Vorwärts nach weit - B.I.T. online
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Münch BIBLIOTHEKSKONGRESS LEIPZIG 271 Vorwärts nach weit. Bericht vom 8. Bibliothekskongress #FreiräumeSchaffen, zugleich 110. Bibliothekartag (dessen geschlechtsspezifischer Name in Leipzig ein für allemal beerdigt wurde). Vera Münch Wir entschuldigen uns bei den Veranstaltenden des 111. Bibliothek(?)tages1 2023, dass wir ihr Motto bereits jetzt gekapert haben. Aber besser als der 1887 in Hannover geborene Kurt Schwitters2 es auf den Punkt gebracht hat, lassen sich die aktuellen Bestrebungen der Bibliothekswelt nicht beschreiben. Bibliotheken sind im Umbruch, in der Transformation, in Bewegung. Aus der Wissenschaft und Forschung wie aus der Zivilgesellschaft erwachsen neue Aufgaben, die sich vor zwanzig Jahren niemand hätte vorstellen können. Die Bibliotheken machen sich die Herausforderungen zu eigen und sind aufgebrochen „vorwärts nach weit“. Nach Schwitters Auseinandersetzung mit dem Hannoverschen Stadtnamen heißt das: Die Bibliothekswelt strebt vorwärts, und zwar ins Unermeßliche. Der diesjährige 8. Bibliothekskongress /110. Bibliothek(?)tag knüpfte mit seinem Motto #FreiräumeSchaffen an das schöne Leitmotiv „Leipzig – Freiraum für Bildung“ an, das die Stadt ihrem Themenjahr 2022 gegeben hat. 204 Veranstaltungen thematisierten aktuelle und zukünftige Aufgaben, Ideen, und Vorhaben, die Bibliotheken zu Lern-, Arbeits-, Spiel-, Diskussions- und sogar Zufluchtsorten für ein paar ruhige Stunden machen. Auf dem BIB OPUS Publikationsserver3 gibt es, so weit von den Verantwortlichen bereitgestellt, zu vielen Vorträgen Abstracts, Vortragsfolien und weitere Informationen. b.i.t.online begleitete den Kongress mit täglichen KongressNews4, die online dauerhaft verfügbar sind. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bibliothekartage wurden ausgewählte Veranstaltungen auch im Videostream live übertragen. Für den Zugang brauchte man aber eine Kongressanmeldung. 1 Die Entscheidung, dass der Name geändert wird, wurde in der Abschlussveranstaltung bekanntgegeben, der neue Name allerdings noch nicht. Bis zum Redaktions- schluss am 10.6.2022 war er nicht veröffentlicht. 2 https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Schwitters 3 https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/solrsearch/index/search/start/0/rows/20/sortfield/score/sortorder/desc/searchtype/simple/query/Bibliothekskongress+2022 4 https://b-i-t-online.de/daten/kn.php www.b-i-t-online.de 25 (2022) Nr. 3 online Bibliothek. Information. Technologie.
272 BIBLIOTHEKSKONGRESS LEIPZIG Münch Münch ❱ Bibliotheken positionieren sich als Lern-, Arbeits-, Präsidentin des Dachverbandes „Bibliothek und Infor- Spiel- und Diskussionsorte. Sie wollen Freiraum für mation Deutschland“ (BID), in ihrem Grußwort in den die Stärkung der Demokratie bieten, richten „drit- b.i.t.online-KongressNews. Bibliotheken zu verbinden, te“ und „vierte“ Orte für zivilgesellschaftlichen Dis- auch über Sparten hinweg, Länder zu verbinden und kurs und gesellschaftliche Aktivitäten ein. Öffentliche #FreiräumeSchaffen für das Angebot und die Arbeit Bibliotheken vermitteln Lese-, Sprach-, Digital- und der Bibliotheken in der Gesellschaft bezeichnete sie Informationskompetenz vom Vorschulalter bis zur als einen Programmschwerpunkt. Auf dem Kongress gelte es herauszufinden, wie Bibliotheken heute agie- ren und vielleicht auch, auf welche Fragen noch Ant- worten gefunden werden müssten. „So unterschied- lich wissenschaftliche und Öffentliche Bibliotheken im Alltag agieren, sie sind durch ihren Kern, das Be- wahren und zugänglich Machen von Wissen miteinan- der verbunden“, erklärte Homilius und erinnerte dar- an, dass dieses Ideal nicht neu ist, indem sie Richard Ovenden aus seinem Buch „Bedrohte Bücher“6 zitier- te: „Orte zur Aufbewahrung von Wissen standen von Anfang an im Zentrum der Entwicklung von Gesell- schaften. Obwohl sich die Techniken der Erzeugung und Bewahrung von Wissen radikal gewandelt haben, BID-Präsidentin Sabine Homilius (Mitte) mit Anke Berghaus-Sprengel, Vorsitzen- de des VDB und Volker Heller, Vorsitzender des dbv bei der P ressekonferenz haben sich die Kernfunktionen dieser Orte erstaun- lich wenig verändert“. Senior:innengeneration, begeistern mit Makerspaces und als Impulsgeber für ländliche Räume und wollen Zwischen Wesenskern und jetzt auch noch gesellschaftspolitisch stärker mitwir- Herausforderungen ken. Die wissenschaftlichen Bibliotheken bringen sich Die Breite der Aufgaben, Ideen und Herausforderun- mit