Warum hieß der 'Hermes-Andros' des vatikanischen Belvedere "Antinous"?

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Warum hieß der 'Hermes-Andros' des vatikanischen Belvedere "Antinous"?
Peter Gerlach

Seit Ackermans Untersuchung konzentrieren sich Fragen an die Geschichte der antiken Statuen des
vatikanischen Belvedere auf bestimmte Arten ihrer Verwendung nach Fund und Aufstellung im Garten
des Belvederes im 16.Jh. Wie fügten sie sich in das von den jeweilig regierenden Päpsten bestimmte
namensbezogene oder von ihnen vertretene politische Legitimations-Programm ein? Von diesen Fragen
ausgehend wurde erfolgreich, wenn auch noch immer nicht erschöpfend, nach ihrer Funktion für die
Legitimation des Anspruches der regierenden Päpste, Nachfolger der römischen Kaiser zu sein oder der
familienpolitisch orientierten Macht-Repräsentation durch diese bedeutendsten Kunstwerke der Antike
geforscht. Überraschenderweise zeigt sich, daß nirgends die Frage gestellt wurde, ob nicht ebenso
religionspolitische oder theologische Aspekte in der Zeit der beginnenden Gegenreformation und der
brisanten Auseinandersetzung mit der Ausbreitung des Islam in Kleinasien, auf dem Balkan und dem
ersten Vordringen im Süden Italiens einen vielleicht auch nur untergeordneten Aspekt bei der Konzeption
der sich mit jeder Neuaufstellung ändernden Programmatik aufweisen lassen. Das kann hier nun nicht für
das Insgesamt der antiken Statuen vom Apoll von Belvedere bis zum Antinous vom Belvedere nachgeholt
werden. Der vorliegende Versuch führt dies nur ansatzweise für den letzteren vor, der als letztes
prominentes antikes Kunstwerk in diese Sammlung gelangte. (Abb.1)

Ein offenes Problem stellt die langlebige Bezeichnung dieser antiken Statue ebenso dar, wie für ihre
Nachbildungen seit der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Frage nach plausiblen Gründen für die heute
nicht mehr akzeptierte Bezeichnung dieser Statue vom 16. bis zum 19. Jhds. ist in der neueren
Forschung nie gestellt worden, seitdem Visconti 1818 überzeugend dargelegt hatte, daß diese Statue
einen Hermes und keineswegs einen Antinous darstellt. Für die überlieferte Bezeichnung als "Antinous"
war seitdem in den Attributen der Statue keinerlei Evidenz mehr zu finden. Weder die Körpergestik noch
die Physiognomie erscheinen fürderhin für die frühere Entscheidung plausibel.1

Unter welchem Aspekt ist denn nun aber dieser Hermes-Antinous in das Statuen-Ensemble des
vatikanischen Belvedere aufgenommen worden? Welche antiken literarischen Quellen weisen dieser
Statue einen hervorragenden Platz innerhalb der antiken Bildhauerei zu, wie es für die übrigen, früher
erworbenen Statuen des Belvedere in Anspruch genommen werden konnte? Das ist eine zweite offene
Frage und möglicherweise ergibt die Beantwortung der ersten einen Ansatz die zweite zu beantworten.

Seit Michaelis die Hypothese aufstellte - gestützt auf Mercatis Zeugnis - 1543 als Fundjahr anzunehmen
und Papst Paul III. (1534 - 1549) für die Aufstellung verantwortlich zeichnen zu lassen, ist auch dieser
Vorschlag weder in seiner scheinbaren Evidenz überprüft noch gar in Zweifel gezogen worden.2

Michaelis charakterisierte diesen Papst ähnlich wie seinen Vorgänger Clemens VII. als einen "im Geiste
der Renaissance aufgewachsenen" kleinen Greis, der seine Neigung "nur in geringem Maße" dem
Belvedere zuwandte. Die zahlreichen bedeutenden Funde zu seiner Zeit habe er eher seiner Familie und
dem von ihm begonnen Palaste zukommen lassen. Stimmt das so? Und wenn, warum erwirbt dieser aus
Florenz stammende Farnese-Papst in der Zeit der Gegenreformation und der Türkenkriege den Hermes-

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Antinous und läßt ihn an so hervorragender Stelle im Belvedere aufstellen?3

Meine These lautet: Man wußte im 16.Jh. sehr wohl, daß diese Statue einen attributlosen Hermes-Typus
darstellte, der nach den literarischen Quellen unter den bekannten antiken Darstellungen mehrfach
aufzufinden sein konnte.4 Dennoch hat man sie Antinous benannt und als solchen in die Belvedere-
Sammlung aufgenommen. Nicht aber der historische Antinous war gemeint, wie die Mehrzahl
zeitgenössischer Texte der Guiden-Literatur nahezulegen scheint, den man im Einklang mit der
frühchristlichen Literatur nur als ein prominentes Beispiel eines heidnisch-falschen Heiligen, als einen
"Antinous infelix"5, diskret zur Kenntnis nahm, sondern man erkannte in ihm den divinisierten,
vielgestaltigen, mystischen Retter des Hadrian, wie man ihn von Münzbildern kannte, den man ob seines
Wesens als SYNTHRONOS - somit der Gleichsetzung mit dem arkadischen, hermetischen Urgott - dort
an seinem angemessenen Platz zwischen Tigris-Arno und Kleopatra, hinter dem Nil, gegenüber vom
Tiber und Apoll zur Linken, Laokoon in der Mitte und Venus Felix zur Rechten sah.6

Er wurde dort jedoch keineswegs als Christus-gleiche Gestalt oder etwa als eine seiner Präfigurationen
ante legem, aufgefaßt - Opfer-Tod und anschließende Aufnahme in den Götterhimmel hätten dafür
geltend gemacht werden können. Diese gelegentlichen Spekulationen in der Literatur um 1900 haben
sich erledigt.7

Hier galt er vielmehr als eine Erscheinungsweise eines präbabylonischen, dem 3.Weltalter zugerechneten
Weisen, des ägyptischen Hermes Trismegistos, dem - Moses vergleichbar - göttliche Offenbarung
unmittelbar zuteil geworden war. Vergleichsweise in dieser allegorisch-heilsgeschichtlichen Qualität
wurde ein Merkur wenig später in einer Kupferstich-Illustration von Giulio Bonasone zu Achille Bocchis »
Symbolicarum Questionum ...« vorgestellt (Abb.2). Und dieser Vergleich erscheint mir plausibler als die
Analogie zu dem von Raphael 1518 entworfenen Jonas-Chigi mit einem Antinous-Kopf, mit der eine
Christus-Präfiguration nahegelegt ist. Aus Bocchis Interesse an orientalischer Religionsmystik, das sich in
seiner vorwiegenden Verarbeitung der von Filippo Fasanini übersetzten Lehre des Horapoll deutlich
macht, und weiteren Arbeiten zur Rekonstruktion der nicht-christlichen Spuren der Uroffenbarung in den
östlichen religiös-literarischen Überlieferungen an der von ihm gegründeten und betriebenen Academia
Bocchiana in Bologna, die unter dem Protektorat Pauls III. stand8, erhalten wir einen ersten Hinweis auf
die Richtung, in der wir das gedankliche und personelle Umfeld zu suchen haben, das für eine
heilsgeschichtlich begründete Deutung des Hermes-Andros als Antinous verantwortlich benannt werden
kann.

Einhellig akzeptiert blieb weder die historische, noch gar diese allegorische Deutung der Statue indessen
auch im 16.Jh. nicht. Auf der frühesten Wiedergabe in einem Stich, dem von Cavalieri, der um 1560 zu
datieren ist, wird in der Legende noch die Alternative "Milo alijs Antinous" erwogen. Stephan Pighius
dachte an einen "Genius Princeps" oder Antinous; im Codex Ciacconius der Biblioteca Angelica vom
Ende des 16. Jhds. wird Antinous einerseits in einem jugendlichen Satyr und, mit verhülltem Kopf,
ebenso in der Hestia Giustiniani erkannt.9

Daraus resultieren nun eine Reihe von Problemen, die nur zu einem geringen Teil und nur vorläufig
beantwortet werden können:
Wie ist eine solche Hermes-Antinous-Deutung in die Vorstellung vom "viridarium" als locus amoenus,
dorico more10, dem "Mons Parnassus" Julius II.11 einzuordnen ?

