprache wird Kindern. Manche begeistern sich für gefördert. Stricken, Sticken, Töpfern und Backen. • Auch im Konstruktions- oder Gestal- Andere leben ihre Kreativität aus, in- tungsspiel (Bauen, Basteln …) sind Phan- dem sie Häuser, Garagen und Ikea-Mö- tasie und Kreativität gefragt, ebenso wie bel bauen oder am Computer basteln. planvolles Vorgehen, Konzentration und Überhaupt: Computer und Internet ha- Ausdauer. Das Kind macht Erfahrungen ben dann völlig neue Möglichkeiten des mit Raum-Zeit-Bedingungen und ver- Spiels hervorgebracht. Und dann erst die schiedenen Materialien – und mit Gelin- Quiz- und Spiele-Shows im Fernsehen … gen bzw. Misserfolg. Spielen ist allgegenwärtig! Warum spielen Erwachsene? „Homo ludens“ – der spielende Mensch ntin: b , V orstandsassiste z unterschie d- – lautet ein Buchtitel des Kulturanthro- e r-S tr a u q ue g a n Esther Se eg meiner Cli ng an d lic he w ar ich mit r sa ß e n wir tagela pologen Johan Huizinga. Seine These: Als Juge n inte ach- u n te rw egs. Im W len , im S ommer m der Mensch ist nicht nur „homo fa- d lich spiele n nopolyspie eit Rundla uf um enden Mo ber“ – arbeitender Mensch. Im Spiel e n w o ll D u n k elh nicht en d der auf b is z um Eintreten n s e re F ä higkeiten entdeckt und entwickelt er seine ft u ten wir o er maßen -Dich-Pfa den im Fähigkeiten, aber auch seine Indi- h te n n is platte od n T rim m eine Tis c en e Ge- in M o de gekomm n w e ck t in mir ein vidualität. Schon Friedrich Schiller e den gerad nser Spiele ie Eri n n e rung an u urteilte: „Der Mensch spielt nur, wo Wald. D . er in voller Bedeutung des Wortes eichtigkeit fühl von L Mensch ist, und er ist nur da ganz Seite 8 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
Mensch, wo er spielt.“1 auch von erfüllter Zeit, die ich ganz für Warum spielen erwachsene Menschen? mich allein gestalte. Was bringt es ihnen? Ich habe Bekann- In der „Leistungsgesellschaft“ hat te befragt. Hier ein paar Antworten: Spielen keinen guten Ruf. Es „bringt“ „Ich spüre beim Spiel die Bestimmung nichts Greifbares, Messbares, nichts, meines Lebens: einfach da sein.“ „Ich was man in Geldwert ausdrücken spiele gerne, weil es leichter macht.“ kann. Die „Erlebnisgesellschaft“ hat „Ich kann so gut wie komplett ab- das Spiel als Markt entdeckt und einen schalten.“ „Ich mag den leidenschaftli- beachtlichen Wirtschaftszweig daraus chen Einsatz bzw. das Zusammenspiel. entwickelt: entsprechende Produkte, Wenn die Stimmung dann noch heiter Events und Kurse boomen. Dabei kann bis spannend ist, kribbelt es in meinem Spielen sehr schlicht aussehen und da- Bauch.“ „Ich kann (je nach Spiel) ent- mit genau das leisten, was es kann und Schwester Irmgard Richter scheiden, ob ich gnädig oder fies bin soll: uns Freude und Erholung vermit- Mitarbeiter-Seelsorgerin der - und beides ist dabei okay. Das ist teln - und die Erfahrung, dass wir auch Evangelischen Stadtmission spannend und macht einfach Spaß.“ und gerade dann im Vollsinn des Wor- Freiburg „Im Spiel zeigt sich meist der Charakter tes Menschen sind, wenn wir aus purer und man kann den anderen und auch Lust an der Freude handeln. sich selbst neu kennenlernen.“ Das für mich bisher eindrücklichste Zentrale Merkmale des Spielens wer- Beispiel eines spielerischen Menschen ““ den hier angesprochen: • Freude, Befriedigung und Lust, die Wir sind auch und gerade sowohl Spannung als auch Entspan- nung einschließt, dann im vollen Wortsinn Men- • Selbstvergessenheit; ganz in der schen, wenn wir aus purer Gegenwart zu sein, dem Augenblick Lust an der Freude handeln.“ hingegeben, • Freiheit von äußerem Zwang – zum Spielen kann man niemanden zwin- entdeckte ich bei einem Spaziergang am gen, ohne dass der Charakter des Spie- Strand. Ein Mann, vielleicht Mitte Fünf- lerischen verlorengeht, zig, baute eine Sandburg. Hingebungs- • Unabhängigkeit auch von inneren voll formte er aus feuchtem Sand große Zwängen – das Spiel ist nur um seiner Mengen von faustgroßen Kugeln. „Gibt selbst willen da. Wo fremde Zwecke das Munition zur Verteidigung Ihrer beherrschend werden, wird aus dem Burg?“ fragte ich ihn. „Nein“, war seine Spiel plötzlich „Ernst“ oder „Arbeit“, Antwort. „Ich baue eine Knödelburg.“ • das Erleben von Gemeinschaft, aber Das nenne ich Spielen.// 1 Schiller, Theoretische Schriften. Über die äs- thetische Erziehung des Menschen in einer Rei- he von Briefen, 1793-1794. 15. Brief vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 9
#thema Wovon Spielzeug erzählen kann Image Source / iStock Seite 10 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