ihren Kompetenzen im Daten-, Informations- und gen, die auf der ersten großen Fortbildungsveranstal- Publikationsmanagement sowie im digitalen Publizie- tung seit Beginn der Pandemie behandelt wurden, ren im Netz als Partner aktiv in die Wissenschaft und gingen meilenweit über das bibliothekarische Kernge- Forschung ein. „New Work“, „New Services“, „Parti- schäft hinaus. Man kann sie nur noch in einer Aufzäh- zipation“, „Co-Creation“, „Data Literacy“, „Open Ac- lung zusammenfassen – und diese wird unvollständig cess“, „Open Science“, „Forschungsdatenmanage- sein und bleiben, denn das Berufsbild wandelt sich in ment“ und „Nationale Forschungsdateninfrastruktur, atemberaubendem Tempo. In den Veranstaltungen in kurz NFDI“ sind nur einige Stichworte aus dem ins- Leipzig ging es um die Digitalisierung aller Arbeitsbe- gesamt stark fragmentierten Programm5 des 8. Bi- reiche und -abläufe und die Auswirkungen der tech- bliothekskongresses. Der Wandel des Berufsbildes nologischen Veränderungen auf das gesamte Me- macht die Ausbildung und Gewinnung qualifizierter dienmanagement und die bibliothekarischen Arbeits- Arbeitskräfte im Wettbewerb mit der Wirtschaft zu ei- formen. Einen zweiten großen Themenblock füllte die nem brisanten Thema. In Leipzig wurde das in zahlrei- pandemiebedingte Neuorganisation der Arbeit und chen Veranstaltungen adressiert und sichtbar in neu- der Kundenservices. Zahlreiche Veranstaltungen be- en Berufsbezeichnungen wie „Data Librarian“, „Data fassten sich mit den durch „Open Access“ und „Open Steward“, „Liaison Librarian“ und „Digital Scholarship Science“ aufgeworfenen Fragen wie strukturierter Services“ als neuen Dienstleistungen der Bibliothe- Medienauswahl, Erwerbungs- und Bezahlmodellen. ken. Vielfach diskutiert wurden Ansätze, Methoden und Beispiele zur Aufstellung der wissenschaftlichen Bib- Unveränderte Kernfunktion: liotheken als partnerschaftliche, in die wissenschaft- Ort zur Aufbewahrung von Wissen lichen Prozesse integrierte Dienstleister, die Lehren- „Mit Neugier und Tatkraft, mit Kreativität und Flexibi- de und Forschende beim Publizieren unterstützen lität positionieren sich Bibliotheken als wichtige Play- und sie für den Umgang mit ihren Forschungsdaten er der digitalen Gesellschaft“, so Dr. Sabine Homilius, qualifizieren. Annette Strauch-Davey, an der Univer- 5 https://www.bid-kongress-leipzig.de/index.php?id=14 6 https://www.suhrkamp.de/buch/richard-ovenden-bedrohte-buecher-t-9783518430071 online 25 (2022) Nr. 3 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Münch BIBLIOTHEKSKONGRESS LEIPZIG 273 und Fachreferenten statt. Mersmann ist in der Biblio- thek der TU Braunschweig zuständig für Forschungs- datenmanagement und Bibliometrie, Grunwald-Eck- hardt als wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Pro- jekt Forschungsdaten-Repositorium verantwortlich. Der Preis wird vom Verlag De Gruyter, Herausgebe- rinnen und Herausgebern der Zeitschrift BIBLIOTHEK Forschung und Praxis und Vertreterinnen und Ver- tretern des Netzwerks Zukunftswerkstatt Kultur- und Wissensvermittlung8 verliehen. Schwerpunktthema Personal in Bibliotheken Dr. Jana Mersmann, TU Braunschweig Zum Thema Personal in Bibliotheken wurden in Leip- zig mehr Fragen aufgeworfen und behandelt, als je sität Hildesheim zuständig für das Forschungsdaten- zuvor. Wie gewinnt man im Wettbewerb mit der Wirt- management (FDM), hat sich die Podiumsdiskussion schaft, die oft besser bezahlen kann als der Öffentli- „Strategische Portfolioentwicklung im Bereich for- che Dienst, qualifiziertes Personal für die neuen Auf- schungsnaher Dienste“ angehört und an dem von der gaben? Wie können Aus- und Weiterbildung, Studium, Kommission für forschungsnahe Dienste des Vereins Schulungen und Zertifikatskurse gestaltet werden, Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VDB) um junge Menschen für den Beruf zu begeistern und angebotenen Workshop „Operative Umsetzung einer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu qualifizieren – strategischen Portfolioentwicklung“ teilgenommen. und das schnell genug und in ausreichender Menge? Sie berichtete: „Die großen Herausforderungen sind, Zur Deckung des neuen Qualifikationsbedarfs gibt es dass, nach wie vor, mit wenig Personal gute Dienst- schon einige interessante Ausbildungsangebote, die leistungen aufgebaut werden sollen und es überall or- sowohl als eigenständiges Studium, Aufbaustudium ganisatorische Probleme gibt“. In den Gesprächen an oder berufsbegleitende Kurse angeboten werden, so- den Thementischen des Workshops