Sehr wohl könnte es die Arkadien-Vorstellung sein, die mit dem "Viridarium" zu Zeiten Paul III. (1534 -
1549) immer noch verbunden wurde, in der die antiken Statuen ihre neue Heimat fanden. Zwar ließ
Daltrop - darin Michaelis folgend - diese als dominierende Vorstellung mit der Aufstellung des Torso
enden, der ja nicht jüngst gefunden, sondern als mindestens schon ein Säkulum bekannt, der Sammlung
zugeführt wurde.12 Doch könnte die neue Torso-Vanitas Symbolik für die Hinfälligkeit früherer Größe sehr
wohl in dem jugendlichen Idealbild eines weisen Hermes-Antinous ihr utopisches Gegenbild gefunden
haben (was noch im 18.Jh. bei Descartes nachklingt, wenn er die Statuen des Belvedere als "die
Aposteln der Schönheit" apostrophierte).

Wie können wir uns seine Eingliederung in die geschichts-teleologische Ikonographie der Renovatio-
Antinous vom Belvedere

Konzeption, der Antiken aemulatio und imitatio13, vorstellen?
Daraus ergab sich ein Problem für die an Orosius orientierte traditionelle christliche
Geschichtsschreibung und der entstehenden Mehrdeutigkeit beim Einbezug der klassischen
Vergangenheit als historischer Praefiguration, in die die antiken Zeugnisse eingebunden werden mußten.

Oder konnte er gar in die Ikonographie päpstlicher Familienpolitik, wie sie die Medici- und Farnese-
Päpste nach dem Sacco di Roma betrieben14, einbezogen werden?

Immer dann ist es zudem an der Zeit die Forschungsgeschichte eines Objektes zu überprüfen, wenn
Indizien bekannt werden, die sich nicht ohne weiteres in das bisherige Hypothesengebäude einfügen
lassen. Ein solches Indiz ist eine Parmigianino zugeschriebene Zeichnung, die Popham 1971 in die letzte
Lebensphase zwischen 1535 und 1540 datierte. Diese Zeichnung wurde von Bober-Rubinstein 1986
unkommentiert in der Geschichte des Hermes-Antinous aufgeführt, obwohl sich das Todesdatum
Parmigianinos mit dem bisherigen hypothetischen Funddatum nicht vereinbaren läßt. 15 Entweder ist die
Datierung oder die Zuschreibung der Zeichnung nicht haltbar oder aber das bisherige Funddatum ist nicht
länger als gesichert anzusehen. Damit hätten wir eine weitere ungeklärte Frage. Diese ist hier nicht mein
Thema - dazu kann ich nur eine vorläufige Beobachtungen anmerken. Die beiden ersten werden uns hier
zu beschäftigen haben.

Wir wissen, daß vor 1550 nicht nur in römischen Sammlungen, einschließlich der vatikanischen, eine
Vielzahl an Büsten neben den Statuen vorhanden gewesen sind, die "Antinous" benannt wurden. Über
Erstere berichtet erstmals Ulisse Aldovrandi 1550 in seiner Beschreibung der römischen Sammlungen.
Neben der vatikanischen Statue benennt er in verschiedenen römischen Sammlungen 13 'Antinous'-
Büsten, von denen drei moderne Kopien waren (Abb.3).16 Aber auch diese waren nicht durch eine antike
Beischrift als Antinous ausgewiesen, mußten also auch auf einem anderen Wege als dessen Bildnis
bestimmt worden sein. Und Pirro Ligorio weist auf zwei weitere Büsten des Antinous-Bacchus hin, deren
eine in Venedig, in der Sammlung Grimaldi, die andere in der römischen Sammlung Vittorij sich befand.17

Außer einer von Pirro Ligorio beschriebenen Statue des Antinous-Bacchus, die in der Villa Hadriana in
Tivoli gefunden wurde, die aber unter den erhaltenen Statuen nicht zu identifizieren ist 18, berichtet nur
noch Flaminio Vacca vom Fund einer Antinous-Statue in der Zeit Pauls III. in den Horti Liciniani beim
Tempel des Caius et Lucius.19 Ob der Kopf jenes Vorbildes, das Raffael für den Merkur im "Rat der
Götter" in der Loggia di Psiche in der Farnesina und für den Entwurf der Statue des Jonas der Chigi-
Kapelle, die Lorenzetto ausführte, benutzte, schon als Antinous-Bildnis erkannt war, läßt sich bisher nicht
nachweisen. Ebensowenig ist auszumachen, ob die Antinous-Büste, die sich jetzt im Palazzo Reale in
Neapel befindet, bereits gegen 1520 als Antinous-Bildnis identifiziert worden war. Sie ist wahrscheinlich
die Vorlage für die Giuglio Romano zugeschriebene Skizzen in der Biblioteca Civica Passionei von
Fossombrone, eine Vorzeichnung für die Stuckbüste eines jugendlichen Dionysos der Villa Lante, um
1524/25 datiert, die unzweifelhaft die jugendlichen Züge eines Antinous trägt.20 Wahrscheinlich muß
erscheinen, daß man in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Vorstellung von antiken Antinous-
Darstellungen hatte. Bisher läßt sich aber diese Kenntnis nicht genauer bestimmen. Weder tragen die in
dieser Zeit entstandenen Büsten oder Zeichnungen eine entsprechende Beschriftung, noch sind die
Texte, in denen Antinous-Statuen oder - Büsten erwähnt werden, mit Illustrationen versehen.

Eine andere Quellensorte führt hier aber weiter: Es sind die Listen, die anläßlich von Abgußaufträge
angelegt wurden. Fünf Jahre vor Aldovrandis Aufstellung läßt sich ein erster Abguß eines "Antinous" des
Belvedere durch den Bildhauer Primaticcio nachvollziehen. Dabei bleibt allerdings offen, ob Primaticcio,
der bereits 1540 eine erste Reise nach Italien unternommen hatte, um für Franz I. von Frankreich
Abgüsse von antiken Statuen herzustellen, auf seiner zweiten Reise im August des Jahres 1545
erfolgreich dieses Unternehmen ausführen konnte. Im Dokument ist von "Domenicus Rincontro" aus
Florenz und "Jacobus Barotius di Vignola" die Rede, die "R. D. Francisco Primaditio" elf Formen
herzustellen versprechen. Unter diesen werden namentlich aufgeführt: der Nil und die Statue eines
Antinous "in viridario S.D.N. Pape in loco Belvederis positi". Über den Verbleib dieser beiden Abgüsse ist
bisher nichts in Erfahrung zu bringen gewesen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden wohl diese beiden -
im Gegensatz zu den übrigen Abgüssen - niemals in Bronze für Fontainebleau ausgeführt.21 Es lag nun
nahe aus der namentlichen Erwähnung in diesem Dokument zu schließen, daß unser Antinous erstmals
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bei diesem zweiten Unternehmen einbezogen wurde, weil er eben erst kurz zuvor gefunden wurde. Aber
welcher war es? War es wirklich der unsere? Doch wie steht es mit dem Nil, der neben dem Antinous als
einziger ausdrücklich benannt wurde - die übrigen wurden unter den "elf Formen" subsumiert? Dieser war
als einzige Neuerwerbung bereits unter Leo X. seit mindestens 1523 im Belvedere. Somit kann dieses
Argument als nicht ganz überzeugend für ein rezentes Funddatum nur mit Vorbehalt Geltung
beanspruchen.