Der Philosoph Walter Benjamin sprach Technikspielzeug bereits weitgehend Ende der 1920er-Jahre im Radio über Platz gemacht. Und die Chemie- und eine Expedition in die Spielwaren- Technikbaukästen ersetzten immer welt. Er hatte ein Warenhaus in Ber- häufiger den Koffer der Nachwuchs- lin erkundet und den Blick durch Re- zauberer. Die Welt wurde rasend mo- galreihen schweifen lassen. Manche bil, mit Flugzeug, Dampfschiff und Ei- Dinge erstaunten ihn, andere weckten senbahn erschlossen; die Natur schien Kindheitserinnerungen. Was Benjamin beherrschbar, die Welt musste geformt unterhaltsam schilderte, liegt heute werden. So präsentierten sich Spielsa- zum Teil im Museum. Die kleinen Din- chen und Spielbretter. ge sind zu Zeugnissen der Geschichte geworden. Sie erzählen aber nicht nur Blick in die Abgründe über den Alltag einer längst vergange- unserer Geschichte nen Zeit oder darüber, wie ein bürger- Spielzeug hat nicht nur mit Alltag und liches Kinderzimmer vielleicht einmal Geschichte, sondern auch mit Politik ausgesehen hat. Weil wir im Spielzeug zu tun. Den meisten Menschen gilt verkleinert darstellen, wie wir die Welt das Spielen wahrscheinlich als etwas, sehen – oder wie eine andere, vielleicht das mit kindlicher Unschuld, Illusion bessere Version der Welt aussehen soll- und bunter Fantasie zu tun hat. Unser te – sind sie Spiegel unserer Weltsicht. Spiel, auch das der Kinder, beinhaltet Früher war das Spielzeug oft sehr viel aber sehr häufig Gewalt und Konflik- realitätsnaher als heute. Weil Päda- te; es gibt fast immer Sieger und Be- gogen und Produzenten glaubten, mit siegte, beim Spielen geht es oft um dem Spielzeug seien die Kinder auf die Gewinn oder Niederlage. Nicht erst auf Welt der Erwachsenen vorzubereiten, den zweiten Blick offenbart das Spiel- waren sie meist die kleinen Nachbil- zeug daher auch die Abgründe unserer dungen derselben: Puppenhäuser, Sol- Geschichte. Im Ersten Weltkrieg ad- daten, Eisenbahnen und Autos, Kinder- aptierte die Industrie das Massenster- küchen und Schießgewehre bereiteten ben an der Front für die heimischen nicht nur kindliche Freude, sondern Spielbretter. Auch Kartenspiele wie der auf den Ernst des Lebens vor. Manche „Schwarze Peter“ wurden zu patrioti- Dinge allerdings verschwanden, wie schen Produkten der Kriegspropagan- sich Zeit und Gesellschaft veränderten. da. In Kinderzimmern des Bürgertums Religiöses Spielzeug – wie Kinderaltä- schoss Artillerie, Massen von Solda- re, kleinste Messbecher, prozessierende tenfiguren marschierten. Hersteller Figuren und Mönchsutensilien – hat- wie Käthe Kruse kleideten ihre Puppen ten Anfang des 20. Jahrhunderts dem in den feldgrauen Waffenrock der Sol- >> vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 11
#thema Wovon Spielzeug erzählen kann >> daten. Und draußen befehdeten sich die staatliche Propaganda und Ideo- die Kinder in ihren Straßenschlachten; logie vereinnahmt. Heute mag man die Industrie stellte Spielzeugpistolen, erschaudern angesichts dessen, was Säbel, Uniformstücke, Ranzen, Orden nach 1933 auf den deutschen Markt oder Helme bereit. Die Militarisierung massenhaft schwemmte: Puppen in des Spiels rief nach Kriegsende 1918 brauner Uniform, SA-Figuren, Propag- zwar vielfach Kritik nicht nur aus der anda-Brettspiele, nicht zuletzt sehr viel Pädagogik hervor, aber die Gewalt militärisches Spielzeug. Politik, Mili- verschwand aus der Spielwelt nie in tarisierung und Rassismus drangen in ““ die Wohnstuben und Kinderzimmer Insbesondere in der Zeit des ein. Besonders perfide und düster, Nationalsozialismus wurden allerdings kommerziell nicht erfolg- Spielsachen pervertiert.“ reich, war ein Brettspiel, das 1938 erschien: In „Juden raus“ – Alters- empfehlung: ab 12 Jahren – verhaf- tete man jüdische Bürgerinnen und Gänze. Krieg und Konflikt scheinen bis Bürger und trieb sie aus einer Stadt. heute nicht wegzudenken – bloß weicht Wer zuerst sechs Juden verhaftete und das Kriegsspiel in die digitalen Welten in ein Sammellager vor die Stadttore mehr und mehr aus. brachte, gewann dieses Spiel. Wenn es stimmt, dass im Spiel und durch das Spielen verarbeitet wird, was Rassismus im Kasperletheater in der Realität geschieht, dann bleibt die Übrigens wurde auch der Kasperle Pazifizierung des Spielens wohl ebenso vielfach zur Propaganda eingesetzt. schöne Utopie wie die Befriedung des Auf der Bühne verdrosch er Juden, Erdballs. Entscheidend ist, in welcher Gegner und Marxisten. Ein „Reichs Umwelt dieses Spiel mit Gewalt und institut für Puppenspiel“, 1938 ein- Konflikten stattfindet. Insbesondere in gerichtet, baute dementsprechende der Zeit des Nationalsozialismus wur- Propaganda-Figuren für das Kasper- den Spielsachen pervertiert sowie für le-Theater, darunter die rassistische unsplash.com @rollelflex_graphy726 Seite 12 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
Ralf Ber ger, P farrer de Version eines Juden, und veröffentlichte Gesellsc r Gemein haftsspie de dreis außerdem Bühnenstücke, die in staat- ok, z. B le waren n am3: . Monop ie mein lichen Organisationen wie der Hitler- ten, bis oly oder Ding. Ein man wie Risiko. A paar fan jugend aufgeführt werden sollten. Mit Spielkon d e r drankom be r m an mus d ich solen: S mt. Das s ewig w derlei Theater belustigte man wäh- mals: de PACE IN nervt. D ar- r Hamm VADERS ann kam er! Doch . H eute läc e n die rend des Zweiten Weltkriegs sogar mich: Im das bes herlich, possible t e S abe r d Soldaten. Volkskundler wiederum Spielide Mission piel aller a - e. Und d . Natürli Zeiten is ie sc ch pixeli t fü r beschäftigte in dieser Zeit, wie ein Internet s hlägt Gr g, aber s pielen: afik. Ma pannend vermeintlich „arisches“ Spielzeug eingebe Einfach n kann e n. „C64“ u es übrig nd „Imp ens im aussehen sollte. Und der russische ossible Mission Schachweltmeister