mit Teilnehmen- wohl für die neuen Aufgaben in den Öffentlichen Bi- den aus Universitätsbibliotheken und Forschungsins- bliotheken, als auch in den wissenschaftlichen. „Es tituten sei deutlich formuliert worden, dass viele for- gilt, ein Set an Kompetenzen zu entwickeln und zu schungsnahe Dienste oft noch nicht im Alltag von Bi- beherrschen“, sagt Professor Dr. Ursula Georgy, Lei- bliotheken angekommen sind, weil das Geld fehle und terin des ZBIW – Zentrum für Bibliotheks- und Infor- es kein Personal zur Betreuung gäbe. Die Fachleute mationswissenschaftliche Weiterbildung der TH Köln, sind sich nach Aussage von Strauch-Davey einig: Da- und gibt zu bedenken: „Bevor die Studierenden dem mit Unterstützungsangebote nachhaltig angeboten Personalmarkt zugeführt werden können, müssen sie werden können, müssten sie in der bestehenden In- erst einmal ihren Abschluss haben. Das dauert. Des- frastruktur fest verankert werden. Der Biotechnolo- halb brauchen wir verschiedene Angebote“. In ihrem gin Dr. Jana Mersmann und die Klimatologin Dr. Lau- Beitrag „Aktuelle Wege zum Data Librarian“9 in den ra Grunwald-Eckhardt ist das bereits gelungen. Aus KongressNews (Ausgabe 1, 31.05.2022, S. 10/11) der Universitätsbibliothek heraus stellen sie für die gibt sie einen Überblick über Themenfelder und mög- Promovierenden der Technischen Universität Braun- liche Einsatzbereiche für das junge Arbeitsplatzprofil schweig ein innovatives, modulares Kursangebot zum „Data Librarian“, beschreibt verschiedene Möglich- Erwerb von FDM-Kompetenzen bereit. Ihr Konzept keiten, sich zu qualifizieren und geht auf die aktuellen „FDM-Sprint“7 wurde in Leipzig mit dem Preis „Zu- Herausforderungen ein. Ihr Kollege an der TU Köln, kunftsgestalter in Bibliotheken 2022“ ausgezeichnet. Professor Dr. Konrad Förstner, Leiter des Programm- Bei ihrem Angebot „Im Sprint aus dem Datendschun- bereichs Data Science and Services ZB MED – Infor- gel – Hands-on für Promovierende zum Forschungs- mationszentrum Lebenswissenschaften, präsentier- datenmanagement“ werden nicht nur Promovierende te im Programmblock „Data Literacy“ in Leipzig den im FDM fit gemacht, sondern es findet gleichzeitig ein mit Georgy ausgearbeiteten gleichnamigen Vortrag. breiter Kompetenzaufbau bei den Fachreferentinnen Unsere Autorin Helga Bergmann berichtet unter der 7 https://bausteine-fdm.de/article/download/8356/8243/18773 8 https://zukunftswerkstatt.wordpress.com/uber-uns/ 9 Ein ausführlicher Fachbeitrag von Konrad Förstner, Ursula Georgy und Ragna Seidler-de-Alwis zum Thema „Wege zum Data Librarian“ erscheint in b.i.t.online 25 (2022) Nr. 4 www.b-i-t-online.de 25 (2022) Nr. 3 online Bibliothek. Information. Technologie.
274 BIBLIOTHEKSKONGRESS LEIPZIG Münch Überschrift „Data Literacy – die Bibliothek als daten- übergreifenden Normalität beflügelt, die uns im digi- getriebene Einrichtung“ in den Kongress-Splittern zu talen Zeitalter über die Häuser hinaus stärkt“. dieser Reportage mehr über die Sitzung. Neue Kur- se und Studienmodule zur Bibliothekspädagogik10 Die Bibliothek als Plattform der und zum Kulturmarketing11 hat die Hochschule der Bürgergesellschaft Medien (HdM) in Stuttgart im Angebot. Wie Bibliotheken im Umfeld von Fake News, Hate Speech und der sich weiter öffnenden Schere zwi- Arbeitsplatzphilosophie „New Work“ schen arm und reich zur Stärkung der Demokratie Sehr gefragt waren (und sind) Personalmanagement- beitragen, Demokratiebewusstsein fördern und Digi- konzepte nach der Pandemie, etwa zur Frage, wie tal- und Informationskompetenz vermitteln können, man mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgeht, war ein weiteres gewichtiges Kongressthema, über- die nach den Pandemiebeschränkungen neue, viel- wiegend natürlich in den Sitzungen für die Öffentli- fach sehr individuelle Vorstellungen zur Arbeitsplatz- chen Bibliotheken, die sich hier nach Ansicht von Ver- gestaltung und Leistungserbringung zwischen Home- bänden und Fachleuten stärker einbringen können office und Büropräsenz entwickelt haben – und was und müssen. man ihnen anbieten kann, Stichwort: „New Work“. Ton van Vlimmeren, Präsident von EBLIDA (Europäi- „New Work ist mehr als nur ein Arbeitsplatzkonzept“, scher Dachverband der Berufs- und Institutionenver- so Susanne Oehlschläger, Strategische Entwicklun- bände im Bereich des Bibliotheks-, Archiv- und Do- gen und Kommunikation bei der Deutschen National- kumentationswesens) warnte in Leipzig, die Welt sei bibliothek (DNB). „New Work ist eine Arbeitsplatzphi- nicht nur durch die Klimakrise gefährdet, sondern