Einzig bleibt indessen festzuhalten, daß wir für das Jahr 1545 erstmals bezeugt haben, daß eine Statue
im Belvedere als "Antinous" bezeichnet wurde. Nun hatte aber schon 1513 Andrea Fulvio, der sich als
Erster "antiquarius" nannte, und "non ut architectus sed historico more describere" beabsichtigte, in der
ersten Ausgabe von » Antiquaria urbis « den Fund von zwei Antinous-Statuen während der
Regierungszeit Leo X. (1513 - 1521) vermeldet, die dieser im Vatikan aufstellen ließ. 22 Leider wissen wir
bis heute nicht annähernd, welche Statuen er damit benannt haben könnte.

In der von Paulo dal Rosso bearbeiteten italienischen Ausgabe des Fulvio-Textes von 1543 ist der
Wortlaut des Textes ergänzt. Es heißt nunmehr: "... Le predette statue furono poste da Leone decimo nel
Vaticano, cioè in Belvedere ..."23. Und dieser Zusatz, daß diese Statuen sich zu seiner Zeit im Belvedere
befänden, führte bei nachfolgenden Autoren zu einer selbstverständlichen Gleichsetzung einer von
diesen mit unserem Hermes-Antinous des Belvedere.24 Sowohl Antonio Francesco Doni (1549)25, als
auch Lucius Faunus26 und Ulisse Aldovrandi (1556)27 fügten ihrer beschreibenden Erwähnung der
belvederischen Statue immer auch den in diesem Fulvio-Text genannten Fundort hinzu.28 Daß Fulvio
seine Angabe auf andere Statuen bezogenen haben könnte, als der Herausgeber, dem wir den Zusatz
verdanken, ist nach wie vor nicht auszuschließen, denn keine der beiden Statuen ist bis heute identifiziert
worden. Vielleicht befanden sich diese unter Verkäufen antiker Statuen aus dem Belvedere, die Pius V.
gleich nach seiner Wahl im Jahre 1566 an den römischen Senat, an Kardinal Ferdinando Medici und an
den Kardinal Otto Truchses von Waldburg veranlaßte29, weil er die heidnischen Kunstwerke hier nicht an
dem ihnen gemäßen Ort wähnte.

Sehen wir uns die Belege für die These an, daß

1. der Hermes-Antinous sich nicht vor 1543 im Belvedere befunden haben kann.
Michaelis führte dafür das Argument ein, sie habe sich nicht unter den von Primaticcio für Franz I.
besorgten Abgüssen befunden. Das aber trifft in gleicher Weise für jenen "Mercurius" zu, den Fichard
1536 "in eodem latere" wie den Apoll, den Laokoon und die Venus Felix bezeugt. Wieso aber - müssen
wir uns andererseits fragen - hat Fichard aber diese Statue zweifelsfrei als "Mercurius" bezeichnen
können? Hatte nicht auch unsere Statue Ähnlichkeit mit jener Hermes-Statue, die sich damals in der
Casa Sassi befand, wo sie Heemskerck um 1536 zeichnete? Waren vor dessen Restaurierung wohl doch
noch fragmentarische Reste von Flügeln an seinen Füßen sichtbar, wie Visconti 1818 vermutete?30

2. Das Funddokument von 1543 einer "statua marmorea perpulchra", die Paul III. von Nicolaus de Palis
für das Belvedere zu einem hohen Preis erwarb und Mercatis Bemerkung, daß der fast unversehrte
Hermes-Antinous beim Hadrians-Mausoleum gefunden worden sei, in dessen westwärts gelegener
Umgebung der Buffalini-Plan von 1560 (Abb.4) eine "vigna Horatii Pallini" verzeichnet, passen ob der
Namensähnlichkeit (Michaelis) doch zu gut zueinander, als daß an dieser Identifizierung je Zweifel
angemeldet worden wären. Und dennoch ist klar, daß hier nur Mercatis Bericht gegen denjenigen Fulvios,
bzw. seines späteren Herausgebers steht, der bereits einen sehr viel früheren Fund von zwei Antinous-
Statuen bei San Martino ai Monti auf dem Esquilin oberhalb der Thermen des Traian überlieferte (Abb.5).
Wie aber hätte Fulvio eine attributlose Statue - wenn denn die unsere in dieser Zeit bereits bekannt
gewesen sei - identifizieren können, da sie doch recht wenig mit der typischen Antinous-Physiognomie zu
schaffen hat? Dagegen aber sind auch nach 1540 keine Einwände erhoben worden, bis auf
Winckelmann. Er vergleicht sie - zumindest im Florentiner Entwurf seiner » Geschichte « - nun gerade
auch mit Hermes-Statuen:
"Aber man findet sehr viel Statuen die diesem Antinoo sehr wohl gleichen, in der Villa Mattei s[in]d auch
Statuen die für [...] nach diesen copiert scheinen. [...] Im Palazzo bey der Sapienza und San Eustachio ist
ein Mercurio so diesem Antinoo g[an]z ähnlich vom Gesicht."31
Antinous vom Belvedere

Sollte ein solcher Vergleich nicht ebenso für Fulvio möglich gewesen sein, wie für alle nachfolgenden
Autoren bis hin zu Aldovrandi? Bei Winckelmann findet sich im gleich Manuskript ein weiterer Hinweis,
der uns weiter führen könnte - und der außer von ihm sonst nirgend in die Debatte eingeführt worden ist:
Antike Medaillen und Münzbilder!

Bereits 1517 publizierte Fulvio ein Antinous-Bildnis (Abb.6) nach antikem Vorbild in seinen »Illustrium
imagines«, gedruckt bei Iacobus Mazzochi.32 Den größten Teil der Texte zu den einzelnen Holzschnitten
verfaßte wahrscheinlich Fulvio selber, wie wohl auch Sadolet als Mit-Autor ins Spiel gebracht worden ist.
Leider fehlt eine Abbildung oder Beschreibung des Revers seiner Vorlage, so daß wir nicht weiter wissen,
ob hier nicht nur der historische Antinous gemeint war, wie aus der beigegebenen Legende
hervorzugehen scheint. Wir können aber davon ausgehen, daß griechische Antinous-Münzen mindestens
seit Beginn des 16.Jhds. in Rom weder unbekannt, noch selten in Sammlungen zu finden waren.

Fulvio, dem wir die sprachliche Formel der Beschreibung des historischen Antinous verdanken, hat diese
für die Legende zu seiner Münzabbildung aus der Vita Hadrians des Aelius Spartian in der Historia
Augusta entnommen.33 Aus den antiken Texten geht nicht hervor, welches Alter Antinous gehabt hat,
weder als er erstmals mit Hadrian zusammentraf, noch in welchem Alter er starb. Es läßt sich aber aus
der Rekonstruktion der Reisen des Hadrian erschließen, daß er bei seinem Tode wahrscheinlich 22 Jahre
alt gewesen sein müßte.34 Für seine Darstellung in der antiken Kunst wurden Hermes-Typen neben
Dionysos-Osiris-, Apollon- oder Vertumnus-Typen verwendet. Das hatte seine Begründung aus dem
örtlichen ägyptischen Kult des Bes und dem gegenüberliegenden Hermopolis35 erhalten, dem Ort, an dem
Antinous zu Tode kam. Er wurde durch Hadrians Bemühungen um Verbreitung dieses neuen, von ihm
beförderten Kultes in Ägypten und in Griechenland im Land der PROS-ELENOI, der Urgriechen, dem
arkadischen Urgott - Hermes/Merkur - angeglichen.36 Daß Bithynion, der Geburtsort des historischen
Antinous, die Tochterstadt von Mantinaia und diese eine Gründung der Antinoe war - nach der Antinous
seinen Namen erhielt -, wußte man im 16.Jh. aus Pausanias.37 Als Orte seines Kultes waren u.a.
Alexandria, Bithynion und als Sitz aller Hermetik - neben Hermopolis - Mantinaia überliefert.38

Welche Aspekte des Hermes lassen sich nun von diesen Münzen aus erschließen? Hermes als
Seelengeleiter - der Psychopompos mit Chlamys und Caduceus, wie ihn Cartari darstellte (Abb.7) - weist
auf den Aspekt des Opfers beim Tode des Antinous hin. Auf hellenistisch-alexandrienischen Münzen
konnte diese Kombination nachgewiesen werden.39 Bei diesen erscheint auf dem Revers allerdings auch
ein chtonisch-thrakischer Reiterheld, der wohl kaum als Bildnis des Antinous identifizierbar ist. Münzen
indessen, die das Bildnis des Obvers oder eine stehende Figur des Revers durch den Caduceus als
chtonischen Hermes kennzeichnen, findet sich auf den Rückseiten von Münzen aus Delphi, Arkadien,
Argos (Korinth) und Nicomedien.40 Weber hatte bereits darauf hingewiesen, daß es von einigen Antinous
-Denkmünzen z.B. aus Korinth Nachbildungen auch des 16. Jhds. aus dem Umkreis des Cavino (Abb.8)
gibt41 und diese zu den am häufigsten abgebildeten Antinous-Münzen im 16.Jh. gehören.