Alexander “ Aljechin veröffentlichte im Krieg eine Reihe von bizarren Propaganda-Artikeln für die Deut- schen. Mittels des Schachs versuchte er nachzuweisen, dass Juden und „Arier“ angeblich unterschiedlich spielten – die einen defensiv und niederträchtig, die anderen wagemutig und kämpferisch. In Spielsachen spiegeln sich Politik und Geschichte. Sie sind nicht nur kleine Nebensächlichkeiten, sondern mate- rielle Zeugnisse menschlicher Kultur. Von Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute haben sie sich sehr stark verändert. Sie zeugen von der Globalisierung und einer modernen Po- pulärkultur weit mehr als früher. Besonders Computer und Digitalisierung haben den Charakter des Spielens, nicht nur Dr. André Postert der Kinder, nachhaltig verändert. Wie wir unsere Welt sehen Wissenschaftlicher und wie wir unsere Kinder erziehen – davon berichten unse- Mitarbeiter am Han- re Spielsachen heute aber genauso wie früher. Beim nächs- nah-Arendt-Institut für ten Besuch eines Ladens, schauen Sie vielleicht – wie Walter Totalitarismusforschung e.V. Benjamin – einmal durch die Regale. Dort findet sich sicher an der TU Dresden eine Kleinigkeit, die über uns und unsere Zeit berichtet. // Zum Weiterlesen ó André Postert, Kinderspiel, Glücksspiel, Kriegsspiel. Große Geschichte in kleinen Dingen 1900-1945. dtv Sachbuch// vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 13
#thema satamedia / iStock.com Raum für Ängste und Phantasien Seite 14 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
Die Bedeutung des Spiels in der Kindertherapie Wir spielen ganze Tage lang, so heißt es wird ein Medium dazwischen geschaltet. im Buch „Wir Kinder aus Bullerbü“. Spie- Dies erlaubt eine gewisse Distanzierung len, ganze Tage lang, leider ein Relikt aus zum Spielgeschehen. vergangenen Zeiten. Dabei ist das Spiel Ganz anders das Rollenspiel. Da bege- des Kindes von existenzieller Wichtig- ben sich die Spielenden direkt in die keit. Im Spiel begreift das Kind die Welt, Rolle des Geschehens. Auch dieses Spiel es erkundet Zusammenhänge und sucht bietet die Möglichkeit, Erlebtes nachzu- experimentierend nach seinem eigenen spielen, aber auch in Fantasiewelten Weg. Kinder spielen motorische, kon einzutauchen und in manchem Fällen struktive, Regel-, Brett-, Förder- und auch Ängste oder Konflikte zu re-in- Rollen-Spiele. Ein gesundes Kind be- szenieren. So lange, bis sie ihre Macht dient sich des gesamten Spektrums. Ver- verloren haben oder im Spiel ein Aus- meidet ein Kind eine bestimmte Spielart weg gefunden wird. Ein Beispiel für über einen längeren Zeitraum, kann dies ein scheinbar banales Spiel mit weit- zu Entwicklungsdefiziten führen. reichenden Folgen ist dies: Caro wollte mit mir über einen längeren Zeitraum Erlebtes nachspielen immer wieder „Verstecken“ spielen. Sie Dem kindlichen Spiel kommt im thera- gab genaue Anweisungen: ich musste peutischen Setting eine besondere Rolle die Mutter sein, sie das Kind. Ich muss- zu. Zu diagnostischen Zwecken benut- te sie suchen, sollte aber erst andere ze ich oft das Puppenhaus. Schon beim Kinder finden, und wenn ich sie – Caro Einräumen erhalte ich hierbei wichtige - dann gefunden hätte, müsste ich mich Informationen. Meist werden aktuel- sehr freuen! Das Spiel musste genau le Situationen nachgespielt, aber auch so gespielt werden, Varianten wurden Ängste oder Fantasien haben Raum. nicht geduldet. Im Elterngespräch er- Ein Kind ließ z. B. mit größter Zufrie- fuhr ich, dass Caro ein Adoptivkind denheit immer wieder den Großvater war. Die Eltern hatten mehrere Kinder vom Dach stürzen. Im Elterngespräch kennengelernt, bevor sie sich für Caro stellte sich heraus, dass der Großvater entschieden. Schlagartig wurde mir an Demenz erkrankt war und deshalb der Sinn dieses Spieles bewusst. Caro oft unberechenbar und ungerecht war. wollte gezielt gesucht und gefunden Das Kind litt sehr darunter, konnte sich werden. Die Mutter sollte sich freuen, aber nicht wehren. So brachte es seine sie endlich gefunden zu haben. Wir Hilflosigkeit in Form von aggressiven veränderten das Spiel; die Mutter sollte Fantasien zum Ausdruck. Mit den El- mit Caro „Verstecken“ spielen. Erstaun- tern konnten nun Strategien entwickelt lich, schon nach dem ersten Mal des werden, wie sie ihr Kind besser schützen gemeinsamen Spieles, veränderte sich konnten. Das Spiel mit dem Puppenhaus die Beziehung der beiden. Vor Therapie- wird als Spiel mit einem intermediären beginn konnte Caro kaum eine Bezie- Objekt bezeichnet. Die Personen agie- hung zur Mutter aufbauen. Sie wirkte ren nicht direkt miteinander, sondern es verschlossen, wortkarg, konnte kein >> vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 15