losophie, die sich auf viele Aspekte bezieht und auch auch durch „Bedrohungen der Demokratie, die ei- ein neues Führungsverständnis mit einschließt, bei ne gleichberechtigte Aufmerksamkeit und dringend dem Delegation, Eigenverantwortung, Motivation und Maßnahmen erfordern“. Er ist überzeugt, Bibliothe- Vertrauen noch stärker in den Vordergrund rücken als ken können viel zur Stärkung der Demokratie tun und bisher“. hat dazu u.a. den Fachartikel „Bibliotheken für eine in- Wie sich die DNB den radikal veränderten Bedin- klusive Demokratie“12 veröffentlicht. Die Kernthesen gungen schon während der Pandemie gestellt und daraus präsentierte und diskutierte er auf dem Bib- dabei „aus der Not eine Tugend“ gemacht hat, be- liothekskongress auf mehreren Podien und in einem schreibt Oehlschläger in ihrem Beitrag „Was bleibt? Hands-on-Lab mit dem Fachpublikum. New Services. New Work.“ (KongressNews Ausgabe 1, 31.05.2022, S. 6). „Wir haben neue Kommunika tionsformen gefunden und uns eine vielbeschworene ‚neue Normalität‘ erarbeitet“ (…) „Einige Errungen- schaften aus der Krisenzeit werden wir dauerhaft bei- behalten“. Im Handlungsfeld „Die lernende Organisa- tion weiterentwickeln“ der „Strategischen Prioritäten 2021 – 2024“ der DNB sei die Entwicklung und Um- setzung eines New-Work-Arbeitsplatzkonzepts eines der wichtigen Ziele. Im Augenblick werde beispiels- weise gerade die „Dienstvereinbarung zu mobilen Ar- beitsformen“ der DNB in eine dauerhafte und planvoll Volker Heller macht sich für eine aktive Demokratieför- strukturierte Form gebracht. DNB-Generaldirektor derung stark Frank Scholze moderierte in Leipzig die gut besuch- te Podiumsdiskussion „Was bleibt? – New Work“. Im Volker Heller hofft, „die Bibliothek als Plattform für Interview sagte Scholze, Corona habe auch gute Ent- die Bürgergesellschaft“ etablieren zu können, denn, wicklungen befördert. Vor der Pandemie hätte es zwi- so der Bundesvorsitzende des Deutschen Bibliotheks- schen den beiden Standorten der DNB in Anbetracht verbandes e.V. (dbv) bei der Pressekonferenz in Leip- der Geschichte eine gewisse Diskrepanz gegeben. Im zig: „Die demokratische Gesellschaft ist der Boden, gemeinsamen virtuellen Raum spiele das keine Rol- auf dem wir uns als Bibliotheken bewegen“. Demokra- le mehr. „Hier hat die Pandemie eine neue standort- tie brauche faktenorientierte Diskurse und Begegnun- 10 https://www.hdm-weiterbildung.de/zertifikatskurse/cas-bibliothekspaedagogik 11 https://www.hdm-weiterbildung.de/berufsbegleitendes-kontaktstudium/bibliotheks-und-informationsmanagement 12 https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bfp-2021-0076/html online 25 (2022) Nr. 3 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Münch BIBLIOTHEKSKONGRESS LEIPZIG 275 gen in zivilisierter Atmosphäre. Bibliotheken mit ihrem großen und diversen Publikum könnten da ein wichti- ger Akteur sein. Gefragt, wer das in den Bibliotheken leisten soll, sagte er: „Ich bin nicht sicher, ob all un- sere Angebote immer von unseren Mitarbeiter*innen entwickelt und geleitet werden müssen. Kompetenz kann hierfür auch in guter Partnerschaft von anderen Akteuren beigesteuert werden“. Die Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB), deren Vorstand und Generaldirektor Heller ist, verfolge hier einen Community-orientierten Ansatz, wo sie die Angebote mit Initiativen aus der Stadt und den Besucher*innen gemeinsam entwickeln wolle. Zugleich müssten na- türlich sicher auch eigene Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter für diese Art von Bibliotheksarbeit weiterqua- lifiziert werden. Partizipation, Co-Creation, Offene Gesellschaftliche Innovation Womit wir bei den Themen Partizipation, Co-Creation, Citizen Science und Diversität wären. Zur Diversitäts- orientierung mehr im nächsten Abschnitt. Partizipation, Co-Creation und Citizen Science be- zeichnen die inklusive Beteiligung und Teilhabe von Forschenden sowie Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung bibliothekarischer Services sowie der ak- tiven Teilnahme an deren Produktivbetrieb. Zu Partizi- gen, haben wir schon die wesentlichen Schritte ge- pation und Co-Creation im Wissenschaftsbetrieb gab tan“. Zentral sei, durch die gestalterischen Eingriffe es in der bereits erwähnten Session „Data Literacy“, ‚Räume der Ermöglichung‘ zu schaffen und nicht, wie die in den Kongress-Splittern im Anschluss zusam- es im traditionellen Bibliotheksbau der Fall sei, Räu- mengefasst ist, mehrere beeindruckende Beispiele. me der Lenkung und Steuerung. In der Diskussion zu Wie