Was also liegt näher, als an eben diesen Zusammenhang angesichts des anonymen Holzschnittes von
1517 in Fulvios » Illustrium imagines « (Abb.6) zu denken. Die dort abgebildete Münze scheint indessen
auf den ersten Blick aus numismatischer Sicht nichts als eine Erfindung zu sein. Die Umschrift
"ANTINOVS . ADRIANI" ist nicht antik, denn lateinische Münzlegenden des Antinous sind der
Wissenschaft bisher unbekannt und auch nicht zu erwarten. Sein Kult wurde in Italien zu Lebzeiten
Hadrians, z.B. in seiner Villa in Tivoli gepflegt42, eine Münzprägung in Rom mit seinem Bildnis indes wäre
nicht zulässig gewesen, denn sein Kult wurde hier nicht von Staatswegen gepflegt, wenn auch im
Serapeium eine Antinous-Basis nachweisbar ist.43 Bei den griechisch-alexandrinischen Antinous-Münzen
handelt es sich zudem immer um Stiftungen von Priestern oder reichen Anhängern seines Kultes, sie
waren keine Zahlungsmittel, sondern Gedenkmünzen oder Medaillen. Die Umschrift ist noch weniger eine
Übersetzung einer Legende griechischer Münzen. Sie ist vielmehr als eine erfundene Analogie zu den
Umschriften aufzufassen, die sich auf Münzen kaiserlicher Gemahlinnen finden (Abb.9).44

Derartige Inschriften-Typen waren der italienischen Münzschneidekunst seit dem späten 14.Jh. geläufig,
wie zahlreiche Prägungen aus Paduaner Produktion bezeugen. Sie sind keineswegs Kopien römischer
Münzen, sondern Analogie-Bildungen mit zeitgenössischen Bildnissen, wie z.B. die Carrara-Medaillen
von 1480.45 Daß im 16.Jh. Antinous-Münzen unterschiedlicher Art bekannt gewesen sind (Abb.10 - 14)
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läßt sich u.a. aus Jacopo da Stradas, » Epitome thesauri « von 1553 entnehmen. Die dort abgebildete
Antinous-Medaille (Abb.12) ist zwar in manchen Details derjenigen bei Fulvio vergleichbar, in der
Legende weist der Autor nebenbei auf antike Gold-, Silber- und Kupfermünzen hin, die seiner Abbildung
zugrunde gelegen haben sollen.46 Auch hier begegnen wir wieder dem ausdrücklichen Hinweis auf den
Opfertod des Antinous, wenn wir auch nichts über damit möglicherweise zusammenhängenden Hermes-
Darstellungen erfahren, denn die Rückseiten der Münzen werden in diesem Werk zwar besprochen, nicht
aber abgebildet. Das nun wiederum schwächt die von mir bisher vorgetragene Hypothese.

Voller Phantasie stellten in Padua Bronzekünstler - der prominenteste unter ihnen war Giovanni da
Cavino47, 1500-1570 - römische Münzen her (Abb.8). Sie sind offensichtlich nach antiken Vorlagen
gearbeitet. Sie stehen gleichwertig neben Porträt-Medaillen von Zeitgenossen, wie z.B. Julius III. aus der
gleichen Werkstatt.48 Das Antinous-Medaillon aus der Produktion dieser Cavino-Werkstatt ist nicht
indentisch mit der Darstellung auf dem Holzschnitt bei Fulvio (1517) oder Strada (1553), sondern mit
derjenigen, die sich bei Cartari und in Octavius Strada a Rosbergs »De vitis Imperatorum« findet
(Abb.13). Die Rückseite ziert hier ein den Pegasus bändigender Hermes. Sollte das der die Beredsamkeit
beherrschende, Dichtung und Gelehrsamkeit den Menschen vermittelnde Merkur sein, wie ihn die
Götterlehre, z.B. Cartari (Abb.7) durchaus kannte?49

Francesco Angeloni beschrieb in seiner »Historia Augusta«50 eine ihm u.a. bekannte Antinous-Münze, auf
der die rückseitige Darstellung einen Merkur zeigt, der den Pegasus bändigt (Abb.14). Er deutete diese
Darstellung auf die politische Intention Hadrians einer Renovatio des Griechentums im gesamten Reich,
der damit Antinous in die Funktion eines redegewandten, überzeugenden Boten seiner politischen
Konzepte einsetzte.51 Diese Vorstellung scheint schon in der Mitte des 16.Jhds. geläufig, wenn man die
entsprechenden Passagen bei Cartari (Abb.7 u. 15) daraufhin durchliest. Wir können nunmehr schließen,
daß Fulvio auf die Wiedergabe einer griechischen Umschrift verzichtet hatte, von denen ihm sicherlich
einige bekannt waren, weil ihm vorzüglich daran gelegen war, dem Thema des Bandes gemäß, diesen
Holzschnitt als authentisches Bildnis des historischen Antinous zu kennzeichnen, keineswegs aber den
Anspruch erhob, eine korrekte Wiedergabe einer antiken Medaille vorzulegen.

Was aber wußte man über die Darstellungen des divinisierten Antinous ?
Daß Antinous ein "Synthronos" ägyptischer Götter war, wußte man spätestens 1555, als Stephan
Pighius, während seines Romaufenthaltes von 1547 bis 1555, auf dem Marsfeld bei San Stephano in
Cacco52 - also möglicherweise im Temenos des Serapis-Heiligtums - eine Inschrift notierte (Abb.16) 53, in
der dieser Tatbestand überliefert ist. Es läßt sich nicht feststellen, ob diese Inschrift bereits länger
bekannt war, oder ob sie erst in dieser Zeit entdeckt worden ist. Von der nämlichen Inschrift berichtet
indessen auch Ligorio zu gleicher Zeit. Er hielt sie für die Inschrift einer Statuenbasis. Der Text lautet:
"Dem Antinous, dem Synthronos der Götter in Ägypten. Markus Ulpius Apollonius, ägyptischer Priester". 54
(Abb.17). Ligorio verdanken wir eine Fülle von Hinweisen auf den Zusammenhang zwischen Hermes-
Mercurius und Antinous, vor allem in griechisch-ägyptischen Kulten, der für ihn so selbstverständlich wie
geläufig dünkt, da er ihn aus Münzbildern und deren Beschriftungen mit Hilfe antiker Texte erschlossen
hatte. Bei der Durchsicht einer Reihe mythologischer Kompendien bis zur Mitte des 16. Jhds. stellt sich
alsbald heraus, daß Ligorio eine umfassende Zusammenstellung der zeitgenössischen Kenntnisse zu
diesem Problem liefert.