#thema Raum für Ängste und Phantasien >> Vertrauen zu ihren Bezugspersonen lung. Mein Therapiekind Joe, 6 Jahre, aufbauen. Nun, da Caro für sich ver- hatte trotz der Schwere der Erkrankung innerlichen konnte, dass die Mutter eine relativ geringe Behinderung. Um die (und der Vater) sie und nur sie ge- Körperwahrnehmung und das Gleichge- sucht und gefunden hatten, konnte wicht zu üben, hängte ich einen Schau- sie sich auf eine Beziehung zu ihren kelsack auf. Das Angebot wurde von Eltern einlassen. Caro wollte dieses ihm sofort angenommen, allerdings so, Foto: dekoartistda Spiel noch oft spielen, aber nicht wie er es brauchte. Er krabbelte hinein mit mir und auch nicht in der The- und die Spielanleitung ließ nicht lange rapiestunde, sondern zu Hause, mit auf sich warten. Ich sollte die Mutter ihrer Mama. In Caros Spiel drückt sein und er das Baby. Und ich sollte den sich für mich eine zutiefst mensch- Bauch streicheln (Schaukelsack). Auf liche Sehnsucht aus: Wir wollen meine Frage, wie es dem Baby denn Aranka Enkelmann- gesucht und gefunden werden. Wir gehe, antwortete er: „Nicht gut“, das Schulthess wollen gemeint sein! Baby habe starke Schmerzen. Ich sollte Ergotherapeutin in eigener Wie gut, dass wir dies in unserem weiter den Bauch streicheln. Nach ca. 15 Praxis christlichen Glauben zugesagt be- Minuten in dem Sack wurde Joe „gebo- kommen: „Fürchte Dich nicht, ich ren“. Er ließ sich aus dem Sack fallen, ich habe Dich erlöst, ich habe Dich bei fing ihn auf. Also tschüss, sagte er dann Deinem Namen gerufen, Du bist mein.“ aufgeräumt und verließ das Therapie- (Jesaja 43, Vers 1) So lässt es sich ge- zimmer. Können Kinder Schmerzen im trost ins Leben hineingehen und diese Mutterleib empfinden? Ja, ab der zwan- Erkenntnis macht uns beziehungsfähig, zigsten Schwangerschaftswoche können vertrauensvoll gegenüber anderen Men- Ungeborene Schmerzen empfinden und schen und dem Leben und hilft uns aus sich teilweise daran erinnern! unserer Isolation heraus. Wie wunderbar hat Gott doch unsere Eine große Überraschung war für mich, Kinder geschaffen und wie kreativ hat er dass Kinder sogar pränatal Erlebtes im sich ausgedacht, wie Kinder Erlebtes in- Spiel verarbeiten. Vor einiger Zeit hat- tegrieren. Also denken Sie daran, wenn te ich ein Kind mit Spina bifida ihr Kind das nächste Mal „nur“ spielt. Ruth („offener Rücken“) in Es arbeitet vielleicht gerade. Egal, ob es Franz Behand- aktuelle Erlebnisse verarbeitet, sich die Als Dor en, Refer fkind entin Welt neu erfindet, physikalische Gesetz- Wies h a be ic für Auch en, B äume h me Öffentlich mäßigkeiten entdeckt oder in die isten di , Bä s dra keitsarbe An d e wenig b che und uß it: Welt des Wissens eintaucht - ge- en S efahr übera en gespi omme e ll etw elt Nach ba raben ne Straße as zu – es gab ben Sie ihm die Gelegenheit, die Eltern rschaft z den w a r ein e n Muße und bestenfalls das geeignete uns b um V ö kame n h guter tdecken. ben w ei lkerb ier al Spiel Spielmaterial. ir imm Einbruch allspi l el zu e Kinder platz . Minu er Zeit d er Dun samm aus d Den Rest erledigt Ihr Kind selbst. // ten… geschu k elheit en. W e r “ i e nden : „Ac ns Haus r nn die h biii iefen itte, , ha- nur n och 1 Seite 16 0 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
Gerald Hüther, Christoph Quarch Rettet das Spiel! Weil Leben mehr als Funktionieren ist Das Spiel ist bedroht - durch seine Kommerzialisierung ebenso wie durch suchterzeugende Online-Spiele. Der Hirnforscher Gerald Hüther und der Phi- losoph Christoph Quarch erläutern, wa- rum unser Gehirn zur Hochform aufläuft, sobald wir es spielerisch nutzen, erinnern an die Wertschätzung des Spiels in frühe- ren Kulturen und zeigen, welche Spiele dazu angetan sind, Freiräume für Lebensfreude zu öffnen - damit wir unsere Michael spielerische Kreativität nicht verlieren. Kiesling Azul € 10,- Für 2-4 Spieler ab 8 Jahren Im taktischen Legespiel „Azul“ beauftragt der portugiesische König Manuel I. Handwerker, die Wände seines Palasts mit Jürgen Kleindienst, Ingrid Hantke schönen Mosaiken zu verzieren. Dafür sollen sie besondere Als wir Räuber und Fliesen, die sogenannten Azulejos, verwenden. Unter den Flie- Gendarm spielten senlegern entbrennt nun ein Wettbewerb, die besten Fliesen Erinnerungen von Kindern zum richtigen Zeitpunkt aus den Manufakturen zu erhalten. Be- an ihre Spiele 1930-1968 lohnt wird, wer zusammenhängend kachelt und am Ende voll- ständige Reihen und Spalten im Mosaik vorweisen kann. Spiel “Räuber und Gendarm“, „Vater, Mutter, des Jahres 2018. Kind“ oder „Himmel und Hölle“ - bei die- sen Spielen werden Erinnerungen an unbeschwerte Kind- € 39,95 heitstage lebendig. Damals, als die Straße noch Spielplatz war, genügten ein Stück Kreide, ein paar Murmeln oder ein Springseil. Als die Kinderzimmer noch nicht überquollen, war Fantasie gefragt - und sie kannte keine Grenzen. Die Geschichten in diesem Buch erzählen von unbeschwerten Spielen und Abenteuern, die Kinder gemeinsam mit ihren Arno Backhaus Freunden erlebten. Auf die Worte, € 11,90 fertig, los! Stadt, Land, Bibelstellen Stadt-Land-Fluss kennt jeder. „Auf die Worte, fertig, los“ funktioniert nach den gleichen Regeln, aber mit völlig anderen Kategorien, z.B.: „Predigtthema, über das man unbedingt mal Komm mit in sprechen müsste“ oder „Worüber sich Frauen unterhalten“. Unterhaltsam, ohne großen Aufwand und mit vielen Ansätzen Noahs Arche für anschließende gute Gespräche. Bestens geeignet für Für 2-4 Spieler von 3-9 Jahren Abende mit Freunden, am Familientisch oder in der Gemeinde. Ein lehrreiches Spiel für die Kleins- ten rund um Noah, seine Arche und € 8,- die Rettung der Tiere. Im Spielverlauf müssen über den außergewöhnli- chen, runden Spielplan Tierpaare ein- gesammelt und auf die zusammenge- puzzelte Arche gebracht werden. € 16,90 www.alpha-freiburg.de Seite 17 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 17vonWegen 1|16