Partizipation zur Planung und Auslegung von Bib- seinem Vortrag interessierten sich die Zuhörerinnen liotheksräumen genutzt werden kann, erläuterte Olaf und Zuhörer vor allem dafür, wie das Konzept „Offe- Eigenbrodt, Stellvertretender Direktor Bibliotheks- ne Gesellschaftliche Innovation“ konkret angewandt systeme und Benutzungsdienste für Bau und Sicher- werden kann, wie hoch der möglichen Grad der Par- heit bei der Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) tizipation bei einem solchen Projekt sein kann und Hamburg, im Vortrag „Bibliotheksraum neu denken – sie wollten erfahren, wie die SUB Hamburg die am Vorschlag für eine neue Typologie wissenschaftlicher partizipativen Prozess Mitarbeitenden in das Projekt Bibliotheken“. Im Raumentwicklungsprojekt #Wis- #WissenBauen2025 einbezogen hat. senBauen2025 hat die SUB in einem offenen Dis- kussionsprozess Fachleute und andere Interessierte Nein, die Themen sind noch nicht zu Ende in die Gestaltung wissenschaftlicher Bibliotheksräu- Diversitätsorientierte Organisationsentwicklung spielt me einbezogen. Im Mittelpunkt von Eigenbrodts Vor- in Öffentlichen Bibliotheken gerade eine große Rolle. schlags für die neue Typologie stehen dynamische Bi- Das Organisationsthema „Bunt reicht nicht: Diversi- bliotheksräume, orientiert an den Bewegungen und tät als Selbstverständnis“ füllte den Vortragsraum Begegnungen im Raum. Auf die Frage, ob er glaube, im Messehaus „reich und bunt“, wie unsere Autorin dass sich dynamische Bibliotheksräume im Alltagsbe- Ulrike Holtkamp in ihrer Titelstory für die Kongress- trieb wirklich realisieren lassen antwortete er im Inter- News, Ausgabe 3, berichtete. Die Bibliotheken werden view mit den KongressNews (Ausgabe 2, 01.06.2022, bei ihrer diversitätsorientierten Organisationsentwick- S. 4): „Wenn wir den Mut haben, die gewohnte Sicht- lung von der Kulturstiftung des Bundes mit dem Pro- weisen auf die Bibliothek als Raum zu verlassen und gramm „360° - Fonds für Kulturen der neuen Stadt- uns die Perspektive derjenigen zu eigen machen, gesellschaft“ unterstützt. Stichworte sind Migration, die die Räume nutzen und durch ihre Nutzung prä- kulturelle Vielfalt, neue Zugänge und Sichtbarkeiten www.b-i-t-online.de 25 (2022) Nr. 3 online Bibliothek. Information. Technologie.
276 BIBLIOTHEKSKONGRESS LEIPZIG Münch Der Zorn nach dem zweiten Kongresstag Susanne Göttker ❱ Am Abend des zweiten Kongresstages platzte mir die Hut- schnur, so dass ich mich zu einem Thread auf Twitter hinreißen ließ1. Der Zorn ist mittlerweile natürlich wieder verraucht. Zu- rück bleibt das schale Gefühl, dass es für die Bibliotheken zu- nehmend schwieriger wird, den sich ständig weiter diversifizie- renden Interessen und Bedarfen der Nutzer*innen gerecht zu werden. Das Gefühl, dass an allen Ecken und Enden an der zu kurzen Decke gezogen wird. So wie der letzte Satz dasteht, scheint er nichts weiter als ein Allgemeinplatz zu sein. Dennoch: dieses Gefühl war noch nie so stark wie auf diesem Bibliothekskongress. Das rührt daher, dass ich erstmals auch den von mir als solchen empfundenen „Markenkern“ von Bibliotheken bedroht sah, nämlich die Bib- liothek als sammelnde, kuratierende Einrichtung. Informations- medien jedweder Art (ja, auch Bücher!), sei es in gedruckter oder elektronischer Form, sei es bezahlt oder als Open-Access- Publikation. cess muss auf der ganzen Welt finanzierbar sein. Es wurde aber Da war da die Podiumsdiskussion „Die wissenschaftliche Bi- auch so manches gesagt, was – zum Teil später – relativiert bliothek im Post-Open Access-Zeitalter“. Dieser Titel machte wurde: die Recherche in Google Scholar, im DOAB, DOAJ und mich neugierig. Was soll das sein, das „Post-Open Access-Zeit- Research Gate wird geschult, aber nicht im Katalog; das Print- alter“? Bisher kannte ich den Begriff „Postfaktisches Zeitalter“, buch muss aus dem bibliothekarischen Fokus raus; der Kata- ein Zeitalter, in dem Fakten nicht mehr im Mittelpunkt stehen. log wird ohnehin nur noch von Bibliothekar*innen genutzt. War- Sollte es hier also um ein Zeitalter gehen, in dem Open Ac- um? Warum wird nicht die Recherche im Bibliothekskatalog ge- cess nicht mehr im zentralen Interesse steht? Ich wurde eines schult? Ist der peinlich? Wir geben uns doch alle sehr viel Mühe Besseren belehrt. Als „Post-Open Access-Zeitalter“ wurde die damit, integrieren all die vorgenannten Nachweisinstrumente Zeit benannt, in der alles Publizierte (ja, alles!) Open Access und viele mehr in den Discovery Service, katalogisieren OA-Pu- ist, die Transformation also