"DI ANTINOA CITTA ET DI CLAVDIANOPOLI / ET DI MANTINEIA ET DEL'ACHET CAPO. /
Scrive Dion. nella vita di Hadriano come esso imperadore edificò in Egypto Antinoa chiamandola del
nome del suo amato Antinoo garzone di singular bellezza, che hava edificio nel cielo, qual fù / Bithyne di
una Terra detta Bithymide, qual al tempo suo di Dione la chiamavano Claudianopoli, / antichamente, mà
Stephano, se non è scoretto, dice Antinoeia o città di Aegypto detta da Antinoo, / fanciullo, di ciò il
cittadino si dice ANTINOEYΣ cio è Antinoense in volgare ... / e poscia fu detta Hadrianopoli. Si che
questa città Antinoa hebbe tre nomi se non piu Clau/dianopoli, Antinoa, Hadrianopoli. Antinoo adunque la
cui effigie in questa me-/daglia delizia del suo princi... more in Aegypto, et cadendo nel fiume Nilo: come
scrisse / Hadriano, à che isti favore sacrificio a..., per che Hadriano per esser curiossisimo Mago,
pertanto famoso ha il bisogno d'una Anima, ò per amore, o per altra sua uoluntà allhora. [Abb.Profil n.re. /
Obv.: Hermes-Pagasus-Bändiger n.li.] Antinoo si morì e la cagione fù che Hadriano haueua di bisogno di
Antinous vom Belvedere

una anima di uno, che / uoluntariamente fusse morto, per uno suo disegno. In somma Hadriano sopra
ogn'calore amò / questo garzone, che è nella medaglia sculpito, come fatto un Dio, a cui doue morì
edificò una città / magnifica et denominolla Antinea da quello doue fu fatto il suo Tempio; et anchora per
tutto / lo imperio suo uolle diche fussero erette statue, et effigie del naturale; al fin disse che haueua
ueduta una stella / noua nel cielo, et che era d'Antinoo, et à chiunche di esso con soi ragionaua lo
ascoltaua di basissima voglia; et / massimamente affermando, che quella stella fusse lo spirito del suo
Antinoo, che glilo facesse adorare che lo demostrano Arnobio et Eusebio et Pausania in questo modo ne
scriue parlando dell'Arcadia. Dice che in Mantineia città degli Arcadi nuovessamente fu fatto il tempio in
honore di Antinoo, il quale Hadriano adorno curiosamente, et dice Pausania / che egli uino ... uisto, quale
sue statue, et imagini dipinte uedute, egli è honorato si in Mantinea, si altrove, si/ in Aegypto presso al
Nilo, oue le fù facta una Città chiamata dal suo nome, et in Mantinea adorato per questa aura / che
Antinoo, fu di Bithynia, et per questa cosa l'imperadore Hadriano sia uoluto che li Mantinesi osservino
come un'/ Dio il suo fauorito Antinoo, à cui non solo ogni anno faceuano la festa, ma anchora la fanno a
suo honore il giuoco / quinquennale. La sua casa sacra è nel Gymnasio, doue si tengono li segni è figura
di esso Antinoo, la qual casa e non-/ solamente ornata di qualsi uoglij ornamento di pietre
eccellentissime, ma etiandio di honori di infiniti ritratti di Anti-/noo, dele cui imagini la maggior parte
mostra gli ornamenti di Bacho, et questa sorte, come dice il detto authore, si / trouano del medesimo à
Roma, nella Villa Hadriana Tiburtino et in Lanuvio circo detto hodiernamente cività / indiuina. Et nelle
antiche sacrifici si troua scritte, egli esso Antinoo Heroe che siede tragli altri dij / d'Aegypto, sicome era
scritto in quella base trouata nelle ruine del Tempio di Serapide à Roma presso /[fol. 104] l'arco di
Camigliano, dove erano molte altri belli ornamenti di Iside e di Serapide, et tutte l'effigie di Antinoo ò
quele le piu di esse sono coronate di Coron Hederace, et con la pelle di capre alcuna / fiara. Ora questa
medaglia del ... mostra per la inscritione che ha inse con OΣTIΛIOΣ MAPKEΛΛOΣ IHPOYC ANTINOOY
ANEΘHKE TOI■ AXAIOIΣ, che in latino: Ostilius Marcellus An-/tinoi sacerdos dedicauit ACHAEIS, che in
uolgare, Ostilio Marcello sacerdote di Antinoo dedicò / a'gli Achini che sono popoli dell'Achaia, i quali
batterono a suo tempo le medaglie. Dice / Spartiano, che li greci consacravano Antinoo per uoluntà di
Hadriano al quale nel Peleponeso / esso medesimo compose gli oracoli, che di Antinoo haueuamo à
darsi a chi uoleua sapere le / cose foture. Di piu secondo Dempstana una Dedicatione scritta in greco che
hauemo posta / al suo luogo, che fu trouata nel detto tempio di Serapide un certo Apollonio quiui fu di
Anti-/noo il profeta che dava i resposti. Questo costume di respondere alli dimande, non era il / Dio ma i
sacerdoti in nome del suo Nume, i quali riferenti delle cause, che faceuano diman-/dare le cose,
rispondeuano con doppio parole con enigmi, per fare quad.... è se... / loro in qual modo si uoleva et cosi
saluavano la si puratione di tale fraudolente religione."
Bl. 106
"DI BITHYNI. CAPO./ Nell'anno dipoi passaro nelli tremila setticento uenti del mondo, furono molte
murationi et inuentioni ritrouate. Fu fabricata Bithinia città da Phenice che porto l'inuentione delle lettere,
et Dardano edi-/fico Dardana. Lo Egypto che prima si chiamaua Acria muto nome, è fu appellato da un
Re del-/li medesimi popoli chiamato Aegypto. In questo tempo EY.. thonio (?) trouo il carro da quatro
Caualli in / Grecia et Eiprolemo con una naue longa, dice Eusebio, peruenne in Eleusina doue destribui il
fru-/mento. Et Proserpina figliola di Cerere fù rapita da Orco ré delli Kolossi, del qual rapimento / fù
concetta tra poeti la fauola, che Plutone la rapisse mentre cogliaua fiori con le Sirene figliole / di Achelao.
Questi sono le cose più stimate di questo tempo che Bithima fù fabricata. della quale cit-/tà è questa
medaglia di Antinoo, che hora ha il cardinale Farnese, già comparata dall'Abate su.... / per presta scudi
d'oro [2 ?] la cui medaglia ha questa inscrizzione da na banda doue é il ritratto /[Abb des Ob- (Profil n.re.)
und Revers (Hirte mit Stier n.li.)] di Antinoo H ΠATPIC ANTINOON ΘEON, che uuol dire la patria sua
dedica Antinoo Deo. et / dal rouescio viene questi altri parole BIΘYNIEΩN AΔPIANΩN, ciò è delli
Bithyniesi cogno-/minati Hadriani. Bithynia, o'uero, Bithynium, dice Stephano è città di Bithynia Regione /
doue aliega Pausania nell'erano, doue egli parla di Antinoo proprio che fù di persia Bithymà, quel che qui
Stephano dice in neutro genere, Pausania il dice in femminino BIOYKIA, et in pari / che Dione in
Hadriano, o uero Kiphilino, dice che Antinoo fù di Bithynia acol che esso / sè il nome è scoretta dechiara
questa città BIΘYNIΣ I■O■, che non é fuor di propo- / sito, et dice che già fù chiamata Claudianopolis:
sua del resto di Dione non dicesse il cor-/retto Hadrianopolis per accordarsi con questa medaglia del suo
favorito .... Bithynis Hadria-/na. da questa città, dice Stephano fù Pinyro grammatice liberto de
Epaphrodiro, qual fù / liberto da Nerone. Appresso dice Pausania, che questa città è posta in Bithynie
sopra del fiume / Sangario come sè detto disopra.// Ché per rouesscio di Antinoo sia Mercurio alla
pastorale col pedo o'ver Bastone pastorale in / mano che guarda un Boue o'ver Giouerca non è senza
Peter Gerlach