#thema Roger Kupfer für Ev. Stadtmission Freiburg Spielend älter werden Erfahrungen aus dem Seniorenpflegeheim Spielen ist nicht nur für die gesunde Ent- pflegeheim Wichernhaus erlebe ich, dass wicklung eines Kindes maßgeblich. In mei- Spielen auch bis ins hohe Alter von großer ner jahrzehntelangen Arbeit im Senioren- Bedeutung ist. Seite 18 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
Tabea Ruhna Auch i u, Bet m 29. reuun Ehejahr g im W nicht könne ichern friedli n haus: von un c h u nd ent m e in Ma s gew sp annt m nn u Spielen im Pflegeheim hat viele den. U nser E innen will. D iteinan nd ich noch hrgeiz e shalb s d er spielen immer terung trägt pielen , weil Facetten, von denen ich eini- bei, w dann w ir liebe jeder verbal enn es sehr z r mit F ge aufzeigen will. Es sind die en Au meine u r allge reun- Sorge srutsc rseits meine klassischen Brettspiele, die , nach hern g zu Ge n dem S egen m fü hlsaus Er hei- piel is einen brüch sehr beliebt sind. Allen vo- t alles Mann en un wiede komm d ran „Mensch, ärgere dich r gut. t. Kein e nicht“, wobei teilweise viel Unterstützung notwendig ist und die Regeln am besten der Ta- gesform und der geistigen Situation men…“. Die Gesichter der Senioren angepasst werden. Hinzu strahlen bei Groß und Klein. kommt eine Reihe von Spielen, die spe- Eine besondere Art des Spiels sind die ziell für Senioren entwickelt wurden. Besuche unserer Altenheimclowns. Die Wunderbar sind hier „Talkrunden“, die Clowns sprechen die Bewohner per- einladen, aus dem persönlichen Leben sönlich an, singen, musizieren, bringen zu erzählen. Sie regen die Erinnerung Spaß und es ist faszinierend, wie sich an, helfen ins Gespräch zu kommen alle auf dieses Spiel einlassen. Wenn und sich gegenseitig besser kennen- die Clowns den Raum betreten, zau- zulernen. Auch die Zuhörer nehmen bern sie eine positive Atmosphäre (s. dabei viel mit. Das Gedächtnis wird dazu auch unsere Spendenseite). trainiert durch Quizspiele, Ratespiele, ““ Denkaufgaben, Kreuzworträtsel und sogenannte Gedächtnisrunden zu le- Spiel ist nicht Spielerei, bensnahen Themen (Reisen, Haushalt, es hat hohen Ernst und Schmuck etc.). In der Sitzgymnastik tiefe Bedeutung. helfen Bewegungsspiele, den Körper zu Friedrich Fröbel trainieren, und das fast nebenbei. Strahlende Gesichter Spielen alleine, zu zweit, in einer Gespielt wird auch, wenn die Kinder Kleingruppe oder mit vielen Menschen unserer Patenkindergärten ins Wi- hat viele positive Aspekte. chernhaus kommen. Da werden ge- meinsam Singspiele und Fingerspiele Spielen bringt gemacht. Am Schönsten sind die Spie- Menschen in Beziehung le, die die Senioren aus ihrer Kindheit Durch das Spiel kommen Menschen in oder aus der Zeit mit den eigenen Kin- Beziehung. Ein Pflegeheim ist wie ein dern kennen, wie: „Kommt ein Vo- Mikrokosmos der Gesellschaft. Die Se- gel geflogen“, oder „Das ist der Dau- nioren können sich nicht aussuchen, >> vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 19
#thema Spielend älter werden >> mit wem sie zusammenleben. Das ge- wie sie Spiele bieten. Im Gespräch wer- meinsame Spiel bringt Menschen in den Erinnerungen wach, lustige, schö- Beziehung. Menschen, die sich kennen ne und traurige. Es ist erstaunlich, wie oder mögen, aber insbesondere auch detailgetreu alte Menschen noch er- Menschen, die vielleicht nichts ge- zählen können, wenn sie den richtigen meinsam haben. Je nach Spiel kommen Impuls und den Raum dafür bekom- men. Das Wiedererkennen alter Lieder ““ und Melodien lässt alte Augen leuch- Wer spielt, der lernt! ten. Da sind die Gefühle von damals Wer lernt, der lebt! präsent, Kinderzeit, Verliebtheit, Zeiten im Verein usw. Beim Liederraten und Wer lebt, der spielt! Singen kommen viele Strophen, wie Jörg Roggensack selbstverständlich aus dem Kopf. Es tut den Alten so gut, dass sie es viel bes- ser können als die Jungen, und dabei intellektuelle Unterschiede auch nicht vergessen sie für ein paar Momente das zum Tragen. Da kann eine Bäuerin oftmals jetzt so beschwerliche Leben. mit dem Uniprofessor spielen, ein an Spielen ist immer auch Gedächtnistrai- Demenz Erkrankter mit einer geistig ning, fördert und erhält kognitive und orientierten Person, ein Kind mit einer motorische Fähigkeiten. Zudem dürfen 90-Jährigen. Emotionen spontan ausgelebt werden. Gleichzeitig wird das Selbstwertgefühl Spielen macht lebendig, zeigt besonde- gestärkt bei dem Erlebnis: „Das kann re Teile der Persönlichkeit. Und wenn ich noch!“, „Da bin ich sogar besser!“ man genau beobachtet, sieht man beim Eine wichtige Erfahrung für ältere alten Menschen wieder das Kind oder Menschen, die täglich mit ihren De- den jüngeren Menschen hervorblitzen, fiziten konfrontiert sind. der er einmal war und der ihn zu dem Gewinnen macht Spaß und Scha- gemacht hat, der er jetzt ist. denfreude darf auch mal sein. Schö- Wer das erleben möchte, ist herzlich ner als die Schadenfreude ist aller- eingeladen zum Mitspielen im Wi- dings das Gemeinschaftsgefühl, das chernhaus! Oder noch besser, es selbst in Spielgruppen entsteht. Miteinan- auszuprobieren, wo auch immer. Nicht der schaffen wir das, und es ist ein zuletzt sei gesagt: Spielen ist ein herrli- gutes Gefühl, dem anderen helfen cher Zeitvertreib, und Zeit haben ältere zu können, insbesondere für Pfle- Menschen mehr als genug. Und seien Tabea Ruhnau gebedürftige, die täglich sehr viel Sie gewiss: Wer lange spielt, wird alt. // Leiterin der Betreuung Unterstützung annehmen müssen. im Seniorenpflegeheim Spielen regt das Sprechen an. Ins- Wichernhaus besondere ältere Menschen erzählen gerne aus ihrem langen Leben. Dazu hilft oft eine thematische Anregung, Seite 20 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