abgeschlossen ist. Wenn es je ei- blikationen, die in unsere Sammlungen passen, vergeben dafür nes weiteren Beweises bedurft hätte, dass wir tatsächlich im Schlagwörter; und das soll alles der Schulung nicht wert sein? postfaktischen Zeitalter leben, dann wäre er hiermit erbracht. Das Metadatenmanagement war in meinen Augen bisher ei- Während der Podiumsdiskussion wurde vieles gesagt, das gut ne feste Größe auf der Habenseite von Skills der Bibliotheken. und richtig ist: Datentracking muss weg, Wissenschaftsbewer- Zugegeben, diese Skills sind weniger auf die STM-Fächer zuge- tung muss auf anderen Wegen geschehen als bisher, Open Ac- schnitten, die aber im Open-Access-Transformationsbusiness 1 https://twitter.com/SusanneGoettker/status/1532035963261689857?s=20&t=Ti4pi6C6xsL_eh-NTpO5BQ für alle Gruppen der Gesellschaft, diversitätsbezoge- malerweise nur durch und über einen Server zum ne Öffnung in den Bereichen Programm, Publikum und Spielen verbunden. Die Gamebrarians luden im #Frei- Personal. raum22 zum Kennenlernen ein und konnten laut ihrer Die Themensinfonie des 8. Bibliothekskongresses ist Tweets den oder die eine oder andere Interessent:in damit aber noch immer nicht zu Ende. Smarte Biblio- adoptieren. theken, agiles Management, die Bibliothek der Dinge, Sie können noch? Dann erlauben Sie bitte zunächst der Einsatz von Robotern in Bibliotheken und E-Sports die Frage: Wissen Sie, was UX ist? Gut. Ich wusste standen ebenso auf dem Programm wie die junge bi- es nicht. Ich musste nachsehen und habe gelernt: bliothekarische Community der Gamebrarians13, nor- UX kommt aus der neoterischen Marketingsprache, 13 https://av.tib.eu/media/56167 online 25 (2022) Nr. 3 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Münch BIBLIOTHEKSKONGRESS LEIPZIG 277 den höchsten Umsatz machen, daher Susanne Göttker vom Dezernat 2 Medien- auch die größte Aufmerksamkeit erfah- bearbeitung der Universitätsbibliothek der FernUniversität in Hagen ren. Dass es jenseits von STM noch Fä- cher gibt, für die allein schon das eben zur Portfolioentwicklung auf die Beine genannte bibliothekarische Know-how zu stellen, die sich an den Bedarfen die- wertvoll ist und für die Bücher (egal ob ser Gruppen orientiert. Hier muss nun gedruckt oder als E-Book) reale Arbeits- aber doch erst recht vorsichtig vorge- mittel sind, gerät anscheinend sogar auf gangen werden, damit nicht alte Servi- einer bibliothekarischen Fachtagung aus ces wie zum Beispiel der Bucherwerb ab- den Augen. geschafft werden, nur weil sie alt sind. Am Vortag gab es bereits eine Podi- Und vermutlich hat jede Gruppe von For- umsdiskussion „Strategische Port- schenden oder jede Disziplin eigene Vor- folioentwicklung im Bereich for- stellungen davon, was für sie exzellente schungsnaher Dienste“, die ich lei- Services sind. Kurz: Was für die einen ex- der nicht besuchen konnte. Jedoch zellente Services sind, ist für die anderen war mir dazu der Tweet mit dem Text unbrauchbar. Die Exzellenz beweist sich „[Achim Bonte] kritisiert das Mittelmaß in Bibliotheken: ent- vor Ort oder virtuell ausgedrückt an der Fokusgruppe. weder man bietet exzellente Services oder lässt es blei- Abseits der Vorträge habe ich mich sehr gern mit Open-Ac- ben.“ aufgefallen2. Ein anderer Tweet zitiert Achim Bonte cess-Aktivist*innen unterhalten, die sich dringend eine Abkehr so: „Bibliotheken müssen sich auf dem Markt behaupten.“3 vom vorherrschenden Weg zur Erreichung von mehr Open Ac- Da habe ich den Verdacht, dass für wissenschaftliche Universal- cess wünschen, der Transformation von Verlagszeitschriften. bibliotheken der Zug zur Entwicklung von Services forschungs- Ihren Ansichten kann ich in weiten Teilen nur zustimmen. Ja, ich naher Dienste für Natur- und Lebenswissenschaftler*innen meine auch, dass wir geradewegs auf eine APC-Krise zusteuern bereits abgefahren ist. Wir beklagen ja nicht erst seit Kur- oder uns bereits darin befinden. Und zwar zusätzlich zur „klas- zem den Locked-In-Effekt, den die Workbenches der größ- sischen“ Zeitschriftenkrise, denn die Bibliotheken wenden ja ten Verlage bzw. Informationsanalysten bieten, damit sich al- auch (noch?) erhebliche Mittel zur Lizenzierung von Zeitschrif- le Stufen des Forschungsprozesses, beginnend bei der In- ten auf. Die Schuld dafür aber wird von manchen „den Biblio- formationsrecherche über die Laborarbeit, Schreiben, Pub- theken“ gegeben: „Ihr habt es ja so gewollt.