ragione. per che si legge di ... / diuersi cognomi di Mercurio et tra gli altri hauea questo ancora Naumios,
che uiene dalla paro-/la NOMA ... Per questo divene quella imagine di Mercurio, tra quei dodici / Dei che
sono nell'Ara anticha circolare l'ara del Cardinal di Carpi et Iulio papa terzo. L'ariete ha per suo segno
tragli altri: H...ceo significa la concordia, et lo nodo .idesso, subito et l'austerità che intutto secess. H... del
cauallo pegasso, e la gran fama di An-/tinoo che non per tutto quasi che egli sia per quella pe..ro posto
alle stelle. /[Abb.zwei Münzseiten: Stern /Pegasus n.re.-Stern]
La stella di questo altro rouescio dentro la luna significa l'anima di esso Antinoo e... ..eale / ... da
Hadriano ... stelle seccade la persoasiua alqual principio la ... diuenne che do-/po la sua morte stella
come dice Spartiano, ove ancora in cielo Mercurio secondo le fa-/uole imesso di Gioue et nella Terra di
Plutone et l'han dato l'ariete per segno celeste / a cui è dedicato ancora il uerbo Bucolico, il che ancora
Donato nell'egloga di Daphnido / presso di Virgilio nel .... et non selo Donato sua, Hesiodo anchora nella
Theogonia / lo dice manifestamente, ove egli fà Mercurio insieme con Hecate presidenti ali stelle degli a...
in questi versi ὲσθλη. δ. εν σταθμοἰσι σὺν ᾿Ερμἥ ληἰδ᾽ ἁἐξειν/ βουκολιας δὲ βοων τε και αὶπὀλια πλατἕ
αιγὢν/ ποιμνας τ. ειρο-/πὸκων ὸιων θυμω γ᾽ ἑθἐλουσα ὲξ ὀλιγων βριἀει, καὶ ὲκ πολλων / μειονα θῆκεν.
Cio è la bona Hecate con Merkurio aggisca nelle stelle a'moltiplica-/re li quadrupedi, et la mandra de
buoui, et di capro et di sanare pecore, et di picciol / numero uoluntieri le fa crescere, et tal uolta de'ogni
gran moltitudine le fa ridur a' picciol numero. Che allegoricamente Mercurio significa il sole, et Hecate la
luna, cosi/ adunque questa impresa della medaglia non è fatta a'caso, ma con misterio
accomoda-/tissimo secondo quella religione delli Dei de greci, per che presso loro Mercurio, è cagione
universale di far crescere il tutto, à cui hanno paragonato Antinoo addata-/mente, che sia quel giouane
una medesimo cosa, et posto tra gli Dei, et sicome Mercurio / è pertanto cosi Antinoo, perluminoso
perdicato un Dio immortale. ... Hora l'han / fatto che freni il cauallo pegaseo alato, come à quello che
termina. la fama della sua / Deita in mano, et significano tutti i symboli in quali gli han ripresentato la sua /
immortalità. Et furono fatto gli dalla eloquenza et ornato parlare usato dal suo prin-/cipe per che Hadriano
lo essalto, lo glorificò, et lo pose tra gli'Heroi, et compose uersi a / suo honore, et fece i uersi con li quali
rispondeua l'oracolo del Dio Antinoo. Et li fece / dedicare Are et Tempij et scrificij, in molte città lo fece
consagrare nelli gymnasij / Et come a'un Dio Baccho honorato coronato di Hedera come lian... superato
gli indiani / et gli fé conseguire tutti quei honori che potessi hauere un Dio in Roma et nella sua patria / et
altroue. Et nello medaglio fu da una tonda sculpita la sua testa, et dall'altra ui al...fo. imagine / che non
hauemo detto di Mecurio, percio che in alcuno suo rouescio si vede Mercu-/rio, che mena un cauallo.
Quando in luogo di ariete mena un caprone animale che / si sagrificaua à Baccho, et cauallo al sole, altri
si sono che Mercurio ha seco delle / vacche, animali della luna ... Non è gran marauiglia, che Hadriano
honorasse / allo stesso d'oneri un suo favorito hauendo degli altri che l'obeditione; e essendosi suaso à /
se stesso d'esser un Dio, et poteua far dagli altri. conciosia cosa che Theodoreto dice come / esso
imperadore fece il Tempio à se stesso doue s'adoraua et bone ... porua anche fur / fan degli altri a quello
che gl'haueua quanto se stesso nella Deità lo pose residente nel cie-/lo delli Dei di Egitto. Dicono, che
Constantino imperadore leuò uia tutte le infedeltà / de gentili, et bruttezze, tra le quali leua la religione di
Antinoo, come scriue San Hiero-/nymo nel primo commentario, sopra Isaia. ... E'un altro strano imagine
del Dio Antinoo a Roma nella casa di Vittorij, la quale e stata trouata in / la loro uigna, dove era la villa di
Marsio Celso, oue tra l'altri ornamenti, e ....-//vi erano, in quella parte che è uicino alla Porta Portese
accanto la strada fuor delle mu-/ra della citta, quale e'un giouane uestito d'un farsetto, con lo cappello in
testa con la / zappa in spalla, col sistro in mano, et con li stiualetti in piedi, di grandezza maggior / del
naturale d'un bellissimo marmo. Il quale secondo i dotti segnali con finte che gli / sia cultore delli campi de
brati, à guisa d'un ... sia figliuolo di Iside la quale fu eip-/trice di truovarsa consacre della Terra. //
Quest'altra è moneta delli Smyrnei, con questa inscrittione ANTINOOΣ HPOΣ cioè Antino Heroè, et
dell'altra banda ci dove è l'Ariete ΣMYΡNAIOIC. ΠOΛIMΩN ANEΘHKE. cio è gli Smyrnei consecra-/vono
Antinoo soprastante, oùero dedicante Polemone, il quale di ragione doveva esser il sacerdote di An-/tinoo
presso i Smyrnoi."55

An mehreren weiteren Stelle im Turiner und im Neapler Manuskript wiederholt er in entstprechenden
Varianten die Geschichte der Divinisierung des Antinous zu einem ägyptischen Gott, die Errichtung von
Kultplätzen, Standbildern und die verschiedenen Formen seines Kultes durch Hadrian auch in
Griechenland und Italien. Damit können wir mit Sicherheit davon ausgehen, daß Hermes-Antinous eine
gleichsam selbstverständliche Verbindung für die Mitte des 16. Jhds. darstellte, ebenso
selbstverständlich, wie z.B. Antinous-Osiris-Bacchus, die in einigen anderen antiken statuarischen
Darstellungen bekannt war.
Antinous vom Belvedere

Ligorios Bezugspunkt sind indessen nicht die statuarischen Überlieferungen, denn diese tragen keine
Bei- oder Inschriften. Für ihn - dem man zu lange den Vorwurf nachtrug, des Griechischen überhaupt
nicht und des Lateinischen nur in beschränktem Maße mächtig zu sein - ein Vorwurf der in letzter Zeit
offensichtlich gründlich revidiert werden konnte - waren die Münzbilder und -legenden mit ihren
Inschriften auch im Zusammenhang seiner Erörterungen des Hermes-Antinous wichtigster Anhalt. Sie
dienten ihm als Beleg für seine topographischen und religionsgeschichtlichen Erläuterungen, die er zu
seinen Zitaten nach antiken Autoren - u.a. Pausanias und Stephanus Byzantinus - abzeichnete. Nachdem
damit angedeutet ist, welchen Zusammenhang zwischen Hermes und Antinous man in der Mitte des
16.Jhds. aus antiken Quellen zusammenstellen konnte, gilt es nun mehr der Frage nachzugehen, welche
religionshistorischen Rang man dem Divinisierten zubilligte, dessen Andenken man bisher mit den
Kirchenvätern auf das Heftigste bekämpft und diffamiert hatte.