#thema knallgrün / photocase.de Die dunkle Seite des Spiels Was Glücksspielsucht für Betroffene bedeutet Auf den ersten Blick ist das Spielen um Geld der Regel längst abgestreift und die Betreiber in Spielhallen und Casinos keine attraktive haben die Räume hell und attraktiv gestal- Freizeitbeschäftigung für den Durchschnitts- tet. Auch Frauen sollen sich darin sicher und bürger. Viele verbinden damit etwas Verbo- wohl fühlen. Ich kann es inzwischen gut ver- tenes und eine halbseidene Welt. Die heuti- stehen, wenn man in einer Spielhalle unge- gen Spielhallen haben dieses Image aber in zwungen, gerade als Single, etwas vom Alltag >> vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 21
#thema Die dunkle Seite des Spiels >> abschalten will und in einer lockeren gewinnt am Anfang, Glückshormone Atmosphäre von Gleichgesinnten mit werden ausgeschüttet und man möchte dem Spiel um Geld etwas Nervenkitzel wieder spielen, um sich gut zu fühlen. und Spannung erleben möchte. Von ehemaligen Glückspielabhängi- Doch die Gefahr, abhängig zu wer- gen habe ich mehrfach den Spruch den, spielt mit. Rund ein Viertel der gehört: „Wer am Anfang gewinnt, hat Automatenspieler kommen nicht mehr schon verloren.“ Bei den rund hundert davon los und haben mit schwerwie- Glücksspielsüchtigen, die Jahr für Jahr genden negativen Folgen der Sucht zu Hilfe bei uns in der Beratungsstel- kämpfen. le suchen, ist in 90 Prozent der Fälle Etwa ein Drittel der Bevölkerung hat das Automatenspiel das Hauptproblem. nach den Untersuchungen der Bun- Schulden haben fast alle - 20.000 Euro ““ In Sekundenschnelle werden Glücksgefühle produziert und konditioniert.“ deszentrale für gesundheitliche Auf- sind es im Schnitt. Der Bezug zu Geld klärung im letzten Jahr ein Glücks- ist dabei ganz verloren gegangen. Geld spielangebot genutzt. Die Zahl ist eher ist einzig Mittel zum Spielen gewor- sinkend. Einzig im Automatenspiel gibt den. Immer am Monatsanfang, wenn es noch geringe Zuwächse. Von den es Gehalt gibt, sind die Spielhallen be- jungen Männern bis 25 Jahren spielt sonders voll. Wieder Geld verfügbar zu mindestens jeder Zehnte an Geld- haben, ist wie die Einladung zum Bier spielautomaten. Bei der älteren Bevöl- bei einem Alkoholiker. Ohne Geldmit- kerung sind es im Schnitt zwischen telverwaltung schafft praktisch nie- zwei und drei Prozent. mand den Absprung. Was macht das Spiel an den Automaten Wenn Schulden aufgedeckt werden, so attraktiv? Die Erwartung auf einen die Geschichten sich widersprechen Gewinn hat eine hohe Attraktivität für und zunehmend auch andere Interes- uns. Ich fand als Heranwachsender den sen und Freunde vernachlässigt wur- Glückshafen, die Losbude des Roten den, dann wächst die Einsicht, dass Kreuzes, attraktiv. In der Erwartung man Hilfe braucht und abhängig ist. eines Gewinns werden Glückshormone Nicht selten geht es trotzdem noch wei- ausgeschüttet. Die Automaten haben ter. Etwa 15 Prozent der Betroffenen dieses System perfektioniert. In Sekun- berichten von einem Suizidversuch. denschnelle, mit viel Licht und Ton un- Menschen, die auf dem Hochhaus oder termauert, werden Glücksgefühle pro- der Brücke standen oder vom vorbei- duziert und konditioniert. Wer spielt, fahrenden Zug nur die Windböen mit- Seite 22 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
n: en ß , F ina n zreferenti n w ir vie l mitarbeit Kle te Christine end muss af sich r K ind h eit und Jug M ittw ochabend tr In meine Am lich bekommen haben, aber wegen derer n F a m ilienbetrieb. nd d a ka men wirk he ,u im elterlic ieleabend r schöne die Bahnpolizei schon ausgerückt ilie a be r zum Sp be n d e hab ich seh die Fam An diese A war, sind reale Beispiele aus mei- er a lle v ier Kinder. imm ner Beratungspraxis. Verzweiflung gen. Erinnerun und Ausweglosigkeit sind die gravie- rendsten Folgen von Glücksspielsucht. Suche nach Glück und Entspannung Der erste Schritt der Hilfe ist, sich nicht mehr zu ver- stecken, die Wahrheit anzuschauen und zu bekennen. Sich einem Angehörigen oder dem Suchtberater gegenüber zu öffnen, ist ein riesiger Schritt. Die Erkenntnis lautet meis- tens: „Ich bin zum Spieler geworden und suchte doch nur Glück und Entspannung.“ Bei dem Weg aus der Sucht gilt es, diese Tatsache zu akzeptieren und Antworten auf die Fragen zu finden: „Wer bin ich wirklich? Was will und kann ich er- reichen?