“ Nein, haben wir lizieren, bis hin zur Wissenschaftskommunikation und Kenn- ganz sicher nicht. zahlenerstellung in ihrem jeweiligen Ökosystem abspielen, Und irgendwann reicht’s dann eben für den Tag mit haltlosen um so an mehr und mehr Daten zu gelangen4. Alle Tools ste- Vorwürfen, mit den Auflistungen der To-dos, bei denen ich nicht hen also schon zur Verfügung und holen die Forschenden weiß, womit das alles zu bewerkstelligen sein soll und mit dem da ab, wo sie sich höchstwahrscheinlich bereits befinden. Infragestellen dessen, was ich bei allem Brimborium, den ich Nun gilt es an den Bibliotheken, zumindest für die Geistes- in den letzten Jahrzehnten habe kommen und gehen sehen, für und vielleicht noch die Sozialwissenschaften eine Strategie gut und richtig halte. 2 https://twitter.com/mrudolf/status/1531635489605926920?s=20&t=m_14TmeiT2lezCLC9i3Eyg 3 https://twitter.com/LuisInANutshell/status/1531630939272622083?s=20&t=mM_PgT_W6SwUhZBHxcveig 4 Vgl.: Siems, R.: Das Lesen der Anderen 2022. In o-bib 9,1 DOI: https://doi.org/10.5282/o-bib/5797 steht für „User Experience“ und meint die Orientie- gen ermittelt hat, mit einem b.i.t.online-Innovations- rung an und Befragung von Nutzerinnen und Nut- preis ausgezeichnet (mehr dazu auf Seite 285). Der zern bei der Entwicklung und Bereitstellung von Be- UX-Roundtable, im Sommer 2021 vom ZBW Leibniz nutzungsdiensten, also ebenfalls Partizipation, nur Informationszentrum Wirtschaft, Hamburg/Kiel ins in einer anderen Organisationsform. Luis Moßbur- Leben gerufen, bot in Leipzig seine erste Arbeitssit- ger, Bibliothekar und Informatiker mit nach eigener zung im physischen Raum an und steuerte zur Ses- Aussage, „einem Herz für User Experience“ wurde in sion „Die Bibliothek als Dienstleisterin: Handlungs- Leipzig für seine Masterarbeit „Analyzing Informati- spielräume strategisch nutzen“ den Vortrag „UX on- on Visualization for Digital Libraries with Harvard’s line – Wie befragt man Nutzer:innen, die nicht vor Collections“, für die er u.a. Meinungen und Erwar- Ort sind?“ bei. tungen der Nutzenden an Informationsvisualisierun- www.b-i-t-online.de 25 (2022) Nr. 3 online Bibliothek. Information. Technologie.
278 BIBLIOTHEKSKONGRESS LEIPZIG Münch I n einer Stellungnahme hat der Dachverband der Institutionen- und Personalverbände des Bib- Kongress über die Arbeit ukraini- scher Bibliotheken während des Krieges zu berichten. In der Ses- formationen bereitzustellen und das kulturelle Erbe der Ukraine zu verteidigen. Anastasiia Litashova liothekswesens, Bibliothek & In- sion „Ukrainian Libraries in War- erinnerte daran, dass bereits 2014 formation Deutschland (BID) den time“, die von Kristin Bäßler, Pres- ihre Bibliothek im Osten des Lan- russischen Angriffskrieg auf die sesprecherin des dbv, moderiert des wegen Angriffen russischer Ukraine verurteilt und kurzfris- wurde, beschrieb Victoriia Polo- Separatisten zweimal evakuiert tig vier ukrainischen Kollegin- va, wie der ukrainische Biblio werden musste. Kateryna Kosyns- nen Gelegenheit gegeben, auf dem theksverband sich dem Versuch ka sprach darüber, wie die Univer- Russlands widersetzt, auch die sitäten in Kriegszeiten ihrem Bil- ukrainische Kultur und Identi- dungsauftrag nachkommen und tät zu vernichten. Der Verband gleichzeitig Schutzraum bieten. unterstützt die Bibliotheken des Sie verköstigen die aus dem Osten Landes, unter schwierigsten Be- des Landes geflüchteten Ukrainer, dingungen und teilweise aus dem versorgen sie mit Kleidung und Homeoffice heraus weiterhin In- dem Nötigsten, was die Flüchtlin- ge zum Leben brauchen. In vielen Bibliotheken des Landes werden ukrainische Soldaten verköstigt und es werden Tarnnetze herge- stellt. Olga Dubova schließlich be- richtete, dass es in der Ukraine insgesamt 847 Bibliotheken für Kinder gibt. Das Bibliotheksange- bot mit Spielen, Lesen und Bas- teln in diesen Bibliotheken muss- te in Kriegszeiten erweitert wer- den: Psycholog:innen arbeiten mit traumatisierten Kindern. https://www.bibliotheksverband.de/ ukraine gibt einen Überblick zu den Hilfsmaßnahmen der deutschen Bibliotheken für die Ukraine. Ist das wichtig oder kann das weg? nagementkommission von dbv und VDB eingeladen Susanne Göttker vom Dezernat 2 Medienbearbei- hatte, um zusammen mit der Bibliothekscommunity tung der Universitätsbibliothek der FernUniversität die Arbeitsschwerpunkte für die aktuelle Amtszeit bis in Hagen platzte am zweiten Kongresstag ob der Er- 2024 zu finden und zu diskutieren. „Ist das wichtig wartungen, Anspruchshaltungen und Forderungen oder kann das weg?