1532 erschien in Basel ein Sammelband, in dem u.a. die Schrift des Pymander » De Potestate et
Sapientia Dei « aufgenommen wurde. Im Vorwort konnte der Herausgeber, Michael Isingrin, konstatieren,
daß die Lehren des Hermes Trismegistos als "Theologische Lehre ... seit kurzem auch von christlichen
Theologen ob ihrer überraschenden Einsicht überaus bewundert wird ..."56. Auf fol.2 folgt in der Praefatio
des Marsilio Ficino, der 1463 den Text des Hermes Trismegistos übersetzt hatte, findet sich eine kurze
genealogische Erläuterung: "Zu jener Zeit, als Moses geboren war, tat sich der Astrologe Atlas hervor,
der Bruder des Naturkundigen Prometheus, Großvater mütterlicherseits des älteren Mercurius. Dessen
Enkel war Mercurius Trismegistos. Augustinus schreibt, Cicero und Laktanz bestätigen das: es gäbe fünf
Mercurii nacheinander. Der fünfte von diesen war derjenige, den die Ägypter Theut und die Griechen
Trismegistos nannten. Mercurius Trismegistos, der Dreifach-Hohepriester Merkur wird der erste
Begründer der Theologie genannt... Von ihm wurde eine Stadt gegründet, die auch heute noch
Hermopolis, die Stadt des Merkurius, heißt".57 Das aber ist genau jene Stadt, die zu den ersten Kultorten
des Antinous zählte, und das wußte man auch von Münzlegenden her. Neben der Überlieferung eines
prominenten paganen "Heiligen" ventilierte man im 16.Jh. ebenso die Verbindung zu einem
geheimnisvollen Weisen, der als der ägyptische Mercurius, als Thot, nun in jener Schrift des Pymander
greifbar wurde, von dem sowohl Jamblichus und Natale Conti, als auch Cartari, unter Verweis auf Plato
und Cicero, bereits berichteten.58 Dieser Rekonstruktionsversuch steht neben einem anderen auf der
Suche nach Spuren einer Uroffenbarung. Pighius hatte sich in einem 1568 veröffentlichten Büchlein
»Themis Dea« um eine andere Spur bemüht: die orphische Theologie. Ebenfalls ging es um eine
vormosaische theologische Tradition, von der noch Hesiod und Homer zehrten, die vor allem bei Plato
sichtbar war. In einem Gespräch zwischen dem Cardinal Carpi, Morillon und Pighius wird im Bemühen
um die Deutung einer Göttinnen-Herme der Sammlung Carpi die seit Pico de Mirandolas »De hominis
dignitate« und Francesco Giorgios »De harmonia mundi totius« verbreitete Vorstellung rekapituliert, daß
den poetischen Überlieferungen ein mystisch-allegorischer Sinn unterlag, den es vor allem auch in den
bildnerischen Erzeugnissen zu entschlüsseln galt. Dort lesen wir: "Motu divinae rationis, qui Mercurius
est...".59

Damit eröffnet sich eine dritte Möglichkeit vom Opfertod des Antinous-Jonas über den Seelengeleiter
Antinous-Hermes zum beredten Vermittler göttlichen Willens an die Menschen zu gelangen und der fand
in der antiken Mythologie sein historisches Pendant im weisen Hermes-Trismegistos, einem
Zeitgenossen des Moses. Dieser hatte wie jener göttliche Uroffenbarung empfangen und an die paganen
Völker vermittelt. Bei ihnen wurde dieses Wissen indessen späterhin korrumpiert. Das aber minderte
nichts am göttlichen Ursprung dieses geheimnisvollen Wissens und dem in ihm aufgehobenen
Wahrheitsgehalt, den es zu ergründen galt, wie es 1570 Hieronymus Lauretus in »Silva allegoricus«
beschrieb.60 Mit den Kräften, die Merkur zugesprochen worden sind, seien jene göttlichen gemeint, die
Gott in die Seele des Menschen einströmen ließ: Merkur heißt alle Ratio und Weisheit, die nach
göttlichem Willen in unsere Seele einströmt, faßte Conti den verborgenen Sinngehalt der antiken Merkur-
Gestalt zusammen.61 Auf Grund des systematischen Interesses von Philosophen und Theologen des
16.Jhds. die Spuren der göttlichen Offenbarung auch in den Gestalten der paganen Antike
wahrzunehmen, die sie als Zeugen für allgegenwärtige Hinweise auf die christliche Trinität und die zeitige
Erscheinung des christlichen Erlösers zu erfassen trachteten62, hat der Hermes-Antinous seinen
berechtigten Platz im Ensemble des Belvedere gefunden. Er wäre damit bisher die einzige unter den
Statuen, für die sich wahrscheinlich machen ließ, daß sie aus diesem primär theologischen Grunde als
Peter Gerlach

Repräsentant des dritten Weltalters Aufnahme in die Sammlung fand. Mein Kronzeuge Pirro Ligorio
bestätigt diesen letzten von mir gezogenen Schluß nicht. Er erwähnt eine ihm bekannte Antinous-Statue
nur an einer Stelle seiner götter-genealogischen, topographischen, epigraphischen und numismatischen
Notizen, die zu seiner Zeit in Tivoli gefunden wurde, nicht aber die des Belvedere. Ich denke aber, daß
das Netz der Belege bereits jetzt so eng um diesen Schluß auf diese letzte, entscheidende Ähnlichkeit
gelegt werden konnte, daß sie in Analogie zu vergleichbaren Darstellungen in der großen Wandmalerei -
etwa der Sybillen der Sixtinischen Kapelle - durchaus als naheliegende weitere Bestätigung findet.
Zudem fügt sich diese Deutung dem auf antiquarische Gelehrsamkeit gestützten Geschichtsentwurf ein,
der sich in der Ausstattung des Teatro del Belvedere durch Ligorio aufweisen ließ.63

Wer aber könnte für diese Überlegungen gleich nach dem Fund der Statue verantwortlich gezeichnet
haben können? Es müßte ein Mann, oder eine Gruppe von Männern sein, die einerseits über ein breites
humanistisches und theologisches Wissen verfügten und zum anderen unmittelbaren Zugang zu neu
gefundenen Statuen hatten. Commissario generale delle Antichità di Roma war seit 1534 Latino
Giovenale Manetti.64 Er hatte selber eine Statuensammlung in seinem Haus am Campo dei Fiori
zusammengetragen, die Aldrovandi beschrieb.65 Päpstlicher Kämmerer seit 1539, war er der
hervorragendste Vertreter der klassischen Gelehrsamkeit im damaligen Rom. Bereits unter Leo X. war er
mit theologischen Fragen für das Konzils betraut worden, unter Paul III. mehrfach Gesandter, päpstlicher
Geheimschreiber, mit Sadolet und Bembo befreundet.66 Er wurde zudem 1543 Oberaufseher über die
Straßen, im gleichen Jahr also als mutmaßlich der Hermes-Antinous gefunden wurde. Sadolet und Pietro
Bembo (1470-1547)67, die beide päpstliche Privat-Sekretäre unter Leo X. (1513-1521) gewesen sind,
könnten indessen auch sehr wohl die Gewährsmänner für den Hinweis auf den Fund der Antinous-
Statuen bei San Martino ai Monti gewesen sein. Fulvio kannte sowohl den einen, wie die beiden anderen.
Pighius und Ligorio, der 1549 emendator et superstans fontis Sancti Petri wurde, waren beide mit der
Abschrift der Inschrift des Antinous-Altares von San Stephano in Cacco auffällig um dieses Problem
bemüht. Beide waren, ab 1546 der eine und ab 1547 der andere, mit Beschreibungen der römischen
Ausgrabungen und Altertümer beschäftigt, als Manetti noch an der päpstlichen Münze tätig war. Er
verstarb 1553 als 67jähriger. In diesem Kreis sind angesichts dieser Statue mit hoher Wahrscheinlichkeit
jene Gedanken aktualisiert worden, die Franco da Fiano über ein Jahrhundert zuvor in die Worte kleidete:
"Sie (die Alten) nannten das Götter, was bei uns die Heiligen sind".68 Für die Direktheit mit der Conrad
Celtis in der Schlußvignette der Melopoeia des Tritonius von 1507 die "heidnischen Trinität" - dort vertritt
Merkur die ikonographisch traditionelle Stelle Johannis des Täufers - darstellte, findet sich in Italien keine
vergleichbare Darstellung.69

Gibt es nun zwischen dieser Anschauung um 1500 und der Vorstellungswelt der späteren Generation um
Paul III. eine denkbare Verbindung? Hatte Paul III. eine antik-römisch-imperiale Wahlverwandtschaft
gepflegt? Denn sein Papst-Name "Paul" weist darauf nicht hin, eher im Gegenteil: Paulus, dem bekehrten
Saulus, gebührt seine Referenz.