“ Nicht nur das Großartige und in einer Scheinwelt, sondern in der Realität, ohne die Flucht in das Glücksspiel. Ist das erste Jahr nach der Therapie geschafft, gelingt es den Betroffenen in der Regel, die Sucht auf Dauer zu überwin- den. Die Abhängigkeit kann dann zu einer Chance werden, das Leben neu zu ordnen, Beziehungen wieder zu pflegen, Hobbys neu zu entdecken und auch im Beruf einen bewuss- Willi Vötter ten Umgang mit Belastungen und Herausforderungen zu Geschäftsbereichsleiter leben. Auch persönlicher Glaube und Spiritualität können Soziale Dienste der Evang. als Geschenk entdeckt werden. Bei Angehörigen kann neu- Stadtmission Freiburg und es Vertrauen entstehen und Glück in einem ganz anderen, Leiter der Suchtberatungs- nicht materiellen Sinn erlebt werden. Dies alles konnte ich stelle Regio-PSB immer wieder in der Begleitung von Glücksspielern erleben. Hilfe ist möglich. // Beratung und Hilfe finden Sie hier: Suchtberatungsstelle Regio-PSB, Lehener Str. 54a, 79106 Freiburg, Telefon: 0761 2858300 Offene Sprechzeiten: Di 16 – 18:45 Uhr, Do 9 - 12 Uhr Angehörigengruppe „Rückenwind“: Di 17:15 Uhr > Weitere Infos: www.regio-psb-freiburg.de vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 23
#thema An der Grenze zwischen Spaß und Ernst Digitale Spiele im Jugendalter – Einordnung, Herausforderung und Chance Menschen spielen. Seit der Jungsteinzeit Spiels, um Ideen auszuprobieren und Erfah- und auf der ganzen Welt. Auch Erwachse- rungen zu sammeln, die auch außerhalb des AleksandarNakic / iStock.com ne. Dennoch denken wir bei Spielen zuerst Spiels relevant werden könnten. Sie setzen an Kinder und Jugendliche. Vermutlich weil sich Ziele, treffen Entscheidungen, handeln Spiele, oder der spielerische Umgang mit kreativ, planen, prüfen und justieren nach, Dingen im Allgemeinen, immer auch ein reagieren auf dynamische Situationen. Ob Testen und Entdecken sind. Gerade Minder- alleine oder gemeinsam: sie lernen etwas jährige nutzen das geschützte Umfeld des über sich und die Welt. Oft mit einem ge- Seite 24 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
wissen Ehrgeiz und kindlicher Freude. gendliche Nutzer/innen. Sie eroberten Spiele lagen somit schon immer an der die neuen virtuellen (Spiel-)Räume Grenze zwischen Spaß und Ernst. Wie für sich, die neben der analogen phy- ernst wir Spiele und Spieler nehmen sischen Realität entstanden. Fanden sollen, wird in unserer Werte- und Gefallen an ihrer Vielfalt und Flexibi- Leistungsgesellschaft immer wieder lität. Meist schneller und umfassender diskutiert: Ist die Barbie-Puppe ein als ihre Eltern und Lehrkräfte, die da- Rollenmodell; der Sheriffrevolver an ““ Fasnacht ein falsches Signal? In dieser schillernden Thematik gibt es keinen Spiele sind Teil der umfassenden Konsens. So werden die Speerspitze, Erprobungsfeld Grenzen meist innerhalb der Famili- und Türöffner für den en ausgehandelt. Manchen Familien fällt dies leichter. Für andere war dies digitalen Massenkonsum.“ bereits in der analogen Welt eine Her- ausforderung. Doch diese analoge Welt durch oft außen vor waren. So konnten verabschiedet sich gerade; und mit ihr Erfahrungswelten, gerade zwischen tradierte Gewissheiten. Pubertierenden und ihren erwach- Denn seit Jahrzehnten gehören gera- senen Bezugspersonen, noch weiter de Spiele zu den Trendsettern, was die auseinander driften, als dies auch in zunehmende Digitalisierung unseres analogen Zeiten schon der Fall war. Die Alltags betrifft. Sie sind Teil der Speer- sich vergrößernde Kluft bot viel Raum spitze, Erprobungsfeld und Türöffner für berechtigte und unberechtigte Sor- für den digitalen Massenkonsum. Es gen, Missverständnisse und Konflikte. begann mit den Telespielen der späten Man kann von Spielen halten was man 70er Jahre, welche nach den Spielhal- möchte. Fest steht, dass die oft kriti- len die Wohnzimmer eroberten. Dann schen und vorwurfsvollen Debatten folgten die Spielecomputer, wie C64 um Onlinespielsucht oder Gewaltdar- und Amiga, in den Jugendzimmern stellungen die großen Trends der letz- der 80er Jahre. In den 90ern kamen ten 15 Jahre nicht stoppen konnten: die vermehrt spieletaugliche PCs und trag- Umsätze stiegen; die Zahl der Nutzer/ bare Spielkonsolen wie der Gameboy innen ebenso, das Einstiegsalter sank, hinzu. Dazu noch das Internet, das Mediennutzungszeiten nahmen zu, In- zunehmend Möglichkeiten zum ver- halte wurden realistischer und vielfälti- netzten Spielen bot. Gerade Smartpho- ger, die Geräte leistungsfähiger, mobiler ne-Apps griffen das später auf. Immer und schwerer kontrollierbar. Dadurch leistungsfähiger wurde die Hardware. wuchsen, auch für minderjährige Nut- Immer beeindruckender die Software. zer die Möglichkeiten, ihren Konsum zu Auch, weil Spieler bereit waren, für großen Teilen selbst zu gestalten. Inzwi- jede Verbesserung ihres Spielerlebnis- schen dürfte klar sein, dass nachhaltige ses tief in die Tasche zu greifen. Lösungen nur mit den Spieler/innen ge- Und immer dicht am Puls der Zeit: ju- funden werden können. Nicht gegen sie. >> vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 25