“ War eine der ersten Fragen auf an Bibliotheken der Kragen. „Irgendwie macht mich der Flipchart, auf der die Anliegen der Teilnehmenden dieser #bibtag22 zornig“, wetterte die erfahrene Er- gesammelt wurden. In den Kongress-Splittern finden werbungsspezialistin auf Twitter. „Wer definiert denn, Sie mehr über die „Managementthemen im Open was exzellente Services sind? Wie definieren wir, was Space“. alt ist und weg kann?“ und (…) „Was sollen wir Biblio- theken denn noch alles machen?“. In ihrem Beitrag Endlich wieder Menschen treffen! „Der Zorn nach dem zweiten Kongresstag“ (Seite 276) Aber ein Thema gab es dann doch, das den gesam- hat sie für b.i.t.online aufgeschrieben, was sie so ge- ten 8. Bibliothekskongress überstrahlte. Egal wen ärgert hat. man nach dem Eindruck fragte, die Antwort war im- Göttker ist mit ihren Fragen und Gefühlen nicht al- mer gleich: Das Schönste sei gewesen, endlich wie- lein. Das bewies sich beim Open Space „Welche Ma- der Menschen zu treffen, sich mit Kolleginnen und nagementthemen bewegen Sie?“, zu dem die Ma- Kollegen, Kundinnen, Kunden und Geschäftspartnern online 25 (2022) Nr. 3 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Münch BIBLIOTHEKSKONGRESS LEIPZIG 279 endlich wieder von Angesicht zu Angesicht austau- schen zu können. Auch die empfohlenen Schutzmas- ken konnten diese Freude nicht trüben, auch wenn das Erkennen hin und wieder schwerfiel und für so manchen Lacher sorgte. Martin Fischer, Manager Marketing und Kommunikation bei OCLC resümierte: „Die Kundinnen, Kunden und Kollegen nach der lan- gen Zeit wieder persönlich zu treffen, war eindeutig das Beste. Aber auch sonst war dieser Bibliotheks- kongress anders als andere zuvor. Es waren zwar we- niger Besucherinnen und Besucher da als vor der Pan- demie. Aber die Leute, die gekommen sind, hatten wirklich ein gezieltes Interesse oder Anliegen“. Vorwärts nach weit. Aber wohin? Wohin führen all diese Wege die Bi- bliotheken in Zukunft? Zunächst erst einmal nach Sabine Stummeyer lud für das Hannoversche Ortskomitee zum 111. Biblio- Hannover. Dort findet 2023 vom 31.05. – 02.06. das thek(?)tag 2023 in die niedersächsische Landeshauptstadt ein. 111. Fortbildungstreffen der Bibliothekswelt statt. Sa- bine Stummeyer, Informationsmanagerin bei TIB – beit beim Mitteldeutschen Rundfunk, bei der Amazon Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwis- Distribution GmbH oder bei Volkswagen Automobile senschaften, lud für das Hannoversche Ortskomitees Leipzig unter einer gestreamten hybriden Fishbowl zur Teilnahme ein: „Vorwärts nach weit: Hannover des Fail Camp vor? Und ich denke an meinen Opa, blickt kreativ und weltoffen nach vorne“. der sich bei jeder Ausflugsfahrt wunderte: Schau, da Schön wäre, wenn sich dahin wieder Hauptströ- geht’s schon wieder nach Gamping. mungen in der Weiterentwicklung der Bibliotheken Nicht nur Fachfremde oder mein Opa verstehen bei herauskristallisieren würden. Die schwierige Zeit der diesem Kauderwelsch oft nur noch Bahnhof. Auch gut Pandemie, demokratiefeindliche Strömungen und die gebildete Menschen können dieser Sprachverwirrung aktuelle politische Lage haben zur Vielgestaltigkeit ohne klare Begriffsdefinitionen nur noch sehr schwer des Programms in Leipzig ganz sicher sehr viel beige- folgen. tragen. Aber all das, was dort auf der Agenda stand, Babylon lässt grüßen. ❙ werden die Bibliotheken nicht stemmen können. Bibliothekarische Sprachverwirrung Gestatten Sie mir abschließend noch eine persönliche Anmerkung zur Sprachwelt des #BibTag22 mit „Open Library“, „New Work“, „New Services“, „3. Ort“, „4. Ort“, „Citizen Science“, „Co-Creation“, „Game brarians“, „Maker Spaces“, „Fail Camp“, „RFID-DIY“, „Library Carpentry“, „UX“, „Bildungsforschung goes Open Science“ und coolen Veranstaltungsformen wie „First-Timer-Treffen“, „Hands-on Lab“, „Open Space“, „Hybride Fishbowl“, ganz zu schweigen von den Bib- liotheks-IT-Fachtermini, und viel davon bekam man im „Streaming“. Wissensvermittlung ist die älteste Kern- kompetenz von Bibliotheken. Sprache lebt. Sprache verändert sich und Englisch dringt immer tiefer in die Vera Münch deutsche Sprache ein, wogegen nichts einzuwenden ist freie Journalistin mit Schwerpunkt ist, schließlich haben wir uns ja auch an Management Fachinformation und für so gut wie alles gewöhnt und lassen Organisation Wissensvermittlung und Verwaltung als Begriffe verstauben. Aber was Twitter: @observaitress bitte, glauben sie, stellt sich wohl ein Mitreisender in vera-muench@kabelmail.de der Leipziger Straßenbahn auf dem Weg zu seiner Ar- www.b-i-t-online.de 25 (2022) Nr. 3 online Bibliothek. Information. Technologie.
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