Auf dem Aufriß des Kapitolspalastes Dupéracs von 1568, nach dem wahrscheinlich 1566 erstellten
Programm, erscheint in dem Götterensemble neben Fortuna, Bacchus, Minerva und Jupiter auf der linken
Seite eine Merkur-Statue, gefolgt von drei weiteren nicht näher bestimmbaren Statuen auf dem Gesims,
an einer kaum als markant zu bezeichnenden Stelle. Ein unmittelbarer Bezug auf Paul III. ließ sich dort
bisher nicht ausmachen, außer daß die zur Ausstattung verwandten Statuen zu der Stiftung gehörten, die
Paul III. dem Senat und Volk von Rom aus den Beständen des belvederischen Theatro vermachte. 70
Außerhalb des Vatikan ließ er sich in einem anderen machtpolitischen Kontext - auf dem Kapitol in Rom
als "caput mundi" in der Nachfolge des "Imperium Romanum" - sowohl mit den Tugenden des Idealbildes
römischen Herrschertums, dem Kaiser Marc Aurel, anläßlich dessen Überführung und Wiedererrichtung
auf dem Kapitols-Platz vergleichen. Für die gleichen Verdienste wie der Kaiser Vespasian für die Stadt
Rom wird Paul III. in der von Manetti verfaßten Inschrift auf der vom Senat errichteten Ehrenstatue
gelobt71, mit dem ersten christlichen Kaiser, Konstantin, durch die Aufstellung der drei Konstantins-
Statuen vom Quirinal an dem direkten Weg zu Aracoeli virtuell verglichen.72

Der Versuch von 1538 auch die Dioskuren vom Quirinal, die 1550 versuchsweise von Pirro Ligorio und
Onofrio Panvini als Alexander identifiziert wurden, auf den Kapitolshügel zu versetzen, folgte der gleichen
Idee. In diesem Paar wäre nun aber über das "Imperium Romanum" hinaus an die Tradition des
Antinous vom Belvedere

hellenistischen Weltreiches unter Alexander dem Großen und damit auf Grund der Namensgleichheit
zwischen dem Farnese Paul III., dessen Taufname Alessandro war, und dem griechischen Herrscher der
Antike an eine imperiale Tradition mittelbar angeknüpft worden. Seinen Neffen ließ er ebenfalls auf den
Namen Alessandro taufen. Es ist also der Stamm der Farnese, der hierbei den Ausgangspunkt bildet,
nicht jedoch seine Stellung als Papst, wiewohl er sich bereits von Anfang an sehr um das Gedächtnis
seines der damnatio memoriae anheimgefallenen Vorgängers, des Borgia-Papstes Alexanders VI.,
annahm. Dieser Versuch scheiterte am Widerstand der Senatoren.73 1543 wurde in der Sala di
Campitolio als Stiftung des Senates eine Ehrenstatue Pauls III. aufgestellt (heute in Aracoeli). Sie hätte
damit in der Mitte zwischen den Alexander-Dioskuren räumlich nach der des Marc Aurel und vor der des
Konstantin gestanden. Die Anspielung auf historisch-imperiale, nicht aber auf heilsgeschichtliche
Ähnlichkeiten lag hier auf der Hand.

1545 beginnt die Ausstattung der Sala Paolina in der Engelsburg, der päpstlichen Festung im antiken
Hadrians-Mausoleum, die während des Sacco di Roma auch dem Farnese Kardinal sicheren Schutz
geboten hatte. Im Freskenzyklus des Hauptsaales von Pierino del Vaga mit Szenen aus dem Leben
Alexander des Großen wird nicht unmittelbar auf den bürgerlichen Taufnahmen des Papstes angespielt74,
sondern umfassender die heilsgeschichtliche Bedeutung des Reiches Alexander des Großen und das
Wirken des hl. Paulus für die weltweite Ausbreitung des Christentums thematisiert. 75 An der südlichen
Stirnwand ziert ein überlebensgroßes gemaltes Stadtbild des vormaligen Hausherrn, Hadrian, die Mitte
des Saales. Läßt sich diese Darstellung ohne weiteres als ortsbezogene Genealogie verstehen, so bleibt
eine mitbezeichnete Ähnlichkeit zwischen Paul III. und Hadrian hier allenfalls unterschwellig benannt.
Paul III. hat diese Räume nicht selbst genutzt, sondern wurde vom Kastellan der Engelsburg, dem
Kardinal Tiberio Crispo, gelegentlich dort bei Besuchen empfangen. Als verantwortlich für das
Ausstattungsprogramm wird neben Paul III. persönlich, Latino Giovenale Manetti in den Jahren 1544/45
erwogen.76

1546 wird eine vollständige humanistische Virtus-Genealogie Pauls III. durch Vasari in der Sala dei cento
giorni der Cancelleria gemalt. Dort finden sich antike Kaiser-Büsten: Caesar und Alexander, Agrippa,
Numa Pompilius und Trajan, Augustus und Vespasian. Diese Vorbilder, oberhalb von Darstellungen
exemplarischer Verdienste und zeitgenössischer Ereignisse als Ausweis der virtutes des Papstes,
präfigurieren die persönlichen Leistungen und Tugendbeweise Pauls III.77 Einen Verweis auf eine
metaphorische Ähnlichkeit zwischen Hadrian und Paul III., wie wir sie in der Engelsburg vermuten
können, findet sich dort allerdings nicht.

Alexander und Hadrian nun hatten mit Paulus eines gemeinsam: sie waren bedeutende historische
Persönlichkeiten, die Griechisch sprachen, die Lieblingssprache auch Pauls III. schon während seiner
Studienzeit als Zwanzigjähriger. 1488 drückte er das unzweideutig in einem Brief an einen
Schulkameraden aus.78 Genau dieses bestätigte Romulo Amaseo in seiner Trauerrede auf Paul III. von
1563: Seine Gelehrsamkeit und Bildung sei nur der der vier römischen Herrscher Caesar, Augustus,
Hadrian und Marc Aurel vergleichbar gewesen, seine Friedensliebe zudem der des Antoninus Pius und
Marc Aurels.79 Der für seine politischen Großgriechenland-Ambitionen bekannte ehemalige Hausherr der
Engelsburg, der römische Kaiser Hadrian, steht dann auch nicht von ungefähr in der gemalten
Ausstattung an zentraler Stelle in der Mitte der Südwand der Sala Paolina dem Erzengel Michael
gegenüber.

Versöhnungspolitik, nicht römisch-imperialer Tradition der Friedenspolitik etwa des Augustus, sondern
jene, die Alexander als Initiator und Hadrian als Vollender zur Beförderung griechischer Hegemonie in
den zur Zeit Paul III. vom Islam besetzen Ländern zu ihrer Zeit gegenüber Griechen, Juden, Ägyptern und
den übrigen Völkern des vorderen Orients betrieben hatten, war die politische Ähnlichkeit, auf die Paul III.
sich bezog.80

In Manettis Ernennungsurkunde zum Verantwortlichen für Roms antike Monumente durch Paul III. von
153481 hieß es wörtlich: "... Nachdem uns Gott die heilige christliche Religion geschenkt hat, haben wir
auch die Pflicht das Andenken der Monumente der Alten zu pflegen ... Nachdem jeder heidnische Kult in
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