#thema An der Grenze zwischen Spaß und Ernst >> Begleiter an die Seite stellen Die Digitalisierung schreitet rasch voran. Denn eigentlich braucht es diese Lö- In immer mehr Lebensbereichen wird sie sungen wie eh und je. Zu viele Minder- zu einem dominierenden Thema, ohne jährige sind technisch findig, aber ent- das es bisher einen umfassenden ge- wickeln dennoch keine solide mediale sellschaftlichen Ansatz gibt, Kinder und Expertise. Sie können viel, besitzen aber Jugendliche auf diese Welt von Morgen nicht immer die Reife, auch gut mit ih- vorzubereiten. Wer elektronische Spiele ren Möglichkeiten umzugehen. Es wäre und Soziale Medien konsumiert, kommt gut, ihnen Begleiter an die Seite zu stel- – trotz aller unbestreitbarer Risiken – len, welche die Jugendlichen auch zumindest mit vielen Mechanismen akzeptieren können, weil sie sich und Themen in Kontakt, die unsere Zu- von diesen akzeptiert fühlen. Be- kunft prägen werden. Das ist nicht viel. gleiter, die eine echte offene Neugier Nur eine Behelfsbrücke in das Morgen. für die medialen Wahrnehmungen Doch immerhin. Vielleicht sollten wir sie und Bedürfnisse der Spieler/innen eher stabilisieren als einreißen, solange zeigen, bevor kritisch hinterfragt wir keine besseren Alternativen im An- wird. Gerade dann, wenn diesen Be- gebot haben. Wenn wir also die Spiele gleitern vieles fremd und seltsam zum Anlass nehmen, uns mehr Gedan- Dipl.- Psychologe erscheint. Begleiter, die auch mal ken über unsere Zukunft zu machen und Andreas Sieburg mitspielen und Werturteile nur sehr darüber, wie wir Kinder und Jugendliche Schulpsychologe am Zen dosiert einsetzen. Dies alles kann die begleiten können, die teilweise ein an- trum für Schulqualität und Chance erhöhen, dass Spieler/innen deres Rüstzeug benötigen als wir selbst, Lehrerbildung, Regional- sich öffnen und einen reflektierten dann steckt in dem Thema nicht nur eine stelle Freiburg/ Schulpsy- maßvollen Konsum entwickeln, statt große Herausforderung, sondern auch chologische Beratungsstelle sich tiefer und tiefer ins mediale Di- eine große Chance. Für alle von uns. Wir Freiburg ckicht zurückzuziehen. sollten sie gemeinsam nutzen. Mit spie- lerischem Ernst. // Weiterführende Informationen > Verlässliche und aktuelle Zahlen zum Medienkonsum von Kinder und Jugendlichen bietet die Inter- netseite mpfs.de. > Differenzierte und teils mehrsprachige Materialien für Eltern, Kinder und Pädagogen finden Interes- sierte unter klicksafe.de. > Das Konzept der „Spielsucht“ wird weiterhin vielschichtig diskutiert. Die Initiative „Kindermedien- land“ des Landes Baden-Württemberg bietet Orientierung: kindermedienland-bw.de/de/startseite/be- ratung/schwerpunkte/computerspielsucht-bei-kindern. > Unangemessener Spielkonsum kann sowohl Ursache wie auch Folge unterschiedlicher Schwierig- keiten sein. Je nach Situation können kommunale oder kirchlich getragene Familien- und Suchtbera- tungsstellen als Ansprechpartner fungieren. Ein spezifisches Angebot für junge Spieler/innen und deren Umfeld bietet in Freiburg auch level-6.net. Seite 26 vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt
#thema Begegnung beim Brettspiel Das „Freispiel“ in Freiburg kombiniert Spieleladen und Café Café ein zweites Standbein – ein No- vum in Deutschland. „Spielecafés fin- det man deutschlandweit inzwischen vier oder fünf. Aber die Kombination aus Spieleladen und Café ist einmalig“, erzählt Högner. Mittlerweile haben sich Stammtische für verschiedene Spiele gebildet, und seit kurzem lädt das Freispiel auch einmal monatlich zum offenen Spieleabend ein. „Hier kann auch hinkommen, wer neu in der Stadt ist, gerne spielt und noch nie- Im Verkaufsraum des „Freispiel“ im Freiburger Stadtteil manden kennt.“ Stühlinger stapeln sich die Brettspiele in den Regalen. Nur Was fasziniert Menschen im Zeitalter wenige Meter weiter sitzen kleine Gruppen von Gästen an der digitalen Spiele noch an Karten, Holztischen, vor sich ein Würfelspiel oder Spielkarten. Sie Würfeln und Spielbrettern? „Ich sehe probieren bei Kaffee oder kalten Getränken Spiele aus, die im da einen Gegentrend. Den Leuten fehlt Laden angeboten werden. Bei Bedarf lassen sie sich beraten die direkte Kommunikation. Hier sitzt – etwa von Florian Högner, einem der Gründer des Spiele- man zusammen am Tisch, die Begeg- geschäfts. Er bezeichnet sich selbst als „leidenschaftlichen nung gehört zum Unterhaltungsfaktor Spieler“ und hat mit der Eröffnung des „Freispiel“ sein Hobby dazu.“ In eine andere Welt eintauchen zum Beruf gemacht. und den Alltag vergessen könne man Eine fundierte Beratung ist Högner und seinem Mitinhaber dabei auch: „Ich höre immer wieder, Thomas Krohn wichtig: „Wir bieten nur Spiele an, die wir dass Gäste sagen: ‚Huch, jetzt sind vorher selbst ausprobiert und die uns überzeugt haben.“ Wel- schon wieder zwei Stunden rum!‘ Sie che Spiele sind denn bei der Kundschaft besonders beliebt? merken beim Spielen nicht, wie die Zeit „Zum einen die Klassiker wie Siedler. Aber es kommen auch vergeht.“ // immer wieder neue Trends auf. Zurzeit sind es Geschicklich- keits- und Bauspiele, außerdem kooperative Spiele, bei denen alle zusammenarbeiten, und Escape-Room-Spiele.“ Weil Spiele vor allem in der Vorweihnachtszeit gekauft wer- den, schufen sich Högner und Krohn mit dem zugehörigen vonWegen 2/19 – Thema: Verspielt Seite 27
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